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Praktische Arbeitsmedizin 28 Darius, S. et al.: Beurteilung der Kontrastempfindlichkeit ... ISSN 1861- 6704 Prakt. Arb.med. 2010; 21: 28-31 Beurteilung der Kontrastempfindlichkeit – Ein Methodenvergleich Sabine Darius 1 , Thoralf Rößler 2 , Daniel Schenk 1 und Irina Böckelmann 1 1 Bereich Arbeitsmedizin, Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, 2 Klinik für Augenheilkunde, Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Zusammenfassung An das Sehvermögen werden in der sich stän- dig wandelnden Arbeitswelt zunehmend hö- here Anforderungen gestellt. Im Rahmen von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersu- chungen wird die Sehschärfe des Arbeitneh- mers bei hohem Kontrast der Sehzeichen und optimalen Lichtverhältnissen geprüft. Um die Sehleistung des Arbeitnehmers jedoch besser bewerten zu können, ist zusätzlich eine Un- tersuchung der Kontrastempfindlichkeit (KE) sehr sinnvoll. Diese Untersuchung liefert wich- tige Informationen über das Sehvermögen un- ter Alltagsbedingungen, bei denen nicht immer gute Lichtverhältnisse gegeben sind. Ziel dieser Arbeit ist es, die Aussagekraft zwei- er verschiedener Verfahren zur Prüfung der Kontrastempfindlichkeit zu werten und zu ver- gleichen. Zu diesem Zweck wurde bei jungen, gesunden Probanden die KE mit zwei ver- schiedenen Methoden – mit der VISTECH- Prüftafel und dem Einblickgerät Rodatest 302 der Firma Vistec AG – ermittelt. Keine der getesteten Methoden erwies sich als wirklich ungeeignet für arbeitsmedizinische Fragestellungen. Je nach Untersuchungsziel bzw. örtlicher Gegebenheit haben beide Me- thoden ihre Vor- und Nachteile. Schlagwörter Kontrastempfindlichkeit; Sehleistung; VISTECH-Tafel; Rodatest 302 1. Einführung In der sich ständig wandelnden Arbeitswelt werden durch die sich immer weiter ausbrei- tenden Informationstechnologien zunehmend höhere Anforderungen an das Sehvermögen gestellt. Das gilt insbesondere für Berufe, bei denen eine gute Sehleistung ohnehin nötig ist, z. B. im graphischen Bereich, aber auch bei Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten. Gerade im Straßenverkehr ist ein intaktes Sehvermögen äußerst wichtig. Die Unfallrate durch schlechtes Sehvermögen dürfte mit ca. 7% annähernd so groß sein wie die Unfall- rate durch Alkoholeinfluss (siehe Lachenmayr, 2006). Eine gute und richtige Beurteilung des Sehvermögens ist daher wichtig. Die Erkennbarkeit von Sehzeichen hängt von den verschiedenen Umgebungsbedingungen ab. So spielt nicht nur die Objektgröße eine Rolle, sondern auch der Kontrast, mit dem die Sehzeichen dargeboten werden, sowie die Be- leuchtungsbedingungen (Paliaga, 1993). Im Rahmen von üblichen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen (z. B. Untersu- chungen des Sehvermögens bei Bildschirm- arbeitsplätzen) oder auch im Rahmen von Eignungsuntersuchungen (z. B. bei Piloten, Schiffsführern) wird die Sehschärfe des Arbeit- nehmers bei hohem Kontrast der Sehzeichen sowie bei optimalen Lichtverhältnissen geprüft. Diese optimalen Bedingungen sind jedoch im Arbeitsalltag nicht immer anzutreffen. So sind z. B. Fahrten bei Nacht bzw. in der Dämme- rung oder auch bei Nebel zu leisten und auch bei verschiedenen Tätigkeiten in Gebäuden oder auch Untertage sind z. T. unzureichende Beleuchtungsverhältnisse gegeben. Um die Sehleistung der Arbeitnehmer besser bewerten zu können, sind