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Bibel und Literatur Vorlesung am 3.11.2009

Bibel und Literatur Vorlesung am 3.11.2009. Werbeplakat einer Massagepraxis: Willkommen im Paradies Albrecht Dürer: Adam und Eva im Paradies

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Bibel und Literatur

Vorlesung am 3.11.2009

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Werbeplakat einer Massagepraxis: „Willkommen im Paradies“

Albrecht Dürer: Adam und Eva im Paradies

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Gliederung. Die Folgen des Sündenfalls

• Sintflut und Noah– Eine Stadt spielt Theater – Der Erfinder des Weins und die Anakreontik

• Babylon, die große Stadt – Kafka: Beim Bau der Chinesischen Mauer– Kafka: Das Stadtwappen – Brecht: Mahagonny

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Giovanni Bellini:

Der betrunkene Noah mit seinen Söhnen. Um 1515

Gen 9,20ff. Noah pflanzte als erster einen Weinberg. Er trank vom Wein und wurde betrunken und lag im Zeit aufgedeckt. Als nun Cham seines Vaters Blöße sah, sagte er es seinen Brüdern. Da nahmen Sem und Japhet ein Kleid […] und deckten ihren Vater zu. […] Da sagte Noah: Cham sei verflucht und sei der Diener seiner Brüder.

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Berner Stadtspiel

Hans von Rüte : Wie Noe vom win vberwunden durch sin jüngsten Sun Cham geschmächt aber die eltern beid Sem vnnd Japhet geehret den sägen vnnd fluch jnen eroffnet hatt : ist zu Bernn in Vchtland durch junge Burger gespilt vff 4. Aprilis 1546 / Hans von Ruete. Getruckt inn der Loblichen Statt Bernn by Mathia Apiario, 1546

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Friedrich von Hagedorn: Der Wein (1728)

1. Aus den Reben / /

Fleußt das Leben: / / Das ist offenbar. / / /

Ihr, der Trauben Kenner! / / / Weingelehrte Männer! / / / Macht dies Sprichwort wahr. / / /

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2. Niemals glühtenRechabiten,Edler Most, von dir!Aber, Wein-Erfinder,Noah, deine KinderZechten so wie wir.

3. UeberzogenRegenbogenGleich das Firmament:So ward deiner FreudeMehr als Augenweide,Ihr ward Wein gegönnt.

4. DeinetwegenKam der Segen,Wuchs der beste Wein.Nach den WasserflutenKonnte nichts den GutenGrößern Trost verleihn.

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Goethe: Erschaffen und beleben (aus: West-östlicher Divan)

Hans Adam war ein Erdenkloß,Den Gott zum Menschen machte,Doch bracht er aus der Mutter SchoßNoch vieles Ungeschlachte.

Die Elohim zur Nas' hineinDen besten Geist ihm bliesen,Nun schien er schon was mehr zu

sein,Denn er fing an zu niesen.

Doch mit Gebein und Glied und KopfBlieb er ein halber Klumpen,Bis endlich Noah für den TropfDas Wahre fand, den Humpen.

Der Klumpe fühlt sogleich den Schwung,

Sobald er sich benetzet,So wie der Teig durch SäuerungSich in Bewegung setzet. So, Hafis, mag dein holder Sang,Dein heiliges Exempel,Uns führen, bei der Gläser Klang,Zu unsres Schöpfers Tempel.

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Vagantenstrophe

Hans Adam war ein Erdenkloß, / / / /

Den Gott zum Menschen machte, / / / Doch bracht er aus der Mutter Schoß / / / /

Noch vieles Ungeschlachte. / / /

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Wilhelm Müller: Die Arche Noäh. Aus: Aus den

hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten II. 1.Das Essen, nicht das Trinken,Bracht' uns um's Paradies.Was Adam einst verlorenDurch seinen argen Biß,Das giebt der Wein uns wieder,Der Wein und frohe Lieder.

2.Und als die Welt auf's NeueIn Bauches Lust versank,Und in der Sünde FluthenDie Kreatur ertrank,Blieb Noah doch am Leben,Der Pflanzer edler Reben.

