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BUNDESVERBAND FÜR KINDERTAGESPFLEGE Bildung. Erziehung. Oktober 2015 nfo Kindertagespf/ege ALTERS ARMUT IN DER KINDERTAGESPFLEGE Vorsicht Falle! - Warum die gesetzliche Rentenversicherung nicht ausreicht Von Marion von zur Gathen und Dr. Rudolf Martens Es gehört für viele Menschen zur jährlich wiederkehrenden Erfahrung: Im Briefkasten liegt ein Schreiben der Deutschen Renten- versicherung mit Informationen über die Elöhe ihrer Altersrente. Nicht wenigen dürf- te dabei deutlich werden, dass die zu er- wartende Rente kaum für die Sicherung des Lebensunterhalts oder gar für den Erhalt des Lebensstandards reichen wird. Frauen und Männer, die als Selbstständige in der Kindertagespflege tätig sind, bekom- men ebenfalls eine entsprechende Rentenin- formation, weil sie in der Regel - anders als viele Selbstständige - der gesetzlichen Ren- tenversicherungspflicht unterliegen. Hin- tergrund für die Versicherungspflicht ist die Tatsache, dass die Tätigkeit in der Kinder- tagespflege der Berufsgruppe der Erzieher/- innen zugeordnet wird und ihnen damit eine vergleichbare Schutzbedürftigkeit attestiert wird. Damit soll sichergestellt werden, dass auch selbstständig tätige Tagesmütter und -väter einen gesetzlichen Rentenanspruch erwerben. Ob dieser allerdings ausreicht, um vor Altersarmut zu schützen, hängt von verschiedenen Faktoren ab und ist - dies sei hier vorweggenommen - mehr als fraglich. Beiträge für Rentenversicherung Mit dem Ausbau der Kindertagesbetreuung in den vergangenen Jahren wuchs auch die Anzahl der Tagespflegepersonen. Sie stieg zwischen 2008 und 2014 von rund 36.400 auf 44.900 und damit um fast ein Viertel. Von diesen Tagespflegepersonen waren 97 Prozent Frauen. Auch das Qualifikations- niveau der Tagespflegepersonen ist konti- nuierlich gestiegen. Anfang 2014 verfügten 75 Prozent über eine pädagogische Ausbil- dung und/oder einen Qualifizierungskurs mit mindestens 160 Stunden. 2008 lag die- se Quote lediglich bei 47 Prozent1. Unterm Strich lässt sich festhalten: Zukünftig sollte man nicht mehr von Tagespflegepersonen, sondern von Fachkräften in der Kinder- tagespflege sprechen. Die laufenden Geldleistungen für Fach- kräfte in der Kindertagespflege setzen sich im Wesentlichen aus dem Förderanteil und den Sachkosten zusammen. Die Höhe der laufenden Geldleistungen variiert stark von Bundesland zu Bundesland und selbst von Kommune zu Kommune. Die gezahl- ten Stundensätze liegen im Durchschnitt bei 4,50 Euro pro Kind2. Laut amtlicher Statistik betreuen Fachkräfte in der Kin- dertagespflege durchschnittlich 3,3 Kinder in Vollzeit. Sofern das Landesrecht nicht anderes bestimmt, können Fachkräfte in der Kindertagespflege bis zu fünf Kinder gleichzeitig betreuen. Von der Annahme ausgehend, dass eine Fachkraft in der Kin- dertagespflege einen Stundensatz von 4,50 Euro pro Kind bekommt und fünf Kinder in Vollzeit betreut, erhält sie aus dieser Tätig- keit ein Bruttoeinkommen von 3.600 Euro im Monat. Davon können 1.500 Euro für die Betriebsausgaben abgezogen werden. Bleibt ein zu versteuerndes Einkommen von 2.100 Euro. Bei drei in Vollzeit betreuten Kindern beläuft sich das zu versteuernde Bruttoeinkommen auf 1.260 Euro. Auf der Basis dieser Annahmen und keiner weiteren steuerpflichtigen Einkünfte ergeben sich gegenwärtig Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung von aktuell 393 Euro bzw. 236 Euro pro Monat Absicherung durch gesetzliche Altersrente Um eine Altersrente oberhalb des Grund- sicherungsniveaus von ca. 700 Euro im Monat zu erreichen, müssen derzeit 30 Ent- geltpunkte in der gesetzlichen Rentenver- sicherung erreicht werden. Ein Entgeltpunkt erbringt 2015 in Ostdeutschland 26,72 Euro und in Westdeutschland 29,01 Euro Rente monatlich. Damit erreichen heute Versicher- te mit 30 Entgeltpunkten eine Altersrente nach Abzug von Kranken- und Pflege- versicherung von rund 775 Euro (West) im Monat. Ein Entgeltpunkt bemisst sich aus dem durchschnittlichen Verdienst aller Ver- sicherten, der als vorläufiger Wert für das jeweilige Jahr festgelegt wird. Für 2015 be- trägt dieser Wert 34.999 Euro. Vereinfacht ausgedrückt: Ein abhängig Beschäftigter muss 34.999 Euro brutto im Jahr verdienen, um über seine gesetzliche Rentenversiche- rung einen Entgeltpunkt zu erzielen3. Bei dieser Betrachtung sind der aktuelle Ren- tenwert und dessen künftige Entwicklung nicht einbezogen. Eine Fachkraft in der Kindertagespflege er- wirbt nach 30 Jahren (bei fünf in Vollzeit betreuten Kindern und einem Stundensatz von 4,50 Euro pro Kind) einen gesetzlichen Rentenanspruch nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherung, der zwischen 560 und 605 Euro pro Monat liegt. Bei nur drei in Vollzeit betreuten Kindern errechnet sich entsprechend nach 30 Jahren eine Rente zwi- INHALT Altersarmut in der Kindertagespflege ................................... 1 Kommentar zum Leitartikel ................2 Fachpolitischer Dialog ......................... 2 Online-Vermittlungsportale für Kinderbetreuung ............................. 3 Tipps und Infos ......................................4 3 Fragen an ......................... 4 I tr • 1