zusätzlich Untersu- chungen der Kontrastempfindlichkeit (KE) sehr sinnvoll (Lachenmayr, 2003). Nach Bach et al. (2008) beschreibt die Kon- trastempfindlichkeit die Fähigkeit des visuellen Systems, örtliche und/oder zeitliche Hellig- keitsunterschiede zu erkennen. Diese Unter- suchungen liefern wichtige Informationen über das Sehvermögen bei eher ungünstigen Licht- und Kontrastverhältnissen (z. B. in der Däm- merung oder bei Nebel). So lässt sich leichter feststellen, wie gut der Arbeitnehmer wirklich sieht (Wilhelm 2008). Eine hohe Sehleistung wird dann diagnostiziert, wenn die Objekte bei sehr geringem Kontrast noch wahrgenommen werden. Die KE kann aus den verschiedensten Grün- den herabgesetzt sein, z. B. bei Augenerkran- kungen wie Entzündungen des Sehnervs, Glaukom oder Katarakt (Bach et al., 2008). Aber auch bei Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder arterielle Hypertonie ist eine Ein- schränkung der KE möglich (Böckelmann et al., 2010). Da die Zahl der älteren Arbeitnehmer zunimmt (und damit auch der Anteil der chronisch Kran- ken im Arbeitsleben), sollte zur Überprüfung der Sehfähigkeit die Messung der Kontrast- empfindlichkeit in Erwägung gezogen werden. Auch verschiedene toxische Arbeitsstoffe wie Blei oder Lösungsmittel beeinflussen die Kon- trastempfindlichkeit negativ. So stellten Böckel- mann et al. (2008) eine reduzierte KE bei blei- belasteten Schießausbildern der Polizei fest. Auch bei langjährigen lösemittelbelasteten Au- tolackierern bzw. Mitarbeitern in Druckereibe- trieben konnte eine Reduktion der KE nach- gewiesen werden (Böckelmann et al., 2001, 2003, 2005, Kishi et al., 2000). Ein weiterer Faktor, der die KE beeinflusst, ist das Alter. Die KE ist im Alter von 20 – 30 Jah- ren am größten, danach nimmt sie kontinuier- lich ab (Paliaga, 1993, Glass, 2007). Nicht zuletzt ist auch aus diesen genannten Gründen eine Untersuchung der KE durchaus sinnvoll. Bei Bildschirmarbeitsplätzen ist die Prüfung ebenfalls zu empfehlen, da bei redu- zierter Kontrastempfindlichkeit die Probleme der älteren Arbeitnehmer noch verstärkt wer- den können durch ungünstige Gestaltung des Arbeitsplatzes. Zur Erfassung der KE gibt es verschiedene Methoden. Zum einen werden Sinusgittermus- ter mit unterschiedlichen Ortsfrequenzen ver- wendet, deren Kontrast verändert wird. Zum anderen können auch die Tests durchgeführt werden unter Veränderung der Stimulusgröße, während der Kontrast gleich bleibt. Ziel dieser Arbeit ist es, unter photopischen Be- dingungen die Aussagekraft zweier verschie- dener Verfahren zu prüfen und zu vergleichen. 2. Probanden und Methodik 2.1. Probanden In der Studie wurde die Kontrastempfindlich- keit bei 37 freiwilligen gesunden Probanden (24 Männer und 23 Frauen) im Alter von 26,2 ± 5,14 Jahren untersucht. Der Fernvisus betrug mit Bestkorrektur rechts 1,25 (0,63 – 1,25) und links 1,25 (0,63 – 1,25). Ausgeschlossen wurden bereits im Vorfeld vier Probanden mit einem Fernvisus unter 0,63 trotz Korrektur. Ausschlusskriterien waren au- ßerdem übermäßiger Alkoholkonsum (mehr als 40g/d) sowie Drogenmissbrauch. Weiterhin wurden die Einnahme von Medikamenten wie Digitalis und Antibiotika sowie eine Lösemittel- exposition ausgeschlossen. Um ein Glaukom auszuschließen, wurde der Augeninnendruck mit Hilfe des Non-Contact Tonometers Canon TX-F (Firma Vistec AG, Olching) gemessen. Ein positives Votum der Ethikkommission liegt vor.

