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P.b.b. verlagspostamt 1040 wien; zulassungsnummer 04z035388 m k W enn es um Blut geht, denken viele zuerst an die Aufbringung. Das archaische Bild der Blut- spende „von Mensch zu Mensch“ stimmt heute nur noch am Beginn, bei der Abnahme. Danach setzt ei- ne ausgefeilte Kette von Maßnahmen ein. Aus dem Spenderblut entsteht ein Medikament, das höchsten Sicherheitsstandards entspricht und auch noch „frisch“ sein muss. Die Blutspendezentra- le ist ein Arzneimittel herstellender Betrieb, der ei- nen auf absehbare Zeit unersetzbaren Rohstoff ver- arbeitet. Spitäler sind darauf angewiesen, das rich- tige Produkt zur rechten Zeit am richtigen Ort zu haben. Großkrankenhäuser wie das Wiener AKH sind anspruchsvolle Kunden, und das Risiko ist nie- mals gleich null (siehe Interview in dieser Ausgabe). Deshalb sind wir gefordert, unsere Qualität weiter zu verbessern – von der Abnahme über die Arbeit in unseren Labors bis zur Auslieferung. 1 D Blutgruppen D Interview: Reinhard Krepler D www.blut.at: Forschung aktuell – Malaria, Grippe, Studien D Veranstaltungen der BSZ D Internationale Termine inhAlT NEWSlEttER füR tRaNSfUSiONSmEDiZiNiSchE fORSchUNG UND PRaXiS NUmmER 42 / JUNi 2009 mehr QuAliTÄT! wolFgAng r. mAYr B lutgruppenantigene basieren auf genetisch determinierten Polymorphismen erythrozytä- rer Oberflächenmoleküle. Die etwa 300 bekannten Blutgruppenantigene in derzeit 30 Blutgruppensystemen ha- ben unterschiedliche klinische Bedeu- tung. Der individuelle Blutgruppenanti- körperstatus kann sich z. B. nach Schwangerschaft oder Transfusion durch Bildung neuer Spezifitäten wan- deln. Die genetisch definierten Blut- gruppeneigenschaften einer Person werden hingegen als weitgehend kon- stant angenommen. Bei genauerer Betrachtung gibt es al- lerdings eine Fülle von Einflussfakto- ren, die den Blutgruppenphänotyp vo- rübergehend oder nachhaltig modifi- zieren können. Physiologische Veränderungen Altersabhängige Phänotypmodifikati- onen finden sich bei vielen Blutgrup- penantigenen auf Kohlenhydratbasis: Solche Antigene (z. B. A, B, H, I, P1) Fortsetzung auf S. 2 KommenTAr BluTgruPPen fix oder veränderlich? von Günther Körmöczi Fotos: Nadja meister

Blutgruppen BluTgruPPen D Interview: Reinhard … · Solche somatischen Veränderungen betreffen in der Regel auch die anderen heterozygot vorliegenden Rh-Antigene des jeweiligen

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W enn es um Blut geht, denken viele zuerst an die Aufbringung. Das archaische Bild der Blut-

spende „von Mensch zu Mensch“ stimmt heute nur noch am Beginn, bei der Abnahme. Danach setzt ei-ne ausgefeilte Kette von Maßnahmen ein.

Aus dem Spenderblut entsteht ein Medikament, das höchsten Sicherheitsstandards entspricht und auch noch „frisch“ sein muss. Die Blutspendezentra-le ist ein Arzneimittel herstellender Betrieb, der ei-

nen auf absehbare Zeit unersetzbaren Rohstoff ver-arbeitet. Spitäler sind darauf angewiesen, das rich-tige Produkt zur rechten Zeit am richtigen Ort zu haben. Großkrankenhäuser wie das Wiener AKH sind anspruchsvolle Kunden, und das Risiko ist nie-mals gleich null (siehe Interview in dieser Ausgabe). Deshalb sind wir gefordert, unsere Qualität weiter zu verbessern – von der Abnahme über die Arbeit in unseren Labors bis zur Auslieferung. 1

