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Gefässchirurgie 2012 · 17:63–73DOI 10.1007/s00772-011-0992-1Online publiziert: 1. Februar 2012© Springer-Verlag 2012
I. Töpel · M. SteinbauerKlinik für Gefäßchirurgie, Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg
Biologische Sicherungs-operationen bei infektiösen Komplikationen in der Leiste
ZusammenfassungInfektiöse Komplikationen treten in der Gefäßchirurgie selten auf, sind aber mit mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden. Aufgrund starker mikrobieller Kolonisation stellt die Leiste eine Hochrisikoregion des Körpers für Wundinfektionen nach chirurgischen Eingriffen dar. Die Behandlung infektöser Komplikationen nach gefäßchirurgischen Ein-griffen erfordert komplexe chirurgische Strategien, die von einer suffizienten antiinfektiven Therapie und der Behandlung der Risikofaktoren begleitet werden muss. Die chirurgische Therapie von Protheseninfekten ist ohne die Anwendung biologischer Sicherungsverfahren nicht effektiv. Daher gewinnen die Fähigkeiten und Fertigkeiten der rekonstruktiven Weich-teilchirurgie in der Leiste immer mehr an Bedeutung.
SchlüsselwörterInfektion · Leiste · Biologische Sicherung · Komplikationen
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Kontakt und weitere InformationenSpringer-Verlag GmbHFachzeitschriften Medizin / PsychologieCME-Helpdesk, Tiergartenstraße 1769121 HeidelbergE-Mail: [email protected]
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RedaktionA. Assadian · Wien D. Böckler · Heidelberg M. Czerny · Bern R. Kolvenbach · Düsseldorf
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Die zeitgemäße Behandlung von infektiösen Komplikationen nach gefäßchirurgischen Eingriffen in der Leiste beinhaltet biologische Sicherungsoperationen. Das Spektrum umfasst dabei neben extensivem Debridement, Drainagen und der differenzierten Anwendung der Vakuumtherapie verschiedene biologische Deckungsverfahren mittels Muskellappen. Nach Lektüre dieser Forbildungseinheit beherrschen SieF die strategische Auswahl des optimalen Verfahrens,Fdie theoretischen Grundlagen der chirurgischen Technik,F die Grundzüge des postoperativen Managements einschließlich der Komplikations
behandlung.
Biologische Sicherungsoperationen
Das Grundkonzept der biologischen Sicherungsoperation existiert seit den 50er-Jahren. Im deutsch-sprachigen Raum haben sich Zühlke und Harnoss um die wissenschaftliche Etablierung dieser Ver-fahren verdient gemacht [14]. Wie in vielen Bereichen der septischen Gefäßchirurgie fehlen aber in der internationalen Literatur systematische Untersuchungen. Es finden sich nur Fallserien mit ins-gesamt wenigen hundert Patienten. Das Vorhandensein einer Gefäßrekonstruktion im infizierten Gebiet, mithin die Infektion derselben, stellt ein sehr spezifisches Problem dar, sodass Ergebnisse ähnlicher Untersuchungen aus den Bereichen der plastisch-rekonstruktiven Chirugie, der Unfallchir-urgie, der Viszeralchirurgie und auch der Gynäkologie und Urologie nur schwer übertragbar sind. Biologische Sicherungsoperationen sollen gut durchblutetes, vitales Gewebe in das Implantatlager bringen und damit die Integration des Implantates und die Wundheilung unterstützen. Nicht zu-letzt spielt bei schweren postoperativen Infektionen mit ausgedehntem Gewebeuntergang auch die Defektdeckung eine wichtige Rolle.
