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Bevölkerungsentwicklung und Wirtschaftswachstum Eine Simulationsanalyse für die Schweiz CHRISTIAN SCHMIDT und THOMAS STRAUBHAAR* EINFÜHRUNG Wie nahezu alle OECD-Länder wird die Schweiz in den nächsten Jahren einem enormen Alterungsprozess unterworfen sein (vgl. LEIBFRITZ, ROSEVEARE 1995). 1950 betrug der Anteil der über 65jährigen noch weniger als 10% der Gesamtbevölkerung. Heute liegt er bei rund 15%. Im Jahr 2025 wird er auf deutlich über 20% angestiegen sein. Gemäss den Szenarien 3A-91 (Integration) oder 3B-91 (Kontinuität) des BUNDESAMTES FÜR STATISTIK (1992:70,3.1.2) wird im Jahr 2040 knapp ein Viertel der ständigen Wohnbe- völkerung in der Schweiz älter als 65jährig sein. Dieses Verhältnis bleibt selbst dann wenig verändert, wenn die Fruchtbarkeit - gemessen an der zusammengefassten Gebur- tenziffer - von heute 1.6 auf 1.8 Kinder ansteigen würde (Szenario 3H-91, BUNDESAMT FÜR STATISTIK 1992:150, 3.1.2). Besonders markant ist das Wachstum der ältesten Bevölkerungsgruppen. Die absolute Zahl der über 80jährigen wird sich in den nächsten 45 Jahren praktisch verdoppeln (Bundesamt für Statistik 1992:70, 3.1.2). Dieser demographische Alterungsprozess wird weitreichende sozialpolitische und damit auch makroökonomische Auswirkungen haben. Naturgemäss stehen dabei Folgen für die Rentenversicherungssysteme im Vordergrund. Die steigende Zahl von Rent- ner(inne)n wird die geringer werdende Zahl der Erwerbstätigen zunehmend stärker belasten. Der aktuelle Drei-Säulen-Bericht des Eidgenössischen Departements des In- nern (BSV 1995:Kapitel 4) verdeutlicht denn auch, in welchem Ausmass der Finanzie- rungsbedarf für die Alters- und HinterlassenenVersicherung (AHV) bis zum Jahr 2010 ansteigen wird. Insgesamt ist zu erwarten, dass die AHV-Ausgaben in den 15 Jahren * Europa-Kolleg Hamburg und Universität der Bundeswehr Hamburg, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität der Bundeswehr Hamburg, Postfach 70 08 22, D-22039 Hamburg, Tel.: 0049 40 6541 2850, Fax.: 0049 40 6541 2875. Die Autoren bedanken sich für die Diskussion in der Arbeitsgruppe A6 und insbesondere bei STEFAN FELDER und PETER ZWEIFEL für wertvolle Hinweise. Schweiz. Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik 1996, Vol. 132 (3), 395-414

Bevölkerungsentwicklung und Wirtschaftswachstum Eine ...Modells auf die USA und Deutschland, JENSEN und NIELSEN (1992) auf Dänemark an. Es wird eine kleine offene Volkswirtschaft

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Bevölkerungsentwicklung und Wirtschaftswachstum Eine Simulationsanalyse für die Schweiz

CHRISTIAN SCHMIDT und THOMAS STRAUBHAAR*

EINFÜHRUNG

Wie nahezu alle OECD-Länder wird die Schweiz in den nächsten Jahren einem enormen Alterungsprozess unterworfen sein (vgl. LEIBFRITZ, ROSEVEARE 1995). 1950 betrug der Anteil der über 65jährigen noch weniger als 10% der Gesamtbevölkerung. Heute liegt er bei rund 15%. Im Jahr 2025 wird er auf deutlich über 20% angestiegen sein. Gemäss den Szenarien 3A-91 (Integration) oder 3B-91 (Kontinuität) des BUNDESAMTES FÜR STATISTIK (1992:70,3.1.2) wird im Jahr 2040 knapp ein Viertel der ständigen Wohnbe­völkerung in der Schweiz älter als 65jährig sein. Dieses Verhältnis bleibt selbst dann wenig verändert, wenn die Fruchtbarkeit - gemessen an der zusammengefassten Gebur­tenziffer - von heute 1.6 auf 1.8 Kinder ansteigen würde (Szenario 3H-91, BUNDESAMT FÜR STATISTIK 1992:150, 3.1.2). Besonders markant ist das Wachstum der ältesten Bevölkerungsgruppen. Die absolute Zahl der über 80jährigen wird sich in den nächsten 45 Jahren praktisch verdoppeln (Bundesamt für Statistik 1992:70, 3.1.2).

Dieser demographische Alterungsprozess wird weitreichende sozialpolitische und damit auch makroökonomische Auswirkungen haben. Naturgemäss stehen dabei Folgen für die Rentenversicherungssysteme im Vordergrund. Die steigende Zahl von Rent-ner(inne)n wird die geringer werdende Zahl der Erwerbstätigen zunehmend stärker belasten. Der aktuelle Drei-Säulen-Bericht des Eidgenössischen Departements des In­nern (BSV 1995:Kapitel 4) verdeutlicht denn auch, in welchem Ausmass der Finanzie­rungsbedarf für die Alters- und HinterlassenenVersicherung (AHV) bis zum Jahr 2010 ansteigen wird. Insgesamt ist zu erwarten, dass die AHV-Ausgaben in den 15 Jahren

* Europa-Kolleg Hamburg und Universität der Bundeswehr Hamburg, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität der Bundeswehr Hamburg, Postfach 70 08 22, D-22039 Hamburg, Tel.: 0049 40 6541 2850, Fax.: 0049 40 6541 2875. Die Autoren bedanken sich für die Diskussion in der Arbeitsgruppe A6 und insbesondere bei STEFAN FELDER und PETER ZWEIFEL für wertvolle Hinweise.

