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1 Bilder lesen und verstehen erarbeitet vom Arbeitskreis Kunsterziehung Leitung des Arbeitskreises Elisabeth Mehrl, ISB Mitglieder des Arbeitskreises Jens Knaudt, Renate Stieber, Otmar Wagner Verantwortlich für den Inhalt Renate Stieber (Autorin)

Bilder lesen und verstehen - ISB · 1 Bilder lesen und verstehen erarbeitet vom Arbeitskreis Kunsterziehung Leitung des Arbeitskreises Elisabeth Mehrl, ISB Mitglieder des Arbeitskreises

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Bilder lesen und verstehen

erarbeitet vom Arbeitskreis Kunsterziehung

Leitung des ArbeitskreisesElisabeth Mehrl, ISB

Mitglieder des ArbeitskreisesJens Knaudt, Renate Stieber, Otmar Wagner

Verantwortlich für den InhaltRenate Stieber (Autorin)

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Grundsätzliche Überlegungen zum Thema Bildbetrachtung

Es gibt ganz unterschiedliche Bilder in unserer Umgebung,wir sehen sie zu Hause oder im Museum, in der Tageszei-tung, im Fernseher, auf der Straße.

Bilder zeigen zum Beispiel unsere Freunde, ein Kind beimSpielen oder Politiker bei der Unterzeichnung eines Ver-trages, eine Gruppe von Menschen, die sich vor demHochwasser rettet, einen Baum oder einen Sonnenun-tergang, einen schön gedeckten Tisch, das neue Auto ...Es sind Bilder aus unserer Welt oder Bilder aus längstvergangenen Welten, festgehalten mit Stift oder Farbe,mit Fotoapparat oder Filmkamera.Jedes dieser Bilder kann zum Gegenstand der gezieltenBetrachtung werden. Mit dem bewussten Sehen und Ver-stehen von Bildern befasst sich die Bildbetrachtung.

Der Begriff „Bild“ wird allgemein verstanden als jede vi-suell wahrnehmbare Darstellung, unabhängig von einemkünstlerischen Anspruch: Dokumentarfoto oder Werbung,Kunstwerk oder Privatfoto.Bilder machen ist nicht zwangsläufig die Aufgabe einesKünstlers, und nicht jeder, der Bilder macht, sieht sichals Künstler. Alle visuellen Darstellungen können aberGegenstand einer Bildbetrachtung werden. Jedes Bildkann nach den hier aufgestellten Kriterien beschrieben,analysiert und gedeutet werden.

Jemand erzählt mir etwas mit einem Bild, ich sehe und ver-stehe es. Man spricht deshalb von einer Bildsprache, dieder Betrachter aber lesen und verstehen können muss. Vie-le Bilder aus der Vergangenheit können heute nur noch vonFachleuten verstanden werden, die den kulturellen oder his-torischen Zusammenhang kennen. Manche Bilder unsererZeit versteht auch nur, wer etwa den technischen Hinter-grund deuten kann. Vieles glauben wir zu verstehen, aberBilder können wie Worte auch bewusst lügen. Bilder wer-den häufig mit einem bestimmten Ziel erstellt: Sie wolleninformieren, präsentieren, werben und/oder verkaufen.

= die Fähigkeit Bilder als Kommunikationsmittel zu ver-stehen und zu nutzen, und die Fähigkeit selbst solchebildnerische Aussagen zu produzieren. Missverständnis-se in der Wahrnehmung können dabei beabsichtigt sein.Es gehört zur Bildkompetenz, Verwirrung und missver-ständliche Darstellungen ebenso zu erkennen wie „Eye-catcher“, die die Aufmerksamkeit gezielt einfangen.

Wir leben in einer Welt von Bildern.

„Davon will ich ein Bild machen.“

Ein Bild ist in der Regel bewusst gestaltet und soll ge-sehen, betrachtet und verstanden werden. Und nichtnur Künstler machen Bilder.

Jedes Bild ist ein Kommunikationsmittel, vergleichbareiner Sprache. Es gibt eine Bildsprache, die wir be-herrschen sollten, weil jeder von uns in irgendeinerWeise Bilder macht oder Bildern begegnet.

Bildkompetenz

Die Bildbetrachtung, also der Umgang mit Bildern aller Art, ist ein zentrales Anliegen des Kunstunterrichts. Esgeht hier darum, Jugendliche mit der Fähigkeit auszustatten, in einer Welt von Bildern deren Sprache zu beherr-schen und sich aktiv wie in der reinen Betrachtung damit auseinanderzusetzen.

Dieses Heft eignet sich in Ausschnitten für die Schüler, es ist jedoch in erster Linie eine Zusammenstellung allerwesentlichen Aspekte der Bildbetrachtung für die Lehrkraft. Je nach Schwerpunkt und Zielsetzung wird dieLehrkraft deshalb die geeigneten Seiten auswählen müssen.

Bildbeispiele können in diesem Heft - gerade im Bereich zeitgenössischer Kunst, vor allem aber auch für Foto-grafie, Film, Werbung, Plakatgestaltung u.v.m. nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung gestellt werden.So ergibt sich die Notwendigkeit - oder die Möglichkeit - sich auf die Suche nach geeignetem Bildmaterial zubegeben und auf diese Weise das Informationsheft mit- und weiter zu gestalten. Damit wird auch erreicht, dassdie aktuellen Bildbeispiele immer „zeitgemäß“ sind. Auf keinen Fall sollte die Bildkompetenz sich nur undschwerpunktmäßig auf historische bzw. kunstgeschichtlich bedeutsame Beispiele beschränken. Die Bilderweltder jeweiligen Generation muss einbezogen werden, damit die Bildsprache eine lebendige Sprache bleibt.

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Bildbetrachtung = Erschließung eines Bildes

1 Bildbeschreibung = Beschreibung des Sichtbaren und Lesbaren WAS SEHE ICH?

zum Beispiel Porträt

zum Beispiel Landschaft

zum Beispiel Stillleben

zum Beispiel Abstrakte Darstellung

2 Bildanalyse = Analyse der verwendeten Gestaltungsmittel WIE IST ES GEMACHT?

Form

Farbe

Licht

Raum

Komposition

3 Bilddeutung WARUM & WOZU IST ES SO?

Absicht des Künstlers bzw. Auftraggebers

Wirkung auf den Betrachter

Allgemeine Informationen zur systematischen Bildbetrachtung

Die systematische Bildbetrachtung befasst sich im Wesentlichen mit drei Bereichen:

Die Bildbeschreibung nimmt alle objektiv wahrnehmbaren Fakten auf und stellt diese Beobachtungen in einen logischenZusammenhang. Hier ergibt sich eine enge Verbindung zum Fach Deutsch. Wie sich zum Beispiel ein Porträt odereine Darstellung von Menschen allgemein in Worte fassen lässt, erfordert - wie auch alle anderen bildnerischenMotive - eine Logik in der Gliederung: Wie beginne ich? Wie wird der Blick durch ein Bild geführt? Welche Kriterienspielen eine Rolle? In welcher Reihenfolge ist die Beschreibung sinnvoll? Zusätzlich zu den im Bild gesehenenInformationen gehört zum Wahrnehmbaren auch der mit dem Bild verbundene Bilduntertitel, die Informationstafelzum Bild in einer Ausstellung oder einem Museum und vieles mehr.

Die Bildanalyse bezieht sich auf die klassischen Gestaltungsmittel und ist damit ein spezieller Bereich des FachsKunsterziehung. Bei modernen Techniken wird das Fach Informationstechnologie mit den Inhalten Bildbearbeitungoder Multimedia wichtige Ergänzungen bzw. Erkenntnisse liefern.

Die Bilddeutung bezieht sich auf das Wissen aus dem Fach Kunst (Stilepochen, Künstler etc.); die Kenntnis derhistorische Hnintergründe und zusätzliches Wissen z. B. aus dem Bereich Religion sind häufig unerlässlich für eineklare Deutung. Im Bereich der Medien (Werbung, Film) spielt der Kontext eine wesentliche Rolle. Ein Bild kann nur mitumfassendem Wissen um alle Zusammenhänge von Motiv, Entstehung und Absicht wahrheitsgemäß gedeutetwerden. Andererseits ist es wichtig, eine eigene, ganz persönliche Deutung abzugeben und damit die subjektiveWirkung eines Bildes zu benennen.

