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04 | Verliebt in Amerika | Anna Engelke und Jörg Thadeusz 14 | »Schritt-Weise« ankommen | Hilfe für Neuzuwanderer 32 | »Die geprügelte Generation« | Kochlöffel, Rohrstock und die Folgen 21 | 18 Verlosungen | z.B. Urbanatix – CloseUp! in der Jahrhunderthalle Bochum 1.80 Euro November 2012 | 90 Cent für den Verkäufer bodo Das Straßenmagazin

bodo November 2012

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Die November-Ausgabe des Straßenmagazins.

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Page 1: bodo November 2012

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04 | Verliebt in Amerika | Anna Engelke und Jörg Thadeusz

14 | »Schritt-Weise« ankommen | Hilfe für Neuzuwanderer

32 | »Die geprügelte Generation« | Kochlöffel, Rohrstock und die Folgen

21 | 18 Verlosungen | z.B. Urbanatix – CloseUp! in der Jahrhunderthalle Bochum

1.80 EuroNovember 2012 | 90 Cent für den Verkäufer bodo

Das Straßenmagazin

Page 2: bodo November 2012

2

EDITORIAL

BODO E.V. – SO ERREICHEN SIE UNS

Herausgeber | Verleger | Redaktion

bodo e.V.

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.:

Bastian Pütter | [email protected]

0231 – 950 978 12 | Fax 950 978 20

Layout und Produktion:

Andre Noll | Büro für Kommunikationsdesign

0231 – 106 38 31 | [email protected]

Veranstaltungskalender:

Benedikt von Randow | [email protected]

Anzeigenleitung:

Bastian Pütter | [email protected]

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Vertriebsleitung:

Oliver Philipp | [email protected]

0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

Autoren dieser Ausgabe:

René Boyke (rb), Sandro Giuri, Wolfgang

Kienast (wk), Maike, Birgit Müller, Bastian Püt-

ter (bp), Benedikt von Randow (bvr), Dr. Birgit

Rumpel (biru), Sebastian Sellhorst (sese)

Fotos: Marcos Borges (39), Bianka Boyke (12),

Mauricio Bustamente (3, 17, 18), Ludolf Dah-

men (34), Rosa Frank (9), Peter Hirth (30), Ivo

Hovste (10), Marc Jacquemin (28), Andre Noll

(3, 4, 5, 6, 32), Daniel Sadrowski (38), Schritt-

Weise (14), Sebastian Sellhorst (3, 7, 11),

Claudia Siekarski (6, 7, 18), Thomas Werner (3,

10), Frank Willhoeft (8), Mena Urbitsch (7)

Titelbild: Andre Noll

Zeichnungen + Cartoons: Volker Dornemann

Druck: Gebr. Lensing GmbH & Co. KG.

Auflage | Erscheinungsweise:

16.000 Exemplare (BO, DO und Umgebung)

Redaktions- und Anzeigenschluss:

für die Dezember-Ausgabe 08.11.2012

Anzeigen:

Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 8, Juli 2012

Vertriebe:

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum

Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist

kostenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert

eingesandte Fotos oder Manuskripte wird keine

Haftung übernommen. Das Recht auf Kürzung

bleibt vorbehalten. Abdruck und Vervielfältigung

von redaktionellen Beiträgen und Anzeigen be-

dürfen der ausdrücklichen Genehmigung der

Redaktion. Leserbriefe und namentlich gekenn-

zeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die

Meinung der Redaktion wieder.

Verein:

bodo e.V. | als gemeinnützig eingetragen

im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

bodoev.de | facebook.com/bodoev

Vorstand:

Nicole Hölter | Brunhilde Dörscheln |

Andre Noll | [email protected]

Geschäftsleitung | Verwaltung:

Tanja Walter | [email protected]

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Öffentlichkeitsarbeit:

Bastian Pütter | [email protected]

0231 – 950 978 12 | Fax 950 978 20

Transporte | Haushaltsauflösungen:

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0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

bodos Bücher | Modernes Antiquariat:

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

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Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr

Anlaufstelle Dortmund:

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr

Anlaufstelle Bochum:

Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum

Mo., Mi. und Fr. von 14 – 17 Uhr

Di. und Do. von 10 – 13 Uhr

Spendenkonten:

Stadtsparkasse Dortmund

BLZ 440 501 99 | Kto. 104 83 76

Sparkasse Bochum

BLZ 430 500 01 | Kto. 104 062 54

Bank für Sozialwirtschaft Essen

BLZ 370 205 00 | Kto. 722 39 00

IMPRESSUM

02

Liebe Leserinnen und Leser,

vielen Dank, dass Sie sich für das Straßenmagazin

entschieden haben. Mit dem Kauf unterstützen Sie

direkt Ihre Verkäuferin oder Ihren Verkäufer: Lesen

ist helfen. Vielleicht sind Sie Stammkundin oder

Stammkunde oder vielleicht war das Heft ein Zu-

fallskauf? Erzählen Sie uns oder schreiben Sie uns

davon, wo und wann Sie bodo kaufen. Wir würden

uns freuen, Ihre Geschichten zu hören.

Wenn Sie besonders zufrieden oder unzufrieden mit

unseren VerkäuferInnen sind oder wenn Sie Fragen

zu unserer Arbeit oder unseren MitarbeiterInnen

haben, sind wir natürlich auch für Sie da.

„Was sind denn das so für Leute?“ Immer wieder

werden wir gefragt, wer eigentlich unser Straßen-

magazin verkauft und meist antworten wir dann:

Zurzeit mehr als 100, insgesamt seit Gründung

knapp 1.000 einzigartige Menschen mit einzigarti-

gen Schicksalen.

Unser jüngster Verkäufer ist 19, unser ältester bald

80, viele sind alleinstehend, andere haben große

Familien, die einen kennen seit Jahren nur ihren

Schlafsack, andere fürchten täglich, ihre Wohnung

zu verlieren. Einige Verkäufer sind fast seit Beginn

an, seit Mitte der 1990er Jahre, bei uns und brau-

chen bodo als Anker, andere kommen alle paar Jah-

re wieder vorbei, wenn es gerade schlechter läuft.

Manche sind nur Wochen oder wenige Monate bei

uns und verabschieden sich dann von der Straße in

ein anderes, geordneteres Leben.

Das Straßenmagazin verkaufen Menschen, die ihre

Heimatstädte Bochum oder Dortmund praktisch

nie verlassen haben – gleichzeitig mit Verkäufern,

die ganz Europa oder sogar die ganze Welt gese-

hen haben. Unsere Verkäufer haben in Österreich,

Frankreich, Holland, Italien, Spanien, England

oder Dänemark gelebt. Sie kommen aus allen Ecken

Deutschlands, aus Rumänien, aus der Türkei, Polen,

Tschechien, aus Bayern, Sachsen-Anhalt oder Gel-

senkirchen.

So unterschiedlich, so einzigartig alle von ihnen

sind, so sehr eint sie der Entschluss, durch eigene

Anstrengung die jeweilige Situation verbessern zu

wollen. Damit sind noch nicht alle Konflikte zwi-

schen „Eingeborenen“ und „Fremden“ und zwischen

Menschen mit grundverschiedenen Problemlagen

gelöst, die Erfahrung aber, in einem Boot zu sitzen

und sich aufeinander verlassen zu müssen, ist eine

gute Voraussetzung zur Verständigung.

Auch in diesem Heft erzählen wir von unseren Ver-

käuferInnen, viele „gute Geschichten von der Stra-

ße“ warten aber im Dezemberheft, das wir Ihnen

hier schon ans Herz legen: Acht zusätzliche Seiten

und Starautor Paulo Coelho exklusiv im Interview.

Doch auch diese bodo lohnt sich: Ein – so glauben

wir – bodo-typischer Mix von lokalen und sozialen

Geschichten und dem, was wir spannend finden aus

dem Bereich Kultur.

Ungewöhnlich: Auch wenn es um uns und um die

Region geht, kommen wir weit herum dieses Mal. Ein

Besuch bei der Frankfurter Buchmesse, ein Haus-

besuch bei Straßenzeitungsverkäufern in Rumäni-

en, die Wohnungslosen-WM in Mexiko, ein Kölner

Interview zur „geprügelten Generation“, ein Berliner

Obdachlosen-Netztipp und ein Doppelporträt eines

Dortmunder Paares mit viele tausend Kilometern

entfernten Wohnsitzen. Gute Unterhaltung!

Viele Grüße von bodo,

Bastian Pütter – [email protected]

Page 3: bodo November 2012

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INHALT 03

02 Editorial | Impressum

04 Menschen Anna Engelke und Jörg Thadeusz von Dr. Birgit Rumpel

Jörg Thadeusz mag den meisten eher bekannt sein, da er als TV-Moderator

und Grimmepreisträger auch optisch in der Öffentlichkeit steht. Doch

Ohrenmenschen, also WDR-Radiohörer, kennen auch Anna Engelke, die seit

fünf Jahren regelmäßig als Korrespondentin aus Washington berichtet.

Seit 2011 sind die beiden amtlich ein Paar.

06 Neues von bodo | Maikes Verkäufertagebuch

08 Theater Freies Theater – urbaner Raum von Wolfgang Kienast

Das Theaterfestival „Favoriten”, vor 27 Jahren in Dortmund unter dem

Namen „Theaterzwang” gegründet, ist ein bedeutender und gleichzeitig

der höchstdotierte Wettbewerb der deutschen Off-Szene.

11 Verkäufergeschichten Otto protokolliert von Sebastian Sellhorst Seit über zehn Jahren lebt Otto ohne eigene Wohnung. Nach langem Auf-

enthalt in Hamburg ist er seit einigen Monaten in Bochum und verkauft am

Hauptbahnhof das Straßenmagazin. Warum er seine Wohnung vor vielen Jah-

ren aufgegeben hat und wie er durch kalte Winter kommt, hat er uns erzählt.

12 Recht Der richtige Umgang mit Mahnungen von René Boyke

Rechtsanwalt René Boyke erklärt, was es zu beachten gibt, wenn man ein-

mal in die Mühlen eines gerichtlichen Mahnverfahrens geraten ist.

12 Kultur Do It Yourself von Wolfgang Kienast

Thema einer neuen Sonderausstellung in der DASA ist das Selbermachen.

Es geht dabei um nicht weniger als eine revolutionäre Bewegung, die

gerade einmal hundert Jahre benötigte, nahezu jeden Bereich des Alltags

zu erfassen und unser Leben grundlegend zu verändern.

13 Wilde Kräuter Sanddorn von Wolfgang Kienast

Wer sich die Mühe macht, die empfindlichen Sanddorn-Beeren zu sammeln,

wird diesen Monat mit einem Schokoladenpudding-Rezept belohnt.

14 Interview „Schritt-Weise“ zum Bildungserfolg von Bastian Pütter Seit einem Jahr beraten, begleiten und betreuen Monika Kasler und Johan-

na Smith Familien mit schulpflichtigen Kindern, die aus den EU-Ländern

Rumänien und Bulgarien nach Dortmund kommen – in den jeweiligen

Muttersprachen der Neuzuwanderer. Das Projekt „Schritt-Weise“ des Diako-

nischen Werks Dortmund ist damit allein auf weiter Flur.

16 Reportage Wo Europa zu Ende ist von Birgit Müller

Bacioiu, ein Romadorf im Nordosten Rumäniens. Birgit Müller und Mau-

ricio Bustamente vom Hamburger Straßenmagazin Hinz&Kunzt besuchen

die Familie ihrer Straßenzeitungs-Verkäufer Valentina und Florian. Deren

Nachbar Geki ist ein „Dortmunder“, andere Nachbarn arbeiten in Spanien,

Frankreich oder Italien. Eine Geschichte aus dem Teil der EU, wo Weggehen

heißt, dem Hunger zu entgehen.

19 News | Skotts Seitenhieb

19 Kommentar Alles Gute zum Zwanzigsten von Bastian Pütter

1992 rüstete sich Deutschland gegen „Scheinasylanten“. Zum Jubiläum

sind es „Asylbetrüger“.

20 Netzwelt ohnewohnung-wasnun.de von Sebastian Sellhorst

Unkomplizierte Hilfe für Menschen in sozialen Notlagen. Dieses Ziel ver-

folgt Helmut Richard Brox, selbst obdachlos, mit seiner Webseite. Über 850

relevante Adressen hat er dort bisher gesammelt.

20 Kinotipp More than Honey im endstation.kino

21 Veranstaltungskalender | Verlosungen | CD-Tipps von Benedikt von Randow

28 Reportage bodo auf der Frankfurter Buchmesse von Bastian Pütter

Auf Betriebsausflug, Bildungsurlaub, Spendenfahrt: Wir waren auf der

Buchmesse in Frankfurt. Verleger, Lektoren, Buchhändler, Autoren, Hun-

derte Prominente, eine sechsstellige Zahl Besucher – und wir: Die Auszu-

bildenden Sandra, Julia und Steffi, Buch-Chefin Suzanne und Bastian und

Sandro aus der Redaktion.

32 Gesellschaft Die geprügelte Generation von Dr. Birgit Rumpel

Auf dem Buchtitel ein zerschlissener Teppichklopfer. Wer in den 50er und

60er Jahren aufgewachsen ist, weiß auch um dessen Einsatz als Prügelin-

strument durch Eltern und Großeltern. Die Autorin Ingrid Müller-Münch hat

Schicksale und Geschichten der „geprügelten Generation“ aufgeschrieben

und ein Thema aus der Tabuzone geholt.

34 Interview mit Ingrid Müller-Münch von Dr. Birgit Rumpel

37 Rätsel | von Volker Dornemann

38 bodo geht aus Café im ZIB von Wolfgang Kienast

Über zwanzig verschiedene Sorten Kakao bekommt man neben ebenso

vielen Tee- oder Kaffeespezialitäten im Café im ZIB, dem Zentrum für

Information und Bildung der Stadt Unna.

39 Leserseite | Cartoon

1

04 | Verliebt in Amerika | Anna Engelke und Jörg Thadeusz

14 | »Schritt-Weise« ankommen | Hilfe für Neuzuwanderer

32 | »Die geprügelte Generation« | Kochlöffel, Rohrstock und die Folgen

21 | 18 Verlosungen | z.B. Urbanatix – CloseUp! in der Jahrhunderthalle Bochum

1.80 EuroNovember 2012 | 90 Cent für den Verkäufer bodo

Das Straßenmagazin

Unser Titelbild der November-Ausgabe:

Anna Engelke und Jörg Thadeusz (S. 4)

Foto: Andre Noll

04163208 11

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Anna Engelke und Jörg ThadeuszVerliebt in Amerika

MENSCHEN | von Dr. Birgit Rumpel | Fotos: Andre Noll04

Die Rundfunkkorrespondentin Anna Engelke und der TV- und Radiomoderator Jörg Thade-usz haben ihre Begeisterung für die U.S.A. in Worte gefasst. In ihrem ersten gemeinsamen Buch „Die vereinigten Zutaten von Amerika“ porträtieren sie 16 gar nicht „typische“ Ame-rikaner. Während ihrer Lesereise trafen wir sie in Dortmund.

