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BIO-FIBEL ZEITSCHRIFT FÜR WISSEN AUS DER BIOLOGISCHEN LANDWIRTSCHAFT 4/2011 Florianne Koechlin – Eine Biologin sucht die Würde der Pflanzen Bio-Plattform – Ein Bionetz statt Spinnmilben Kuhflüsterei – Ein Dirigent mit Hütestock Therapietiere – Wenn Pferde Seelen trösten

Bio-Fibel #13

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Zeitschrift für Bio-Wissen 04/2011

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BIO-FIBELZEITSCHRIFT FÜR WISSEN AUS DER BIOLOGISCHEN LANDWIRTSCHAFT 4/2011

Florianne Koechlin – Eine Biologin sucht die Würde der Pflanzen

Bio-Plattform – Ein Bionetz statt Spinnmilben

Kuhflüsterei – Ein Dirigent mit Hütestock

Therapietiere – Wenn Pferde Seelen trösten

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Bio-Fibel 4/2011 — 2 —

WENN DIE PFLANZE ZWEIMAL DUFTET

Die ganze Welt ist Materie! Dieses pysikalische Postulat mussten wir lange zur Kenntnis nehmen. Heute wird uns vom aktualisierten Wissensstand weisgemacht, dass es die Materie und ihre kleinsten Teile im Grunde gar nicht gibt, sondern nur „das Dazwischen“. Während „nicht an Materie zu denken“ einen Denkknoten erzeugt, können wir uns das Dazwischen sehr gut in Beziehungen vorstellen: Beziehungen pflegen wir hauptsächlich über Kommu nikation. 2000 Gesprächs-Freiminuten und 1000 Frei-SMS werden uns von Mobil funk betreibern pro Monat fürs „im Gespräch bleiben“ zur Verfügung gestellt. Um uns nicht unnötig einschränken zu müssen, verwenden wir außerdem Facebook, E-Mail, Skype, Festnetz oder – etwas old school-mäßiger – Brief oder persönlich abgestattete

Besuche als Kommunikationsformen. Wie die jeweilige Technik im Hintergrund funktioniert, wissen wir in der Regel nicht, Hauptsache wir sind verbunden. So weit die technische Version.Etwas subtiler wird es schon, wenn man zum Beispiel durch einen Menschenstrom wuselt und plötzlich das Gefühl bekommt, von jemandem beobachtet zu werden. Dreht man sich um, geht doch tatsächlich eine gute Bekannte etliche Meter entfernt und winkt einem fröhlich zu. Diese völlig untechnische Wahrnehmung wird – glaubt man den Expertinnen – von so genannten Spiegelneuronen im Gehirn übernommen. Das klingt kompliziert, klappt aber ebenso gut wie die Kommunikation über die Nase. Die Entscheidung, jemanden „nicht riechen“ zu können – also unsympathisch zu finden – wird in Sekundenbruchteilen getroffen, und zwar deutlich vor jenem Moment, in dem man mit der betreffenden Person zu reden beginnt.Beim Duft kommen die Pflanzen ins Bild, denen wir bislang keine Geschwätzigkeit zugetraut haben. Florianne Koechlin dokumentiert in ihrem neuen Buch „Pflanzenpalaver“ aber ein unaufhörliches Duftgemurmel der Pflanzen. Ihre Geschichten klingen einleuchtend, aber ziemlich esoterisch. In den letzten Jahren haben die Quantenphysik, die Molekularbiologie und die Neurobiologie, also bislang völlig grenzwissenschafts-unverdächtige Disziplinen, das ständige Gemurmel der Pflanzen ausführlich dokumentiert und zweifelsfrei nachgewiesen – von Esoterik also keine Spur.Klingt spannend, habe ich mir gedacht, und der Bio-Fibel 4-2011 das Generalmotto „Kommunikation“ ver-passt. Interessante Geschichten von interessanten Menschen aus der Biologischen Landwirtschaft wären mir zu dem Thema sehr viele eingefallen. Tatsächlich in diese Ausgabe haben es die Kommunikation inner-halb von Zellen, zwischen Pflanzen und Pflanzen, zwischen Saatgut und Wasser, zwischen Menschen und Tieren, zwischen Tieren und Menschen und selbstredend zwischen Menschen und Menschen geschafft. Die ganze Welt ist Bio-Kommunikation!

EDITORIAL

Reinhard Geßl, HerausgeberINHALT

Tomaten tragen Chanel N°5 3Der Trick mit dem Strick 9Gut informiert 11Gemeinsam statt einsam 13Doktor Pferd ordiniert in Braunsdorf 15Die Schokoseiten des Lebens 16Pavlos, die Wolke und Renzo 18Shortcuts 19, 20, 21, 22Impressum 20

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IM GESPRÄCH

„Mit der Gentechnik werden wir die Welt ernäh-

ren“ und „Pflanzen sind Roboter und spulen

einfach ihr genetisches Programm ab“ haben wir

jahrelang gesagt bekommen. Die neuesten wis-

senschaftlichen Erkenntnisse dazu klingen eso-

terisch und sagen was anderes. Wagen wir also

einen Blick in die komplexe Welt der Gentechnik

und die Weisheit der Pflanzen.

Seit über 25 Jahren wehrt sich die Schweizer Biologin Florianne Koechlin gegen allzu simple Dogmen der Gentechnik, aber auch gegen Denkblockaden im modernen wissenschaftli-chen Universum, indem sie deren Mythen und falschen Versprechungen öffentlich in Frage stellt. Ihre faszinierenden Streifzüge durch wissenschaftliches Neuland zeigen ein viel-

TOMATEN TRAGEN CHANEL N°5

fach gänzlich neues Bild des Lebens, das sich weit von der mechanistischen Utopie des letzten Jahrhunderts entfernt hat: Leben erscheint als ein Prozess von Austausch und dynami-schen Netzwerken. Wir trafen die renommierte Wissenschaftsjournalistin und Buchautorin Mitte November anlässlich eines Vortrags bei den Schlägler Biogesprächen im teuersten Kartoffelkeller Österreichs – einem zwischenzeitlich als Kartoffellager miss-brauchten, nun aber wieder strahlenden architektonischen Kleinod – im Stift Schlägl. Dabei plauderten wir über das Poetische einer Rose, das gänzlich natürliche www des Waldes, Pflanzen als unerhörte Quasselstrippen, den erzwungenen Autismus der Maispflanzen sowie mögliche ethische Hürden für Vegetarierinnen.

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Bio-Fibel 4/2011

IM GESPRÄCH

Frau Koechlin, mit dem Satz „Rose is a rose is a rose is a

rose“ im Gedicht Sacred Emily hat die Lyrikerin Gertrude

Stein das Wesen einer Rose beschrieben. Wie würden Sie als

Wissenschafterin eine Pflanze mit wenigen Worten auf den

Punkt bringen?

„Rose is a rose…“ – ein wunderbarer Satz. Diese poetische Beschreibung beinhaltet für mich auch die Tatsache, dass eine Rose nicht chemisch-physikalisch beschrieben werden kann. Sie besitzt noch etwas anderes, etwas jenseits der Wissenschaft.So poetisch auf den Punkt bringen kann ich das freilich nicht, aber ich würde sagen, eine Pflanze ist eine Networkerin, eine Pflanze ist eine wunderbare Kommunikationskünstlerin.

In der Gentechnik rufen Pflanzen wohl ganz andere

Assoziationen hervor – zum Beispiel „reparaturbedürftig“

oder „austauschbar“.

Die Gentechnik hat zum Teil ein altes, sehr eindimensionales und mechanistisches Weltbild wie Leben angeblich funktio-niert. Am Anfang des Lebens sind die Gene und die bestim-men und dirigieren uns: Wer die Rose ist, oder wer ich bin. Wir werden alle von den Genen determiniert: Ich bin lesbisch, weil ich das Lesbengen habe, ich bin aggressiv, weil ich ein Aggressionsgen habe und so weiter. Nach diesem mechanis-tischen Gentechnik-Verständnis sind wir quasi Roboter, die ihrem genetischen Programm folgen. Das gilt dann auch für die Pflanzen, ganz klar.

Das Leben ist also ein banaler Roboter?

Nein, eben nicht! Dass man an einem Gen schraubt und damit ein Problem löst, ist eine Utopie, eine mechanistische Utopie aus dem 19. Jahrhundert. Das lehne ich entschieden ab!

Warum das?