Schweiz. Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik 1996, Vol. 132 (3), 395-414

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zwischen 1995 und 2010 real (Preisbasis 1995) um über ein Drittel wachsen werden.1

Entsprechend müssten die Lohnprozente zur AHV-Finanzierung von heute 10.9% auf 13.1% (bei moderatem Wachstum von real 1% pro Jahr) bzw. 14.0% (bei «Nullwachs­tum») angehoben werden.

Die Modellberechnungen des BSV (1995) konzentrieren sich auf den Finanzierungs­bedarf der AHV. Vernachlässigt bleiben die Rückwirkungen der demographischen Alterung und der zunehmenden Belastung der Erwerbstätigen durch die AHV-Finanzie­rung auf das wirtschaftliche Wachstum. Dieser Aspekt steht im Zentrum unserer Arbeit.

Das BSV (1995:Kapitel 4) geht bei seinen Szenarien von einem «moderaten» Real­lohnwachstum von 1 % pro Jahr einerseits und von einem «Null-Wachstum» andererseits aus. Dabei sind die Wachstumsraten exogen vorgegeben. Wie aber sind die Prognosen zu beurteilen, wenn wir auch die Rückkoppelungen der demographischen Alterung und der wachsenden Abgabenlast auf das Wirtschaftswachstum mit berücksichtigen? Diese Frage hat - aus naheliegendem politischem Interesse - in jüngerer Vergangenheit eine verstärkte Aufmerksamkeit der empirischen Wirtschaftsforschung erlangt.

AUERBACH/KOTLIKOFF/HAGEMANN/NICOLETTI (1989) auf der Grundlage von OECD-Daten und MASSON/TYRON (1990) mit Hilfe des Multimod-Modelles der Welt­bank simulieren die Einflüsse demographischer Alterungsprozesse auf die Makroöko­nomie für die grossen Industrieländer. CUTLER et al. (1990) benutzen ein neoklassisches Wachstumsmodell mit dynamischer Optimierung zur Analyse dieser Beziehungen für die USA. BÖRSCH-SUPAN (1991, 1993) verwendet ebenfalls ein neoklassisches Wachs­tumsmodell, um die demographischen Auswirkungen für Deutschland zu simulieren. FELDERER (1992) und BÖRSCH-SUPAN (1994) analysieren insbesondere die Möglichkeit der Migration als Ausgleichsmechanismus auf dem Arbeitsmarkt für Deutschland und kommen dabei zu gegensätzlichen Ergebnissen (vgl. hierzu auch HOF 1996). NEUSSER

(1993) und WöRGÖTTER et al. (1991) benutzen ein dynamisches intertemporales Gleich­gewichtsmodell zur Analyse österreichischer Daten.

Wir wollen analog zu diesen Studien für die Nachbarländer nun auch für die Schweiz die absehbaren Auswirkungen des Alterungsprozesses im Rahmen einer Simulation unter Verwendung eines neoklassischen Wachstumsmodells darstellen (vgl. hierzu ergänzend HOFMANN 1993 und MÜLLER 1994). Das makroökonomische Simulations­modell wird mit plausiblen Parameterwerten generiert, die auf empirischen Erfahrungen für die Schweiz basieren. Dann wird der Einfluss von Parameteränderungen analysiert. Mit unseren Ergebnissen soll gezeigt werden, wieweit sich demographische Verände­rungen auf das wirtschaftliche Wachstum in der Schweiz auswirken.

1. Zu Recht bemängelt SCHNEIDER (1996: 4), dass der offizielle «Drei-Säulen-Bericht» nur bis zum Jahr 2010 reicht, obwohl die eigentlichen Probleme erst in der Periode nach 2010 offensichüich werden. Nicht zuletzt deshalb verweist er darauf, dass Regierungen Projektionen über die Altersvorsorge von bis zu 75 Jahren vorzulegen hätten! Nach WECHSLER/SAVIOZ (1993) werden die Totalausgaben der Sozialversicherungen bis zum Jahr 2040 auf rund 30% des Bruttoinlandproduktes ansteigen - und zwar bei einer relativ günstigen Prognose eines jährlichen Anstiegs der Arbeitsproduktivität von 1.6% (Basismodell).

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Im weiteren gliedern wir unsere Arbeit in fünf Abschnitte: Abschnitt 1 geht in aller Kürze auf den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Bevölkerungs- und Wirt­schaftswachstum ein. In Abschnitt 2 wird das von uns verwendete Wachstumsmodell dargestellt. Abschnitt 3 dient der Kalibrierung des Modells. Abschnitt 4 diskutiert die Simulationsergebnisse. Abschnitt 5 beinhaltet wirtschaftspolitische Implikationen.

1. BEVÖLKERUNGSWACHSTUM UND WIRTSCHAFTSWACHSTUM

Demographische Variablen stehen seit eh im Zentrum einer ökonomischen Analyse langfristiger Wachstumsprozesse (vgl. hierzu STRAUBHAAR 1989). Im folgenden soll nur der Zusammenhang zwischen alternden Bevölkerungen und der langfristigen Wirt-schaftsentwicklung dargestellt werden: 1. Eine alternde Bevölkerung wird - bei konstanter alters- und geschlechtsspezifischer

Erwerbsquote - zunächst ein stagnierendes und dann ein schrumpfendes Arbeits­kräftepotential und mehr Rentner aufweisen. Wegen des sinkenden Arbeitsangebo­tes werden Arbeitslosenzahlen zurückgehen und die Brutto-Löhne für die Erwerbstätigen werden steigen.

2. In neoklassischen Wachstumsmodellen geht - bei konstanter alters- und ge­schlechtsspezifischer Erwerbsquote - eine alternde Bevölkerung mit einer steigen­den Kapitalintensität und damit steigendem Brutto-Pro-Kopf-Einkommen einher: Weil weniger Kapital für Ausstattungs- und Ersatzinvestitionen aufzuwenden ist, verbessert sich der Kapitalstock pro Arbeitskraft, was die Arbeits-Produktivität und somit das Pro-Kopf-Einkommen erhöht. Es kommt zu einer Gesellschaft mit immer weniger immer reicheren Menschen.2 Die Effekte einer alternden Bevölkerung für sich alleine genommen wäre somit gesamtwirtschaftlich positiv.

