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350 Die untere Surselva beherbergt eine der eindrücklichsten Schluchtlandschaften der Schweiz: die Ruinaulta, oder Rheinschlucht. Am Grund des über 12 Kilometer langen Einschnitts durchfliesst der Vorderrhein als blaugrünes, mäandrierendes Band eine natürliche Auenland- schaft. An den Seiten der schmalen, unberührten Fluss- und Auenstreifen ragen bis zu 300 Meter hohe, weisslich hellgraue Steilwände empor. Die nackten Erosionshänge sind zum Teil mit bizarr geformten Erdpfeilern durchsetzt. In weniger aktiven Zonen wachsen Pionierpflanzen und in stabilen Bereichen Fichten- und Föhrenwälder. Über dem stark eingetieften Lauf des Vorderrheins und seiner Zuflüsse finden sich beidseits der Schlucht strukturreiche Waldplateaus. Sie bilden einen starken topografischen und farbli- chen Kontrast zu den hellen, steilen Hängen des Einschnitts. Von besonderer Schönheit sind die Flimser Wälder auf der linksufrigen Terrasse : Riesige, zum Teil mit Bäumen bewachsene Felsblöcke sind im Wald verteilt. In einer grösseren Senke schimmert der malerische Lag la Cauma, ein von Grundwasseraufstössen gespeister See. Sein heller Kalkuntergrund lässt das Wasser je nach Lichteinfall türkisblau und smaragdgrün erscheinen. Die Rheinschlucht ein beliebtes Ausflugsziel : Die Durchquerung der Schlucht mit der Rhätischen Bahn oder der Blick von der oberen Hangkante in die Tiefe des «Canyons» sind besonders eindrücklich. Auslöser für die Entstehung der Rheinschlucht war der grösste Bergsturz im gesamten Alpenraum : Vor 9500 Jahren donnerten aus den Hängen oberhalb von Flims 8 bis 9 km 3 zu Tal. Die Felsmassen überdeckten den Talboden mehrere 100 Meter hoch. Dadurch wurde der Vorderrhein zum Ilanzersee aufgestaut, dessen höchster Seespiegel mehr als 250 Meter über dem heutigen Niveau des Talbodens lag. In mehreren plötzlichen Durchbrüchen und durch steten Abtrag hat der Vorderrhein dann im Laufe der Zeit die Schlucht in ihrer heutigen Form geschaffen – und gestaltet sie durch die anhaltende Erosion weiter und weiter. Wilde Wasser, weisse Wände – die Rheinschlucht 1902 Ruinaulta Der Vorderrhein hat sich tief in die Bergsturzmasse eingeschnit- ten. Hell leuchtet die aktive Erosionsflanke «Las Ruinas sut Crestaulta». Wechselnde Kiesbänke am Grund der Rheinschlucht. Nachfolgende Doppelseite: Ästhetischer Zerfall: Wasser, Frost, Wind und Schwerkraft schaffen faszinierende Formen.

Beutler/Gerth, Naturerbe der Schweiz - Auszug

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"Auszug aus folgendem Buch, erschienen beim Haupt Verlag: Andreas Gerth / Raymond Beutler «Naturerbe der Schweiz: Die Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung», ISBN 978-3-258-07767-3"

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Page 1: Beutler/Gerth, Naturerbe der Schweiz - Auszug

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Die untere Surselva beherbergt eine der eindrücklichsten Schluchtlandschaften der Schweiz :

die Ruinaulta, oder Rheinschlucht. Am Grund des über 12 Kilometer langen Einschnitts

durchfliesst der Vorderrhein als blaugrünes, mäandrierendes Band eine natürliche Auenland-

schaft.

An den Seiten der schmalen, unberührten Fluss- und Auenstreifen ragen bis zu 300 Meter

hohe, weisslich hellgraue Steilwände empor. Die nackten Erosionshänge sind zum Teil mit

bizarr geformten Erdpfeilern durchsetzt. In weniger aktiven Zonen wachsen Pionierpflanzen

und in stabilen Bereichen Fichten- und Föhrenwälder.

Über dem stark eingetieften Lauf des Vorderrheins und seiner Zuflüsse finden sich beidseits

der Schlucht strukturreiche Waldplateaus. Sie bilden einen starken topografischen und farbli-

chen Kontrast zu den hellen, steilen Hängen des Einschnitts. Von besonderer Schönheit sind

die Flimser Wälder auf der linksufrigen Terrasse : Riesige, zum Teil mit Bäumen bewachsene

Felsblöcke sind im Wald verteilt. In einer grösseren Senke schimmert der malerische Lag la

Cauma, ein von Grundwasseraufstössen gespeister See. Sein heller Kalkuntergrund lässt das

Wasser je nach Lichteinfall türkisblau und smaragdgrün erscheinen.

Die Rheinschlucht ein beliebtes Ausflugsziel : Die Durchquerung der Schlucht mit der

Rhätischen Bahn oder der Blick von der oberen Hangkante in die Tiefe des «Canyons» sind

besonders eindrücklich.

Auslöser für die Entstehung der Rheinschlucht war der grösste Bergsturz im gesamten

Alpenraum : Vor 9500 Jahren donnerten aus den Hängen oberhalb von Flims 8 bis 9 km3 zu

Tal. Die Felsmassen überdeckten den Talboden mehrere 100 Meter hoch. Dadurch wurde

der Vorderrhein zum Ilanzersee aufgestaut, dessen höchster Seespiegel mehr als 250 Meter über

dem heutigen Niveau des Talbodens lag. In mehreren plötzlichen Durchbrüchen und durch

steten Abtrag hat der Vorderrhein dann im Laufe der Zeit die Schlucht in ihrer heutigen Form

geschaffen – und gestaltet sie durch die anhaltende Erosion weiter und weiter.

Wilde Wasser, weisse Wände – die Rheinschlucht

1902 Ruinaulta

Der Vorderrhein hat sich tief in die Bergsturzmasse eingeschnit-

ten. Hell leuchtet die aktive Erosionsflanke «Las Ruinas sut

Crestaulta».

Wechselnde Kiesbänke am Grund der Rheinschlucht.

Nachfolgende Doppelseite : Ästhetischer Zerfall: Wasser, Frost,

Wind und Schwerkraft schaffen faszinierende Formen.

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