Allgemeine Prinzipien
Um eine gute Integration einer Gefäßrekonstruktion in das umgebende Gewebe zu gewährleisten, ist zuallererst ein gründliches Debridement des Operationsgebiets erforderlich. Das gesamte nekroti-sche und infizierte Gewebe muss radikal entfernt werden. Das Debridement muss auch alte Bypass-Durchzugskanäle einschließen, die am besten mit einem langen scharfen Löffel debridiert und mit Saugdrainagen versorgt werden. Vitales Muskelgewebe und auch das Omentum majus bieten neben der exzellenten Durchblutung auch immunologisch aktives Gewebe zur lokalen Unterstützung der Infekteradikation und der Wundheilung. Die Planung der entsprechenden Lappenplastik orien-tiert sich an verschiedenen Faktoren:FGröße der zu deckenden Gefäßrekonstruktion,FAusmaß des Weichteildefekts,FVerfügbarkeit des Lappens, gemessen an der Durchblutungssituation und dem Zugang zu den
eventuell notwendigen Hebezugängen,
Biologische Sicherungsoperationen sollen vitales Gewebe ins Implantat-lager bringen und so Implantat-integration und Wundheilung unterstützen
Biological protection procedures for infectious complications in the groin
AbstractInfectious complications after vascular surgery appear infrequently but they are associated with a high morbidity and mortality. Due to high microbial colonization the groin is one of the high risk areas of the body concerning wound infections after surgical procedures. The treatment of infectious vas-cular complications requires complex surgical strategies accompanied by sufficient antibiotic treat-ment and risk factor management. Surgical therapy of graft infections without biological protection procedures is inefficient. Therefore, knowledge and skills in reconstructive soft tissue procedures in the groin are growing in importance.
KeywordsInfection · Groin · Biological protection procedure · Complications
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Foperativer Aufwand in Abstimmung auf den intraoperativen Zustand des Patienten ( Gerinnungssituation, hämodynamische Stabilität, Operationszeit).
Aus diesem Grund sollte die strategische Planung eines septischen Gefäßeingriffs neben der Aus-wahl des Transplantatmaterials (autolog, heterolog, alloplastisch) und dem Rekonstruktionsweg (ana-tomisch, extraanatomisch) auch die Überlegungen zur Realisierung einer biologischen Sicherungs-operation beinhalten. Die Präparation der Muskellappen muss streng atraumatisch durchgeführt werden und sollte den anatomischen Gegebenheiten folgen. Versehentliche Verletzungen des Mus-kels, seiner zuführenden Gefäße oder umliegender Strukturen können zu Nachblutungen, Teilnek-rosen oder sogar zum Lappenverlust führen. Bei der Fixation im Implantatlager wird atraumatisches resorbierbares Nahtmaterial verwendet. Unter dem Lappen muss für eine ausreichende Drainage ge-sorgt werden, um Flüssigkeitsansammlungen zu vermeiden, die den Kontakt zwischen Lappen und Implantat stören können. Der Muskellappen muss spannungsfrei im Implantatlager zu liegen kom-men. Selbstverständlich darf die Translokation des mobilisierten Muskelanteils die arterielle Versor-gung und die venöse Drainage des Muskels nicht kompromittieren. Wir führen nur in Ausnahme-fällen nach einer Muskellappenplastik einen primären Wundverschluss durch. Zum einen kann der Muskellappen, eventuell noch verstärkt durch ein postoperatives Ödem, komprimiert werden, zum anderen lässt der temporäre Wundverschluss mit einem Vakuumsystem eine klinische Beurteilung der Vitalität des Lappens zu.
Vakuumtherapie
Der Einsatz der Vakuumtherapie („negative wound pressure therapy“, NWPT) hat sich in den vergangenen 10 Jahren in der Behandlung komplizierter Wunden ausgezeichnet etabliert [10]. Temporärer Wundverschluss, die Vermeidung von Flüssigkeitsansammlungen um die Implanta-te, die Begünstigung der Angiogenese und der Zellproliferation sowie die Entfernung von Wund-debris sind von großem Vorteil [4]. Die Einheilung von Spalthauttransplantaten wird begünstigt [7].
Bei tiefen Protheseninfekten (Szilagyi 3) bleibt die Verwendung der Vakuumtherapie als singu-läres therapeutisches Verfahren umstritten. Einzelne Serien berichteten auch bei freiliegenden Ana-stomosen über eine vollständige Einheilung der Prothesen bei einem Großteil der Patienten; aller-dings kam es auch zu schweren Komplikationen wie Arrosionsblutungen, Aneurysmata spuria und Reinfekten [3, 11].