3. Menschen im Ruhestand erwerben kein eigenes Arbeitseinkommen mehr. Um ihre Lebensbedürfnisse abdecken zu können, müssen sie entsparen und den Kapitalstock verzehren, den sie im Laufe ihrer aktiven Erwerbstätigkeit gebildet haben (Kapital­deckungsverfahren), oder sie werden unterstützt durch laufende Zahlungen der Nachfolgegenerationen, die noch im Erwerbsleben stehen (Umlageverfahren). Da­durch wird gesamtwirtschaftlich mehr konsumiert und weniger gespart werden.3

2. Diese Grunderkenntnis des neoklassischen Standardmodells bleibt auch in komplexeren Spezifikationen gültig (vgl. das NiEHANS-(1975)-Modell mit erschöpfbaren Ressourcen). Ohne technischen Fortschritt kommt es auch hier zu einem Schrumpfungsprozess mit immer weniger immer reicheren Menschen. Mit technischem Fortschritt kann der gesamtwirtschaftliche Schrumpfungsprozess gebremst, gestoppt oder gar überwunden werden. Nach dem NIEHANS- ( 1963)-Modell mit endogener Bevölkerungsentwick­lung ist das Schrumpfungsgleichgewicht in der Regel kein stabiles Gleichgewicht. Die Bevölkerung kann nicht über einen längeren Zeitraum anhaltend sinken, sondern wird früher oder später wieder zu steigen beginnen. Es wird sich ein «self-sustained growth» einstellen. Allerdings kann sich für «ganz arme» Wirtschaften ein Zustand eines ständig anhaltenden Schrumpfungsprozesses ergeben.

3. Modellstudien des IMF kommen relativ übereinstimmend zum Schluss, dass bei Konstanz der übrigen Faktoren ein Anstieg des Alterslastquotienten um 1 Prozentpunkt zu einem Rückgang der privaten

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Der Effekt einer relativ geringeren Ersparnisbildung kann teilweise vermieden werden, wenn als Folge des Ersparnisrückgangs die realen Zinsen ansteigen, was neue Anreize zur privaten Ersparnisbildung schafft. Dieser reale Zinsanstieg wird aber seinerseits die Investitionstätigkeit negativ beeinflussen und dadurch das langfristige Wachstum beeinträchtigen.

4. Bei umlagefinanzierten Alterssicherungssystemen sind die Brutto-Pro-Kopf-Ein-kommen um die steigende Abgabenlast zugunsten der Rentner zu korrigieren. Je höher die Abgaben sein werden, desto geringer sind die Netto-Pro-Kopj^Einkom­men und desto grösser sind die Anreize, den legalen Wirtschaftskreislauf zu verlas­sen. Steigende Sozialabgaben, um die Renten zu finanzieren, schaffen Anreize, in die Schattenwirtschaft auszuweichen. Dadurch sinkt das Arbeitsangebot zusätzlich, was zwar den Brutto-Lohn der (noch) im formalen Sektor Beschäftigten weiter erhöht, aber ebenso deren Abgabenlast weiter ansteigen lässt.

5. Um die Verpflichtungen der staatlichen Rentenauszahlungen zu erfüllen, verschul­den sich die Regierungen oder sie erhöhen die Steuersätze. Dadurch steigt entweder die Belastung der Erwerbstätigen (die Netto-Einkommen werden noch einmal geschmälert) oder die Zinsen steigen. Entsprechend werden die Investitionen zu­rückgehen. Damit wird das gesamtwirtschaftliche Wachstum negativ betroffen sein.

6. Schliesslich haben bei geringerer Kinderzahl die Eltern auch mehr Ressourcen frei, um sie für die einzelnen Kinder einzusetzen und beispielsweise in die Bildung der Kinder zu investieren. Dadurch steigt der Humankapitalstock, verbessert sich die zukünftige Arbeitsqualität und damit die Produktivität und steigt das Wachstums­potential einer Volkswirtschaft.

Quintessenz der bisherigen Analyse für den Zusammenhang zwischen alternden Bevöl­kerungen und wirtschaftlicher Entwicklung ist, dass theoretisch keine eindeutigen ex ante Aussagen möglich sind und erst recht kein abschliessendes Urteil im voraus gefällt werden kann. Die Wachstumseffekte alternder Bevölkerungen sind nicht eindeutig prognostizierbar. Sie hängen insbesondere ab von individuellen Sparverhaltensreaktio-nen, vom technischen Fortschritt, von der Flexibilität und internationalen Offenheit der Kapitalmärkte und von ordnungspolitischen Einflüssen auf die Fähigkeit von Volkswirt­schaften, sich rasch und flexibel den sich ändernden demographischen Gegebenheiten anzupassen. Gerade weil die Theorie keine eindeutigen Hypothesen zu formulieren erlaubt, wollen wir in den nächsten Abschnitten ein Simulationsmodell entwickeln. Es ermöglicht, stilisierte Anpassungspfade zwischen verschiedenen Gleichgewichtszustän­den zu erkennen.

Ersparnisbildung von 1 Prozentpunkt (Quelle: IMF 1990) und damit zu einem negativen Einfluss auf das wirtschaftliche Wachstumspotential führt.

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BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG UND WIRTSCHAFTSWACHSTUM 399

2. WACHSTUMSMODELL

Um fundamentale Zusammenhänge zwischen alternden Bevölkerungen und wirtschaft­licher Entwicklung zu erfassen, bieten sich verschiedene Standardmodelle an. Wir wählen hier ein neoklassisches Wachstumsmodell mit Vollbeschäftigung und wettbe­werblich organisierten Güter- und Faktormärkten. Das Modell geht auf CASS (1965) zurück. Als kleine offene Volkswirtschaft ist es in BARRO und SALA-I-MARTIN (1995) dargestellt. CUTLER et al. (1990) und BÖRSCH-SUPAN (1994) wenden Varianten des Modells auf die USA und Deutschland, JENSEN und NIELSEN (1992) auf Dänemark an.