D Blutgruppen

D Interview: Reinhard Krepler

D www.blut.at: Forschung aktuell – Malaria, Grippe, Studien

D Veranstaltungen der BSZ

D Internationale Termine

inhAlTNEWSlEttER füR tRaNSfUSiONSmEDiZiNiSchE fORSchUNG UND PRaXiS

NUmmER 42 / JUNi 2009

mehr QuAliTÄT! wolFgAng r. mAYr

B lutgruppenantigene basieren auf genetisch determinierten Polymorphismen erythrozytä-

rer Oberflächenmoleküle. Die etwa 300 bekannten Blutgruppenantigene in derzeit 30 Blutgruppensystemen ha-ben unterschiedliche klinische Bedeu-tung. Der individuelle Blutgruppenanti-körperstatus kann sich z. B. nach

Schwangerschaft oder Transfusion durch Bildung neuer Spezifitäten wan-deln. Die genetisch definierten Blut-gruppeneigenschaften einer Person werden hingegen als weitgehend kon-stant angenommen.

Bei genauerer Betrachtung gibt es al-lerdings eine Fülle von Einflussfakto-ren, die den Blutgruppenphänotyp vo-

rübergehend oder nachhaltig modifi-zieren können.

Physiologische VeränderungenAltersabhängige Phänotypmodifikati-onen finden sich bei vielen Blutgrup-penantigenen auf Kohlenhydratbasis: Solche Antigene (z. B. A, B, H, I, P1)

Fortsetzung auf S. 2

KommenTAr

DDDD Malaria, Grippe, Studien Malaria, Grippe, Studien

DDDD

BluTgruPPenfix oder veränderlich? von Günther Körmöczi

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TiTelgeschichTe

sind bei Neugeborenen noch nicht stark ausgeprägt, was in dieser Phase häufig eine eindeutige serologische Ty-pisierung verunmöglicht.

Diese Antigene „reifen“ in den ersten Lebensmonaten, das heißt, Dichte und Ver-zweigungsgrad der Kohlen-hydratstrukturen nehmen zu. Das primäre Genprodukt beispielsweise des A-Allels ist nicht das A-Antigen selbst, sondern eine A-Transferase, die den Aufbau der komplexen A-Koh len-hydrat struktur katalysiert.

Daher bedarf es zur A-Merkmalausprägung eines Metabolismus, der bei Neu-geborenen oftmals noch in-effizient ist.

Typischerweise ist die i-Antigendichte bei Neugeborenen im Gegensatz zu jener bei Erwachsenen hoch. Die rezi pro ke i/I-Verteilung ba-siert auf einer im Altersverlauf zuneh-menden Ver zwei gung der i-Determi-nanten hin zu Kohlenhydratstrukturen mit I-Antigenität. Die proteinbasierten

LW-Blut gruppen antigene sind auf Erythrozy ten von Neugeborenen stark exprimiert und sinken mit zuneh-mendem Alter auf basale Werte ab.

Als Teil des sogenannten Rh-Komple-xes haben allerdings D+ Erwachsene deutlich mehr LW-Antigene auf ihren Erythrozyten als D– Er wach se ne. In

sehr hohem Lebensalter gibt es zudem eine Tendenz zu geringen JMH-, A- und B-Antigendichten.

Bemerkenswerterweise kann es bei Schwangeren zu einer meist passage ren Abschwächung einzelner Blutgruppen-antigene (A, B, H, I, P1, Lewis, LW u. a.)

bis hin zum vollständigen Verlust kom-men. Die Ursachen hierfür sind nicht restlos geklärt.

iatrogene einflüsseDie häufigste Blutgruppenveränderung geht auf Transfusion nicht blutgrup-penidenter Erythrozytenkonzentrate

zurück, z. B. die Notfall-transfusion von 0-Kon-zen traten auf eine Person der Gruppe A.

Die sich daraus er ge-ben de temporäre Misch-feld agglutination in der serologischen Typisie-rung ist abhängig von der Zir ku la tionszeit der trans-fundier ten Zellen (mittle-re Überlebenszeit kompa-tibler Erythrozyten knapp 60 Tage) und kann durch die Tes tung einer prä-trans fu sio nell abgenom-menen Blutprobe richtig interpretiert werden.

Die Transplantation blutgrup pen ungleicher hä ma to poe ti-scher Stammzellen erzeugt einen arti-fiziellen Chimärismus mit vorüberge-hender oder persistierender Misch feld- agglutination bezüglich meist meh rerer Blutgruppenantigene (Tabelle auf S. 3).

