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Biopiraten in der Kalahari? Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen – die Erfahrung der San im südlichen Afrika WIMSA

Biopiraten in der Kalahari? - Brot für die Welt · D ie Kalahari-Wüste ist grün. Im Februar und März hat es kräftig und ausdauernd geregnet, nach drei Jahren Trockenheit. Hohe

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Biopiraten in der Kalahari?Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen –

die Erfahrung der San im südlichen Afrika

WI MSA

Biopiraten in der Kalahari?Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen – die Erfahrung der San im südlichen Afrika

Herausgeber: Evangelischer Entwicklungsdienst e.V. (EED)Ulrich-von-Hassell-Straße 76, 53123 BonnTelefon (02 28) 81 01-0, Fax (02 28) 81 [email protected], www.eed.de

Working Group of Indigenous Minorities in Southern Africa (WIMSA)H 8 Bach Street Windhoek WestP.O. Box 80733, Windhoek,Republic of NamibiaTel.: (+264) (+61) 244 [email protected], www.wimsareg.org

Autor: Uwe Hoering

Redaktion: Jutta Bangel, Edgar Brüser, Michael Frein, Angela Krug (EED), WIMSA-TeamGrafik und Layout: Büro für Gestaltung, StuttgartDruck: J. F. Steinkopf Druck GmbH, Stuttgart

Bildnachweis: WIMSA/Axel Thoma: Titel, S. 2, 3, 5, 11, 15, 20; Richard Pakleppa: Titel, Umschlag innen vorne, S. 8, 10, 17, 19; Peter Oszvald: S. 4; EED/Edgar Brüser: Titel, S. 1, 6, 13

November 2004

Die Kalahari-Wüste ist grün. Im Februarund März hat es kräftig und ausdauerndgeregnet, nach drei Jahren Trockenheit.

Hohe Gräser, lila, gelbe und weiße Blüten vonKriechpflanzen und das frische Laub derKameldornbäume und anderer Akazienartenlassen vorübergehend vergessen, dass diesesGebiet die meiste Zeit des Jahres eine heiße,sandige, lebensfeindliche Einöde ist. Suchendden Blick auf den Boden geheftet, streift Mag-daleen Steenkamp zwischen den Grasbüschelnhindurch, dann bückt sie sich, schaufelt drei,vier Hand voll Sand auf und findet darin einekleine Knolle von Farbe und Größe einer Früh-kartoffel. Nur einige kleine Risse im sandigenBoden zeigen ihrem geschulten Blick, wo dieKalahari-Trüffel verborgen ist, eine eher un-

scheinbare Pilzknolle, die in heißer Asche gebacken oder in Salzwasser gekocht zur Deli-katesse wird. Manchmal stößt Magdaleen,eine Angehörige der ‡Khomani-San, bei ihrerSuche allerdings auch auf eine Puffotter, wie sie lachend erzählt.

Magdaleens Natur-Supermarkt hat drei Ebe-nen: das Souterrain, wo man zum Beispiel dieTrüffel finden kann, das Erdgeschoss mit Bü-schen, Gräsern und Kriechpflanzen und dieBaumkronen von Kameldorn und anderen aus-ladenden Akazien, mächtigen, urtümlichenBaobabs, von Marula oder Manketti. Auf jederEtage werden Lebensmittel angeboten – Wur-zeln, Gurken, Bohnen, Knollen, Honig, Samenund Blätter, in der DelikatessenabteilungBaumpilze, Moramanüsse und Mopanewürmer.Aus der Getränkeabteilung, die in der semi-ariden Region mit ihren schwankenden undgeringen Niederschlägen so lebenswichtig ist,kommen wasserspeichernde Sukkulenten undKnollen, Fruchtsäfte und Melonen, aber auchKaffee aus Samen, Teeblätter und zuckersüße

Beeren für Likör. Es gibt Tabakpflanzen undHorn für Pfeifchen, eine Kosmetik-Abteilungund einen Baumarkt mit Holz, Lehm und Gras,Werkzeug, Seilen aus Pflanzenfasern undGrabstöcken aus extra hartem Holz, außerdemHaushaltswaren wie Wasserbehälter aus den

Das Land der San:

Busch, Halbwüste

und Trocken-Savanne.

großen Früchten des Baobab, Messer, Ruten fürKörbe, wilde Baumwolle für Kissen. Angeglie-dert ist auch eine kleine Abteilung für Spiel-waren, Schmuck, Amulette und Musikinstru-mente, zum Beispiel Rasseln aus Schmetter-lingskokons und Hals- und Armbänder ausSamen und Schalen von Straußeneiern.

Riesig ist die Apotheke mit einer Vielzahlvon Heilpflanzen und Stärkungsmitteln, etwader Teufelskralle und der Hoodia, die für dieJagd Nahrung, Kraft, Motivation und Ausdauerverleiht. Hier befindet sich auch der Giftschrankmit tödlichen Nervengiften aus Käferlarvenund Wurzeln, gleich nebenan gibt es die Mate-rialien für Pfeil, Bogen und Köcher. Und allesist kostenlos, man muss es nur finden – und zunutzen wissen.

In den Monaten nach der Regenzeit ist dasAngebot am besten. Je länger die Trockenheitdauert, desto häufiger ist vieles ‚ausverkauft‘,

desto dürftiger wird der Speiseplan. Aber selbstim September oder Oktober finden sich meistnoch Früchte und Nüsse, manche Wurzeln undKnollen halten sich tief in der Erde monatelangfrisch. Und dann ist da immer noch die lebendeFleischtheke: Kudu, Elenantilope, Springbockoder Warzenschwein.

Vertrieben und versklavtEinst durchstreiften die ‡Khomani, die Khwe,!Kung, Hai||om, Ju|’hoansi und andere San-Gruppen als Jäger und Sammlerinnen dasganze Gebiet zwischen Atlantik, Kap und Indi-schem Ozean. Sie gelten als die ältesten Bewoh-ner des südlichen Afrika. Typisch sind die Klick-laute ihrer Sprache, die schriftlich mit Zeichenwie !, || oder ‡ dargestellt werden. In Tausendenvon Felszeichnungen, teilweise über 20 000 Jah-re alt, haben sie Alltags- und Jagdszenen, Jägermit Pfeil und Bogen und eine Vielzahl vonWildtieren festgehalten, möglicherweise alsTribut an die Götter.

Erst kamen nomadische Viehhalter aus demNorden, afrikanische Bantu-Völker, seit derMitte des 17. Jahrhunderts dann die europäi-schen Entdecker, Abenteurer und Kolonisato-ren. Portugiesen landeten im Westen und imOsten, die Buren und Engländer im Süden.

Als koloniale Nachzüglersetzten sich Ende des 19. Jahrhunderts die Deut-schen für eine kurze, aberblutige Besatzungszeit im damaligen Deutsch-Südwest, dem heutigen Namibia, fest. Von denKüsten aus drangen sieimmer weiter vor insLandesinnere, auf derSuche nach Land, Was-ser und nach Boden-schätzen – den reichenVorkommen von Diaman-ten, Halbedelsteinen,Gold, Kupfer oder Uran.

Die San, von denKolonisatoren abfällig‚Buschmänner‘ genannt,wurden von ihrem Land,von den Gräbern ihrerVorfahren und von ihrenspirituellen Plätzen ver-trieben und versklavt.

Zeitweise wurden sie wie Tiere gejagt undermordet. Ihre Namen, ihre Sprachen, ihreKultur wurden ihnen genommen und durchchristliche Namen, Afrikaans und Englischersetzt. Die Apartheid-Gesetze zwangen sie, ihreIdentität zu verbergen. Heute gibt es nur nochetwa 100.000 San, vermutlich weniger als ein

2 Biopiraten in der Kalahari?

Überlebenssicherung

als Sammler, Jäger und

Fährtenleser.

Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen 3

Zehntel der indigenen Bevölkerung vor derKolonialzeit. Die Hälfte von ihnen lebt in Bots-wana, 36.000 in Namibia, jeweils einige Tau-send in Angola, Südafrika, Sambia und Sim-babwe – überall eine verschwindende Minder-heit. Nur etwa zweitausend Ju|’hoansi in derNyae Nyae-Conservancy im Tsumkwe-Distriktnahe der Grenze zu Botswana können noch wie ihre Vorfahren auf die Jagd gehen.

Als Lebensraum blieb ihnen das, was andereübrig ließen – der Busch, die Savanne, dieHalbwüste. Oder sie wurden Dienstboten oderHirten auf den Farmen, gegen magere Kost und Logis. Oft gerieten sie in Schuldknecht-schaft, der Sklaverei ähnlich. Einigen kamenihre Fähigkeiten als Spurenleser zugute. AlsFährtensucher halfen sie der Armee des Apart-heid-Regimes in Südafrika, die Kämpfer dernamibischen Befreiungsbewegung SWAPO aufzuspüren. Diese Rolle wird ihnen in Nami-bia bis heute nachgetragen und als Recht-fertigung für ihre andauernde Benachteiligungbenutzt, obwohl auch Angehörige anderer ethnischer Gruppen wie der Ovambo oder der Herero auf der Seite der weißen Südafri-kaner standen.

Kein Platz für wilde Tiere„Es reicht“, meinten die burischen Siedler,nachdem sie wochenlang mit ihren Ochsen-karren landeinwärts gezogen waren und dieSteppe immer trockener, karger, sandiger undeintöniger wurde, und nannten den Ort, andem sie schließlich Halt machten, Vergenoeg,„Weit genug“. Heute braucht man für die 300Kilometer von Windhoek nach Vergenoeg, kurzvor der Grenze zu Botswana, drei Stunden.Meist ist das Land topfbodenflach, aus derEbene ragen einzelne Hügelketten, weich ge-schliffen durch Wind und Regen. Das knie-hohe Bushman’s-Gras leuchtet in der Sonnegold-samtig wie Flachs und wogt im Wind wieein Sandmeer mit kleinen grünen Inseln ausBuschwerk, überragt von Kameldorn-Bäumen.Rechts und links der schnurgeraden Straße ziehen sich endlos Zäune hin, nur alle paarKilometer taucht ein Gehöft auf, mit Scheunen,Viehgehege, Windrädern für die Tiefbrunnenund mit so vertrauten Namen wie Loreley,Goldene Aue und Heimat. Der Distrikt Goba-bis ist ,Cattle County‘, Viehland.