In unserer Klinik setzen wir die Vakuumtherapie hauptsächlich bei Wundheilungsstörungen ohne Kontakt zum vaskulären Implantat ein. Wenn eine tiefe Wundinfektion unter Einbeziehung der Pro-these vorliegt (Szilagyi 3), bietet sich die Vakuumtherapie zur Ergänzung der anderen chirurgischen Maßnahmen und biologischen Sicherungsverfahren an. Das Aufbringen eines Vakuumsystems auf den Muskellappen in der Leiste minimiert die Flüssigkeitsansammlungen im Wundbereich, führt einen temporären Wundverschluss herbei und lässt ein gutes Monitoring der Lappenvitalität bei den Verbandswechseln zu. Wenige Tage nach definitiver Deckung der Lappenoberfläche mit Spalthaut-transplantaten wird die Vakuumtherapie beendet.
Muskellappenplastiken
Musculus-sartorius-Schwenklappen
Der M. sartorius trägt zu Hüftbeugung und Außenrotation des Beins bei. Die Verwendung des proxi-malen Anteils (.Abb. 1) führt nicht zu einer klinisch relevanten Funktionseinschränkung. Der pro-ximale Anteil kann nach medial in die Leiste geschwenkt werden und deckt eine maximale Fläche von etwa 5×10 cm. Die arterielle Versorgung des Muskels ist Gegenstand reger Diskussionen. Die meisten Autoren beschreiben eine segmentale Versorgung über Äste der Arteria femoralis superficialis (AFS) [2]. Dieses Versorgungsmuster gibt bei pAVK-Patienten, bei denen oft ein AFS-Verschluss vorliegt oder die eben wegen des AFS-Verschlusses in der Leiste operiert werden, Anlass zur Sorge um die Blutversorgung des Lappens [8]. Andere Autoren beschreiben, dass zumindest der proximale Mus-kelanteil über Äste der A. profunda femoris (APF) bzw. der A. circumflexa lateralis versorgt wird [9]. In unserem eigenen Patientengut konnten wir nachweisen, dass der chronische Verschluss der AFS bei offener APF keinen Einfluss auf die Vitalität des proximalen Sartoriuslappens hat [12].
Die Präparation der Muskellappen muss streng atraumatisch durch-geführt werden
Unter dem Lappen muss für eine ausreichende Drainage gesorgt werden
Bei tiefen Wundinfektionen kann die Vakuumtherapie ergänzend eingesetzt werden
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Die Präparation beginnt mit der Längseröffnung der ventralen Muskelfaszie des M. sartorius lateral des Gefäßbündels und des Nervus femoralis. Es ist nur selten notwendig, die bereits vorhan-dene Längsinzision in der Leiste nach kranial zu erweitern, um den Ursprung des Muskels an der Spina iliaca anterior superior darzustellen. Der Muskel wird dann möglichst weit kranial von late-ral her stumpf umfahren und mit der Diathermie direkt an seinem Ursprung abgesetzt. Anschlie-ßend präpariert man vorsichtig von kraniolateral her die Rückseite des Muskels. Der erste Perforator tritt meist 6–8 cm kaudal der Spina iliaca anterior superior von mediodorsal in den Muskel ein. Ist eine Erhaltung des Perforators zur vollständigen Deckung des Implantats nicht möglich, kann er durchtrennt werden, ohne eine Lappenischämie befürchten zu müssen. Bei ausgeprägten narbigen Veränderungern an der medialen Kante der Sartoriusfaszie muss auf eine sorgfältige Schonung des N. femoralis geachtet werden. Obwohl sehr selten, ist eine Schädigung dieses Nerven mit schweren funktionellen Defiziten verbunden. Die präoperative Aufklärung sollte diese Läsion explizit einbe-ziehen. Nach ausreichender Mobilisation wird der Lappen nach medial rotiert. Ist der Muskel am Ursprung abgesetzt worden, reicht seine Länge für eine spannungsfreie Fixation mit resorbierbaren Einzelknopfnähten am Leistenband. Zusätzliche einzelne Nähte fixieren den Muskel so, dass er das Gefäßbündel und die gefäßchirurgische Rekonstruktion semizirkulär einscheidet und Kontakt zwi-schen Muskel und Gefäß/Prothese besteht.
