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sichtig, dass alternative Energien in Zukunft einen größe- ren Teil des Weltenergiebedarfs decken müssen. Dieser wird sich bis zum Jahr 2050 schätzungsweise verdrei- fachen. Circa sieben bis zehn Prozent des Energiebedarfs wer- den weltweit durch Atomstrom, Wind- und Wasserkraft so- wie Biomasseverwertung gedeckt. Jede dieser Energiefor- men birgt Probleme: Kernkraft wird immer eine Risiko- technologie bleiben und benötigt vor allem konsensfähige Lagerstätten für den langlebigen radioaktiven Abfall. Aller- dings ist Atomstrom die einzige Energieform, die als Ne- benprodukt kein Kohlendioxid produziert und von Stand- ortfaktoren weitgehend unabhängig ist. Deshalb wird der Bau von Atomkraftwerken in vielen Ländern eine Renais- sance erleben. Windkraft hat unter den regenerativen Energien welt- weit eine führende Stellung mit einer global installierten Kapazität von 40 Billionen Watt und Kosten von circa vier Cent pro kWh. Wind ist jedoch nicht immer verfügbar, so dass Windkraft nicht für die Sicherung von Spitzenbela- stungen im Strombedarf einsetzbar ist. In dicht besiedelten Gebieten werden Windkraftanlagen außerdem von der Be- W ohlstand schafft zwei Problemfelder, die in Zukunft das Ausmaß von Katastrophen erreichen können: ei- nen steigenden Energiebedarf und eine Zunahme von Schadstoffen. In den reichen Industriestaaten sind grenzenlose Mobi- lität, Heizung im Winter und Kühlung im Sommer, Nächte, die zu hellen Tagen werden, wie auch eine intensiv ge- nutzte Kommunikations- und Unterhaltungselektronik die Gründe für den zunehmenden Energiebedarf. Menschen in Schwellenländern und selbst die Armen dieser Welt wer- den den Trends der Reichen folgen und ihren Energiekon- sum drastisch erhöhen. Eine weitgehend auf fossilen Quel- len beruhende Energiewirtschaft produziert als gefährli- chen Abfall Kohlendioxid und weitere schädliche Gase, die sich in der Atmosphäre anreichern und so zur Erwärmung der Erdoberfläche beitragen [6]. Zwar gehen die Vorräte nicht in Kürze zur Neige, da aber der Verbrauch an fossilen Energien mit einem Prozent pro Jahr steigt und die führenden Industriestaaten einen „Kampf ums Öl“ führen, steigen die Preise für Erdölpro- dukte zur Zeit rapide an. Dies erlebt auch der Normalbür- ger, wenn er sein Auto betankt. So ist für jedermann ein- Biogasanlagen sind ideal zur Gewinnung von elektrischer Energie aus Methan und zur Ent- sorgung von biologischen Abfällen. Integriert in einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Massenviehhaltung lösen sie das Gülleprob- lem. Als Großanlage liegt ihre Zukunft in der Produktion von Biokraftstoffen. Mit Energie- pflanzen als Substrat und einer verbesserten Mikrobiologie können Biogasanlagen einen essenziellen Beitrag zur dezentralen Energie- versorgung leisten. Ohne Subventionen sind die Anlagen allerdings nicht konkurrenzfähig. Ein Beitrag zur umweltfreundlichen Energieversorgung: Biogasanlagen HANS GÜNTER GASSEN DOI:10.1002/ biuz.200410296 384 | Biol. Unserer Zeit | 6/2005 (35) © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ABB.1 Biogasanlage in dem Landwirtschaftszentrum „Schloss Eichenhof“ bei Bad Hersfeld. Neben dem Reaktor gehören zu einer Biogasanlage ein Zwischenlager für ausgefaultes Substrat, Pumpen zur Beschickung und Entleerung des Reaktors, Stör- stoffsortierung und Hygienisierung bei Verwendung von Lebensmittelabfällen, eine Gasstrecke mit Zähler, Kondensatabscheider, Entschwefelung sowie ein Blockheiz- kraftwerk zur Produktion von Strom und Wärme. Bild: K.Wagner, Landesbetrieb Land- wirtschaft Hessen, Landwirtschaftszentrum Schloss Eichenhof.

Biogasanlagen: Ein Beitrag zur umweltfreundlichen Energieversorgung

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Page 1: Biogasanlagen: Ein Beitrag zur umweltfreundlichen Energieversorgung

sichtig, dass alternative Energien in Zukunft einen größe-ren Teil des Weltenergiebedarfs decken müssen. Dieserwird sich bis zum Jahr 2050 schätzungsweise verdrei-fachen.

Circa sieben bis zehn Prozent des Energiebedarfs wer-den weltweit durch Atomstrom, Wind- und Wasserkraft so-wie Biomasseverwertung gedeckt. Jede dieser Energiefor-men birgt Probleme: Kernkraft wird immer eine Risiko-technologie bleiben und benötigt vor allem konsensfähigeLagerstätten für den langlebigen radioaktiven Abfall. Aller-dings ist Atomstrom die einzige Energieform, die als Ne-benprodukt kein Kohlendioxid produziert und von Stand-ortfaktoren weitgehend unabhängig ist. Deshalb wird derBau von Atomkraftwerken in vielen Ländern eine Renais-sance erleben.

Windkraft hat unter den regenerativen Energien welt-weit eine führende Stellung mit einer global installiertenKapazität von 40 Billionen Watt und Kosten von circa vierCent pro kWh. Wind ist jedoch nicht immer verfügbar, sodass Windkraft nicht für die Sicherung von Spitzenbela-stungen im Strombedarf einsetzbar ist. In dicht besiedeltenGebieten werden Windkraftanlagen außerdem von der Be-

Wohlstand schafft zwei Problemfelder, die in Zukunftdas Ausmaß von Katastrophen erreichen können: ei-

nen steigenden Energiebedarf und eine Zunahme vonSchadstoffen.

In den reichen Industriestaaten sind grenzenlose Mobi-lität, Heizung im Winter und Kühlung im Sommer, Nächte,die zu hellen Tagen werden, wie auch eine intensiv ge-nutzte Kommunikations- und Unterhaltungselektronik dieGründe für den zunehmenden Energiebedarf. Menschen inSchwellenländern und selbst die Armen dieser Welt wer-den den Trends der Reichen folgen und ihren Energiekon-sum drastisch erhöhen. Eine weitgehend auf fossilen Quel-len beruhende Energiewirtschaft produziert als gefährli-chen Abfall Kohlendioxid und weitere schädliche Gase, diesich in der Atmosphäre anreichern und so zur Erwärmungder Erdoberfläche beitragen [6].

