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Bis 9. Juli im Deutschen Theater

Bis 9. Juli im Deutschen Theater - San2 and His Soul Patrol · Wer die San2-Konzerte kennt, weiß natürlich, wie schnell der Funke über-springt. Mich hat von früh auf Gospel-Musik

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Bis 9. Juli im Deutschen Theater

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Herr Gall, Sie haben mal gesagt, IhrTraum wäre, Deutschland so richtig fürRhythm’n’Blues zu begeistern. Die Mis-sion läuft recht erfolgreich. Wie schwerist es aber, die Mitmenschen an denGroove zu gewöhnen?

R’n’B ist in Deutschland nicht so sehrMainstream wie zum Beispiel Rock. Esist ein Genre, mit dem du aufs erstenicht so viele Leute ansprechen kannst.Wir versuchen schon, den Bogen soweit zum Pop zu spannen, dass meineMusik massentauglich sein kann. Ichsetz mich aber nicht hin und nehmemir vor einen Song zu schreiben, der

unbedingt für allefunktioniert. In ersterLinie muss er erst malfür mich funktionieren– sonst muss ich nichtsschreiben.

Klar.

Man nimmt sich ja nichtvor, an einem Tag einen Blues-Song zuschreiben. Morgen einen Soul-Song.Und übermorgen einen radiotaugli-chen Pop-Hit. Wenn du hierzulande ineinem Konzert die Leute einfach malmitklatschen lässt, dann ist die Wahr-scheinlichkeit sehr groß, dass sie auf

eins und drei klatschen – und nicht aufden Offbeat. Das signalisiert mir, dassdu dem Publikum oft noch ein bisschenhelfen musst. Wenn du ihnen zeigst,was du dir vorstellst, dann machen siebegeistert mit. Das ist meine Mission.Wir geben den Leuten was. Wo die

Leute das dann ablegen – in der Afro-Ecke, im Soul, im Blues oder im Pop -,ist dann ihre Sache.

Wer die San2-Konzerte kennt, weißnatürlich, wie schnell der Funke über-springt.

Mich hat von früh auf Gospel-Musikgeprägt. Damit bin ich aufgewachsen,weil meine Eltern die in ihrer Platten-sammlung hatten. Mein Vater zusätz-lich mehr Jazz, bei meiner Mutter fan-den sich auch Chuck Berry, Little Ri-chard oder Elvis. Wenn meine Elternso was aufgelegt haben, saß ich alsKind nur da, habe gestaunt und mit-geklatscht. Toll! Diese Begeisterungs-fähigkeit steckt bis heute in mir. Immerwenn ich was Neues höre, und das hatGospel-Elemente, dann reißt mich dasmit. Und berührt mich. Da muss ichmich nicht verbiegen, das wiederzu-geben: Es kommt einfach so aus mirheraus.

ORTSGESPRÄCH

Seinen Künstlernamen hatte sich San2 einst als junger Graffi-ti-Sprayer zugelegt: Aus Münchner Musikerkreisen ist DanielGall, der eigentlich aus Ingolstadt stammt, aber über San Fran-cisco und Amsterdam zuerst eine ganz große Runde drehte,nicht mehr wegzudenken. Aktuell liegt sein Album „Hold On“in den Plattenregalen – und das hat er zuletzt noch mal füreine erweiterte und aufpolierte Fassung gepimpt. Achtung,das geht ins Bein!

San2

„Die Szene ist schon sehr familiär“

Das ist meine Mission ...

Redaktion_1117_Redaktionsseiten 22.05.2017 20:49 Seite 2

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Kann man Ihren Eltern dankbar sein.Sie hätten ja auch Metal- oder Hippie-Eltern haben können ...

Na klar. Aber obwohl: Mit einer zünf-tigen Metal-Vorprägung wäre ich heu-te vielleicht viel erfolgreicher. Sehrwahrscheinlich sogar.

Gospel oder Soul: So was kannnicht aufgesetzt sein, oder? Das mussvon Innen, aus dem Herzen kommen.

Ich habe Musik ja nie studiert. Als ichAnfang 20 war, ging ich für ein Jahrnach San Francisco. Dort habe ichschnell mit vielen Leuten gespielt, dieviel älter waren als ich – und viel besser.Das waren alles Musiker, die nicht ver-suchten zu klingen wie irgendwer. Siewaren einfach, wofür sie standen. Ichhabe hauptsächlich mit schwarzen Leu-ten gespielt – zunächst einmal hinterihnen – und habe viel von ihnen ge-lernt. Die größte Lektion war, als mireiner mal gesagt hat: San2, don’t playthe songs, play with the songs!