Vergenoeg ist heute eine Gemeinschaftsfarm,nachdem die Regierung sie dem weißen Besit-zer für gutes Geld abgekauft hat. Die 6000Hektar wurden in mehrere ‚Posts‘ aufgeteilt.Die meisten San-Familien, die hier leben, gin-gen allerdings bei der Landvergabe leer aus.Nur wer Rinder oder wenigstens Schafe undZiegen besaß, kam zum Zug, doch die meistenSan hatten kein Vieh, nicht einmal Hühner.So erhielten sie lediglich ein Eckchen für ihreHütten aus Stöcken, Wellblech und Lehm, mitFensterläden aus rostigem Kanisterblech. EinigeBäume spenden Schatten, in dem zwei, dreiabgenutzte Eselskarren stehen. Jemand hat ver-sucht, mit Steinen Blumenbeete abzugrenzen,doch es gibt nicht genug Wasser.

Stolz hat Frits Kamte seinen Namen in gro-ßen Buchstaben an die Brettertür seiner Hüttegeschrieben, darunter ‚Councillor‘. Nebenan hater aus Holzpfählen und Wellblech ein improvi-siertes Büro eingerichtet, ausgestattet mit einpaar verschlissenen Campingstühlen. FritsKamte und sein Stellvertreter Augustus Jacobswurden von den San in Vergenoeg als Vertretergewählt, doch die Behörden haben sie bislangnicht anerkannt. Darum dürfen sie unter ande-rem nicht an den Sitzungen des Komitees „landboards“ teilnehmen, das für die Landzuteilungzuständig ist.

Arbeit gibt es hier bestenfalls als Tagelöhnerauf einer der Farmen. Oder gelegentlich alsexotische Tanzgruppe in der nahegelegenenTouristen-Lodge. Die Alten wie Frits und Au-gustus bekommen eine kleine Pension von 250 Namibia-Dollar im Monat, umgerechnet35 Euro. Ohne die staatliche Nahrungsmittel-hilfe kommt hier niemand über die Runden.Denn der Zugang zum natürlichen Supermarktist durch die Zäune der privaten Farmen ver-sperrt. Zudem frisst das Vieh die Regale ziem-lich leer.

Viehfarmen und Zäune haben auch dieWildbestände reduziert. Und die verbliebenenStrauße, Oryxantilopen und Elefanten inNationalparks und privaten Wildgehegen sindTouristen und Jägern vorbehalten, die für einenAbschuss viel Geld bezahlen. Um wenigstens ab und zu mal Fleisch zu bekommen, bleibtnur die Wilderei. „Was sollen wir denn sonsttun, wenn Frau und Kinder Fleisch essen wol-len?“, rechtfertigt Frits Kamte, „die Jagd istunsere Tradition, unsere Kultur.“

PflanzenräuberDabei sitzen die San von Vergenoeg auf einemverborgenen Schatz, ‚Gamagu‘, der Teufels-kralle. Augustus legt die Pfahlwurzel einerunscheinbaren Kriechpflanze mit dunkellilaBlüten, die überall im sandigen Boden wächst,auf einer Seite frei. Vorsichtig folgt er danneiner der waagerechten Nebenwurzeln, die sich

nach zwanzig, dreißig Zentimetern zu einerlänglichen Knolle verdickt. Für die Pflanze istdies ein Wasserspeicher für die regenlose Zeit,für die San seit Generationen ein Hausmittelgegen Entzündungen, Schmerzen und Fieber,eine Art einheimisches Aspirin, das aber auchbei Verdauungsstörungen hilft. In Scheibengeschnitten und getrocknet wird es gekaut oder

4 Biopiraten in der Kalahari?

Zu der Farm, die David Blaine vor Jahren kaufte, gehören auch einige bizarre Felsen,übereinander getürmt wie von Riesenhand.Einige Zeit später entdeckt er dort Felszeich-nungen – Eland, Springbock, Jäger mit Pfeilund Bogen. Und heute bringen ihm nicht nurRinder, sondern auch die „Bushman Rock Art“ Geld in die Kasse: ein kleiner Laden bietet„San-Kunst“ an, Halsketten, Bilder, Schnitz-werk. Doch die Nachfahren der Urheber derFelszeichnungen, die als Farmarbeiter in schäbigen Hütten leben, haben nichts davon.

Was David Blaine im Kleinen macht, versuchtedie Regierung Südafrikas im Großen. Scho-ckiert stellte der San-Rat im Sommer 2002

fest, dass der Bau des Didima-Museums in denDrakensbergen,einer der weltweitgrößten Open-Air-Galerien von Fels-zeichnungen undein UNESCO-Welt-kulturerbe, nahezuabgeschlossen war,ohne dass die Sankonsultiert wor-den waren. PetrusVaalboi, Vorsitzen-der des San-Rats,empfand das als„schwere Beleidi-gung“. Doch dannschaffte die Regie-rung noch geradedie Kehrtwende:Petrus Vaalboi durf-te bei der Eröffnungsprechen. Seither

sind die San als Eigentümer der „Rock-Art“ inSüdafrika anerkannt, ihre Interpretation wirdvon Wissenschaftlern ernst genommen.

Musik, Bilder oder Skulpturen: das kulturelleErbe der San, sie selbst eingeschlossen, wirdvielfach schonungs- und geschmacklos ver-marktet – nur sie gehen leer aus. Nur eineSicherheit gibt es inzwischen: Filmemacher,Autoren oder Journalisten dürfen erst dannFragen stellen und Aufnahmen machen, wennsie eine Erklärung unterschreiben, mit der sie die intellektuellen Rechte der San aner-kennen.

San-Kunst

Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen 5

aufgebrüht. Den Namen ‚Teufelskralle‘ hatGamagu wegen der schwarzen, verholztenSamenkapseln mit den aufgerichteten Wider-haken erhalten.

Ohne die San wäre vermutlich niemand aufdie Idee gekommen, dass dieser unscheinbareBodendecker mit seiner bizarren Samenkapseleinen Stoff mit vielfältiger, heilkräftiger Wir-kung produziert, versteckt in seinen Seiten-wurzeln. Doch als der Deutsche G. H. Mehnert,Soldat bei der Kolonialtruppe, während derKämpfe mit den aufständischen Herero beob-achtete, wie ein San-Heilkundiger einen Ver-wundeten kurierte, entlockte er ihm das Wissenüber die Teufelskralle.

Seither hat sie einen Siegeszug durch dieHeilkundepraxen und Reformhäuser der Industrieländer, insbesondere Europas, absol-viert. In einer frühen Werbung heißt es: „SeitJahrhunderten kennen die schwarzen Medi-zinmänner die gesundheitsfördernde Wirkung von Teufelskrallen-Tee. Ihre Geheimnisse wurden jetzt durch die moderne Wissenschaftgelüftet“. Patente für die Gewinnung undVerarbeitung der Wirkstoffe wurden angemel-det. Insbesondere im letzten Jahrzehnt explo-dierte die Nachfrage. Namibia ist heute dergrößte Lieferant, 2002 brachte die Ausfuhr von mehr als 1000 Tonnen dem Land umge-rechnet etwa 5 Millionen US-Dollar ein. Derwichtigste Markt ist Deutschland, wo die Teu-felskralle das Rheuma-Mittel und das dritt-häufigste Naturheilmittel überhaupt ist. Auf

der Packung des Unternehmens für Naturheil-mittel Salus, das zu den Marktführern in derReformhausbranche gehört, wird allerdingsweder die Geschichte der Entdeckung der Teu-felskralle noch ihre Herkunft aus dem süd-lichen Afrika erwähnt.

Obwohl auf Vergenoeg und in der Umge-bung viel Gamagu wächst, haben die San vondem kommerziellen Erfolg der als ‚Wunder-pflanze‘ bejubelten Teufelskralle kaum etwas.Selbst wenn sie wissen, wie sie die notwendigenErlaubnisscheine für Ernte und Transportbeantragen können, ist es sehr schwierig für sie, den Prozess allein durchzuziehen. Oder siehaben nicht das Geld, um das Produkt selbstbei den Exporteuren abzuliefern und so diehalsabschneiderischen Zwischenhändler aus-zuschalten. Oft bekommen sie nur drei, vierNamibia-Dollar für das Kilo getrockneter Knollen, ein verschwindender Bruchteil des-sen, was die Verbraucher in Europa bezahlen.Geschäftemacher heuern in der Erntesaisonzwischen März und Oktober Gruppen vonSammlern an, die für ihre Knochenarbeit nurmit Essen und Trinken entlohnt werden. Umden Gewinn zu steigern, wird oft die Mutter-knolle mit ausgegraben und damit die Pflanzezerstört.

Domestizierte TeufelskralleDie steigende Nachfrage, die Übernutzung undein wachsender Viehbestand haben inzwischendazu geführt, dass in einigen Regionen derNachschub knapp wird. Befürchtungen, dieTeufelskralle könnte vom Aussterben bedrohtsein, trugen dazu bei, dass im Jahr 2000 derdeutsche Bund für Umwelt und Naturschutz,BUND, beantragte, sie in die Liste gefährdeterPflanzen im Rahmen des Artenschutzabkom-mens CITES aufzunehmen. Das hätte den Han-del eingeschränkt, weshalb Namibia und Süd-afrika die Initiative rasch zu Fall brachten.