Eine Schädigung des N. femoralis mit schweren funktionellen Defiziten verbunden
Abb. 1 8 Sartoriuslappen: a,b schematische Darstellung des Muskels, c nach Mobilisation des proximalen Anteils in der rechten Leiste; d Transposition des Muskels in seine endgültige Lage
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Musculus-rectus-femoris-Schwenklappen
Der M. rectus femoris ist ein Hüftbeuger und verantwortlich für die Endstreckung im Kniegelenk. Ein Hüftbeugedefizit ist bei der Verwendung des distalen Anteils als Lappen nicht zu befürchten, allerdings kann es zu einer Einschränkung der Endstreckung im Kniegelenk kommen. Der distale Anteil des Muskels kann sowohl mit als auch ohne Hautinsel in die Leiste geschwenkt werden und deckt eine maximale Fläche von etwa 8×20 cm (.Abb. 2). Die Blutversorgung erfolgt über einen dominanten Pedikel, ausgehend von der A. circumflexa femoris lateralis, der zur Perfusion des ge-samten Muskels ausreicht. Kleinere Pedikel steigen von der A. circumflexa femoris selbst auf. Zusätz-lich sind einige Muskeläste der AFS an der Versorgung beteiligt.
Zur Präparation erfolgt eine etwa 20–25 cm lange Inzision auf einer gedachten Linie zwischen Spina iliaca anterior superior und dem Ansatz der Quadrizepssehne an der Patella. Die Präpara-tion beginnt man dann am besten im distalen Anteil, da hier die Trennung des M. vastus medialis und des M. vastus lateralis vom M. rectus femoris am leichtesten fällt. Der distale Sehnenansatz wird dann durchtrennt und der Muskel mobilisiert. Wir verbinden dann die distalen sehnigen Anteile des M. vastus medialis und des M. vastus lateralis mit 2 Goligher-Nähten 2-0 Vicryl, um die postoperative Funktion des Quadrizeps zu verbessern. In unserem Patientengut haben wir keinen Streckverlust im Kniegelenk beobachten können. Wird nun der M. sartorius nach medial und der M. rectus femoris nach lateral gezogen, kann der dominante Pedikel identifiziert werden, der von dorsomedial in den Muskel eintritt. Durch einen entsprechend präparierten subkutanen Tunnel kann der Muskel nun in die Leiste umgeschlagen werden. Dabei kommt die mit einer ausgeprägten Faszie bedeckte dorsale Seite des Muskels ventral zu liegen. Nach Fixation des Muskels mit resorbierbaren Einzelknopfnäh-ten resezieren wir den größten Teil dieser Faszie, um eine schnellere Granulation zu ermöglichen. Der Hebedefekt lässt sich nach Einlage von Redon-Drainagen und Fasziennaht direkt verschließen.
Musculus-vastus-lateralis-Schwenklappen
Der M. vastus lateralis ist ein wichtiger Extensor des Kniegelenks; die Verwendung seines distalen Anteils als Schwenklappen kann mit Einschränkungen der Kniegelenkstreckung einhergehen. Die maximal deckbare Fläche beträgt beim distalen Muskelanteil etwa 10×26 cm; der Lappen kann bei Bedarf mit Hautinsel ausgeführt werden (.Abb. 3). Arterielle Äste aus der A. circumflexa femoris lateralis bilden den dominanten Pedikel; zusätzlich sind Äste aus der APF an der Druchblutung beteiligt.
Um den distalen Muskelanteil zu präparieren, erfolgt zuerst eine Inzision entlang einer gedach-ten Linie vom Trochanter major zur lateralen Femurkondyle. Nach Eröffnung der tiefen Faszie wird der M. rectus femoris nach medial gezogen, um die Trennung des M. vastus lateralis vom M. vas-tus medialis im distalen Drittel zu erleichtern. Nach Absetzen der Insertion an der Quadrizepssehne wird der Muskel so weit wie notwendig nach proximal mobilisiert. Auf Höhe des Trochanters muss die Präparation sehr vorsichtig erfolgen, um den dominanten Pedikel sicher zu schonen, wobei für die Deckung eines Defekts in der Leiste eine so weit nach proximal ausgedehnte Präparation in den meisten Fällen nicht notwendig ist. Analog zum M. rectus femoris erfolgt dann der spannungsfreie subkutane Durchzug. In einigen Fällen kann eine Durchtrennung der Hautbrücke zwischen Leisten-defekt und Hebeinzision notwendig sein, um eine Minderperfusion des Lappens durch Kompression im Durchzugskanal zu vermeiden.