Guter Tipp.

Das war für mich ein prägendes Erleb-nis. Bevor ich eine Nummer von vornebis hinten einfach nur runterspiele, legeich besser die CD auf. Ans Originalkommt man eh nicht ran. Und live willman ja auch gar keinen CD-Sound. Des-wegen habe ich angefangen, Songs,die auf meiner Platte vielleicht zweioder drei Minuten dauern, mit diesenMusikern zu jammen. Ich will mir im-mer Freiräume schaffen. So auch beimeinem aktuellen Album. Keine Num-mer darauf dauert länger als vier Mi-nuten. Alles ziemlich kompakt. Und we-nig Soli. Wenn ich damit auf die Bühnegehe, kommt natürlich was ganz an-deres dabei raus. Mit den Songs spielen.

Eigentlich ja der Kern des Musik-machens – mit anderen was auszupro-bieren.

Aus dieser Ecke komme ich – von derJam Session. In München habe ich mit19 im Hide Out angefangen, um mitden alten Cracks zu spielen. Und umso viel wie möglich aufzusaugen undzu lernen. Auch heute sehe ich michimmer noch als Schüler.

Setzt natürlich auch Offenheit vo-raus, sich mit den Münchner Musikernzusammenzutun.

Von anderen Leuten und anderenStädten hört man oft, dass die Leutedort ellenbogenmäßig unterwegs sindund am liebsten die Bühne komplettfür sich allein hätten. So was habe ichin München zum Glück noch nie erlebt.Ich bin ja erst vor fünf Jahren hierhergezogen. Vorher war ich ja länger inAmsterdam. Dort habe ich gemerkt,dass die Musiker alle in die Clubs drän-gen. Die Unterstützung untereinander

kam mir sehr begrenzt vor. Natürlichkonnte man sich mal montags einenAmp leihen. Aber dann wollten ihn dieLeute doch gleich am Mittwoch wiederhaben. In München kam mir das bis-lang ganz anders – viel offener – vor.Hier muss ich nur ein paar Kollegenfragen, ob sie mein Album produzierenwollen. Schon heißt’s: Mach ma!

Spricht für die Szene hier.

So ist’s im Gegenzug bei mir auch. Alswir vor zwei Jahren die „Munich Sessi-ons“ machten, wollte ich auch nur mitKollegen kochen, unter anderem mitDr. Will – und gleichzeitig ein paar You-

Tube-Videos aufnehmen. Aus der Ideeheraus ist das Album entstanden. Einesehr freundschaftliche Angelegenheit!Alle helfen zusammen. Die MünchnerSzene ist schon sehr familiär.

Den Dr. Will kann man wahrschein-lich übers Kochen auch ganz gut lo-cken. Was haben Sie denn gebrutzelt?

(lacht) Nicht vom Äußeren aufs Innereschließen! Er kocht sehr gerne. Und erweiß auch, dass ich im Hobbybereichleidenschaftlich gerne koche. Er hattemir vorgeschlagen, dass wir mal waszum Thema Soulfood machen. Wir ha-ben damals ein Red Gumbo gekocht.Mit Barbecue Ribs. Echtes Südstaaten-Futter eben. Dazu haben wir uns un-terhalten. Und dann immer wieder einpaar Songs zusammen gespielt.

Finger abschlecken: Und zurück andie Gitarre.

(lacht) Wir haben eigentlich alles ab-geschleckt.

Um noch mal auf die San-Francis-co-Zeit zu sprechen zu kommen: Wieviel Mut braucht man eigentlich alsjunger Mann aus Deutschland, um dieKollegen anzusprechen, ob man in denClubs einfach mal mitmachen darf?

ORTSGESPRÄCH

Gut möglich, dass das Englisch damalsnoch nicht ganz sattelfest war?

Mein Englisch war eigentlich schonganz okay, als ich dort hinkam. Ich hat-te in Ingolstadt ein paar Freunde vonder Audi Academy, die Leute auchzweisprachig ausbildet. Die hattenmich damals auf der Bühne gesehenund zum Glück gleich gesagt: Hey, dusingst wie ein Amerikaner. Irgendwannhatte ich zufällig mal meine Lyrics aufeinen Zettel dabei. Als sie sich die ge-nauer anschauten, waren sie total baff.Das hast du gesungen? Das stimmtdoch überhaupt nicht. Da sitzt keineinziges Wort! Da wurde mir klar: DieMusik habe ich schon emotional drauf.An den Lyrics und den Inhalten mussteich noch arbeiten. Südstaaten-Ameri-kanisch ...

... schwierig!