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Praktische Arbeitsmedizin

28 Darius, S. et al.: Beurteilung der Kontrastempfindlichkeit ... ISSN 1861- 6704 Prakt. Arb.med. 2010; 21: 28-31

Beurteilung der Kontrastempfindlichkeit –Ein MethodenvergleichSabine Darius1, Thoralf Rößler2, Daniel Schenk1 und Irina Böckelmann1

1 Bereich Arbeitsmedizin, Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,

2 Klinik für Augenheilkunde, Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

ZusammenfassungAn das Sehvermögen werden in der sich stän-dig wandelnden Arbeitswelt zunehmend hö-here Anforderungen gestellt. Im Rahmen von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersu-chungen wird die Sehschärfe des Arbeitneh-mers bei hohem Kontrast der Sehzeichen und optimalen Lichtverhältnissen geprüft. Um die Sehleistung des Arbeitnehmers jedoch besser bewerten zu können, ist zusätzlich eine Un-tersuchung der Kontrastempfindlichkeit (KE) sehr sinnvoll. Diese Untersuchung liefert wich-tige Informationen über das Sehvermögen un-ter Alltagsbedingungen, bei denen nicht immer gute Lichtverhältnisse gegeben sind.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Aussagekraft zwei-er verschiedener Verfahren zur Prüfung der Kontrastempfindlichkeit zu werten und zu ver-gleichen. Zu diesem Zweck wurde bei jungen, gesunden Probanden die KE mit zwei ver-schiedenen Methoden – mit der VISTECH-Prüftafel und dem Einblickgerät Rodatest 302 der Firma Vistec AG – ermittelt.

Keine der getesteten Methoden erwies sich als wirklich ungeeignet für arbeitsmedizinische Fragestellungen. Je nach Untersuchungsziel bzw. örtlicher Gegebenheit haben beide Me-thoden ihre Vor- und Nachteile.

SchlagwörterKontrastempfindlichkeit; Sehleistung; VISTECH-Tafel; Rodatest 302

1. EinführungIn der sich ständig wandelnden Arbeitswelt werden durch die sich immer weiter ausbrei-tenden Informationstechnologien zunehmend höhere Anforderungen an das Sehvermögen gestellt. Das gilt insbesondere für Berufe, bei denen eine gute Sehleistung ohnehin nötig ist, z. B. im graphischen Bereich, aber auch bei Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten. Gerade im Straßenverkehr ist ein intaktes Sehvermögen äußerst wichtig. Die Unfallrate durch schlechtes Sehvermögen dürfte mit ca. 7% annähernd so groß sein wie die Unfall-rate durch Alkoholeinfluss (siehe Lachenmayr, 2006). Eine gute und richtige Beurteilung des Sehvermögens ist daher wichtig.

Die Erkennbarkeit von Sehzeichen hängt von den verschiedenen Umgebungsbedingungen ab. So spielt nicht nur die Objektgröße eine Rolle, sondern auch der Kontrast, mit dem die Sehzeichen dargeboten werden, sowie die Be-leuchtungsbedingungen (Paliaga, 1993).

Im Rahmen von üblichen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen (z. B. Untersu-chungen des Sehvermögens bei Bildschirm-arbeitsplätzen) oder auch im Rahmen von Eignungsuntersuchungen (z. B. bei Piloten, Schiffsführern) wird die Sehschärfe des Arbeit-nehmers bei hohem Kontrast der Sehzeichen sowie bei optimalen Lichtverhältnissen geprüft. Diese optimalen Bedingungen sind jedoch im Arbeitsalltag nicht immer anzutreffen. So sind z. B. Fahrten bei Nacht bzw. in der Dämme-rung oder auch bei Nebel zu leisten und auch bei verschiedenen Tätigkeiten in Gebäuden oder auch Untertage sind z. T. unzureichende Beleuchtungsverhältnisse gegeben.

Um die Sehleistung der Arbeitnehmer besser bewerten zu können, sind zusätzlich Untersu-chungen der Kontrastempfindlichkeit (KE) sehr sinnvoll (Lachenmayr, 2003).

Nach Bach et al. (2008) beschreibt die Kon-trastempfindlichkeit die Fähigkeit des visuellen Systems, örtliche und/oder zeitliche Hellig-keitsunterschiede zu erkennen. Diese Unter-suchungen liefern wichtige Informationen über das Sehvermögen bei eher ungünstigen Licht- und Kontrastverhältnissen (z. B. in der Däm-merung oder bei Nebel). So lässt sich leichter feststellen, wie gut der Arbeitnehmer wirklich sieht (Wilhelm 2008). Eine hohe Sehleistung wird dann diagnostiziert, wenn die Objekte bei sehr geringem Kontrast noch wahrgenommen werden.

