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Bis zum letzten Tag

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NICHOLAS

SPARKSBis zum letzten Tag

Roman

Aus dem Amerikanischen von Adelheid Zöfel

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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel The Choicebei Grand Central Publishing/Hachette Book Group USA, New York

Copyright © 2007 by Nicholas Sparks Copyright © 2008 der deutschen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Herstellung: Helga SchörnigSatz: Leingärtner, Nabburg

www.heyne.de

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eISBN 978-3-641-06002-2

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Für Familie Lewis: Bob, Debbie, Cody und Cole.Meine Familie.

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Prolog

februar 2007

Geschichten sind ebenso einzigartig wie die Men-schen, die sie erzählen, und am schönsten sind dieGeschichten, die mit einer Überraschung enden. Wieoft hatte sein Vater das zu ihm gesagt, als er nochklein war! Travis Parker erinnerte sich lebhaft daran,wie Dad bei ihm auf dem Bettrand saß und wie seineMundwinkel nach oben gingen, wenn Travis ihn an-bettelte, doch noch eine Geschichte zu erzählen.

»Was für eine möchtest du hören?«, fragte sein Va-ter immer.

»Die beste Geschichte der Welt«, antwortete Travis.Eine Weile lang saß sein Vater dann ganz still da,

bis seine Augen aufleuchteten und er lächelnd denArm um Travis legte. In dramatischem Tonfall beganner zu erzählen … Und nachdem Dad das Licht ausge-macht hatte, lag Travis häufig noch lang wach, weildie Geschichten so aufregend waren, voller Aben-teuer und Gefahren und spannend bis zum Schluss.Sie spielten immer in Beaumont und Umgebung. Beaumont war die kleine Küstenstadt in North Caro-lina, in der Travis Parker seit seiner Kindheit lebte.

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Erstaunlicherweise kamen in den meisten Geschich-ten irgendwelche Bären vor, Grizzlybären, Braunbä-ren, Kodiakbären … Sein Vater nahm es nicht so ge-nau mit der natürlichen Lebenswelt der Bären, ihninteressierten vor allem die haarsträubenden Verfol-gungsjagden quer durch die sandigen Ebenen vonNorth Carolina, und bis zur sechsten Klasse hatteTravis schreckliche Albträume, in denen er auf denShackleford Banks von wild gewordenen Eisbärengehetzt wurde. Doch gleichgültig, wie viel Angst ihmdie Geschichten seines Vaters einflößten – er fragtetrotzdem jedes Mal: »Und wie geht’s weiter?«

Das waren unschuldige Erinnerungen an längstvergangene Tage. Travis war inzwischen dreiundvier-zig. Als er jetzt auf den Parkplatz des Carteret GeneralHospital einbog, wo seine Frau seit zehn Jahren ar-beitete, musste er allerdings wieder an diesen Satzdenken, mit dem er damals seinen Vater zum Weiter-erzählen bringen wollte.

Er stieg aus und nahm den Blumenstrauß, den ergerade gekauft hatte, vom Beifahrersitz. Bei ihremletzten Gespräch hatten er und seine Frau sich ge-stritten. Er wäre sehr froh gewesen, wenn er das, waser gesagt hatte, irgendwie hätte zurücknehmen kön-nen, er wollte sich um alles in der Welt mit ihr ver-söhnen, damit alles wieder gut wurde. Zwar machte er sich keine Illusionen, dass die Blumen etwas än-dern würden, aber ihm war nichts Besseres eingefal-len. Das, was passiert war, belastete ihn entsetzlich,aber seine verheirateten Freunde versicherten ihm,Schuldgefühle seien typisch für eine gute Ehe. In

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ihren Augen waren sie der Beweis dafür, dass man einGewissen hatte und moralische Werte ernst nahm.Im Prinzip sollte man natürlich am besten dafür sor-gen, dass es gar keinen Anlass für Gewissensbisse gab.Seine Freunde gaben zu, dass auch sie das nicht im-mer schafften. Das galt für alle Paare, die er kannte,davon war Travis überzeugt. Kein Mensch war voll-kommen, und er sollte nicht so streng mit sich sein.Seine Freunde wollten ihm helfen, damit er sich bes-ser fühlte. »Wir alle machen Fehler«, versicherten sieihm. Und er nickte dann immer, als würde er ihnenzustimmen, aber tief in seinem Inneren wusste er, dasssie nie verstehen würden, was er durchmachte. Siekonnten es gar nicht verstehen. Sie schliefen jedeNacht neben ihrer Frau, keiner war je länger als einVierteljahr von seiner besseren Hälfte getrennt ge-wesen, und sie mussten sich nicht die quälende Fra-ge stellen, ob ihre Ehe je wieder so sein würde wie vorher.