Das ist echt schwer. Sogar manche Eng-länder verstehen oft nicht genau, wo-von da die Rede sein soll. Auch diemüssen sich die Texte wieder und wie-der anhören, bis sie überhaupt einWort verstehen. In San Francisco hatteich mir als Au-pair ein Visum ermogelt.Ein halbes Jahr hatte ich das sogardurchgehalten. Bis ich dann kündigte,um alles Mögliche zu machen – Bar-keeper oder sogar Security Guard.(lacht) Damals war ich noch sehr stark.An die Musiker ranzutreten, war garnicht so mutig. Ich hatte ja nichts zuverlieren. Jam Sessions kannte ichschon vorher gut. Einfach mal mit -zumachen, war der erste Schritt. Imzweiten fanden die Musiker vor Ortdas wahnsinnig skurril und originell,dass ein junger Zwanzigjähriger ausEuropa ganz gut Blues-Songs singt undsogar James-Brown- oder Michael-Jack-son-Moves draufhat.

Der Klassiker.

Den Moonwalk konnte ich schon mitSieben oder Acht.

Eine beneidenswerte Unbeküm-mertheit scheint Sie schon auszuzeich-nen. Später haben Sie ja auch GeoffGascoyne, den bekannten Produzen-ten und Jamie-Callum-Entdecker, ein-fach mal angehauen, ob er sich für IhreSongs interessiert: Das traut sich jaauch nicht jeder.

Bis zu meinem neuem Album „HoldOn“ hatte ich nie etwas an eine Plat-tenfirma geschickt.

Warum?

Weiß ich nicht. Ich hatte einfach dasGefühl, das Zeug wäre noch nicht gutgenug. Von Geoff Gascoyne hatte icheine E-Mail-Adresse im Internet gefun-den und ihn einfach angeschrieben.Zum meiner Frau sagte ich damals: Dasfunktioniert eh nicht. Aber er wäreschon ein Sechser im Lotto.

Und dann hat er trotzdem gleichangebissen.

Er hat wirklich nach zwei Stunden zu-rückgeschrieben, als er sich meineBand im Netz ausgescheckt hatte. Thevoice sounds great – let’s skype! Wirhaben uns dann vor unsere Computergesetzt und uns sofort sympathisch ge-funden. Er ist einfach ein Typ, den manvom ersten Augenblick mögen muss.Er ist super freundlich und hat die be-rühmte englische Höflichkeit. Trotz-dem ist nichts aufgesetzt, und er sagt,was er meint. Er kam auch mit derBand vom ersten Augenblick an bes-tens zurecht.

Praktisch.

Wir haben dann aber gleich Demo-Aufnahmen mit ihm gemacht. MeineBand ist schon ein Haufen, den musstzu zähmen.

Inwiefern?

Es sind alles keine einfachen Charak-tere, jeder hat seine ganz eigenen Vor-stellungen. Es sind keine Ja-Sager. Sie bringen viel Ego mit. Deswegenwollen sie auch nicht, dass ich einfachmal einen neuen Song mit in den Probenraum bringe und sie den genauso spielen lasse. Jeder aus der Bandwill sich ein stückweit selbst verwirk-lichen. Da war ich sehr froh. Ich musstenicht die Peitsche schwingen. Bei derArbeit an dem Album hat Geoff mirdas auf sehr diplomatische Art aus derHand genommen. So glaube ich, istdas am besten, Jungs, sagte er. Lass esuns so ausprobieren! Und dann habenwir das gemacht. Er arbeitet wie einDirigent, der alles live arrangiert.Großartig!

Und Sie haben ja auch live einge-spielt?

Nur! Wir saßen alle zusammen in ei-nem Aufnahmeraum. Und Geoff standmitten im Raum – und führte uns alsGuide durch die Arrangements.

Wie wichtig ist es, so eine äußereStimme zu haben, die dabei hilft, dieeine oder andere Idee zu veredeln?

Geoff war für das Album total wichtig.Jeder Song hat eine Grundmelodie.Sie ist so stark, wie sie eben ist. AusScheiße kann er auch kein Gold ma-chen. Aber es ist ein bisschen wie inder Photographie: Wenn man schoneine tolle Aufnahme hat – dann kannman die in Photoshop ein bisschenpimpen. Und erhält dann ein sehr gu-tes Foto. Man muss so was schon zu-lassen können. Sonst braucht man kei-nen Produzenten. Ich höre meine Plat-te immer noch saugern. Wenn ich imAuto sitze, darf sie nicht fehlen. GutesZeichen, gutes Gefühl!

Interview: Rupert Sommer

... wir geben den Leuten was

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