Andachtsbildreligiöse DarstellungRogier van der Weyden, 1440Der Hl. Lukas malt die Madonna

DokumentarfotoInformationswert, scheinbar objektivDorothea Lange, 1936Die Wanderarbeiterin

Privates FamilienbildErinnerungswert oder Zeitzeugnis

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Künstler bzw. Urheber:Wie heißt er, woher stammt er?Titel bzw. Bilduntertitel: Wie heißt das Bild?Welche Informationen sind dem zu entnehmen?Entstehungszeit: Wann ist das Bild entstanden?evtl. auch: Wo befindet sich das Werk?

1 Bildbeschreibung

Was weiß ich schon über das Bild?

Bildtyp/ Bildgattung

Allgemeine Hintergrundinformationen

Hintergrundwissen zur Bedeutung derInhalte/ Figuren/Objekte

Was erfahre ich im direkten Umfeld des Bildes?

Diese Informationen sind in der Regel im direkten Zusam-menhang mit dem Bild zu lesen (Bilduntertitel, Tafel). DerKünstler signiert sein Werk, bzw. ein Urheber ist genannt. ImMuseum wie in Veröffentlichungen sind diese Informationenverfügbar bzw. müssen sogar genannt sein (Bildrecht). Beivielen Bildwerken fehlen allerdings diese Informationen.

Wer ein Bild ansieht, bringt Vorwissen mit ein, es gibt dabeiimmer auch Überschneidungen mit dem Aspekt Bilddeutung.Das Erfassen eines Bildes ist komplex, die Bereiche lassensich nicht immer klar voneinander trennen.

Gehört es zu den klassischen Bildgattungen: Ist es ein Bildnis,ein Paar- oder Gruppenbild? Ist es eine Landschaft oder Stadtan-sicht? Ist es ein Stillleben? Ist es eine abstrakte Darstellung? Istder Inhalt historisch, dokumentarisch, privat oder religiös? Liegtdie Funktion in der Betrachtung, der Information, der Werbung?

Welche Bedeutung hatte der Autor oder Künstler zu seinerZeit, evtl. wer waren seine Auftraggeber, welche Vorbilder hatteer? Stammt der Titel des Bildes vom Künstler selbst? WelcheRolle spielte das Werk in der Zeit seiner Entstehung, welcheFunktion hatte es? Welche Bedeutung hat es heute für uns?

Welche besondere Bedeutung haben die abgebildeten Figurenoder Objekte in ihrer Zeit? (z. B. gesellschaftliche Rolle der Per-sonen, religiöser Zusammenhang, Symbolsprache u. a.) Habendie Details eine besondere Bedeutung für den Maler, für denAuftraggeber oder für den aktuellen Betrachter?Was ist eigentlich dargestellt? Aus welchem Bereich stammtdie Szene (religiös, historisch o. a.) Ist es eine bekannte Sze-ne? Wird eine (bekannte) Geschichte erzählt? Ist diese Szeneauch heute noch verständlich oder nur aus der Entstehungszeitund mit dem entsprechenden Hintergrundwissen zu verstehen?

Ein Bild beschreiben heißt alles benennen, was sichtbar oder im unmittelbaren Umfeld lesbar ist. Die Be-

schreibung beantwortet die Frage: Was ist auf diesem Bild dargestellt? Die schlichte Frage nach dem, was ich

sehen kann, wird dabei ergänzt durch Informationen, die ich im Umfeld des Bildes erfahre - oder schon weiß.

Personen bzw. Objekte

Raum bzw. Umgebung

wichtige Details

Szene/ Situation

Was sehe ich beim Betrachten des Bildes?

Dies sehe ich auf dem Bild selbst, wenn ich nur wirklich genau hinschaue und das Bild systemtatisch betrachte:

Welche Figuren und/oder Objekte sind zu sehen?Wo befinden sie sich im Bild?Wie sind sie zueinander angeordnet?In welcher Art werden sie dem Betrachter zugeordnet?In welcher Lage werden die Objekte gezeigt?Welche Körpersprache zeigen Figuren (Haltung, Gestik, Mimik)?

Welche Umgebung wird gezeigt?Wo befinden sich Objekte bzw. Figuren im Raum?

Gibt es Gegenstände, die den Blick auf sich ziehen?Haben Details eine besondere Stellung in der Szenerie?

Was geschieht gerade?

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Anzahl der Personenäußere Erscheinung (Geschlecht, Alter, Aussehen)Kleidungbesondere Attribute (evtl. auch deren Bedeutung)Körpersprache: Haltung - Gestik - Mimik

evtl. die Art der Beziehung der Personen zueinanderBeschreibung der SituationBesonderheit der Körpersprache in der Beziehung zueinanderBesonderheit der Körpersprache in der Beziehung zum Betrachter

Umgebung bzw. RaumWeiterführung des Blicks nach draußenBezug der Personen zur Umgebung

Checkliste:

Personen

Situation

Raum

Beschreibung des Motivs PORTRÄT

Als Porträt oder Bildnis wird die Darstellung eines Menschen bezeichnet. Man unterscheidet nach der Anzahl derabgebildeten Personen Einzel-, Paar- und Gruppenbilder; eine besondere Rolle nimmt das Selbstporträt ein.

Bei einem Porträt kann je nach Funktion oder Anliegen die Persönlichkeit (individuelle Darstellung) der dargestellten Men-schen im Mittelpunkt stehen oder die gesellschaftliche Rolle (repräsentative Darstellung). Porträtdarstellungen gab es inder Antike (Grabbildnis, Büsten); die Blütezeit des wirklichkeitsgetreuen Porträts begann in der Renaissance, dies hängtauch mit dem wachsenden Selbstbewusstsein der Menschen zusammen. Mit der Fotografie schwand das Porträt alsAufgabe des Künstlers zunehmend.Das Abbilden des Menschen verfolgt zu allen Zeiten dieselben Ziele: Festhalten des Augenblicks für eine Ewigkeit, Dar-stellen einer gesellschaftlichen und sozialen Rolle, Dokumentation (z. B. politisches Bild, Zeitungsfoto) oder Identi-fikation (z. B. Werbefoto). Häufig sind diese Bereiche nicht eindeutig voneinander zu trennen.

Bei der Beschreibung eines Porträts steht naturgemäß die Figur im Vordergrund, die Wahl der Situation und desRaumes kann zusätzlich eine wichtige Bedeutung haben. Besonderes Augenmerk sollte auf die dem Betrachterzugewiesene Rolle gelegt werden, er wird meist bewusst als Zuschauer und „Ansprechpartner“ benutzt.

Suche den beiden Porträts entsprechende Darstellungen von Menschen aus dem Be-reich der Fotografie. Achte dabei auf die Vergleichbarkeit der abgebildeten Situationund der Körpersprache. Fertige einen Vergleich mit Hilfe der Checkliste an.

Duane Hanson: Putzfrau,1972, Kunstharz, reale Kleidung und Ausstattungsstücke

Albrecht Dürer: Selbstbildnis mit Landschaft,1528, Öl auf Leinwand

AUFGABENBEISPIEL

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Suche diesen Paarbildern aus dem Bereich der klassischen Kunst entsprechende Dar-stellungen von Menschen aus dem privaten Bereich.Vergleiche diese Darstellung in Bezug auf die Körpersprache.

Beschreibung des Motivs PAARBILDNIS

Bei Paarbildnissen wird die Wirkung sehr stark durch den Bildaufbau (Komposition) bestimmt (vgl. Thema Kompo-sition bei der Bildanalyse): Die Körperhaltung der Personen bestimmt die wichtigen Bildlinien; stehende Figurenstellen z. B. senkrechte Bildlinien mit entsprechend ruhiger und würdevoller Ausstrahlung dar (vgl. Jan van Eyck:Hochzeit der Arnolfini; Hans Holbein: Die Gesandten). Die vom Künstler oder Auftraggeber erwünschte Bildwirkung(„Wie will ich gesehen werden?“) wird in der Regel in allen repräsentativen Darstellungen oder Bildern mit öffentli-cher bzw. offizieller Funktion sehr bewusst gestaltet, z. B. bei Hochzeitsbildern oder bei der Darstellung von Politikern.Der Bildaufbau, in diesem Fall die Anordnung von zwei Figuren zueinander, lässt sich auch als eine Deutung derBeziehung erklären. So ist ein Paarbildnis immer auch eine soziale oder gesellschaftliche Studie zum Verhältnis derabgebildeten Personen.