Unterwegs auf PR-Tour für ihr erstes gemein-

sames Buch machen sie auch Station in der al-

ten Heimat Dortmund. Glück für uns, denn so

ergattern wir einen Termin mit den beiden viel

beschäftigten Journalisten, noch bevor sie bei

Lanz, Böttinger & Co. Platz nehmen. Eine Stun-

de vor ihrer Lesung in der Auslandsgesellschaft

an der Steinstraße treffen wir uns im Bespre-

chungszimmer des Präsidenten – nicht ganz das

Oval Office, aber immerhin.

Beide sind in Dortmund aufgewachsen und ken-

nen sich schon ewig. Am Bertolt-Brecht-Gymna-

sium lernten sie sich bei der Schülerzeitung ken-

nen. Doch damit war der Berufsweg Journalismus

noch längst nicht fest eingeplant. Beide haben

den einen oder anderen Umweg genommen, be-

vor sie ihre berufliche Erfüllung fanden.

Jörg Thadeusz mag den meisten eher bekannt

sein, da er als TV-Moderator und Grimmepreis-

träger auch optisch in der Öffentlichkeit steht.

Doch Ohrenmenschen, also WDR-Radiohörer,

kennen auch Anna Engelke, die seit fünf Jahren

regelmäßig als Korrespondentin aus Washington

berichtet. Seit 2011 sind sie auch amtlich ein

Paar, nachdem sie fast 20 Jahre zusammenle-

ben, wenn auch zeitweise auf verschiedenen

Kontinenten.

Amerika hat es ihnen angetan. Anna Engelke

verbrachte als Schülerin ein Jahr in New Jersey,

allerdings nicht aus eigenem Antrieb. Ihre Mut-

ter hatte sie damals angeschubst, ins Ausland

zu gehen. „Kind, mach doch“, drängelte sie. „Sie

kann manchmal richtig nerven“, schmunzelt En-

gelke, doch dafür ist sie ihr heute dankbar. ,,Da

hat sich das Nerven sehr gelohnt.“

Seit fünf Jahren lebt sie in der US-Hauptstadt,

während Jörg Thadeusz in der Bundeshauptstadt

Page 5: bodo November 2012

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05

wohnt und arbeitet. Eine Fernbeziehung mit re-

gelmäßigen Flügen nach Washington – ungefähr

vierzigmal hat er sie dort besucht. Die gemein-

same Zeit vor Ort nutzten beide für Reisen durch

das riesige Land. „Über das Essen kommt man

immer leicht ins Gespräch“, verrät Thadeusz, so

entstand irgendwann die Idee, die gesammel-

ten Geschichten über interessante Personen in

einem Buch zusammenzufassen. Tatsächlich war

erst der Titel da – ein nettes Wortspiel, das da-

nach schrie, mit Geschichten gefüllt zu werden.

„Es ist kein Kochbuch“, betont Thadeusz aus-

drücklich, „eher ein positives Anti-Antibuch.“

Im Vorwort werden alle Besserwisser, die mei-

nen, durch vorweihnachtliche Einkaufstripps

nach New York oder sonstige flüchtige Eindrücke

eine fundierte Meinung über die U.S.A. bilden

zu müssen, heftig abgewatscht. Die Autoren

schmeicheln einem Teil der Leserschaft nicht ge-

rade, doch Jörg Thadeusz steht dazu: „Das dum-

me Gequatsche unter Medienleuten ist immens.

Alle meinen, Amerika zu kennen und beschweren

sich über fehlende Deutschlandkenntnisse der

Amis, wissen aber selbst nicht Bescheid.“ Offen-

bar hatte er, der Hiergebliebene, häufiger unter

derartigen Beiträgen zu leiden als seine Frau.

„Ich war ja die meiste Zeit drüben, und bekam

derartige Kommentare von Deutschen nicht so

häufig zu hören. Jörgs Nervschwelle ist da schon

eher erreicht“, erklärt sie.

Überhaupt scheint Jörg Thadeusz von der Medi-

enbranche etwas genervt zu sein. Während seine

Frau froh ist, in fester Anstellung einen interes-

santen Job zu machen („Ich bin überhaupt kei-

ne Unternehmerpersönlichkeit.“), kann er sich

nicht vorstellen, in „einem dieser großen Appa-

rate“ zu arbeiten. „Es gibt gute Gründe, an den

Medien zu zweifeln. Es gibt hervorragende Jour-

nalisten, aber es gibt eine noch größere Zahl von

Journalisten, die niederträchtig sind oder ihre

Niederträchtigkeit zum Beruf gemacht haben.“

Seine regelmäßigen Ausflüge in die Verlagswelt

(„Dort laufen nicht so viele Kretins herum.“)

genießt er umso mehr, vier Romane hat er seit

2003 veröffentlicht. „Auf den Lesungen lernt

man das nettest mögliche Deutschland kennen“,

schwärmt Thadeusz. „Die Leute rappeln sich vom

Sofa hoch und kommen, um einem zuzuhören,

das ist doch toll!“ So ist es dann auch später

im voll besetzten Saal der Auslandsgesellschaft.

Wer welche Geschichten geschrieben hat, lässt

sich kaum ausmachen. „Auch unsere Lektorin

konnte nicht erkennen, von wem welcher Text

stammt“, bestätigt Anna Engelke. Ob dieses ers-

te gemeinsame Buch eine Bewährungsprobe war?

Das verneinen beide. Die Zusammenarbeit habe

prima geklappt, das Schreiben und gegenseiti-

ge Lesen der Texte konnten beide gut aushal-

ten, Streit darüber gab es nicht. „Da war schon

eher das Dauerpendeln eine Bewährungsprobe“,

ergänzt Thadeusz.

Die haben sie glänzend bestanden, und Erleich-

terung ist in Sicht, denn Anna Engelkes Zeit in

Washington nähert sich dem Ende. Im kommen-

den Jahr wird sie als Pressesprecherin der ARD

nach Hamburg wechseln. Dann hat das Pendeln

zwar kein Ende, aber es ist sehr viel einfacher.

„Nur zwei Stunden mit dem Zug und keine Zeit-

verschiebung, das ist fast wie S-Bahn-Fahren“,

freut sich Anna Engelke und tröstet sich damit

selbst über den bevorstehenden Abschied aus

Washington hinweg. (biru)

Page 6: bodo November 2012

6

06 NEUES VON BODO | www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev

bodo ist für Sie da

Geschäftsleitung

Tanja Walter

[email protected]

Verwaltung

Brigitte Cordes

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Redaktion und

Öffentlichkeitsarbeit

Bastian Pütter

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Vertrieb

Oliver Philipp

[email protected]

bodos Bücher

Suzanne Präkelt

[email protected]

bodos Bücher Online

Gordon Smith

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Transporte und

Sachspenden

Brunhilde Dörscheln

[email protected]

montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr

unter dieser zentralen Rufnummer:

0231 – 950 978 0

Mail: [email protected] | Fax: 0231 – 950 978 20

Oder Sie besuchen uns:

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr

Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum

Mo., Mi. u. Fr. 14 – 17 Uhr

Di. u. Do. 10 – 13 Uhr

Im Oktober begann Vanessa (links) als vierte Auszubildende in unserem Buchladen ihre Aus-bildung zur Verkäuferin.

Zusammen mit Julia (rechts), die nach einer Ein-

stiegsqualifikation direkt ins zweite Lehrjahr ein-

steigen konnte, ist Vanessa bereits die zweite junge

Mutter, die bei bodo die Möglichkeit bekommt, eine

Teilzeitausbildung zu machen: „Nach der Schule habe

ich gejobbt und diverse Maßnahmen vom Arbeitsamt

durchlaufen. Jetzt bin ich froh, endlich eine Ausbil-

dungsstelle gefunden zu haben. Noch dazu in einem

Bereich, der mich schon immer interessiert hat.“

Dass es manchmal stressig werden kann, hat sie in ih-

rem ersten Monat bei bodo auch schon erfahren. Zwi-

schen Verkäufern, die auf ihre Zeitungen warten, aus-

gehenden Buchsendungen in die ganze Welt und einem

Buchbestand von über 10.000 Büchern ist Teamwork

gefragt, um nicht den Überblick zu verlieren.

Gemeinsam mit Sandra, die zurzeit im zweiten Lehr-

jahr ist, und Steffi, die nach erfolgreicher Abschluss-

prüfung um ein drittes Lehrjahr verlängert hat, um die

Zusatzqualifikation Einzelhandelskauffrau zu erhalten,

bilden die beiden ein super Team. Auch Suzanne Prä-

kelt, Leiterin des Projekts Buch, freut sich über die

Verstärkung: „Vanessa passt super zu uns!“

Ausbildung bei bodo Neue bodo-Taschen

Endlich keine verknickten oder regennassen Zeitungen mehr! Dank einer großzügigen Fir-menspende bekommen unsere VerkäuferInnen Verkäufertaschen, die die harte Beanspruchung auf der Straße auch wirklich aushalten werden.

Eigentlich als Unterstützung für unsere Bochumer

gedacht, haben wir aufgestockt und lassen nun Ta-

schen für das gesamte bodo-Gebiet herstellen. Wir

sind froh und stolz, dass wir Jens Christof Micheel

von der Dortmunder Firma Ruhrgepäck als Partner

gewinnen konnten. Ruhrgepäck fertigt für uns ex-

klusive Taschen an und unterstützt uns in außeror-

dentlichem Maße – vielen Dank!

Unsere Verkäufer erhalten somit hochwertige LKW-

Planen-Taschen mit eigenem bodo-Motiv, entworfen

von unserem Grafiker Andre Noll. Für die Taschen

hinterlegen unsere Verkäufer eine überschaubare

Summe Pfand, die auch in Raten zahlbar ist.

Weil uns selbst die Taschen so gut gefallen, vermu-

ten wir, dass vielleicht der eine oder andere Leser

selbst gern eine solche Tasche hätte. Wir haben also

eine streng limitierte Auflage von zwei Taschenfor-

maten in Auftrag gegeben – mit leicht abgewandel-

ten Motiven. Ab Dezember zu kaufen bei bodo und an

unseren Info-, Buch- und Weihnachtsmarktständen.

ANZEIGEN

Page 7: bodo November 2012

7

Es ist eine Menge los bei bodo in acht Wochen bis Weihnachten. Wir beginnen mit unserer Woody-Guthrie-Gedenkveranstaltung mit Musik, Lesung und Filmausschnitten am 2. November bei uns im Buchladen.

Am 18.11. sind wir bei der Verleihung des Dortmunder

Lesart-Preises in der Sparkasse Dortmund. Zwischen

Preisverleihung und Vortrag des Physikers und Autors

Metin Tolan dürfen wir Bilder aus unserer Arbeit zei-

gen. Am 23.11. sind wir bei einer Veranstaltung zur

Geschichte und Kultur der Roma und Sinti im Dortmun-

der Wichernhaus, am 24.11. findet der Flohmarkt von

DoDog e.V. statt, des Hilfsprojekts für Tiere Wohnungs-

loser: Hannöversche Str. 18 d – e, 10 – 18 Uhr.

Im Dezember starten wir mit einer Lesung von Kai

Schäder, Teilnehmer der Mongol-Rallye, der am 7.12. über seine Fahrt von Dortmund nach Ulan Bator

berichtet. Am 10.12. veranstaltet der Euromayday

Ruhr eine Diskussionsveranstaltung zum Thema Ar-

beitsmigration aus Rumänien und Bulgarien bei uns.

Am 13.12. ist bodo-Mitgliederversammlung und am

14.12. unser großes Weihnachtsessen für alle bodo-

Verkäufer und Mitarbeiter.

Am 4. und 5.12. haben wir einen Stand auf dem

Weihnachtsmarkt in Bochum, am 19. und 20.12. auf

dem Weihnachtsmarkt in Herne.

Termine, Termine…Kinderwerkstatt bei bodo

Die Bühnenkünstlerin Fräulein Nina ist Langzeit-bodo-Autorin, ehemaliges Vorstandsmitglied und uns trotz Erstwohnsitz in Hamburg weiterhin eng verbunden. Murat Kayi ist Musiker und Kabaret-tist aus Dortmund und steht unter anderem ge-meinsam mit Nina auf der Bühne – z.B. mit ihrem gemeinsamen Programm Migrantenpop.

Präsentiert vom Kulturrucksack NRW und vom Dort-

munder Kulturbüro, veranstalten die beiden nun

eine Migrantenpop-Kinder- und Jugendwerkstatt

jeweils am zweiten und am dritten Adventswochen-

ende – in Kooperation mit bodo.

Je einen Samstag und einen Sonntag von 12 bis 17

Uhr können Kinder von 10 bis 12 Jahren bei uns ler-

nen, wie man eine Zeitung macht, im Kulturzentrum

Langer August, wie man Theater spielt und beatboxt

und eine Menge mehr.

Wer mitmachen kann? „Diese Werkstatt ist für alle

Kinder da“, sagen Nina und Murat, „für große, klei-

ne, Jungs und Mädchen, dicke, dünne, dunkle, hel-

le.“ Die Veranstaltungen sind kostenlos.

Informationen und Anmeldung – für Eltern und Kin-

der – gibt es bei Murat Kayi: 0231 – 86 43 67 22.

www.migrantenpop.de

07

Maikes Rückblick auf den September

Hallo liebe bodo-LeserInnen, da bin ich

wieder, mit allen Höhen und Tiefen.

1. September Bin heute mit einem ehe-

maligen Klassenkameraden in der Nach-

barstadt verabredet. Wollen uns einen

fröhlichen, gemütlichen Tag mit Flach-

sen, Erinnerungschwelgen sowie Ge-

schäftebummel machen. Da ich ca. eine

Stunde früher da war, habe ich versucht,

ein bisschen Zeitung zu verkaufen, was

beim Versuch blieb. Und am Spätnach-

mittag war ich noch zum Geburtstag

eingeladen.

4. September Heute bin ich nach mei-

nem Arbeitstag zum Essen eingeladen

worden. Und nebenan ist ein An- und

Verkaufsladen für Elektrogeräte, wo ich

preisgünstig einen Kühlschrank gekauft

habe, denn mein Kühlschrank, der ca. 20

Jahre alt war, ist kaputtgegangen.

6. September Da der An- und Verkaufsla-

den wohl jeden Donnerstag Auslieferung

hat, habe ich den Kühlschrank heute be-

kommen und der alte Kühlschrank wurde

zur Entsorgung mitgenommen.