Es wird eine kleine offene Volkswirtschaft unterstellt, die sich in einen Haushalts­sektor, einen Produktionssektor und ein Sozialversicherungssystem unterteilt. Es wird vollständige Kapitalmobilität unterstellt. Da langfristige Zusammenhänge im Mittel­punkt der Analyse stehen, abstrahieren wir von zyklischen Einflüssen. Die Altersstruktur beeinflusst über das Sozialversicherungssystem den Konsum und das Arbeitseinkom­men.

2.1. Der Haushaltssektor

Der repräsentative Haushalt bietet seine Arbeitskraft lohnunelastisch auf dem Arbeits­markt an. In jeder Periode bestimmt der Haushalt Konsum, Sparverhalten und die Allokation des Vermögens. Er bezieht Einkommen aus Arbeit (w) und Kapital (r) und erhält im Rentenalter eine jährliche Rente (b). Das Einkommen wird entweder zum Konsum (c) oder zur Akkumulation von Vermögen (/) verwendet. Der Haushalt akku­muliert Vermögen gemäss der folgenden Identität

ft+}-ft = (r-n)ft + (\-st-tt)wt + bt-ct

st bezeichnet hier den Rentenversicherungsbeitrag und tt den Einkommenssteuersatz, n bestimmt die Wachstumsrate der Bevölkerung. Bei der Bestimmung seiner Pläne be­rücksichtigt der Haushalt den Wohlstand und die Ressourcen seiner tatsächlichen und prospektiven Nachkommen. Diese intergenerationelle Relation wird dadurch modelliert, dass die heutige Generation ihren Nutzen U, unter Berücksichtigung ihrer intertempo­ralen Budgetbeschränkung, über einen unendlichen Zeithorizont maximiert [BARRO, 1974]. Dies wird durch die folgende Gleichung ausgedrückt:

f/ = 2>(c,)p'

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p stellt die Zeitpräferenzrate dar. Die Nutzenfunktion u(.) ist durch Gleichung (3) bestimmt.

W(c/) = ( l - l /9) - 1 [c /1 -^- l ] 9>0 (3)

Der optimale Konsumplan ergibt sich durch Maximierung des Nutzens (2) unter Berück­sichtigung der intertemporalen Budgetbeschränkung. Die Bedingung erster Ordnung ist

Ac , + 1 =a(r , -p ) a= l /B ( 4 )

a bezeichnet die intertemporale Substitutionselastizität. Das Niveau des Konsums ist proportional zum Vermögen («wealth») Wv mit einem Proportionalitätsfaktor O,:

ct = ** Wt (5)

Das Vermögen Wt ergibt sich als Summe von laufendem Finanzvermögen/, und dem Gegen waits wert des zukünftigen verfügbaren Arbeitseinkommens4. Der Faktor O, hängt vom durchschnittlichen Zinssatz, von der Zeitpräferenzrate p und der intertemporalen Substitutionselastizität a ab. Der Zinssatz beeinflusst das Verhalten des Haushalts über drei Kanäle [NEUSSER, 1993]: Erstens, er bestimmt, gemäss Gleichung (4), die Steigung des Konsumprofils. Wenn der Zinssatz höher ist als die Zeitpräferenzrate, hat das Konsumprofil eine positive Steigung. Zweitens, er beeinflusst den Faktor Or Wenn c = 1 ist, gleichen sich der Subistutions- und der Einkommenseffekt aus, so dass die marginale Konsumneigung O, unabhängig vom Zinssatz ist. Drittens, der Zinssatz wirkt auf den Gegenwartswert des verfügbaren Arbeitseinkommens als Diskontfaktor.

2.2. Der Produktionssektor

Das Modell hat einen Produktionssektor, der Kapital und Arbeit als Inputfaktoren einsetzt. Der Produktionssektor besteht aus einer grossen Anzahl identischer kompetiti-ver Firmen. Die Produktionsfunktion hat die Cobb-Douglas-Form:

y / = i 4 , * , « V - « (6)

wobei Yr Kv und Lt Output, Kapital und Arbeit repräsentieren, At ist arbeitssparender technischer Fortschritt. Gleichung (6) kann in Effizienzeinheiten wie folgt ausgedrückt werden:

4. Die Konsumfunktion (5) ergibt sich unter Berücksichtigung der Transversalitätsbedingung limt-*» (1 +r)' a( = 0.

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BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG UND WIRTSCHAFTSWACHSTUM 401

yt=m=kia ( 7 )

wobei yt = Yt/At Lt und kt = Kt/At Lt. Technischer Fortschritt und Erwerbstätige wachsen mit konstanten Raten g und n. Der vollständige Wettbewerb impliziert, dass die Nach­frage der Firmen nach Arbeit dem Grenzprodukt der Arbeit entspricht und dass die Nachfrage nach Kapital gleich dem Grenzprodukt des Kapitals ist.

(8)

(9) /-,=/(*,) +S

5 entspricht der Abschreibungsrate des Kapitals.

2.3. Der Staatssektor

Der Staat erhebt Steuern Tt auf das Arbeitseinkommen, um einen gegebenen Ausgaben­strom Gt zu finanzieren. Der Staat muss seinen Haushalt nicht jede Periode ausgleichen, sondern kann auf dem Kapitalmarkt zum gegebenen Marktzins leihen oder verleihen. Das Haushaltsdefizit Dt in verschiedenen Perioden ist gegeben durch Gleichung (10):

Dt+i-Dt = Gt-T. + rDt

'+ 1 ' ' ' ' (10)

Unter Berücksichtigung der Transversalitätsbedingung, ergibt sich aus Gleichung (10) die intertemporale Budgetbeschränkung für den Staat wie folgt5:

Dt=^t{Tt-Gt)

OD

wobei ß, = (1 + rt) dem Diskontfaktor entspricht. Das Steueraufkommen und die Ein­kommenssteuer ergeben sich wie folgt:

T' = t'W' (12)

5. Die Transversalitätsbedingung beinhaltet, dass lim t->» ( l + r)' Dt = 0.

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2.4. Das Sozialversicherungssystem

Das Modell beinhaltet ein Sozialversicherungssystem, welches umlagefinanziert wird (pas-as-you-go). Das Sozialversicherungssystem muss in jeder Periode einen ausgegli­chenen Haushalt vorweisen.

stwtLt = Bt

Die Pensionen Bt errechnen sich wie folgt:

Ä, = Q,fcö(l+&)' ( 1 4 )

ß, stellt den Alterslastkoeffizienten, d.h. das Verhältnis von nicht mehr Erwerbstätigen, im folgenden kurz Rentner genannt, und Erwerbstätigen, dar. Die Pensionen werden jährlich mit der Rate gs angeglichen, welche dem Wachstum des Bruttolohns folgt.