Die KE kann aus den verschiedensten Grün-den herabgesetzt sein, z. B. bei Augenerkran-kungen wie Entzündungen des Sehnervs, Glaukom oder Katarakt (Bach et al., 2008). Aber auch bei Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder arterielle Hypertonie ist eine Ein-schränkung der KE möglich (Böckelmann et al., 2010).

Da die Zahl der älteren Arbeitnehmer zunimmt (und damit auch der Anteil der chronisch Kran-ken im Arbeitsleben), sollte zur Überprüfung der Sehfähigkeit die Messung der Kontrast-empfindlichkeit in Erwägung gezogen werden.

Auch verschiedene toxische Arbeitsstoffe wie Blei oder Lösungsmittel beeinflussen die Kon-

trastempfindlichkeit negativ. So stellten Böckel-mann et al. (2008) eine reduzierte KE bei blei-belasteten Schießausbildern der Polizei fest. Auch bei langjährigen lösemittelbelasteten Au-tolackierern bzw. Mitarbeitern in Druckereibe-trieben konnte eine Reduktion der KE nach-gewiesen werden (Böckelmann et al., 2001, 2003, 2005, Kishi et al., 2000).

Ein weiterer Faktor, der die KE beeinflusst, ist das Alter. Die KE ist im Alter von 20 – 30 Jah-ren am größten, danach nimmt sie kontinuier-lich ab (Paliaga, 1993, Glass, 2007).

Nicht zuletzt ist auch aus diesen genannten Gründen eine Untersuchung der KE durchaus sinnvoll. Bei Bildschirmarbeitsplätzen ist die Prüfung ebenfalls zu empfehlen, da bei redu-zierter Kontrastempfindlichkeit die Probleme der älteren Arbeitnehmer noch verstärkt wer-den können durch ungünstige Gestaltung des Arbeitsplatzes.

Zur Erfassung der KE gibt es verschiedene Methoden. Zum einen werden Sinusgittermus-ter mit unterschiedlichen Ortsfrequenzen ver-wendet, deren Kontrast verändert wird. Zum anderen können auch die Tests durchgeführt werden unter Veränderung der Stimulusgröße, während der Kontrast gleich bleibt.

Ziel dieser Arbeit ist es, unter photopischen Be-dingungen die Aussagekraft zweier verschie-dener Verfahren zu prüfen und zu vergleichen.

2. Probanden und Methodik

2.1. ProbandenIn der Studie wurde die Kontrastempfindlich-keit bei 37 freiwilligen gesunden Probanden (24 Männer und 23 Frauen) im Alter von 26,2 ± 5,14 Jahren untersucht. Der Fernvisus betrug mit Bestkorrektur rechts 1,25 (0,63 – 1,25) und links 1,25 (0,63 – 1,25).

Ausgeschlossen wurden bereits im Vorfeld vier Probanden mit einem Fernvisus unter 0,63 trotz Korrektur. Ausschlusskriterien waren au-ßerdem übermäßiger Alkoholkonsum (mehr als 40g/d) sowie Drogenmissbrauch. Weiterhin wurden die Einnahme von Medikamenten wie Digitalis und Antibiotika sowie eine Lösemittel-exposition ausgeschlossen.

Um ein Glaukom auszuschließen, wurde der Augeninnendruck mit Hilfe des Non-Contact Tonometers Canon TX-F (Firma Vistec AG, Olching) gemessen. Ein positives Votum der Ethikkommission liegt vor.

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2.2. MethodikDer Fernvisus wurde monokular und binoku-lar entsprechend der DIN 58220 mit Hilfe des Sehtestgerätes Rodatest 302 (Firma Vistec AG, Olching) bestimmt. Hierbei handelt es sich um ein Einblickgerät, das bereits voreingestell-te Testreihen für verschiedene Anwendungs-zwecke (z. B. Untersuchungen nach G25, G37, FeV) enthält.