Der Vorstoß machte aber auch deutlich, dassfür eine weitere Expansion auf dem vielver-sprechenden Markt für Heilpflanzen die Ver-sorgung auf eine verlässliche Basis gestellt wer-den musste. Darum versuchen mehrere Unter-nehmen, darunter auch die Firma Salus, dieWildpflanze Gamagu zu domestizieren und sie aus dem Samen, durch Stecklinge oder imReagenzglas, also in vitro, zu ziehen – einschwieriges Unterfangen. Am erfolgreichsten

Die Teufelskralle:

eine unscheinbare

Wüstenpflanze mit

großer Heilwirkung.

scheint bislang zu sein, den Samen in einerLösung, deren Zusammensetzung geheim ist,zu erwärmen. Dadurch wird die Keimsperre,die viele Wüstenpflanzen haben, überlistet.

Die Kultivierung, die dadurch in greifbareNähe rückt, erfordert allerdings hohe Investi-tionen, etwa für Laboreinrichtungen, Gewächs-häuser und Bewässerung, günstige agro-ökolo-gische Bedingungen und technische Kenntnisse.Solche Voraussetzungen erfüllen am ehestengroße, kommerzielle Farmen. Gleichzeitigkönnten sie die Anforderungen der Abnehmeran eine zuverlässige Lieferung, gleichbleibendeQualität, stabile Wirkstoffkonzentration undReinheit besser erfüllen. Die San, die die wild-wachsende Teufelskralle sammeln, hätten danndas Nachsehen, eine ihrer wenigen Einkom-mensquellen ginge damit verloren.

Doch nicht nur die San, auch NamibiasMarktführerposition ist bedroht. Im benach-barten Südafrika haben Farmer bereits begon-nen, Teufelskralle kommerziell anzubauen, baldkönnten Bauern in Peru, der Türkei oder Ma-rokko folgen, den Wettbewerb verschärfen, dasAngebot vergrößern und den Preis drücken.

„Das wäre dann dievollständige Enteig-nung der Rechte derursprünglichen Eigen-tümer traditionellenWissens über dieTeufelskralle“, stelltDave Cole vom nicht-staatlichen Forschungs-zentrum CRIAA inWindhoek fest, einProzess, der mit demdeutschen Kolonial-soldaten Mehnert vor hundert Jahrenbegann. „Die einzigenGewinner wären diekommerzielle Land-wirtschaft und diePharmaindustrie.“

Kernfrage LandDaher plädiert DaveCole dafür, dass die San als die traditionel-len Nutzer unbedingtan den wirtschaftlichen

Chancen, die eine Kultivierung der Teufels-kralle bietet, beteiligt werden müssen. ZumBeispiel sollte sich die Forschung nicht nur auf den kommerziellen Anbau konzentrieren,sondern auch nach Wegen suchen, die Erträgevon wild wachsender Gamagu auf Gemeinde-oder Staatsland zu verbessern. Höhere, regel-mäßigere Erträge könnten die Einnahmen derSammler verbessern. „Der Nutzen wäre damitgerechter verteilt“, meint Dave Cole. Die Hür-den dafür sind allerdings hoch: Denn frei ver-fügbares Land, Gemeinschaftsland, wird knapp,die Konkurrenz darum wächst.

Auf der Landkarte von Namibia, die imWIMSA-Büro in Windhoek hängt, gibt es nurnoch wenige weiße Flecken, obwohl das Landmehr als doppelt so groß wie die Bundesrepu-blik und mit weniger als zwei Millionen Ein-wohnern dünn besiedelt ist. Etwa 40 Prozentsind Farmland, ein dichtes Muster kleinerRechtecke, jedes mehrere tausend Hektar groß,erschlossen durch ein Netz guter Straßen.Weitere 40 Prozent sind Schutzgebiete wie dieNamib-Wüste, das Sperrgebiet für den Diaman-tenbergbau und einige große Nationalparks

6 Biopiraten in der Kalahari?

Landnutzungspläne

sollen die Siedlungs-

und Jagdrechte der San

sichern.

Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen 7

Wer ist WIMSA?

S IMBABWE

Harare

Pretoria

Windhoek

500 7500 250km

Luanda

REP. SÜDAFRIKA

NAMIBIA

ANGOLA

GaboroneBOTSWANA

1000

Siedlungsgebieteder San

Es war ein bedeutsamer Schritt, als zu Beginnder neunziger Jahre erstmals Abordnungenverschiedener San-Gruppen aus dem südlichenAfrika zusammenkamen, um über ihre Lebens-situation, ihre Probleme und Zukunftsperspek-tiven zu beraten. In kleinen Familienverbän-den, ohne ausgeprägte hierarchische Struktu-ren und nach weitgehend egalitären Prinzipienorganisiert, hatten die San der über die Jahr-hunderte fortschreitenden Landnahme undihrer Verdrängung in die unwirtlichen Randzo-nen der Kalahari nie organisierten Widerstandentgegengesetzt. Nun aber begannen sie, übereine gemeinsame Vertretung ihrer Interessenzu diskutieren. Auf den beiden Entwicklungs-konferenzen 1992 in Windhoek und 1993 inGaborone forderten Delegierte der San dieGründung einer eigenen Organisation. Abererst nachdem die Vereinten Nationen 1994 das „Jahrzent der indigenen Völker“ ausgeru-fen und umfangreiche Studien die Situationder San-Gemeinschaften erforscht und ins Lichtder Öffentlichkeit gerückt hatten, war es dannsoweit: 1996 wurde die „Arbeitsgruppe Indi-gener Minderheiten im Südlichen Afrika“(Working Group of Indigenous Minorities inSouthern Africa) WIMSA ins Leben gerufen.

Inzwischen gehören dem als gemeinnützigeOrganisation eingetragenen Netzwerk 30 San-Organisationen aus Namibia, Botswana, Süd-afrika und Angola an. Koordiniert wird dieArbeit von WIMSA vom zentralen Büro in Nami-bias Hauptstadt Windhoek aus. Einmal im Jahrtreffen sich Delegierte aller Mitgliedsorgani-sationen zur Generalversammlung, um dieZiele und Schwerpunkte der Arbeit festzule-gen. Maßnahmen in den Bereichen Aus- undWeiterbildung, Kulturbesitz und -förderung,Sicherung von Landbesitz und natürlichenRessourcen, Verteidigung der Menschenrechtesowie HIV/AIDS-Aufklärung und der weitereAusbau von Vertretungsgremien werden aufdiesen Versammlungen geplant.

Seit ihrer Gründung vor acht Jahren sind dieAktivitäten von WIMSA beständig gewachsen,und erste Erfolge sind zu verbuchen. So unter-stützt WIMSA die San dabei, ihre oralen Tradi-tionen zu dokumentieren und dadurch ihrBewusstsein für den Wert der eigenen Kultur

zu stärken. Auch hilft WIMSA den San, ihr geistiges Eigentum zu schützen, wie beispiels-weise ihr Wissen um die therapeutische Wir-kung von traditionellen Heilpflanzen, und ihre Persönlichkeitsrechte gegenüber all jenenzu verteidigen, die das Wissen und die Kultur der San für eigene Profitinteressen ausbeutenwollen. Zur Sicherung ihrer Besitzansprüche auf freies Gemeinde-Land, das die San seitGenerationen bewohnen, vermittelt WIMSARechtshilfe, betreibt Lobbyarbeit bei denzuständigen Regierungsstellen und mobili-siert durch intensive Medienarbeit die Unter-stützung der breiten Öffentlichkeit.

In enger Abstimmung mit dem Zentrum fürRechtshilfe, dem Legal Assistance Centre inNamibia, und der MenschenrechtsorganisationDitshwanelo in Botswana greift WIMSA auch beiMenschenrechtsverletzungen gegenüber denSan ein. Zu den gravierendsten Fällen, in denenWIMSA und andere Organisationen tätig wur-den, gehört die Vertreibung von 2.200 San aus ihrem angestammten Siedlungsgebiet im Central Kalahari Game Reserve durch dieRegierung von Botswana. Die San störten, weildas Gebiet zum Nationalpark ausgeweitet undstärker für den Tourismus geöffnet werden soll.Jetzt muss die Regierung ihr Vorgehen vorGericht verantworten.

wie die Skelettküste und die Etosha-Pfanne.Der Rest ist „communal land“, Gemeinschafts-land, wie etwa in Otjinene und Tsumkwe, dasnoch bis vor kurzem offiziell ‚Bushmanland‘hieß. Meist handelt es sich dabei um die abge-

legensten Regionenim Landesinneren,an der Grenze zuBotswana oder imNordwesten.

Das Team ausWindhoek, dasWIMSA nachTsumkwe geschickthat, hat eine Ver-sammlung der!Kung-San einbe-rufen. Ende 2003wurde hier ein9.000 Quadrat-kilometer großesGebiet endlich,nach langem Tau-ziehen mit derRegierung, zur‚Conservancy‘ er-klärt. Damit erhal-ten die San-Grup-pen begrenzteRechte, das Wildund die natürlichenRessourcen alsEinkommensbasiszu nutzen. Um

sicherzustellen, dass dadurch nicht die Wild-bestände dezimiert oder die Umwelt zerstörtwerden, soll jetzt für die Siedlungen der San inder neuen N‡a Jaqna-Conservancy gemeinsamein Landnutzungsplan erstellt und beschlossenwerden.

Der erste Schritt ist die Bestandsaufnahme.Wo stehen die Hütten? Wo sind Wasserstellenund Gemüsegärten? Wie viel Wild gibt es noch?Dann wird diskutiert, welche Gebiete für Land-wirtschaft und als Weideland genutzt werdensollen, welche als Wald und für die Sammlungvon ‚Bushfood‘ reserviert werden. Das Umwelt-ministerium hat Experten abgestellt, die demTeam, dem auch San angehören, helfen, durchSatellitenortung die Grenzen zu markieren undexakte Landkarten anzulegen. „Wenn dieGemeinschaft selbst die nachhaltige Nutzung

regelt, ist das wirksamer als eine Kontrolledurch die Regierung“, sagt EED-Fachkraft undWIMSA-Koordinator Axel Thoma.