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BUNDESVERBAND FÜR KINDERTAGESPFLEGEBildung. Erziehung.

Oktober 2015

nfo Kindertagespf/ege

A L T E R S A R M U T I N DER K I N D E R T A G E S P F L E G E

Vorsicht Falle! - Warum die gesetzliche Rentenversicherung nicht ausreichtVon Marion von zur Gathen und Dr. Rudolf MartensEs gehört für viele Menschen zur jährlich wiederkehrenden Erfahrung: Im Briefkasten liegt ein Schreiben der Deutschen Renten­versicherung mit Informationen über die Elöhe ihrer Altersrente. Nicht wenigen dürf­te dabei deutlich werden, dass die zu er­wartende Rente kaum für die Sicherung des Lebensunterhalts oder gar für den Erhalt des Lebensstandards reichen wird.Frauen und Männer, die als Selbstständige in der Kindertagespflege tätig sind, bekom­men ebenfalls eine entsprechende Rentenin­formation, weil sie in der Regel - anders als viele Selbstständige - der gesetzlichen Ren­tenversicherungspflicht unterliegen. Hin­tergrund für die Versicherungspflicht ist die Tatsache, dass die Tätigkeit in der Kinder­tagespflege der Berufsgruppe der Erzieher/- innen zugeordnet wird und ihnen damit eine vergleichbare Schutzbedürftigkeit attestiert wird. Damit soll sichergestellt werden, dass auch selbstständig tätige Tagesmütter und -väter einen gesetzlichen Rentenanspruch erwerben. Ob dieser allerdings ausreicht, um vor Altersarmut zu schützen, hängt von verschiedenen Faktoren ab und ist - dies sei hier vorweggenommen - mehr als fraglich.