14. September Heute kommt wohl alles

zusammen: Migräneanfall mit Übelkeit

sowie hohem Blutdruck. Und da wollte

ich eigentlich heute zum Friedhof, um am

Grab meines Mannes und meiner Groß-

eltern ein stilles Gebet zu tätigen, da

meine Oma ihren Geburtstag heute hätte

und der 18te Hochzeitstag von meinem

verstorbenen Mann und mir wäre.

18.September Ja, heute ist der 14jähri-

ge Gedenktag meines verstorbenen Man-

nes. Da kommen immer wieder schöne

Erinnerungen hoch.

28.September Bin schon auf die Verkäu-

ferversammlung gespannt. Was da wohl al-

les Schöne und Schlechte zu Tage kommt?

Nun ja, man lässt sich überraschen.

Jetzt aber Schluss mit den Erinnerungen,

denn verstorbene Verwandte kommen eh

nie wieder, man behält sie im Herzen.

Eure Bodoline Maike

MAIKES VERKÄUFERTAGEBUCH

Die Fußballweltmeisterschaft der Wohnungslosen ist entschieden. 200.000 (!) Zuschauer sahen beim 10. Homeless World Cup in Mexiko City die amerikanischen Fußballnationen dominieren.

Der Gastgeber gewann den Titel bei den Frauen vor

Brasilien und wurde hinter Chile zweiter bei den

Männern. Nie zuvor hatte die Obdachlosen-WM mehr

Öffentlichkeit. Professionelle Werbespots liefen in

den mexikanischen Fernsehsendern, Werbeplakate

hingen in den Hallen der großen Flughäfen, und in vielen Zeitungen erscheinen Beiträge zu den Spielen.

Allein am Eröffnungswochenende feuerten rund 50.000 Zuschauer die Spieler an.

„Es gibt wohl kaum einen besseren Weg als den Sport, um den unterschiedlichen Hintergrund der Menschen

vergessen zu lassen, ob es sich dabei nun um Obdachlosigkeit, Armut, Drogenmissbrauch oder Kriminalität

handelt“, sagte Danielle Batist vom Internationalen Netzwerk der Straßenzeitungen.

Der Homeless World Cup wirkt: Über 90 Prozent der Spieler geben an, neue Motivation für ihr Leben zu haben,

mehr als zwei Drittel haben ihr Leben durch Fußball signifikant verbessert. Mehr auf www.bodoev.de.

Homeless World Cup

Page 8: bodo November 2012

8Hajusom

08 THEATER | von Wolfgang Kienast | Fotos: Frank Willhoeft · Rosa Frank · Thomas Werner · Ivo Hofste

Favoriten 2012:

Das Theaterfestival „Favoriten”, vor 27 Jahren in Dortmund unter dem Namen „Theaterzwang” gegründet, ist ein bedeutender und gleichzeitig der höchstdotierte Wettbewerb der deutschen Off-Szene. Zwölf ausgewählte Produktionen konkurrieren während der letzten Novemberwo-che um die begehrten Auszeichnungen.

Ein umfangreiches Begleitprogramm stellt an

Hand der Themenreihe „Stay with me for a little

while” die Stadt Dortmund selbst in den Mittel-

punkt des Interesses. In die gleiche Richtung

zielen auch mehrere Projekte für Kinder, Jugend-

liche und Studierende. Mit dem Schwerpunkt,

politische, soziale und künstlerische Prozesse

vor einem konkreten urbanen Hintergrund

zusammenzudenken, bezieht sich das diesjährige

Festival bewusst auf seine Anfänge.

Damals, Mitte der 80er Jahre, war im Ruhrge-

biet die Krise der Schwerindustrie längst in den

Köpfen der Menschen angekommen. Werkstill-

legungen, Massenentlassungen, (Jugend-)

Arbeitslosigkeit. Die Frage, die sich stellte,

war kaum noch, wie dieser Wandel aufzuhalten,

sondern, wie mit ihm umzugehen wäre. Alles

hinnehmen oder selbst aktiv werden? Und wenn

aktiv werden, in welcher Form? Diskutiert und

politisiert wurde nicht nur im hauptsächlich

betroffenen Arbeitermilieu, sondern in nahezu

allen Kreisen der Gesellschaft, einschließlich der

kulturschaffenden.

Zu der Zeit konnten in Dortmund die Protago-

nisten einer Verknüpfung von Werktätigkeit und

Textproduktion auf eine bereits langjährige

Tradition verweisen. Die Gruppe 61 sei genannt,

oder, der Name ist Programm, der 1970 aus der

Taufe gehobene, in seiner Ausrichtung radika-

lere „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt”. Dem

Werkkreis hatte sich in den frühen 70er Jahren

die „Initiative Theater Dortmund / Dortmunder

Lehrlingstheater” angeschlossen. Das von Kurt

Eichler, später Mitbegründer des Festivals und

heute Geschäftsführer der städtischen Kulturbe-

triebe, geleitete Lehrlingstheater gilt als erste

freie Theatergruppe im Ruhrgebiet.

Aus Unzufriedenheit über die marginale gesell-

schaftliche Bedeutung der etablierten Spielstätten,

auf deren Bühnen revolutionäre Ideen zwar thema-

tisiert wurden, ohne dass diese jedoch jemals die

Theaterräume verlassen sollten, wollte das Lehr-

lingstheater politische Inhalte in den öffentlichen

Raum tragen. Inhaltlich waren die Produktionen,

sie trugen Namen wie „Alle Räder stehen still” oder

„Da bleibt dem Chef die Spucke weg”, eng an reale

Verhältnisse in Dortmund angelehnt; Widerpart

in den Stücken war des öfteren eine so genannte

„Huch AG”, wobei jeder wusste, wer damit gemeint

war. Aufführungsorte waren Jugendzentren, Volks-

hochschulen und Partei- oder Gewerkschaftshäuser,

bald auch weit über die regionalen Grenzen hinaus.

Freies Theater – urbaner Raum

Page 9: bodo November 2012

9Raimund Hoghe

09

Seinen letzten Auftritt hatte das Lehrlingsthe-

ater im Sommer 1984 beim „Festival der freien

Dortmunder Theatergruppen”. Hintergrund des auf-

geführten Stücks waren die seinerzeitigen, großen

Demonstrationen für den Erhalt der Stahlproduk-

tion in Dortmund. Im selben Jahr wurde die „Ko-

operative Freier Theater NRW” gegründet, ab 2006

als „Verband freie darstellende Künste NRW e.V.”

firmierend und seit 1985 Ausrichter des Festivals

„Theaterzwang”, dem Vorläufer von „Favoriten”.

Qualitativ haben Off-Produktionen in der Spanne

von mehr als vierzig Jahren eine enorme Entwick-

lung genommen, sozial und politisch relevante

Themen werden in der Regel noch verhandelt, was

allerdings aus dem Blickpunkt zu geraten droht,

ist eine Rückkopplung mit den Bewohnern der

jeweiligen Städte. Damit konnte Kritik an einem

der Punkte angesetzt werden, welche 1970 zur

Gründung auch des Dortmunder Lehrlingstheaters

führten. L art pour l art.

Wohl bedenkend, dass sich die heutige Gesamt-

situation deutlich von der damaligen unterschei-

det, reagierte vor zwei Jahren, beim Fünfund-

zwanzigsten, die Festivalleitung in mehrfacher

Hinsicht auf diese Problematik. Nicht nur, dass

im Nebenprogramm ein Abend unter dem Motto

„Das war’s” zu besuchen war, ein Rückblick auf

„eine Zeit, in der sich die Kraft des freien Thea-

ters vor allem aus Überzeugungen und Aktions-

willen, Unterhaltung und Bierkonsum speiste.

Theater sollte wie Fußball sein.” Bezug nehmend

auf das Vorhaben, Elfenbeintürme zu räumen,

verspricht Aenne Quiñones, 2010 wie 2012 die

Künstlerische Leiterin von „Favoriten”, im Vor-

wort zum aktuellen Programmheft: „Anknüpfend

an 2010 wird sich das Theaterfestival Favoriten

in der diesjährigen Ausgabe weiter in die Stadt

hinein vernetzen: als eine Veranstaltungsreihe

für die Zuschauer und mit ihnen.”

In diesem Zusammenhang bekennt sie sich

ausdrücklich zum Dietrich-Keuning-Haus in der

Nordstadt als Ort des Festivalzentrums und nennt

diese Wahl ein inhaltliches Statement. Theater ge-

höre dorthin, wo die Menschen sind. Vier der fünf

„Stay with me for a little while”-Projekte finden

im DKH statt, bei freiem Eintritt allen zugänglich.

Auftreten wird hier die Dortmunder Streetdance-

Formation The Marios, Pioniere der lokalen Jerk-

Bewegung. An den Wänden hängen Fotografien

von Nevin Aladag, der in der Stadt Freundespaare

und -gruppen porträtiert hat.

„The Gegenschein“, ein audiovisuell arbeitendes

Künstlerquartett, lotet bei einer Performance

die Wechselwirkung akustischer und optischer

Apparaturen aus. Außergewöhnlich, als begehbare

Installation zwischen Wunderkammer und Labora-

torium, wird das Festivalzentrum selbst gestaltet

sein. Hier kann man täglich Organisatoren, Schau-

spieler, Neugierige und Nachbarn treffen.

Wie ernst es die Festivalleitung mit der An-

sage meint, traditionelle Spielorte hinter sich

und neue Räume erkunden lassen zu wollen,

beweisen Projekte, die sich an Studierende

bzw. Kinder und Jugendliche richten. Mit der

Situation ausgewählter Stadtteile befasst sich

der Hochschul-Workshop „Urbane Szenerien –

Realitäten einer Stadt”. Die Teilnehmer lernen

dabei, ihren Blick für die vielfältigen Kontraste

an diesen Orten zu schärfen, die Befunde mit

Hilfe künstlerischer Mittel zu überarbeiten

und in ein präsentables Format zu bringen. An

Kinder und Jugendliche richtet sich einerseits

das Angebot, Stücke im Festivalprogramm

näher und angeleitet kennenzulernen, und an-

dererseits, selbst kleine Szenen zu entwickeln,

um diese anschließend in der Öffentlichkeit

aufzuführen.

Page 10: bodo November 2012

10

10

Für den Wettbewerb schließlich, dem eigentli-

chen Herz bei „Favoriten”, wurden 125 Bewer-

bungen gesichtet und haben Scouts Auffüh-

rungen von 200 Produktionen besucht. Bei den

auserkorenen zwölf Beiträgen stehen Bühnen-

formate, welche sich aus einer zeitgenössischen

Urbanität entwickelt haben neben Theater- und

Tanzprojekten, bei denen gesellschaftliche Fra-

gestellungen thematisiert werden. Ein weiteres

Kriterium bei der Auswahl war das Potenzial

der Stücke, die internationalen Vernetzung der

Akteure aus Nordrhein-Westfalen aufzuzeigen -

als grundlegende Bedingung für Freie Theater-

arbeit auf hohem Niveau wie auch als Spiegel

der Zuwanderungsgeschichte weiter Teile der

Bevölkerung des Bundeslandes.

Ohne einzelne Beiträge im Vorfeld gesehen

zu haben, kann bodo natürlich weder einen

persönlichen Favoriten nennen noch eine Emp-

fehlung aussprechen, schließt sich aber, ganz

neutral, einem Tipp von Kurt Eichler an. Eichler

rät, auf keinen Fall die Festivaleröffnung von

Richard Siegal zu verpassen. Am Samstag, dem

24. November, verwandelt der amerikanische

Choreograf das Dietrich-Keuning-Haus in eine

philosophische Party, bei der Wände zwischen

Bühne und Publikum eingerissen werden sollen.

Bis schließlich alle tanzen.

Ausverkauftes Haus wünscht bodo sämtlichen

Aufführungen in den über Dortmund verteilt

liegenden Spielstätten des Festivals. Veranstal-

tungsorte beim Wettbewerb sind das Kinder- und

Jugendtheater, das Theater im Depot, das Studio

im Schauspielhaus und das Kino sweetSixteen.

Wer, außer sowieso dem Publikum, sich letztlich

als Gewinner fühlen darf (drei Geldpreise im Wert

zwischen 1.500 und 5.000 Euro sind ausgelobt

sowie Zuschüsse zu einem Auftrittsnetzwerk,

das sich an potenzielle Veranstalter richtet),

entscheidet eine Fachjury aus Kuratoren, Drama-

turgen, Regisseuren und Journalisten bzw. eine

besondere Jugendjury.

Die Verleihung der Förderpreise findet am

Samstag, den 1. Dezember um 19 Uhr im Thea-

ter im Depot statt. Raimund Hoghe, er gilt als

einer der wesentlichen Protagonisten der euro-

päischen Tanzszene, gibt im Anschluss an die

Verleihung und im Rahmen einer speziell auf

Ort und Anlass zugeschnittenen Performance

einen Einblick in die zwei Jahrzehnte seiner

choreografischen Arbeit. Aenne Quiñones freut

sich sehr, Hoghe für diesen Abend gewonnen

zu haben: „Er ist der Prototyp eines Künstlers,

der in dem nicht immer leicht zu überlebenden

Raum eine eigene, international beachtete

Sprache gefunden hat.” (wk)

INFO www.favoriten2012.de

Grind

Aenne Quiñones

Page 11: bodo November 2012

11

19

Seit 17 Jahren gehören das Straßenmagazin und seine

Verkäufer zum Straßenbild in Bochum, Dortmund und

Umgebung. Viele haben feste Verkaufsplätze und einen

eigenen Kundenstamm. Manche sind schon seit Jahren

bei uns, andere nur auf der Durchreise. Für alle jedoch

ist der Verkauf des Straßenmagazins eine Arbeit, die

Halt gibt und Selbstbewusstsein schafft. bodo stellt

regelmäßig einen Verkäufer vor.

bodo-VerkäuferInnen

VERKÄUFERGESCHICHTEN | protokolliert von Sebastian Sellhorst | Foto: Sebastian Sellhorst 11

»Alles eine Frage der Organisation.«Otto aus Bochum:

Seit über zehn Jahren lebt Otto ohne eigene Woh-nung. Nach langem Aufenthalt in Hamburg ist er seit einigen Monaten wieder im Ruhrgebiet und verkauft in Bochum am Hauptbahnhof das Stra-ßenmagazin. Warum er seine Wohnung vor vielen Jahren aufgegeben hat und wie er durch kalte Winter kommt, hat er uns erzählt.