Wähle eine Darstellung aus der Werbung, die eine Gruppe von Personen in den Mittel-punkt stellt und beschreibe diese Darstellung mit Hilfe der Kriterien Äußere Erscheinung,Körpersprache, Situation und Umgebung.

Übertrage dazu die Tabelle auf ein eigenes Blatt.

Peter Paul Rubens:Geißblattlaube, 1609

Otto Dix:Die Eltern des Künstlers, 1924

Marc Chagall:Der Spaziergang, 1917

In der Werbung soll der Betrachter sich mit der dargestellten Person oder Personengruppe identifizieren, die seineBedürfnisse, Wünsche oder Ängste stellvertretend verkörpert. Bei einem Gruppenbild wird der Betrachter als Teil derGemeinschaft angesprochen, der als Betrachter einer Szene „dazugehören“ möchte. Viele Firmen bzw. Markenentwickeln und präsentieren dazu einen ganz bestimmten Personentyp als Identifikationsfigur für ihre Zielgruppe.

AUFGABENBEISPIEL

Vergleich in Tabellenform:Ähnlichkeiten Unterschiede

Personenäußere ErscheinungKörperspracheBezug zum Betrachter

Situation

Raum

Funktion des Paarbildnisses

z. B. Beide Darstellungen zeigen... z. B. Während Darstellung A .....,zeigt Darstellung B .......

AUFGABENBEISPIEL

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Checkliste:

Art der Landschaft

Äußere Gegebenheiten

Staffage (Beiwerk),Versatzstücke

Beschreibung des Motivs LANDSCHAFT

Unter einer Landschaftsdarstellung versteht man ein Bild von oder nach der Natur, bei dem einzelne Elemente wieBerg, Baum, Weg u. a. als Versatzstücke verwendet werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Himmel, der Tages-oder Jahreszeit bzw. spezielle Wetterverhältnisse anzeigt und damit entscheidend die Wirkung beeinflusst.

Landschaftsdarstellungen waren in der Kunstgeschichte seit der Renaissance zunächst vor allem Hintergrund fürSzenen mit biblischem Inhalt. Eine erste Blütezeit erlebt die Landschaftsdarstellung im Barock in der niederländi-schen Malerei. Landschaftsbilder haben bis heute einen ungebrochenen Reiz. Ein Beispiel dafür sind etwa diestimmungsvollen romantischen Landschaften in unzähligen Bildkalendern. Die Landschaft spielt als Träger vonGefühlen eine wichtige Rolle u. a. auch in der Werbefotografie und im Film.

Bei der Beschreibung einer Landschaft ist es sinnvoll von vorne nach hinten durch den natürlichen Raum zu „gehen“bzw. den Blick von vorn nach hinten zu lenken. Dabei sollten Details angemessen zusammengefasst werden (z .B.Baumgruppe, Bergkette u. a.). Je nach Darstellung kann auch von einem auffälligen Einzelobjekt aus der Blickweitergeführt werden bzw. von einem besonders wichtigen Element zum Nebensächlichen. Hier kann der Bezug zumBildtitel den Ausschlag geben (z. B. „Die Mühle von Wiiyk“ von Ruisdael oder „Der einsame Baum“ von C. D. Friedrich).Auch Standort und Blickwinkel des Betrachters müssen in die Bildbeschreibung einbezogen werden.

Wähle ein Landschaftsfoto und vergleiche es auf der Grundlage der Checkliste mit demGemälde „Der einsame Baum“ von Caspar David Friedrich. Erstelle oder suche einLandschaftsfoto, das den gleichen Bildaufbau zeigt wie „Der einsame Baum“.

AUFGABENBEISPIEL

Caspar David Friedrich, Der einsame Baum, 1821

z. B. Ebene, Gebirge, Küste....,

Witterung (Wetterlage), Tageszeit, Jahreszeit

evt. Personenstaffage und Bezug der Personen zur Landschaft(Spaziergänger, Bauern, Soldaten...)alles, was in der Landschaft auf dem Boden bzw. dem Wasser zu finden ist(Bäume, Gebäude, Schiffe...), auch Straßen, Wege....

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Unter einem Stillleben versteht man die bewusste Anordnung lebloser Objekte nach ästhetischen Gesichtspunkten.

Stillleben sind seit dem Barock ein eigenständiges Thema, vorher waren Objekte nur ein bedeutungsvolles odersymbolhaftes Detail innerhalb eines Porträts oder einer religiösen Darstellung. Die Blütezeit des Stilllebens ist dieniederländische Malerei des 17. Jh., hier dient es vor allem dekorativen Zwecken und zeigt den Luxus, aber auch dieSchönheit der einfachen Dinge. Daneben gelten die Objekte als Sinnbild für die Scheinhaftigkeit des Lebens: Nichtsist von Dauer. So wird im Stillleben einerseits der Reichtum präsentiert und zur Schau gestellt, andererseits warnendauf die Vergänglichkeit hingewiesen. Dieser sogenannte Vanitas-Gedanke ist Leitmotiv der barocken Stillleben.

Stillleben sind ein beliebtes Thema bei den Künstlern, denen sie auch zum Training des eigenen Könnens im Blickauf die Darstellung der Form dienten, ebenso wie beim Kunstpublikum. Jeder Künstler und jeder Betrachter gibt denDingen seine eigene Bedeutung, versteht die Objekte als Teil seines persönlichen Alltags, seiner persönlichenRepräsentation oder widmet ihnen wegen ihrer Farbe, Form oder Oberflächeneigenart besondere Aufmerksamkeit.

Bei der Beschreibung eines Stilllebens ist es sinnvoll mit Begriffen zu arbeiten, die die Anordnung der einzelnenObjekte ausdrücken: davor oder dahinter, daneben, darunter oder darüber usw. So erschließt sich der Aufbau einesStilllebens von selbst. Dabei werden Details angemessen zusammengefasst (mehrere, eine Gruppe von o. ä.). Jenach Darstellung kann auch beim Stillleben von einem auffälligen Einzelobjekt aus der Blick weitergeführt bzw. voneinem besonders wichtigen Element zum Nebensächlichen gelenkt werden, dabei ist oft der Bildtitel hilfreich.

Beschreibung des Bildmotivs STILLLEBEN

Welche Art von Gegenständen? Gibt es einen sinnvollen Überbegriff?

Einzelstücke s. o. vom Wichtigen zum Nebensächlichen oder von linksnach rechts, von vorne nach hinten usw. benennenje nach Motiv strukturiert vorgehen, dabei Details sinnvoll zusammenfassen

Lage der einzelnen Stücke zueinander („daneben, darunter, dahinter ....“)

Wo liegen die Gegenstände?

Checkliste:

Die besondere Bedeutung oder Symbolik einzelner Objekte wird im Punkt Wirkung bzw. Aussage behandelt. VieleObjekte, die in Bildwerken von Renaissance und Barock auftauchen, kennen wir heute nicht mehr oder nicht in ihrerfrüheren Bedeutung. Gerade für die Symbolhaftigkeit gibt es eine ganze Reihe von Nachschlagewerken, die unserklären, wie etwa im 17. Jahrhundert Brot und Wein, Nüsse oder Silberpokale verstanden wurden. Auch in unserer Zeitwerden nicht alle Betrachter die in Stillleben abgebildeten Gegenstände gleich interpretieren oder wertschätzen. Einwichtiger Gesichtspunkt ist die persönliche Beziehung des Betrachters zu bestimmten Inhalten und seine individuellgeprägten Assoziationen.

Beschreibe das Stillleben mit Hilfe derCheckliste.

Fotografiere Dinge, die dir persönlichwichtig sind, in einer vergleichbarenAnordnung.

Art des Stillebens

Aufstellung bzw. Anordnung

Untergrund

Hintergrund, Raum

AUFGABENBEISPIEL

Samuel van Hoogstraten,Augentäuscher-Stillleben, 1668

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Beschreibung des Bildmotivs ABSTRAKTES BILDMOTIV

Ein Motiv wird allgemein als der wesentliche Inhalt eines Bildes verstanden. Wenn die wesentlichen Bildelementeweder Menschen noch Objekte sind, sondern geometrische Elemente, Flächen und Linien, dann sprechen wirvon einem abstrakten oder gegenstandslosen Bildmotiv.