Krankheitsassoziierte VeränderungenVor allem bei hämatoonkologi schen Erkrankungen wird immer wieder ein teilweiser oder gar vollständiger Ver-lust einzelner Blutgruppenantigene be-obachtet. Auffallend häufig handelt es sich um einen Verlust von AB0-Anti-genen bei Leukämiepatienten durch verminderte Aktivität der für den Auf-bau dieser Antigene verantwortlichen Transferasen. Ein Teil dieser Fälle geht auf Translokationen des Chromo soms 9 mit Beeinträchtigung des AB0-Gen-lokus zurück. Neuen Studien zufolge (Bianco-Miotto et al., PLoS ONE 2009; 4:e4788) sind häufig auch epigeneti-sche Mechanismen für den AB0-Ver-lust verantwortlich, namentlich DNA-Methylierung des AB0-Promotors.

Auch jede Art der überstürzten Ery-thropoese führt zur Reduktion der Ex-pression von A, B und I aufgrund der dann geringeren Kohlenhydratverzwei-

2 Nr. 42 /Juni 2009

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spontaner D– Antigenverlust eines ursprünglich D+ Patienten mit myelodysplastischem syndrom

initial 80% nach 1 Jahr 55% D+ nach 2 Jahren 32% D+ nach 3 Jahren 0% D+

Geniale Technik – die Durchflusszytometrie

TiTelgeschichTe

gungen dieser Antigenstrukturen. Die molekulare Grundlage des spontanen Verlustes von Rh-Antigenen, bevorzugt bei Patienten mit myeloiden Neopla-sien, konnte jüngst aufgeklärt werden (Körmöczi et al., Blood 2007; 110:2148–2157). Bei dieser lange rätselhaften Blut-gruppenveränderung ist ein Verlust der Heterozygosität am Rh-Genlokus bei einem Teil der Blutstamm zellen festzu-stellen. Daher kann sich bei progres-sivem Verlust des CDe-Haplotyps bei einer CDe/cde-Haplotypenkonstellati-on der Blutgruppenphänotyp von ehe-mals D+ zu D– wandeln (Abb. auf S. 2).

Solche somatischen Veränderungen betreffen in der Regel auch die anderen heterozygot vorliegenden Rh-Antigene des jeweiligen Haplotyps (oft C oder E) und kommen selten auch bei hämato-logisch Gesunden bzw. Blutspendern vor. Bei vielen dieser genetischen Mo-saike betrifft der Rh-Antigenverlust nur einen Teil der Erythrozyten, und die Mengenverhältnisse der antigenun-

gleichen Zellpopulationen bleiben über viele Jahre konstant.

Viele weitere krankheitsassoziierte Abschwächungen einzelner Blutgrup-penantigene sind beschrieben, deren Ursachen nur zum Teil geklärt sind. Beispiele: Lupus erythematodes und AIDS (Knops), autoimmunhämolytische Anämie (Rh, Kell, Gerbich, Diego etc.), Pfeiffer-Drüsenfieber (Lewis) und paro-xysmale nächtliche Hämoglobinurie (Cromer, JMH, Dombrock).

Bei A1-Pa tien ten mit Kolonkarzinom oder Infektion findet sich manchmal das Phänomen des erworbenen B. Bak-terielle Deazetylasen modifizieren ei-nen Teil der erythrozytären A-Antigene zu Pseudo-B-Antigenen. In Ansätzen mit polyklonalen und manchen mono-klonalen Anti-B-Reagenzien kann sich daraufhin eine Misch feldagglutination solcher Blutproben zeigen, oft mit gleichzeitiger A-Antigenabschwächung. Alle hier angeführten Beispiele zeigen, dass für immunhämatologische Unter-

suchungen die Kenntnis der Patienten anamnese von großer Bedeutung ist.

„schwierige“ AntigeneDer Standard blutgruppenserolo-gischer Diagnostik in Österreich ist durch qualitätssichernde Maß-nahmen höchst entwickelt. Den-

noch hat jede Labormethode Grenzen, sodass es in Abhängigkeit von den zu untersuchenden Blutgruppeneigen-schaften zu Schwierigkeiten bei der Typisierung kommen kann.

Beispielsweise sind manche Blut-gruppenantigene auch bei Gesunden in nur geringer Dichte auf den Erythro-zyten vorhanden (z. B. Lutheran, JMH, Cost); darüber hinaus zeigen manche Antigene (P1, Knops, Lutheran, Lewis u. a.) in ihrer Expression eine starke inter- und intraindividuelle Variabilität. Weiters gibt es viele genetische Blut-gruppenvarianten mit Antigenverän-derungen (Ax, Partial-D etc.).