3.Er floh mit Weib und KindernWohl in sein größtes Faß,Das schwamm hoch auf den

Fluthen,Und Keiner wurde naß.So hat der Wein die FrommenDem Wassertod entnommen.

4.Und als die Fluth zerronnen,Da blieb das runde HausAuf einem Berge sitzen,Und alle stiegen aus,Begrüßten froh das Leben,Und pflanzten neue Reben.

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5.Das Faß blieb auf dem Berge Zum Angedenken stehn: Zu Heidelberg am Neckar Könnt ihr es selber sehn. Nun wißt ihr, wer die Reben Am Rhein uns hat gegeben.

6.Und will noch Einer wagen, Den heil'gen Wein zu schmähn, Der soll in Wasserfluthen Erbärmlich untergehn! Stoßt an und singt, ihr Brüder: Der Wein und frohe Lieder!

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Strophenform

1.Das Essen, nicht das Trinken,

Bracht' uns um's Paradies.

Was Adam einst verloren

Durch seinen argen Biß,

Das giebt der Wein uns wieder,

Der Wein und frohe Lieder.

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Georg Friedrich Daumer. Aus:

Hafis. Eine Sammlung persischer Gedichte

Wasser und Wogenschwall - o weh der Sündfluth! Flieh'n wir ohne Säumen in die Arche -In die Schenke! Da sitzt mit seinen Kindern Vater Hafis, der fromme Patriarche.

Heil dir, Heil, du Noah unsrer Zeiten! Hast noch einmal diese Welt gerettet.Und begraben liegen im Wasserschlunde Mufti, Scheich, Magister und Scholarche.

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Pyramide von Cholula, Mexiko

Pyramide von Teotihuacán

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Babylon in der Bibel• Gen 11 Turm und Sprachverwirrung• Ankündigungen des Untergangs Babels:

– Jes. 13: [Der Untergang des babylonischen Reichs durch die Meder] „Also soll Babel, das schönste unter den Königreichen, die herrliche Pracht der Chaldäer, umgekehrt werden vor Gott wie Sodom und Gomorra“ – vgl. Jes 13, 19

– Jer 50, 15: „Sie muß sich ergeben, ihre Grundfesten sind zerfallen, ihre Mauern sind abgebrochen; denn das ist des HERRN Rache.“

– Apk 14, 8 [Babel als Metapher] „Und ein ander Engel folgte nach, der sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die grosse Stadt, Denn sie hat mit dem Wein ihrer Hurerei getrenket alle Heiden.“ vgl. Apk 17, 5; Apk 18,2

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Babylon, die Mutter der Hurerei. Von Luther auf Rom und das Papsttum gedeutet: Luther in der Vorrede zur Offenbarung: „Das die stad Babylon fallen sol / vnd das geistlich Bapstum vntergehen.“

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• Kafka: Beim Bau der chinesischen Mauer Aus: Beschreibung eines Kampfes

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Kafka: Beim Bau der chinesischen Mauer. Aus: Beschreibung eines Kampfes

„Zunächst muß man sich doch wohl sagen, daß damals Leistungen vollbracht worden sind, die wenig hinter dem Turmbau von Babel zurückstehen, an Gottgefälligkeit allerdings, wenigstens nach menschlicher Rechnung, geradezu das Gegenteil jenes Baues darstellen. Ich erwähne dies, weil in den Anfangszeiten des Baues ein Gelehrter ein Buch geschrieben hat, in welchem er diese Vergleiche sehr genau zog.“ Dieser Gelehrte behauptet, daß in Babel „der Bau an der Schwäche des Fundamentes scheiterte und scheitern mußte.“ Hingegen werde „die große Mauer […] zum erstenmal in der Menschenzeit ein sicheres Fundament für einen neuen Babelturm schaffen. Also zuerst die Mauer und dann der Turm.“

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[Das Stadtwappen] Anfangs war beim babylonischen Turmbau alles in leidlicher Ordnung; ja, die