Zwar gehen die Vorräte nicht in Kürze zur Neige, daaber der Verbrauch an fossilen Energien mit einem Prozentpro Jahr steigt und die führenden Industriestaaten einen„Kampf ums Öl“ führen, steigen die Preise für Erdölpro-dukte zur Zeit rapide an. Dies erlebt auch der Normalbür-ger, wenn er sein Auto betankt. So ist für jedermann ein-

Biogasanlagen sind ideal zur Gewinnung vonelektrischer Energie aus Methan und zur Ent-sorgung von biologischen Abfällen. Integriertin einen landwirtschaftlichen Betrieb mitMassenviehhaltung lösen sie das Gülleprob-lem. Als Großanlage liegt ihre Zukunft in derProduktion von Biokraftstoffen. Mit Energie-pflanzen als Substrat und einer verbessertenMikrobiologie können Biogasanlagen einenessenziellen Beitrag zur dezentralen Energie-versorgung leisten. Ohne Subventionen sinddie Anlagen allerdings nicht konkurrenzfähig.

Ein Beitrag zur umweltfreundlichen Energieversorgung:

BiogasanlagenHANS GÜNTER GASSEN

DOI:10.1002/biuz.200410296384 | Biol. Unserer Zeit | 6/2005 (35) © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

A B B . 1 Biogasanlage in dem Landwirtschaftszentrum „Schloss Eichenhof“ bei BadHersfeld. Neben dem Reaktor gehören zu einer Biogasanlage ein Zwischenlager fürausgefaultes Substrat, Pumpen zur Beschickung und Entleerung des Reaktors, Stör-stoffsortierung und Hygienisierung bei Verwendung von Lebensmittelabfällen, eineGasstrecke mit Zähler, Kondensatabscheider, Entschwefelung sowie ein Blockheiz-kraftwerk zur Produktion von Strom und Wärme. Bild: K.Wagner, Landesbetrieb Land-wirtschaft Hessen, Landwirtschaftszentrum Schloss Eichenhof.

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B I O G A S A N L A G E N | B I OT EC H N O LO G I E

völkerung wegen der damit verbundenen Lärmbelästigung,des Schlagschattens und der Verschandelung von Natur-landschaften abgelehnt.

Wasserkraftwerke sind auf niederschlagsreiche Gebietewie beispielsweise Nordeuropa und die Alpenländer be-schränkt und verändern in Form von Stauseen drastisch dasLandschaftsbild.

Solarenergie ist immer noch teuer, obwohl in den ver-gangenen 30 Jahren die Kosten für Solarstrom um zweiZehnerpotenzen gesunken sind. Die Nanotechnologie undneue Halbleiter sollten es ermöglichen, dass die Stromer-zeugungskosten nochmals um das Hundertfache sinken.

Biogas als Trendsetter bei regenerativen Energien

Biogasanlagen sind Solarenergie und Windkraft überlegen,da mit einfachen Anlagen nicht nur Energie in Form vonElektrizität, Wärme und Naturgas sowie flüssiger Treibstoffproduziert werden können, sondern auch Abfälle zurück inden Produktionskreislauf gebracht werden. Seit 1990 ent-wickelt sich in Deutschland aus den kleinen Hofanlagen ra-pide eine Biogasindustrie (Abbildung 1).

Aufgrund des hohen Fleischverzehrs in den reichen In-dustriestaaten ist die traditionelle Gülleverwertung durchAusbringen auf landwirtschaftlich genutzte Flächen ausdem Gleichgewicht geraten. Hühnerfarmen, Milchbetriebeund Rindermäster wissen nicht mehr, wohin mit der Gülle.Tierische Exkremente überlasten die Felder und Weidege-biete sind in der Gefahr, zum Gülleland zu werden. Als Aus-weg haben Bauernhöfe die Verfahren der anaeroben Fer-mentation von Klärwerken übernommen und Biogasanla-gen gebaut (Abbildung 2). Davon gibt es in Deutschland zurZeit etwa 2.500. Diese Anlagen vergären die Gülle und pro-duzieren Wärme und circa 120.000 kWh Strom pro Jahr fürden Eigenbedarf. Die Rückstände aus der Fermentationwerden als geruchsarmer Dünger auf den Feldern ausge-bracht [9].

Noch immer dominieren besonders in Süddeutschlanddie auf Eigenbedarf ausgerichteten Anlagen. Aber seit dem

Jahr 2000 baut die Biogasindustrie auch Großanlagen mitzehn Megawatt Leistung. Diese fermentieren nicht nurGülle, sondern Bioabfälle aller Art, besonders Fettabfällevon Schlachthöfen sowie Produktionsrückstände der Le-bensmittelindustrie. Zur Zeit steht die Biogasindustrie aneinem Wendepunkt, den zuvor schon ähnliche Biobetriebewie Brauereien oder pharmazeutische Proteinproduzentenerlebten: der Wende von der Naturanlage zur Hightech-Pro-duktion (Abbildung 3).

Dies betrifft vor allem die Entwicklung von anaerobenBakterienstämmen, die als Starterkulturen für eine höhereGasausbeute sorgen. Im Bereich Absatz lauten die neuenHerausforderungen: in das Gasnetz einspeisbares Biogas,Konversion von Methan zu Wasserstoff für den Betrieb vonBrennstoffzellen und die Belieferung von Tankstellen mitflüssigem Treibstoff.

Verwertung von organischem Materialin Biogasanlagen

In Ökosystemen, in denen Sauerstoff im Überfluss vorhan-den ist, wird die pflanzliche und tierische Biomasse mei-stens von aeroben Bakterien zu Kohlendioxid und Wasserabgebaut. In Ökosystemen, in denen es an Sauerstoff fehlt– wie in Sümpfen, in Flusssedimenten oder im Verdauungs-trakt von Tieren und Menschen – vollzieht sich die Oxida-tion der abgestorbenen Biomasse zusätzlich durch Anaero-bier, die zur Reduktion Elektronenakzeptoren wie Sulfatoder dreiwertiges Eisen (Fe3+) nutzen [8].