2.5. Das Marktgleichgewicht

Die Güter- und Faktormärkte sind vollständig kompetitiv. Gleichgewicht im Arbeits­markt bedingt, dass das exogene Arbeitsangebot der aggregierten Nachfrage nach Arbeit der Firmen entspricht:

Lt ~Lt (15)

Der Gütermarkt ist im Gleichgewicht, wenn die gesamte Produktion der aggregierten Nachfrage entspricht:

K, = C, + /, + G, + Aflf, ( 1 6 )

wobei NX den Netto-Exporten entspricht. Das Netto-Auslandsvermögen At entspricht der Differenz des privaten Finanzvermögens Fr welches der Summe der Finanzvermö­gen der privaten Haushalte entspricht, und der Staatsverschuldung.

A, = F,-D, ( 1 7 )

Schliesslich wird vollständige Voraussicht der Individuen unterstellt.

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3. KALIBRIERUNG DES MODELLS

In diesem Abschnitt wird das Modell angewandt, um die Zusammenhänge zwischen Altersstruktur und Wirtschaftswachstum quantitativ zu erfassen. Das Modell wird mit Parameterwerten, die die Schweizer Volkswirtschaft empirisch beschrieben, generiert und der Einfluss von Änderungen in der Altersstruktur analysiert. Die gewählten Wachstumsraten des technologischen Fortschritts entsprechen der durchschnittlichen Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität für die Schweiz für die Periode zwischen 1950 und 19906. Die Werte für die Verschuldungs- und Ausgabenquote basieren auf BUNDESAMT FÜR STATISTIK (1995); diejenigen für den Anteil des Faktors Kapital am Volkseinkommen cc, für die Bevölkerungswachstumsrate und für die Wachstumsrate der Erwerbstätigen auf HOFMANN (1993)7. Die Abschreibungsrate des Kapitals 5 entspricht dem von BÖRSCH-SUPAN (1994) für Deutschland benutzten Wert. Da empirisch Unter­schiede von Abschreibungsraten nur schwer nachweisbar sind und theoretisch kein plausibler Grund für Unterschiede besteht, erscheint dieser Wert unproblematisch.

Der reale Zinssatz ist in dem Modell einer kleinen offenen Volkswirtschaft exogen und wird daher von uns mit 4.03% festgelegt. Dies entspricht dem durchschnittlichen realen Zinssatz (ex-post) von langfristigen Staatstiteln der Schweiz («Confederation bonds») für die Periode 1970 bis 1995. Gleichung (4) bestimmt eine Relation zwischen der Wachstumsrate des Konsums und dem realen Zinssatz. Anhand von empirischen Werten für die Wachstumsrate des Konsums und dem realen Zinssatz lässt sich daher eine Beziehung zwischen der intertemporalen Substitutionselastizität a und der Zeitprä­ferenzrate p ableiten. Wir bestimmen die Zeitpräferenzrate mit 2.5% und die intertem­porale Substitutionselastizität mit einem Wert von 1. Während diese Werte zu einem gewissen Grade willkürlich sind, beschreiben sie im Zusammenhang mit den obigen Parametern die Entwicklung der Schweizer Volkswirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg ziemlich gut.

Die gewählte Parameterkonstellation impliziert, da die Zeitpräferenzrate den realen Zinssatz übersteigt, dass die Modellökonomie, um ein relativ hohes Konsumniveau finanzieren zu können, sich zunächst verschuldet. Langfristig muss sich die Ökonomie einschränken und, asymptotisch, strebt der Konsum gegen null. Das private Finanzver­mögen nähert sich dem negativen Gegenwartswert des Arbeitseinkommens an (siehe BARROundSALA-I-MARTIN, 1995). Tabelle 1 fasst die Werte für die exogenen Variablen und für die Parameter zusammen.

6. Quelle: SUMMERS and HESTON (1991). 7. Diese Werte beziehen sich auf die Periode 1948 bis 1990.

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Tabelle 1: Werte von Parametern und exogenen Variablen in der Referenzlösung

Parameter kalibriert von aggregierten Daten Wert in % Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität 1.96 Wachstumsrate der Bevölkerung 1.043 Wachstumsrate der Erwerbstätigen 1.077 Anteil des Faktors Kapital am Volkseinkommen 0.29 Abschreibungsrate des Kapitals 5.28 Realer Zinssatz 4.03 Verschuldungsquote 40 Ausgabenquote 30 Angenommene Parameterwerte Wert Intertemporale Subsitutionselastizität 1 Zeitpräferenzrate 0.025

4. SIMULATION VON ÄNDERUNGEN DER ALTERSSTRUKTUR

Die Änderungen, die hier unterstellt werden, reflektieren Änderungen der Altersstruktur, die auf die Schweizer Volkswirtschaft in den kommenden Jahrzehnten zukommen werden. Ziel der Simulationsanalyse ist nicht, den Wachstumsprozess der Schweiz zu prognostizieren, sondern den Einfluss eines Strukturbruchs in der Bevölkerungsentwick­lung - nämlich von einer wachsenden zu einer alternden Bevölkerung - auf die Modell­ökonomie stilisiert darzustellen. Die Parameteränderungen verursachen einen dynamischen Prozess, der graphisch als Abweichung vom gleichgewichtigen Wachs­tumspfad dargestellt wird.