Schon wälzen die !Kung-San im DistriktTsumkwe-West Zukunftspläne. Wenn sich derWildbestand in der N‡a Jaqna-Conservancywieder erholt hat, könnte er zusammen mit den Felszeichnungen in den nahegelegenenHügeln Touristen locken, für die sie eine kleineLodge einrichten würden. Dazu können Teu-felskralle und andere Pflanzen „breitflächigEinkommen schaffen“, wie Axel Thoma glaubt.Erste Erfahrungen gibt es bereits. In Vergenoegetwa wird – beraten von WIMSA und demnamibischen Forschungs- und Informations-zentrum CRIAA – Gamagu seit mehrerenJahren geerntet, ohne den Bestand zu zerstö-ren. Eine eigene Vermarktung schaltet Zwi-schenhändler aus und bringt bessere Bezah-lung. Für kleinere Mengen gibt es inzwischensogar eine Zertifizierung als ‚organisch‘. DieMarktnische ‚Öko‘ erbringt höhere Preise und bietet damit einen Anreiz zu nachhaltigerNutzung und die Aussicht, die Abwärtsspiraleniedriger Preise und übermäßiger Ausbeutungumzukehren.

Streit um NaturressourcenDieses Konzept einer nachhaltigen Nutzungklingt geradezu wie die Ideallösung, um Naturund Menschen in der sensitiven Umwelt derKalahari eine Zukunftsperspektive zu eröff-nen: Es verbindet Umweltschutz, Ernährungs-sicherung und Nutzungsrechte, die den Sanerlauben, ihre überkommene Lebensweisezumindest teilweise weiterzuführen und dennatürlichen Supermarkt zu benutzen, aber auch an Geld- und Marktwirtschaft anzu-docken.

Dennoch gibt es in Bubi se Pos, einer derSiedlungen, in denen das WIMSA-Team dieLandnutzungsplanung durchführt, heftigenStreit. Zwei Herero stören das Treffen, beschim-pfen und bedrohen das Team, schüchtern dieSan ein und halten mit endlosen Reden dieVersammlung auf. Sie wollen kein Naturschutz-gebiet und erst recht keine Nutzungspläne, diedas Weideland für ihr Vieh einschränken. Sieberufen sich auf ihre Tradition als Viehhalter.Die Rinder bringen ihnen viel Geld. Und derExport, etwa nach Südafrika, dem Staat erheb-liche Deviseneinnahmen.

8 Biopiraten in der Kalahari?

Konfliktstoff Wasser

Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen 9

Herero und Ovambo aus den wenigenfruchtbaren, dicht besiedelten Gebieten imNorden rücken dem Gemeinschaftsland zuLeibe. Sie beschwatzen oder bestechen die lokalen ‚Chiefs‘, ihnen Land zuzuteilen. Odersie bitten San-Gruppen, ihnen für ihr ViehZugang zu ihrer Wasserstelle zu erlauben.Nach und nach wächst dann die Zahl derRinder, die zur Tränke kommen. Bald reicht das Wasser nicht mehr für die San selbst.Rinder und Ziegen machen sich über alles her, was fressbar ist, nicht nur das Bushman’sGras – und so wird ‚Bushfood‘ rar, ebenso wie Baumaterial, die Teufelskralle oder andereHeilkräuter. Eine schleichende Enteignung.Die Kuh in der Kalahari ist wie der Elefant im Porzellanladen.

In einigen Gebieten hat dieser Streit umLand und Wasser, der Konflikt zwischen San,Herero und Ovambo, zwischen Teufelskralleund T-Bone-Steak, Natur und Profit bereits zur Konfrontation geführt, gelegentlich aus-getragen mit Gewehr gegen Pfeil und Bogen.In vielen Fällen ziehen die San den Kürzeren.Und manchmal dann die Notbremse. So

fackeln sie gelegentlich schon mal das Bush-man’s-Gras ab – kein Futter, kein Vieh, keineHereros, kein Konflikt.

H wie Hoffnung„Wir brauchen Land und Bildung“, meintPetrus Vaalbooi, Vorsitzender des San-Rats vonSüdafrika, „um unsere Rechte und unsere Tra-ditionen zu sichern.“ Helfen könnte dabei eineSukkulente, Hoodia, eine kakteenähnlichePflanze, die die ‡Khomani-San !Kkhoba nen-nen. Denn wenn alles gut geht, könnte sie denSan viel Geld bringen. Statt Körbe zu flechten,als Tagelöhner zu arbeiten oder für Touristenzu tanzen, könnten sie dann Land kaufen, denKindern eine gute Ausbildung ermöglichen, dieeigene Sprache und ihre so eng mit der Naturverbundene Kultur wiederbeleben. Nach Jahrender Verdrängung, Diskriminierung und Ent-rechtung bietet Hoodia vielleicht die Aussichtauf eine Art Happy End, auf eine bessere Zu-kunftsperspektive.

Diese hoffnungsvolle Geschichte wird meistals ‚Good News Story‘ erzählt, etwa so: Es gabeinmal eine Zeit, da nutzten die ‚Buschleute‘

Indigene Völker wehren sich gegenBiopiraterie. Sie wehren sich dage-gen, dass ihre von Generation zuGeneration weiter entwickeltenKenntnisse über ihre Köpfe hinwegdurch multinationale Konzerne ver-marktet werden.

Der EED unterstützt die Entwick-lungsanstrengungen indigener Völkerauf vielfältige Weise: durch finan-zielle Förderung, die Vermittlung vonFachkräften und Beratungsleistun-gen. Und er setzt sich dafür ein, dassinternationale Abkommen so ausge-staltet werden, dass die Interessender Benachteiligten zum Zuge kom-men – etwa bei der Konferenz überbiologische Vielfalt in Malaysia imFebruar 2004. Dort konnte ein ersterSchritt getan werden, der hoffentlichauch dazu führen wird, dass die

Rechte der Benachteiligten gestärktwerden, wenn ihre Pflanzen und ihrtraditionelles Wissen genutzt undvon Firmen im Norden profitabel ver-marktet werden sollen.

Das wichtigste Anliegen indigenerVölker ist, dass sie selbst darüberbestimmen wollen, ob, wann und wieandere ihr Wissen und ihre Ressour-cen verwerten dürfen. „In Europa istes doch auch verboten, in fremdenGärten zu ernten“, sagen sie. UndVictoria Tauli-Corpuz, Direktorin vonTebtebba, eines EED-Partners, dersich international für die Rechte in-digener Völker einsetzt, stellte beider Konferenz in Malaysia fest: „Mankann nicht auf der einen Seite unserWissen nutzen wollen und auf deranderen Seite unsere Rechte igno-rieren.“

Internationale Abkommen müssenindigenen Völkern wie den San ihreRechte verbindlich garantieren –gegenüber ihren eigenen Regierun-gen, gegenüber den Regierungen desNordens und gegenüber multinatio-nalen Konzernen. Dafür tritt der EEDgemeinsam mit seinen Partnern ein.Und gleichzeitig ist es Aufgabe desEED, die Opfer von Biopiraterie, wieetwa die San und andere indigeneVölker, durch finanzielle und perso-nelle Förderung in ihrem Kampf fürdie Durchsetzung ihrer Rechte weiterzu unterstützen.

Traditionelle Rechte durchsetzen

Hoodia, um bei der Jagd ihren Durst zu stillenund das Hungergefühl zu dämpfen. Eines Tageskamen Wissenschaftler vom staatlichen südafri-kanischen Forschungszentrum CSIR daher. Siebestimmten den Wirkstoff und patentiertenihn, ohne die San zu fragen. Das britische Un-ternehmen Phytopharm erhielt die Nutzungs-rechte an P57, das US-amerikanische Pharma-unternehmen Pfizer eine Produktionslizenz.Die Hungerbremse der Armen verspricht fetteGewinne als Appetitzügler für übergewichtigeReiche, frisch im Salat, als Schlankheitsdrinkoder als Fett verzehrende Pille. Glücklicher-weise wurden die „Biopiraten“ auf frischer Tatertappt. Und so wendete sich dank Nichtregie-rungsorganisationen und eines engagiertenAnwalts doch noch alles zum Guten: Die Sanwurden an den Einnahmen durch das Patentbeteiligt, „die Kultur der Buschmänner Süd-afrikas durch die Pharmaindustrie vor demUntergang gerettet“, wie zum Beispiel ein ZDF-

Bericht jubelte. Und sie lebten fortan glücklichmiteinander...

Eigentum verpflichtetDoch die Geschichte ist weitaus komplizierterund wirft jede Menge Fragen und Probleme auf.

Etwa: Wem gehört die einmalige biologischeVielfalt der Kalahari und des südlichen Afrika,für die Kalahari-Trüffel, Teufelskralle oderHoodia nur einige wenige Beispiele sind? Sosind die San zwar die älteste, nicht aber die einzige Gruppe, die die Wirkung der Hoodiaund der zahllosen anderen Pflanzen kennt, undSüdafrika ist nicht das einzige Land, in dem siewachsen. Die Antwort hat kommerziellen Wert,denn die Natur und ihre genetischen Ressour-cen bergen ein gewaltiges Nutzungspotenzial.Nach Schätzung der Weltgesundheitsorgani-sation WHO liefern zum Beispiel Heilpflanzenzu 70 Prozent das Ausgangsmaterial für moder-ne Medikamente. Und mit der modernen Bio-

10 Biopiraten in der Kalahari?

Vorteilsausgleich2002 trafen der südafrikanische San-Rat und das Forschungs-institut CSIR folgende Vereinbarungen:• Auf Grund ihrer wechselseitigen, umfassenden Beziehung zur

Natur sind die San seit jeher Hüter und Bewahrer traditionellenWissens und kultureller Werte. Dies bezieht sich auch auf dieNutzung der Hoodia-Pflanze durch den Menschen.

• CSIR erkennt an, dass die San über dieses traditionelle Wissen verfügen. CSIR erkennt weiterhin an, dass dieses Jahrtausen-de alte Wissen von großer Bedeutung ist und dass es schonlange vor den wissenschaftlichen Erkenntnissen bestand, die die westliche Zivilisation während der letzten hundert Jahregesammelt hat.