Als Mikroorganismen-Population wird in Biogasanlagender natürliche Besatz genutzt, der mit der Gülle in den Fer-menter gelangt. Allerdings optimieren sich die Organismendurch den Betrieb und die Belastung im Sinne eines Aus-wahlprozesses selbst (Abbildung 4).

Zur anaeroben Behandlung von Abwasser oder Güllemuss Luftsauerstoff ausgeschlossen werden, um das nied-rige Redoxpotenzial zu garantieren, welches für das Über-leben und die metabolische Stabilitätder acetogenen, sulfidogenen undmethanogenen Bakterienpopulatio-

A B B . 2 Schematische Skizze zurFunktionsweise einer Biogasanlage aufeinem Bauernhof. Eine solche Anlagebesteht aus einem Fermenter mit circa800 m3 Fassungsvermögen und einem300 m3 Gasspeicher. Die Gärtemperaturbeträgt 38° C. Die verwertete Gülle-menge pro Jahr beläuft sich auf rund2.000 m3 Rindergülle, 2.000 m3 Schwei-negülle, 300 t Geflügelkot und 3.000 tFestmist. Dazu kommen 500 t Kofer-mente (z. B. Silomais, Grünroggen undGrassilage). Die Leistung des ange-schlossenen Blockheizkraftwerks be-trägt täglich 120 kWh Strom und 240kWh Wärme. Beides addiert sich zu360 kWh so genannter Feuerungsleis-tung. Die in das öffentliche Netz einge-speiste elektrische Leistung summiertsich auf circa 120.000 kWh pro Jahr. Bild: Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, www.landwirtschaftskammer.de.

Wohnhaus

Stall Gülle

Vorgabe

Wärme-speicher

Nahwärme

öffentliches Stromnetz

BHKW

Gas-speicher

Fermentervergorene

Gülle

Kofermente

Strom Wärme Gas Gülle Kofermente landwirtschaftl. Verwertung

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A B B . 3 Biokraft-werk in Neubu-kow. Eine solcheAnlage hat einenDurchsatz voncirca 160.000 t anAbfällen organi-scher Art pro Jahr.Die elektrischeLeistung beträgt2.040 kWh.Bild: Fa. FarmatechAG.

ABB. 4 D I E B I O G A S PRO D U K T I O N I S T CO 2- N E U T R A L

CO2(in der Atmosphäre)

CO2(aus der Atmosphäre)

CO2

Nahrungs-mittel

Nahrungs-mittel

Futter-mittel

Gülle

Elektrizität

WärmeTreibstoffgasförmig

Treibstoffflüssig

Abfälle aus der Nahrungs-mittel-industrie

Ernterückstände

biologischer Dünger

Biogas-anlage

Rückstände aus der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion lassen sich in einer Biogasanlage CO2-neutral zu Stromund Wärme transformieren. Die Rückstände der Fermentation dienen als Dünger.

nen nötig ist. Dabei verlaufen der hydrolytische Abbau vonMakromolekülen, die Aufnahme der entstandenen nieder-molekularen Substanzen in die Zellen sowie die Glykolysein aeroben wie anaeroben Bakterien ähnlich. Während je-doch Aerobier Acetat über den Citratzyklus mobilisierenund anschließend in der oxidativen Phosphorylierung ver-atmen, produzieren Bakterien wie Ruminokokken oderClostridien entweder Wasserstoff oder reduzierte Verbin-dungen wie Lactat, Ethanol oder Butyrat. Diese reduziertenVerbindungen werden durch Anaerobier unter Freisetzungvon Wasserstoff zu Acetat oxidiert. Acetogene Bakterien

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B I O G A S A N L A G E N | B I OT EC H N O LO G I E

können aber nur wachsen, wenn der entstehende Wasser-stoff von Bakterien des Typs Methanogene oder Sulfatredu-zierer verbraucht wird [10].

Bei dem anaeroben Abbau der Gülle werden 95 Prozentdes Kohlenstoffs für die Biogasbildung verbraucht und nurdie restlichen fünf Prozent werden für die Neubildung unddas Wachstum der Bakterien genutzt. Diese Daten gehenallerdings auf Modellversuche mit Glucose als Substratzurück [3]. Da 90 Prozent der ursprünglich im Substratvorhandenen Energie in Biogas umgesetzt wird und somitnur sehr wenig Wärme durch die Fermentation entsteht,müssen Biogasanlagen geheizt werden. Um die für die Me-thanbildung nötige Bakterienkonzentration im Fermenterzu garantieren, dürfen bei Systemen, die über keine Bio-masse-Rückhaltung verfügen, Verweilzeiten von zehn bis15 Tagen nicht unterschritten werden, weil sonst die Met-hanbakterien ausgewaschen werden und der Prozess zumErliegen kommt. Die geringe Wachstumsgeschwindigkeitder Methanbakterien bedingt weiterhin, dass in der PraxisAnlagen eine Startphase von bis zu drei Monaten benöti-gen, da die benötigte Impfschlamm-Menge erst gebildetwerden muss.

In Biogasanlagen mit 40 Gramm Festbestandteilen proLiter Gülle, die zu 50 Prozent abbaubar sind, werden unteroptimalen Verhältnissen circa 13 Liter Biogas gebildet. InHofanlagen wird das gebildete Methan zum Betrieb vonMotoren genutzt, die wiederum Generatoren zur Strom-erzeugung betreiben, so genannte Blockheizkraftwerke

(BHKW). Die als Beiprodukt entstehende Wärme wird zumBeheizen der Biogasanlage, Stallungen und Wohnanlagengenutzt.

Grundlagen der Methanvergärungvon Bioabfällen

Die Methangärung lässt sich in drei Stufen untergliedern(Abbildung 5). Für diese Phasen werden verschiedene Bak-teriengruppen benötigt. In der ersten Stufe, der Hydrolyse,werden makromolekulare Verbindungen wie Proteine,Fette und Kohlenhydrate mit von den Bakterien ausge-schiedenen Enzymen zu Zuckern, Aminosäuren undFettsäuren gespalten. Diese Substanzen werden in dernachfolgenden Säuerungsphase zu Säuren und Alkoholen,aber auch zu Wasserstoff und Kohlendioxid vergoren.Gleichzeitig werden Stickstoff- und Schwefelverbindungenzu Ammoniak und Schwefelwasserstoff umgesetzt. In derdritten Stufe erfolgt unter streng anaeroben Bedingungendie Erzeugung von Methan und Kohlendioxid sowie Spurenvon Wasserstoff, Schwefelwasserstoff und Ammoniak. DieEffizienz der anaeroben Methanbildner, die aus Kohlendio-xid und Wasserstoff Methan bilden, hängt von der Mengedes zuvor produzierten Wasserstoffes ab. Somit ist eineenge Symbiose von Wasserstoff-Bildnern und Wasserstoff-Verbrauchern essenziell [3, 11].