Es gibt erstaunliche Erkenntnisse in der modernen Molekularbiologie, die uns zeigen, dass dieses Bild viel komple-xer und dynamischer ist. Denn es existiert noch ein übergeord-netes System, das die Gene reguliert – ein System, das unser Leben und jenes der Tiere und Pflanzen noch sehr viel kom-plexer macht. Gene sind zweifelsfrei ein wichtiger Bestandteil vom Ganzen, ja, aber sie sind nicht die Dirigenten. Viel eher ist es so, dass die Zelle bestimmt, wann und wo welches Gen aktiv ist und welches Protein produziert wird. Diese Erkenntnisse der Molekularbiologie sind eine völlige Umkehrung des bishe-rigen Denkens. Die Molekularbiologie hat ihre alten Prämissen auf den Kopf gestellt. Hier erscheint das Leben als ein Netz von Selbstorganisation, als Emergenz, als Zusammenspiel … das Leben findet auf vielen Kommunikationsebenen statt.

Es gibt ja die „Grüne Gentechnik“…

„Grün“ ist ein viel zu schönes Wort – ich sag lieber „Agrogentechnik“ dazu.

Gut, einverstanden … Also neben der Agrogentechnik ist in

der Medizin auch die sogenannte „Weiße Gentechnik“ im

Vormarsch. Lehnen Sie diese auch ab?

Ganz so wasserfeste Trennlinien gibt es da nicht. Für mich ist allerdings die Weiße Gentechnik nicht ganz so prob-lematisch. Einerseits wurden damit wirklich Medikamente

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IM GESPRÄCH

entwickelt, die uns helfen und andererseits findet die Weiße Gentechnik im Container, im Tank statt. Hier geht zumindest nichts in die Umwelt. Das finde ich nicht so bedenklich wie die Genmanipulation und Freisetzung von Pflanzen. Diese gentechnisch manipulierten Pflanzen sind ja Lebewesen, die sich vermehren, bewegen und verbreiten – die kann man nicht mehr zurückholen.

Dennoch werden gentechnisch veränderte Pflanzen am lau-

fenden Band produziert und freigesetzt.

Ja, allein in den letzten 20 Jahren wurden in den USA über 15.000 Freisetzungsversuche mit genmanipulierten Pflanzen durchgeführt und dabei rund 1100 verschiedene Eigenschafts-veränderungen getestet. Aber man muss sich fragen – mit welchem Ergebnis? Von den rund 1100 Eigenschaftsveränderungen sind bloß zwei auf dem Markt gelandet. Eine Herbizidresistenz, bei der die Pflanzen einen Sprühregen von Herbiziden, meistens Round up, ver-tragen. Und dann noch Pflanzen, die ihr eigenes Insektizid produzieren.

Was eigentlich eine äußerst magere Ausbeute ist!

Offenbar ist es so, dass diese beiden Eigenschaftsveränderungen nicht direkt vom Metabolismus, dem Stoffwechsel der Pflanzen, beeinträchtigt sind. Bei allen anderen beabsich-tigten Eigenschaftsveränderungen kommt es zu massiven Turbulenzen. Nehmen wir zum Beispiel die Dürreresistenz: Hier ist nicht nur ein Gen verantwortlich, sondern Hunderte von Genen. Dürreresistente Pflanzen haben ein grö-ßeres Wurzelwerk, eine Wachsschicht, kleine Blätter mit Blattöffnungen, die nachts offen sind… Sehr, sehr viele Eigenschaften also, ein komplexes Zusammenspiel von hun-

derten Genen, das mit der Veränderung eines einzigen Gens nie erreicht werden kann.

Offenbar gibt es in den Gentechnik-Konzernen so eine Art

Gen für “Vernunftresistenz“. Warum ist das so?

Die Industrie hat hier in den letzten Jahrzehnten Milliarden investiert – die möchte sie sich wieder zurückholen. Und ver-gessen Sie nicht die „Patente“! Genmanipulierte Pflanzen kön-nen patentiert werden – das ist ein riesiger Antrieb für diese Konzerne und ihre Forschung.

Das Denken der Gentechnik stammt aus dem 20. Jahr-

hundert. Wir führen dieses Interview im 21. Jahrhundert.

Was weiß die moderne Wissenschaft heute über Pflanzen?

Die Bioforschung verzeichnet hier immer mehr Forschungserfolge. Wir sehen jetzt, dass Pflanzen nicht einfach seelenlose Maschinen sind. In den letzten zehn bis zwanzig Jahren sind in diesem Bereich völlig neue Forschungsarbeiten entstanden: Darüber wie die Pflanzen miteinander kommuni-zieren, wie sie mit Duftstoffen über und unter der Erde, ja mit Insekten, Bakterien und Pilzen Kommunikationsnetzwerke bilden.

Pflanzen kommunizieren miteinander?!

Nehmen wir zum Beispiel die Tomaten. Werden Tomaten von Raupen angegriffen, produzieren sie Abwehrstoffe, z. B. das Solanin. Und nicht nur das, sie produzieren gleichzeitig auch Duftstoffe, mit denen sie ihre Nachbarinnen warnen: „Achtung, da ist ein böser Feind!“. Dieser spezielle Duftstoff – das Methyljasmonat - ist übrigens auch in der Parfümindustrie sehr verbreitet. Die Forscherinnen durften damals bei diesen

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IM GESPRÄCH

Versuchen kein „Chanel N° 5“ tragen, das hätte die Tomaten verwirrt.Noch kurz ein Beispiel zur Kommunikationsfähigkeit von Akazien. Für diese hohen Bäume sind Giraffen die schlimmsten Feinde, weil Giraffen so hoch fressen können. Bei Forschungen in der kenianischen Savanne hat man bemerkt, dass Giraffen nie länger als zehn Minuten an ein und derselben Akazie fres-sen. Aus einem einfachen Grund: Sobald die Giraffen zu fres-sen beginnen, verströmt die Akazie einen Duft und warnt die anderen Akazien. Zusätzlich produzieren die Bäume zu ihrer eigenen Verteidigung einen Bitterstoff. Die Blätter werden bitter und die Giraffen bekommen Bauchweh ...

Mit Verlaub, Frau Koechlin, Tomaten rufen „Achtung Feind!“

und Akazien bescheren Giraffen absichtlich Bauchweh? Das

hört sich doch schwer nach einem esoterischen Märchen

an.

Solche Forschungen wurden auch zu Beginn von der Wissenschaft isoliert und ins esoterische Eck gestellt. Das hat sich in den letzten Jahren schrittweise geändert, wobei sich manche dieser Wissenschafterinnen leider noch immer vehement gegen den Esoterik-Vorwurf wehren müssen. Diese Forschungsrichtung hat aber absolut nichts mit Esoterik zu tun. So weiß man heute, dass ein Wald unterirdisch durch ein dichtes Netz aus Wurzeln und Pilzfäden, so genannte Mykorrhizen, miteinander verbunden ist – wie ein einziges Lebewesen. Da werden Nährstoffe und Informationen ausge-tauscht, Seilschaften gebildet und teils auch gegeneinander gekämpft. In der Wissenschaft heißt das www: das wood wide web.

Die vermeintlich stille Natur ist sozusagen ein “Pflanzen-

Palaver“ – wie der Titel eines Ihrer Bücher lautet.

Ja, ein ständiges Palaver, ein fortwährendes Gemurmel ist das. Pflanzen kommunizieren über Duftstoffe, sie warnen sich gegenseitig, sie helfen sich und bilden soziale Netzwerke.

Das hört sich ja nach neuen Mitgeschöpfen für uns Menschen

an. Müssen wir unseren Umgang mit den Pflanzen

ändern?

Das ist eine entscheidende Frage. Ja, was die Wissenschaft als wirklich bezeichnet, hat auch Konsequenzen in der Wirklichkeit. Also, wie die Wissenschaft eine Pflanze definiert, hat Einfluss auf meinen Umgang mit ihr. Wenn wir eine Pflanze als Roboter definieren, dann gehe ich völlig anders mit ihr um, als mit dem Wissen: „Aha, diese Pflanze da, die kommuniziert, die kann aus Erfahrung lernen und sich erinnern, die ist vielleicht sogar empfindungsfähig!“ Das stellt unser bisheriges Pflanzenbild vom Kopf auf die Füße.

Und schreit nach Konsequenzen.

Aus meiner Sicht gibt es zwei große Konsequenzen: Einerseits mein Verhältnis zur Pflanze und anderseits das große Potential in Forschung und Landwirtschaft, das sich mit diesem neuen Pflanzenbild auftut. Denn wenn eine Pflanze kein Objekt mehr ist, sondern ein Subjekt, dann sollte es auch in unserem Umgang mit ihr Grenzen geben. Dann haben wir Menschen irgendwo auch Verpflichtungen gegenüber den Pflanzen. Das widerspricht klar der gegenwärtigen Verindustralisierung der Pflanzen in der Landwirtschaft.