Diese Umstände können die sero-logische Typisierung erschweren und im Einzelfall zu einer tech nisch be-dingten „Variabilität des Phänotyps“ führen. Manche dieser Fälle sind nur mit molekulargenetischen bzw. ver-feinerten serologi schen Methoden zu klären. GüNTher Körmöczi 1

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ZUR PER SONUNiv.-PROf. DR. GüNthER KöRmöcZi, Facharzt für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, Universi­tätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, Medizi­nische Universität Wien. Wissen­schaftliche Studien über granulo­zytäre Entzündungsmechanismen, Blutgruppenvarianten des Rh­ und Kell­Systems, erworbene Blutgrup­penveränderungen, Transplantations­immunologie, Diagnostik hämolyti­scher Erkrankungen.

3Nr. 42 /Juni 2009

Der Blick ins mikroskop: eine bewährte methode zur erfassung von mischfeldagglutination

URSachEN füR miSchfElDaGGlUtiNatiON ... bei serologischer Blutgruppentypisierung blutgruppenungleiche Transfusion

blutgruppenungleiche Transplantation hämatopoetischer Stammzellen

fetomaternale (seltener maternofetale) Bluteinschwemmung

angeborene Chimärismusformen

krankheitsassoziierter (insbesondere AB0­)Antigenverlust

spontaner oder krankheitsassoziierter Mosaizismus

gewisse Blutgruppenvarianten (A3, B3)

geringe Antigendichte (Lua, Xga u. a.)

erworbenes Pseudo­B­Antigen, Polyagglutination

labortechnische Fehler (z. B. Prozonenartefakte)

BlUt.at: Das AKH ist einer der wich­tigsten Partner der Blutspendezentrale. Wie sieht es aus Ihrer Sicht aus: Sind Sie mit der Zusammenarbeit zufrieden?REiNhaRD KREPlER: Ich kenne die Blut-spendezentrale sehr gut, ich habe sie schon besucht und finde sie ausge-zeichnet. Wir sind sehr bemüht, das Setting für Operationen zu optimieren, und da gehört es dazu, die Versorgung mit Blutprodukten weiterzuentwickeln. Die Forschung der Medizinischen Uni-versität Wien (MUW) und des AKH ist stark an Blut und Blutbestandteilen ori-entiert. Das ist somit ein wichtiger Schwerpunkt dieses Hauses. Die Häma-tologie, Onkologie und Hämostaseolo-gie gehören zu unseren wichtigsten Forschungsgebieten. Die Blutspende-zentrale ist uns dabei selbstverständ-lich ein besonders wichtiger Kooperati-onspartner.? Welchen Stellenwert haben Blutpro­

dukte im Wiener AKH?Bei unseren medizinischen Verbrauchs-gütern macht Blut 3,3–3,8 Prozent des Gesamtverbrauchs aus. Der Verbrauch ist also bedeutend, aber nicht dominie-rend. Diese medizinischen Verbrauchs-güter sind etwa zur Hälfte Arzneimittel und zur Hälfte Einmalmaterialien, die in der Betreuung von Patientinnen und Patienten gebraucht werden.

Wir verfolgen den Verbrauch ganz genau pro Abteilung. Da uns die Ver-wendung von Blut und Blutprodukten im AKH besonders wichtig ist, haben wir die Blutgruppenserologie und die Transfusionsmedizin seit 2003 bzw. seit 2005 nach ISO 9001:2000 zertifiziert. Die Knochenmarktransplantationsein-heit ist zusätzlich vom Joint Accredita-

tion Committee ISH-EBMT (JACIE) zerti-fiziert, gemeinsam mit dem Herkunfts-bereich der Blutbestandteile, also der Transfusionsmedizin. ? Wie schätzen Sie die Entwicklung von