Distaler Musculus-rectus-abdominis-Schwenklappen
Der M. rectus abdominis wirkt als Flexor der Wirbelsäule, stabilisiert aber auch die Vorderwand der Bauchhöhle. Die Verwendung eines der beiden Rectus-abdominis-Muskeln (RAM) führt nicht zu einer Einschränkung der Flexion, allerdings kann insbesondere kaudal der Linea arcuata eine deutliche Schwächung der Bauchwand mit der Gefahr der Entwicklung einer Hernie resultieren. Hier ist eine entsprechende postoperative Schonung notwendig. Zur Deckung von Leistendefekten wird der Muskel distal gestielt verwendet; er kann als reiner Muskellappen oder als muskulokutaner Lappen gehoben werden. Die Hautinsel kann entweder über eine quere abdominelle Inzisionsachse („ transverse rectus abdominis muscle flap“, TRAM) oder aber über eine senkrechte abdominelle Inzisionsachse („vertical rectus abdominis muscle flap“, VRAM) präpariert werden. Zur Deckung
Ein Hüftbeugedefizit ist bei Verwendung des distalen Anteils als Lappen nicht zu befürchten
Auf Höhe des Trochanters muss die Präparation sehr vorsichtig erfolgen, um den dominanten Pedikel sicher zu schonen
Die Verwendung eines der beiden Rectus-abdominis-Muskeln führt nicht zur Flexionseinschränkung
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von Defekten nach gefäßchirurgischen Eingriffen in der Leiste, die üblicherweise Folge einer Längs-inzision sind und eine größere Längs- als Querausdehnung zeigen, eignet sich der VRAM-Lappen (.Abb. 4) am besten. Daneben entfällt die ausgedehnte epifasziale Mobilisation, die bei Gefäß-patienten und insbesondere bei Diabetikern wiederum für Probleme bei der Wundheilung sorgen kann. Vorraussetzung für eine einwandfreie Lappenfunktion ist eine intakte A. epigastrica inferior. Sollte auf der betroffenen Seite keine suffiziente distale Gefäßversorgung vorhanden sein, kann die
Abb. 2 8 Rectus-femoris-Lappen: a,b schematische Darstellung des Muskels und der Inzisionslinie; c Eröffnung der Quadrizepsfaszie; d Mobilisation des Muskels von distal; e Absetzen am Ansatz und Schaffen des Durchzugskanals (Markierung durch Kornzange); f endgültige Lage nach Durchzug, zu erkennen ist die starke dorsale Faszie, die nach Fixation des Muskels entfernt wird
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Abb. 3 7Vastus-lateralis-Lappen: a Hebung des Muskels mit Hautinsel;
b Zustand am 16. postoperativen Tag, reizlose Einheilung des Lappens
mit vollständiger Defektdeckung
Abb. 4 8 Distal gestielter VRAM-Lappen: a schematische Darstellung des Muskels, b Zustand 2 Jahre nach Deckung der rechten Leiste mit distal gestieltem VRAM-Lappen mit Hautinsel
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Verwendung des kontralateralen M. rectus abdominis erwogen werden, der sich normalerweise problemlos in die kontralaterale Leiste schwenken lässt.
