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PROF. DR. MORITZ BRINKMANN BGH, 24.1.2019 – IX ZR 110/17 MOBILIARSICHERHEITEN IM INSOLVENZERÖFFNUNGS- VERFAHREN VORTRAG VOR DEM ARBEITSKREIS INSOLVENZRECHT OWL

BGH, 24.1.2019 – IX ZR 110/17 MOBILIARSICHERHEITEN IM ... · zahlung, teilw. unbare Zahlung auf Konto Widerruf. d. Veräußerungs-/ Einziehungsermächtigung Antragstellung/ keine

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PROF. DR. MORITZ BRINKMANN

BGH, 24.1.2019 – IX ZR 110/17

MOBILIARSICHERHEITEN IM INSOLVENZERÖFFNUNGS-VERFAHREN

VORTRAG VOR DEM ARBEITSKREIS INSOLVENZRECHT OWL

Schuldnerin

L1

L2

L3

einf.,verl.,erw.EV

Bank/Kl

Globalzession/RaumsicherungsÜ

Vermieter

VermieterpfandR

Kunden

Verkäufeteilw.Bar-zahlung,teilw.unbareZahlungaufKonto

Widerruf.d.Veräußerungs-/Einziehungsermächtigung

Antragstellung/keineAnordnungnach§21Abs.2Nr.5

Verfahrens-eröffnung

ZUM EINSTIEG: MOBILIARSICHERHEITEN IM ERÖFFNETEN INSOLVENZVERFAHREN

− DieSicherungsübereignungbeweglicherSachen− Absonderungsrechtnach§51Nr.1,VerwertungsrechtdesVerwaltersnach§166Abs.1− Kostenbeiträgenach§171− ZumSchicksaldesErlöses

− DieSicherungszessionvonForderungen− Absonderungsrechtnach§51Nr.1,VerwertungsrechtdesVerwaltersnach§166Abs.2− Kostenbeiträgenach§171

− UmstritteneBehandlungvonSicherungsrechtenansonstigenRechten(Lizenzen,Gesellschaftsanteileetc.;dazuBGHZIP2015,2286)

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ZUM EINSTIEG: MOBILIARSICHERHEITEN IM ERÖFFNETEN INSOLVENZVERFAHREN

− DereinfacheEigentumsvorbehalt− ganzhM:Aussonderungsrechtnach§47− str.,obnachErfüllungsablehnungdurchVerwalterdesKäufersnochRücktritterforderlich(wg.§449Abs.2BGBiVm§47S.2)

− Derverlängerte/erweiterteEigentumsvorbehaltmitVorausabtretung− wirdnachEintrittd.Verlängerungs-/ErweiterungsfallswieSicherungsabtretungbehandelt

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DAS ERÖFFNUNGSVERFAHREN

−DieFunktiondesEröffnungsverfahrensinTheorieundPraxis− DieAufgabevonAnordnungennach§21Abs.1,2−Massesicherung− Dazugehörtgrdsl.auchFortführungdesschuldnerischenUnternehmens− Pflichtd.vorl.VerwalterszurFortführung,§22Abs.1Nr.2

− SicherungderFortführbarkeitdurchAnordnungennach§21Abs.2Nr.5?

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§ 21 ABS. 2 NR. 5 INSO

(2)1DasGerichtkanninsbesondere(…)Nr.5anordnen,dassGegenstände,dieimFallederEröffnungdesVerfahrensvon§166erfasstwürdenoderderenAussonderungverlangtwerdenkönnte,vomGläubigernichtverwertetodereingezogenwerdendürfenunddasssolcheGegenständezurFortführungdesUnternehmensdesSchuldnerseingesetztwerdenkönnen,soweitsiehierfürvonerheblicherBedeutungsind;§169Satz2und3giltentsprechend;eindurchdieNutzungeingetretenerWertverlustistdurchlaufendeZahlungenandenGläubigerauszugleichen.2DieVerpflichtungzuAusgleichszahlungenbestehtnur,soweitderdurchdieNutzungentstehendeWertverlustdieSicherungdesabsonderungsberechtigtenGläubigersbeeinträchtigt.3ZiehtdervorläufigeInsolvenzverwaltereinezurSicherungeinesAnspruchsabgetreteneForderunganstelledesGläubigersein,sogeltendie§§170,171entsprechend.