Beiträge für RentenversicherungMit dem Ausbau der Kindertagesbetreuung in den vergangenen Jahren wuchs auch die Anzahl der Tagespflegepersonen. Sie stieg zwischen 2008 und 2014 von rund 36.400 auf 44.900 und damit um fast ein Viertel. Von diesen Tagespflegepersonen waren 97

Prozent Frauen. Auch das Qualifikations­niveau der Tagespflegepersonen ist konti­nuierlich gestiegen. Anfang 2014 verfügten 75 Prozent über eine pädagogische Ausbil­dung und/oder einen Qualifizierungskurs mit mindestens 160 Stunden. 2008 lag die­se Quote lediglich bei 47 Prozent1. Unterm Strich lässt sich festhalten: Zukünftig sollte man nicht mehr von Tagespflegepersonen, sondern von Fachkräften in der Kinder­tagespflege sprechen.Die laufenden Geldleistungen für Fach­kräfte in der Kindertagespflege setzen sich im Wesentlichen aus dem Förderanteil und den Sachkosten zusammen. Die Höhe der laufenden Geldleistungen variiert stark von Bundesland zu Bundesland und selbst von Kommune zu Kommune. Die gezahl­ten Stundensätze liegen im Durchschnitt bei 4,50 Euro pro Kind2. Laut amtlicher Statistik betreuen Fachkräfte in der Kin­dertagespflege durchschnittlich 3,3 Kinder in Vollzeit. Sofern das Landesrecht nicht anderes bestimmt, können Fachkräfte in der Kindertagespflege bis zu fünf Kinder gleichzeitig betreuen. Von der Annahme ausgehend, dass eine Fachkraft in der Kin­dertagespflege einen Stundensatz von 4,50 Euro pro Kind bekommt und fünf Kinder in Vollzeit betreut, erhält sie aus dieser Tätig­keit ein Bruttoeinkommen von 3.600 Euro im Monat. Davon können 1.500 Euro für die Betriebsausgaben abgezogen werden. Bleibt ein zu versteuerndes Einkommen von 2.100 Euro. Bei drei in Vollzeit betreuten Kindern beläuft sich das zu versteuernde Bruttoeinkommen auf 1.260 Euro. Auf der Basis dieser Annahmen und keiner weiteren steuerpflichtigen Einkünfte ergeben sich

gegenwärtig Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung von aktuell 393 Euro bzw. 236 Euro pro M onat

Absicherung durch gesetzliche AltersrenteUm eine Altersrente oberhalb des Grund­sicherungsniveaus von ca. 700 Euro im Monat zu erreichen, müssen derzeit 30 Ent­geltpunkte in der gesetzlichen Rentenver­sicherung erreicht werden. Ein Entgeltpunkt erbringt 2015 in Ostdeutschland 26,72 Euro und in Westdeutschland 29,01 Euro Rente monatlich. Damit erreichen heute Versicher­te mit 30 Entgeltpunkten eine Altersrente nach Abzug von Kranken- und Pflege­versicherung von rund 775 Euro (West) im Monat. Ein Entgeltpunkt bemisst sich aus dem durchschnittlichen Verdienst aller Ver­sicherten, der als vorläufiger Wert für das jeweilige Jahr festgelegt wird. Für 2015 be­trägt dieser Wert 34.999 Euro. Vereinfacht ausgedrückt: Ein abhängig Beschäftigter muss 34.999 Euro brutto im Jahr verdienen, um über seine gesetzliche Rentenversiche­rung einen Entgeltpunkt zu erzielen3. Bei dieser Betrachtung sind der aktuelle Ren­tenwert und dessen künftige Entwicklung nicht einbezogen.Eine Fachkraft in der Kindertagespflege er­wirbt nach 30 Jahren (bei fünf in Vollzeit betreuten Kindern und einem Stundensatz von 4,50 Euro pro Kind) einen gesetzlichen Rentenanspruch nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherung, der zwischen 560 und 605 Euro pro Monat liegt. Bei nur drei in Vollzeit betreuten Kindern errechnet sich entsprechend nach 30 Jahren eine Rente zwi-

INHALT

Altersarmut in derKindertagespflege ...................................1

Kommentar zum Leitartikel ................2

Fachpolitischer Dialog ......................... 2

Online-Vermittlungsportalefür Kinderbetreuung .............................3

Tipps und Infos ......................................4

3 Fragen a n ......................... 4

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Page 2: Bildung. Erziehung. - kitab-hannover.de · Warum die gesetzliche Rentenversicherung nicht ausreicht Von Inge Losch-Engler, stellv. Bundesvorstand In dem Artikel von Marion von zur

Warum die gesetzliche Rentenversicherung nicht ausreichtVon Inge Losch-Engler, stellv. BundesvorstandIn dem Artikel von Marion von zur Gathen und Dr. Rudolf Martens wird deutlich dar­gestellt, dass die momentane Praxis der Altersvorsorge für Tagespflegepersonen („Fach­kräfte in der Kindertagespflege“) nicht ausreichend ist.