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IM GESPRÄCH

Wie fühlt sich eigentlich eine chemisch-synthetisch gefütter-

te Maispflanze?

Wie es der geht, weiß ich nicht, das kann ich nicht sagen. So eine Maispflanze in einer Monokultur steht wahrscheinlich da wie ein Autist. Die wird von oben und unten besprüht und hat Null Möglichkeiten, sich eigenständig zu verhalten. Das kann man sagen. Damit wird ein riesiges Potential vergeben – nämlich, dass sich die Pflanze selber gegen Krankheiten und Schädlinge wehren kann. Sie verliert ihr wesentliches Potential, und somit auch das Potential für unsere Landwirtschaft und Gesellschaft.

Heißt das, dass die Landwirtschaft die Pflanzenproduktion

neu definieren muss?

Bei den Biobäuerinnen ist dieses Verständnis zum Teil schon da, nämlich dann, wenn sie in Kreisläufen denken. Im Biolandbau ist der Boden unendlich wichtig. Und die Beziehung der Pflanzen zum Boden. Die Biobäuerinnen sind da schon ein großes Stück weiter als die Vertreterinnen der konventionellen Landwirtschaft. Sie leben und praktizieren diese neuen, wis-senschaftlichen Erkenntnisse bereits. Vielfalt gilt hier ja auch als ein Schlüsselbegriff – je vielfältiger desto besser. Ja, der Biolandbau hat sich schon ziemlich von den mechanistischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts entfernt.

Falls eine Pflanze ein Subjekt ist, empfindet sie doch auch

Schmerzen?

Ich behaupte nicht: Pflanzen haben Schmerzen oder Pflanzen haben ein Bewusstsein. Ich sage nur, wir wissen es der-zeit nicht. Es gibt viele Indizien, die dafür sprechen, doch wir haben hierfür noch keine wissenschaftlichen Beweise. Allerdings sind uns auch viele wissenschaftliche Argumente abhanden gekommen, um einer Pflanze Eigenschaften wie Schmerz oder Selbstbewusstsein abzusprechen.

Könnten Vegetarierinnen schon bald von Gewissensbissen

geplagt werden?

Das heißt jetzt natürlich nicht, wir dürfen keine Pflanzen mehr essen oder schneiden, kochen, garen oder was auch immer. Es gibt aber – wie gesagt – irgendwo Grenzen. Für mich ist zum Beispiel eine solche Grenze, die nicht überschritten wer-den sollte, die Patentierung von Pflanzen. Das tut man mit Erfindungen, Maschinen, aber Pflanzen sind keine Maschinen! Das gilt auch für viele Genmanipulationen.

Nur wenige Menschen sind so weit in die Welt der Pflanzen

vorgedrungen wie Sie. Sprechen Sie auch mit Pflanzen?

Ja, das tue ich. Wobei das auch Selbstgespräche sein könnten. Weiß ich nicht. Ich habe auch keinen grünen Daumen. Am nächsten komme ich den Pflanzen mit der Malerei. Das ist mein Zugang: Drei Stunden vor einer Pflanze zu hocken und zu versuchen, nicht nur die Pflanze in einem erstarrten Zustand abzumalen, sondern in ihrem Fluss, dem Fluss vom Blühen und Vergehen, schauen, was sie mit mir macht.

Florianne Koechlin: PflanzenPalaver:

Belauschte Geheimnisse der botanischen Welt,

Lenos Pocket, 2009, ISBN-13: 978-3857877261

Weitere Informationen:

- www.blauen-institut.ch

- www.floriannekoechlin.ch

Nach den neuen Einblicken in die Welt der Pflanzen, würden

wir noch gerne abschließend einen profanen Blick in Ihren

Kühlschrank werfen. Hat Ihr Gemüse einmal mit einem

Bio-Boden kommuniziert?

Im Moment ist mein Kühlschrank voll mit Bio-Lebensmitteln. Ich hab mich bei einem Biokorb angemeldet, den bekomme ich jede Woche. „Agrico“ heißt der bei uns in der Region Basel. Dazu fällt mir eine lustige Geschichte ein: Ich war in Wien bei Slow Food und da kam eine tolle amerikanische Professorin, die uns ganz stolz mit 100 Power Point-Folien gezeigt hat, dass es in den USA jetzt ein ganz neues Modell gibt, wie Bäuerinnen und Konsumentinnen gemeinsam mit Abokisten Verantwortung zeigen. Ich hab mir gedacht: Agrico gibt es seit 30 Jahren in der Schweiz, bei Euch in Österreich gibt es das auch schon so lange – und jetzt wird das in den USA als große Neuheit gefeiert. Endlich!

Danke für das Gespräch!

Wilfried Oschischnig und Reinhard Geßl

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Hirten kennen keinen Stress: Herbert Strnad treibt eine ihm fremde Kuh

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BIO-WISSEN

Kühe und andere Nutztiere unterliegen in der

modernen Nutztierhaltung vielfach Leistungs-

ansprüchen wie Formel 1-Motoren. Jede zusätzli-

che Belastung kann zu einer Ausnahmesituation

führen, die wiederum – rasch und ungesund

für Mensch und Tier – eskalieren kann. So zum

Beispiel das Treiben der Tiere.

Bäuerinnen zählen seit jeher zu Berufsskeptikerinnen, erst recht, wenn ihnen ein Wiener zeigen will, wie sie etwas im Stall oder im Umgang mit Tieren richtig machen sollen. Herbert Strnad verleugnet den Wiener nicht und zeigt Bäuerinnen dennoch erfolgreich, wie sie ihre Nutztiere richtig – im Sinne von ruhiger – treiben können. „Ich bin froh, in Wien und damit nicht im bäuerlichen Umfeld aufgewachsen zu sein, denn so habe ich den Umgang mit Tieren unvoreingenommen lernen können“, sagt er dazu. Seine Lehrer waren sein Großvater, ein tunesischer Pferdefachmann und ein anatolischer Hirte. Die beiden Letzteren hat Herbert Strnad bei einer frühen Ferialarbeit kennengelernt. Am Wiener Neustädter Flugfeld grasten – bevor der Bau der Arena Nova die Fläche versie-gelte – traditionell 500 Mutterschafe mit ihren Lämmern. Es galt, die Schafe von den umgrenzenden, modernen Feinden fernzuhalten: dem Flughafen, der Bundesstraße 17 und den Gleisen der Pottendorfer Linie. Hirtenhunde gab es keine, denn der Anatolier fürchtete sich vor diesen. So lernte der Wiener Jungspund vom Hirten so zu arbeiten wie ein Hütehund. „Die besten Tiere bellen beim Treiben nicht, sie laufen auch nicht hektisch herum und sie beherrschen das feine Spiel der Annäherung und des Zurückziehens. Das ist die große Kunst im Umgang mit Tieren,“ ist Herbert Strnad überzeugt, „sich ihnen so anzunähern, dass diese nie in eine Ausnahmesituation kommen, in der sie keinen Ausweg mehr sehen und panisch angreifen.“ Gerne vergleicht er seine Arbeit mit der einer Dirigentin. Der Taktstock der Maestra ist bei ihm der Hirtenstock. Wie auch die Dirigentin nicht wild damit herumfuchtelt oder gar die Musikerinnen damit prügelt, so fungiert der Hütestock ausschließlich als Verlängerung seiner Schulter und Arme, um seine feinen Körpersignale für die Tiere besser sichtbar auszusenden. Und einen weiteren großen Vorteil hat so ein Stock auch noch: man kann wunderbar auf

ihm lümmeln, „oder kennen Sie ein historisches Gemälde mit einem wild gestikulierenden, erhitzt herumlaufenden Hirten?“ Seit einem Beitrag im ORF hängt Herbert Strnad der sehr char-mante Berufstitel „Kuhflüsterer“ nach. Ein Robert Redford der Kühe und Schafe sei er in keinem Fall, denn „weder bin ich Schauspieler noch befürworte ich die vielfach zweifel-haften Methoden der ‚Pferdeflüsterei‘“, wird der ansonsten so besonnene Mann überraschend hektisch. Vielmehr sieht er es als seine Aufgabe, den Menschen – hauptsächlich Bäuerinnen, aber auch Städterinnen – die Überzeugung zu geben, dass sie den Umgang mit Tieren instinktiv noch richtig intus haben, dass sie „das“ früher ja auch so gemacht haben, wie sie es von ihm gezeigt bekommen. Die Biobäuerinnen-Organisation Bio Austria Niederösterreich und Wien sowie vereinzelt Tourismusverbände haben den Bedarf nach dieser positiven Bestätigung erkannt und buchen Herrn Strnad für Seminare. Den Bio-Bäuerinnen zeigt er z. B. den Trick mit dem Strick: Am kurzen Strick gehen die Tiere wegen der Nähe zum ungewohnten Menschen und damit der unterschrittenen Individualdistanz gar nicht, am doppelt so langen Strick folgen sie unwillig. Lässt man den Strick allerdings ganz weg, dann lassen sie sich ganz wunderbar dirigieren, vorausgesetzt, man macht es richtig wie ein Hütehund. Wer Herbert Strnad bei seiner Arbeit einmal erlebt hat, der weiß, was es heißt, wenn er sagt: „Wenn ich meine Tiere ganz ohne Stress führen will, dann muss ich am ganzen Körper lächeln, und nicht nur um den Mund herum wie ein Schauspieler.“