Für den optimalen Betrieb einer Biogasanlage müssendie Hydrolyse der Makromoleküle und die Methangärungoptimiert werden. Der erste Schritt lässt sich durch eine

ABB. 5 R E A K T I O N S W EG E I N E S A N A E RO B E N B I OA B BAU S

Der Abbau verläuft in drei Stufen: der enzymatischen Hydrolyse der Makromoleküle zu niedermolekularen Substraten (1),gefolgt von der Reaktion mit acetogenen Bakterien (2) und in der dritten Stufe der Methanbildung (3). Bild: H. Märkl, Modelingof Biogas Reactors, [3].

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bessere Zerkleinerung der Substrate und eventuell durchEnzymzusätze erreichen, während es im zweiten Schrittauf die Zusammensetzung der Mikroorganismen ankommt.Die mikrobiellen Stoffwechselvorgänge sind von vielenphysikalisch-chemischen Einflüssen abhängig, welche fürden optimalen Gärverlauf justiert und verfolgt werdenmüssen. Dabei unterscheiden sich die Milieuanforderun-gen der Hydrolyse-Bakterien von denen der Methanbildner.So wäre mit Bezug auf den Fermenter ein zweistufiges Ver-fahren sinnvoll. Falls dies aus Konstruktions- oder aus Ko-stengründen nicht möglich ist, müssen die technischen Be-dingungen auf die kapriziösen Methanbildner hin opti-miert werden. Der Feststoffgehalt im Fermenter sollteeinen Grenzwert von 30 Prozent Trockensubstanz nichtüberschreiten und ein Nährstoffverhältnis C:N:P:S von600:15:5:3 ist ausreichend, da die Biomassebildung geringist und somit nur wenig Stickstoff, Phosphor und Schwefelverbraucht wird. Weiterhin müssen die SpurenelementeNickel, Kobalt, Molybdän und Selen ausreichend vorhan-den sein.

Prinzipiell muss bei dem Betrieb einer Biogasanlagezwischen dem Einsatz von mesophilen und thermophilenBakterien unterschieden werden. Mit den vielfältigen me-sophilen Bakterien – die eine Betriebstemperatur von 32bis 42° C benötigen – wird die beste Prozessstabilität er-reicht, während eine thermophile Betriebsweise – die beihöheren Temperaturen von 50 bis 58° C abläuft – zu einerhöheren Abbaurate und Prozessgeschwindigkeit führt. Diehöhere Prozesstemperatur bewirkt auch, dass tier- undpflanzenpathogene Keime effizient abgetötet werden, sodass oft auf eine separate Hygienisierung verzichtet wer-den kann. Weiterhin muss bei der Methangärung ein striktanaerobes Milieu vorliegen, da Sauerstoff für die obligatanaeroben Methanbildner toxisch ist. Da diese jedoch inGegenwart von versauernden Bakterien wachsen, wirdSauerstoff im Reaktionsraum sofort verbraucht. Dies er-spart eine komplexe Prozessführung.

Die Biogaserträge hängen wesentlich mit der stoffli-chen Zusammensetzung des Gärsubstrats zusammen, wo-bei mit Fetten die höchsten Erträge, mit Kohlenhydratendagegen niedrigere Ausbeuten erzielt werden (Tabelle 1).Lignine aus pflanzlichen Materialien wirken sich negativauf die Gasausbeute aus, da sie von den Bakterien nicht me-tabolisiert werden können [2]. Im Allgemeinen können

G E S E T Z L I C H E R EG E L N Z U R B I O G A S PRO D U K T I O N |Bioabfälle im Sinne der Bioabfallverordnung (BioAb/V) sindAbfälle tierischer oder pflanzlicher Herkunft, die durch Mikro-organismen, bodenbürtige Lebewesen oder Enzyme abgebautwerden können. Vor dem Aufbringen müssen Bioabfälle so be-handelt werden, dass sie säuger- und phytohygienisch unbe-denklich sind. Bei der Ausbringung auf Felder dürfen die fer-mentierten Bioabfälle bestimmte Schwermetallgehalte nichtüberschreiten.

Am 7. Oktober 1996 ist das Kreislaufwirtschafts- und Abfall-gesetz (KrW-/AbfG) in Kraft getreten. Zweck des Gesetzes istdie Förderung der Kreislaufwirtschaft, um natürliche Ressour-cen zu schonen und die umweltverträgliche Beseitigung vonAbfällen zu sichern. Es ist damit zu rechnen, dass biologischeAbfälle von 2006 an nicht mehr in Deponien abgelagert wer-den dürfen, da die durch die Vergärung bedingte Ausgasungsowie die entstehenden Sickerwasser kostenintensive Betriebs-probleme mit sich bringen.

Die Klärschlammverordnung (AbfKlärV) vom 15. August1992 regelt die Verwertung von kommunalem Klärschlammauf landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Flächen.Große Biogasanlagen müssen allerdings nach §4 Bundes-Emissionsschutzgesetz (BEmSchG) genehmigt werden.

Grundlage für die wirtschaftliche Verwertung des Biogases istdas im April 2000 in Kraft getretene Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG). In den Anwendungsbereich des EEG fallen Anla-gen mit einer Leistung bis einschließlich 20 MWh, in denenStrom aus Biomasse gewonnen wird, sowie Deponiegas- oderKlärgasanlagen mit einer Leistung bis einschließlich 5 MWh.Das Gesetz regelt die Abnahme und die Vergütung von Strom,unter anderem aus der Verstromung von Biomasse durchElektrizitätsversorgungs-Unternehmer und Netzbetreiber. DieVergütungssätze des EEG richten sich nach der Leistungsgrößeder Anlage und werden für eine Dauer von 20 Betriebsjahrengewährt. Die Mindestvergütung für neu errichtete Biomasse-beziehungsweise Deponie- oder Klärgasanlagen liegt zwi-schen 86 und 100 4 pro MWh. Sie nimmt von großen zu klei-nen Anlagen zu, d. h. sie liegt bei 500 KWh-Anlagen bei 100 4und fällt auf 86 4 bei großen 5 MWh-Anlagen.