In dieser Gerätevariante ist ebenfalls ein Test zur Prüfung der KE unter Verwendung von Landoltringen bei drei verschiedenen Visus-stufen (0,16; 0,25 und 0,4) integriert. Zur Prü-fung der KE bei hohen Anforderungen (K1) sind Kontraststufen von 20% über 10 und 5% bis zu 2,5% vorgesehen. Für Untersuchungen der KE mit geringeren Anforderungen an das Sehvermögen (K2) stehen Kontraststufen von 100% über 80, 40 und 20% bis zu 10% zur Ver-fügung, um der starken Altersabhängigkeit die-ser Sehfunktionen gerecht zu werden.

Die Untersuchung erfolgte mit Hilfe des Roda-test-Gerätes für das rechte und linke Auge ge-trennt. Wurden die Mindestanforderungen für den Kontrasttest K1 entsprechend der Vorga-ben bei allen Visusstufen erfüllt, so wurde der Test beendet. Erkannten die Probanden die Testreihen nicht bzw. nicht vollständig, so wur-de im Anschluss an diesen Test der Kontrast-test K2 durchgeführt.

Unter Zuschalten einer Blendlichtquelle kann das Kontrastsehvermögen auch unter Blend-lichteinwirkung getestet werden.

Zum anderen wurde die Kontrastempfindlich-keit mit der Prüftafel VCTS 6000 (Firma VIS-TECH Consultans, inc. Dayton, Ohio, USA) bestimmt (Abbildung 1). Hier werden verschie-dene Sinusgittermuster verwendet, deren Grö-ße jeweils durch eine bestimmte Ortsfrequenz (OF) definiert ist, d. h. durch die Anzahl der Hell-Dunkel-Perioden pro Winkelgrad. Auf der Vistech-Tafel werden fünf Reihen von Sinusgit-tern mit verschiedenen OF (1,5; 3; 6; 12 und 18 Perioden/Grad; cpd) gezeigt. Die Gittermus ter können in drei verschiedene Richtungen ge-neigt sein (vertikal, 15° nach rechts bzw. nach links), wobei die Richtung vom Probanden be-nannt werden muss. Jede Reihe der Testob-jekte beginnt mit hohem Kontrastniveau, das dann innerhalb der Reihe von links nach rechts logarithmisch abnimmt. Jedem Testfeld ist eine definierte KE zugeordnet. Das kontrastärmste, in ununterbrochener Reihenfolge richtig er-

Abb.1

Abb.2

Abbildung 1:VISTECH-Tafel mit den jeweiligen Ortsfrequenzen

Abbildung 2:Auswertungsbogen mit den entsprechenden Normwerten für jede Ortsfrequenz

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kannte Sehzeichen ist das Maß für die Kon-trastempfi ndlichkeit der jeweiligen OF. Die Ergebnisse wurden in einem Normblatt zur Auswertung eingetragen (Abbildung 2).

Die Prüfung erfolgte auch hier monokular un-ter standardisierten Bedingungen bei einer Be-leuchtungsstärke von 100 cd/m2 in einer Ent-fernung von 3 m.

Nur an einem Messpunkt (OF 12 cpd bei VIS TECH und Visusstufe 0,4 bei Rodatest) stimmen beide Methoden überein, da eine Ortsfrequenz von 12 cpd einer Aufl ösungsseh-schärfe von 12/30 = 0,4 entspricht (siehe Pa-liaga, 1993).

Die Durchführung der Tests dauerte jeweils etwa fünf Minuten.

3. ErgebnisseDie Überprüfung der zentralen Sehschärfe er-gab, dass 33 Probanden (89,2%) einen Vi-sus von mindestens 1,0 auf dem besseren Auge aufwiesen und damit bei einem „norma-len“ Sehtest unauffällig waren (Abbildung 3), wenn sogar die erhöhten Anforderungen nach der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zugrunde gelegt werden. Ein Proband hatte einen Visus von 0,8 auf jedem Auge und hätte damit einen Sehtest nach FeV für die Führerscheinklassen ohne erhöhte Verantwortung bestanden. Nur 3 Probanden waren bei diesem Test auffällig (Vi-sus 0,63 auf einem bzw. auf beiden Augen).

Bei der Untersuchung mit der Prüftafel VCTS 6000 waren dagegen 10 Probanden auffällig, sie wiesen eine verminderte KE auf. Nur 27 Probanden (73%) waren unauffällig. Beispiel-haft zeigt die Abbildung 4 die Anzahl der Pro-banden, die in der Reihe mit der OF 6 cpd die entsprechenden Kontraststufen gerade noch erkannt hatten. Die Mindestanforderung in die-ser Reihe war das Erkennen der 5. Kontrast-stufe. 9 Probanden hatten sie nicht erfüllt und wiesen damit eine zu geringe KE auf.