„Geboren bin ich 1971 in Paderborn, aber bereits

als Kleinkind bin ich mit meinen Eltern nach Duis-

burg gezogen. Nach meinem Hauptschulabschluss

habe ich eine Lehre als Metzger begonnen. Das

war damals eigentlich mein Traumberuf, aber nach

relativ kurzer Zeit merkte ich, dass das wohl doch

nicht das Richtige für mich ist. Sobald ich eine

andere Lehrstelle als Steinmetz gefunden hatte,

habe ich die Metzger-Lehre hingeschmissen. Die

Arbeit als Steinmetz machte mir dann zum Glück

eine Menge Spaß.

In meinem Ausbildungsbetrieb habe ich noch gut

zehn Jahre nach Abschluss meiner Lehre gearbei-

tet. Als mein Chef in Rente ging und den Laden

dichtmachte, wurde ich arbeitslos. Danach war es

für mich sehr schwer, was Neues zu finden. Es gab

zwar immer mal wieder Möglichkeiten, aber zu der

Zeit wurde in dem Bereich sehr viel Lohndumping

betrieben. Da konnte es dir passieren, dass du einen

Job hattest, du aber trotzdem noch zum Arbeitsamt

musstest, weil das Geld nicht reichte.

Irgendwann war ich so genervt von der Arbeitslo-

sigkeit, den Ämtern und den Behörden, dass ich den

Entschluss fasste, mich woanders nach Arbeit umzu-

sehen. In der Hoffnung, in Norddeutschland Fuß zu

fassen, kündigte ich meine Wohnung und fuhr nach

Hamburg. Die Zeit, bis ich eine neue Wohnung ge-

funden hatte, wollte ich damals mit meinem Zelt auf

einem Campingplatz überbrücken. Das ist jetzt zwölf

Jahre her. Eine Wohnung hatte ich seitdem nicht

mehr. Auch mit dem Job lief es nicht so, wie ich es

mir vorgestellt hatte, und so landete ich irgendwann

beim Hamburger Straßenmagazin Hinz & Kunzt.

Nach einer Weile habe ich dann auch mein Zelt ab-

geschafft, weil der Campingplatz auch eine Menge

Geld kostete, das ich nicht hatte. Stück für Stück

lernte ich, mich auf der Straße zurechtzufinden,

probierte Suppenküchen und Übernachtungsein-

richtungen aus, merkte aber schnell, dass ich auch

gerne alleine bin. Mit vielen Leuten auf einem Zim-

mer, wovon einige vielleicht betrunken sind oder

unter Drogen stehen, das war nichts für mich. So

habe ich es eigentlich immer vorgezogen, im Freien

zu schlafen.

Vieles ist nur eine Frage der Organisation, wenn man

draußen lebt. In den ersten Wintern habe ich noch

gefroren. Heute weiß ich, wie ich mich vor der Kälte

schützen kann. Mit zwei oder drei Iso-Matten und

einem zweiten Schlafsack kommt man auch durch

den kältesten Winter. Ab 15 Grad minus nehme ich

noch einen Taschen-Wärmer dazu. Wenn man es

schafft, sich vernünftig auszurüsten, hat man es

leichter. Wenn man das, aus was für Gründen auch

immer, nicht hinkriegt, hat man ein Problem.

Vor einigen Monaten kam mir dann die Idee, zurück

ins Ruhrgebiet zu gehen und bodo zu verkaufen. Ob

ich noch mal zurück kann in ein Leben mit Wohnung

und fester Arbeit, weiß ich allerdings nicht. Mitt-

lerweile begreife ich die Straßenzeitung als meinen

Job, habe auch ohne Wohnung einen geregelten Ta-

gesablauf: Stehe morgens um sechs Uhr auf, gehe

duschen, danach in einen Waschsalon, meine Kla-

motten waschen, die ich danach in ein Versteck oder

ein Schließfach packe. Danach trinke ich bei bodo

einen Kaffee mit meinen Kollegen und hole mir die

Zeitungen für den Tag, und dann warten auch schon

meine Kunden auf mich.“ (sese)

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Page 12: bodo November 2012

12

KULTUR | von Wolfgang Kienast

Thema einer neuen Sonderausstellung in der DASA, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund, ist das Selberma-chen. Es geht dabei um nicht weniger als eine revolutionäre Bewegung, die gerade einmal hundert Jahre benötigte, nahezu jeden Bereich des Alltags zu erfassen und die unser Leben grundlegend verändert hat. Ob es die Lust an Marke Eigenbau ist oder die Not, die erfinderisch macht, das selbstverständliche SB-Tanken, das subversive Stadtgärtnern, der Blog, der Bau-markt, der Bankautomat: Die Ausstellung zeigt, das sind Aspekte ein und desselben Phänomens. Uns ist in diesem Zusammenhang das meiste

derart vertraut, dass wir es kaum noch hinterfra-

gen. „Do It Yourself” zeigt dem Besucher, von wie

vielen Warten aus das Thema untersucht werden

kann, ohne dass der konzeptionelle Ansatz bemüht

wirken würde. Da reicht es, die Perspektive leicht

zu verschieben, beispielsweise das Strickzeug

nicht in der Hand zu halten, sondern in einem

Schaukasten liegen zu sehen, um sich beim Nach-

gehen vorher nicht gestellter Fragen zu erwischen.

Seit wann wird eigentlich gestrickt? Und was war-

um von wem? Könnte ich nicht auch mal (wieder)?

Und vielleicht keinen Schal, sondern einen bunten

Wimpel an dem tristen Bauzaun da drüben?

„Manchmal war es gar nicht so einfach, eine scharfe

Trennlinie zu ziehen zwischen dem wissenschaft-

lichen Anspruch, den wir verfolgt haben, und der

schwer zu unterdrückenden Lust, uns den Sachen

einfach hinzugeben”, sagt Tine Nowak, eine der

drei Kuratorinnen. Ihre Zwickmühle wird nachvoll-

ziehbar, bewegt man sich entlang der sorgfältig

ausgestatteten und dennoch kunterbunt wirkenden

Vitrinen und Regale. Da dürfte jeder den Drang

Do It YourselfWir alle machen mit, wir können gar nicht anders

12 RECHT | von Rechtsanwalt René Boyke

Der richtige Umgang mit Mahnungen

Wer chronisch knapp bei Kasse ist, geriet mög-

licherweise bereits in die Mühlen des gericht-

lichen Mahnverfahrens. Dabei ist es wichtig,

über den Ablauf informiert zu sein: Das Mahn-

verfahren ist bereits ein Gerichtsverfahren.

Rein private Zahlungsaufforderungen von

Gläubigern sind nicht Teil dieses Verfahrens.

Der Gläubiger bittet im Mahnverfahren das

Gericht, den Schuldner zur Zahlung aufzu-

fordern. Eine Begründung des Gläubigers ist

dazu nicht notwendig. Das Gericht kommt

dieser Bitte nach und stellt dem Schuldner

per Postzustellungsurkunde die Zahlungs-

aufforderung zu.

Dem Schuldner bleiben dann im Wesentli-

chen zwei Reaktionsmöglichkeiten: Zahlen

oder Widerspruch einlegen. Beide Reaktio-

nen beenden das Mahnverfahren. Legt der

Schuldner Widerspruch ein, dann wird die

Sache regelmäßig vor einem normalen Ge-

richt ausgetragen. Erfolgt allerdings keine

Reaktion, dann kann der Gläubiger nach Ab-

lauf von zwei Wochen nach Zustellung des

Mahnbescheids das Gericht bitten, einen

Vollstreckungsbescheid zu erlassen und die-

sen dem Schuldner zuzustellen.

Erst nach der Zustellung hat der Gläubiger die

Möglichkeit, gegen den Schuldner zu vollstre-

cken. Dies ist möglich, ohne dass der Gläu-

biger dem Gericht den Anspruch begründen

muss. Ist ein Vollstreckungsbescheid erlassen,

kann der Schuldner innerhalb von zwei Wochen

nach dessen Zustellung Einspruch einlegen.

Die Sache wird dann normalerweise vor einem

normalen Gericht ausgetragen. Nun muss der

Gläubiger seinen Anspruch auch begründen.

Bleibt der Schuldner aber untätig, dann wird

der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig.

Dem Schuldner bleiben dann nur noch we-

nige Möglichkeiten, sich gegen die Vollstre-

ckung zu wehren. Weder der wahre noch der

vermeintliche Schuldner sollte einen Mahn-

oder Vollstreckungsbescheid ignorieren. Für

den Schuldner ist das Mahnverfahren sehr

viel günstiger als ein Gerichtsverfahren. Wer

zahlt, kommt noch mit einem blauen Auge

davon. Allerdings läuft er – wenn er nicht re-

agiert – auch Gefahr, dass zwangsvollstreckt

wird, obwohl keine Forderung besteht. (rb)

www.kanzlei-boyke.de

Page 13: bodo November 2012

13

wird (wie es mir ergangen ist) zu Hause

frustriert die Tasche auskochen wollen,

um an den Saft zu kommen. Nehmen Sie

besser eine Dose.

Die Plackerei jedoch lohnt. Selbstgemach-

ter Sanddornsaft schmeckt um ein Vielfa-

ches frischer als gekaufter. Weiterver-

arbeiten lässt er sich zu Gelee, zu Likör,

kalten Suppen oder Saucen: ausnahmslos

lecker. Da es aber in bald zwei Jahren

bodo-Wildkräuterkolumne noch nie ein

Dessert-Rezept gegeben hat, möchte ich

Ihnen in unserer November-Ausgabe einen

Schokoladenpudding ans Herz legen. Nach

dem Sammeln geht alles ganz einfach.

300g Sanddornfrüchte waschen, in ei-

nem Sieb etwa zehn Minuten über heißem

Wasser dämpfen und dann durch das Sieb

streichen. Fünf Eigelb und 100g Rohrzucker

schaumig schlagen. Den Sanddornsaft und

250ml süße Sahne zugeben, weiter schla-

gen. 250ml Milch erhitzen und 100g Block-

schokolade darin auflösen. Die Sanddorn-

sahne zur Schokomilch geben, peu à peu

75g Weichweizengrieß einstreuen und ein

paar Minuten quellen lassen. Drei Eiweiß zu

einem steifen Schnee schlagen, behutsam

unter die Masse ziehen und noch einmal

sanft erhitzen. Mit gemahlenen Haselnüs-

sen bestreuen und auskühlen lassen. Der

Pudding hat die Konsistenz einer cremigen

Mousse au chocolat und einen feinsäuer-

lich fruchtigen Geschmack.

Sanddorn wird zwischen Mitte September

und Mitte November geerntet. Je nach

Witterung und Lage kann man ihn bis

in den Dezember hinein sammeln, doch

schmecken überreife Früchte ranzig. Das

liegt an den ölhaltigen Samen. Ansons-

ten sind die Scheinbeeren wahre Vitamin-

bomben. Mit bis zu 9g Vitamin C pro Kilo

schlagen sie Zitronen um Längen. Bana-

nen sowieso. (wk)

wildkraeuter.bodo/23_sanddorn/Bananen, mal abgesehen davon, dass

ich sie nicht sooo gern mag, halte ich

ansonsten für eine ziemlich überzeu-

gende Angelegenheit. Hätte sich ein

Mensch die Frucht ausgedacht, die in ih-

rer eigenen Verpackung wächst, er hätte

mindestens einen Red Dot für perfektes

Design gewonnen.

Dem Anschein nach aber war ein Zuliefe-

rer der österreichischen Supermarktkette

Billa jetzt der Auffassung, dass es nichts

auf der Welt gäbe, was nicht irgendwie zu

verbessern wäre. Jedenfalls lagen Ende

September ausgezogene Bananen unter

Klarsichtfolie auf Styropor im Lebensmit-

telregal des Discounters. Chapeau! Im Netz

hat der hanebüchene Unfug derart viel

Aufsehen erregt, dass Verschwörungstheo-

retiker bereits vermuten, es hätte sich bei

der Aktion auch um einen besonders hin-

terfotzigen Werbecoup handeln können.

Wie auch immer, wer auf Trash wie foli-

enverschweißte Bananen abfährt, sollte

mit Wildkräutern gar nicht erst anfan-

gen. Meist ist die Natur nicht so entge-

genkommend wie im Fall der gekrümmten

Südfrucht. Im Gegenteil. Beim Sanddorn

zum Beispiel, dem es, flächendeckend an

Ost- und Nordseeküste beheimatet, mitt-

lerweile an den Halden im Revier glei-

chermaßen gut gefällt.

Die Sträucher sind mit bis zu sechs Zen-

timeter langen Dornen bewehrt. Meist

direkt unter diesen sitzen sehr fest an

ausgesprochen kurzen Stielen die kleinen,

orangeroten Scheinbeeren; sie sind saftig

prall und haben eine so dünne Haut, dass

sie bei geringem Druck schon platzen.

Bei der Ernte, die entsprechend mühsam

ist, hilft eine Schere mit schmaler Klin-

ge. Wer dann (wie ich beim ersten Mal)

meint, ein Stoffbeutel

wäre zum Transport

geeignet,

13WILDE KRÄUTER | von Wolfgang Kienast

verspüren, einzelne Exponate anzufassen, um sie

an Ort und Stelle auszuprobieren. Meist heißt es

jedoch: Berühren verboten. Leider. Bestaunen aber ist

erlaubt, den zu einem Schlitten umgebastelten IKEA-

Schaukelstuhl oder eine mit Staubsaugern angetriebe-

ne Rohrpostanlage aus einem Postamt der DDR.

„Als wir 2008 im Museum für Kommunikation in

Frankfurt damit begonnen haben, das Konzept zur

Ausstellung zu entwickeln, konnten wir gar nicht

ermessen, welche gesellschaftliche Bedeutung sie

im Lauf der folgenden Jahre bekommen sollte. Das

ist in engem Zusammenhang mit der wirtschaftli-

chen Krise zu sehen. Einerseits, weil Selbermachen

oft Geld spart, auf anderer Ebene aber auch, weil in

den momentan sich überall entwickelnden subkul-

turellen Strömungen viele und ganz unterschied-

liche Formen von ,aktiv sein‘ im Trend liegen”,

vermutet die Kuratorin.

Hilfe bei der inhaltlichen Gliederung von „Do It

Yourself” bieten die Schlagworte Hobby, Arbeit,

Gegenkultur, Wissen und Medien. Die Grenzen sind

fließend. Historischen Aspekten, etwa der Erklä-

rung der ursprünglichen Bedeutung von Begriffen

wie Laie, Dilettant und Amateur, wird gleicher-

maßen Rechnung getragen wie den absehbaren

Möglichkeiten für Einzelne und Gruppen, die sich

aus der Philosophie des Web 2.0 ergeben.

Ein roter Faden ist die feministische Fragestellung.