Blut als Medikament ein? Seit einigen Jahren ist Blutsparen ein großes Thema. Andererseits wird durch die zunehmen­de Lebensdauer der Bevölkerung wohl auch wieder mehr Blut gebraucht. Natürlich operiert man so blutsparend wie möglich, und die modernen Opera-tionsmethoden mit einer minimal-invasiven Chirurgie kommen diesem Anliegen entgegen. Die Operationsmethoden wer den immer schonen-der. Deshalb sind auch

mehr Patienten, also auch im höheren Lebensalter, operabel. Aus unseren Da-ten ergibt sich, dass mit einem unge-fähr gleichbleibenden Blutbedarf zu rechnen ist.? Sehen Sie Blut auch in Zukunft als un­

ersetzlich an, oder gehören Sie zu den Optimisten, die glauben, dass man es ir­gendwann nicht mehr brauchen wird?Ich kann mir vorstellen, dass einiges synthetisch herstellbar sein wird. Der synthetische Ersatz von Blutprodukten

ist ein wichtiges Ziel, weil der Ein-satz von Blut immer auch mit

einem geringen Risiko der Übertragung von Infektio-

nen verbunden ist. Ganz wird man auf Blut und Blutbestandteile aber nie verzichten können.

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„Es ist besser, im eigenen Risikopool zu

bleiben“

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BlUt.at: Das AKH ist einer der wich­

„PerFeKTe sicherheiT KAnn es nichT geBen“

Blut als medikament im Wiener aKh: Direktor Reinhard Krepler im interview.

? Wo wird im Wiener AKH am meisten Blut gebraucht?Im Bereich der Herz- und Thoraxchirur-gie und der Allgemeinen Chirurgie, be-sonders aber in der Unfallchirurgie, weil hier viele Patienten in Kreislauf-schock kommen und Blut zur unmittel-baren Lebensrettung brauchen. Unsere Unfallchirurgie ist ein Polytraumazen-trum, das heißt, wir bekommen die ganz schweren Unfälle.? Werden diese Abteilungen noch aus­

gebaut?Wir können die Bettenanzahl nicht er-höhen. Wir bereiten aber neue Leis tun-gen vor, z. B. in einem weiteren hoch technisierten Operationssaal für die Herz-Thorax-Chirurgie. Wir stehen vor der Gründung einer eigenen klinischen Abteilung für die Thoraxchirurgie und damit auch für die Lungentransplanta-tion. Im Bereich der Unfallchirurgie be-steht ein zunehmender Bedarf an Leis-tungen. Wir kooperieren deshalb mit Nachbetreuungseinrichtungen, die Per-sonen übernehmen, die wir entlassen können, die aber Remobilisationsleis-tung brauchen. Unser Partner dabei ist das Kuratorium Wiener Pensionisten-wohnhäuser (KWP). Das bedeutet, dass wir einen stärkeren Durchsatz an Pa-tien tinnen und Patienten in der Unfall-chirurgie ha ben und diese besser mobi-lisiert werden.? Eine Frage zur Blutaufbringung: In

Österreich gibt es das Prinzip der freiwil­ligen, unbezahlten Blutspende, aber das ist nicht überall so. Dazu kommt die Fra­ge, wie genau Blutspender getestet wer­den sollen. Welche Faktoren machen denn insgesamt ein möglichst sicheres Medikament Blut aus?Im Idealfall wird Blut von Nicht-Risiko-gruppen gewonnen, also von freiwilli-gen, nicht bezahlten Spendern. Es kann ja Krankheitserreger geben, die wir mit den gegenwärtig verfügbaren Tests nicht erkennen. Uns ist deshalb die In-dikationsstellung sehr wichtig. Blutbe-standteile dürfen nur gegeben werden, wenn dies zwingend notwendig ist.? Was bedeutet diese Indikationsstel­

lung konkret?Wenn ein Patient ohne Zweifel von einem Blutprodukt sehr, sehr stark pro-fitiert, dann ist es zulässig, ein Restrisi-ko zu akzeptieren. Wenn es bei der Blut-gabe nur darum geht, dass sich ein Pati-

ent um ein, zwei Tage schneller erholt und dass er sich dabei wohler fühlt, dann ist es nicht zulässig, ein Blutpro-dukt einzusetzen.? Wenn es darum geht, Krankheits­

erreger zu vermeiden, die noch gar nicht bekannt sind, könnte man doch meinen, die Suche nach gesunden Blutspendern außerhalb der Riskogruppen wäre ein wichtiger Sicherheitsfaktor. Man hat damit eine größere Sicherheit, aber das Risiko ist nie gleich null, und Infektionen können sehr rasch auch au-ßerhalb klassischer Risikogruppen auf-tauchen. Es gibt keine Personengruppe, die ganz sicher frei von Infektionen ist.? Wie steht man im AKH zur Eigenblut­