Die Biomasseverordnung vom Juni 2001 setzt fest, welchebiogenen Stoffe und technischen Verfahren in den Anwen-dungsbereich der EEG fallen. Allgemein sind dies Energieträgeraus tierischem und pflanzlichem Material sowie deren Folge-und Nebenprodukte. Auch die Europäische Union hat im Sep-tember 2001 eine Richtlinie für erneuerbare Energien verab-schiedet, die im Oktober 2001 in Kraft trat. Im Jahr 2010 sollder Anteil der erneuerbaren Energien in den Staaten der Eu-ropäischen Union zwölf Prozent des Gesamtenergiever-brauchs betragen. Für Deutschland lautet das Richtziel zwölfProzent im Jahr 2010, ausgehend von sechs Prozent im Jahr2000.

Die energiepolitischen Ziele sind vor dem Hintergrund des Kli-maschutzes zu sehen, wie sie im Kyoto-Protokoll formuliertwurden. Von der 3. Vertragsstaaten-Konferenz der Klimarah-menkonvention von 1997 wurde festgelegt, die Treibhausgasebis zum Jahr 2012 um mindestens fünf Prozent unter das Ni-veau von 1990 zu senken. Deutschland möchte die Emmisionvon Treibhausgasen in diesem Zeitraum sogar um 20 Prozentsenken [1].

Altfett 600Speiseabfälle 220Maissilage 171Schweinegülle 36Rindergülle 25Die Biogas-Ausbeute ist bei Nutzung von Lebensmittelabfällen am höchs-ten und bei Gülle am niedrigsten.

Substrat m3 Biogas/ t Substrat

TA B . 1 B I O G A S - AU S B E U T E V E R S C H I E D E N E R

S U B S T R AT E

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Ausbeuten von 0,7 bis 1,0 KubikmeterGas pro Kilogramm organischerTrockensubstanz erreicht werden.Tierische Exkremente enthalten nurzehn Prozent Trockenmasse, deshalbbeträgt der Gasertrag nur circa 20 Pro-zent von dem, der mit nachwachsen-den Rohstoffen erzielt werden kann[7].

Energie ausnachwachsendenRohstoffen

Seit dem „Club of Rome“ und dem Kli-maschutz-Protokoll von Kyoto ist denRegierungen der Zusammenhang vonEnergieversorgung und schädlichenKlimagasen bekannt. Organisationenwie die Vereinten Nationen, die Eu-ropäische Union und auch einzelneStaaten beginnen ihre Energiepolitikneu auszurichten. So will Deutschlandden Ausstoß an Treibhausgasen bis2012 um 20 Prozent senken (sieheauch Daten in dem Kasten). Techni-sche Innovationen, die uns nachhalti-ges Wirtschaften bei hoher Lebens-qualität erlauben, sind auch in der Ab-fallwirtschaft gefragt (Abbildung 6).Bisherige Abfälle zur Energiegewin-nung einzusetzen und die Reststoffewieder in den Stoffkreislauf einzubrin-gen, stellt ein Vorhaben dar, welchestatsächlich das Attribut „nachhaltig“verdient.

Nach Schätzungen stehen alleinaus der Tierhaltung in Deutschlandetwa 21.000 Tonnen pro Tag an orga-nischer Trockensubstanz von Fest-und Flüssigmist für die Verwertung in Biogasanlagen zurVerfügung. Daraus ergibt sich ein theoretisches Biogas-Po-tenzial von sieben Terawattstunden pro Jahr (TWh/a). Derreale Wert dürfte aber eher bei drei Terawattstunden proJahr liegen, da ein Teil der landwirtschaftlichen Rückstän-de, beispielsweise Gülle und Mist bei Freilandhaltung, nichtfür die Fermentation zur Verfügung steht. In der Agro- undErnährungsindustrie und aus der Kommunalentsorgungvon organischen Abfällen fallen zudem etwa 17 Mio. Ton-nen an energiereichen Nebenprodukten und Abfällen proJahr an, deren Nutzung eine Erzeugung von fünf MilliardenKubikmeter Biogas pro Jahr ermöglichen könnte. Einegroße Biogasanlage, in der pro Jahr 70.000 Tonnen biolo-gisch verwertbares Material fermentiert werden, kann etwa2.500 Haushalte mit Strom versorgen.

Die Agenda 2000 sieht vor, zehn Prozent der mit kon-ventionellen Ernährungspflanzen, beispielsweise Zucker-

rüben oder Weizen, bebauten Flächen aufgrund der Über-produktion stillzulegen. Auf diesen Flächen können Pflan-zen für die Energiegewinnung angebaut werden. Diese Pro-gramme haben das zusätzliche Ziel der Schaffung eines Ab-satzmarktes für die heimische Land- und Forstwirtschaftund damit der Sicherung von Arbeitsplätzen im ländlichenRaum (Tabelle 2).

Im Jahr 2000 wurden bereits auf 842.000 Hektar nach-wachsende Rohstoffe, vor allem Ölsaaten, zur Treibstoff-herstellung angebaut (Rapsöl, Biodiesel). Der Einsatz flüssi-ger Bioenergieträger wie Pflanzenöl, Biodiesel und Bioal-kohole für das Auto wird allerdings stark durchSubventionen beeinflusst. Durch die Befreiung von der Mi-neralölsteuer werden die höheren Erzeugerkosten für Bio-diesel gegenüber herkömmlichem Benzin oder Diesel kom-pensiert. Allerdings beabsichtigt die EU eine Besteuerungvon Biokraftstoffen mit 50 Prozent des Steuersatzes auf

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ABB. 6 V E RW E R T U N G VO N L I G N O C E L LU LOS E

Ligninreiche Abfälle wie z. B. Holz sind fermentativ besonders schwer abzubauen. Nur die chemischoder enzymatisch freigesetzten Zucker aus dem Celluloseanteil können in Methan überführt werden,während Lignin im Rückstand verbleibt. Bild: C. Gallert, J. Winter, Bacterial Metabolism in Waste Water Treat-ment Systems, [3].