Die Beschreibung wird selten vom Bildtitel ausgehen können. Wassily Kandinsky, mit dem die gegenstandsloseMalerei beginnt, benennt seine Bilder vergleichbar musikalischen Kompositionen mit „Improvisation“ oder „Kompo-sition“. So geht es in der Regel um die Anordnung von Farben und Formen auf der Bildfläche. Bei der Beschreibungbenutzt der Betrachter Begriffe, die die Ordnung der Bildfläche beschreiben: in der Mitte, oben oder unten, danebenoder quer dazu usw. Zusätzlich werden Farben und Formen benannt, Fachbegriffe sind dabei sinnvoll und hilfreich.

Ordne den beiden Darstellungen die folgenden Begriffe zu:wild - geordnet - klar - chaotisch - lebhaft - starr - zufällig - geometrisch - rhythmisch -geradlinig - geschwungen - kantig - gerundet - überlagert - fröhlich - aggressiv - lang-weilig - exakt - klar begrenzt - übereinander geschichtet - konstruiert - spontan

Erstelle eine Liste der Begriffe, die sachlich beschreiben und nicht deuten.

Gestalte zu jedem Beispiel ein eigenes Bild, zu dem die genannten Begriffe passen.

AUFGABENBEISPIEL

Jackson Pollock:unformed figure, 1953

Victor VasarelyVaar, 1970

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In einer Bildanalyse geht es um die Frage, wie ein Motiv gestaltet wurde, mit welchen Gestaltungsmitteln also. In derKunstgeschichte beziehen wir uns dabei auf die Mittel eines Zeichners, Malers oder Bildhauers. In der Moderne werdenzusätzlich dazu die typischen Gestaltungsmittel eines Fotos oder eines Films betrachtet. Schwieriger ist dies bei derAnalyse eines zeitgenössischen Kunstwerks wie einer Installation. Grundsätzlich gelten jedoch immer dieselbenKriterien, egal ob ein Gemälde oder ein Werbefoto, ein Standbild im Film oder das Layout einer Website analysiertwerden. Jeder Bereich hat eigene, typische Gestaltungsmittel, die Mehrzahl der Gestaltungsmittel aber ist in allenGattungen vergleichbar und bietet eine allgemeine Grundlage, wie dem folgenden MindMap zu entnehmen ist, eineausführliche Erläuterung der einzelnen Aspekte wird auf den folgenden Seiten dargelegt.

2 Bildanalyse

AUFGABENBEISPIEL

Der Analyse sollte die Beschreibung des Bildmotivs immer vorausgehen, denn beim genauen Betrachten wird der Blickdurch das Bild gelenkt und alle Elemente werden bewusst wahrgenommen. Es ist immer wieder notwendig zukontrollieren, in welchem Teil der Bildbetrachtung man sich befindet, also ob man gerade „nur“ beschreibt, was mansieht, oder erklärt, wie es gemacht ist oder gar bereits erläutert, wie es wirkt.

Wandle das MindMap in eine Tabelle um.Suche zu jedem Hauptpunkt geeignete Beispiele für eine vergleichende Bildanalysez. B. zum Stichpunkt Farbe ein Bild mit realistischer und eines mit expressiver Farbigkeit.

In der vergleichenden Bildanalyse lassen sich die Merk-male deutlicher erkennen. Vergleiche können sich dabeiauf unterschiedliche Aspekte der Gestaltung beziehen:

FORM: Die Darstellung ist realistisch, zum Vergleich könn-te die stark vereinfachte Darstellung einer Figur heran-gezogen werden.

FARBE: Die Farben sind realistisch, es sind hier nur küh-le Farben gewählt worden. Im Vergleich könnte ein Port-rät in leuchtenden Farben gewählt werden.

KOMPOSITION: Die Figur steht zentral. Vergleichend könn-te eine Darstellung mit einer bewegten Figur betrachtetwerden, die nicht auf der Mittelachse angeordnet ist.

RAUM: Hier ist eine Landschaft realistisch dargestellt.Ein Vergleich mit einem nicht bestimmbaren Raum bie-tet sich an.

Antoine Watteau,Gilles, um 1719

FORM FARBE

RAUM

KOMPOSITION LICHT

WIE IST ES GESTALTET?realistisch

vereinfacht

verfremdet

abstrakt

realistisch

vereinfachtverfremdet

negiert

symbolisch

expressiv

realistisch

Goldener Schnitt

Drittel-Teilung

Bildlinien bzw. Kurven(waagrecht, senkrecht,diagonal)

geschlossene oder offene Formen imBild (Dreieck, Kreis, Ellipse, Spirale)

gleichmäßig / gerichtetirreal / realistisch

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Die Darstellung der Realität meint die Wiedergabe der Form. Wir beurteilen sie im Vergleich mit unserer Wahrneh-mung, also den in der Realität auftretenden Formen. Neben dem tatsächlichen Augenschein kann uns der Vergleichmit einem Foto klar machen, wie realistisch eine Darstellung ist.

Prinzipiell lässt sich dieser Aspekt in Art eines Pfeils darstellen: ausgehend von der absolut wahrnehmungsgetreuen Darstel-lung über die Vernachlässigung bestimmter Einzelheiten bis zur völlig abstrakten, vom realen Objekt gelösten Darstellung.

Ordne den Darstellungen die folgenden Sätze zu.

O Die Materialien sind nicht erkennbar.O Die Dinge sind naturgetreu dargestellt.O Die Farben entsprechen nicht der Wirklichkeit.O Die Spiegelung sieht echt aus.O Die Dinge wirken dreidimensional.O Die Farben sind wirklichkeitsgetreu.O Die Objekte zeigen keinen Schatten.O Die Materialien sind eindeutig erkennbar.O Licht und Schatten sind realistisch.O Größen und Proportionen sind richtig dargestellt.

AUFGABENBEISPIEL

Bildanalyse DARSTELLUNG DER REALITÄT

Sehen die Objekte so aus wie in der Wirklichkeit? Dann sind sie wirklichkeitsgetreu, realistisch odernaturgetreu, anders gesagt: naturalistisch, dargestellt. In diesem Fall „stimmt“ die äußere Form ebensowie die Proportion der Teile zueinander und zu anderen Objekten. Die Plastizität bzw. die Darstellung desVolumens entspricht der Realität. Die Oberfläche zeigt wirklichkeitsgetreu die Reflexion von Licht, d. h.glatte Materialien spiegeln das Licht, während eine fehlende Reflexion matte und rauhe Oberflächenkennzeichnet.Vielleicht zeigt der Künstler die Dinge oder Menschen auch idealisiert: Alles ist perfekter und schönerals in der Realität und entspricht damit seinem eigenen bzw. dem Schönheitsideal seiner Zeit. Die„schöne Lüge“ war in der klassischen Kunst üblich, heute ist sie es mit den Methoden der Bildnach-bearbeitung ebenso, für uns ist sie oft gar nicht mehr als Lüge wahrnehmbar.

Fehlen wichtige Details oder ist die Darstellung der „echten“ Oberflächeneigenschaften (Stofflichkeit) nichtnaturgetreu? Dann nennen wir die Darstellung vereinfacht oder im extremen Fall abstrahiert. Dies istzum Beispiel der Fall, wenn die Pinselspur trotz der Materialeigenart des Objekts nicht erkennbar ist(Beispiel Fernand Leger) oder die Handschrift des Künstlers die eigentliche Materialtextur überlagert(Beispiel Vincent van Gogh).

Wenn wir die Dinge verzerrt, verfremdet oder irreal nennen, dann meinen wir damit, dass sie anders,fremdartig, verändert dargestellt sind. Dieses Urteil treffen wir, indem wir äußere Form, Plastizität, Pro-portionen und Stofflichkeit mit der Wirklichkeit vergleichen.

Können wir in der Darstellung keine reale Form mehr erkennen? Spielt der gegenständliche Bezug keinerleiRolle mehr? Dann nennen wir die Darstellung abstrakt.

realistisch

abstrakt

Georg Flegel, Stillleben mit Kirschen, 1635 Juan Gris, Der Kaffeesack, 1920

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Der FARBKREIS nach Johannes Itten mit den Grund- oder Primärfarben Gelb, Rot und Blau sowie den Sekundär-farben Orange, Grün und Violett bildet die Grundlage der Beobachtungen zum Thema Farbe.

Die Hauptfarben werden beschrieben in ihrer Farbqualität (im Wesentlichen die Farbbezeichnungen aus dem sechsteiligenFarbkreis) mit differenzierten Hinweisen zuIntensität = Reinheit, Leuchtkraft oder Sättigungsgrad einer Farbe,Helligkeit = die Änderung der reinen Farbe durch Beimischung von Weiß oder Schwarz bzw. die Eigenhelligkeit

einer Farbe, z. B. Gelb ist im Vergleich zu Blau oder Violett eine helle Farbe, reines Gelb ist die hellste Farbe im Farbkreis.