Die handarbeitende Gottesmutter auf einem mittel-

alterlichen Altarbild irritiert dabei weniger als die

neuzeitliche, mit Swarowskisteinchen besetzte Hand-

bohrmaschine. Die tüftelnde Hausfrau Melitta Bentz,

1908 hat sie den Kaffeefilter erfunden, fehlt ebenso

wenig wie punkige Riot-Girls. „Schwierig war es, bei

den unzähligen Experimentierkästen für Kinder und

Jugendliche, die seit den 1920er Jahren mit großem

Erfolg im Handel sind, einen mit einem Mädchen auf

dem Kartondeckel zu finden”, sagt Frau Nowak.

Experimentiert und gebastelt werden kann im Rah-

men der Ausstellung natürlich auch, im angeschlos-

senen Tüftlerlab, wo Besucher unter freundlicher

Anleitung das Stricken lernen können, Saatbomben

zu bauen oder Blumentöpfe aus PET-Flaschen mit

integrierter Bewässerung. Ein umfangreiches Rah-

menprogramm rundet die Ausstellung ab. (wk)

INFO

DASA | Do It Yourself – Die Mitmach-Revolution

29. September 2012 bis 28. April 2013

www.dasa-dortmund.de | www.diy-ausstellung.de

Page 14: bodo November 2012

14

Der Realität der Zuwanderung begegnen„Schritt-Weise“ zum Bildungserfolg

INTERVIEW | von Bastian Pütter | Foto: Schritt-Weise

Seit einem Jahr beraten, begleiten und betreu-en Monika Kasler (Foto rechts) und Johanna Smith Familien mit schulpflichtigen Kindern, die aus den EU-Ländern Rumänien und Bulgari-en nach Dortmund kommen – in den jeweiligen Muttersprachen der Neuzuwanderer. Das Pro-jekt „Schritt-Weise“ des Diakonischen Werks Dortmund ist damit allein auf weiter Flur. bodo sprach mit den Projektmitarbeiterinnen über bürokratische Hürden und den Mangel an Hilfsangeboten, über die Not der Zuwanderer und deren großen Einsatz, ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen.

bodo Seit einem Jahr gibt es „Schritt-Weise“. Wie

sind Sie mit den Familien in Kontakt gekommen?

Smith Wir haben in den Schulen erste Kontakte

zu den Familien geknüpft, aber auch andere

Orte gesucht, an denen wir in Kontakt kommen

konnten. In vier kooperierenden Schulen bieten

wir feste Sprechzeiten an.

Ganz wichtig für uns ist das Gesundheitsamt.

Hier sind wir zweimal in der Woche im Rahmen

der Sprechstunde für nicht krankenversicherte

Kinder und haben auch vor Ort einen getrennten

Beratungsraum für Bildungsberatungen. Wir tref-

fen häufig die Familien, die wir aus den Schulen

kennen, dort. Sie sehen, die Tür ist immer offen,

und die Leute kommen einfach rein und fragen

auch nach gesonderten Terminen. In den Schulen

helfen wir, Regeln zu vermitteln, übersetzen bei

den Elterngesprächen und erklären kulturelle

Differenzen. Und wir sind begeistert, wie viele

engagierte Lehrer und soziale Fachkräfte es gibt.

Kasler Was uns am Anfang positiv aufgefallen ist,

ist das Bemühen der Eltern, einen guten Schulstart

zu ermöglichen. Das heißt, dass trotz existenzieller

Not die Kinder Frühstück dabei hatten und etwas

zu trinken und alle sauber und schön angezogen

waren. Von Vernachlässigung konnte und kann

keine Rede sein, die Eltern geben sich große Mühe,

auch wenn es am Nötigsten fehlt.

Vielen Eltern ist es sehr wichtig, dass die Kinder

eine gute Ausbildung erhalten. Das deutsche

Schulsystem ist ihnen nicht geläufig. Hier

versuchen wir, konkrete Aufklärungsarbeit zu

leisten und schaffen mit unserem Beratungsan-

gebot einen Beitrag zum Bildungserfolg und der

Bildungsplanung der Kinder.

bodo Wer kommt in Ihre Beratungen?

Kasler Wir betreuen zur Zeit 70 Familien, 40 rumä-

nische, 30 aus Bulgarien. Das ist sehr viel, denn

der Betreuungsaufwand ist immens. Wir müssen

uns auf Familien mit schulpflichtigen Kindern

beschränken. Die Not dieser Familien ist so groß

und es gibt überhaupt keine Anlaufstelle für diese

Leute, so dass jeder Strohhalm genutzt wird. Dass

wir auf bulgarisch und rumänisch beraten können,

schafft sofort Vertrauen. Der Schlüssel ist die

Muttersprachlichkeit.

Smith Die Familien, die zu uns kommen, sind fest

entschlossen, sich hier etwas aufzubauen. Ich

betreue eine Mutter, die sagt, dass sie sich für

ihre Tochter wünscht, dass sie nicht mit 15 oder

16 heiratet wie sie selbst, sondern ihre Schul-

ausbildung schafft und eine Ausbildung macht.

Das ist sehr typisch. Übrigens: Das Mädchen

spricht inzwischen perfekt Deutsch. Von Anfang

an kamen viele Fragen der Familien, z.B. auch zur

Wohnkultur: Dürfen zwei Geschwister in einem

Bett schlafen oder darf wie in Bulgarien eine

Schlafcouch in der Küche stehen. Die Eltern sind

sehr unsicher, wir versuchen sie aufzuklären.

bodo Die Ausgangssituation der Familien ist

denkbar schlecht. Sie sind zwar EU-Bürger und

dürfen sich hier aufhalten, Sozialleistungen

stehen ihnen aber meist nicht zu und eine

Arbeitserlaubnis wird selten erteilt. Die büro-

kratischen und rechtlichen Hürden scheinen

unüberwindbar...

Smith Ja, die Lage ist für die meisten Familien

sehr schwierig. Viele Familien sind mit den büro-

kratischen Hürden überfordert.

14

Kasler Bei der Familienkasse z.B. müssen sie nach-

weisen, dass sie richtig angemeldet sind, dass sie

krankenversichert sind, dass sie ein ausreichendes

Einkommen haben. Ein Missverständnis und damit

eine falsche Angabe bei der Anmeldung allein kann

zu Kosten von mehreren hundert Euro für Doku-

mente und Übersetzungen führen. Wir gehen dann

mit der Familie zur Krankenkasse. 330 Euro kostet

Page 15: bodo November 2012

15

die Kasse für Selbstständige. All das, auch eine

Gewerbeanmeldung, muss ohne Einkommen

bewerkstelligt werden.

Die Selbstständigkeit ist nötig, weil in aller Regel

keine Arbeitserlaubnis erteilt wird, und die wäre

wieder Voraussetzung für Leistungen vom Jobcen-

ter. Auch da beißt sich die Katze in den Schwanz.

Die Leute sind so verzweifelt, sie wollen sich in-

tegrieren, sie wollen weiterkommen, aber alleine

schaffen sie es nicht.

Smith Der Bedarf ist riesig und es gibt praktisch

keine Angebote, selbst Beratungsstellen rufen uns

an und fragen, ob wir übersetzen oder begleiten

können. Leider gibt es deshalb „Beratungsleistun-

gen“ aus den Communities selbst, wo Menschen

für Hilfe, Übersetzungen usw. Geld nehmen und

so die Ärmsten dann noch weiter ausbeuten.

bodo Wie belastet diese Lebenssituation die Kinder?

Smith Die basalen Dinge sind die Voraussetzung

dafür, dass ein Bildungserfolg überhaupt möglich

wird. Manchmal kommen Kinder nicht, weil sie für

15

Page 16: bodo November 2012

16

16

die Eltern übersetzen müssen, denn in der Schule

lernen sie sehr schnell Deutsch. Und manchmal

werden Kinder von der Schule abgemeldet, weil

die Eltern das Geld für die Schulmaterialien nicht

zahlen können oder der Weg zu weit ist und für ein

Schokoticket ein Konto nötig ist. Die Eröffnung von

Konten ist zunehmend ein Problem. Essensgeld und

Ganztag stellen die Eltern ebenfalls zunehmend vor

Probleme, obwohl die Schulen sich sehr engagieren.

Kasler Es gibt aber auch Erfolge. Sobald ein

Elternteil Arbeit hat, ändert sich die Situation

vollständig. Wir betreuen Familien, die zur Zeit

des Projektstarts in der gleichen, scheinbar

ausweglosen Situation waren. Inzwischen sind

die Eltern angestellt, die Familie ist krankenver-

sichert, und die Kinder besuchen Regelklassen

und gehen mit Spaß zur Schule.

bodo Hilfen für Menschen aus Bulgarien und Ru-

mänien sind seit Jahren kaum durchsetzbar. Die

Kommunen fürchten, damit ihre Attraktivität für

die ungewünschten Zuwanderer noch zu erhöhen.

Kasler Beratung heißt ja nicht Anwerbung. Eine

Familie aus Frankfurt rief zum Beispiel an und

fragte nach der Situation in Dortmund. Die

haben geglaubt, ihre Verwandten wollten sie

fernhalten. Am Ende des Gesprächs sagten sie:

„Frau Kasler, vielen Dank, wenn wir das nicht

gewusst hätten, wären wir gekommen. Es wäre

uns schlechter gegangen.“

Smith In den Herkunftsländern haben die Men-

schen keine Vorstellung davon, was hier auf sie

wartet. Sie sind hochmotiviert und malen sich

Deutschland als Paradies aus. Auch da mangelt es

an Information. Wir bekommen auch Anfragen von

Familien, die zurück wollen und nicht wissen wie,

weil selbst das Geld für die Busreise zurück fehlt.

Wenn man die Leute schon vor der Reise darüber

informiert, was hier nötig ist, können sie besser

vorbereitet kommen oder eben zu Hause bleiben.

Dazu gehören auch Informationen über Hilfen

und Perspektiven in den Herkunftsländern. Wir

brauchen eine Stelle, die das übernimmt.

INFO

Projekt „Schritt-Weise“

Diakonisches Werk Dortmund und Lünen

Rolandstraße 10 | 44145 Dortmund

[email protected]

www.diakonie-dortmund.de

Das Projekt „Schritt-Weise“ ist Bestandteil des In-

tegrierten Handlungsprogramms „Soziale Stadt NRW

– Dortmund Nordstadt“ und wird durch die EU, den

Bund, das Land und die Stadt Dortmund gefördert.

Unsere kleine Karawane zieht durchs Dorf:

die Besucher aus Deutschland im Schlepptau

von Valentina und Florian. Wir folgen ihnen

über die staubigen Lehmwege in ihrem Dorf

und bekommen eine Führung der besonderen

Art durch Bacioiu. Dass die 1.830 Menschen

hier arm sind, sieht man. Nur eine Straße ist

asphaltiert. Es gibt nur einen kleinen Laden.

„Die Auswahl der Lebensmittel ist knapp und

das Haltbarkeitsdatum oft abgelaufen“, sagt

Valentina. Fließend Wasser gibt es nicht, in

den Höfen stehen Brunnen.

Aber es gibt auch richtig schöne kleine

Häuser: in leuchtenden Farben gestrichen,

manchmal steht sogar ein Auto vor dem

Haus. „Die Bewohner dieses Hauses arbeiten

in Spanien“, sagt Valentina gerade. „Und die

Bewohner des Hauses da drüben in Italien.“

Zwei orangefarbene Häuser stechen beispiels-

weise ins Auge, davor sind gleich mehrere

Autos mit Dortmunder Kennzeichen geparkt.

Jetzt, Ende August, sind viele Dorfbewoh-

ner auf Urlaub in Bacioiu. Vor den Häusern

der „Dortmunder“ klönt Geki (19) mit seinen

Freunden. Er wächst förmlich um mehrere

Zentimeter, als er uns – auf Deutsch – er-

zählt, dass er und seine Familie jetzt in Dort-

mund wohnen. Und alle haben Arbeit. „Ich

arbeite auf dem Bau – und habe Papiere! Und

ich habe ein Konto! Jeden Monat bekomme

ich da 1.200 Euro drauf!“ Von solchen Lebens-

umständen können die meisten nur träumen.

Auch Valentina und Florian sind noch lange

nicht so weit, aber sie wollen es schaffen.

Denn im Dorf haben sie keine Perspektive.

„Unter Ceaucescu hatten wir alle Arbeit“,

sagt Florians Bruder, der sich zu uns gesellt

hat. „Da konnte keiner sagen, wir sind faul.“

Arbeit als Erntehelfer gibt es hier im Um-

kreis nur noch phasenweise. „Aber von ei-

nem Tagesverdienst von sechs Euro kannst

du keine Familie ernähren“, sagt Florian.

Valentina und Florian sind erst 2008 im Zuge

der Wirtschaftskrise mit ihren Kindern Rich-

tung Deutschland aufgebrochen. Erste Sta-

tion war Berlin. Man kenne die Treffpunkte,

sagt Florian vage. Dort stelle man sich hin

und warte auf eine Art Arbeitsvermittler,

der Türke, Serbe oder auch Rumäne ist. Auf

vielen Baustellen habe er gearbeitet, „aber

oft haben wir nicht den Lohn bekommen,

der uns versprochen worden war. Oder wir

haben den Lohn gar nicht bekommen“, sagt

er. Valentina hatte bei einem türkischen Pri-

vatmann geputzt, der sie wochenlang hat

arbeiten lassen, ohne ihr einen Pfennig zu

bezahlen. „Was die Arbeit anbelangt, wur-

den wir nur ausgetrickst“, sagt sie.

Zu sechst schlafen sie in einem Raum, müs-

sen morgens raus, dürfen erst abends wieder

rein, duschen einmal in der Woche. Krank

werden? Geht nicht, weil man sich tagsüber

nicht hinlegen darf. Und das Schlimmste:

„Der Eigentümer hat versucht, sich an Bian-

ca heranzumachen.“

Sie und ihr Mann fällten eine schwere Ent-

scheidung: „Wir beschlossen, die Kinder

nach Hause zu bringen.“ Seitdem ist das Le-

ben der Familie nicht nur hart, sondern auch

schmerzhaft.

Wir sitzen inzwischen wieder im Wohnzimmer

des kleinen Häuschens, das Valentina und

Florian von einer Familie gemietet haben, die

in Spanien ist. Von innen ist es richtig schön,

der Fußboden ist gefliest und Valentina und

Florian haben gerade frisch gestrichen. Aber

die „Spanier“ wollen das Haus verkaufen.

Gerne an Valentina und Florian. Das heißt:

Bis Dezember müssen sie 5.000 Euro auftrei-

ben, die Restsumme von 5.000 Euro dürfen

sie dann abstottern. Wenn das nicht klappt,

sitzen sie bald auf der Straße – und das sogar

in ihrem Heimatort. Man spürt: Die beiden

haben Angst, dass ihr Finanzplan nicht auf-

geht. Obwohl sie schon viel geschafft haben:

Schließlich haben sie derzeit genug Geld für

die wöchentlichen Pakete, die Kleidung, die

Schulsachen und die täglichen Telefonate.