Grundlage für die demographischen Änderungen sind die Bevölkerungsszenarien des BUNDESAMTES FÜR STATISTIK (1992). Wir verwenden hier das Szenario 3A-91 (Inte­gration). Die wesentlichen Annahmen des Szenarios sind: Prävention und kurative Medizin führen zu einem weiteren Rückgang der Sterblichkeit. Die Lebenserwartung steigt bis zum Jahr 2010 gemäss einem historischen Trend weiter an. Nach 2010 wird eine konstante Lebenserwartung angenommen. Die zusammengefasste Geburtenziffer (Schweizerinnen und Ausländerinnen) steigt von 1.58 auf 1.64 im Jahre 2010. Danach bleibt sie auf diesem Niveau. Bis zum Jahr 2010 nimmt der Bestand der ausländischen Erwerbsbevölkerung weiter zu. Danach wird die rückläufige inländische Erwerbsbevöl­kerung zu 30% durch ausländische Zuwanderung ausgeglichen. Gemäss diesem Bevöl­kerungsszenario wird die Schweizer Wohnbevölkerung (In- und Ausländer) noch bis zum Jahr 2009 wachsen und dann zu fallen beginnen. Die Anzahl der Erwerbstätigen haben wir auf der Basis dieses Szenarios unter Annahme von konstanten geschlechter­spezifischen Partizipationsraten des Jahres 1993 prognostiziert. Implizit nehmen wir daher an, dass sich die natürliche Arbeitslosenrate auf dem Niveau von 1993 befindet.

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Es werden zwei Arten von Änderungen der Altersstruktur simuliert. Zum einen wird eine permanente Änderung dargestellt, um die Auswirkungen einer dauerhaft alternden Bevölkerung zu analysieren. Zum anderen wird eine transitorische Änderung der Alters­struktur simuliert, welche die Auswirkungen quantifiziert, dass der derzeit zu beobach­tende Alterungsprozess nur temporär ist und dass die Geburtenraten wieder auf historische Niveaus ansteigen werden.

4.1. Permanente Änderung

Gemäss der Prognose des Bundesamts für Statistik wächst die Bevölkerung der Schweiz in den nächsten 50 Jahren mit einer durchschnittlichen Rate von 0.13%, während die Anzahl der Erwerbstätigen mit einer durchschnittlichen Rate von 0.14% fallen wird. Diese Werte werden als dauerhafte Parameteränderungen unterstellt. Die Parameterän­derungen werden ab der 10. Periode unterstellt.

In der kleinen offenen Volkswirtschaft ist der reale Zinssatz exogen. Der gegebene Zinssatz bestimmt gemäss Gleichung (9) das Grenzprodukt des Kapitals und das «Ka­pital- Arbeitsverhältnis. Der Brutto-Lohn und die Arbeitsproduktivität wachsen lang­fristig mit der Rate des technologischen Fortschritts. Eine alternde Bevölkerung, d.h. eine relative Abnahme der Erwerbstätigen zu den Konsumenten, führt zu einer Erhöhung des Rentenbeitrags, da die Beitragsberechtigten relativ zunehmen. Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte und das private Vermögen werden vermindert, was zu einer Senkung des Konsums führt. Der Brutto-Lohn und die Bruttoproduktion bleiben von der Änderung der Altersstruktur unbeeinflusst.

Diese Effekte sind in den Abbildungen 1 bis 4 dargestellt. Die Symbole /?, P und T beziehen sich auf die Referenzlösung (R) und die Lösungen mit permanenten (P) und transitorischen (7) Änderungen der Altersstruktur. Abbildung 1 zeigt, dass der Effekt einer Änderung der Altersstruktur auf den Konsum pro Erwerbstätigen (in Effizienzein­heiten) kurzfristig relativ stark ausfällt. Allerdings konvergiert er dann sehr schnell zum Gleichgewichtspfad. Die Änderung der Altersstruktur hat einen permanenten Effekt auf das private Finanzvermögen (Abbildung 2). Das Finanzvermögen passt sich seinem neuen Gleichgewicht, welches als Negativum des abdiskontierten Arbeitseinkommens gegeben ist, nur sehr langsam an. Abbildungen 3 und 4 bilden den Einfluss der Änderung der Altersstruktur auf den Netto-Lohn und den Rentenversicherungsbeitrag ab. Der Rentenversicherungsbeitrag steigt, gemäss der relativen Zunahme der Konsumenten, permanent an. Der Netto-Lohn wird entsprechend permanent reduziert, während der Brutto-Lohn unverändert bleibt (nicht dargestellt).

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Abbildung 1: Einfluss von Änderung der Altersstruktur auf Konsum pro Erwerbstätigen

1 4 7 10 13 16 19 22 25 28 31 34 37 40 43 46 40 52 SS Sa 81 64 87 70 73 78 79 82 BS M 91 94 97 100

4.2. Temporäre Änderung

In den Jahren 2010 bis 2020 geht die Bevölkerung der Schweiz mit einer durchschnitt­lichen Rate von 0.07% zurück, während die Anzahl der Erwerbstätigen mit einer durchschnittlichen Rate von 0.48% fallen wird. Diese Werte werden als temporäre Parameteränderungen unterstellt, die für einen Zeitraum von 10 Perioden wirken. Die Werte dieses Zeitraums wurden genommen, weil der Alterungsprozess sich hier am stärksten auswirkt und weil es letztendlich die Absicht der Simulationsanalyse ist, den Alterungsprozess quantitativ zu illustrieren.

Die Effekte der temporären Änderung auf die Modellökonomie ähneln qualitativ denjenigen der permanenten Änderung, ausser dass die Variablen graduell zu ihrem Gleichgewicht zurückkehren. Der kumulierte Effekt einer temporären Änderung der Altersstruktur auf den Konsum ist allerdings quantitativ grösser als derjenige einer permanenten Änderung. Der Umkehrpunkt, an dem die Modellökonomie wieder zu ihrem ursprünglichen Gleichgewicht zurückkehrt, wird sehr schnell, nach ungefähr 12 Perioden erreicht. Danach kehren die Variablen sehr langsam zum Gleichgewicht zurück.