Reinhard Geßl

FAKTEN UND ZAHLEN

Projekt:Projekt: Richtiger Umgang mit Nutztieren – Tiere stressfrei treiben

Projektleiter:Projektleiter: Herbert Strnad, Sense Living, www.sense-living.at

Info:Info: - Rinder sind zwar Herden-, aber auch Distanztiere. In der Herde

halten sie stets einen Respektabstand ein. Diese „Individual -

distanz“ beträgt vom Kopf weg gemessen etwa 1,5 Meter.

- Rinder haben fast einen Rundumblick. Ihr Sehfeld beträgt

rund 300º. Dreidimensional sehen sie nur in einem sehr engen

Bereich.

- 2009 waren auf Österreichs Almen 7267 Sennerinnen und

Hirtinnen tätig.

DER TRICK MIT DEM STRICK

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Thomas Steinmann mit Wasserphiole, Kristallisationstropfen klein und groß

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BIO-WISSEN

Draußen herrscht klassisches Novemberwetter.

Es ist trüb, der Nebel hängt tief und ein eisiger

Wind weht durch die Wiener Straßen. Drinnen

lacht uns – ganz in Orange gekleidet – Thomas

Steinmann entgegen, der fröhlich dem grauen

Alltag trotzt.

Diese Momentaufnahme passt irgendwie ganz grundsätz-lich zu ihm, zu dem was er tut bzw. was ihn antreibt. Thomas Steinmann ist zwar an Gegenwind gewöhnt, aber keiner, der sich dadurch von seinem Weg abbringen lässt. Und so setzt er sich neben seiner Arbeit als Energetiker und Naturheilpraktiker mit Dingen auseinander, die viele seiner Mitmenschen ganz schön überfordern und immer wieder verständnisloses Kopfschütteln und Ablehnung, aber auch Staunen und Interesse hervorrufen.Am von ihm gegründeten Morphogenetischen Zentrum analy-siert Steinmann bereits seit Jahren mithilfe der sogenannten Kristallisationstechnik Kräfte, die unter anderem im Wasser, Saatgut oder Boden wirken. Dabei geht es nicht um die Untersuchung von Inhaltsstoffen, sondern um die bildliche Darstellung von Informationen. Klingt etwas abstrakt, die Versuchsanordnung folgt allerdings klaren Vorgaben.Aktuell sind es Weizenproben aus vierzehn verschiedenen Anbaugebieten, die einer Informationsauswertung harren. Die Proben sind verschlüsselt, Thomas Steinmann erfährt also erst nach der Untersuchung, woher die Weizenkörner stammen. Die Basis der Steinmannschen Analysetechnik bildet auch hier das Wasser, aus dem mit einem speziellen Verfahren vorab sämtliche ursprünglich gespeicherten Informationen gelöscht wurden. Dieses „leere“ Wasser wird in einer Phiole in die zu untersu-chende Getreideprobe gelegt. Nach etwa 24 Stunden hat – laut Steinmann – das Wasser die Informationen des Saatguts auf-genommen, wird mit Magnesiumsulfat versetzt und tropfen-förmig auf Objektträger aufgebracht. Die Strukturen, die das Magnesiumsulfat im Laufe des Trocknungsprozesses ausbildet, spiegeln die Informationen der analysierten Probe wider und lassen ein geschultes Auge einiges erkennen: Kann das Saatgut Nährstoffe über den Winter gut konservieren? Hat es die Fähigkeit im darauffolgenden Frühjahr zufriedenstellend zu keimen? Handelt es sich um konventionelles oder biologisches Saatgut? Welchen Kontakt haben die Samenkörner zu Sonne und Boden? Letztere Frage ist laut Steinmann nicht unwesent-

lich, denn eine fehlende Kommunikation zwischen Boden und Saatgut ließe sich nur mit intensiver Düngung kompensieren. Aussagekräftige Ergebnisse lassen sich allerdings mit einmali-gen Analysen meist nicht erzielen. Bei Bodenuntersuchungen müssen die Bestimmungen den gesamten Jahreskreislauf umfassen und auch Saatgut bedarf einer Doppelbestimmung – einer Analyse von Frühjahrs- und Winterqualität. Zur Überprüfung seiner Interpretationen holt sich Steinmann unter anderem Rückmeldungen von Bäuerinnen, die die ana-lysierten Getreidesorten anbauen bzw. führt er auch selbst Keimtests durch. Die Fülle der neuen Eindrücke und Informationen hinterlässt bei uns eine Mischung aus Faszination und Skepsis. Schließlich sind derartige Denkkonzepte in unserem naturwissenschaft-lich geprägten Weltbild nicht unbedingt gang und gäbe. Die vorerst noch fehlende Standardisierung seiner Methode macht Thomas Steinmann, der an der weiteren Objektivierung der Analysekriterien arbeitet, natürlich auch wissenschaftlich angreifbar. „Ich habe die wesentlichen Eckpfeiler gesetzt, aber dazwischen ist noch viel Weg zu machen“, ist auch er sich der noch vielen offenen Fragen bewusst.Als gesichert gilt hingegen, dass es nach wie vor Dinge zwi-schen Himmel und Erde gibt, die sich nicht oder nur schwer erklären lassen. Und wie die Geschichte zeigt, wurden zahl-reiche Theorien und Methoden, die die engen Horizonte der messbaren Wissenschaft um einen neuen Blickwinkel erweitert haben und mittlerweile wissenschaftlich längst anerkannt sind, in früheren Zeiten als unseriös abgetan. Vielleicht gilt daher auch für die Kristallisationsmethode von Thomas Steinmann, frei nach einem deutschen Liedtext: Die Idee ist gut, doch die Welt (der Naturwissenschaft) noch nicht bereit …

Elisabeth Klingbacher

ZAHLEN UND FAKTEN

Projekt: Projekt: Deep Blue Wasserdiagnostik

Projektleiter: Projektleiter: Thomas Steinmann (Morphogenetisches Zentrum)

Nähere Infos:Nähere Infos: www.morphogenetisches-zentrum.at

Info:Info: - Wasser kommt als einzige anorganische Verbindung unter den

Umgebungsbedingungen der Natur im festen, flüssigen und

gasförmigen Aggregatzustand vor.

- Die Wasserstrukturforschung beschäftigt sich seit etwa

100 Jahren u. a. mit „Clustern“, die durch Wasserstoff-

brücken bindung entstehen und das Wasser befähigen sollen,

bestimmte Schwingungen seiner Umgebung aufzunehmen und

Informationen zu speichern.

GUT INFORMIERT

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„Da legst dich nieder!“ Roswitha Six überprüft die Wirkung der Pflanzenstärkungsmittel

Page 13: Bio-Fibel #13

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BIO-WISSENSCHAFT

Warm anziehen heißt es jetzt für Familien mit-

glieder der Tetranychidae – und das hat nichts

mit den fallenden Außen temperaturen zu tun.