Laura, die Zehnjährige, hat ja schon eine

Herzoperation hinter sich. Das Geld dafür ha-

Wo Europa zu Ende ist

REPORTAGE | von Birgit Müller · Hinz&Kunzt · www.street-papers.org | Fotos: Mauricio Bustamente

Bacioiu, ein Romadorf im Nordosten Rumäniens. Birgit Müller und Mauricio Bustamen-te vom Hamburger Straßenmagazin Hinz&Kunzt besuchen die Familie ihrer Straßen-zeitungs-Verkäufer Valentina und Florian. Deren Nachbar Geki ist ein „Dortmunder“, andere Nachbarn arbeiten in Spanien, Frankreich oder Italien. Eine Geschichte aus dem Teil der EU, wo Weggehen heißt, dem Hunger zu entgehen.

Page 17: bodo November 2012

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Am liebsten wären Valentina und Florian das ganze Jahr über mit ihren Kindern Bianca (13), Laura (10) und Dennis (4 1/2) zusammen. Aber der Alltag sieht

anders aus. Drei Monate sind die Eltern in Hamburg: Valentina verkauft Hinz&Kunzt vor Edeka am Kalckreuthweg, Florian hat seinen Platz vor Edeka an der

Saarlandstraße in Pinneberg. Alle drei Monate fahren die beiden nach Bacioiu und verbringen einen Monat mit ihren Kindern.

Page 18: bodo November 2012

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ben die Eltern auch in Hamburg verdient, genauso

wie das Geld für die Tabletten, die sie gegen die

epileptischen Anfälle nehmen muss.

Bianca, inzwischen 13 Jahre alt, ist quasi in den

drei Monaten, in denen die Eltern in Hamburg

sind, die Mutter. Sie passt auf Laura (10) und Den-

nis (4) auf. Das macht sie ganz toll, aber natürlich

ist sie auch ein junges Mädchen, fast noch ein

Kind – und sie hat ihre eigenen Pläne. Sie ist gut

in der Schule und würde auch gerne das Abitur

machen. „Ich möchte später mal Rechtsanwältin

werden“, sagt sie wie aus der Pistole geschossen,

als wir sie fragen, ob sie schon wüsste, was sie

mal werden will.

Die Roma-Organisation Impreuna („Gemeinsam“)

hätte seine wahre Freude an Bianca. Impreuna

versucht, Roma darin zu bestärken, die Schule zu

besuchen und womöglich später mal zur Uni zu

gehen. An der Bukarester Uni gibt es sogar Extra-

Studienplätze, die für Roma freigehalten werden.

Aber nur wenige schaffen den Sprung.

Valentina müsste dann in Bacioiu bei ihren Kindern

bleiben. Eine weitere Trennung. „Das geht nicht“,

sagt Florian, und es schwingt Panik mit in seiner

Stimme. „Alleine würde ich auch nicht genügend

Geld verdienen, das würde ja nicht mal für die

Lebensmittel reichen.“ Die Kinder wiederum hal-

ten die Trennung von den Eltern kaum noch aus:

Jetzt weigert Laura sich, die Anweisungen ihrer

älteren Schwester zu befolgen. Bianca sei ja nicht

ihre Mutter, sagt sie dann patzig – und nimmt bei-

spielsweise die Tabletten nicht regelmäßig.

Dennis hat oft Aggressionen, nachts wacht er

manchmal schreiend auf: „Wo ist meine Mama?“

Und seit neuestem hat er sich eine Alternative

überlegt. Ganz ernst hat er neulich zu Valentina

gesagt: „Mama, du brauchst nicht mehr wegzuge-

hen, ich kann ja weggehen.“ Man spürt Valentina

und Florian an, dass sie am Rande ihrer Kräfte

sind. Aber sie wollen stark sein, um das zu schaf-

fen, was sie schaffen müssen. Ohne Deutschland

geht es einfach nicht, sagt Valentina. „Wenn du in

Deutschland Hunger hast, sammelst du Flaschen

und kannst dir vom Pfand ein Brötchen kaufen.

Hier gibt es nichts, was du zu Geld machen kannst.“

Wir treffen den „Dortmunder“ Geki wieder. Seine

Schwester lässt heute ihr Baby taufen. Und wir

lernen eine Familie aus einem Nachbarort kennen:

Eine Mittfünfzigerin mit ihrem Mann, ihrem Sohn

und Tochter. Sie leben seit den 90er Jahren in

Spanien – und es geht ihnen gut dort. Alle vier

hatten immer Arbeit. Die Frauen im Haushalt, die

Männer auf dem Bau. In den Ferien sind sie immer

wieder in ihr Dorf gekommen – und haben auch

ihr Haus behalten und renoviert. „Zum Glück,

denn jetzt in der Wirtschaftskrise wollen sie uns

wieder loswerden“, sagt die Mutter „Aber wir blei-

ben so lange, wie es irgend geht. Was sollten wir

hier auch machen? Alle sind arbeitslos.“

Die „spanische“ Familie möchte gar nicht daran

denken, was passieren würde, wenn sie wirklich

zurückkehren müsste. So wie es durch die Wirt-

schaftskrise schon viele tun müssen. Die sitzen

dann in ihren renovierten Häusern, haben nach

ein paar Monaten das Ersparte aufgebraucht,

verkaufen irgendwann das Auto, auf das sie so

lange gespart haben und das ihr ganzer Stolz

war – und stehen über kurz oder lang wieder so

da wie ihre dauerarbeitslosen Nachbarn.

(Birgit Müller)

INFO

Eine Langfassung des Textes finden Sie auf

www.bodoev.de. Vielen Dank an Birgit Müller

und Hinz&Kunzt.

Bacioiu liegt im Nordosten von Rumänien, an der Grenze zu Moldawien. Dass das Dorf arm ist, sieht man. In der Umgebung gibt es weit und breit nur Saison-

arbeit. Hunderte der 1.830 Bewohner sind deshalb in ganz Europa unterwegs, um zu arbeiten. Viele lassen ihre Kinder bei Großeltern oder Nachbarn zurück:

EU-weit soll es 500.000 zurückgelassene Kinder geben. 350.000 davon in Rumänien.

18

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Alles Gute zum Zwanzigsten

Geschichte kommt von schichten. Und

manchmal ist es seltsam, was sich da alles

überlagert. Man denke nur an den 9. No-

vember mit seinen Revolutionen und Po-

gromen. Es gibt aber auch Schichtungen,

die sehen fast wie Absicht aus, wie eine

schräge Form, Jubiläen zu begehen. Hegel

sagt, geschichtliche Ereignisse geschehen

zweimal, Marx ergänzt: das eine Mal als

Tragödie, das andere Mal als Farce.

Vor 20 Jahren brannten in Deutschland

Flüchtlingsunterkünfte, Wohnhäuser von

MigrantInnen, Menschen. Ende August

1992 hatten die Behörden die Zentrale

Aufnahmestelle in Rostock-Lichtenhagen

„überlaufen“ lassen. Hunderte Roma muss-

ten unter menschenunwürdigen Bedin-

gungen im Freien vegetieren. Das Bild für

die „Asylantenflut“ war der Zünder für die

Rostocker Pogrome, geschürt durch völki-

sche Untergangsvisionen von „Spiegel“ bis

„Bild“ und durch die Wut der bürgerlichen

Mitte auf „Scheinasylanten“.

Politisch bedeutete der Notstand damals

das Ende des Asylrechts, wie es das Grund-

gesetz vorgesehen hatte (6. 12. 1992,

noch ein Jubiläum). Gesellschaftlich war

diese Erfahrung das Initiationsritual für

eine Generation neuer Nazis. Sie wähnte

sich, während sie MigrantInnen durch die

Städte jagte, im Auftrag einer gar nicht so

schweigsamen Mehrheit.

Einhundert von ihnen bildeten später das

Netzwerk rund um den „NSU“, der jahre-

lang unentdeckt zu gezielten Tötungen

von Migranten durch die Republik reiste.

Insgesamt starben seit dem Mauerfall 182

Menschen durch Rechtsextremisten, 149

Flüchtlinge brachten sich aus Angst vor

Abschiebung um.

In dieser Zeit der schrecklichen Jubiläen

(am 23. 11. Mölln) müssen wieder Flücht-

lingsheime „überlaufen“. Der Innenminister,

dessen Apparat die rechten Mörder nicht

entdeckte, aber durch V-Leute finanzierte,

hetzt gegen „Asylbetrüger“ vom Balkan.

Die Zeitungen hier und anderswo sprechen

von Fluten, wo nur Rinnsale Verzweifelter

kommen. Statt Erinnerung an die Tragödien

von 1992 also eine Wiederholung als Farce.

Alles Gute zum Zwanzigsten. (bp)

NEWS | von Sandro Giuri · Bastian Pütter 19DER KOMMENTAR | von Bastian Pütter

SKOTTS SEITENHIEB

Flüchtlinge, keine Flutwellen

In Dortmund war es im Oktober durch

mangelnde Koordination zu einer

Überbelegung der Aufnahmeeinrich-

tungen für Flüchtlinge gekommen,

die lokalen Medien berichteten von

„Flutwellen“. Gleichzeitig positi-

onierten sich Innenpolitiker bun-

desweit gegen „Asylmissbrauch“.

Die Menschenrechtsorganisation

Pro Asyl kritisiert die Debatte um

Asylbewerber vom Balkan als „hys-

terisch“ und wertet die Aussagen

u.a. von Innenminister Friedrich als

Stimmungsmache auf dem Rücken

der Betroffenen.

Pro Asyl fordert die Rückkehr zu

einer sachlichen Debatte: „Es wird

der Eindruck vermittelt, es gehe um

eine riesige Bedrohung, die auf uns

zukommt. Das ist absurd“, sagte der

Geschäftsführer der Organisation,

Günter Burkhardt, der Nachrichten-

agentur dpa.

Laut Bundesinnenministerium stell-

ten im September insgesamt 6.691

Menschen Asylanträge beim Bun-

desamt für Migration und Flücht-

linge. Würden diese Flüchtlinge

auf alle deutschen Städte verteilt,

müsste nur jede zweite Kommune

einen Flüchtling aufnehmen.

„Die im Schatten sieht man nicht“

Im Oktober erschien der erste

Schattenbericht der Nationalen Ar-

mutskonferenz (nak) als Sonderaus-

gabe des Berliner Straßenmagazins

„straßenfeger“. In dem 24seitigen

Pendant zum 4. Armuts- und Reich-

tumsbericht der Bundesregierung

werden unter Überschriften wie

„Arm trotz Arbeit“, „Wohnungsnot

und Wohnungslosigkeit“ oder „Ar-

mut macht krank“ Missstände be-

nannt und konkrete Forderungen an

die Bundesregierung gestellt.

Der Schattenbericht wurde von Be-

troffenen mitverfasst. Jedes Kapitel

beinhaltet Erfahrungsberichte im

Wortlaut und die jeweiligen Forde-

rungen der Nationalen Armutskonfe-

renz. „Wir verabreichen die beklem-

mende Realität nicht häppchenweise,

unsere Einschätzung steht fest: Die

Reichen werden immer reicher, die

Armen immer ärmer und die Poli-

tik schaut weitgehend tatenlos zu“,

fasst Thomas Beyer, Sprecher der

„nak“, zusammen. Die „nak“ ist ein

Zusammenschluss von Verbänden der

Freien Wohlfahrtspflege, der Kirchen,

des DGB, bundesweit organisierter

Initiativen. Den Schattenbericht fin-

den Sie auf www.bodoev.de

Ein Jahr „Pfand gehört daneben“

Die soziale Kampagne „Pfand ge-

hört daneben“ feiert am 21.11.2012

ihr einjähriges Bestehen. Ziel des

Projektes ist es, dazu anzuregen,

Pfandflaschen, die normalerweise

im Mülleimer landen, neben diesen

zu stellen. Damit soll Flaschen-

sammlern das Sammeln erleichtert

werden. Ins Leben gerufen wur-

de das Projekt von dem Berliner

Matthias Gomille. In vielen Groß-

städten wie München, Hamburg

und Berlin wurden Pfandkästen an

Laternenpfähle und Ampelmasten

befestigt, in denen das Pfandgut

einfach für die Sammler abgelegt

werden kann. Im Interview gibt

es mittlerweile Bauanleitungen

für eigene Pfandkästen. Ebenfalls

befindet sich auf der Homepage

ein Link zur Seite pfandgeben.de,

welche die Möglichkeit anbietet,

die Pfandflaschen durch Flaschen-

sammler abholen zu lassen, indem

dort Telefonkontakte in Städten

aufgelistet werden. Unterstützung

erhält die sozialen Kampagne auch

durch Prominente, u. a. den Bands

Beatsteaks und Jennifer Rostock.

Weitere Infos unter www.pfand-

gehoert-daneben.de.

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Eines der wichtigsten Naturwunder unserer

Erde schwebt in höchster Gefahr: die Honig-

biene. Das fleißigste aller Tiere, das verlässlich

von Blüte zu Blüte fliegt, verschwindet lang-

sam. Ein mysteriöses Sterben, das weltweit mit

Sorge beobachtet wird. Zwischen Pestiziden,

Antibiotika und Monokulturen scheinen die

Königinnen und ihre Arbeiterinnen ihre Kräfte

zu verlieren. Der Dokumentarfilm „More Than

Honey“ entführt die Zuschauer in das faszinie-

rende Universum der Biene. Regisseur Markus

Imhoof verfolgt ihr Schicksal von der eigenen

Familienimkerei bis hin zu industrialisierten

Honigfarmen und Bienenzüchtern. Mit spekta-

kulären Aufnahmen öffnet er dabei den Blick

auf eine Welt jenseits von Blüte und Honig.

Imhoof macht das Leben der Biene sichtbar

und porträtiert diejenigen, die am meisten

davon profitieren: die Menschen. Während ein

Schweizer Bergimker das Bienensterben mit

Traditionstreue abzuwehren versucht, ist die

Apokalypse in China schon längst Realität.

Die Bestandsaufnahme des Bienenlebens ver-

dichtet sich zu einer traurigen Diagnose un-

serer Zeit, in der Naturprodukte massenhaft

verfügbar sein müssen. Die Biene steht im

Zentrum dieses Widerspruchs, denn keinem

anderen Tier wird heute so rigoros beides ab-

verlangt: Quantität und Qualität.