Es kann nicht sein, dass eine Tagespflegeperson im Schnitt 393 Euro bzw. 236 Euro pro Monat Rente erwirtschaftet, wenn sie regelmäßig ihren Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt. Bei einem Durchschnittseinkommen von 4,50 Euro pro Stunde/Kind1 und bei einer Arbeitszeit von 160 Stunden sowie der Betreuung von drei Kindern ist eine ausreichende Altersvorsorge über die Deutsche Rentenversicherung nicht gegeben.

Nur wenn die „Fachkräfte in der Kindertagespflege“ (Tagespflegepersonen) ein existenz- sichemdes Einkommen erhalten, kann eine ausreichende Altersvorsorge erzielt werden. Es kann nicht angehen, dass Frauen, die einer beruflichen Tätigkeit in der Kindertages­pflege nachgehen, im Rentenalter auf eine Grundsicherung angewiesen sind.

Dennoch gibt es meines Erachtens Möglichkeiten, der Frauen-Altersarmut zu begegnen.

1. Die Tagespflegepersonen bekommen die Möglichkeit zu wählen, ob sie in die gesetz­liche oder private Altersvorsorge einzahlen.

2. Der öffentliche Jugendhilfeträger erkennt die privaten Zahlungen in eine Alters­vorsorge mit einem Nachweis (dies erfolgt auch bei der Erstattung der Krankenver­sicherungsbeiträge).

3. Die Geldleistung muss bundesweit angeglichen werden und eine zusätzliche private Altersvorsorge ermöglichen.

Dieses kann der Altersarmut, insbesondere der Frauen-Altersarmut, entgegen wirken.

1) Vgl. Sell/Kukula; 2013¡Laufende Geldleistungen in der öffentlich geförderten Kindertagespflege - Ergebnisse einer Follow up-Studie 2015, Institut fü r Bildungs- und Sozial

ac :poi,i :her d og

Einsatz für Kinder -Das SGB VIII gestern, heute, morgen

sehen 335 Euro und 365 Euro pro Monat4. Unberücksichtigt bleiben bei diesen Status quo-Berechnungen künftige „Reformen“ der gesetzlichen Rentenversicherung.Wenn verschiedene Faktoren wie Kinderer­ziehungszeiten, Zuschläge und weitere Ein­künfte, Zusatzversicherungen oder private Vorsorge sowie Grundsicherungsleistungen unbeachtet bleiben, wird also mehr als deutlich: Die Fachkräfte in der Kindertages­pflege werden sich in Altersarmut wieder­finden. Sie können für ihre Alterssicherung nicht allein auf die gesetzliche Altersrente setzten. Angesichts der derzeitigen Ein­kommen in der Kindertagespflege dürfte es oft nicht leicht sein, zusätzlich noch eine private Altersvorsorge zu treffen. Es bleibt festzuhalten: Die Gefahr der Altersarmut von Fachkräften in der Kindertagespflege ist eine Tatsache und: Es ist eine Gefahr, vor der hauptsächlich Frauen stehen!Marion von zur Gathen ist beim Paritätischen Gesamt­verband Abteilungsleiterin und u. a. zuständig fü r Kin­dertagesbetreuung, Familienpolitik und Frauenpolitik. Dr. Rudolf Martens ist Leiter der Paritätischen For­schungsstelle. Kontakt: [email protected]

1) Vgl. BMFSFJ 2015; Fünfter Bericht zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes, Berlin 2015

2) Vgl. Sell/Kukula; 2013¡Laufende Geldleistungen in der öffentlich geförderten Kindertagespflege - Ergebnisse einer Follow up-Studie 2015, Institut fü r Bildungs- und Sozial­politik der Hochschule Koblenz (Hrsg.) 2015, Seite 13

3) M it einem Aufwertungsfaktor (1,1717 fü r 2015) soll die Differenz der niedrigeren Verdienste in Ostdeutschland gegenüber Westdeutschland kompensiert werden. Dies wird aber teilweise durch die niedrigeren Rentenwerte Ost zurück­genommen. In der Summe der Effekte ergibt sich bei gleich hohen Bruttoverdiensten West bzw. Ost eine höhere Rente in Ostdeutschland.