Die auch als Spinnmilben bekannten Schädlinge mögen es trocken und heiß und so leiden besonders während der Sommermonate unterschiedlichste Gemüsesorten in den Folientunneln Ostösterreichs unter dem Angriff der Achtbeiner. Hinzu kommt, dass Nützlinge, die im biologischen Gemüsebau auch aktiv ausgebracht werden, bei hohen Temperaturen trotz bester Absichten nicht mehr zufriedenstellend agieren – bei Tomatenkulturen erschweren die behaarten Blätter ihre Arbeit zusätzlich. Auch Spinnmilben favorisieren Tomatenpflanzen aufgrund ihrer Blattbeschaffenheit nicht unbedingt, lassen sich dadurch aber nicht davon abhalten, großen Schaden anzu-richten. Grund genug also, um für den Bio-Tomatenanbau nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Da trifft es sich gut, dass die Bio-Gemüseszene in Österreich äußerst aktiv ist und seit der Gründung der Bioplattform für Gemüse zahlreiche praxisre-levante Fragestellungen und Aktivitäten über diese zentrale Anlaufstelle koordiniert werden können.„Nachdem im Bildungsprojekt ‚Bionet‘ die Kooperation zwi-schen Bäuerinnen, Beraterinnen und Forscherinnen für den Bio-Ackerbau bereits seit Jahren erfolgreich funktioniert, war es naheliegend, das Projekt um den Bereich Bio-Gemüse zu erweitern“, erzählt Roswitha Six vom FiBL Österreich, die seit der Gründung der „Bioplattform für Gemüse“ im Februar 2009 für deren Koordination verantwortlich ist. Wesentlicher Pfeiler des Projekts „Bionet“ ist der intensive Wissensaustausch auf Augenhöhe. Es gibt keine Trennung in Theoretikerinnen und Praktikerinnen, Wissende und Nicht-Wissende. Egal ob Landwirtinnen, Beraterinnen oder Forscherinnen – alle Beteiligten sind bereit, ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen, zu diskutieren und durch neue Sichtweisen zu erweitern. Auch in Sachen Spinnmilben zogen die Mitglieder der Bioplattform an einem Strang und unterstützen ein Forschungsprojekt, das an der Universität für Bodenkultur nach Regulierungsmöglichkeiten der Schaderreger im Bio-Tomatenanbau sucht. Am Institut für Pflanzenschutz wurde in einem ersten Schritt daran gearbeitet, die Schädlinge auf den Tomatenpflanzen zu etablieren, also sie soweit zu bringen, sich auf den Blättern zu vermehren. Anschließend wurden kreisför-

mige Blattproben ausgestanzt und die auf den Tomatenblättern sitzenden Spinnmilben mittels unterschiedlicher Testverfahren im wahrsten Sinne „benebelt“. Verschiedene, im Biolandbau zugelassene Pflanzenstärkungs- bzw. Pflanzenschutzmittel wie Schachtelhalmextrakt, Molke oder ein aus dem Neembaum gewonnenes Mittel wurden ausgebracht und ihre Wirkung auf Spinnmilben analysiert. Die Untersuchungen sind zwar noch nicht abgeschlossen, interessante Ergebnisse aber in jedem Fall zu erwarten.Zeitgleich arbeiten andere Kleingruppen der Bioplattform aktiv an weiteren Forschungsansätzen und deren Umsetzung: Die Regulierung von Pilzkrankheiten an Zwiebeln und Kartoffeln oder die Untersuchung von Salatsorten auf ihre regionale Anbaueignung sind da nur ein paar weitere Arbeitsfelder der „Bio-Gemüse-Aktivistinnen“. Das Konzept der Bioplattform geht also auf. Von der Universität über Versuchsanstalten, Landwirtschaftskammern, Verbände bis hin zu den Biobetrieben – alle beteiligen sich aktiv am Projekt und sorgen für ein kräftiges Lebenszeichen des Bio-Gemüsebaus in Österreich. So wird die Bioplattform auch im dritten Jahr ihres Bestehens wichtige Akzente setzen.Die Spinnmilben können ein Lied davon singen ….

Elisabeth Klingbacher

ZAHLEN UND FAKTEN

Projekt: Projekt: Bioplattform für Gemüse

Projektkoordination:Projektkoordination: DI Roswitha Six (FiBL Österreich)

Projektinfos: Projektinfos: Neben regelmäßiger Vernetzung und Versuchstätigkeit

wird die jährlich erscheinende Biogemüsefibel publiziert und die

Tagung der Bioplattform für Gemüse organisiert; Kooperationspartner:

LFI Österreich, Österreichische Landwirtschaftskammern, HBLFA

Schönbrunn, Bio Austria, biohelp, Gartenbauschule Langenlois,

LVZ Wies, Universität für Bodenkultur, Organic Power E.U., LFS

Obersiebenbrunn u. Bio-Bäuerinnen; Infos unter www.bio-net.at

Info:Info: - Angefangen bei den älteren Blättern bis hin zu den Triebspitzen

überziehen die Spinnmilben die ganze Pflanze mit ihrem

Gespinst und saugen den Saft aus den Blättern. Die befalle-

nen Knospen und Triebe sind in ihrer Entwicklung stark ein-

schränkt, die Blätter verwelken und sterben ab.

- Neben den erwähnten Mitteln werden im Biolandbau auch

Raubmilben und Florfliegen gegen die Schädlinge eingesetzt.

GEMEINSAM STATT EINSAM

Page 14: Bio-Fibel #13

Doris Gilli und ein Therapiepferd in ihrer "Praxisgemeinschaft"

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— 15 — Bio-Fibel 4/2011

BIO-WISSEN

Unsere Leistungsgesellschaft wirft immer mehr

Menschen aus der Bahn, auch psychisch. Der

Absatz von Psychopharmaka steigt jedes Jahr

dramatisch. Was tun, wenn gegen Borderline,

Depression und Burnout auch Medikamente

nicht mehr helfen? Pferde, Hühner, Rinder und

Co. wissen einen Ausweg.

„Andreas hat es schwer, er kommt aus einem gewalttätigen Elternhaus, ist in einem Jugendwohnheim untergebracht, bedroht selbst seine Mitschüler mit dem Messer und er hasst Erwachsene – durch die Therapiekuh Amanda kommt er end-lich zur Ruhe – sie spendet ihm Trost und mit der Zeit findet er auch zu den Menschen in seiner Umgebung wieder einen besseren Zugang.“ Das ist eine typische Erfolgsgeschichte, die das Projekt „Tiergestützte Pädagogik/Therapie/soziale Arbeit am Bauernhof“ (TGPTS) erzählen kann.Heimische Nutztiere liefern uns Milch, Fleisch, Eier, Leder oder Daunen. So weit so klar. Arbeitsleistung zum Beispiel in Form von Zugleistung war einmal wichtig, ist heute aber in den Hintergrund getreten. „Dabei haben unsere Nutztiere noch ganz andere Talente und Möglichkeiten, die mit dem ausschließlichen Focus auf den Verzehr vergeudet werden“, wundert sich Silke Scholl, Leiterin des 2003 initiierten und gestarteten Projekts. Tatsächlich eine relativ neue Erkenntnis ist, dass Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen dem Menschen nicht nur als Essensquelle dienen können, sondern auch seine Seele trösten, ihn im sozialen Lernen unterstützen und verlo-ren gegangenen Selbstwert zurückgeben. Die ausgebildete Lebens- und Sozialberaterin Doris Gilli leitet in Braunsdorf nahe Eggenburg einen von der-zeit sieben in Österreich anerkannten und zertifizierten Therapiebauernhöfen. „Wir hatten das Glück, dass der ärztli-che Leiter der Klinik Eggenburg schon vor Jahren den Versuch gewagt hat, bei einigen seiner Borderline-, Depressions- und Burnoutpatientinnen zusätzlich zur Medikation die tierge-stützte Therapie zu probieren. Die Erfolge waren unerwar-tet gut und die Erlebnisse dabei oft so berührend, dass die Zusammenarbeit nun schon Jahre andauert“, schildert Gilli die unübliche Zusammenarbeit zwischen Medizin und heimischen landwirtschaftlichen Nutztieren.

Jeder TGPTS-Betrieb muss zertifiziert sein. Das Zertifikat garantiert allerbeste Tierhaltung, gesunde, charakterstarke und ruhige Tiere, optimal ausgebildete Betreuungspersonen und die Gewährleistung sicherheitstechnischer Auflagen. Die Therapieangebote variieren von Betrieb zu Betrieb. Am Beispiel des Hofes in Braunsdorf schaut das immer glei-che Behandlungsschema – schlussendlich geht es für die teils schwer traumatisierten Menschen um das Finden von Kontinuität und Struktur – so aus: ein Zyklus mit vier erwachsenen Patientinnen dauert sechs Wochen zu zwei Wocheneinheiten. Unter fachkundiger Aufsicht sucht sich am Beginn jede Patientin „ihr“ Pferd frei aus. Zum Ausgleich von Bezugs- und Bindungsstörungen spielt das „persönliche Tier“ eine entscheidende Rolle. Jedes Pferd leistet in den Therapiestunden durch die ständige Stimmungsübertragung unglaublich viel, da die Patientin entweder extrem ange-spannt, latent aggressiv oder ganz in sich gekehrt agiert. Nach sechs Wochen intensiver Beziehung muss die Patientin von ihrem Pferd wieder Abschied nehmen, auch das stellt einen wichtigen Teil der Therapie dar.Vieles gilt es im Zusammenhang mit der tiergestützten Therapie noch zu erforschen, einige Patientinnen der Klinik Eggenburg profitieren aber schon von den tollen Möglichkeiten am Bauernhof. So wie sich jede einen grippalen Infekt einfan-gen kann, so kann jede auch psychisch erkranken. Für die-sen Fall ist es beruhigend zu wissen, dass neben ärztlichen Spezialistinnen laufend mehr Pferde, Kühe, Schweine etc. darauf spezialisiert werden, unsere Seele zu trösten.