Do. 8.11. u. Mo. 12.11. bis Di. 23.10. um 19 Uhr

Fr. 9.11. um 21.15 Uhr | Sa. 10.11. um 16.15 Uhr

Do. 15.11. bis Di. 20.11. um 17.30 Uhr

Mo. 26. bis Mi. 28.11. um 17.30 Uhr

Am Mittwoch, den 14.11. findet im An-schluss an die 19-Uhr-Vorstellung ein Ge-spräch mit Mitgliedern von „2010 Königin-nen für das Ruhrgebiet“ statt.

Endstation Kino im Bahnhof Langendreer

Wallbaumweg 108, 44894 Bochum

Telefon 0234 – 68 71 620

www.endstation-kino.de

endstation.kino & bodo präsentieren:More than Honey

20 KINOTIPP | von endstation.kino

NETZWELT | von Sebastian Sellhorst

Unkomplizierte Hilfe für Menschen in sozialen Notlagen. Dieses Ziel verfolgt Helmut

Richard Brox, selbst obdachlos, mit seiner Webseite www.ohnewohnung-wasnun.de.

Über 850 Adressen von Einrichtungen der Wohnungslosen- und Suchthilfe hat er dort

bisher gesammelt und stellt sie, zusammen mit einer kurzen Zusammenfassung der

angebotenen Hilfen, Menschen in Notlagen zur Verfügung. In diesem Jahr wurde er

mit seiner Arbeit für den Deutschen Engagement Preis nominiert.

Neben der umfangreichen Adresssammlung klärt die Internetseite viele Fragen

zum Thema Obdachlosigkeit. Aus seiner jahrelangen Erfahrung innerhalb der Sze-

ne heraus schildert Helmut Brox in kurzen Texten, warum nicht alle Obdachlosen

drogenabhängig sind, warum man manchen Leuten ihre Obdachlosigkeit ansieht

und wieder anderen nicht und welche Rituale es auf der Straße gibt. So kommt

auch der Leser, der nicht akut auf der Suche nach einer Hilfseinrichtung ist, auf

seine Kosten.

Ins Leben gerufen hat Helmut Brox die Webseite 2007. Seit 25 Jahren ist er

selbst ohne festen Wohnsitz. „Einen Großteil der Einrichtungen kenne ich

deshalb selbst und bin dort aktenkundig“, erzählt er. Das erste Mal in Kontakt

mit dem Internet kommt er 1999, als er sich in ein Berliner Internetcafé setzt,

um sich dort aufzuwärmen. Dort lernt er Mitglieder des „Chaos Computer Club“

kennen, die ihm den Umgang mit Browser und Email beibringen.

Als er einige Jahre später selbst auf der Suche nach Hilfen im Internet ist, ist er

unzufrieden mit den Informationen, die er findet. „Was ich fand, waren Inter-

netseiten mit Fachdeutsch, Wortakrobatik für Rechtsverdreher, Schön-Wetter-Re-

den von Möchte-Gern-Profis und viele Internet-Seiten mit diversen Spendenauf-

rufen von Einrichtungen, die ich bis heute noch suche“,

schreibt er. Frustriert beginnt er, 2007 selbst Adressen

zu sammeln. „Es geht mir darum, dass jeder Mensch

die Chance bekommt, zurück ins Leben zu finden. Das

Wissen, das ich habe, will ich denen geben, die es nicht

haben.“ Mittlerweile besuchen 150 Personen täglich

seine Webseite, und er bekommt Emails von Leuten, die

sich für seine Arbeit bedanken. (sese)

www.ohnewohnung-wasnun.de

Soziales, Kultur, Politik – Jeden Monat stellt bodo ein

Online-Projekt vor, das die Welt ein bisschen besser macht:

Helmut Richard Brox

Page 21: bodo November 2012

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21

Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen und Bücher zu gewinnen.Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an:

[email protected] schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an:

bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund

Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren. Alle Gewinner

werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Einsendeschluss für Veranstaltungen ist jeweils zwei Werktage vor dem Termin.

Einsendeschluss für terminunabhängige Verlosungen ist der 25.11.2012

12.11. | Urbanatix – CloseUp! | Jahrhunderthalle Bochum | 3 x 2 Karten

22.11. | Kampf des Negers und der Hunde | Theater im Depot, Dortmund | 3 x 2 Karten

23.11. | Chima | FZW, Dortmund | 3 x 2 Karten

23.11. | Rupa & The April Fishes | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten

08.11. – 28.11. | More than Honey | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten

Die geprügelte Generation – Kochlöffel, Rohrstock und die Folgen | Ingrid Müller-Münch | 3 Exemplare

Café im ZIB | Lindenplatz 1 | 59423 Unna | 1 Kaffee-und-Kuchen-Gutschein für zwei Personen im Wert von 15 Euro

1 coole Borussia Dortmund Umhängetasche von Ruhrgepäck | Motiv: Signal Iduna Park bei Nacht |

LKW Plane, Umhängegurt aus KFZ-Sicherheitsgurt, L 30 cm x H 23 cm

Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!

Urbanatix – CloseUp!

9. bis 19. November um 19 Uhr(Sa. und So. um 17 und 20 Uhr)

in der Jahrhunderthalle Bochum

bodo verlost 3 x 2 Karten für Montag, den 12.11.

VERANSTALTUNGEN NOVEMBER 2012 | VERLOSUNGEN | CD-TIPPS zusammengestellt von Benedikt von Randow

Page 22: bodo November 2012

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Texten, die sich nicht hinter Riffs zu verstecken brau-

chen – im Gegenteil: „Musikalisch ist es die logische

Konsequenz aus unserem letzten Album. Wir wollten un-

seren Hörern diesmal noch mehr zutrauen.“

Zeche, Bochum, 20 Uhr

Musik | Kalakuta Sessions

Die „Kalakuta Sessions“ rufen die beiden Bochumer

Schlagzeuger Tom Hellenthal (26) und Jan Schimmel-

pfennig (29) aus; eine offene Bühne für Musiker jegli-

cher Genres, ab dem 7. November jeden ersten Mittwoch

von 20.30 Uhr bis 24 Uhr im Haus Lotz. Für die „Kalakuta

Sessions“ stehen Schlagzeug, Keyboard, Gesangsmi-

krofone, Verstärker und PA bereit, Saiten- und Blasins-

trumente sollten mitgebracht werden. Als Einstimmung

auf die Session wird jeden Monat eine Opener-Band den

Abend eröffnen. Rund um die selbst gemachte Musik auf

der offenen Bühne freuen sich Schimmelpfennig und

Hellenthal auf bekannte wie unbekannte Musiker, Inspi-

rationen und „eine coole Party“, wie beide sagen.

Haus Lotz, Annastraße 25, Bochum, 20.30 Uhr

DO 08 | 11 – SO 11 | 11 | 12

Festival | Pottporus

Im Herbst lädt Pottporus zum Urban Street Art Festival

ein. Hier kommen internationale Street Art Künstler aus

den Bereichen Wort, Bild, Tanz und Klang zusammen,

um ihr Können zu zeigen. Dabei geht es Pottporus da-

rum, Kunst an außergewöhnlichen Orten zu etablieren.

Feste Bestandteile des Festivals ist die Street Art Gal-

lerie In_Fusion, das Ruhrpottbattle, das Tanzlabor und

Workshops. Da Pottporus in Herne beheimatet ist, ist die

Stadt auch der Mittelpunkt des Festivalprogramms. Aber

auch im ganzen Ruhrgebiet finden Programmpunkte des

Festivals statt. Das Ruhrgebiet ist der perfekte Ort für

eine urbane Kultur, so wie sie Pottporus versteht und

wie sie auf dem Festival präsentiert wird. Das ausführli-

che Programm gibt es unter: www.pottporus.com.

verschieden Orte, Ruhrgebiet

DO 08 | 11 | 12

Musik | Mick Hart

Sieben von der Fachpresse gefeierte CDs sowie fünf

EPs hat Mick Hart seit 1997 veröffentlicht. Ein ganz

unverwechselbarer und eigener Stil hebt den lange im

französischen Lille und seit Sommer 2008 wieder im

heimischen Sydney lebenden Australier aus der großen

Zunft der Singer/Songwriter hervor. Nach fast zweijäh-

riger Europapause kommt er jetzt wieder zurück auf den

alten Kontinent. Im Gepäck hat er sein neues Album

„Side By Side“, das intim, psychedelisch und voller

instrumenteller Vielfalt zugleich ist. Er bewegt sich

seit Jahren zwischen süßen Balladen und brachialer

Kompromisslosigkeit, von dylanesken Anlehnungen zu

wechselhaften Gleichstrom-Genen.

subrosa, Dortmund, 19.30 Uhr

Musik | Jazzkantine

HipHop + Jazz = Jazzkantine. Dazu viel Funk und sehr viel

Soul. Sowie Texte, die intelligenter sind als vieles, was

andere sich zusammenreimen. Das ist das Erfolgsrezept,

mit ihm spielt sich die „Boygroup aus Braunschweig“

immer wieder in die Charts hinein. Seit fast 20 Jahren.

Immer hellwach für alles, was um sie herum passiert. Sie

haben gemeinsame Projekte gemacht mit Götz Alsmann,

Till Brönner, Bill Evans, Joo Kraus und Xavier Naidoo.

Haben mehr als ein Dutzend Alben rausgebracht, mehr

als tausend Konzerte gegeben, schrankweise Preise und

Auszeichnungen erhalten – und nun, nachdem sie den

Kontinent kreuz und quer aufgewirbelt haben, brechen

01 | 11 | 12 Manu Katché & Band

22 VERANSTALTUNGEN NOVEMBER 2012

07 | 11 | 12 Haudegen

DO 01 | 11 | 12

Musik | Manu Katché & Band

Der französische Ausnahme-Drummer gehört seit

gut zwanzig Jahren zu den renommiertesten und

erfolgreichsten zeitgenössischen Schlagzeugern.

Katché hat mit Musikgrößen wie Sting, Peter Ga-

briel, Nigel Kennedy, Pink Floyd, Tracy Chapman,

Tori Amos und Youssou N'Dour zusammengearbeitet und

stellt jetzt seine geradezu universelle Vielfältigkeit als

Drummer mit eigener Band unter Beweis. Fernsehzu-

schauer kennen ihn auch als Gastgeber der hörenswerten

Live-Jam-Session „One Shot Not“ (arte). Mit den ein-

zigartigen Qualitäten seines Schlagzeugspiels inspiriert

Katché sein Ensemble dazu, die gewohnten Bahnen zu

verlassen. Er spielt instinktiv, in liebevollem Dialog

mit seiner Umgebung und flirtet dabei mit seiner Snare

Drum, mit dem Song und mit den anderen Instrumenten.

domicil, Dortmund, 20 Uhr

MI 07 | 11 | 12

Improtheater | Loose Moose Summer School

Im November bieten Anja Balzer und Phil Regener Im-

profreunden ein ganz besonderes Highlight, indem sie

Dennis Cahill und Shawn Kinley vom Loose Moose The-

atre in Calgary nach Bochum holen. Im Rahmen der

deutschen Ausgabe der Loose Moose Summer School

präsentieren sie, teilweise gemeinsam mit den beiden

Schülern des großen Keith Johnstone und Spielern

aus ganz Europa, dem Bochumer Publikum Impro-

Shows der besonderen Art. Eine clowneske Improshow

mit hochkarätigen Überraschungsgästen.

Thealozzi, Bochum, 20 Uhr

Musik | Haudegen

Die Liedermacher mit den tätowierten Herzen sind zu-

rück mit einem neuen Album: „En Garde“. Vor etwas mehr

als einem Jahr ist ihr Debütalbum „Schlicht & Ergrei-

fend“ auf Anhieb von 0 auf 9 in die deutschen Charts

eingestiegen. Haudegen bringen das Feuilleton zum

Schnurren, freuen sich über einen YouTube-Channel mit

knapp 6 Millionen Aufrufen, sitzen bei Markus Lanz, ko-

chen zum Muttertag beim Promi-Dinner und spielen zur

Verleihung des Bürgerpreises gegen rechte Gewalt. „En

Garde“ ist ein kraftvolles, selbstsicheres Rockalbum mit

MESHELL NDEGEOCELLO | Pour une ame souveraine – A dedication to Nina Simone (Naive / Indigo)

Die große Nina Simone wird immer und immer wieder gecovert. Braucht die Welt nun also auch diese neuen Inter-

pretationen? Nun, ich denke schon. Denn die in Berlin geborene afroamerikanische Musikerin Meshell Ndegeocello

bringt ihre ganz eigene Seele in die Songs von Frau Simone. „We really wanted to do something we felt was true

to Nina Simone. By that realizing it meant we had to do what felt true to us.“ Das spürt man. Hier wird auf auf-

geblasenen Schnickschnack komplett verzichtet. Recht minimalistisch instrumentiert schafft die Bass-Spielerin

und Sängerin eine sehr spezielle Interpretation der Klassiker wie z.B. „Feeling good“, „See Line Woman“, „Please

don‘t let me be misunderstood“. Dabei wird sie von einigen Gastsängern und Musikern unterstützt, von denen

Gitarrist Jack Bruce und die ebenfalls außergewöhnliche Sinead O‘Connor wohl die bekanntesten sind. Alles sehr

entschleunigt, ungeschminkt, tief und eher von einer großen Melancholie und Traurigkeit erfüllt. Eine sehr herbst-

liche Platte. Aber vielleicht ja gerade genau das Richtige, wo man am Fenster die Laubblätter rieseln sieht und das

Gemüt noch etwas bedrückt ist vom endgültigen Sommerabschied. (BvR)

CD-TIPP

Page 23: bodo November 2012

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sie zu ihrer neusten Reise auf: eine Forschungsreise in die

eigene deutsche Heimat mit ihrer aktuellen Platte „Volks-

lieder“ (bodo-CD-Tipp im Mai 2012). Nie war der „Bi-Ba-

Butzemann“ funkiger und „Kein schöner Land“ cooler.

Christuskirche, Bochum, 20 Uhr

FR 09 | 11 – MO 19 | 11 | 12

BODO VERLOSUNG | Urbanatix – CloseUp!