4) Eigene Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle (bezogen auf Status quo-Bedingungen 2015), August 2015

A Staatssekretär Dr. Ralf Kitindiek (BMFSFJ) und Hedi Wegener (Bundesvorsitzende BVKTP)

Der 2. Fachpolitische Dialog am 10. Sep­tember 2015 stand unter dem Motto „25 Jahre SGB VIII aus Sicht der Kindertages­pflege - Rückblick, Ausblick, Durchblick“. Staatssekretär Dr. Ralf Kleindiek (BMFSFJ) sparte bei der Eröffnung in der Saarlän­dischen Landesvertretung nicht mit Lob für den Bundesverband für Kindertagespflege. Hedi Wegener, Vorsitzende des Bundesver­bandes, bedankte sich im Gegenzug für die Wertschätzung, die die Kindertagespflege im BMFSFJ genießt.

Für den „Rückblick“ sorgten Marlene Rup- precht, langjährige SPD-Bundestagsabge- ordnete, und Prof. Dr. Reinhard Wiesner, der 1990 zuständige Ministerialbeamte und „Vater“ des SGB VIII. Den „Ausblick“ wagten Vertreter der vier Bundestagsfrak­tionen: Nadine Schön (CDU/CSU), Sönke Rix (SPD), Norbert Müller (Linke) und Dr. Franziska Brantner (Grüne); unterstützt und herausgefordert durch Inputs von Prof. Dr. Jörg Maywald (Deutsche Liga für das Kind),

Angelika Sauermann (Tagespflegeperson) und Dr. Eveline Gerszonowicz (Bundesver­band für Kindertagespflege). Dabei gab es Konsens, aber auch unterschiedliche Auf­fassungen hinsichtlich der Rolle und Mög­lichkeiten des Bundes.

Die Veranstaltung wurde au f Video aufge­zeichnet und wird zeitnah au f unserer Home­page www.hvktp.de zu betrachten sein.

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ANFO ID U J N < N A N ONLI ERMIT UNGSPORTALE F ? CINDERBET ' . .

Mit drei Klicks zur guten Betreuung?Von Heiko KrauseBundesgeschäftsführer des Bundesverbandes für Kindertagespflege

Im Internet-Zeitalter entspricht die Suche nach einem geeigneten Betreuungsplatz per Com­puter der Lebenswirklichkeit der Menschen. Allerdings: Ein großer Teil ist nicht empfeh­lenswert. Der Bundesverband für Kinder­tagespflege stellt folgende Anforderungen an Online-Vormerk- und Vermittlungssysteme:1. Online-Vermittlungssysteme können das

persönliche Gespräch mit den Tagespflege­personen und den persönlichen Eindruck der Kindertagespflegestelle nicht ersetzen. Sie müssen deshalb eine „Stop-Funktion“ haben, bei der der Vermittlungsprozess erst dann fortgesetzt wird, wenn die Eltern sich die angebotene Tagespflegestelle per­sönlich angesehen haben.

2. Eine online-gestützte Vermittlung muss die bestehenden Beratungs- und Vermitt­lungsstellen einbeziehen. Die Fachbera­tungsebene darf nicht übergangen werden, sondern im System muss ein Prozessschritt „Gespräch mit der Fachberatung“ verbind­lich vorgesehen sein.

3. Entscheidend für die Qualität von Online- Plattformen ist, ob die Anbieter selbst für die Inhalte verantwortlich sind oder die Richtig­keit der eingestellten Profile der einzelnen Betreuungsangebote von den zuständigen Behörden regelmäßig überprüft wird.

4. Die Anbieter müssen sicherstellen, dass die Informationen in verständlicher Sprache aufbereitet werden. Es wird empfohlen, barrierefreie bzw. niedrigschwellige Zu­gänge sicherzustellen.