Reinhard Geßl

FAKTEN UND ZAHLEN

Projekt: Projekt: Tiergestützte Pädagogik/Therapie/soziale Arbeit am Bauernhof

Projektleiterin:Projektleiterin: DI Silke Scholl, ÖKL, Wien

Info:Info: - Prinzipiell kann man mit allen landwirtschaftlichen Nutztieren

tiergestützt arbeiten. Besonders wichtig sind gute Gesundheit

und ein positiver Charakter der Tiere.

- Delphine werden als ideale Therapietiere beschrieben. Da

diese Säuger nicht domestiziert sind, sind sie aber für die hoch-

sensible Arbeit mit psychisch labilen Menschen zu gefährlich.

- Interesse? Der 3. LFI-Zertifikatslehrgang „Tiergestützte Päda-

gogik/ Therapie/soziale Arbeit am Bauernhof“ beginnt im April

2012 in Salzburg und Graz. Weitere Infos: [email protected]

DOKTOR PFERD ORDINIERT IN BRAUNSDORF

Page 16: Bio-Fibel #13

Bio-Fibel 4/2011 — 16 —

GUTER GESCHMACK

Aufgewachsen in einer Zeit als Pralinen noch

„Bonboniere“ hießen und sich aufgrund meist

eher fragwürdigen Geschmacks hauptsächlich

als Mitbringsel für entfernte und nicht besonders

beliebte Verwandte jenseits der 70 eigneten, sind

wir nach wie vor erstaunt, was sich seit einigen

Jahren am Schoko- und Pralinensektor abspielt.

Ein weiteres Aha-Erlebnis bescherte in diesem Zusammenhang das FiBL Tasting_forum „Black Pearls again – Ein ‚Hands on‘-Workshop für Naschkatzen und Schokotiger“, bei dem ein Einblick in die weite Welt jenseits der lila Milchschokolade gewährt wurde. In den gemütlichen Räumlichkeiten des Instituts für Ökologischen Landbau an der Universität für Bodenkultur wurde einer Schar von über 40 äußerst motivier-ten Verkosterinnen feinstes Bio-Konfekt serviert.

Den Auftakt machte die Criollo-Kakaobohne, die aufgrund ihres angenehm herben Geschmacks nicht nur Puristinnen ins Schwärmen gerieten ließ. Neben 70 und 80 %igen Schokoladen und einer dänischen Haselnusscreme mit höchstem Suchtfaktor bildeten die Pralinen ein weiteres Highlight des Abends. Auch wenn diese die Phantasien der Verkosterinnen manchmal ein wenig durchgehen und recht eigenwillige Zutaten erschme-cken ließen, waren die Assoziationen doch meist sehr treffend. Ein kaum hörbares Aufatmen ging durch die Menge, als klar wurde, dass der Name, der soeben zart im Mund schmelzenden Praline nichts mit ihrer giftigen Namensgeberin „Herbstzeitlose“ gemein hatte. Einige der Schoko-Testerinnen wären wohl dennoch bereit gewesen für dieses Geschmackserlebnis ein gewisses Risiko einzugehen. Auch das aus England stammende Konfekt Booja Booja brachte das Publikum zum Seufzen und bewies, dass eine vegane Ernährungsweise nicht unbedingt genussfeindlich sein muss.

DIE SCHOKOSEITEN DES LEBENS

Page 17: Bio-Fibel #13

Bio-Fibel 4/2011

GUTER GESCHMACK

ZACK – DIE BOHNE

Zum Einstieg ein Erlebnis, das einerseits den Schokoladegenuss zwar auf seinen Ursprung reduziert, ihn andererseits aber in ungeahnte Gefilde katapultiert. Geröstete Bio-Kakaobohnen: crunchy, fettfrei, schokoladig, gut. Eine saubere und vor allem gesunde Abendknabberei.

SUMMERBIRD REMBRANDT‘S CHOCOLATE SPREADAuf einen Löffel, aufs Brot, aufs Vanillesorbet oder direkt aus der Tube in den Mund. Es ist ziemlich einerlei, wie die Tubencreme genossen wird. Sie ist in jedem Fall kulinarische Verführung auf

höchstem Niveau. Mild, cremig, leicht nussige Töne und vor allem kristallklares Nougat.

JOSEF ZOTTER, LABOOKO 70 & LABOOKO 70Zwei Mal 70 %, zwei Mal der gleiche Rohstoff, trotzdem zwei grundverschiedene Schokoladen. Wie das? Das Zauberwort heißt Conchierzeit. Bei der Schoko der einen Tafel wurde 16 Stunden conchiert, bei der der anderen 4 Stunden länger. Der Unterschied ist überdeutlich. Die längere Dauer wird durch dunklere Farbe und feinere Aromen sichtbar. Ein bemerkenswertes Experiment.

BIOFEKT ZOTTERS PRALINEN – WIR SCHAUEN AUFS GANZEFast kein Monat vergeht, in dem nicht von einer Innovation aus der Riegersburg berichtet wird. Diesmal hat sich Sepp Zotter aber etwas ganz Besonderes ein-fallen lassen. Eine Unzahl delikater Pralinen, die gerecht auf die Verkosterinnengruppen zu verteilen waren. Hier zwei Highlights: die Schilcherkugel mit kräftigem Druck und enorm intensiven Himbeernoten, dazu (regional) passend gleich die Kürbiskernkugel. In Summe legt Sepp Zotter ein gewohnt kreatives und außergewöhnlich breit gefächertes Konfekt-Angebot vor.

BOOJA BOOJA – RUM SOZZLED SULTANE-TRÜFFELDie Sinnlichkeit der Extreme: zart(est) schmelzende Schokolade mit einem per-fiden Nougat-Anteil bildet die Grundlage für das, worum es eigentlich geht: kari-bisches Lebensgefühl, das auf Rum, den

süßen Geschmack von Agaven und Sultaninen aufbaut. Ein Garant für kulinarische Glücksmomente und stille, lukullische Einkehr.

BIORETTOUnsere südlichen Nachbarn haben den Coretto erfunden. Kurzen, starken Espresso mit einem Glas hochwertigen Grappa. Wir haben die Idee auseinan-dergenommen und neu zusammengesetzt. Eine kleine Hand voll Bio-Espresso-Bohnen, ein Bissen 70 %ige Cru-Schokolade aus Criollo-Kakao, gemeinsam gekaut und mit einem Schluck Apfeltresterbrand runtergespült. Was hier bleibt ist ein sagen-hafter Kick für Gaumen und Körper.Der Kick für Gaumen und Körper – ein schönes Bild für einen gelungenen Verkostungsabend, dem wohl nichts mehr hinzu-zufügen ist.

Elisabeth Klingbacher, Jürgen Schmücking

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Bio-Fibel 4/2011 — 18 —

BIO-HOTEL

180-day Biodyssey Bahn bauen mit Holz Bayern

Berlin Bio Bizau Brot Business Deutschland Ei

Essen Fische Fleisch Frankfurt Frühstücksbuffet

Hessen Hildegard von Bingen Holz100 Jerzens

Kneipp Kunst Köpenick Küche Massage Moor

Nachhaltigkeit Rügen Sightseeing Slow Food Spa

Tirol Vorarlberg Wasser Wein wellness Österreich

ökologisch.

Sinnloses Wortgewirr? Geschwafel? Anzeichen von Reise-wahnsinn? Au contraire – das ist nichts anderes, als die tag

cloud auf der Startseite des 180-day-Biodyssey-Blogs. Und als solche gibt sie Einblicke, was bei der Odyssey, der 180 Tage- Reise eines 22 köpfigen Teams des Youth Food Movements zu den Bio-Hotels, gerade angesagt ist. Die cloud bietet übrigens einen wunderbaren Einstieg zum Weiterlesen.Die Reise neigt sich bereits langsam ihrem Ende zu. Allerdings nicht, bevor noch neue Protagonisten die Bühne betre-ten. Pavlos, zum Beispiel, kommt dieser Tage von einem längeren Aufenthalt aus Südost-Asien zurück. Vor seinem Besuch in Grafenast macht der Ethnobotaniker noch einen Zwischenstopp in Wien.