Während er den Parkplatz überquerte, dachte er anseine beiden Töchter, an seinen Job, an seine Frau.Die drei Säulen seiner Existenz – aber in letzter Zeitschien keine der drei zu tragen. Travis hatte das Ge-fühl, auf allen Ebenen versagt zu haben. So etwas wieGlück schien meilenweit entfernt, unerreichbar wieein Flug ins Weltall. Doch das war nicht immer so ge-wesen. Es hatte in seinem Leben eine lange Phase ge-geben, in der er sehr glücklich gewesen war. Wie guter sich daran erinnern konnte! Doch jetzt war allesanders. Die Menschen veränderten sich. Alles ver-änderte sich – dagegen war man machtlos. Es gehör-

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te zu den unerbittlichen Naturgesetzen, denen derMensch ausgeliefert war. Man machte Fehler, manbedauerte sie, aber man musste die Konsequenzentragen, und plötzlich erschien einem selbst etwas soEinfaches wie das Aufstehen am Morgen wie eine un-zumutbare Überforderung.

Kopfschüttelnd betrat er das Krankenhaus. Vor sei-nem inneren Auge sah er sich selbst, wie er als Kindgebannt den Geschichten seines Vaters gelauschthatte. Sein eigenes Leben war die beste Geschichteauf der ganzen Welt gewesen, dachte er, eine Ge-schichte, die eindeutig auf ein Happy End zusteuerte.Und als sich die Tür des Krankenhauses hinter ihmschloss, überfielen ihn, wie so oft, die Erinnerungen.Und tiefes, tiefes Bedauern.

Erst später, als er sich seinen Erinnerungen wirk-lich hingeben konnte, wagte er es, sich die Frage zustellen, die er seinem Vater als Kind immer gestellthatte: Und wie geht’s weiter?

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Kapitel 1

mai 1996

Kannst du mir bitte mal sagen, wieso ich mich be-reit erklärt habe, dir zu helfen?«, knurrte Matt. SeinGesicht war feuerrot angelaufen, weil er sich ver-zweifelt bemühte, den Riesenkarton mit dem neuenWhirlpool ans andere Ende der großen Terrasse zuschieben, wo sie die entsprechende Vertiefung vorbe-reitet hatten. Er fand keinen richtigen Halt mit denFüßen, der Schweiß lief ihm in Strömen über dieStirn und tropfte ihm in die Augen, was unangenehmbrannte. Es war heiß, viel zu heiß für Anfang Mai.Und erst recht für diese Plackerei, so viel stand fest.Sogar Travis’ Hund Moby hatte sich ein schattigesPlätzchen gesucht, wo er jetzt mit hängender Zungevor sich hin hechelte.

Travis Parker, der gemeinsam mit Matt den Whirl-pool an seinen vorbestimmten Platz zu befördern ver-suchte, zuckte nur die Achseln. »Du hast eben geglaubt,es würde lustig«, sagte er und drückte wieder mit derSchulter gegen die Kiste. Der Whirlpool, der mindes-tens zweihundert Kilo wog, bewegte sich ein paar Zen-timeter vorwärts. Wenn sie in diesem Tempo weiter-

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machten – wie lange dauerte es dann, bis sich das Dingendlich an Ort und Stelle befand? Na ja, irgendwannim Lauf der nächsten Woche würden sie es schaffen.

»Das Ganze ist doch total absurd«, schimpfte Mattund stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht gegendie Kiste. Eigentlich bräuchten sie ein paar Maulesel,dachte er. Der Rücken tat ihm weh, und einen Mo-ment lang hatte er das Gefühl, als würden sich seineOhren aufgrund der Anstrengung vom Kopf lösenund in die Luft sausen wie zwei Feuerwerkskörper – soähnlich wie die Raketen, die er und Travis als Kinderimmer an Silvester aus irgendwelchen Flaschen abge-schossen hatten.