5. Die Möglichkeiten für Kindertagespflege­personen, ihr Profil auf der Internet-Seite des Online-Portals einzustellen, müssen bekannt gemacht werden. Die Einstellung des Angebots muss zu geringen Kosten, am besten kostenfrei, möglich sein.

6. Die Anbieter müssen sicherstellen, dass die Informationen des Portals richtig und zuverlässig sind und in definierten, an­gemessenen Zeitintervallen aktualisiert werden. Dies bedeutet, dass die Anbieter dafür geeignete Prozesse und Richtwerte beschreiben, z.B. im Rahmen eines Quali­tätsmanagements.

7. Die Menge der dargebotenen Informatio­nen muss sich nach den Erfordernissen der Kunden und Nutzer richten.

8. Für die Daten der Kinder und Eltern, aber auch der öffentlichen und privaten Träger sowie der Tagespflegepersonen muss ein strenger Datenschutz bestehen. Der Anbie­ter muss durch eine Datenschutzerklärung informieren, wie die Kunden- und Nutzer­daten verwendet werden. Die Weitergabe von Daten darf nur mit der Zustimmung der Kunden oder Nutzer erfolgen.

Beim Einsatz von Software-Program­men zur Unterstützung der Vermitt­lungstätigkeit richten wir an die öffent­liche Verwaltung zusätzlich folgende Empfehlungen:1. Die Einführung eines online gestützten

Vermittlungssystems bedarf der Formulie­rung einer Zielvorstellung. Nur wenn Ziele klar benannt und von allen akzeptiert werden, wird die Einführung Akzeptanz finden.

2. Betreuungsangebote öffentlicher und frei­er Träger sowie Kindertagespflegestellen müssen gleichberechtigt auffindbar sein. Eine Diskriminierung der Kindertagespfle­ge (z.B. durch Weglassen der Angebote, schlechtere Auffmdbarkeit etc.) ist nicht akzeptabel.

3. Die mit der Nutzung der Online-Vermittlung verbundenen Einsparungen in der Verwal­tung dürfen nicht zum Abbau von Stellen in der Fachberatung genützt werden.

4. Online gestützte Vermittlungssysteme müssen eine transparente Darstellung aller Betreuungsangebote (trägerübergreifend) ermöglichen und eine revisionssichere au­tomatisierte Dokumentation des Vergabe­verfahrens gewährleisten.

5. Online gestützte Vermittlungssysteme bie­ten den Kommunen, den Fachberatungen und Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe die Möglichkeit, zu erkennen, welche Einrichtungen bzw. Tagespflege­stellen angewählt werden.

6. Das online gestützte Vermittlungssystem kann aufzeigen, welche Eltern die Betreu­ungsstelle ihrer Kinder häufig wechseln bzw. sich nicht festlegen können. Wenn dies erkannt wird, muss es eine persön­liche Beratung durch Mitarbeiter/-innen der Verwaltung bzw. der Fachberatung geben.

Der Bundesverband für Kindertagespflege wird aus wettbewerbsrechtlichen Gründen keine Empfehlung für eine Firma oder einen Anbieter geben. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich immer, mit dem zuständigen Jugendamt bzw. der Fachberatung zu sprechen und sich die Tagespflegestelle selbst anzuschauen.

von links nach rechts: Norbert Müller (Linke), Nadine Schön (CDU/CSU), Heiko Krause (Bundesgeschäftsführer BVKTP), Dr. Franziska

^ Brantner (Grüne) und Sänke Rix (SPD) - 0

Aus dem Bonner,, General-Anzeig er“ vom 22.9.2015

Tagesvater klagt erfolgreich gegen die StadtDie Tagespflege-Satzung, auf deren Basis die Stadt Bonn Tagesmüttem und -vätem einen einheitlichen Fördersatz von 4,50 Euro pro Stunde und Kind gewährt, entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben. Das entschied das Verwaltungsgericht Köln und entsprach damit der Klage eines Tagesvaters. Wie die Vorsitzende Richterin Rita Zimmermann- Rohde auf Anfrage des General-Anzeigers mitteilte, (...) „habe die Bonner Verwaltung „die gesetzlich vorgesehenen Bestandteile der laufenden Geldleistung nicht nachvoll­ziehbar kalkuliert“, als da seien Sachaufwand und Anerkennungsbetrag für die Betreu­ung des Kindes. Sie sollte (...) „ihre Satzung neu fassen und die laufende Geldleistung nachvollziehbar kalkulieren.“ (Aktenzeichen: 19 K 5936/13 und 19 K 5419/14)Info in eigener Sache: Der Bundesverband arbeitet an einer Empfehlung zur Entgelt­regelung als einem transparenten System au f der Grundlage einer nachvollziehbar zu kalkulierenden Leistungsstunde. Die Empfehlung wird 2016 veröffentlicht. 3