Für einen reinen Muskellappen wird die Hautinzision entlang des lateralen Rands der Rectusscheide geführt. Von dorsal her wird dann der Gefäßstiel unterhalb der Linea arcuata identifiziert und der Muskel vorsichtig von der Transversusfaszie gelöst. Anschließend löst man den Muskel schrittweise aus der Rectusscheide heraus und durchtrennt ihn kranial mit entsprechender Länge, am besten durch eine Intersektion. Anschließend kann der subkutane Durchzug erfolgen. Möchte man einen Lappen mit Hautinsel heben, muss der Muskel mit dem ventralen Blatt der Rectusscheide mobilisiert werden, da die Versorgung der Haut von hier aus durch Perforatoren erfolgt. Der Hebedefekt wird entweder primär verschlossen oder, wenn eine spannungsfreie Adaptation der Faszienränder nicht möglich ist, mit einem Vicrylnetz verstärkt. Bei sehr adipösen Patienten sollte man wegen der deutli-chen Schwächung der Bauchwand und der unzuverlässigen Durchblutung der adipösen Bauch decke mit einem muskulokutanen RAM-Lappen zurückhaltend sein.
Musculus-tensor-fasciae-latae-Lappen (TFL-Flap)
Da der TFL-Lappen aus einem kleinen proximalen muskulären Anteil und einem größeren dista-len fasziokutanen Anteil besteht, eignet er sich nicht zur primären Versorgung der Leiste im Infekt, da zu wenig gut durchblutetes Muskelgewebe in den Bereich der Gefäßrekonstruktion gebracht wer-den kann.
Musculus-gracilis-Lappen
Der M. gracilis gehört zur Adduktorenmuskulatur des Oberschenkels; zusätzlich fungiert er als Beuger und Innenrotator am Kniegelenk. Der distale Anteil des Muskels kann ohne spürbaren Funktionsverlust in die Leiste geschwenkt werden. Zu bedenken ist dabei, dass die Muskelmasse des M. gracilis insbesondere im distalen Bereich gering ist. Er wird über einen dominanten Pedikel ausgehend von der A. circumflexa femoris medialis versorgt. Weiter distal treten noch Äste aus der A. profunda femoris hinzu. Vom Heben einer Hautinsel mit dem distalen Muskelanteil muss man beim Gefäßpatienten aufgrund der Variabilität der Hautdurchblutung in diesem Bereich abraten. Zusätzlich liegen bei Gefäßpatienten mit Infekten in der Leiste oft Zugänge an der Medialseite des Oberschenkels (P1-Zugang, Venenentnahme, Durchzugskanäle von Prothesen), die die Hautdurch-blutung verschlechtern und die Lappenpräparation erschweren.
Omentumplastik
Das Omentum majus ist ein gut durchblutetes und immunologisch hoch aktives Organ [1, 6, 13]. Die Bedeutung der Omentumplastik (.Abb. 5) für die Rekonstruktion extraperitonealer Defekte wurde in einer Übersichtsarbeit von Hultmann ausführlich dargestellt [5]. Im Kontext infizierter
Bei sehr adipösen Patienten sollte man mit einem muskulokutanen RAM-Lappen zurückhaltend sein
Der TFL-Lappen eignet sich nicht zur primären Versorgung der Leiste im Infekt
Vom Heben einer Hautinsel mit dem distalen Muskelanteil muss man beim Gefäßpatienten abraten
Abb. 5 9 Ersatz einer infizierten Y-Prothese mit tiefer Vene: gestielte Omentum-majus-Plastik für die linke Leiste, der rechte Anteil des Omen-tums wird zur Deckung der zentralen intraabdominellen Rekonstruktion verwendet
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Wunden in der Leiste ist jedoch die Notwendigkeit der zusätzlichen Laparotomie bei kritisch kran-ken Gefäß patienten mit dem Risiko intraabdomineller Sekundärinfektionen als schwerwiegen-der Nachteil dieser Methode zu sehen. Wir verwenden das große Netz praktisch nur zur Deckung intraabdomineller oder intrathorakaler Anastomosen und Transplantate. Die chirurgische Technik wurde ausführlich durch Zühlke und Harnoss beschrieben [14] und soll hier nur in Grundzügen dar-gestellt werden: Das große Netz wird von der A. gastroepiploica dextra und der A. gastroepiploica sinistra versorgt, die sich in der gastroepiploischen Arkade vereinigen. Der variantenreiche Verlauf der Gefäße im großen Netz selbst macht eine individuelle Planung der Skelettierung und Mobilisa-tion unter Diaphanoskopie nötig. Um eine ausreichende Länge des Transplantats zu erzielen, ist die Präparation eines gestielten Lappens notwendig. Beim Durchzug in die Leiste muss genau auf eine spannungsfreie Lage geachtet werden. Um eine Kompression von außen auszuschließen, kann eine Einkerbung des Leistenbands nötig sein. Der Lappen sollte in seinem Verlauf am Retroperitoneum fixiert werden, um sekundäre Torsionen und innere Hernien zu vermeiden.