Temperatur = die eher kühle bzw. kalte oder warme Wirkung einer Farbe. Sie ist durch den Anteil an Rotorange in einem Farbton bestimmt. Gleichzeitig wirken dunklere Farben eher warm, helle Farben eher kalt.

Farbkontraste ergeben sich aus der oben genannten Farbbe-schreibung unter anderem als Intensitäts-, Helligkeits- oderTemperaturkontrast; meist sind dabei mehrere Farbkontrastegleichzeitig vertreten.Der Komplementärkontrast gilt als stärkstmöglicher Kontrast,gleichzeitig stellt er einen harmonischen Ausgleich zwischenzwei Farbtönen her. Die Farben ergänzen sich.

Farben können realistisch benutzt werden, d. h. sie stehen imnaturalistischen Sinn für den Gegenstand (Gegenstandsfarbe).Die Wahrnehmung eines Farbwerts ändert sich jedoch unter ei-nem bestimmten Lichteinfluss (Erscheinungsfarbe). Die Erschei-nungsfarbe spielt u. a. im Impressionismus eine wichtige Rolle.Farben können auch völlig irreal gewählt werden, d. h. die Farbehat keinen erkennbaren Bezug zur Realität. Dann stellt sich in derRegel die Frage, warum der Künstler diese Farbwahl getroffenhat. Die Künstler des Surrealismus wählen häufig irreale Far-ben, auch in der Werbung kann die irreale Farbe (z. B. das Lilader Milka-Kuh) den Erkennungswert einer Marke bestimmen.Innerhalb einer Kultur gibt es Symbolfarben, die für bestimmte Werteund Begriffe stehen wie z. B. Rot für Macht und Leidenschaft oderWeiß für Reinheit. Symbolfarben werden meist in religiös motivier-ten Darstellungen, z. B. in der mittelalterlichen Malerei, benutzt,oder in festen Zusammenhängen (Farben von Parteien, Flaggen-farben u.v.m.), in denen die Farbbedeutung in einer Gesellschafteindeutig zugeordnet ist.Auch die psychologische oder emotionale Wirkung der Farbe kanneine Rolle spielen und ist vom zeitlichen, kulturellen und individuellenUmfeld abhängig. Typisches Beispiel in der Kunstgeschichte ist hierder Expressionismus. Diese subjektiv geprägte Farbwirkungspielt unter anderem im Film, in der Produktgestaltung oder inder Werbung eine herausragende Rolle.

Farbauftrag und Malweise bilden in der Bildanalyse eine weitereKategorie, die in erster Linie der Malerei zugeordnet wird; in der Ma-lerei wird ein Farbton deckend oder durchscheinend, also pastosoder lasierend aufgetragen werden. Die Farbe kann alla prima (ohneweitere Übermalung) auf der Leinwand stehen. Eine Pinselspur kanngenutzt werden, um die Oberflächeneigenart eines Objekts wieder-zugeben (z.B. Fell), die Pinselspur kann aber auch als die persön-liche Handschrift des Künstlers erkennbar sein (Duktus).

Farbbezeichnung FARBQUALITÄT INTENSITÄT HELLIGKEIT TEMPERATUR

maigrün Gelbgrün leuchtend hell warm

pink Rotviolett leuchtend mittel kühl

Ergänze die Tabelle.Erweitere die Farbbeispiele durch dir geläufige Farbtöne, die bestimmten Produktenzugeordnet sind wie Coca Cola oder Blue Jeans.

AUFGABENBEISPIEL

Alexej Jawlenski, Das Gebet, 1922

Bildanalyse FARBE

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Dem Licht und seiner Wirkung kommt in allen Bereichen der bildnerischen Gestaltung eine sehr große Bedeutungzu. Licht beeinflusst in besonderem Maß unsere Stimmung, ohne dass dies immer bewusst wird, denn es schaffteinen atmosphärischen Rahmen, einen Hintergrund, der unmittelbar Empfindungen auslöst.

Licht beeinflusst die Sichtbarkeit der Dinge und Räume um uns und ermöglicht damit erst die Wahrnehmung, esbeeinflusst aber auch die Wahrnehmung von Farben: „Nachts sind alle Katzen grau“, d.h. ohne Licht bzw. Beleuch-tung gibt es keine Farbwahrnehmung.

Die Lichtquelle kann innerhalb oder außerhalb des Bildes liegen und ist damit für den Betrachter sichtbar underkennbar oder muss aus dem Zusammenhang erschlossen werden. Eine besondere Bedeutung erhält das Licht,wenn seine Herkunft nicht zu erklären ist. Die Lichtquelle kann eng begrenzt und scharf oder diffus und unscharf inihrer Strahlung sein. Neben natürlichen Lichtquellen (Sonne, Mondlicht) bilden künstliche Lichtquellen wie elektri-sches Licht oder Kerze einen wichtigen Faktor für die gesamte Stimmung. Eine Lichtquelle mit extremer Ausstrah-lung ist das Scheinwerferlicht.

Auch der Lichteinfall kann als diffus oder eindeutig gestaltet sein. Scharfes Schlaglicht bedingt einen harten Schatten-bereich. In der Fotografie wird häufig durch weiße Schirme erreicht, einen Scheinwerferkegel weniger scharf be-grenzt wirken zu lassen bzw. das Licht deutlich zu streuen. Die Richtung des Lichteinfalls lenkt den Blick des Betrach-ters.

In der Licht-Schatten-Wirkung wird unterschieden zwischen dem extremen Hell-Dunkel-Kontrast (chiaroscuro-Effekt) oder einer gleichmäßig ausgeleuchteten Darstellung.

AUFGABENBEISPIEL

Bildanalyse LICHT

Beschreibe den Unterschied in der Gestaltung des Lichts in den vorliegenden Bild-beispielen.Suche zu jedem dieser Beispiel aus der Kunstgeschichte ein vergleichbares Bild ausder Werbung. Beschreibe jeweils die Lichtquelle, den Lichteinfall und die daraus resul-tierende Wirkung.

Adolph von Menzel, Das Balkonzimmer, 1845 Vermeer van Delft, Der Maler in seinem Atelier,um 1665

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Die Analyse der Komposition gliedert sich in die Berücksichtigung des Bildformats selbst und die Analyse derAnordnung der Elemente auf diesem Format.

Bildformat

Das klassische von Künstlern verwendete Quer- und Hochformat hat häufig die Proportionen des Goldenen Schnitts(Die kurze verhält sich zur langen Strecke wie die lange Strecke zum Ganzen, oder: a : b = b : (a+b)). Dies gilt jedochnicht mehr für die zeitgenössische Kunst. Abweichende Formate sind extreme Hoch- oder Querformate oder diequadratische Form, auch die Kreisform stellt ein - wenn auch selten - gebräuchliches Bildformat dar. Printmedienverwenden in der Regel die DIN-Formate verwendet, die aber häufig auch korrigiert vorkommen unter Berücksichti-gung der Drucktechnik. In der Fotografie ist durch das verwendete Filmmaterial das Format 10x15 Standard, währendfür Filme unter Berücksichtigung der Monitore unter anderem die Formate 16:9 und 3:4 üblich sind.

Neben den Standardformaten gibt es Sonderabmessungen: Extreme Proportionen von Hoch- und Querformaten betonenjeweils eine Richtung. Das extreme Querformat wird oft verwendet für Landschaftsdarstellungen, während stehende Figu-ren oder hohe Objekte durch das extreme Hochformat aus der Umgebung isoliert werden können. Quadratische Formatebedingen ebenso wie kreisförmige eine besondere Anordnung der Bildteile und demzufolge der Wirkung des Motivs. Sozeigt die eher ungewöhnliche Kreisform (Tondo) die enge Zusammengehörigkeit. Kreisformate wurden häufig in einenquadratischen Rahmen gesetzt.

Bildanalyse KOMPOSITION

Das Hochformat vermitteltWürde, dies wird durch dieSymmetrie und die mittigstehende Figur betont.

Auffällige Formate wie Quadrat und Kreis ziehen die Aufmerksamkeit aufsich. Geometrische Formen betonen Ordnung und Harmonie. Der Bild-inhalt nimmt in besonderer Weise Bezug auf das Format.