Lignocellulose (z. B. Holz)

Lignin+Glucose, Cellobiose, Pentose

H2, CO2, Formiat, Acetat Propionat, Butyrat, Lactat, Ethanol

H2, CO2, Acetat

CH4 + CO2

Lignocellulose (Lignin + Cellulose + Hemicellulose)

mechanische Zerkleinerung

kein wesentlicher Abbau unter anaeroben Bedingungen

Cellulase, XylanaseHydrolyse

Fermentation

Methanogenese

Acetogenese

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Mineralöle. Die Biogasproduktion ist von dieser Regelungnoch nicht betroffen.

Stromerzeugungskosten bei energetischer Biomassenutzung

Zur Ermittlung der Stromerzeugungskosten von Anlagenzur energetischen Biomassenutzung kann man auf die Da-ten aus● Deponie- und Klärwerksgasen● festen Biomassen in Dampfkraftprozessen● der Nutzung von Rapsöl und seinem Methylester und

Biogas, erzeugt durch Vergärung biologischer Abfall-produkte zurückgreifen.

Da Biogasanlagen über Blockheizkraftwerke gekoppeltWärme und Strom produzieren und die Wärme zwar fürden Eigenbedarf nutzbar ist, aber nur selten als Fernwärmeeingespeist werden kann, sind meistens nur die Stromer-zeugungskosten für die Bewertung der Wirtschaftlichkeitrelevant. Großanlagen in der Nähe von Ballungsräumenkönnen allerdings die Abwärme eines BHKW auch in einFernwärmenetz einspeisen, was eine zusätzliche Einnahmevon circa 20 Prozent der Betriebskosten erbringt. Zur Be-rechnung der Stromerzeugungskosten werden die Strom-vergütungen nach §4 und §5 Energie-Einspeisungs-Gesetz(EEG) zugrunde gelegt: So erhalten Bioenergieanlagen biseinschließlich 500 kWh Leistung eine Subvention von circa100 h/MWh, die bei Großanlagen bis unter 90 h reduziertwird [12].

Zwei Maßnahmen garantieren eine zunehmende Wirt-schaftlichkeit von Biogasanlagen: Anlagen, die mehr als 500kWh an Strom produzieren und die Verwendung von hoch-energetischen Substraten, wie Abfallfetten oder Maissilage.

Bei solchen Anlagen muss man jedoch bereits von einemGüllebedarf von 40.000 m3 pro Jahr ausgehen, dies ent-spricht etwa 2.200 Großvieheinheiten. Bei den Substratenaus dem Bereich nachwachsender Rohstoffe kostet dieMaissilage circa 25 h/t, während bei der Verwertung vonAbfallfetten sogar Gebühren, so genannte Toreinnahmen,von 50 h je Tonne Abfall erzielt werden [4].

Energiefarming: Nachwachsende Rohstoffefür die Biogasproduktion

Die Sonne bestrahlt die Erde mit dem Sechstausendfachenan Energie, welche die Menschen zur Zeit verbrauchen.Dieser gewaltige Überschuss an Sonnenenergie lässt sichhervorragend zur Produktion von Energiepflanzen nutzen[1].

Energiefarming ist eine neue Form eines auf Energiege-winnung optimierten Ackerbaus, der erhebliche Entwick-lungspotenziale bei Flächenproduktivität, Energiebilanzund der damit verbundenen Wirtschaftlichkeit bietet. FürZüchter ist die Maximierung der Energieproduktion inNutzpflanzen ein Marktsegment, das kurzfristig beein-druckende Erfolge verspricht. Als Beispiel sei ein auf Ener-gieertrag hin optimierter Mais angeführt, dessen Ertrag bei30 Tonnen Trockenmasse pro Hektar liegt, was etwa19.000 m3 Biogas entspricht (siehe Tabelle 2).

Energiefarming erfordert einen Paradigmenwechsel imAckerbau mit neuen Zielsetzungen: maximaler Energieer-trag pro Ackerfläche und eine möglichst hohe Energiebi-lanz bei der Verwertung der Nutzpflanzen. Der maximaleEnergieertrag – auch als der Trockenmasseertrag bezeich-net – ist ein neues Zuchtziel für die Pflanzenzüchter. Pflan-zen sind von Natur aus nicht auf Masseertrag ausgerichtet,sondern auf Arterhaltung, also Fortpflanzung und damitSamenproduktion. Bei Nutzpflanzen werden in der Regelnur die Samen oder die Speicherorgane geerntet.

Bei Energiepflanzen soll möglichst viel organischeMasse pro Fläche gewonnen werden. Im Pflanzenwachs-tum lassen sich zwei Phasen unterscheiden: die vegetativePhase mit intensivem Massenwuchs und die generativePhase für Samenbildung und Abreife. Zum Anbau vonEnergiepflanzen muss zur optimalen Nutzung der einge-strahlten Lichtenergie in Form der Photosynthese die Vege-tationsperiode voll ausgeschöpft werden, d. h. auch derFrüh- und Spätsommer. Zurzeit können nur ein Prozent dereingestrahlten Sonnenenergie von der Pflanze umgesetztwerden. Durch Züchtung von neuen Massepflanzen undzielgerichtete Anbaumethoden kann dieser Wert verdop-pelt werden.

Die Erfolgspflanze für das Energiefarming ist vor allemder Mais. Mais verfügt weltweit über eine große genetischeVariabilität, die für eine effektive Hybridzüchtung nutzbarist. Als so genannte C4-Pflanze bildet der Mais bei hoherTemperatur und Lichtintensität unter geringem Wasserbe-darf sehr viel Trockenmasse. Bei Nutzung so genannterKurztags-Gene aus südamerikanischem Zuchtmaterial wirdunter deutschen Langtagsverhältnissen die generative

Ertrag dt/ha 35 70 600 1000 (30 % TM)

Produktpreis 3/ ha 770 700 2100 1000Erlös für den Anbau 1095 1025 2100 1325(inkl. 325 3 Flächenbeihilfe) Nach Umwandlung in andere Energieform:Rohstoffbedarf 2,9 kg/ l 2,8 kg/ l 10 kg/ l 5,3 kg/ m3