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TIPPS INFOS

BUCH

Curriculum Kinder­gesundheitDie Stiftung Kindergesundheit hat ein Curri­culum zur Gesundheitsförderung in der Kin­derbetreuung herausgegeben. Es heißt „Kin­der gesund betreut“ und fasst den aktuellen Stand der Kenntnisse und Empfehlungen zu verschiedenen Aspekten der Prävention und Gesundheitsförderung für Kinder unter drei Jahren zusammen. Dabei werden u. a. die Themen Körperpflege und Hygiene, Ernäh­rung, Bewegung und Ruhebedarf aufgegrif- fen. Darüber hinaus liefert es Ansätze und Empfehlungen für die Gesundheitsbildung mit Kindern sowie für die Elternarbeit.Das 333 Seiten starke Curriculum erläutert zahlreiche Aspekte für eine gesunde Betreu­ung in verständlicher Sprache. Zusätzlich enthält es Verweise zu Formularen und In­foblättern zum Download sowie Folien für Schulungsmodule in der Aus- und Fortbil­dung. (Quelle: Verlag)Info: Kinder gesund betreut, Friedrich Verlag, 2015, Preis: 59,95 EUR, ISBN: 978-3-7800- 4825-7

Stiftung Kindergesundhett fHrsg.)

Kinder gesund betreutCurriculum zur Gesundheitsförderung In der Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren

B- SC

Mehr Informationen unter: www.kinder-gesund-betreut.de (siehe auch „3 Fragen an...“)

Herausgeber:Bundesverband für Kindertagespflege Baumschulenstraße 74 • 12437 Berlin Tel. (0 30) 78 09 70 69 Fax (0 30) 78 09 70 91 E-Mail: info@ bvktp.de Internet: www.bvktp.de

Redaktion und Inhalt:Klaus-Dieter Zühlke, Inge Michels,Heiko Krause

Layout, Gestaltung und Druck:Theodor Gruda GmbH, Meerbusch

Fotonachweis: fotolia, BVKTP, privat

Gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

FACHTAG

Aktuelle EntwicklungenDer Deutsche Verein widmet sich auch in die­sem Jahr wieder mit einer eigenen Veranstal­tung den Perspektiven in der Kindertagespfle­ge. Unter dem Titel „Aktuelle Entwicklungen in der Kindertagespflege - Herausforderungen und Zukunftsperspektiven“ diskutieren am 3. und 4. Dezember 2015 ausgewiesene Ex­pertinnen und Experten miteinander im Bil­dungszentrum Erkner bei Berlin; darunter Astrid Sult, Dr. Eveline Gerszonowicz, Prof. Dr. Gabriel Schoyerer und Inge Losch-Engler vom Bundesverband. Zugesagt hat auch Ma­rion Binder, Referatsleiterin im BMFSFJ. Sie informiert über Herausforderungen und Per­spektiven aus Sicht des Bundes.Hartmut Gerstein, freiberuflicher Aus- und Fortbildner, spricht über „25 Jahre SGB VIII - Die rechtliche Formierung der Kindertages­pflege und ihre Folgen“. Ute Krüger, Geschäfts­führerin Kindertagespflege Göttingen e.V, lei­tet einen Workshop zur Großtagespflege und Dr. Heike Wiemert vom Landschaftsverband Rheinland referiert zum Abschluss des Fach­tages über das aktuelle Thema „Kinder und Familien mit Fluchterfahrungen - eine He­rausforderung für die Kindertagespflege“.Onlineanmeldung über: www.deutscher- verein.de/veranstaltungen/f_2238-15