• Angesichts der zu erwartenden Gewinne aus der kommerziel-len Nutzung von Patenten zur Erzeugung von Hoodia-Pro-dukten verpflichten sich CSIR und der San-Rat als Vertreter der San im Südlichen Afrika, den Vorteilsausgleich zwischen beiden Parteien in einem Vertrag umfassend zu regeln.

Heute sind die San stolz auf das Abkommen zum Vorteilsaus-gleich. „Uns erfüllt mit großer Freude, dass ein Teil unseres tradi-tionellen Wissens anerkannt und geehrt wird. Entscheidend ist,dass CSIR unser traditionelles Wissen über die Hoodia-Pflanze alsQuelle der Informationen anerkannt hat, die 1995 zur Patentie-rung führten“, erklärte Kxao Moses ‡Oma, der Vorsitzende desWIMSA-Vorstands, bei der Unterzeichung des Hoodia-Vertrags.

Die Hoodia-Pflanze

Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen 11

und Gentechnologie besitzen Pharma- undLebensmittelindustrie neue Instrumente, umWirkstoffe zu isolieren, zu analysieren, nachzu-bauen und Pflanzen genetisch zu verändern.

Die meisten indigenen Völker und tradi-tionellen Gesellschaften kennen kein indivi-duelles Eigentum an der Natur und auch dasWissen darüber ist weitgehend offen und allenzugänglich. Ähnlich galt in den Industrielän-dern lange die natürliche Vielfalt als ‚Erbe derMenschheit‘, das heißt, sie gehörte allen – oderniemandem. Immer wieder grasten Sammler,Forscher und Züchter das Schatzhaus derNatur, das in einigen Ländern des Südensbesonders reich ist, ab. Wenn sie aus ihren‚Entdeckungen‘ Gewinn schlugen, wie mit der Teufelskralle, gingen die Herkunftsländeroder die Menschen, die dort lebten, allerdingsmeist leer aus.

Dem sollte mit der Konvention über Bio-logische Vielfalt (CBD), die 1992 beim ‚Erd-gipfel‘ der Vereinten Nationen in Rio de Janeiroverabschiedet wurde, ein Riegel vorgeschobenwerden. Der erste Schritt: Klare Eigentums-verhältnisse. Das Abkommen überträgt denHerkunftsländern die nationale Souveränitätüber ihre biologische Vielfalt. Es gibt damit den Regierungen das Recht, über die Verwen-dung der auf ihrem Gebiet vorkommendenFlora und Fauna zu entscheiden. Das gilt so-wohl für ganze Pflanzen beziehungsweise Tiere,als auch für ihre Teile bis hin zu einzelnenGenen.

Umgekehrt macht das Abkommen die Regierungen verantwortlich dafür, Maßnah-men gegen den rapiden Verlust der Vielfalt zuergreifen und eine nachhaltige Nutzung, etwadurch in- und ausländische Forschungsinsti-tutionen oder Unternehmen, zu ermöglichenund zu regeln. Gewinne aus der Nutzung biolo-gischer Vielfalt müssen zwischen den Beteilig-ten, also etwa einer Pharmafirma und demHerkunftsland eines Wirkstoffes, gerecht geteilt werden.

Dieser sogenannte Vorteilsausgleich (‚bene-fit sharing‘) erstreckt sich auch auf indigeneVölker und traditionelle Gemeinschaften, da sie durch ihre Lebens- und Nutzungsweise,etwa durch eigene Züchtung, zur Erhaltungund Entwicklung der Vielfalt beigetragen ha-ben. Ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Kennt-nisse helfen zudem bei der Bioprospektion.So wie zum Beispiel die San bei der Sammlungund der Jagd im Busch untrüglich die Fährtenvon Wild und Mensch lesen konnten, liefern sie den Forschern oft die entscheidenden Hin-weise auf nützliche – und gewinnträchtige –Eigenschaften, wie vor hundert Jahren bei derTeufelskralle. Die San sind daher wieder ge-fragt als Spurensucher.

Der entscheidende Tipp„Da, und hier – und da, eine besonders große!“Wie ein Wirbelwind läuft Petrus Vaalbooi durchdie steinige Hügellandschaft am Rand des Kgalagadi Transfrontier Park. Die kniehohen

Gewinne aus der Nutzung

der biologischen Vielfalt

müssen gerecht geteilt

werden.

Hoodia-Pflanzen erinnern ein wenig an einenHaufen Zucchini, dunkelgrün und fest, aller-dings nicht glatt, sondern stachlig und längs-gekerbt. Petrus Vaalbooi schneidet eine finger-lange Spitze ab und kratzt die Stacheln herun-ter. „Früher, auf der Jagd, brauchten wir tage-lang nichts anderes zu essen“, sagt er, und beißtwie zur Bestätigung ein Stückchen ab.

Die Farm, auf der Petrus Vaalbooi und an-dere ‡Khomani-Familien leben, gehörte vorwenigen Jahren noch weißen Viehzüchtern.

Nach dem Ende des Apartheid-Regimes hatteder Menschenrechtsanwalt Roger Chennells imAuftrag von den ‡Khomani vor Gericht dasRecht der südafrikanischen San auf ihre alten‚Jagd- und Sammelgründe‘ eingeklagt – undgewonnen. Sechs Farmen, die ihre weißenBesitzer verkauft hatten, wurden daraufhin vonder neuen Regierung an die San übergeben,38 000 Hektar Land ihrer Vorfahren. Außerdemdürfen sie im nahegelegenen Kgalagadi Trans-frontier Park Nahrung sammeln. In anderenLändern müssen die San dagegen noch um dieAnerkennung ihrer angestammten Landrechtekämpfen.

Auf die Eigenschaft von Hoodia, das Hun-gergefühl zu unterdrücken, waren Angehörigeder südafrikanischen Armee bei ihren Patrouil-len mit San-Fährtenlesern, die tagelang keineNahrung außer Hoodia zu sich nahmen, auf-merksam geworden. Daraufhin begann dasCSIR, systematisch nach dem entsprechendenWirkstoff zu suchen. Solche ‚leads‘ können helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen, dieStecknadel im Heuhaufen zu finden, die Zahlder Fehlschläge bei der systematischen Sucheim Labor erheblich zu reduzieren – und damitdie Kosten.

Das wirft die nächste Frage auf: Was ist eineangemessene, gerechte oder faire Gewinnbetei-ligung der San oder anderer indigener Tipp-geber? Wie sind die wissenschaftliche Leistungund wie der Beitrag des traditionellen Wissenszu gewichten?

Ein wichtiges Modell60 Millionen Rand wurden in die Hoodia-Forschung investiert, versichert das CSIR, einEinsatz mit hohem Risiko. Dementsprechendhart waren die Verhandlungen über das Ab-kommen zum Vorteilsausgleich, das schließlichim März 2003 unterzeichnet wurde, sagt RogerChennells, der Anwalt der San. Als Ergebniserkennt das CSIR die San als Eigentümer destraditionellen Wissens und dessen Bedeutungfür die Forschung an, beharrt aber umgekehrtdarauf, dass die Isolierung des Wirkstoffs ihreeigene ‚Entdeckung‘ sei und damit berechtigter-weise patentiert werden konnte. Damit werdendie San zu Geschäftspartnern, die sechs Pro-zent der Lizenzgebühren bekommen, die dasForschungszentrum von Phytopharm fürProdukte mit dem Wirkstoff P57 erhält. „Als

12 Biopiraten in der Kalahari?

VerhandlungspokerBei den Verhandlungen über dieUmsetzung der Konvention überBiologische Vielfalt, CBD, dieden Schutz und die nachhaltigeNutzung sowie eine gerechteVerteilung dieses Nutzens regelnsoll, gab es im April 2002 einenersten Schritt vorwärts. Mit den„Bonner Leitlinien“ wurden Prin-zipien und praktische Verfah-rensweisen für den Zugang zugenetischen Ressourcen und im Gegenzug für den Vorteils-ausgleich mit Herkunftsländernund lokalen und indigenen Gemeinschaften internationalanerkannt. Doch handelt es sichdabei um freiwillige Abmachun-gen, so dass ihre Einhaltung ungewiss ist.

Deshalb forderte beim Weltgipfelfür Nachhaltige Entwicklung inJohannesburg im September2002 die Gruppe megadiverserStaaten, im Rahmen der Konven-tion international verbindlicheRegelungen zum Vorteilsaus-gleich auszuarbeiten. Daraufhinwurden bei der 7. Vertragsstaa-tenkonferenz der Konvention imFebruar 2004 in Malaysia wei-tere Verhandlungen eingeleitet.Dabei wollen die Länder desSüdens die Industrieländer stär-ker in die Pflicht nehmen, wasdie aktive Bekämpfung von Bio-piraterie und die Bestrafung der

Schuldigen angeht. Wichtig istauch, dass lokale Gemeinschaf-ten und indigene Völker überZugang und Vorteilsausgleichbezüglich ihrer genetischen Res-sourcen und ihres traditionellenWissens entscheiden können.

Zahlreiche NGO-Vertreter lehnenVerhandlungen über Zugangs-rechte und Vorteilsausgleichallerdings grundsätzlich ab. Siebefürchten, dass sie am Ende zur völligen Vermarktung derNatur führen und der Biopirate-rie unter dem Deckmantel desSchutzes der biologischen Viel-falt den Weg ebnen. Andere wiederum wählen einen prag-matischen Ansatz und arbeitendaran, innerhalb der Konven-tion die Interessen indigenerVölker und lokaler Gemeinschaf-ten zu stärken.

In Kuala Lumpur mündeten dieBeratungen in die Gründungeiner Arbeitsgruppe. Sie soll biszur nächsten Konferenz in zweiJahren konkrete Vorschläge aus-arbeiten. Es ist also noch einweiter Weg bis zu verbindlichenVerpflichtungen, die verhindern,dass multinationale Konzernedie genetischen Ressourcen unddas traditionelle Wissen desSüdens unentgeltlich und ohneZustimmung nutzen.

Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen 13

Unterhändler habe ich den Eindruck, am Endewar es für beide Seiten fair – jeder war gleicher-maßen zufrieden und unzufrieden“, sagt RogerChennells. Erschwert wurden die Verhandlun-gen, weil es international wenig vergleichbareAbkommen gibt, um sich daran zu orientieren.Außerdem, so der Anwalt, können je nachGeschäftserfolg sechs Prozent „verdammt viel“Geld sein.

Für Rachel Wynberg von der südafrikani-schen Umwelt- und EntwicklungsorganisationBioWatch sind es dennoch lediglich „Brotkru-men“, ein „klitzekleines Stück einer großen,reich belegten Torte.“ Denn die San erhaltennur einen Anteil an dem Anteil des CSIR, nichtaber am Profit oder Umsatz des Produkts selbst.Gleichzeitig mussten sie sich verpflichten, ihrWissen über Hoodia keinen weiteren kom-merziellen Nutzern zur Verfügung zu stellen.Dennoch hält auch Rachel Wynberg das Ab-kommen zwischen CSIR und den San für einen„historischen Durchbruch“.

In der Tat gehen viele andere indigene Gruppen und Träger traditionellen Wissens leer aus. So machte der US-amerikanische Konzern Eli Lilly mit dem Krebsmittel Vincri-stin aus dem Madagaskar-Immergrün jährlich einen Umsatz von 100 Millionen US-Dollar,von denen die Herkunftsländer bislang keinenCent sahen.

UnschuldsbeteuerungenAuch dem CSIR, eine der führenden For-schungseinrichtungen in Afrika, wurde ver-suchte Biopiraterie vorgeworfen. Denn diePatentierung kam nur dank aufmerksamerNGOs und eher zufällig ans Licht, vier Jahre,nachdem die Nutzungs- und Vermarktungs-rechte 1997 an Phytopharm vergeben wor-den waren. Das Ethnopharma-Unternehmen,das sich rühmt, den indigenen Wissens-lieferanten helfen zu wollen, erklärte, die San seien nach Auskunft des CSIR seit lan-gem ausgestorben und könnten daher gar

Das Abkommen über

Vorteilsausgleich macht

die San zu „Geschäfts-

partnern“ von For-

schungsinstituten und

Unternehmen.

nicht an zukünftigen Gewinnen beteiligt werden.

Das löste nicht nur bei den San, sonderninternational Empörung aus. Und so konntedas CSIR am Ende gar nicht anders, als übereinen Vorteilsausgleich mit den San zu ver-

handeln, zumal Südafrika die Konvention über die Biologische Vielfalt ratifiziert hat. Diegütliche Einigung, so manche Kritiker, stelledaher eine nachträgliche Legitimierung desDiebstahls geistigen Eigentums der San daroder bestenfalls eine sehr milde Strafe – wie für den ertappten Dieb, der straffrei ausgeht,weil er dem Beraubten ein paar Prozente vondem Geld abgibt, das ihm der Hehler für dasDiebesgut bezahlt hat.

Das CSIR sieht sich dagegen nicht als Bio-pirat. Petro Terblanche, als Direktorin der Ab-teilung Bio/Chemtek zuständig für Bioprospek-tion, weist den Vorwurf weit von sich. „Wirhaben von vornherein über einen Vorteilsaus-gleich nachgedacht“, versichert sie. „Aber wirwollten erst einmal abwarten, ob unsere For-schung wirklich Erfolg hat.“ Angesichts deshohen Risikos eines Fehlschlags sollten keinevoreiligen Erwartungen geweckt werden.

Die Erklärung hat einen gravierenden Schönheitsfehler. CSIR hatte nicht die ‚vorhe-rige informierte Zustimmung‘ (Prior InformedConsent, PIC) der San für die Erforschung des Wirkstoffs, die Patentierung und die Ver-gabe der Vermarktungsrechte an Phytho-pharm eingeholt und damit gegen ein zentra-les Grundprinzip der Konvention über dieBiologische Vielfalt verstoßen. Statt PIC gab es nur LIC, scherzt Roger Chennells wort-spielerisch, die arg verspätete Zustimmungdurch die San, als alles schon gelaufen war.„Zuerst waren wir sehr ärgerlich, als wir hör-ten, dass man uns bestohlen hat“, sagt VictoriaGeingos von den Hai||om San. „Jetzt sind wiraber doch froh, dass wir etwas dafür bekom-men.“

Möglicherweise hätte es mehr sein können.„Hoodia-Präparate haben das Potenzial, Süd-afrikas erstes Kassenknüller-Medikament zuwerden. Deshalb hätten alle Fragen geklärt wer-den müssen, bevor das Patent erteilt wurde“,kritisiert Rachel Wynberg. Dann wären die Sanauch in einer weitaus besseren Verhandlungs-position gewesen. Und sie hätten die Möglich-keit bekommen, gegebenenfalls Nein zu sagen,wenn eine kommerzielle Nutzung gegen ihrereligiösen oder kulturellen Traditionen ver-stieße.

„Faktisch“ so Chee Yoke Ling von der EED-Partnerorganisation Third World Network inMalaysia, „untergräbt das Patentrecht Regeln

14 Biopiraten in der Kalahari?

Wohl niemand würde Kolumbien, Keniaoder Indonesien zu den reichsten Staatender Welt zählen. Doch sie gehören dazu,nämlich zur Gruppe der „Megadiversen“,der Länder mit dem größten Reichtum anPflanzen und Tieren. Die 12 Länder, darun-ter auch Schwergewichte wie China, Brasi-lien, Südafrika und Indien, die sich imFebruar 2002 im mexikanischen Cancúnzusammengeschlossen haben, verfügenüber 70 Prozent der biologischen Vielfaltder Erde. Ihre Zusammenarbeit soll ihrGewicht gegenüber den Industrieländernund Unternehmen besser zur Geltung brin-gen, durch gerechtere Teilung des Nutzensgenetischer Ressourcen die Schubkraft fürdie eigene Entwicklung verstärkt werden.Zudem wollen sie nicht nur Rohstoffliefe-ranten sein, sondern durch Technologie-und Wissenstransfer selbst in die Lage ver-setzt werden, ihren Reichtum vielseitigwirtschaftlich zu nutzen.

Wichtig dabei ist unter anderem, die Bio-piraterie, den illegalen Erwerb genetischerRessourcen, wirksamer zu unterbinden.Daher fordern sie in ihrer „Erklärung vonCancún“ unter anderem, dass Länder nurdann eine Patentierung zulassen sollen,wenn die Herkunft der verwendeten biolo-gischen Ausgangsmaterialien und die „vor-herige informierte Zustimmung“, PIC, derindigenen oder lokalen Bevölkerung ver-lässlich nachgewiesen werden.

Ausdrücklich unterstreicht die Ländergrup-pe die große Bedeutung, die traditionelleKulturen und Wissen indigener und lokalerGemeinschaften für die Erhaltung undnachhaltige Nutzung der biologischen Viel-falt haben. Und sie verpflichtet sich, dieseGemeinschaften bei der Umsetzung ihresWissens in „wirtschaftlich tragfähige Pro-jekte“ zu unterstützen.

Allianz Megadiverser Staaten

Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen 15

zum Vorteilsausgleich.“Daher kommt es nun fürdie meisten Nichtregie-rungsorganisationen dar-auf an, dass bei weiteren Verhandlungen die Kon-vention gegen das Patent-recht gestärkt wird.

Auch die Patentierungselbst schränkt ihre Mög-lichkeiten zur Mitspracheein. Denn damit habenCSIR und Phytopharmdas alleinige Entschei-dungsrecht, die San können nur warten undhoffen, dass am Ende fürsie etwas dabei heraus-kommt. Würden dagegennur einfache Nutzungs-rechte an mehrere Un-ternehmen vergeben,wäre der Spielraum fürVerhandlungen und Ein-flussnahme erheblich größer.

Dabei ist es durchausstrittig, ob die Paten-tierung durch CSIRüberhaupt rechtens war.Voraussetzung dafür isteine ‚Erfindung‘, nichteinfach die ‚Entdeckung‘eines Stoffes, der in derNatur vorkommt. DasCSIR windet sich ausdiesem Dilemma heraus,indem es darauf pocht,dass die Isolierung undBestimmung des Wirk-stoffes ihre ureigenste wissenschaftliche Lei-stung und damit patentierbar gewesen sei, trotzder Hilfe durch die San.

Roger Chennells dagegen ist überzeugt, „wirhätten gegen die Patentierung klagen können“.Doch das wäre „sehr dumm“ gewesen, rechtfer-tigt er die Entscheidung, das Patent nicht anzu-fechten, hätte es doch einen langen Prozess mitungewissem Ausgang bedeutet, an dessen Endedie San möglicherweise mit leeren Händen dagestanden wären. „Die San für die Unter-zeichnung des Abkommens zu kritisieren ist,

wie einen Ertrinkenden zu kritisieren, der die rettende Hand ergreift.“

Für Joram |Useb, den stellvertretendenWIMSA-Koordinator und Angehörigen derHai||om, ist noch ein anderer Aspekt wichtig.Durch das Abkommen mit CSIR hätten die Sannicht nur gelernt, „über ihr geistiges Eigentumzu entscheiden, sondern auch das Recht bekom-men, von seiner Vermarktung zu profitieren.“

Ohne die Zustimmung der indigenen Völker dürfen die Wirkstoffe ihrer

Naturressourcen nicht patentiert und vermarktet werden.