Das Querformat bietet einen breiten Überblick über dieLandschaft, der ausgeglichen wird durch die Senkrechtender Bäume und durch die Schrägen im Motiv sowie in derBlickführung.

Pieter Brueghel, Heimkehr der Jäger, um 1565 Antoine Watteau, Gilles, 1719

Edgar Degas,Die blauen Tänzerinnen, 1890

Raffael,Madonna della Sedia, 1513

Max Bill, Rotation um ein sich ausdeh-nendes Weiß, 1981

Das auf der Spitze stehende Qua-drat wirkt dynamisch und bewegt, imBildtitel zeigt sich dies deutlich.

Das extreme Hoch-format hat Spannungund passt hier zumMotiv.

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Bild-Linien und Kompositions-Schemata

Schemata bzw. Ordnungsgefüge ergeben sich sowohl durch tatsächlich vorhandene Objekte auf der Bildflächewie auch durch die Blickrichtung und die Blickführung des Betrachters:

Senkrecht betont die Würde und Ausgewogenheit (v. a. als Mittelachse)Waagerecht betont die RuheRaster aus Senkrecht und Waagrecht ordnendes LiniengerüstDiagonale und Gegendiagonale betonen Dynamik und BewegungKreiskomposition schließt zusammen, steht für Ideal und HarmonieOval geschlossen, trotzdem bewegtgeschwungene Linien bringen Bewegung, führen das AugeDreieckskomposition steht für Ruhe, Harmonie, perfekte AusgeglichenheitPyramidenkomposition greift dabei zusätzlich deutlich in den Raum

Die waagrechten Bildliniengeben dem scheinbaren Chaos,das Hoogstraten für diesesAugentäuscher-Stillleben wählt,Halt und Ordnung.

Bruegel schafft in seiner „Heimkehr derJäger“ durch Diagonale (Haus, Hügel)und Gegendiagonale (Gruppe und ihreBewegungsrichtung) eine ausgleichen-de Wirkung.

Suche den genannten Kompositions-Schemata entsprechende Darstellungen aus demBereich der Werbekunst. Achte dabei auf die Vergleichbarkeit der Bildkomposition.Zeichne die Kompositionsschemata und die wichtigsten Bildlinien ein.

AUFGABENBEISPIEL

Der Kreis schließt die Figurenein, Peter Paul Rubens betontdadurch die Zusammengehö-

rigkeit und Nähe in seinemHochzeitsbild „Geißblattlaube“.

Bildanalyse

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3 Gliederung der Bildfläche

Eine spannungsreiche Gliederung wird erreicht, indem Bildteile an den Rand gerückt werden oder Bildlinien in kontrast-reichen Proportionen verlaufen.Demgegenüber schafft der „Goldener Schnitt“ eine harmonische Wirkung durch ausgewogene Proportionen, z.B.Lage der Horizontlinie, Positionierung eines Baumes u.a.).

Bildanalyse KOMPOSITION

In den bei Projektionen und Monitoren üblichen Querformaten spielt die Drittel-Teilung eine bestimmende Rolle. Diewichtigen Objekte und Bildteile liegen auf den Kreuzungsstellen bzw. berücksichtigen die entstehenden Bildfelder.Dies ergibt auch in klassischen Werken stimmige Ergebnisse bei der Analyse der Komposition.

Vincent van Gogh, Die Sternennacht, 1889

Im Gegensatz zu Caspar David Friedrich, der bei dem Bild „Einsamer Baum“ für sein Hauptmotiv exakt die Mitte wählt (Abb.links)und Vincent van Gogh, der die Zypresse in der „Sternennacht“ weit an den Rand setzt (Abb. rechts), positioniert Jacob Ruisdaelseine „Mühle von Wyk“ annähernd im Goldenen Schnitt in die Bildfläche.

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Das Thema Raum bezieht sich prinzipiell auf die Frage: „Was ist vorn, was ist dahinter, was ist ganz hinten?“. Dabei spielteine wesentliche Rolle die Tatsache, dass wir bei Bildern vornehmlich an Bildflächen denken. Die Wahrnehmung von „vorn“oder „hinten“ muss also folgerichtig eine Täuschung sein.Im Gegensatz dazu werden in Filmbildern oder auch in virtuellen Darstellungen zwar echte dreidimensionale Räumegezeigt, diese erscheinen aber in der Regel auf einer flachen Projektionsfläche (Leinwand, Monitor u. a.). Auch hiergeht es um eine Gestaltungsabsicht, nämlich einen Raum extrem tief oder weniger tief oder gar nicht tief wirken zulassen. Auch der Filme-Macher nutzt dazu geeignete Tricks.

Im Vergleich mit unserer Wahrnehmung ergibt sich eine Einschätzung der Raumwirkung zwischen „nicht-perspekti-visch“ und „perspektivisch = wahrnehmungsgetreu“.

nichtperspektivisch = Negierung, Verneinung, Ablehnung derperspektivischen Wirkung = flächige Wirkung

Diese Wirkung haben alle stark abstrahierten oder abstrakten Bild-werke. Frühzeitliche Bilder zeigen ebenso wie die Darstellungen vonKindern sehr einfache Mittel der Raumdarstellung wie Überschnei-dung und Größenkontrast oder auch die Anordnung von Objekten aufder Bildfläche. Hier geht es um eine bewusste Ablehnung aller„Tricks“,die etwas anderes vortäuschen wollen als die Bild-Fläche.

Vernachlässigung der Perspektive = irreale oder verzerrte Per-spektive

Hier sind die Künstler, Fotografen u.a. gemeint, die über die Mittel ver-fügen, eine räumliche Wirkung vorzutäuschen, diese aber zugunsteneiner Gestaltungsabsicht nicht verwenden.

Wahrnehmungsgetreue Wiedergabe des Raums = perspektivi-sche Wirkung = wie in einem Foto bzw. wie mein Auge die Welttatsächlich wahrnimmt.

Der Künstler nutzt „Tricks“: Aus frühen Zeiten bekannt sind Über-schneidung (vor allem der Horizontlinie) und Größenkontrast. Nochursprünglicher ist die Anordnung auf der Fläche: Je weiter unten,umso näher beim Betrachter wird ein Objekt wahrgenommen.Durch Naturbeobachtung kamen die Künstler auf den Effekt derFarbperspektive und der Luftperspektive. Im 15. Jhdt. entwickel-ten die italienischen Künstler auf Grund ihrer Forschung dieFluchtpunktperspektive sowie die Zentralperspektive.

Bildanalyse RAUM

Paul Klee, Südliche Gärten, 1919

Henri Matisse, Die Lebensfreude, 1905/06

Caspar David Friedrich, Einsamer Baum, 1821

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... und damit ein naturgetreues Abbild sein; dies wird von einem Porträt unterUmständen verlangt, ganz sicher aber von einem Dokumentarfoto erwartet,das in einer Zeitung, im Fernsehen oder Internet zu sehen ist. Heute - in einerMedienwelt - wissen wir allerdings, dass durchaus nicht alles wahr ist, wasauf einem Bild zu sehen ist.

Dann wird er durch die Bildgestaltung bewusst appellieren und eine bestimm-te Wirkung erreichen wollen. Dies gilt heute z. B. für Werbedarstellungen.Religiöse Darstellungen wie die prachtvollen Altarbilder im Barock wollten aberebenfalls bewusst eine Wirkung erzielen, auch im politischen Bereich gibt esAuftragskunst mit propagandistischer Absicht. Ein Bild sollte zu diesem Zweckauch vor seinem biografischen und zeitgeschichtlichen Hintergrundgesehen werden.

Dies war traditionell eine Aufgabe der Maler von Stillleben und Landschaften,sie waren deshalb auch weniger angesehen als die Maler von historischenoder religiösen Darstellungen. Heute gilt dies zum Beispiel für Illustrationen,manchmal auch für Kalenderbilder u. ä.

„Kunst einfach der Kunst wegen“ war die Devise der Künslter, die ihre Werkenicht gedeutet sehen und die sich keinem Zweck unterwerfen wollten.

Wir können uns dem Bild nicht einfach entziehen. Das Motiv, die Farbigkeitoder andere Gestaltungsaspekte üben Einfluss aus.