Die Untersuchung der KE mit dem Rodatest-Gerät 302 lieferte im Vergleich zur Tafel dif-ferenzierte Ergebnisse. Unter Verwendung der Sehzeichentafeln mit geringeren Anforde-rungen (K2) an das Kontrastsehvermögen be-standen alle Probanden den Test – alle Seh-zeichen wurden erkannt.

Dagegen konnten nur 23 der Versuchsteilneh-mer (62,2%) die Landoltringe bei geringem Kontrast erkennen.

Bei der durchgeführten Korrelationsanalyse wurde deutlich, dass der Fernvisus nicht in je-dem Fall mit der Kontrastempfi ndlichkeit im Zu-sammenhang steht. Nur bei den höheren Orts-frequenzen 12 und 18 cpd korrelierte der Visus signifi kant mit der KE (p < 0,05 bzw. 0,01; Ta-belle 1 zeigt ein Beispiel für das linke Auge)

Abbildung 3:Prozentuale Häufi gkeit, mit der die jeweiligen Tests bestanden wurden

Abbildung 4:Anzahl der Probanden, die die entsprechende Kontraststufe der Reihe mit der Ortsfrequenz 6 cpd (Reihe C) erkannt hatten. S 4 bis S 8 bezeichnen die jeweilige Spalte. Die Stufe 5 gilt hier als Mindestanforderung.

Die Werte der KE, die mit dem Rodatest-Ge-rät gemessen wurden, korrelieren signifi kant bis hoch signifi kant mit den Werten, die mit der VIS TECH-Tafel bestimmt wurden (p ≤ 0,05 bzw. p < 0,001; Tabelle 2).

Der Vergleich der beiden Punkte, in denen die beiden Methoden übereinstimmen, ergab ei-nen Zusammenhang, der jedoch nur für das linke Auge signifi kant war (Tabelle 3).

4. DiskussionDie Untersuchung der KE liefert wichtige In-formationen über das Sehvermögen unter All-tagsbedingungen. Auch bei unzureichender

Beleuchtung bzw. fehlendem Kontrast ist gutes Sehen wichtig. Die fehlende Korrelation zwi-schen Visus und Kontrastempfi ndlichkeit un-terstreicht die Tatsache, dass von einer in-takten Tagessehschärfe nicht auf ein intaktes Kontrastsehvermögen geschlossen werden darf.

Nach den Empfehlungen der Deutschen Oph-thalmologischen Gesellschaft (DOG; Kommis-sion für Qualitätssicherung sinnesphysiolo-gischer Untersuchungen) ist bei der Prüfung der KE aber eine Reihe von Bedingungen zu berücksichtigen, um eine hohe Qualität der Er-gebnisse zu gewährleisten. Dazu zählen zum

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einen die Art der Testzeichen (Gittermuster, Landoltringe oder Buchstaben) und zum ande-ren die OF bei periodischen Testmustern (Bach et al., 2008).

In dieser Studie wurden zwei gebräuchliche Methoden miteinander verglichen, wobei sich keine der getesteten Methoden als ungeeignet für arbeitsmedizinische Fragestellungen er-wies. Je nach Untersuchungsziel bzw. örtlicher Gegebenheit haben beide Methoden ihre Vor- und Nachteile.

Mit Hilfe der Prüftafel ist die Untersuchung der KE bei verschiedenen OF (niedrig, mittel, hoch) möglich. Eine Herabsetzung der KE bei unterschiedlichen OF lässt Rückschlüsse auf verschiedene Krankheitsbilder (z. B. Glaukom) zu (Paliaga, 1993, Böckelmann et al., 2010). Bei der VISTECH-Tafel ist jedoch immer so-wohl auf eine definierte Beleuchtungsstärke als auch auf eine definierte Entfernung zu ach-ten, um qualifizierte Aussagen treffen zu kön-nen. Die geforderten Standardbedingungen sind in der Praxis nicht immer gegeben. Der Vorteil des Sehtestgerätes liegt darin, dass die Untersuchung unter standardisierten Prüfbe-dingungen möglich ist.