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Abbildung 2: Einfluss von Änderung der Altersstruktur auf privates Kapitalvermögen

93 97 101

Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Effekt eines demographischen Strukturbruchs auf unsere Modellökonomie eher gering ist. Durch die vollständige Kapitalmobilität, die hier unterstellt ist, werden die Effekte gegenüber einer geschlossenen Volkswirtschaft relativ reduziert. Die Brutto-Produktion und der Brutto-Lohn werden gar nicht beein­flusst, da die Konvergenzgeschwindigkeit unendlich schnell ist. Der Einfluss auf den Netto-Lohn hängt von der Dauer der Änderung der Altersstruktur ab. Sollten sich die Fertilitätsraten mittel- und langfristig wieder normalisieren, ist der zu erwartende Effekt des derzeitigen Alterungsprozesses gering einzuschätzen.

5. WIRTSCHAFTSPOLITISCHE IMPLIKATIONEN

Aus der makroökonomischen Simulationsanalyse ergeben sich vier wesentliche Resul­tate: 1. Der Alterungsprozess wird gesamtwirtschaftlich nur einen schwachen Einfluss auf

die makroökonomische Leistung der Schweiz haben. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Resultaten von MÜLLER (1994) und MÜLLER/VAN NlEUWKOOP (1994). Auch sie kommen mit ihren allgemeinen Gleichgewichtsmodellen zum Schluss, dass die

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demographische Alterung keine schwerwiegenden Auswirkungen auf gesamtwirt­schaftliche Aggregate der schweizerischen Volkswirtschaft ausüben wird. Der Grund für dieses Ergebnis liegt primär in den Modellannahmen «kleine, offene Volkswirtschaft» und «unveränderte alters- und geschlechtsspezifische Erwerbs­quote». In einer vollständig offenen Volkswirtschaft werden endogene Veränderun­gen durch internationale Kapitaltransfers und Arbeitskfäftewanderungen automatisch korrigiert und auf den langfristigen Wachstumspfad zurückgeführt. Die Simulation einer «geschlossenen Volkswirtschaft» ergibt demgegenüber einen ein­deutig negativen Einfluss der demographischen Alterung.8 Somit ist eine wirt­schaftspolitische Implikation offensichtlich: Demographische Veränderungen wirken sich für eine kleine Volkswirtschaft um so schwächer aus, je offener sie ist.

2. Für die Erwerbstätigen wird die demographische Alterung zu sinkenden Netto-Ein-kommen und damit geringerer individueller Kaufkraft führen. Als Folge steigender Abgaben zur AHV-Finanzierung verringert sich das verfügbare Einkommen. Da­durch werden das private Sparaufkommen und die Konsumausgaben zurückgehen.

Abbildung 3: Einfluss von Änderung der Alterstruktur auf Rentenbeitrag

1 4 7 10 13 16 19 22 25 28 31 34 37 40 43 46 49 52 55 58 61 64 67 70 73 76 79 82 BS 88 01 B4 97 H

2*

8. Aus Platzgründen verzichten wir hier auf die Wiedergabe der Simulationsergebnisse für eine «geschlos­sene Volkswirtschaft» (vgl. hierzu die Vortragsfassung vom 14.3.96 in Lugano).

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In einer offenen Volkswirtschaft werden die makroökonomischen Effekte durch Transaktionen auf internationalen Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkten kompen­siert. Der inländische Wachstumspfad wird nicht verlassen. Lediglich die inländi­schen Arbeitskräfte sind real schlechter gestellt.

3. Weil wir trotz sinkender Netto-Arbeitseinkommen eine konstante alters- und ge­schlechtsspezifische Erwerbsquote unterstellen, sind unsere Ergebnisse eher opti­mistisch. LEU und KUGLER (1986) und KUGLER und SCHWENDENER (1988) haben nämlich auch für die Schweiz empirisch nachgewiesen, dass steigende Sozialbei­träge einen hemmenden Einfluss auf die Erwerbsbeteiligung ausüben (vgl. auch SCHWENDENER 1991). Somit sind eher sinkende Erwerbsquoten zu erwarten, was die negativen Effekte auf die Netto-Einkommen der Erwerbstätigen zusätzlich verstärkt.

4. Anpassungsprozesse als Folge temporärer Änderungen der Altersstruktur verlaufen relativ zügig. Der langfristige Wachstumspfad wird rasch wieder erreicht. Sollten die Geburtenraten wieder steigen, werden sich Anpassungsprobleme der Alterung der Gesellschaft ohne wirtschaftspolitischen Aktivismus mehr oder weniger von selbst lösen. Ein wichtiger Punkt für weitergehende Forschungstätigkeiten ist daher, zu untersuchen, ob der derzeitig in vielen Ländern beobachtbare Alterungsprozess von temporärer oder permanenter Natur ist.

Abbildung 4: Einfluss von Änderung der Altersstruktur auf Netto-Lohn

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1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61 65 69 73 77 81 85 89 93 97 101

Zeit

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Zusammengenommen zeigt sich aus unserer Simulationsanalyse, dass demographische Alterungsprozesse nicht zu überstürzten wirtschaftspolitischen Handlungen Anlass bie­ten. Demographische Prozesse erfordern keine grösseren Anpassungsschritte als sie in einer hoch arbeitsteiligen globalisierten Welt nicht ohnehin durch den technologischen Strukturwandel unabdingbar sind. Entscheidender Schlüssel für erfolgreiche Strategien sind auch hier frei funktionierende, offene Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkte sowie ordnungspolitische Rahmenbedingungen, die rasch und flexibel an geänderte Alters­strukturen angepasst werden können.