Q HB - BU S IN E S SP L AN

Selbstständig mit KonzeptSeparat zum Kompetenzorientierten Qualifi­zierungshandbuch Kindertagespflege (QHB) ist der Businessplan Kindertagespflege im Fried­rich-Verlag als eigene Publikation erschienen. Das Handbuch dient als Leitfaden zur Erarbei­tung eines Businessplans, der eine Grundlage für eine wirtschaftlich tragfähige Selbststän­digkeit darstellt. Er richtet sieh an die Teil­nehmerinnen des QHB-Qualifizierungskurses und andere interessierte Tagespflegepersonen, kann allerdings laut Verlag nur im Klassen­satz zu zehn Exemplaren bestellt werden. Die Autorinnen sind: Anne Mader, Bettina Schwitzke, Darina Doubravovä und Cornelia Teichmann-Krauth.Hier zu bestellen: www.friedrich-verlag.de/ shop/fachbuecher/fruehkindliche-bildung/ businessplan-kindertagespßege; 29,95 EUR

FRAGEN AN...

Hildegard DebertinDipl. Oecotrophologin

Generalsekretärin der Stiftung Kindergesundheit

Was waren die Beweggründe, ein Curriculum zur Gesundheitsförderung für Kinder unter drei Jahren in der Tagesbetreuung heraus­zugeben?

Der Impuls zu den Leitlinien kam vom Bundes­familienministerium, das ein großes Interesse daran hat, die Qualität in der Betreuung der 0 bis 3-jährigen weiter zu verbessern und auch die Gesundheitsförderung an einheitlichen Standards zu orientieren. Im Rahmen unserer Umfrage unter pädagogischen Fachkräften in Kita und Kindertagespflege zeigte sich dann, dass in der gesundheitlichen Betreuung Unsi­cherheiten bestehen. Ebenso wurde der Wunsch nach mehr Unterstützung und Orientierung formuliert. Für das Curriculum „Kinder gesund betreut“ arbeiteten wir mit vielen Experten zu­sammen, u.a. aus dem Staatsinstitut für Früh­pädagogik, dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und dem Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München.

Welche Unsicherheiten stellten Sie bei der Umfrage fest?

Insgesamt ist nicht allen pädagogischen Fach­kräften bewusst, welche besonderen Anforde­rungen ganz kleine Kinder bis 3 Jahren an eine Tagesbetreuung stellen. In den ersten Lebens­jahren wird die Basis für ein gesundes Ess- und Ernährungsverhalten gelegt. Für eine gesunde Entwicklung und das Wohlbefinden der Kinder ist eine ausgewogene Ernährung in altersge­rechten Portionen und viel Bewegung ent­scheidend. Da kleine Kinder zuallererst durch Nachahmen lernen, spielt das Vorbild von Eltern und pädagogischen Fachkräften eine große Rolle; dies ist eine große Chance, aber auch eine große Verantwortung. Im Rahmen unserer Umfrage stellten wir auch z.B. gewisse Unsicherheiten beim Betten von Säuglingen fest. Für einen gesunden Babyschlaf im er­sten Lebensjahr ist es z. B. wichtig, dass keine Kuscheltiere oder Decken ins Bettchen gehö­ren. Weitere Fragen tauchten im Umgang mit Medikamenten-Abgaben an Kleinkinder oder auch mit Impfungen auf.

Ist das Curriculum ein Handbuch für pädago­gische Fachkräfte oder ein Leitfaden für die Ausbildung?

Es ist beides: Die Lehrpläne zur Ausbildung von Fachkräften variieren innerhalb Deutschlands. Es gibt hier keine einheitlichen Empfehlungen zur Gesundheitsprävention. Deshalb bieten die Unterrichtsmodule im Handbuch kompetenzo­rientierte Leitlinien zur Gesundheitsförderung und -bildung an. Wir wünschen uns, dass das Curriculum sowohl als wissenschaftsbasiertes und praxistaugliches Nachschlagewerk in jeder Kita und Kindertagespflegestelle seinen Platz findet als auch Einzug hält in die Aus- und Weiterbildung.

Die Antworten a u f die Fragen geben nicht immer die M einung des Herausgebers wieder.

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