... wenn es Elemente enthält, die wir als nonverbales Signal verstehen, diesich also in den Vordergrund drängen. Diese Elemente sprechen biologischeGrundbedürfnisse an (Sicherheit und Sexualität) oder Grunderfahrungen, dieunabhängig von Kultur und Sprache sind (viele Aspekte von Mimik und Gestik).Entsprechend den Wahrnehmungsbedingungen des Menschen werdenz. B. bewegte Inhalte, Inhalte, die primäre Bedürfnisse ansprechen undauffällig gestaltete Inhalte bevorzugt wahrgenommen.

Es wird also zumindest in einer bestimmten Kultur oder sozialen Gruppe ineiner ganz bestimmten Art gelesen und verstanden, das gilt z. B. für Pikto-gramme, für ein Logo, auch für die Comicsprache oder Schriftzeichen. In ei-ner anderen Kultur oder in einer anderen Gesellschaft sind diese Bilder zumTeil missverständlich oder gar nicht zu verstehen.

Dinge können unterschiedlich interpretiert werden. Dazu gehören Symbolikund Allegorie.

Jeder einzelne Betrachter hat eine subjektive Einstellung auf Grund seinerganz persönlichen Geschichte, jeder sieht „die Dinge“ auf eigene Art.

3 Deutung ... Informationen zum Verständnis der Bildsprache

Ein Bild kann die Realität abbilden...

Autor oder Auftraggeber wollen vielleichtden Betrachter gezielt beeinflussen.

Bilder können auch einfach schmücken-des, dekoratives Beiwerk sein

oder ganz autonom bleiben.

Unabhängig von der Absicht des Autorswirkt ein Bild auf den Betrachter.

Ein Bild wird spontan verstanden, ...

Ein Bild kann eine feste Bedeutung haben.

In manchen Bildern wird eine versteckteBedeutung vermittelt.

Die individuelle Deutung kann von all die-sen Kriterien beeinflusst sein.

Deutung ist vielschichtig. Das Titelbild des Jahresbericht einer Schule- nur ein dekoratives Abbild der Schule? Oder sieht die Realität vielleichtaußerhalb des Bildrahmens ganz anders aus, dann lügt das Bild? Wirbtdie Abbildung für neue Architektur? Geht es um grafische Formenoder um Freude an Sport und Bewegung?

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3 Deutung

Die klassische Fragestellung lautet: Was will der Autor? Was will der Künstler mit seinem Bild sagen? Welche Wirkung

wird beim Betrachter erreicht? Die Antwort auf diese Fragen können wir nur geben, wenn wir vom Künstler aus erster Hand

- durch Interviews, Briefe o. ä. - tatsächlich wissen, welche Absicht er verfolgte.

Wir wissen also eher selten, was der Autor will. Wir nehmen aber in jedem Fall die Haltung eines Betrachters ein und

formulieren durch unsere Deutung, welche Sicht bei uns erreicht wird. Diese Deutung ist zunächst subjektiv, kann jedoch

auf Grund sachlicher Kriterien objektiv formuliert werden: Wir sehen, was auf dem Bild ist. Wir nehmen die Gestaltung von

Form, Farbe, Licht, Komposition oder auch die Folgen der technischen Ausführung wahr. Auf der Grundlage unserer Beo-

bachtungen und der Analyse der Gestaltungsmittel fassen wir die Wirkung eines Bildes zusammen.

Deutung zeigt sich in der Wortwahl und ist klar abzugrenzen von Betrachtung, Beobachtung oder Beschreibung der Bild-

elemente oder der Gestaltungsmittel.

... wirkt ..., denn .....

... bedeutet für mich ..., weil ...

... sieht aus, als ob ..., denn ...

... interpretiere ich als ..., weil...

In der Ausformulierung greift der Betrachter sinnvollerweise zurück auf die Ergebnisse der systematischen Bild-

beschreibung und Analyse der Gestaltungsmittel. Damit wird seine Deutung für andere nachvollziehbar und auch

objektiv gültig und bewertbar.

AUFGABENBEISPIELWende die o. g. Begriffe auf das vorliegende Bildbeispiel an.Belege deine Deutung, indem du auf die Darstellung des Ehepaars (Kleidung und Körper-sprache) und des Raumes sowie auf den Aufbau des Bildes Bezug nimmst.

Otto Dix,Die Eltern des Künstlers,

1924

Diese Wörter sind gut geeignet, eine Deutung zu formulieren. Dabei ist

es sinnvoll, diese Deutung immer auch als persönliche Meinung darzu-

stellen und auf Beobachtungen und/oder Wissen zu begründen.

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Arbeitsteilige Partner- bzw. Gruppenarbeit beigleicher Bildvorlage

Arbeitsgleiche Partner- bzw. Gruppenarbeitmit unterschiedlichen Bildvorlagen

Bilder nachstellen - Körpersprache nachemp-finden, Wirkungen nachspüren

auf Bildersuche gehen bzw. Bildzitaterecherchieren

Moderatorenkarten für die Besprechung anlegen

(interaktive) Präsentation

Lernen durch Nachahmung

Zu einem Bildbeispiel werden unterschiedliche Arbeitsaufträge for-muliert, z. B. zu Künstler und zeitgeschichtlichem Umfeld oder auchzu den unterschiedlichen Gestaltungsmitteln wie Farbe, Form,Raumwirkung oder Komposition. Die unterschiedlichen Ergebnis-se werden zusammengetragen und ergeben eine umfassendeBildbetrachtung.

Wenn der Schwerpunkt auf einen bestimmten Gesichtspunkt ge-legt wird, z. B. die Farbgestaltung, dann können mit arbeitsgleichenGruppen mehrere Bildvorlagen veglichen werden. Prinzipiell gilt,dass deutliche Unterschiede das Vergleichen erleichtern und inte-ressant machen. Auch Vergleiche unterschiedliche Bildarten wieWerbung, Altarbild oder zeitgenössische Kunst wirken anregendund bereichernd.

Die Gruppengröße richtet sich hier nach der Bildvorlage. Vor demNachgestalten der Bilder sollte zumindest ein Teil der Gruppe dieMethode des Standbilds kennen: Eine Haltung, Gestik und Mimikwird „eingefroren“. Der Schüler bzw. Spieler übernimmt diese Kör-persprache aus der Vorlage, sie wird ihm vorgespielt oder er erhältklare Anweisungen. Bewährt hat sich die folgende Vorgehensweise:Ein Spieler beginnt, der nächste ordent sich dazu bzw. wird voneinem Regisseur dazu geordnet, die letzte Figur stellt sich selbstins Bild. Ergänzend kann für jede Figur ein Satz von den Spielernoder von den Betrachtern entwickelt und gesprochen werden, sodass die Einfühlung in das Bild auch auf der sprachlichen Ebenegelingt. (Vgl. Methode „Szenisches Spiel“)

Die Internet-Recherche bietet sich an, wenn die erforderliche Tech-nik vorhanden ist oder als Hausaufgabe geleistet werden kann.Hier ist es zunächst erforderlich, die Recherche durch Angabe ge-eigneter Web-Seiten anzuleiten. Auch der Umgang mit Fach- bzw.Kunstbüchern lohnt hier, wenn die entsprechenden Werke zur Ver-fügung stehen.

Bei der gemeinsamen Besprechung von Kunstwerken, Arbeits-ergebnissen, Gruppenleistungen bietet die vorformulierteModeratorenkarte den Schülern eine wichtige Hilfe. Satzanfängesind ebenso sinnvoll wie Stichworte. In Zusammenhang mit derProjektpräsentation ist der Umgang mit Moderationshilfen uner-lässlich.

Die Arbeit am PC erfordert von der Lehrkraft eine sehr klar formu-lierte Aufgabenstellung: Nur, wer weiß, was er will und was amEnde herauskommen soll, wird hier ein sinnvolles effektives Er-gebnis erzielen. Geeignete Programme ermöglichen interaktiveoder auf die Moderation angelegte Präsentationen. Eine klareGliederung und die Bereitstellung von geeignetem Material (z. B.durch vorausgehende angeleitete Recherche) sind wichtige Bau-steine: Planung, Recherche und Gestaltung der Präsentation be-deuten einen großen Zeitaufwand, das Ergebnis sollte entspre-chend genutzt werden.Unbedingt anzuraten ist die Zusammenarbeit mit dem Fach IT.

Die Analyse z. B. von Werbungen nach den genannten Kriterienkann in einer praktischen Aufgabe münden: Die Vorgaben einerWerbung werden analysiert - Schriftart, Schriftgröße,Positionierung, Farbwahl und -zusammenstellung, ggf. auch Wahleines Bildelements - und nachgestaltet. Dabei wird nachvollzieh-bar, wie der Grafiker das Bild geplant hat.Dies ist auch möglich, wenn bildnerische Darstellungen aus an-deren Bereichen bearbeitet werden. Gerade im Bereich der Wer-bung bietet sich aber die Möglichkeit an, aus guten Beispielen zubeobachten und zu lernen.