Das Fell des BärenFür Petrus Vaalbooi, Andries Steenkamp,Susanna Witbooi und die anderen Vertreter derSan aus Südafrika, Namibia und Botswana, diesich in Plaatfontein nahe der südafrikanischenDiamantenmetropole Kimberley getroffenhaben, stellen sich zahlreiche weitere Fragen:Was ist eigentlich ein Patent? Hat das CSIR dasRecht, den Wirkstoff zu patentieren? Die Vor-stellung, dass jemand ihr kollektives Wissen,das allgemein zugänglich ist, individuell besit-zen und verwerten darf, ist ihnen fremd. „Wa-rum teilt CSIR nicht fifty-fifty mit uns?“, fragtLappies Naftal, ein Khwe aus dem Caprivi-Streifen hoch im Norden Namibias. Und CollinTsima aus Botswana fühlt sich „als Juniorpart-ner“ behandelt, durch die Patentierung „ver-schwinden“ die traditionellen Wissensträger.

Beim Treffen auf der einst privaten FarmPlaatfontein, die mehreren tausend San, die inder südafrikanischen Armee gedient hatten, voreinigen Jahren überlassen wurde und unteranderem ein Zentrum für Kunst und Kulturder !Xun und Khwe beherbergt, wird die Grün-dung des Hoodia-Trusts diskutiert. Er soll dasGeld, das an die San fließt, verwalten und ver-teilen. Neben dem San-Rat werden darin auchCSIR und WIMSA vertreten sein.

Allein schon die Aussicht auf den Geldsegen„trieb uns den Angstschweiß auf die Stirn“, sagtAxel Thoma. Denn die Summen, die anfangsgehandelt wurden, waren geradezu schwindel-erregend. Zwei Milliarden britische Pfundkönnte 2006 der Umsatz auf dem Diät-Marktbetragen, so Schätzungen, und Hoodia als natür-liches Mittel hätte gegenüber synthetischenPräparaten einen enormen Wettbewerbsvorteil.Eine Million US-Dollar im Jahr für die Sanwären daher durchaus drin. „Das kann sehrleicht zu Korruption führen“, erklärt AxelThoma seine anfängliche Unruhe, „einige be-reichern sich, aber das kleine Volk da draußenkriegt nichts ab.“

Um das zu verhindern, wurde der Hoodia-Trust gegründet. Außerdem haben sich die San-Vertreter aus den verschiedenen Ländernauf einen „Vorteilsausgleich“ untereinanderüber die Grenzen hinweg geeinigt: Ein Viertelder Gelder, die CSIR abgibt, ist für den Hoodia-Trust und WIMSA, der Rest soll zu gleichenTeilen an die San-Organisationen in Namibia,Südafrika, Angola und Botswana fließen. „Frü-her, vor der Kolonialzeit, gab es keine Grenzenzwischen uns“, hatte Mathambo Ngakaeaja,WIMSA-Koordinator in Botswana, erfolgreichargumentiert, „und auch heute gehören wir

16 Biopiraten in der Kalahari?

Auf der internationalen Bühne tobtein Streit zweier Systeme: Vorteils-ausgleich gegen Patentierung, ABSgegen TRIPs, ein ungleiches Tauzie-hen um die Nutzung der biologi-schen Vielfalt, der genetischen Res-sourcen. TRIPs, das Abkommen überhandelsbezogene geistige Eigen-tumsrechte, wurde in der Welthan-delsorganisation WTO beschlossen. Es verpflichtet alle Regierungen, Min-deststandards für eine Patentierungnach dem Vorbild der Industrieländereinzuführen. Dabei können strenggenommen nur die Rechte an eige-nen Erfindungen geschützt werden.Ein Nachweis darüber, woher die Aus-gangsstoffe und Ideen dafür stam-men, ist nicht erforderlich, ebensowenig ein Vorteilsausgleich. TRIPs

verursacht damit nach Auffassungvieler Kritiker eine Diskrepanz zwi-schen Patentierung und dem Schutzindigenen Wissens und sichert indi-rekt die Möglichkeiten für Biopira-terie.

Der Streit ist auch ein Tauziehenzweier internationaler Organisatio-nen, der WTO, in der bislang dieIndustrieländer die Richtung bestim-men, und den Vereinten Nationen, in denen die Länder des Südens ihreMehrheit besser ins Spiel bringenkönnen. Die UN-Konvention überBiologische Vielfalt, CBD, hat denRegierungen des Südens mit derSouveränität über ihre genetischenRessourcen einen Trumpf in die Hand gegeben. Doch die Regeln der

Konvention zu Zugang und gerech-tem Vorteilsausgleich, ABS, habensich gegenüber dem Patentrecht inder Realität als zu wenig durchset-zungsfähig erwiesen. Und anders alsdie WTO haben die Mitgliedsländerder Konvention keine Möglichkeiten,Verstöße zu ahnden. „Faktisch“ soChee Yoke Ling von der EED-Partner-organisation Third World Network inMalaysia, „untergräbt das PatentrechtRegeln zum Vorteilsausgleich.“ Daherkommt es nun für die meisten Nicht-regierungsorganisationen darauf an,dass bei weiteren Verhandlungen dieKonvention gegen das Patentrechtgestärkt wird.

ABS und TRIPs: Systemkonkurrenz

immer noch zusammen.“ So hatte das Abkom-men bereits einen ersten, unmittelbaren Nu-tzen: „Bei unseren Bestrebungen, die San imsüdlichen Afrika zusammenführen und zu stär-ken, sind wir durch die Hoodia einen ganzenSchritt weiter gekommen“, sagt Axel Thoma.

Noch allerdings ist man dabei,das Fell zu verteilen, bevor derBär erlegt ist. Nachdem Pfizer imJuli 2003 die Lizenz zurück gab,weil sich das Unternehmen ausder Sparte Naturmedizin zurück-zog, ist unklar, wie diese Lückegefüllt werden kann. Und frühes-tens in vier, fünf Jahren dürfte ein Produkt auf den Markt kom-men, mit dem auch wirklich Geldverdient wird, sei es als Medika-ment, sei es als „Novel Food“, alsHoodia-Drink, als Schlankheits-tee oder als Müsli-Riegel zum Ab-nehmen. Konkurrenz hat diesesneue Produkt heute schon: ImInternet etwa werden bereitsjetzt eine Reihe angeblicher Hoo-dia-Schlankmacher feil geboten.

StandortwettbewerbWenn der Appetitzügler ausHoodia so erfolgreich wird wieerhofft, eröffnet sich noch eineweitere gewinnträchtige Perspek-tive. Der natürliche Bestand unddie wilde Sammlung könntenbald nicht mehr ausreichen, umeine steigende Nachfrage zu be-friedigen. Schon werden WIMSA,das Umwelt-Ministerium in Namibia und der südafrikanischeSan-Rat überschüttet mit Anfra-gen von Interessenten, die Hoodiakommerziell anbauen wollen, dar-unter Phytopharm. Bei Stellen-bosch unweit von Kapstadt gibt esbereits eine erste Vertragsfarm, die Hoodia füreinen Exporteur anpflanzt. Und andere Länderwie Chile mit ähnlichen Klimabedingungen wieim südlichen Afrika stehen in den Startlöchern.

Vorausschauend hat sich CSIR bereits dieRechte für die Kultivierung und die Produk-tion für den südafrikanischen Markt gesichert,Phytopharm die Rechte für Plantagen außer-

halb Südafrikas. Auch die Entwicklung derTechnologie für Vermehrung und Anbau, dieähnlich kompliziert sei wie bei der Teufels-kralle, sei eine eigenständige wissenschaftlicheLeistung, erklärt CSIR-Direktorin Petro Ter-blanche. Die Verfahren wurden daher ebenfalls

bereits rechtlich geschützt. Für die in der kommerziellen Landwirtschaft unerfahrenenSan bietet ein solcher Anbau keine Perspek-tive. Die Anforderungen, etwa durch die Ab-nehmer, sind hoch, ebenso die Investitionen.Aber vielleicht fänden sie ja Beschäftigung und Einkommen in der Verarbeitung, machtPetro Terblanche Hoffnung.

Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen 17

Das bestehende Patentsystem nimmt den Gemeinschaften das

Verfügungsrecht über ihre Ressourcen.

Die Aussicht auf Geschäfte und Devisen-einnahmen mit dem kommerziellen Anbau,der Verarbeitung und Vermarktung vonHoodia, von Teufelskralle und anderen Nutz-und Heilpflanzen, bietet aber auch Stoff fürZoff zwischen den Nachbarländern. Namibiasieht seine Chancen nicht nur durch die viel weiter entwickelte Agrarforschung undLandwirtschaft Südafrikas bedroht. Auch das Interesse von Ländern wie Chile, die vonPhytopharm als Konkurrenten ins Spielgebracht werden, könnte dazu führen, dass am Ende die Herkunftsregion das Nachsehenhat – obwohl das gegen den Geist der Kon-vention über Biologische Vielfalt verstößt,würden Namibia oder Südafrika dadurch quasi enteignet.

Das ganz große GeschäftAußerdem hat sich das CSIR im Abkommengleich auch die pauschale Zustimmung der Sanzu weiterer Bioprospektion gesichert, „zumNutzen beider Seiten“, wie es im Vertrag heißt.

Gemeinsam mit den San will das Forschungs-zentrum alle noch verfügbaren Informationenüber Heilkräuter und andere Pflanzen sam-meln. Damit würde auch eine Grundlage ent-stehen, auf der die San ihre traditionellenKenntnisse und ihr Wissen nachweisen können,etwa gegenüber potenziellen Biopiraten.

Trotz der Zusicherung, dass diese Daten und ihre Verwendung „den Vorschriften desCSIR, den Gesetzen und Konventionen zurBioprospektion unterliegen“, sieht AnwaltRoger Chennells noch erheblichen Klärungs-bedarf. Denn die Bioprospektion ist nicht nurein äußerst komplexer Bereich, der schwierig zu regeln ist, sondern bislang auch ein weit-gehend rechtsfreier Raum. Die nationale Um-setzung der Konvention über die BiologischeVielfalt in Namibia und Südafrika schleppt sich dahin. Gleichzeitig ist das Geschäft mit der biologischen Vielfalt vielversprechend,trickreich und knallhart. Geschenkt bekommthier niemand etwas. Auch nicht die San. Undda hilft ihnen in der Praxis wenig, dass dieKonvention die Staaten verpflichtet, traditio-nelles Wissen anzuerkennen und seine Erhal-tung zu fördern.