Öl Ethanol Ethanol BiogasProduktion/ ha 1200 l 2500 l 6000 l 19.000 m3

Öl Ethanol Ethanol BiogaskWh/ ha 10.500 15.000 36.000 105.000Rohstoffkosten/ kWh 7,4 cent 4,7 cent 5,8 cent 0,95 cent1 l Ethanol ∼ = 6,0 kWh, 1 t Mais ∼ 190 m3 Biogas, 1 m3 Biogas = 5,5 kWh. Die Werte für die Um-wandlung (Konversion) von Mais in Biogas sind Messwerte bei optimaler Fermenterführung. Bei derVerbrennung von Ethanol oder Biogas in einem Motor, der mit einem Generator zur Stromerzeu-gung gekoppelt ist (Blockheizkraftwerk, BHKW), lassen sich die angegebenen Strommengengewinnen.Die Daten zeigen, dass herkömmliche Nutzpflanzen, ökonomisch gesehen, nur bedingt zur Energie-gewinnung geeignet sind. Wirtschaftlich wird das Konzept erst, wenn spezielle Energiepflanzen wieMais – siehe rechte Spalte – gezüchtet werden. Abkürzungen: dt = Dezitonne (100 kg), ha = Hektar,kWH = Kilowattstunde, TM= Trockenmasse.

Landwirtschaftliche Winter- Getreide Zucker- Energie-Produktion: raps rüben mais

TA B . 2 KO N V E R S I O N VO N N U T Z- U N D E N E RG I E P F L A N Z E N I N E N E RG I E

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B I O G A S A N L A G E N | B I OT EC H N O LO G I E

Phase verkürzt und das damit einhergehende intensive ve-getative Wachstum führt zu einer enormen Massenwüch-sigkeit.

Der Anbau von Energiepflanzen erfordert auch eineweitgehende Umstellung der bisherigen landwirtschaftli-chen Praxis. Außer der Effizienz muss jede Anbaukulturauch die ökologische Sicht wie die Auflockerung durchFruchtfolgen und den Erhalt der Artenvielfalt berücksichti-gen. Nach dem Anbau einer Hauptfrucht wie beispiels-weise Energiemais sollten Zwischenprodukte wie Rübsen,Senf oder Ölrettich angebaut werden, damit sich der Bodenauf natürliche Weise regenerieren kann. Der Aufwandkönnte auch durch mehrjährige Kulturen reduziert wer-den, womit das Energiefarming auch auf schwachen Er-tragsstandorten wirtschaftlich wird. Diese Anbaukonzepte,die nur auf Maximierung der Trockenmasse ausgerichtetsind, brauchen keine intensive Bodenbearbeitung, d. h.keine Herbizide, Fungizide etc., allerdings Stickstoffein-träge bis 200 kg Stickstoff pro Hektar. Außerdem könnenschnellwüchsige Pflanzen eingesetzt werden, die bishernicht als Kulturpflanzen genutzt wurden, sondern als Un-kräuter galten.

Mit der Nutzung von Energiepflanzen entsteht auch einneues Berufsbild, der Energiewirt. Da eine Biogasanlage in-mitten ausgedehnter Flächen an Energiepflanzen liegenmuss, kann die Anlage eventuell auch um einen Windparkerweitert werden. Das traditionelle Berufsbild des Land-wirts ändert sich so zu dem Energiewirt, einem Beruf mitguten Zukunftschancen [5].

Über die Wirtschaftlichkeit des Energiefarmings ent-scheidet die Energiebilanz, d. h. wie viel Energie muss manfür Ackerbau, Düngung, Ernte, Transport und Konversions-technik aufwenden – und wie viel nutzbare Energie undverbleibende Wertstoffe können gewonnen werden? BeiVergärung in Biogasanlagen wird dem Erntegut Energie inForm von Methangas entzogen, während Pflanzennähr-stoffe im ausgegorenen Produkt verbleiben und wieder alsDünger auf Flächen eingesetzt werden, auf denen erneutEnergiepflanzen wachsen. Da bei intensiver Getreidepro-duktion die Mineraldüngung erhebliche Kosten verursacht,reduziert die Nutzung der Fermentationsrückstände alsDünger im Gegensatz zur Verbrennung von organischenAbfällen die Betriebskosten erheblich.

Falls man in Deutschland zehn Prozent der derzeitigenAckerfläche für den Einsatz von Energiepflanzen vorsieht,lassen sich elf Millionen Tonnen Rohöläquivalente produ-zieren, dies entspricht 2,5 Prozent des Primärenergiebe-darfs und 20 Prozent des Kraftstoffbedarfs in Deutschland.Falls auf einer Fläche von vier Millionen Hektar Ackerland,einer so genannten Überschussfläche, die nicht zur Nah-rungsproduktion benötigt wird, Energiepflanzen angebautwerden und man auch die Grüngutabfälle dazu addiert, soexistiert ein Biomasseaufkommen, mit dem theoretisch 20Prozent des deutschen Energiebedarfs gedeckt werdenkönnen [5]. Um allerdings das Energiefarming Gewinnbringend zu gestalten, braucht es auch eine technische und

mikrobiologische Optimierung von Fermentation und Gas-aufbereitung. Der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolgliegt in der Reduktion der Verweilzeit der Biomasse im Fer-menter und der Verminderung der unvergorenen Rest-masse.

Biomasse-Gewinnung ist eine erneuerbare Energie-form, welche die Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllt. Be-dingt durch die Konkurrenz mit zur Zeit immer noch preis-werten und bisher unbeschränkt verfügbaren Energieträ-gern wie Erdöl und Naturgas sowie Strom aus Atom, Kohleoder Braunkohle ist allerdings die energetische Biomasse-verwertung nur konkurrenzfähig, wenn sie erheblich unddauerhaft subventioniert wird, beispielsweise in Form vonFlächenstilllegungsprämien beziehungsweise Ausgleichs-zahlungen sowie der Steuerbefreiung beim Biokraftstoff.

Da bei der Biogastechnik der Nettogewinn an Energieaus Biomasse nur 50 bis 60 Prozent beträgt, weil Energiefür das Blockheizkraftwerk und den Fermenter gebrauchtwird, kann auch eine Kombination von Verkokung (ther-mische Behandlung von Holz unter Sauerstoffausschluss)und Fermentation zur Produktion von Bio- und Synthesegas(ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid), wirt-schaftlich sein. So können auch ligninreiche Abfälle wiebeispielsweise Holz und Grünschnitt entsorgt werden. DasProblem bei der Gewinnung von Wasserstoff und Kohlen-monoxid als Synthesegas sind zur Zeit noch die flüchtigenTeerverbindungen in dem Gasgemisch.