»Das hast du schon mal gesagt.«»Und Spaß macht es auch nicht«, brummte Matt.»Auch das sagtest du bereits.«»Und es ist garantiert nicht leicht, das Ding richtig

anzuschließen.«»Doch, doch.« Travis richtete sich auf und deutete

auf den Karton. »Siehst du, was da steht? ›Einfach zuinstallieren.‹« Von seinem Schattenplatz unter demBaum aus begann Moby – ein reinrassiger Boxer –laut und zustimmend zu bellen, während Travis fröh-lich grinste. Überhaupt wirkte er sehr zufrieden mitsich selbst.

Matt platzte innerlich fast vor Wut. Diesen sorglo-sen Gesichtsausdruck von Travis konnte er nicht aus-stehen. Das heißt – manchmal mochte er ihn auch.Eigentlich meistens. Im Grund gefiel ihm nämlichdie unbändige Lebenslust seines Freundes. Aber heu-te hatte er etwas dagegen. Sehr viel sogar.

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Frustriert griff er nach der Bandana, die in seinerhinteren Jeanstasche steckte. Sie war schon ganz nass,weil er sich dauernd den Schweiß damit abgewischthatte, und die Feuchtigkeit hatte sich auch auf dieSitzfläche seiner Hose ausgebreitet. Matt fuhr sichübers Gesicht und wrang das Tuch dann mit einerschnellen Bewegung aus. Flüssigkeit tropfte herauswie aus einem undichten Wasserhahn und landeteauf seinem Schuh. Wie hypnotisiert starrte er darauf,bis er merkte, dass die Nässe durch das dünne Gewebeseiner Freizeitschuhe drang, sodass sich seine Zehenganz glitschig anfühlten. Na, super!

»Wenn ich mich richtig erinnere, hast du gesagt,dass Joe und Laird auch kommen, um uns bei deinemkleinen ›Projekt‹ zu helfen, und du hast außerdemversprochen, dass Megan und Allison Hamburger füruns machen. Und dass es Bier gibt! Und du hast be-hauptet, es dauert höchstens zwei Stunden, das Dinghier zu installieren.«

»Sie kommen gleich«, sagte Travis.»Das hast du schon vor vier Stunden gesagt.«»Sie haben sich eben ein bisschen verspätet.«»Oder du hast sie gar nicht angerufen.«»Selbstverständlich habe ich sie angerufen! Sie

bringen auch die Kinder mit. Ich schwör’s.«»Wann kommen sie denn?«»Bald.«»Wer’s glaubt!« Matt stopfte die Bandana wieder

in die Hosentasche. »Wenn sie nicht demnächst hieraufkreuzen, wie sollen wir zwei dann dieses Monster-ding an der richtigen Stelle versenken?«

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Mit einer lässigen Handbewegung wischte Travisdas Problem beiseite und widmete sich wieder derKiste. »Uns wird schon etwas einfallen, keine Sorge.Bisher haben wir es doch ganz gut hingekriegt, findeich. Wir haben bereits die halbe Strecke geschafft.«

Matt knurrte wieder. Heute war Samstag. Samstag!Da wollte er sich erholen, sich entspannen – es warseine einzige Chance, dem Hamsterrad zu entkom-men, es war die verdiente Pause, nachdem er fünf Tage in der Bank geschuftet hatte, und er brauchtediesen Ruhetag. Schließlich arbeitete er als Darle-hensberater, Himmel noch mal! Sein Job bestanddarin, Papiere hin und her zu schieben, keine Whirl-pools! Er hätte Baseball gucken können – heute spiel-ten die Braves gegen die Dodgers. Oder er hätte aufden Golfplatz gehen können. Oder sich ganz lockeram Strand tummeln. Natürlich hätte es auch dieMöglichkeit gegeben, einfach auszuschlafen und da-nach gemeinsam mit Liz zu ihren Eltern zu fahren.Wie fast jeden Samstag. Aber stattdessen war er in al-ler Herrgottsfrühe aufgestanden und leistete nunschon acht Stunden am Stück körperliche Schwerst-arbeit, unter der sengenden Sonne des Südens …

Er hielt inne. Wem wollte er hier etwas vorma-chen? Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass die Vorstellung, den Tag mit Liz’ Eltern zu ver-bringen, nicht so wahnsinnig prickelnd erschien –eigentlich war der Gedanke daran sogar der Haupt-grund gewesen, auf Travis’ Vorschlag einzugehen.Aber so hatte er sich das nicht vorgestellt. Das warecht zu viel.