Organisationen wie WIMSA gehen solcheAbkommen daher sehr vorsichtig an, solangenicht ausreichende Sicherheiten verhindern,dass die Bioprospektion in Biopiraterie über-geht. So sollten alle zukünftigen Patente, die auf die gemeinsame Informationssammlungzurückgehen, in beider Namen registriert wer-den, rät Roger Chennells, also CSIR und denSan gemeinsam gehören. Andernfalls sollten die San nicht zustimmen.

Angesichts des enormen wirtschaftlichenPotenzials, das die biologische Vielfalt bietet,wird deutlich, dass für CSIR und Südafrika da-mals bei den Verhandlungen über ein Abkom-men zum Vorteilsausgleich mit den San weitausmehr auf dem Spiel stand, als sich durch eine‚faire‘ Gewinnbeteiligung vom Ruch der Bio-piraterie zu befreien – nämlich die Aussicht aufgroße Geschäfte. Appetitzügler und Schlank-macher mit Hoodia sind bestenfalls ein kleinerTeil der kommerziellen Inwertsetzung derWarenfülle des Kalahari-Supermarkts. Weitereund wohl weitaus gewinnversprechendereBereiche sind Saatgutherstellung, Vermehrung,Anbau, Verarbeitung und Export. Und das giltnicht nur für Hoodia und Teufelskralle, son-

18 Biopiraten in der Kalahari?

„Wir sind zu der Auffassung gelangt, dassdas Konzept des Zugangs zu genetischenRessourcen und Vorteilsausgleich (ABS)unabhängig und ohne Verbindung mitPatenten entwickelt werden muss. Patentedürfen keine Voraussetzung für ABS sein.Das Patentsystem, so wie es im TRIPs-Ab-kommen formuliert ist, belohnt Biopira-terie, nimmt den Gemeinschaften das Ver-fügungsrecht über ihre Ressourcen, miss-achtet die Notwendigkeit des Vorteilsaus-gleichs und untergräbt Maßnahmen zurBewahrung und Erhaltung des kulturellenErbes ländlicher und kleinbäuerlicherGemeinschaften und indigener Völker. (...)Patente auf Leben lehnen wir entschiedenab. Sie stellen eine Bedrohung für die biologische Vielfalt und das traditionelleWissen dar.“

Auszug aus einer gemeinsamen Erklärungvon EED und 17 Partnerorganisationen ausAfrika, Asien, Lateinamerika und Europa,beschlossen im Juni 2003 in Hyderabad,Indien

Kein Patent auf Leben

dern für zahlreiche andere Pflanzen und Wirk-stoffe, die beim Bioprospektions-Abkommenmit den San und bei einer ähnlichen Vereinba-rung des CSIR mit traditionellen afrikanischenHeilern noch auftauchen mögen.

Die San halten mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen einen Schlüssel dafür in der Hand – doch das CSIR verfügt mit Wissen-schaftlern, Laboratorien, Verbindungen undinternationalen Abkommen wie der Konven-tion über die Biologische Vielfalt, die die Souveränität über die natürlichen Ressour-cen den Staaten und damit den Regierungenüberträgt, über die Instrumente, um darausGewinn zu machen. Und damit den Schlüs-sel zu vergolden.

Geld ist nicht allesIn dem Film ‚Die Götter müssen verrückt sein‘fällt eine Cola-Flasche vom Himmel, mittenhinein in eine San-Familie irgendwo im Buschder Kalahari, fernab jeder westlichen Zivilisa-

tion. Das magische, durchsichtige, glitzerndeDing wird bewundert, ausprobiert, jeder will esin die Hand nehmen – dann kommt es zumStreit. Daraufhin wird einer der Männer beauf-tragt, das unselige Geschenk ans Ende der Weltzu bringen und zu entsorgen. So beginnt eineabenteuerliche Wanderung durch Busch undModerne, bis die Flasche schließlich von einerKlippe, die schroff und steil hinaushängt in dieunendliche See, ins Meer geschleudert wird.Und sie lebten wieder glücklich und friedlich...

Auch die hoffnungsträchtige Partnerschaftmit dem CSIR fiel für die San quasi vom Him-mel, eine Folge der Forschungsarbeit in fernenLaboratorien, ausgehandelt von Anwälten nachinternationalen Abkommen und Regeln, dieanderen Denkwelten als denen der San ent-springen. Anders als im Film haben die Sanbeschlossen, dieses fremde, ungewohnte undfaszinierende Ding zu behalten und zu versu-chen, es zu nutzen. Und gemeinsam das Bestefür sich daraus zu machen.

Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen 19

Das traditionelle Wissen

kleinbäuerlicher Gemein-

schaften über Pflanzen

und Heilkräuter birgt ein

enormes wirtschaftliches

Potenzial.

Wie viel am Ende materiell für die San dabeiheraus kommt, bleibt abzuwarten. Unklar istauch, wann richtig Geld fließen wird. Und obes reichen wird, die Wünsche zu erfüllen, istfraglich. Die San sitzen am Ende der Kette, siesind das schwächste Glied. Eins ist klar: EineLösung ihrer umfassenden wirtschaftlichen,sozialen und politischen Probleme wird alleindadurch nicht vom Himmel fallen.

In anderer Hinsicht haben sie allerdingsschon profitiert: Ihre Organisierung wurde,

grenzüberschreitend, gestärkt. Außerdem hat „indigenes Wissen einen enormen Schub an Wertschätzung bekommen“, sagt RogerChennells. Einerseits wurden damit die Sanselbst ein Stück weit dem Vergessen, der Ver-drängung entrissen. Andererseits tut die Erfah-rung, dass ihr traditionelles Wissen sogar imfernen Europa, für die so übermächtige moder-ne Welt, viel Wert besitzt, dem Selbstbewusst-sein gut. Als Folge der Verhandlungen undEntwicklungen der vergangenen Jahre sind die San im südlichen Afrika erfahrener undselbstsicherer geworden. Sie wollen mehr überihre bedrohten Traditionen, Sprachen undKulturen lernen, sie schützen und nutzen. Undsie sind vorsichtiger und verschwiegener ge-worden gegenüber freundlichen Besuchern,die sich für Traditionen, Heilpflanzen, Musikund Felszeichnungen interessieren, kennen sie jetzt doch deren potenziellen Wert in der Weltaußerhalb der Kalahari. Womit auch für Bio-piraten die Arbeit etwas schwieriger und teurergeworden ist.

20 Biopiraten in der Kalahari?

Für die San gilt es,

ihr traditionelles

Wissen zum Wohle

zukünftiger Genera-

tionen zu nutzen.

Danksagung

Vor wenigen Wochen wusste ich noch nicht, wie man Hoodia schreibt, geschweige denn, wie sie schmeckt (saftig, aber bitter), und jetzt .... Dass diese Wissenslücken überbrückt wurden und diese Broschüre zustande kommen konnte, ist zunächst dem EED zu verdanken, der erkannte,wie wichtig die Geschichte über diese eher unscheinbare Sukkulente für die Diskussion um traditionelles Wissen ist. Viele andere haben weitere Steine zu diesem Brückenbau beigetragen wie Axel Thoma und Magdalena Brörmann, Joram|Useb, Victoria Geingos, Cameron Welch und andere im WIMSA-Büro und Ian Agnew vom Omaheke San Trust, die sich trotz der vielenArbeit die Zeit nahmen, geduldig meine Fragen zu beantworten. Abraham und Ben verkürztenmir die weite Fahrt nach Vergenoeg mit ihren Geschichten über Moramanuss, Landverteilung und Leguane, Frits Kamte und Augustus Jacobs zeigten mir nicht nur die Geheimnisse der Teu-felskralle, sondern erzählten auch von den Schwierigkeiten, die das Leben der San prägen. Stretch,der vermutlich älteste Hippie Namibias, teilte seine vielfältigen Kenntnisse mit mir, darunter,wie man den WIMSA-Kleinbus, der nicht anspringen wollte, wieder flott macht. Andries undMagdaleen Steenkamp brachten mich unter anderem auf den Geschmack der Kalahari-Trüffel,Roger Chennells erklärte mir geduldig und sicherlich zum x-ten Mal, warum das Abkommen zwischen San und CSIR trotz allem richtig war. Beeindruckend war die Ernsthaftigkeit der Dis-kussionen des San-Rats über die weitere Arbeit und den Hoodia-Trust, ebenso das umfassendeWissen von Dave Cole von CRIAA über „Gamagu“. Den Unterschied zwischen der deutschen und der Kalahari-Teufelskralle erklärte mir allerdings Dr. Dieter von Willert von der UniversitätMünster. Ihnen allen und natürlich auch denen, die ich hier nicht erwähnen konnte, gilt meinDank.

Uwe Hoering

Biopiraten in der Kalahari?Wie indigene Völker um ihre Rechte kämpfen

Die Völker der San im südlichen Afrika nutzen die

Hoodia-Pflanze seit Jahrhunderten. Bei der Jagd

und in Zeiten der Not unterdrückt sie den Hunger.

Diese Appetit zügelnde Wirkung will sich jetzt die

Industrie zunutze machen: eine im großen Maß-

stab hergestellte Hungerbremse, ob als Diätpille

oder Schlankheitsriegel, verspricht satte Gewinne.

Und die San? Sind sie die Opfer von Biopiraterie?

Der Wirkstoff der Hoodia wurde ohne ihr Wissen

genutzt und patentiert. Dann kämpften sie dafür,

von dem großen Kuchen ein Stück abzubekom-

men. Nun ist es ihnen gelungen, einen Vertrag zu

schließen, der ihnen einen Anteil an den Gewinnen

sichert. Dies ist ein Erfolg. Aber wenn alle inter-

nationalen, völkerrechtlich verbindlichen Regeln

eingehalten worden wären, ständen die San heute

noch besser da.