Fazit für die Praxis
FDie zeitgemäße Behandlung infektiöser Komplikationen nach rekonstruktiven gefäßchirurgi-schen Eingriffen in der Leiste beinhaltet die Anwendung biologischer Sicherungsverfahren.
FDie Ausarbeitung einer entsprechenden Strategie der biologischen Sicherung ist integraler Bestandteil der Planung einer Revisonsoperation.
FMit verschiedenen Muskellappen, der Omentumplastik und der Vakuumtherapie stehen effektive Werkzeuge bereit, deren differenzierte Handhabung die Ergebnisse der Behandlung von Infekten nach Leisteneingriffen verbessert.
Korrespondenzadresse
PD Dr. I. TöpelKlinik für Gefäßchirurgie, Krankenhaus Barmherzige Brüder RegensburgPrüfeninger Str. 86, 93049 [email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Literatur
Die Notwendigkeit der zusätzlichen Laparotomie ist ein schwerwiegen-der Nachteil der Omentumplastik
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14. Zühlke HV, Harnoss BM, Lorenz EPM (1994) Septische Gefäßchirurgie. Blackwell, Berlin
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D Mitmachen, weiterbilden und CME-Punkte sichern durch die Beantwortung der Fragen im Internet unter CME.springer.de
?Welche der folgenden Aussagen über biologische Sicherungsoperationen sind zutreffend?
Ausgedehntes Debridement infizierter Wunden gefährdet umliegende Struktu-ren und vergrößert unnötig die vorhan-denen Weichteildefekte.
Muskellappenplastiken in der Leiste sollten erst nach Ausheilung des Infekts durchgeführt werden.
Biologische Sicherungsoperationen sollen gut durchblutetes, vitales Gewebe in das infizierte Gebiet bringen.
Muskellappenplastiken in der Leiste sollten zur schnelleren Defektheilung mit Hautinsel ausgeführt werden.
Biologische Sicherungsoperationen beeinträchtigen das Einwachsverhalten von Gefäßrekonstruktionen.
?Welcher der folgenden Faktoren spielt eine entscheidende Rolle bei der Planung einer Muskellappenplastik zur Deckung einer Gefäßrekonstruktion?
Arterielle Durchblutungssituation des Muskels
Kosmetisches Ergebnis Arterielle Ausstrombahn des Beins Blutgruppe Körperseite
?Eine Patientin stellt sich mit putrider Sekretion aus einer Fistel in der Leiste nach Anlage eines femoropoplitealen Kunststoff-Bypasses und mehrfachen operativen Revisionen vor 6 Monaten bei Ihnen vor. Die A. profunda femoris ist seit der dritten Revisionsoperation verschlossen. Nach Explantation der Prothese und autologer Rekonstruktion mit V. saphena magna von der Gegen-seite wollen Sie eine Muskellappenplas-tik anlegen. Welcher Muskel kommt am ehesten für eine Lappenplastik in Frage?
M. rectus femoris M. sartorius M. vastus lateralis M. tensor fasciae latae M. rectus abdominis
?Welche der folgenden Aussagen ist falsch? Der proximale Sartorius-Schwenklappen …
ist mit geringem präparatorischen Aufwand durchführbar.
deckt eine Fläche von etwa 5×10 cm. sollte von lateral her mobilisiert werden. kann bei verschlossener AFS aufgrund
der eingeschränkten Perfusionssituation nicht durchgeführt werden.
sollte spannungsfrei am Leistenband fixiert werden.
?Ein 67-jähriger Mann wird von Ihnen bei einem Patch-Infekt nach Profunda-Patch-Plastik autolog rekonstriert. Was spricht gegen eine Omentum- majus-Plastik als biologische Sicherungsope-ration?