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»So habe ich mir das nicht vorgestellt«, sagte er.»Das ist echt zu viel.«

Travis schien ihn gar nicht zu hören. Er war schonwieder in Stellung gegangen und fragte erwartungs-voll: »Bist du so weit?«

Mit einem gewissen Gefühl der Verbitterung senk-te Matt die Schulter und begann wieder zu drücken.Seine Knie zitterten. Ja, sie wackelten regelrecht!Ihm war jetzt schon klar, dass er morgen früh Muskel-kater haben würde, und das nicht zu knapp. Garan-tiert kam er nicht ohne Schmerztabletten über denTag. Im Gegensatz zu Travis schaffte er es nämlichnicht, viermal in der Woche ins Fitnesscenter zu ge-hen, außerdem Racquetball zu spielen, zu joggen, inAruba in der Karibik zu tauchen, auf Bali zu surfen, inVail, Colorado, Ski zu fahren – oder was dieser Typsonst noch alles unternahm. »Das macht null Spaß,weißt du das?«

Travis zwinkerte ihm zu. »Das hast du schon min-destens zweimal gesagt, erinnerst du dich?«

»Wow!«, rief Joe und zog anerkennend die Augen-brauen hoch, während er um den Whirlpool herum-ging. Inzwischen näherte sich die Sonne schon demHorizont und schickte ihre goldenen Strahlen schrägüber die Bucht. In der Ferne löste sich ein Reiher aus dem Gestrüpp und inspizierte graziös die Wasser-oberfläche, wodurch das Licht zu tanzen begann. Joeund Megan waren vor ein paar Minuten eingetrof-fen, gemeinsam mit Laird und Allison, die Kinder imSchlepptau, und Travis führte ihnen nun seine neues-

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te Errungenschaft vor. »Echt super! Und das habt ihrzwei heute geschafft?«

Travis nickte, ein Bier in der Hand. »War gar nichtso schwierig«, sagte er. »Und Matt hatte auch seinenSpaß, glaube ich.«

Joe warf einen kurzen Blick auf seinen Freund, dervöllig erledigt in einem Liegestuhl am Rand der Ter-rasse lag, einen kalten Waschlappen auf dem Ge-sicht. Selbst sein Bauch – Matt war schon immer einbisschen rundlich gewesen – wirkte müde und abge-schlafft.

»Man sieht’s«, murmelte Joe grinsend. »Ist das Dingeigentlich schwer?«

»Schwerer als ein ägyptischer Sarkophag!«, ächzteMatt. »Du weißt schon – einer von diesen goldenen,die man nur mit einem Kran transportieren kann.«

Joe musste lachen. »Und – können die Kinderschon rein?«

»Noch nicht. Ich habe das Wasser gerade erst ein-gelassen, und es dauert eine Weile, bis es warm genugist. Aber es geht schnell, und die Sonne hilft mit.«

»Die Sonne heizt das Ding in zwei Minuten auf«,stöhnte Matt. »Ach, was sag ich – in zwei Sekunden!«

Joe fand die Situation sehr amüsant. Er, Laird, Mattund Travis kannten sich seit dem Kindergarten undhatten die ganze Schulzeit gemeinsam verbracht.

»Das war ganz schön anstrengend, was, Matt?«Matt nahm den Waschlappen vom Gesicht und

warf Joe einen vernichtenden Blick zu. »Du hast jakeine Ahnung. Und übrigens – besten Dank, dass ihrso pünktlich gekommen seid.«

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»Travis hat gesagt, wir sollen um fünf hier sein.Wenn ich gewusst hätte, dass ihr Hilfe braucht, wäreich selbstverständlich früher gekommen.«

Matt drehte langsam den Kopf zu Travis. Manch-mal hasste er seinen Freund regelrecht.