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DIE ANORDNUNG NACH § 21 ABS. 2 NR. 5

− DieAnordnungnach§21Abs.2Nr.5alsInstrumentzurSicherungderFortführungsmöglichkeiten?− Aussonderungs-undVerwertungssperrefürdenLieferanten/gesichertenGläubiger

− RechtzurNutzungdesAus-undAbsonderungsguts(Ausgleichspflicht,analog§169),

− keinRechtzumVerbrauch,keinRechtzurVerwertung− Aber:RechtzurEinziehungvonForderungen(§170istanaloganwendbar)

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ANORDNUNG NACH § 21 ABS. 2 NR. 5

− DieAnordnungnach§21Abs.2Nr.5alsInstrumentzurSicherungderFortführungsmöglichkeiten?− P:Deckt§21Abs.2Nr.5auchVeräußerungenvonSicherungsgutimRahmendesordnungsgemäßenGeschäftsgangs?

− NachAuffassungdesBGHkannInsolvenzgerichtdenvorläufigenInsolvenzverwalternichtnach§21Abs.2Nr.5dazuermächtigen,„sicherungsübereigneteGegenständeundVorbehaltswarezuveräußernundzuverarbeiten.“

− Daher„kanneinerBetriebsstilllegungdurcheinesolcheAnordnungnichtwirksambegegnetwerden“(BGH)

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WIRKUNGEN DER ANTRAGSTELLUNG/ANORDNUNG VON SICHERUNGSMAßNAHMEN AUF VERÄUßERUNGS- UND EINZIEHUNGSERMÄCHTIGUNGEN

− KeinautomatischesErlöschend.VeräußerungsermächtigungenmitStellungd.InsAntragod.Einsetzungeinesvorl.Verwalters(schonBGHZ144,192,198)− arg:sonstseiFortführunggefährdet,dennvorl.VerwalterhabekeineZeitVereinbarungenmitGläubigernzutreffen

− ABER:EinziehungdurchVerwalternurdannvonErmächtigunggedeckt,wennSicherungsinteressedesGläubigersgewahrt(Vereinbarkt.mBGHZ184,101?),− dasseiimEröffnungsverfahrennurderFall,wennGläubigereinAussonderungsrecht(sic!)andenErlösenerlangen.

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BGH - IX ZR 110/17

Rn.40:„DieshättederBeklagtedadurchsicherstellenkönnen,dasserdieschuldnerfremdenForderungenübereinzugunstenderKlägerinundderVorbehaltsverkäufererrichtetesoffenesTreuhandkontoinAbsprachemitdenTreugeberneingezogenhätte.IndiesemFallhättedieKlägerineininsolvenzfestesAussonderungsrechtnach§47InsOerworben.“

Rn.79:„DieVerpflichtungdesBeklagtensicherzustellen,dassdasSicherungsgutnurweiterveräußertwurde,wenndasVeräußerungsentgeltaufeinemoffenenTreuhandkontodesBeklagtenzugunstenderKlägerineingezogenwurde,ergibtsichschondaraus,dassaufgrundderSicherungsvereinbarungdieForderungausdergrundsätzlichberechtigtenWeiterveräußerungandieKlägerinvorausabgetretenwarunddieEinziehungderForderungentsprechendderAusführungenzurGlobalzessionnurübereinoffenesTreuhandkontodesBeklagtenhätteeingezogenwerdendürfen.“

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DIE „GOLDENE BRÜCKE“ DES BGH: DAS TREUHANDKONTO

DieKonzeptiondesSenatszurFortführungdurchdenvorl.Verwalter:− ErforderlichistVerwertungsvereinbarungmitFinanziersundLieferanten!