Ordnung war vielleicht zu groß, man dachte zu sehr an Wegweiser, Dolmetscher, Arbeiterunterkünfte und Verbindungswege, so als habe man Jahrhunderte freier Arbeitsmöglichkeit vor sich. Die damals herrschende Meinung ging sogar dahin, man könne gar nicht langsam genug bauen; man mußte diese Meinung gar nicht sehr übertreiben und konnte überhaupt davor zurückschrecken, die Fundamente zu legen. Man argumentierte nämlich so: Das Wesentliche des ganzen Unternehmens ist der Gedanke, einen bis in den Himmel reichenden Turm zu bauen. Neben diesem Gedanken ist alles andere nebensächlich. Der Gedanke, einmal in seiner Größe gefaßt, kann nicht mehr verschwinden; solange es Menschen gibt, wird auch der starke Wunsch da sein, den Turm zu Ende zu bauen. In dieser Hinsicht aber muß man wegen der Zukunft keine Sorgen haben, im Gegenteil, das Wissen der Menschheit steigert sich, die Baukunst hat Fortschritte gemacht und wird weitere Fortschritte machen, eine Arbeit, zu der wir ein Jahr brauchen, wird in hundert Jahren vielleicht in einem halben Jahr geleistet werden und überdies besser, haltbarer. Warum also schon heute sich an die Grenze der Kräfte abmühen? Das hätte nur dann Sinn, wenn man hoffen könnte, den Turm in der Zeit einer Generation aufzubauen. Das aber war auf keine Weise zu erwarten. Eher ließ sich denken, daß die nächste Generation mit ihrem vervollkommneten Wissen die Arbeit der vorigen Generation schlecht finden und das Gebaute niederreißen werde, um von neuem anzufangen.

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Solche Gedanken lähmten die Kräfte, und mehr als um den Turmbau kümmerte man sich um den Bau der Arbeiterstadt. Jede Landsmannschaft wollte das schönste Quartier haben, dadurch ergaben sich Streitigkeiten, die sich bis zu blutigen Kämpfen steigerten. Diese Kämpfe hörten nicht mehr auf; den Führern waren sie ein neues Argument dafür, daß der Turm auch mangels der nötigen Konzentration sehr langsam oder lieber erst nach allgemeinem Friedensschluß gebaut werden sollte. Doch verbrachte man die Zeit nicht nur mit Kämpfen, in den Pausen verschönerte man die Stadt, wodurch man allerdings neuen Neid und neue Kämpfe hervorrief. So verging die Zeit der ersten Generation, aber keine der folgenden war anders, nur die Kunstfertigkeit steigerte sich immerfort und damit die Kampfsucht. Dazu kam, daß schon die zweite oder dritte Generation die Sinnlosigkeit des Himmelsturmbaus erkannte, doch war man schon viel zu sehr miteinander verbunden, um die Stadt zu verlassen.

Alles was in dieser Stadt an Sagen und Liedern entstanden ist, ist erfüllt von der Sehnsucht nach einem prophezeiten Tag, an welchem die Stadt von einer Riesenfaust in fünf kurz aufeinanderfolgenden Schlägen zerschmettert werden wird. Deshalb hat auch die Stadt die Faust im Wappen.

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[Das Stadtwappen]

Jer 51, 20: „Du bist mein Hammer, meine Kriegswaffe; durch dich zerschmettere ich die Heiden und zerstöre die Königreiche“

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Gründung von Mahagonny. Szenenbild aus der Uraufführung der Oper Lz. 1930

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„Und wenn einer tritt, dann bin ich es“ Inszenierung Berlin 1977

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Untergang Mahagonnys Szenenbild der Uraufführung der Oper 1930

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Finale des Songspiels Mahagonny, Uraufführung Baden-Baden 1927

Brecht

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Der tödliche Boxkampf. Inszenierung Berlin 1977

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Stadt Mahagonny, Schluß

Siebenter Zug mit einer Riesentafel:FÜR DEN FORTBESTAND DES GOLDENEN ZEITALTERS

Können wohl von seinen großen Zeiten redenKönnen seine große Zeit vergessen.Können einem toten Mann nicht helfen.

Alle Züge:Können uns und euch und niemand helfen

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Untergang Mahagonnys Szenenbild der Uraufführung der Oper 1930