Fettgewebe ist schlecht durchblutet und bradytroph.
Zur Deckung der Leiste mit Omentum majus ist ein freier Transplantattransfer nötig.
Die Omentum-majus-Plastik kann nur als temporäre Deckung angewendet werden.
Es ist eine Laparotomie notwendig, die die Gefahr einer sekundären intraabdo-minellen Infektion birgt.
Das Omentum eignet sich aufgrund des arteriellen Durchblutungsmusters nicht zur Deckung extraabdomineller Defekte.
?Zur Behandlung infektiöser Komplika-tionen in der Leiste werden biologische Sicherungsverfahren häufig mit der Vakuumtherapie kombiniert. Welche der folgenden Aussagen trifft nicht zu?
Die Vakuumtherapie trägt zur Vermei-dung von Flüssigkeitsansammlungen im Operationsgebiet bei.
Der Schwamm darf nicht direkt auf dem Muskellappen platziert werden.
Der Schwamm sollte keinen direkten Kontakt zu einer Gefäßrekonstruktion haben.
Die Vakuumtherapie begünstigt die Wundheilung über eine Förderung der Angiogenese und der Zellproliferation.
Mit der Vakuumtherapie lässt sich ein temporärer Wundverschluss erreichen.
?Sie möchten bei einem sportlich aktiven 62-jährigen Mann einen M.-rec-tus-femoris-Lappen durchführen. Über welches mögliche funktionelle Defizit müssen Sie den Patienten explizit auf-klären?
Schwächung der Oberschenkel-abduktion
Schwächung der Knieflexion Schwächung der Oberschenkel-
adduktion Beckenschiefstand Schwächung der Knieextension
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Bitte beachten Sie: F Antwortmöglichkeit nur online unter:
CME.springer.deF Die Frage-Antwort-Kombinationen werden
online individuell zusammengestellt. F Es ist immer nur eine Antwort möglich.
CME-Fragebogen kostenfreie Teilnahme für Abonnenten
?Was unterscheidet einen VRAM- von einem TRAM-Lappen?
Der TRAM-Lappen wird von kontralateral transponiert.
Die Lappen werden von unterschiedli-chen Gefäßen versorgt.
Die Hautinzisionsachse liegt beim VRAM vertikal und beim TRAM transversal.
Der VRAM kann nicht mit Hautinsel gehoben werden.
Ein TRAM-Lappen kann nur an einem proximalem Gefäßstiel gehoben werden.
?Welche Aussage trifft zu? Der Tensor- fasciae-latae-Lappen eignet sich nicht zur Deckung infizierter Defekte in der Leiste, weil …
er nur als freier Lappen transferiert werden kann.
der Muskelanteil sehr gering ist. es überdurschnittlich häufig zu Nerven-
verletzungen kommt. ein ausgeprägtes funktionelles Defizit zu
erwarten ist. die Präparation überdurchschnittlich
aufwendig ist.
?Welche der folgenden Aussagen zum Gracilislappen ist falsch?
Die Hebung des Lappens ist mit einer großen distalen Hautinsel möglich.
Die Muskelmasse im distalen Anteil ist gering.
Zugänge vorangegangener Operationen im femoropoplitealen Bereich können die Hebung des Lappens erschweren.
Die Transposition des distalen Anteils des M. gracilis verursacht kein relevantes funktionelles Defizit.
Der M. gracilis gehört zur Adduktoren-gruppe des Oberschenkels.
Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate auf CME.springer.de verfügbar. Den genauen Einsendeschluss erfahren Sie unter CME.springer.de
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Meine Daten nachtragen. Ihre CME-Punkte
werden ab sofort automatisch an Ihre
Ärztekammer übermittelt.
DWeitere InformationenWeitere Informationen zur elekt-
ronischen Punkteübermittlung der
Bundesärztekammer finden Sie unter
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Automatische Übermittlung Ihrer CMEPunkte an die ÄrztekammerDie auf CME.springer.de erworbenen CME-Punkte können auf Ihren Wunsch hin direkt an die Ärztekammer übermittelt werden.
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73Gefässchirurgie 1 · 2012 |