Nicht von ungefähr, fand hier doch im Oktober die Terra Madre

statt. Neben dem Youth Food Movement, der Foundation

for Biodiversity und den großen Messen Salone del Gusto, Slow Fish und Cheese in Bra ist die Terra Madre die größte landwirtschaftliche Netzwerkorganisation der Welt. Mit Slow

Food-Wurzeln und zum zweiten Mal in Wien.Philipp indes besucht das Biohotel Ucliva, wühlt sich durchs Schneegestöber und philosophiert über Bio, das Leben und die Schönheit: „Tja, liebe Herren der Schöpfung. Geschlaucht? Unzufrieden mit dem Job? Gezeichnet mit schwarzen Ringen unter den Augen? Dann wäre einmal eine Veränderung ange-sagt (örtlich wie persönlich), ein Wechsel in die Landwirtschaft zum Beispiel. Die Landwirtschaft ist ein wahres Aphrodisiakum, nicht bloß für die Konsumenten von Biogemüse oder Biofleisch. Richtiges Arbeiten direkt an den Wurzeln des Geschmacks ist angesagt. Schauen Sie doch einmal in die Schweiz, in den Kanton Graubünden und zum Hotel Ucliva und dann betrach-ten Sie sich einmal die Lieferanten näher. Zum Beispiel den Renzo Blumenthal, der regelmäßig Bio-Fleischwaren und sonstige Spezialitäten ins Hotel liefert. Dieser Mann ist nicht nur ein Mensch aus (Muskel-)Fleisch und Blut. Renzo ist der Mister Schweiz 2005, sportlich von den Haarspitzen bis zu den Zehen und nebenbei ein erfolgreicher wie leidenschaftlicher Biobauer.“Philipp findet auch gleich die passenden Schlussworte für das Abenteuer: „Ich verstehe sowieso nur Bahnhof, seit ich auf der Biodyssey unterwegs bin, stimme mich auf die Zugfahrt nach Österreich ein und lasse die ganze Reise nochmals Revue passieren, genehmige mir zum krönenden Abschluss ein famoses Bioschluckerl und freue mich auf weitere zehn Jahre Biohotels.“

Jürgen Schmücking

Alle Berichte und Bilder finden Sie auf: http://180-tage-bio-hotels.info

PAVLOS, DIE WOLKE UND RENZO – LETZTLICH WIRD IMMER ALLES GUT!

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— 19 — Bio-Fibel 4/2011

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SONNENTOR IST KLIMASCHUTZPREIS-SIEGER 2011

Die Freude wächst weiter: Sonnentor überzeugt beim öster-reichischen Klimaschutzpreis die prominente Jury und gewinnt in der Kategorie „Landwirtschaft & Gewerbe“. Die Bio-Gemeinde – und nicht nur die – gratuliert begeistert,

schluss endlich ist Sonnentor ein Bio-Vorzeigebetrieb der ersten Stunde, der Klima- und Umweltschutz gemeinsam mit Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung unter einen (Sonnen)hut bekommt. Regional arbeitet Sonnentor mit 150 Biobäuerinnen zusammen, global ist Sonnentor ein ver-lässlicher Partner zahlreicher Entwicklungsprojekte. Während uns also Sonnentor-Teespezialitäten von innen wärmen, bleibt das äußere Klima ziemlich cool, so soll es sein! Und übrigens: falls Sie demnächst einmal in Tokio sein sollten, so müssen Sie nicht auf Ihren geliebten Sonnentor-Tee verzich-ten. Am 28.10. eröffnete nämlich im Herzen der Metropole ein neuer Sonnentorshop.

Weitere Informationen: www.sonnentor.at

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BIO IN DÄNEMARKS GROSSKÜCHEN

Eine sympathische Ansage machte die neue K o a l i t i o n s r e g i e r u n g in Dänemark im Haushaltsgesetz: In Zukunft sollen in den dänischen Großküchen mindestens 60 % der verkochten Lebensmittel aus biologi-scher Produktion kommen. Rund eine halbe Million Essen werden täglich in öffentlichen Einrichtungen zubereitet. Zur Vermeidung von Preisdumping bzw. Zukauf minderer Qualität wird erfreulicherweise für die Umstellung der Küchen eine finanzielle Unterstützung zugesichert. Wenn das so wei-ter geht, dann wird Kopenhagen nicht nur einen höheren Radverkehrsanteil als Wien haben, sondern auch einen höhe-ren Bio-Anteil in der Gemeinschaftsverpflegung.

www.bio-markt.info

PROBLEM PESTIZIDRÜCKSTÄNDE

In einer Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) wurden die Einzugsgebiete von vier großen euro-päischen Flüssen mittels 750.000 Wasseranalysen untersucht. 38 % der in den Wasserproben gefunde-nen Chemikalien kamen in Konzentrationen vor, bei denen Auswirkungen auf Organismen nicht auszuschl ießen sind. Zudem deckten die Forscherinnen in den geltenden EU-Richtlinien für Gewässerschutz große Lücken auf: Während Gewässer bisher lediglich nach 33 Stoffen untersucht werden, stufen die Wissenschafterinnen insgesamt 73 Ver-bindungen als potentielle Schadstoffe ein. Zwei Drittel der nachgewiesenen Gifte waren Pestizide, die in der konventio-nellen Landwirtschaft eingesetzt werden.Aufgrund dieser Ergebnisse fordern die Autorinnen der Studie eine rasche Überarbeitung der Chemikalien-liste, die die EU-Wasserrahmenrichtlinie den natio-nalen Behörden zur Beobachtung vorschreibt. Wir fordern einfach: Flächendeckende Umstellung auf Bio-logische Landwirtschaft!

www.soel.de, www.ufz.de

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Bio-Fibel 4/2011 — 20 —

SHORTCUTS

IMPRESSUMBio-Fibel – Zeitschrift für Wissen aus der Biologischen Landwirtschaft: Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Freiland Verband

für ökologisch-tiergerechte Nutztierhaltung und gesunde Ernährung; Seidengasse 33/13, 1070 Wien; Fon 01/4088809; Fax 01/9076313-20;

e-mail: [email protected]; net www.freiland.or.at; DVR-Nummer 0563943; Chefredakteur: Dipl.-Ing. Reinhard Geßl, Leiterin der Redaktion:

Dipl.-Ing. Elisabeth Klingbacher; Mitarbeit: Irene Pratsch, Wilfried Oschischnig, Jürgen Schmücking; Redaktion: Forschungsinstitut für bio-

logischen Landbau (FiBL Österreich), Seidengasse 33/13, 1070 Wien; Fon: 01/9076313-0, net: www.fibl.org/de/oesterreich. Alle nicht anders

gekennzeichneten Fotos: Geßl & Wlcek OG; Druck: gugler GmbH Melk; Layout: Geßl & Wlcek OG. Namentlich ge kennzeichnete Artikel müssen nicht unbedingt der Meinung

des Herausgebers entsprechen. Vertriebspartner: Admah Biokistl. FREILAND-Spendenkonto: Erste Bank, BLZ 20111, Ktnr. 08210993; Auflage: 10000 Stück.

Hinweis: Eine geschlechtergerechte Formulierung ist uns in der Bio-Fibel ein großes Anliegen. Da wir gleichzeitig eine gut lesbare Zeitschrift herausgeben wollen, haben

wir uns entschieden, keine geschlechtsneutralen Begriffe zu verwenden, sondern alternierend entweder nur weibliche oder nur männliche Bezeichnungen. Wir sind

uns dessen bewusst, dass diese Generalklausel einer geschlechtergerechten Formulierung nicht ganz entspricht, wir denken aber, dass die gewählte Form ein Beitrag

zur publizistischen Weiterentwicklung für mehr sprachliche Präsenz weiblicher Begriffe sein kann.