METHODISCHE HINWEISE FÜR DEN UNTERRICHT

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Wenn ein Kunstwerk in den Mittelpunkt gestellt wird, bietet dasMindmap die Möglichkeit, bestimmte Bereiche herauszunehmen undBeobachtungen dazu zu sammeln.Auch das ungeordnete Sammeln von Beiträgen ist denkbar, die ineinem folgenden Schritt zugeordnet werden.

Bei einem Vergleich von Bildern liegt die Beantwortung in einertabellarischen Übersicht nahe, zumindest wenn es um die deutlichenUnterschiede geht. Die Tabellenstruktur ermöglicht es, eineverbundene Zeile für die Gemeinsamkeiten zu gestalten. DieOrdnung einer Tabelle erleichtert es, die Beobachtungen undGedanken zusammenzufügen und einen Überblick zu schaffen.

Eine neue Herangehensweise bieten die handlungsorientiertenMethoden: Eine dargestellte Person kann dabei zum Beispiel in derInterview-Technik befragt werden. Dabei ist es sinnvoll, diesesInterview durch die Vermittlung von Hintergrundwissen (Zeit,Lebensweise, Ort o. ä.) interessanter zu gestalten.Auch ein ein Objekt, zum Beispiel ein Werk, kann auf diese Weisebefragt werden. Nur wenn Fragen gestellt werden, entsteht einInteresse an einer Antwort.Mit dieser Technik kann ein direkter Bezug zum Bild erreicht werden.Assoziationen oder die unmittelbare Reaktion auf ein Bild werden indirekte Fragen umgesetzt. Die Beantwortung ermöglicht dann dieeingehende Auseinandersetzung mit dem Bild und seinem Autor.

Bilder sollten so weit möglich in ihrem „echten“ Umfeld erlebtwerden, bei Kunstwerken in der Regel im Museum bzw. derKunstausstellung. Ein Besuch der Werke vor Ort kann mit dengenannten Methoden gezielt vorbereitet werden.

Ein brauchbarer Ersatz, evtl. auch Vor- oder Nachbereitung istmöglich durch den Museumsbesuch im Internet oder einer eigensgestalteten Präsentation. Die interaktive Präsentation ermöglicht esdem Schüler, gelenkt und doch selbstständig zu sein. Querverweisezu Gestaltung, Leben und Werk von Künstlern oder Hintergrund-wissen können sinnvoll verknüpft werden.

METHODISCHE HINWEISE FÜR DEN UNTERRICHT

Wortkartei zu Wortfeldern

z. B. Wortfeld Haltung

z. B. Wortfeld Gestik

z. B. Wortfeld Mimik

z. B. Wortfeld Raum

z. B. Wortfeld Farbe

z. B. Wortfeld Wirkung

Ein großes Problem stellt für Jugendliche die Versprachlichung dar.Die Erstellung von Wortfeldern zu den entsprechenden Bereichen istsehr hilfreich und erweitert das nötige Vokabular. Wortfelder können inPartner- oder Gruppenarbeit erstellt werden, als Mind-Map oder inGegensatzpaaren.

stehen, sitzen, hocken, kauern, liegenausgestreckt, aufrecht, gebückt, geduckt, gekrümmtHand ausgestreckt, abgewinkelt, zur Faust geballt, locker aufge-legt, hält etwas, Finger zeigen ..., Finger gestreckt, verschränkt,Augen geöffnet, aufgerissen, (teilweise) geschlossen, gerichtetauf ..., Augenbrauen angehoben, zusammengezogen,Mundwinkel nach oben bzw. unten gezogen, Mund (teilweise) ge-öffnet, lachend o. a.Blick zum Betrachter, zu jemandem/ auf etwasvorn, vor, davor, hinten, dahinter, daneben, in gleicher Höhe, über-schnitten von ...,im Vordergrund, im Mittelgrund, im Hintergrundam Horizont, direkt vor dem Betrachterim Farbton (12-teiliger Farbkreis!)hell, dunkel - leuchtend, kräftig, intensiv oder gedeckt, gedämpft -rein oder abgetönt - warm, kühl, kalt - Ton-in-Ton, harmonisch,kontrastreich u. a.ausdrucksvoll, emotional (z. B. bei Personen ängstlich, vorsich-tig, fröhlich, traurig, aggressiv), harmonisch, eintönig, langweilig,leer, chaotisch, aufgeregt, unruhig u. a.

Mind Map

Tabelle

Interview

Museumsrundgang -Begegnung mit Kunstwerken

Virtueller Ausstellungbesuch

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Baustein 2 Analyse

Die Frauen sind stark vereinfacht dargestellt,die Proportionen sind richtig, aber die Ober-flächen und Materialien werden nicht realis-tisch wiedergegeben, sondern lediglich alsFarbflächen. Die Körper sind plastisch dar-gestellt, Kleidung und Landschaft eher flächig.Die Farben sind insgesamt leuchtend, warmund kontrastreich. Auffällig sind die HauptfarbenRot, Orange und Gelb. Der Bereich Grün, Blauund Violett ist dem mengenmäßig untergeord-net. Schwarz und dunkles Braun in den Figu-ren und Baumstämmen stellen einen deutli-chen Kontrast zu den intensiven Farben dar.Die Raumwirkung wird erreicht durch Über-schneidungen (Figuren, Figur/Landschaft,Baumstamm/Horizont) und die Anordnung derFarben (Farbperspektive).Der Bildaufbau wird bestimmt durch die mitti-ge Anordnung der Figuren und die klare Ein-teilung in waagrechte Landschaftsteile.Die Malweise ist flächig.

Baustein1 Betrachtung

Ich sehe zwei Frauen in einer tropi-schen Landschaft. Sie hocken amBoden. Die hintere Figur sitzt mitaufrechtem Oberkörper und blicktfrontal zum Betrachter, die vordereFigur stützt den Oberkörper an ei-nem Knie und lehnt sich nach vorn,der Blick geht am Betrachter vorbei,der Kopf ist leicht schräg geneigt.Im Mittelgrund sind auf einer grünenFläche zwei weitere stehende Men-schen zu erkennen. Im Hintergrundgrenzen Berge den Landschafts-raum ab. Hinter den Frauen ist einBaumstamm zu sehen.

Das Bild heißt „Wann heiratestdu?“ und wurde 1892 von PaulGauguin gemalt.

Ein Bild ... drei Wege der Betrachtung

Die Bausteine der Bildbetrachtung können in unterschiedlicher Weise zusammengesetzt werden. Während derWeg von der sachlichen Betrachtung über die Analyse zur Deutung eher „kopfgesteuert“ ist, entspricht es derüblichen Herangehensweise, von der subjektiven Empfindung auszugehen. Kinder erzählen intuitiv zuerst, wieein Bild bzw. seine Elemente wirken, dann beschreiben sie, was objektiv wahrnehmbar ist bzw. wie die Bild-elemente im Einzelnen gestaltet sind. Eine spontane Gefühlsäußerung, Assoziationen, eine unmittelbare Reakti-on kann grundsätzlich und in jeder Altersgruppe am Anfang stehen: Was fällt dir ein, was fällt dir auf? Grundsätz-lich führen alle Wege zum gleichen Ergebnis, sofern im Lauf der Bildbetrachtung alle Bausteine bearbeitetwerden.Hintergrundwissen (Leben und Gesamtwerk des Künstlers) ergänzt eine umfassende Betrachtung.

HINWEISE FÜR DEN UNTERRICHT

Baustein 3 Deutung

Das Bild wirkt durch die Farbenintensiv warm und leuchtend. Eserinnert an tropische Sonne undeine üppige Vegetation.Durch die Körpersprache (hocken-de bzw. kauernde Haltung, nach-denkliche Mimik) machen die Frau-en einen eher nachdenklichen Ein-druck.Deshalb entsteht insgesamtkein fröhlicher Ausdruck, son-dern eine eher nachdenklicheStimmung.

Der Bildtitel belegt meiner An-sicht nach diese Deutung, denndie Frage „Wann heiratest du?“klingt eher ernsthaft.

Paul Gauguin, NAEFA Faa ipoipo(Wann heiratest du?), 1892