− FrühzeitigeKontaktaufnahmemitLieferantenundBanken;idealerweisenochvorAntragstellung:− FinanzierskönnensovoneinemWiderrufderEinziehungs-undVeräußerungsermächtigungenabgehaltenwerden,

− Verwalterkannessovermeiden,vorderAlternative„Geschäftsbetriebeinstellen/rechtswidrigfortführen“zustehen.

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DIE „GOLDENE BRÜCKE“ DES BGH: DAS TREUHANDKONTO

VorstellungdesSenatszumInhaltderVereinbarungzw.vorl.VerwalterundLieferanten/Banken:- WennLieferant/KreditgeberdurchEinziehungderErlöseseinSicherungsrechtnichtverliert,dannerfolgtVeräußerungiRdesordnungsgemäßenGeschäftsgangsundistdahervonErmächtigunggedeckt.

- UmSicherungsrechtzubewahren,müssenForderungenaufoffenesVollrechtstreuhandkontoeingezogenwerden.

➡ DasKontoläuftaufdenNamendesvorl.Verwalters,TreugebersinddieSicherungsnehmer

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DAS TREUHANDKONTO - WIRKLICH EINE LÖSUNG?

VierProblemederVereinbarungs-/Treuhandkontolösung:

1. KanneseinoffenesTreuhandkontozugunstenmehrererTreugebermitunterschiedlichemStatusgeben?Setztdasvoraus,dassdiesesichbereitszueinemPoolzusammengeschlossenhaben?

2. KanneseinoffenesTreuhandkontobeiunbekanntemTreugebergeben?− JedeTreuhandsetzteineTreuhandabredevoraus− AuchBGHverlangteine„AbsprachemitdenTreugebern“(Rn.40)− IstZustandekommenderTreuhandabrededurchInsichgeschäftundnachträglicheGenehmigungdenkbar?

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DAS TREUHANDKONTO - WIRKLICH EINE LÖSUNG?

ProblemederVereinbarungs-/Treuhandkontolösung(Fortsetzung):3.LösungistbeiBarzahlungenkaumpraktikabel.DiesefließennotwendigerweiseerstindieKassedesSchuldners,sodassGläubigerhierankeinanfechtungsfestesSicherungsrechterwerbenkönnen.

4.Lösungversagt,wennLieferantenundBanken,Ermächtigungenwiderrufen!➜KeinSchutzvorAkkordstörern

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DIE GOLDENE BRÜCKE DES BGH: DAS TREUHANDKONTO - WIRKLICH EINE LÖSUNG?

• ResümeezurLösungdesBGH:➡DieLösungdesBGHhilftnichtinderPhase,inderGläubigernochunbekanntsindoderderVereinbarungnochnichtzugestimmthaben.

➡AuchhilftdieLösungnicht,wennLieferanten/Bankenausdrücklichwidersprechen(wieesinconcretotatsächlichgeschehenist).

➡Vorl.VerwaltermachtsichdemGrundenachhaftbar,wennerohne/gegendenWillenderLieferanten/BankentrotzdemfortführtundweiterWarenveräußert.

➡UmHaftungzuvermeiden,mussvorl.Verwalterdafürsorgen,dassErsatzaus-/absonderungsansprüchenichtinsLeerelaufen(fürHaftungaus§§21Abs.2Nr.1iVm§60fehltesdannamSchaden)

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DIE WEITERVERÄUßERUNG ALS VEREITELUNG EINES AUS-/ABSONDERUNGSRECHTS

➡Vorl.VerwaltermussalsoinsbesonderedieUnterscheidbarkeitderErlösesichern:• DieUnterscheidbarkeitbeurteiltBGHbeibargeldlosenZahlungenanhandder„Bodensatztheorie“

• beimehrerenErsatzaussonderungsberechtigtenundnichtfürallezureichendemSaldosollanteiligeKürzungvorzunehmensein(OLGKölnZIP2002,947)