spende?Eigenblutvorsorge ist etwas, was wir unseren Patientinnen und Patienten auf jeden Fall anbieten, wenn zu erwar-ten ist, dass bei der Operation Blut ge-braucht wird. Das ist die bevorzugte Methode. Wir wollen erstens blutspa-rend operieren, also so, dass man mög-lichst kein Blut braucht. Wenn aber si-cher Bluttransfusionen benötigt wer-den, streben wir die Eigenblutspende an. Der Gesundheitszustand der Pati-enten muss es erlauben, und die Vor-bereitungszeit muss gegeben sein.? Wie stehen Sie zu dem Argument,

dass es wichtig ist, dass die Blutspen­der auch geografisch aus der Nähe der Patienten kommen?Die lokalen Risikofaktoren kennt man. Man kann am besten abschät-zen, womit man rechnen muss.

Wenn Blut aus fremden Kontinenten kommt, sind wir eventuell nicht einmal mit dem dortigen Krankheitsspektrum vertraut. Die Menschen dort sind an an-dere Keime gewöhnt, haben andere Re-sistenzen – das ist sicher problematisch. Es ist besser, im eigenen Risikopool zu bleiben.

iNTerview: Thomas aisTleiTNer 1

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ZUR PER SONUNiv.-PROf. DR. REiNhaRD KREPlER ist seit 1989 Ärztlicher Direktor am AKH Wien, seit 2002 zusätzlich Direk­tor der Teilunternehmung AKH des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) und seit 2008 stv. Vorsitzender des Universitätsrates der Medizi­nischen Universität Graz (MUG). Er ist Facharzt für Pathologie, Zytologie und Humangenetik.

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eigentümer, herausgeber und verleger: Kommission Blut spen de wesen des örK, Tel.: 01/589 00-205, Fax: Dw 219. Für den inhalt verantwortlich: Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. wolfgang r. mayr. redaktion: Thomas aistleitner (leitung), Univ.-Prof. Dr. renate heinz, Dr. eva menichetti, Dr. maya winter. layout & satz: mag. andrea chadt. Fotos: anna stöcher, Nadja meister. Bildredaktion: mona saleh. lektorat: Dr. simone Krems berger, mag. Florian Prax ma-rer. Pro duk tion: wortbild Gmbh, 1010 wien. Druck: Typo Druck sa res, 1190 wien. zvr-Nr.: 432857691. Namentlich ge zeich nete Beiträge geben die meinung des autors wieder.

imPressum

W ir leben im Zeitalter der evidenzbasierten Medizin und der

Gui de lines. Als „Golden Stan-dard“ der wissenschaftlichen Evi denz gelten prospektiv ran-domisierte Studien mit hohen Fallzahlen, was jedoch in der Transfusionsmedizin – und nicht nur dort – an Grenzen stößt.

Bei kritischer Betrachtung zeigt sich, dass für viele alltags-relevante Fragen die publizierte Datenlage sehr dürftig ist und dass die Wirklichkeit die publi-zierten Ergebnisse häufig über-holt. Diese Aspekte zeigen sich auch bei der Lektüre der Web-seiten der vergangenen Monate. Hier ein Update zu den auf www.blut.at unter „Forschung aktuell“ publizierten Artikeln.

updates zu Artikeln„BlUttRaNSfUSiONEN UND mE-DiKamENtE“ (mai 2009) ist ein gutes Beispiel dafür, dass routinemäßige Handlungen mehr auf klini scher Erfah-rung als auf Daten aus der Literatur ba-sieren – wobei zu bedenken ist, dass sich das Dogma der getrennten Verab-reichung von Medikamenten und Ery-throzytenkonzentraten in der Klinik bewährt hat und schon deshalb nicht geändert werden sollte. Dies umso mehr, als die Vielzahl der Medikamen-te und die rasche Entwicklung immer

neuer Präparate systematische Studien unmöglich macht.

In Bezug auf die Spenderauswahl muss die Wichtigkeit der genauen Me-dikamentenanamnese betont werden, weil zunehmend die Tendenz besteht, dass Menschen Medikamente prophy-laktisch zur Korrektur minimal verän-derter Laborwerte einnehmen. Hier ist die Abschätzung der Sicherheit für Spender und Blutprodukte eine ärzt-liche Herausforderung.