FOOD CRASH

„Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr“ lautet der provo-kante Untertitel des neuen Buches von Felix zu Löwenstein. So ein Blödsinn, will man spontan antworten, würde die These nicht so behutsam vorge-tragen und gleichzeitig mit unzähli-gen Fakten unterlegt begründet sein. Vieles der vorgebrachten Kritik an der industriellen Agrarproduktion klingt nicht neu, aber noch selten wurden die großen Zusammenhänge so schlüssig beschrie-ben. Löwenstein warnt: „Wer auch in Entwicklungsländern allein auf konventionelle Methoden setzt, um künftig neun Milliarden Menschen zu ernähren, der riskiert den ‚Food Crash‘ und wird in einem letzten Strohfeuer all das verheizen, was künftigen Generationen als Lebensgrundlage dienen muss.“ Der Biobauer und Vorsitzende des Deutschen Bundes ökolo-gischer Lebensmittelproduzenten mag tatsächlich befangen sein, die zahlreichen wissenschaftlichen Studienergebnisse belegen allerdings die Richtigkeit seiner Fakten und sei-ner Lösungsmodelle. Die Vision der Agrarindustrie für die Welternährung ist bekannt: „Mehr Düngemittel, mehr Pestizide, mehr Gentechnik“. Löwenstein dazu: „Dieses Modell ist keine Lösung. Eine solche Landwirtschaft verhindert den Hunger nicht – sie produziert ihn!“ Was als Gegenmodell unter „Intensivierung der Ökologisierung“ zu verstehen ist, sollten Sie gelesen haben!

Weitere Informationenhttp://www.droemer-knaur.de/buecher/FOOD+CRASH.7768538.html

KLIMASCHUTZ DURCH BIOLANDBAU

Eine aktuelle Studie von FiBL Österreich belegt eindrucks-voll das Potential des Bio landbaus, langfristig zum Klimaschutz beizu-tragen. Die Arbeit legt dabei besonde-res Augenmerk auf die biologische Boden be wirt schaftung und überzeugt mit klaren Er geb nissen: Bio-Böden können durch kontinuierlichen Humus aufbau nicht nur große Mengen an Kohlenstoff binden (pro Jahr durchschnittlich 400 bis 450 kg CO2/ha), die biologische Wirtschaftsweise reduziert auch den Ausstoß von Treibhausgasen, indem sie auf schnell-lösliche mineralische Düngemittel verzichtet. Für deren Herstellung sind große Mengen an fossiler Energie erforder-lich und so werden allein in Österreich durch die Produktion von mineralischen Stickstoffdüngern für die konventionelle Landwirtschaft jährlich über 907.000 Tonnen CO2 emittiert. Bio-Ackerböden sind zudem weniger erosionsanfällig und kön-nen bei Starkregenfällen in kurzer Zeit deutlich mehr Wasser aufnehmen als konventionelle Vergleichsböden. Ein Vorteil, wenn es darum geht sich an die zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels anzupassen.

Quelle: www.fibl.org

Page 21: Bio-Fibel #13

Bio-Fibel 4/2011

SHORTCUTS

BILDERBUCH DES NÜTZLICHEN UND UNNÜTZEN WISSENS

Der große Österreicher Otto Neurath gilt als Erfinder der Piktogramme. Die Bio-Lebensmittelplakate von www.bio-wissen.org, aber auch das Zeit-Magazin zeigen wie charmant Wissen, Zahlen und Statistiken in gra-fischer Form aufbereitet sein können. Der Informationsdesigner David McCandless arbeitet für den Guardian und er ist ein Meister im Schaffen von unglaublich komplexen, dabei aber überraschend einfach verständlichen Schaubildern. Welche Fische darf man noch essen? Was kostet die Welt in Milliarden? Wie macht man den perfekten Kaffee? Anschauungen über Anschauungen! Ein erfreuliches Buch zum Verschenken oder auch, um sich selber eine Freude zu machen!

Weitere Informationen: www.bilderbuchdeswissens.de

DAS BIO KETZER BUCH

Dieses Buch müssen Sie keinesfalls gele-sen haben! Eine Reisejournalistin und ein anonym bleiben wollender Experte haben sich vorgenommen ein Buch gegen Bio zu schreiben. Ein Grundmaß an Recherche schien ihnen offenbar zu aufwändig, schlussendlich hatten sie ja schon ihre Meinung. Im Schreibstil einer unmotivier-ten Hausaufgabe reiht sich ein Klischee an ein anderes, eine persönliche Meinung an eine andere, ein jegliche Intelligenz beleidigendes Unwissen an ein ande-res. Der Erkenntnis- und Neuigkeitgewinn beim Lesen geht so exponentiell gegen Null, dass es ärgert. Der Besuch auch nur eines einzigen Bio-Betriebs hätte den Autorinnen mehr Erkenntnis gebracht, als sie scheinbar als Basiswissen über Bio für das Schreiben dieses Buches mitbrachten. Sparen Sie sich bitte das Geld und investieren es in wirklich lesenswerte Informationen, zum Beispiel in Felix zu Löwensteins „Food-Crash“ (siehe Seite 20 links).

Weitere Informationen: www.amalthea.at

NEUES JAHR, NEUES BIO-WISSEN

Die beliebten und mittlerweile schon kultigen Bio-Wissen-Plakate gehen in eine weitere Runde. Nachdem sich die ersten acht Ausgaben mit den Vorteilen ausgewählter pflanzlicher und tierischer Bio-Lebensmittel beschäftigt haben, setzt die aktuelle Serie an einer anderen Ebene an. Anhand der, nicht nur für den Biolandbau relevanten Themen Boden, Klima, Biodiversität und Gentechnik werden interessier-

ten Konsumentinnen in gewohnt umfassender Weise die Besonderheit und Einzigartigkeit der Bio-Landwirtschaft nähergebracht und gleichzeitig deren Lösungskompetenz für aktuelle, auch gesellschaftspolitisch herausfordernde Probleme wie Klimawandel oder langfristige Ernährungssicherung der Weltbevölkerung aufgezeigt.

Aktuellste Informationen erhalten Sie über den Newsletter www.bio-wissen.org

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Bio-Fibel 4/2011 — 22 —

SHORTCUTS

BIO-MILCH, EINE ERFOLGSGESCHICHTE

Österreich hat seine führende Position in der Bio-Milchproduktion ausge-baut, kein anderes Land erreicht einen höheren Biomilch-Anteil an der Gesamtmilchproduktion. Die österrei-chischen Bio-Milchbäuerinnen und Bio-Milchbauern erzeugen Produkte nach höchsten Qualitäts-, Tierschutz- und

Umweltkriterien. Die österreichische Qualitätsstrategie hat sich bewährt. Die Nachfrage nach Biomilch steigt weiter an. Durch den Einstieg der Diskonter in den Handel mit Bio-Milchprodukten wurde der Anteil an vermarkteter Bio-Milch weiter ausgebaut. So ist aus der früheren Nische „Bio“ ein starkes und weiter wachsendes Marktsegment geworden. Die Konsumentinnen und Konsumenten sind für uns das Maß aller Dinge. Unsere Landwirtschaft muss in der Lage sein, den Konsumentinnen und Konsumenten die bestmöglichen Produkte anzubieten. Jeder Griff ins Regal bedeutet, Verantwortung zu überneh-men. Mit dem Kauf heimischer Produkte unterstützen sie die heimische Landwirtschaft und sichern eine flächendeckende Landbewirtschaftung.

DI Niki Berlakovich, Landwirtschafts- und Umweltminister

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GENTECHNIK-POMMES

Der Chemiekonzern BASF hat bei der EU eine Anbau-Zulassung für eine neue gen-technisch veränderte Kartoffelsorte namens „Fortuna“ beantragt, die unter anderem zur Produktion von Pommes Frites und Chips zum Einsatz kom-men und nach Willen des Konzerns ab 2014 kommerziell angepflanzt werden soll. Die Sorte Fortuna, der Resistenzgene gegen die Kraut- und Knollenfäule eingebaut wurden, wäre die erste in der EU angebaute Gentechnik-Pflanze, welche direkt als Lebensmittel genutzt werden soll. Der Sinn der Sache sei dahingestellt, denn nicht nur der Großteil der euro-päischen Konsumentinnen lehnt gentechnisch veränderte Lebensmittel ab, sondern auch die meisten großen Pommes- und Chipshersteller haben laut einer Umfrage von Greenpeace den Einsatz gentechnisch veränderter Kartoffeln explizit ausgeschlossen.

Quelle: www.soel.de

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Unsere Bauern schauen auf uns und unsere Natur: Ein Fünftel der landwirtschaftlichen Fläche Österreichs wird biologisch bewirtschaftet – Tendenz weiterhin steigend. Kein Land schafft mehr. Unsere Bauern bringen’s: Leistungen, die unbezahlbar sind. Umweltminister Niki Berlakovich

Unsere Bauern bringen’s:

Wir sind Bio-Weltmeister