»Und – wie geht’s Tina?«, erkundigte sich Travis,der einen Themawechsel für angebracht hielt. »KriegtMegan genug Schlaf?«

Megan saß mit Allison an dem Tisch am anderenEnde der Terrasse. Joe warf einen Blick in ihre Rich-tung. Die beiden Frauen waren in ein offensicht-lich hochinteressantes Gespräch vertieft. »Na ja, abund zu schläft sie ein paar Stündchen. Tina hustetendlich nicht mehr und schläft wieder durch, abermanchmal habe ich den Eindruck, dass Megan garnicht mehr auf Schlaf gepolt ist, seit sie Mutter ist. Siesteht sogar auf, wenn Tina keinen Pieps von sich ge-geben hat. Es ist fast so, wie wenn die Stille sie auf-wecken würde.«

»Sie ist wirklich eine gute Mutter«, sagte Travis.»War sie schon immer.«

Joe schaute Matt fragend an. »Wo steckt eigent-lich Liz?«

»Sie muss jede Minute hier sein.« Matts Stimmeklang, als käme sie aus der Unterwelt. »Sie ist zu ihrenEltern gefahren.«

»Wie schön«, bemerkte Joe trocken.»Na, na! Ihre Eltern sind gute Menschen.«»Irgendwie glaube ich mich zu erinnern, dass du

mal geschworen hast, wenn du dir noch ein einzi-ges Mal anhören musst, wie dein Schwiegervater

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von seinem Prostatakrebs berichtet oder wie deineSchwiegermutter sich darüber beklagt, dass Henryschon wieder entlassen wurde, obwohl er doch garnichts dafür kann, dann steckst du den Kopf in denGasherd.«

Matt richtete sich auf. Mit Leidensmiene. »Das ha-be ich nie gesagt!«

»Doch, hast du.« Joe zwinkerte vergnügt, weilMatts Frau Liz gerade ums Haus herumkam. Der klei-ne Ben wackelte tapfer vor ihr her. »Aber keine Sor-ge – ich verrate kein Sterbenswörtchen.«

Matts Blick schoss nervös von Liz zu Joe und wie-der zurück, weil er sich nicht sicher war, ob seine Fraunicht doch etwas gehört hatte.

»Hallo miteinander!«, rief Liz und winkte allen zurBegrüßung zu, dann nahm sie Ben an der Hand undwollte ihn mit zu Megan und Allison ziehen, doch derkleine Zwerg riss sich los und torkelte zielstrebig zuden anderen Kindern, die im Garten spielten.

Joe sah, dass Matt erleichtert aufatmete, undschmunzelte. Mit gesenkter Stimme sagte er zu Tra-vis: »Ja, ja, Matts Schwiegereltern – hast du sie etwaals Argument benutzt, um ihn rumzukriegen?«

»Kann sein, dass ich sie nebenbei erwähnt habe«,murmelte Travis verschmitzt.

»Was flüstert ihr zwei da?«, rief Matt misstrauisch.»Gar nichts«, erwiderten die beiden Freunde wie

aus einem Mund.

Später, als die Sonne untergegangen und das Essenaufgegessen war, rollte sich Moby zu Travis’ Füßen zu-

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sammen, und die Kinder planschten im Whirlpool.Während Travis den anderen zuhörte, überrollte ihneine Welle der Zufriedenheit. Er liebte diese Abende,an denen sie gemeinsam um den Tisch herumsaßen,redeten, lachten und sich gegenseitig neckten. Siekannten sich alle so gut – Allison plauderte erst mitJoe, dann wandte sie sich zu Liz, um anschließend einpaar Sätze mit Laird oder Matt zu wechseln, und beiden anderen war es genauso. Sie mussten nicht ir-gendwelche anstrengenden Rollen spielen, keinerwollte den anderen imponieren, es herrschte fröhli-che Harmonie. In solchen Situationen dachte Travisgelegentlich, dass sein Leben an einen Werbespot fürBier erinnerte, und meistens genoss er es uneinge-schränkt, sich auf dem Strom der guten Laune treibenzu lassen.

Zwischendurch stand immer wieder eine der Frau-en auf, um nach den Kindern zu sehen. Laird, Joe undMatt beschränkten ihre erzieherischen Aktivitätendarauf, in unregelmäßigen Abständen die Stimme zuerheben in der Hoffnung, auf diese Weise die Kinderzu beruhigen und zu verhindern, dass sie einander zusehr ärgerten oder sich aus Versehen wehtaten. Klar,ab und zu bekam eins der Kinder einen Wutanfall,aber die meisten Probleme wurden durch einen Kussauf ein aufgeschlagenes Knie oder durch eine tröstli-che Umarmung aus der Welt geschafft, was von Wei-tem genauso liebevoll aussah, wie es sich vermutlichfür die Kinder anfühlte.