„BlUtSichERhEit iSt SPENDERSichERhEit“ (aPRil 2009): Die Auswahl spendewilli-ger Personen nach strengen Kriterien ist nach wie vor die wichtigste Voraus-setzung für sichere Blutprodukte. Die Spendekriterien müssen daher an die aktuellen Entwicklungen angepasst werden. In den letzten 20 Jahren wur-den die Bestimmungen laufend ver-schärft. In den USA erfüllen nur 37 % der Spendewilligen in der Altersgruppe 18–65 Jahre die derzeitigen Spendekri-

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Wissenschaft auf www.blut.at.

Jeden Monat ein neuer Artikel mit einem Überblick über Veröffentlichungen zu einem Schwerpunktthema.

BEWERtUNG BlUtaSSOZiiERtER KRaNKhEitSERREGER (März 2009)

BlUtSichERhEit iSt SPENDERSichERhEit (April 2009)

BlUttRaNSfUSiON UND mEDiKamENtE(Mai 2009)

WWW.BlUt.at/fORSchUNG aKtUEll

Forschung AKTuell

Jeden Monat ein neuer Artikel mit einem

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für viele in der Praxis wichtige fragen gibt es nur wenig wissenschaftliche Evidenz.

DÜrFTige DATenlAge

terien. Wegen des Spendermangels ist es daher naheliegend zu schauen, ob Ausschlussgründe modifiziert werden könnten, ohne dass die Sicherheit für Spender und Blutprodukte leidet. Wäh-rend in den USA das Mindestalter für Spender in den meisten Bundesstaaten auf 16 Jahre gesenkt wurde, wurde bei uns das Höchstalter hinaufgesetzt (kei-ne gesetzliche obere Alters-grenze). Es zeigt sich aber, dass sowohl sehr junge als auch ältere Spender einer sorgfältigen ärztlichen Be-treuung bedürfen.

malaria, grippeDie Abweisung wegen Rei-sen in Malariaendemiege-biete ist in vielen Staaten ein relevantes Problem für die Blutspendedienste. In den USA kommen nur 9,9 % der Spendewilligen, die we-gen einer Reise in Malaria-endemiegebiete abgewie-sen wurden, innerhalb der nächsten drei Jahre wieder Blut spenden. Da Mexiko zu den Hauptreisezielen der US-Amerikaner zählt, stellt sich die Frage, ob die erfolg-reiche Malariabekämpfung in Mexiko in einer Ände-rung der Bestimmungen ih-ren Niederschlag finden könnte.

Mittlerweile sind die Pro-bleme im Grenzverkehr mit Mexiko aber ganz andere. Die Angst vor einer Pande-mie durch das Vogelgrippe-virus (A/H5N1) hat der mögli chen weltweiten Be-drohung durch das „Schwei-negrippevirus“ (A/H1N1) Platz gemacht.

Bei „Emerging Infections“ sind neben der Aufmerk-samkeit eine gute Dokumentation und ein funktionierender Notfallplan not-wendig. Die Transfusionsmedizin hat aus der Geschichte gelernt. Seit dem Auftreten von HIV mit den bekannten Folgen wird auf etwaige Bedrohungen rasch reagiert. Pandemiepläne liegen bereit, und das ist wichtig, weil das neue Virus im Gegensatz zum Vogel-

grippevirus sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist.

Wichtig ist die Bewertung blutassozi-ierter Krankheitserreger (Forschung ak-tuell März 2009) nach der aktuellsten Datenlage. Für alle Influenzaviren gilt: Eine Virämie tritt nur bei manifester Er-krankung auf. Die Betroffenen werden somit gar nicht zur Spende zugelassen.

Damit ist die Übertragung durch Blut-produkte ausgeschlossen. Allerdings kommt es bei Epidemien immer wieder zu Spender engpässen.

PandemiepläneSeit 2003, dem Jahr des Auftretens der Vogelgrippe (A/H5N1), liegen umfassen-de Pandemiepläne vor: Um in einer sol-

chen Ausnahmesituation die Versor-gungssicherheit aufrechtzuerhalten,

wurden folgende Empfeh lun-gen abgegeben: Prophylak-tisch eingenomme ne Virosta-tika sind kein Ausschluss-grund von der Blutspende (Reduktion der Hb-Grenzwer-te um 0,5 g/l bei den Spen-dern).

Die Verkürzung des Spende-intervalls bei Thrombozyten-spenden und die Zulassung nach überstandener Grippeer-krankung bereits eine Woche nach Genesung sind ebenfalls angedacht. Eine PCR-Testung ist bei Influenzaviren nicht vorgesehen. Bei sich sehr rasch ändern den Viren sind hier möglicherweise auch Pro-bleme zu erwarten.