Beim Rodatest-Gerät sind höhere Kontrast-stufen vorgegeben (2,5 bis 80%). Die Effekte sind aber (z. B. bei neurotoxischer Expositi-on) eher bei niedrigen Kontrasten zu erwarten. Hier ist der Rodatest zu grob im Vergleich zu den VISTECH-Tafeln (Kontrastwerte von 0 bis 12,5%).

Des Weiteren bietet das Rodatest-Gerät die Möglichkeit, unter Hellbedingungen die KE mit und ohne Blendung zu testen. Die VISTECH-Tafel lässt nur die Prüfung unter Tageslichtbe-dingungen ohne Blendung zu.

Im Labor bei konstanten Beleuchtungsbedin-gungen sind beide Verfahren gleich vorteil-haft. Bei Felduntersuchungen hat das Roda-test-Gerät seine Vorteile, da es sich hier um ein Einblickgerät mit gleichbleibenden Licht-verhältnissen handelt. Hier sollte sich der Ar-beitsmediziner jedoch für die Verwendung des Tests K1 entscheiden, um eine Aussage tref-fen zu können.

DanksagungDieser Methodenvergleich erfolgte im Rahmen des AVILUS-Projektes. Das Autorenkollektiv bedankt sich bei dem BMBF für die Förderung dieses Projektes (Förderkennzeichen 01 IM 08 001 Z).

LiteraturBach M, Wesemann W, Kolling G, Bühren J, Krastel H, Schiefer U (2008): Photopisches Kontrastsehen. Ophthalmologe, 105: 46-59

Visus K1 OF 12 cpd OF 18 cpd

Korrelationskoeffizient r = - 0,107 r = 0,532 r = 0,583

Signifikanzniveau p = 0,530 p < 0,001 p < 0,001

Tabelle 1: Nichtparametrische Korrelation zwischen dem Fernvisus und der Kontrastempfindlichkeit für das linke Auge; K1 = Kontrastempfindlichkeit bei hohen Anforderungen (Rodatest); OF = Ortsfrequenz; cpd = Perioden/Grad

K1 links OF 1,5 cpd OF 3 cpd OF 6 cpd OF 12 cpd OF 18 cpd

r = -0,575 r =- 0,456 r = -0,611 r = -0,440 r = -0,349

p < 0,001 p < 0,01 p < 0,001 p < 0,01 p < 0,05

Tabelle 2: Nichtparametrische Korrelation zwischen den Werten der Kontrastempfindlichkeit, die mit dem Rodatest-Gerät bestimmt wurden und der Kontrastempfindlichkeit, die mit der VISTECH-Tafel für das linke Auge bestimmt wurde; K1 = Kontrastempfindlichkeit bei hohen Anforderungen (Rodatest); OF = Ortsfrequenz; cpd = Perioden/Grad

K1 linksbei 20 % Visus 0,4

OF12 cpd

Korrelationskoeffizient r = -0,393

Signifikanzniveau p < 0,05

Tabelle 3: Nichtparametrische Korrelation zwischen den Werten der Kontrastempfindlichkeit bei der Visusstufe 0,4 und einem Kontrast von 20% (Rodatest) und der Kontrastempfindlichkeit bei einer Ortsfrequenz von 12 cpd (VISTECH-Tafel) für das linke Auge; K1 = Kontrastempfindlichkeit bei hohen Anforderungen (Rodatest); OF = Ortsfrequenz; cpd = Perioden/Grad

Böckelmann I, Lindner H, Peters B, Pfister EA (2001): Einfluss längerer beruflicher Lösemit-telexposition auf die Kontrastempfindlichkeit. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed, 10: 484-489

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Böckelmann I, Maier F, Winter C-G, Pfister EA (2008): Ophthalmologische Kontrolluntersu-chung bei bleibelasteten Polizeischießausbil-dern. Zbl Arbeitsmed, 58: 110-120

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Glass JM (2007): Visual function and cognitive aging: differential role of contrast sensitivity in

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__________________Korrespondenzadresse:Dr. med. Sabine Darius Bereich ArbeitsmedizinMedizinische Fakultät derOtto-von-Guericke-Universität Magdeburg Leipziger Str. 4439120 Magdeburg

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