Travis blickte in die Runde und freute sich, dasssich seine Sandkastenfreunde nicht nur zu guten

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Ehemännern und Vätern entwickelt hatten, sondernauch immer noch Teil seines Lebens waren – was mankeineswegs als Selbstverständlichkeit betrachtendurfte. Er war jetzt zweiunddreißig und wusste, dassdas Leben manchmal ein Glücksspiel war. Im Lauf der Jahre hatte er mehr als genug Unfälle überlebt. Sovielen gefährlichen Situationen war er nur mit knap-per Not entkommen – ohne allerdings je eine schwe-re Verletzung davonzutragen. Man wusste nie, was dieZukunft bereithielt, das Leben war unvorhersagbar.Von den Menschen, die er seit seiner Kindheit kannte,waren manche bei Autounfällen umgekommen, eini-ge hatten geheiratet und waren schon wieder geschie-den, andere waren alkohol- oder drogenabhängig.Viele waren einfach weggezogen aus dieser kleinenStadt, und ihre Gesichter wurden in der Erinnerungimmer verschwommener. Wie groß war die statisti-sche Wahrscheinlichkeit gewesen, dass er und seinedrei besten Schulfreunde sich mit Anfang dreißig im-mer noch trafen, um die Wochenenden gemeinsamzu verbringen? Ziemlich gering, schätzte Travis. Ge-meinsam hatten sie die Turbulenzen der Pubertätdurchgestanden, begleitet von Akne, von Liebeskum-mer und von Auseinandersetzungen mit den Eltern;danach waren sie zu vier verschiedenen Colleges auf-gebrochen, mit ganz individuellen Berufsvorstellun-gen. Aber aus irgendwelchen Gründen waren sie allevier nach Beaufort zurückgekehrt. Sie waren eher wieGeschwister als Freunde, mit dem entsprechendenSchatz an Sprüchen und Anekdoten, die kein Außen-stehender richtig verstehen konnte.

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Und erstaunlicherweise kamen auch ihre Frauenbestens miteinander aus. Sie stammten zwar aus ganzunterschiedlichen Familien und aus entgegengesetz-ten Ecken von North Carolina, aber Ehe, Mutter-schaft und der typische Tratsch in einer amerikani-schen Kleinstadt hatten sie zusammengeschweißt.Sie telefonierten regelmäßig und standen sich so na-he wie Schwestern. Laird hatte als Erster geheiratet.Gleich in dem Sommer, nachdem sie das College inWake Forest abgeschlossen hatten, fassten er und Al-lison den Entschluss, sich das Jawort zu geben. EinJahr später waren Joe und Megan ihnen gefolgt – siehatten sich während ihres letzten Studienjahrs an der University of North Carolina ineinander ver-liebt. Matt, der auf der Duke University in Durham,North Carolina, gewesen war, lernte Liz hier in Beau-fort kennen, und bereits nach einem Jahr schlossensie den Bund fürs Leben. Bei allen drei Hochzeitenwar Travis Trauzeuge gewesen.

Natürlich hatte sich in den letzten Jahren manchesverändert, vor allem weil die drei Paare Familienzu-wachs bekamen. Laird hatte kaum noch Zeit, mitdem Mountainbike loszuradeln, Joe konnte nichtmehr wie früher ganz spontan mit Travis zum Skifah-ren nach Colorado fliegen, und Matt versuchte beiden meisten Dingen schon gar nicht mehr, mit ihmSchritt zu halten. Aber das war kein Problem. Ent-scheidend war: Die drei Freunde waren immer nochda, und mit ihrer Hilfe – und einem gewissen Maß anPlanung – gelang es Travis immer, seine Wochenen-den zu genießen.

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Nicholas Sparks

Bis zum letzten TagRoman

eBookISBN: 978-3-641-06002-2

Heyne

Erscheinungstermin: August 2014

Wie weit darf Liebe gehen? An die große Liebe glaubt Travis Parker nicht. Er hat sich seine Welt bestens eingerichtet:ein guter Job, nette Freunde, ab und an eine kleine Affäre. Doch dann lernt der überzeugteJunggeselle Gabby Holland kennen, die sein Herz im Sturm erobert. Gegen viele Widerständegelingt es ihm, sie für sich zu gewinnen. Er ahnt nicht, dass seine härteste Prüfung nochbevorsteht.