➡bargeldloseZahlungenmüssenaufKontenmitpositivemSaldogeleitetwerden;• vondiesenKontendürfenkeineAbbuchungenvorgenommenwerden;

• ABER:BGHlehntAnwendungder„Bodensatztheorie“aufBargeldinKasseab.BeiVerwendungeinereinzigenKasseführtdasstetszumVerlustdesErsatzaussonderungsrechts➡Barzahlungendarfvorl.Verwalternurannehmen,wennerSeparierungderErlösesicherstellenkann.

✦IstesimEinzelhandelpraktikabel,mehrereKassenzuführenoderganzaufBarzahlungenzuverzichten?

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WIE KANN DIE BETRIEBSFORTFÜHRUNG IM ERÖFFNUNGSVERFAHREN GESICHERT WERDEN?

Zwischenfazit:− Anordnungnach§21Abs.2Nr.5decktnachdemBGHnichtdieVeräußerungvonAus-od.AbsonderungsgutimWegedesordnungsgem.Geschäftsgang

− Treuhandkonto-LösungdesBGHsetztEinigungzwischenvorl.Verwalterund(uUallen)LieferantenundBankenvoraus.SieschütztnichtvorAkkordstörern.

− BewussteVereitelungderAus-/AbsonderungsrechtekannzurHaftungdesvorl.Verwaltersführen,wennerdieUnterscheidbarkeitiSv§48S.2nichtgewährleistenkann,wasgeradeimEinzelhandelbeiBargeldkaummöglichseindürfte.

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WIE KANN DIE BETRIEBSFORTFÜHRUNG IM ERÖFFNUNGSVERFAHREN GESICHERT WERDEN?

DerMünchhausentrick:• Ins-GerichttriffteineAnordnungnach§21Abs.1treffenundermächtigtdenvorl.Verwalter,sicherungsübereigneteWarenimWegedesordnungsgemäßenGeschäftsgangszuveräußern;

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§ 21 INSO

(1)DasInsolvenzgerichthatalleMaßnahmenzutreffen,dieerforderlicherscheinen,umbiszurEntscheidungüberdenAntrageinedenGläubigernnachteiligeVeränderunginderVermögenslagedesSchuldnerszuverhüten.GegendieAnordnungderMaßnahmestehtdemSchuldnerdiesofortigeBeschwerdezu.(2)DasGerichtkanninsbesondere(…)

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WIE KANN DIE BETRIEBSFORTFÜHRUNG IM ERÖFFNUNGSVERFAHREN GESICHERT WERDEN?

DerMünchhausentrick:• Ins-GerichttriffteineAnordnungnach§21Abs.1treffenundermächtigtdenvorl.Verwalter,sicherungsübereigneteWarenimWegedesordnungsgemäßenGeschäftsgangszuveräußern;• denErlöshateranalog§170zuseparieren(dingl.Surrogation).

• EinesolcheAnordnungkannabernichtaufWaren,dieunterEVstehen,erstrecktwerden,dadieseWarenauchimeröffnetenVerfahrenvorErfüllungswahlnichtveräußertwerdendürfen.

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WIE KANN DIE BETRIEBSFORTFÜHRUNG IM ERÖFFNUNGSVERFAHREN GESICHERT WERDEN?

DerMünchhausentrick(Fortsetzung):•MethodischeZulässigkeitdiesesVorgehens?Ergibtsichnichtaus§21Abs.2Nr.5einargumentumecontrario?• Arg.1:GesetzgeberhatsichnurgegeneineVerwertungsbefugnisgewandt!Verwertung≠VeräußerungiRdgewöhnlichenGeschäftsgangs

• Arg.2:NochstärkereFortführungsorientierungdesheutigenGesetzgebersverglichenmitGesetzgeberdesJahres2007

•Ausblick:BehandlungvonaufschiebendbedingtenErmächtigungen?

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