Um negative Wirkungen alternder Bevölkerungen auf die Netto-Einkommen der Erwerbstätigen zu minimieren und eine Senkung des Lebensstandards als Folge demo­graphischer Prozesse zu vermeiden, sollten wirtschaftspolitische Gegenmassnahmen darauf ausgerichtet sein, geschlechts- und altersspezifische Erwerbsquoten in Zukunft zu erhöhen. Damit Hesse sich ein Anstieg des Alterslastquotienten verringern. Ein verstärkter Eintritt von Frauen in den Arbeitsmarkt und eine Erhöhung des Rentenbe­zugsalters würden sich positiv auswirken.

Ebenso würde eine gezielte Zuwanderung erwerbstätiger Ausländer den Alterslast­quotienten senken helfen. Allerdings ist bei einigermassen «moderaten» Einwande­rungsströmen der Einfluss auf den Altersaufbau der Bevölkerung klein und damit der Beitrag zur Lösung des Alterungsprozesses der Gastgesellschaft gering. So läge für das Jahr 2040 bei einem extremen Abgrenzungsszenario 3D-91 des BUNDESAMTES FÜR

STATISTIK ( 1992:51) der Alterslastquotient bei 48% bei einem Ausländeranteil von 10%. Bei einem Szenario 3B-91 mit starker Einwanderung und einem Ausländeranteil von 18% läge der Alterslastquotient nur unwesentlich tiefer nämlich bei 41%.

Zudem wäre die demographische Entlastung nur transitorisch und würde lediglich dann voll zur Entfaltung kommen, wenn die Zuwandernden das «richtige» (kompensa­torische) Altersprofil aufweisen. Allerdings Hessen sich durch eine verstärkte Einwan­derung die Hauptprobleme der Alterung auf später verschieben, wodurch - bei ansteigender Fertilität - der höchsten Belastung die Spitzen gebrochen werden und die Anpassungslasten über längere Zeit verteilt werden könnten. Problematisch ist der Vorschlag, die negativen Folgen alternder Bevölkerungen durch Einwanderung beseiti­gen zu wollen, weil der stark steigende Ausländeranteil sozioökonomische Probleme verursachen dürfte. Den transitorischen Vorteilen stehen dann möglicherweise nicht zu vernachlässigende wirtschaftliche Anpassungs- und gesellschaftliche Akzeptanzkosten gegenüber.

Besonders positiv wären die makroökonomischen Effekte der Einwanderung, wenn durch eine selektive Migrationspolitik vor allem gut ausgebildete Fachkräfte Einlass erhielten. Dadurch würde die durchschnittliche Produktivität angehoben, was zu einem Anstieg der Brutto-Löhne pro Arbeitskraft führte, was wiederum die Anpassungskosten der Erwerbspersonen an den demographischen Wandel sinken Hesse.

Diese letzte Erkenntnis führt unmittelbar zur generellen Zielsetzung wirtschaftspoli­tischer Massnahmen. Gelingt es, durch vermehrte Kapitalbildung oder durch eine verbesserte Qualität der Arbeitskräfte die Arbeitsproduktivität und damit die Löhne zu

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erhöhen, wird der Lebensstandard (Pro-Kopf-Einkommen) der aktiven Erwerbsgenera­tion nicht notwendigerweise verschlechtert - trotz stark ansteigender Sozialausgaben.

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ZUSAMMENFASSUNG

Eine makroökonomische Simulationsanalyse für die Schweiz verdeutlicht, dass demo­graphische Alterungsprozesse nicht zu überstürzten wirtschaftspolitischen Handlungen Anlass bieten. Entscheidender Schlüssel für erfolgreiche Strategien sind auch hier frei funktionierende, offene Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkte sowie ordnungspolitische Rahmenbedingungen, die rasch und flexibel an geänderte Altersstrukturen angepasst werden können. Um negative Wirkungen alternder Bevölkerungen auf die Netto-Ein­kommen der Erwerbstätigen zu minimieren und eine Senkung des individuellen Lebens­standards als Folge demographischer Prozesse zu vermeiden, sollten wirtschaftspolitische Gegenmassnahmen darauf ausgerichtet sein, geschlechts- und al­tersspezifische Erwerbsquoten zu erhöhen. Damit Hesse sich ein Anstieg des Alterslast­quotienten verringern. Ein verstärkter Eintritt von Frauen in den Arbeitsmarkt und eine Erhöhung des Rentenbezugsalters würden sich positiv auswirken. Ebenso würde eine gezielte Zuwanderung erwerbstätiger Ausländer den Alterslastquotienten senken helfen - damit aber wären möglicherweise nicht zu vernachlässigende gesellschaftliche Akzep­tanzprobleme verbunden.

SUMMARY

A simulation exercise of a general equilibrium model for Switzerland makes clear that the macroeconomic impacts of aging populations are not very strong. There is no need for urgent policy actions to avoid severe negative economic consequences. The more open goods, labor and capital markets are, and the more flexible an economy adjusts for demographic changes, the weaker are the macroeconomic effects. However, the aging of population affects negatively the net income of the active labor force. An increasing share of their gross salaries goes to the retirement system to finance the pension payments of a growing number of pensioners. Attempts to moderate the elderly dependency ratio would lower this burden for the active labor force. Options are an increase of the female participation rate, an increase of the labor participation rate of the elderly - what also means a higher retirement age - and an increasing flow of immigrants. But socioecono­mic problems might probably generate practical limits on the extent to which immigra­tion can be increased.

RESUME

Un exercice de simulation d'un modèle d'équilibre général démontre que les effets macroéconomiques du vieillissement de la population ne sont pas alarmants et ne nécessitent pas d'action politiques urgentes. Des marchés ouverts pour les biens, les capitaux et les personnes ainsi que des conditions cadre flexibles aident à limiter ces

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effets macroéconomiques. Parcontre, le vieillissement de la population provoque une diminution des salaires nets de la population active. Une partie croissante des salaires bruts est affectée au caisses sociales afin de financer les rentes des retraités. Une solution serait l'augmentation du taux de participation des femmes et des personnes âgées dans la vie professionelle ainsi qu'une immigration accrue de travailleurs étrangers. Cette dernière possibilité est cependant limitée par l'apparution probable de problèmes socio-économiques en cas de forte immigration.