Die Hersteller von Impfstof-fen sind auf neue Virusmu-tationen vorbereitet, sodass Impfstoffe wohl innerhalb weniger Wochen ver fügbar sein werden.

In Österreich gilt ab 28. Ap-ril 2009 die Verordnung des Bundesministeriums für Ge-sundheit betreffend anzeige-pflichtige übertragbare Krank-heiten: Demnach unterliegen Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle in Zusammenhang mit dem Influenzavirus A/H1N1 („Schweinegrippe“) der Anzeigepflicht nach dem Epi-demiegesetz 1950.

Eine Informationshotline des Bundesministeriums für

Gesundheit wurde in der Agentur für Gesundheits- und Ernährungssicher-heit (AGES) eingerichtet (Tel.: 05 0555 555). Die Hotline steht täglich (auch samstags, sonn- und feiertags) von 7 bis 20 Uhr zur Verfügung.

reNaTe heiNz 1links: www.bmgfj.gv.atwww.eurosurveillance.org/viewarticle.aspx?articleid=19185www.cdc.gov/swineflu

Forschung AKTuell

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a/h1N1-virus: Die rNa ist blau dargestellt

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W ollte man alle Fortbildungen und Kongresse besuchen, man käme wohl kaum noch

zur Routinearbeit. Um möglichst allen Mitarbeitern der Blutdepots die per-sönliche Teilnahme an unserer Früh-jahrsfortbildung zu ermöglichen, bietet die BSZ traditionell zwei Termine an. Der erste Termin fand am 12. Mai statt, der zweite ist für 9. Juni angesetzt. Am 21. November folgt noch ein Informati-onstag.

Das Programm spannt sich heuer von der Hämostaseologie über die In-fektiologie bis zu den Tumorstammzel-len und zur nicht invasiven pränatalen Diagnostik. Die Unterlagen werden nach den Veranstaltungen wieder ins Internet gestellt.

internationale TagungenWährend bei kleinen Meetings die Mög lichkeit des persönlichen Erfah-rungsaustausches im Vordergrund steht, sind internationale Kongresse oft schwer überschaubar.

Der XIX. Regionalkongress der ISBT (Eastern Mediterranean and Europe) fand von 21. bis 25. März in Kairo, Ägyp-ten, statt. Bei kritischer Betrachtung der Kongressbeiträge scheinen die Dokumen tation und die Standardisie-

rung von Arbeitsvorgängen in den ent-wickelten Ländern im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, während die Schwellenländer um die Implementie-rung der bei uns zur Selbstverständlich-keit gewordenen Sicherheitsstandards ringen.

Wer weite Reisen scheut, kann von der Attraktivität Wiens als Kongressort profitieren. Im Februar fand heuer die 53. Jahres tagung der GTH, der Gesell-schaft für Thrombose- und Hämostase-forschung, in der Hofburg in Wien statt. Höhepunkte waren neben neuen Fak-

ten in der Grundlagenforschung die Diskussion des klinischen Stellenwerts neuer oraler Antikoagulantien. Die He-parin-Alternative Rivaroxaban und die Anti-FIIa-Substanz Dabigatran wurden kürzlich von der EMEA zugelassen.

Der Download der Abstracts ist über den folgenden Link noch möglich: www.gth-online.org/home/jahresta-gung/gth-tagung-2009.de.php

Kongresse in wienVon 23. bis 26. Mai 2009 findet die Ta-gung der European Society of Human Genetics im Austria Center in Wien statt. Neben Übersichtsvorträgen, unter anderem auch passend zum Darwin-jahr zu Aspekten der Evolution, bietet diese Tagung die Gelegenheit, sich über die rezenten Entwicklungen auf die-sem rasch wachsenden Gebiet zu infor-mieren (www.eshg.org/eshg2009).

Wer heuer nicht nach Göteborg zum jährlichen Meeting der European Group for Blood and Marrow Trans-plantation (EBMT) fahren konnte, sollte sich den 21. – 24. März 2010 im Kalender rot markieren. Wien wird Veranstal-tungsort die ses für alle mit Trans-plantationen Befassten wichtigen Kon-gresses sein.

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Wichtige internationale tagungen und fortbildung in der BSZ.

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Wichtige internationale tagungen und fortbildung in der BSZ.

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ForTBilDung 2009

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