Biogas als Treibstoff und als Quelle für dieProduktion von Wasserstoff

Bevor Biogas als Treibstoff für Autos kommerziell genutztwerden kann, muss vergleichbar dem Stromeinspeisege-setz auch ein Gaseinspeisegesetz (GEG) realisiert werden,um für Investoren und Betreiber langfristig kalkulierbareEinnahmen zu garantieren. Ohne Subventionen ist Biogaszu teuer. Weiterhin müssen von den Unternehmen die tech-nischen Voraussetzungen geschaffen werden, um einschadstofffreies Methangas mit einer Reinheit von über 95Prozent zu produzieren und für Transportzwecke zu ver-dichten. Für die Wirtschaftlichkeit von großen Biogasanla-gen bei eventuell sinkenden Subventionen sind sowohl dieEinspeisung des Biogases in das Erdgasnetz wie auch seinVertrieb über das existierende Tankstellennetz unverzicht-bar.

Ideal wäre natürlich die Umwandlung von Methan inWasserstoff, denn in Verbrennungsmotoren würde mit die-sem Energieträger als Abgas nur Wasser entstehen. Wasser-stoff ist universell herstellbar, ist geruchs- und schadstoff-

I N T E R N E T |Ein großes Angebot an Informationen und weiterer Fachliteratur– circa 200 Referenzen – kann man beim Fachverband Biogas e.V.erhalten: www.biogas.org

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frei, kann verflüssigt werden und es existieren mit Bezugauf seine Handhabung als Energieträger langjährige undvielfältige Erfahrungen. Wasserstoff kann sowohl in Moto-ren wie in Brennstoffzellen eingesetzt werden. Die Verfah-ren zur Erzeugung von Wasserstoff aus Biogas, d. h. ausMethan sind bekannt und bedürfen nur der technischenOptimierung. Nötig sind verbesserte Produktionsverfahrenfür reines, schadstofffreies Methan und die Verdichtung desGases, um Transport- und Lagerungskosten zu reduzieren.Man kann Biogas auch zur Stromerzeugung nutzen, umdann mittels einer Elektrolyse Wasserstoff zu produzieren.Mit beiden Verfahren kann hochreiner Wasserstoff herge-stellt werden, der schadstofffrei in Motoren verbranntwird.

ZusammenfassungBiogasanlagen bieten eine Möglichkeit zur Entsorgung vonbiologischen Abfällen und Versorgung mit regenerativerEnergie und sind ein gutes Beispiel dafür, wie angewandteBiologie in wirtschaftliches Handeln umgesetzt werdenkann. Hofanlagen, die besonders der Güllebeseitigung die-nen, haben bereits einen hohen technischen Reifegrad er-reicht. Damit die Fermentation von biologischem Materialauch einen essenziellen Beitrag zur Energieversorgung leistenkann, müssen die anaerobe Fermentation verbessert und dieZüchtung und der Anbau von Energiepflanzen forciert wer-den. Die Gewinnung von Wasserstoff aus „biologischemMethan“ ist ein faszinierender Beitrag zu dem schadstoff-freien Verbrennungsmotor.

Literatur[1] Berichte zur 11. Jahrestagung des Fachverbandes Biogas, Biogas –

die universelle Energie von morgen, Freising, 2002.[2] P. J. Colberg, Anaerobic microbial degradation of cellulose, lignin,

oligolignols and monoaromatic lignum derivates in Biology of Anae-robic Microorganisms. In: A. J. B. Zehnder (Hrsg.), Biology of anaero-bic microorganisms, Wiley, New York, 1988.

[3] H.-J. Jördening, J. Winter (Hrsg.), Environmental Biotechnology, Wi-ley-VCH, Weinheim, 2005.

[4] E. Kesten, Energiefarming, Neue Aufgaben für die Pflanzenzüch-tung, 2003.

[5] KWS SAAT AG, Mit Visionen für die Zukunft der Landwirtschaft ge-stalten, 12. Jahrestagung des Fachverbandes Biogas e.V., Freising,2003.

[6] D. H. Meadows, D. L. Zahn, E. Milling, Die Grenzen des Wachstums,Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart, 1972.

[7] M. C. Medenbach (Hrsg.), Erneuerbare Energien in der Landwirt-schaft, Zeven, 2001.

[8] H. Sahm, Biologie der Methanbildung, Chem. Ing. Technol. 1981,53, 854–863.

[9] Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,Landwirtschaftsverlag, Münster-Hiltrup, 2004.

[10] C. K. Stumm, J. H. P. Stumm, Methanbakterien und Protisten in denGärkammern von Wiederkäuern und Insekten. In: K. Hausmann, B.P. Kremer (Hrsg.), Extremophile, Mikroorganismen in extremen Le-bensräumen, Wiley-VCH, Weinheim, 1995.

[11] R. K. Thauer, R. K. Junkermann, K. Decker, Energy conservation inchemotrophic anaerobic bacteria, Bact. Rev. 1977, 41, 100–180.

[12] A. Wellinger et al., Biogas Handbuch – Grundlagen, Planung, Betrieblandwirtschaftlicher Anlagen, Verlag Wirz AG, Aarau, 1991.

Der AutorHans Günter Gassen, geboren 1938. Studium derChemie in Marburg. Dissertation im Bereich Protein-chemie. 1967–1969 Forschungsaufenthalt am OakRidge Laboratorium, USA. 1969–1971 Mitarbeitam Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizinin Göttingen. 1972 Habilitation an der UniversitätMünster. Seit 1973 Professor und Leiter des Fach-gebietes Biochemie an der Technischen UniversitätDarmstadt. Gründer und Gesellschafter derB.R.A.I.N. GmbH, GENIUS GmbH und N-Zyme BioTecGmbH. Seit 2005 Emeritus und Herausgeber desneuen Wiley-VCH-Titels „Biotechnology Journal“.

Korrespondenz:Prof. Dr. Hans Günter GassenTechnische Universität DarmstadtClemens-Schöpf-Institut für Organische Chemie und BiochemiePetersenstrasse 22, 64287 DarmstadtEmail: [email protected]