Die gefeierte Cast der jungen und ambitionierten Street-

Artisten aus dem vorherigen Jahr wird – neben einigen

Neuzugängen in der Urbana-

tix-Familie – auch in 2012

auf der großen Showbühne

in diesem wundervollen und

actionreichen Erfolgsprojekt

stehen. 45 Parcourläufer,

Tricker, Biker, Freerunner, Breakdancer, Tänzer und Beat-

boxer im Alter zwischen 17 und 24 Jahren freuen sich

auf spannende Auftritte mit elf renommierten, interna-

tionalen Akrobaten: Heloise Bourgeois und William Un-

derwood (Chinese Pole- und Hand-auf-Hand-Akrobatik),

Hugo Noel (Cyr Wheel und Catwall-Trampolin), Lisa Rin-

ne (Strickleiter-Akrobatik und Trapez-Artistik), das Duo

Iroshnikov (Partnerakrobatik), das Duo Tr‘espace (Tanz

mit dem Diabolo) sowie Les Philebulistes (Artistik am

Doppellaufrad). Zudem mit von der Partie: Lea Hinz,

just als „Deutschlands Superhirn“ gekürt, präsentiert

ihre atemberaubende Artistik am Luftring. Insgesamt

23 verschiedene Show-Szenen holen das Publikum bei

„CloseUp!“ hautnah ans Geschehen heran. Eine moderne

Video-Mapping-Technologie lässt für den Zuschauer das

Erlebnis entstehen, mittendrin zu sein.

Jahrhunderthalle, Bochum, 19 Uhr (Sa & So 17 & 20 Uhr)

bodo verlost 3 x 2 Karten für den 12.11.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

FR 09 | 11 | 12

Musik-Kabarett | Matthias Reuter

„Wir machen uns heute einfach mal ‘nen schönen Abend

– nur da, wo bei Ihnen sonst der Fernseher steht, steh’

heute eben ich...“ Matthias Reuter spürt den Schrecken

des Alltags nach und dringt dabei in unerforschte Tiefen

und Abgründe vor. Albern wird es nur nach Vorwarnung.

„Er ist kein Riese in Person, doch auf der Bühne wächst

er über sich hinaus. Dabei besticht er mit musikalischer

Virtuosität. Mit souveräner Gelassenheit greift er The-

men von der Straße auf und steht damit in bester Tra-

dition eines Jürgen von Manger.“ (Laudatio Jurypreis

Tegtmeiers Erben 2011)

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

SA 10 | 11 – SA 24 | 11 | 12

Festival | U-TOPIA

U-TOPIA ist ein neues Festival für Musik, Kunst und Tech-

nologie, welches vom 10. bis zum 24. November erst-

malig im und um das Dortmunder U stattfindet. Über

30 zum Teil international bekannte Acts bilden dabei in

drei multimedialen Nächten und zwei Konzertabenden

die gesamte Bandbreite elektronischer Musik von ex-

perimentellen Sounds bis hin zu aktuellen Strömungen

der Club-Kultur ab. Höhepunkt des Programms ist der

Auftritt der Kult-Elektroniker Mouse on Mars (24.11.),

die in Drei-Mann-Besetzung mit Schlagzeuger und Visu-

als ein exklusives Club-Konzert im FZW spielen. Weitere

Live-Acts sind Oval (Thrill Jockey), Frank Brettschneider

(Raster Noton) und Thomas Köner. Für die Partynäch-

te versprechen Andhim, Efdemin (Dial), Carsten Jost

(Dial) und Ümit Han (Traumschallplatten) anspruchsvol-

le Clubsounds abseits der üblichen Tanzgewohnheiten.

Spannende Workshops für Musiker und Produzenten zu

08 | 11 | 12 Jazzkantine 10 – 24 | 11 | 12 U-TOPIA09 | 11 | 12 Matthias Reuter

Themen wie Selbstvermarktung, digitale Musikproduk-

tion oder Mastering sowie zwei kostenlose DJ-Lounge-

Abende runden das Programm ab. Alle Programminfos

gibt es unter: www.u-topia.de.

Dortmunder U, Dortmund

SA 10 | 11 | 12

Kleinkunst | Migrantenpop – die Parallelwelt tagt!

Ein evangelischer Türke und eine impulsive Viertelitalie-

nerin gehen bis an die Grenzen des Lachbaren, indem sie

ihre natürlich-komischen Geschichten erzählen. „Migran-

tenpop – die Parallelwelt tagt!“ ist das erste gemeinsame,

komische Programm von Murat Kayi und Fräulein Nina.

Zwei im Rampenlicht, die von ihren Migrationshintergrün-

den singen und erzählen, 1.000 und eine Frage stellen und

keine einzige beantworten. Der Drahtseilakt zwischen den

Kulturen verleiht den Texten der beiden überassimilierten

Autoren eine einzigartige Perspektive.

Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr

Alle Infos kostenfrei

unter 0800.544 00 44

oder www.dew21.de

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Page 24: bodo November 2012

24

Mischmasch | Moment: New York!

Was bedeutet es, sich mit der grausamen Schönheit

namens New York einzulassen? Petrina Engelke zog

vor einigen Jahren aus dem Ruhrgebiet nach New

York. Wegen New York. Und trotz New York. Die

Journalistin, Schriftstellerin und Bloggerin nimmt

sich täglich einen Moment vor, über den sie unter

www.moment-newyork.de schreibt – ganz egal, ob sie

auf Kunst geklettert ist, mit Aktivisten gesprochen oder

im Vorbeigehen Eis im Hundenapf entdeckt hat. Glitter,

Dreck und Wolkenkratzer halten einen eben auf Trab. Mit

ihren Geschichten und Bildern aus New York kommt Pe-

trina Engelke im November auf Deutschlandtour. Einige

Geschichten stammen direkt aus dem Blog, andere sind

Spoken Word Poetry, die auf Bilderreihen zugeschnitten

ist. Obendrein liest Engelke aus ihren Kurzgeschichten

(u.a. erschienen im Literaturmagazin „Macondo“).

Goldkante, BO, 20 Uhr (auch 13.11. Sissikingkong, DO)

SO 11 | 11 | 12

Musik | David Orlowsky Trio

Von der New Yorker Carnegie Hall in den urban urtyp

Kubus: Orlowsky, an der Folkwang-Schule in Essen und

dann an der Manhattan School of Music in New York aus-

gebildet, spielt sich quer durch die Welt, die Bühnen und

die Genres. Klezmer-Musik war immer antiautoritär, Klez-

mer scherte ständig aus. Dem geht das nagelneue Pro-

gramm des Orlowsky Trios nach: „Klezmer Riots“ widmet

sich der Klezmerszene im New York der 20er Jahre, den

Legenden wie Naftule Brandwein, Dave Tarras und natür-

lich den Epstein Brothers. Alles jüdische Musiker, die vor

vielen Jahrzehnten bereits deutlich gemacht haben, was

Klezmermusik eigentlich ist: weder Klassik noch Jazz

noch Pop, sondern Indie, also: unabhängige Musik.

Christuskirche, Bochum, 19 Uhr

Musik | Stereolove

Mit den vier Ausnahmemusikern der Erfolgsband Re-

amonn Uwe Bossert, Gomezz, Sebastian Padotzke und

Philipp Rauenbusch und ihrem neuen Banden-Mitglied

a.k.a. Sänger Thom Hanreich (Band Vivid, solo: Thom)

haben sich fünf Menschen bei Stereolove gefunden, die

weit mehr sind als ein weiterer Clan der Musiker-Mafia.

Alle haben klangvolle Kapitel zur Enzyklopädie der Mu-

sikgeschichte beigetragen. Alle wissen, wie Rock‘n‘Roll

schmeckt und wie Ruhm riecht. Genau deswegen steht

ihnen der Sinn nur nach einem: Musik, die mit größter

Ernsthaftigkeit entsteht, sich aber alles andere als ernst

nimmt. Ganz im Ernst? Die machen Spaß.

FZW, Dortmund, 20 Uhr

MI 14 | 11 | 12

Musik | Bonaparte

Im Zeitalter der Immer-und-überall-Erreichbarkeit zwi-

schen Haustür und Biergarten, zwischen Cloud und

Livebühne rückt das diktatorische Musikkollektiv Bo-

naparte um seinen an ADHS erkrankten Kaiser, Tobias

Jundt, zurück auf den hiesigen Terminplan. Die Show,

die die Combo bietet, ist und bleibt schräg, erfrischend

und cool. Im Publikum tragen Männer und Frauen frei-

willig plüschige Hasenohren und tanzen sich in Eks-

tase: „Anti! Anti!!!“, brüllt die Meute aus einer Kehle

zum Blut-und-Wasser-schwitzenden Garagenrock einer

vierköpfigen Band, die von Deltablues über Stones und

Led Zepplin-Riffs bis hin zum Berliner Electro-Synth-

Oktavenbass alles verwurstet, was nicht bei fünf auf

den Bäumen ist. Angeführt werden Bonaparte vom ei-

nem Sänger und Gitarristen im Napoleon-Look, der sich

schlicht und einfach „Der Kaiser“ nennt.

FZW, Dortmund, 20 Uhr

Vortrag | Zeus, die Milliarden und die Verführung Europas

Die Bevölkerung Griechenlands ist am Limit ihrer Ge-

duld angekommen. In den letzten Jahren dominierten

im Zentrum von Athen Straßenkämpfe, Demonstrationen

und Gewalt, die nicht nur friedliche Bürger Griechen-

lands schockierten, sondern darüber hinaus die ganze

Welt. Viele Fragen stellen sich: Ist das das Europa, das

wir alle wollen und aufbauen möchten? Wollen wir ein

24 VERANSTALTUNGEN NOVEMBER 2012

10 | 11 | 12 Migrantenpop 11 | 11 | 12 David Orlowsky Trio

Europa der Bürger, wie wir europäischen Föderalisten in

der Europa-Union seit unserer Gründung verlangen oder

ein Europa der Konzerne und der Banken? Griechenland

ist zum Synonym für das Wort Pleitestaat geworden, es

gibt sogar Zeitungen, die von Griechenland als „dem ge-

scheiterten Staat“ sprechen (Der Spiegel). Dabei stellen

Berichte dieser Art in der deutschen Presse leider nur

eine Seite der Medaille dar. Die andere wird offensicht-

lich nicht behandelt. Es stellt sich die wichtige Frage, ob

nur der Stier (Zeus) schuldig ist an dem entstandenen

Schlamassel oder ob auch Europa gesündigt hat? Ein Vor-

trag mit Diskussion von Dr. Pantaleon Giakoumis.

Auslandsgesellschaft NRW e.V., Dortmund, 19 Uhr

Lesung | Klaus Märkert

Klaus Märkert, lebt in Bochum, ist Autor und DJ, Schöp-

fer des Begriffs Nachthumor, Mitgestalter der Lesebühne

Schementhemen sowie Mitbegründer der im September

2012 startenden Bochumer Lesebühne „Alte Drogerie“.

Klaus Märkert war Mitbegründer und First-DJ der Szene-

Disko Zwischenfall, Musikredakteur beim Ruhrgebiets-

magazin Marabo, Mitgestalter von Kreativen Schreibkur-

sen, Diplom-Sozialarbeiter und Taxifahrer. Im Biercafé

liest Klaus Märkert einen Mix aus „Hab Sonne“ und „Re-

quiem für Pac-Man“, und zwar die Szenen, die mit Musik,

Disko und der Szene Bochum zu tun haben. Zwischen den

Textbeiträgen gibt es akustische Live-Musik von Bolle

und Dieter Exter und spannende CD-, DVD- und Filmre-

zensionen von Dirk Oltersdorf. Der Eintritt ist frei.

Biercafé, Bochum, 20.15 Uhr

Theater | Die Agonie und die Ekstase des Steve Jobs

Sie ist voller Wunder – die Apple-Welt der ultradünnen,

sanft leuchtenden Laptops, die Welt, in der Menschen

ein so inniges Verhältnis zu ihrem Mobiltelefon auf-

bauen, dass man von Freundschaft sprechen kann. Dem

MOUSSE T. | Sexy Funky Disco (wavemusic / California Sunset Records)

„wavemusic“, das steht für hochqualitative Lounge-Musik in edler Verpackung. Kaum ein Modegeschäft oder Möbelhaus

wo nicht irgendein „wavemusic“-Sampler läuft. Und das soll jetzt nicht despektierlich wirken, hier wird wirklich keine

Massen-Lounge-Ware produziert, sondern es werden ausgewählte Songs zusammengebracht, bei denen immer wieder das

eine oder andere Schätzchen zu finden ist. Denken wir nur an die geniale Serie „Smile Style“, für die der „Gärtner der

Lüste“ verantwortlich zeichnet. Nun also Mousse T, der international geschätzte DJ & Produzent aus Hannover, der u.a.

mit „Horny“ und „Sexbomb“ (feat. Tom Jones) Tanzflächen-Klassiker serviert hat. Was nun auf zwei CDs herausgekommen

ist, ist absolut typisch Mousse T. Und das genau ist auch mein Problem mit dieser Veröffentlichung. Hier wird entspannter

Soul-Pop, leichter Disco-Sound mit einem Hauch Funkyness zusammengemischt, der vor allem auf CD 2 in einem perma-

nenten Four-on-the-Floor-Rhythmus mit circa 120 BPM daherkommt. Mir persönlich wird das schnell etwas langweilig.

Das ist so ein Sound, der überhaupt keine Kanten hat und schon gar nicht wehtut, aber auch nicht für Aha-Momente sorgt.

Aber dafür steht Mousse T. eben, und seine Fans werden diese CD bestimmt lieben. Und eins kann man dem guten Mann

ganz bestimmt nicht vorwerfen: Etikettenschwindel. Denn „Sexy Funky Disco“ ist ein perfekter Titel. (BvR)

CD-TIPP

Page 25: bodo November 2012

25

11 | 11 | 12 Stereolove 14 | 11 | 12 Ozan & Tunc14 | 11 | 12 Bonaparte

langjährigen Apple-Fan und New Yorker Künstler Mike

Daisey begegnete die dunkle Seite seines besten Freun-

des 2010 nördlich von Hongkong. „iCity“ wird die gigan-

tische Fabrikwelt des Elektronikproduzenten Foxconn

genannt, der nach Mitarbeiter-Selbstmorden Fangnetze

zwischen die Hochhäuser spannen ließ. 2010 hatte Mike

Daisey in Shenzhen heimlich recherchiert. In seinem

Theaterabend „The Agony and the Ecstasy of Steve Jobs“

erzählt er aber nicht nur von Minderjährigen, deren Hän-

de durch das Reinigungsmittel für iPhone-Displays nerv-

lich geschädigt wurden. Es ist auch die Geschichte eines

glühenden Apple-Verehrers, dem die Unschuld abhan-

den kommt. Und die seines großen Helden Steve Jobs.

Deutschsprachige Erstaufführung mit Andreas Beck.

Schauspielhaus, Dortmund, 19 Uhr

Comedy | Ozan & Tunç

Ozan & Tunç sind Vertreter der „Hybrid Comedy“ mit

einer Bandbreite von politischer Comedy bis Slapstick.

Gesprochen, gesungen, getanzt – komisch, ernst und

manchmal total bescheuert. Sie zeigen die Welt aus

ihrer Sicht. Momentaufnahmen, verrückte Typen und

unglaubliche Geschichten aus dem wahren Leben. Ozan

Akhan von der Kölner „Stunk Sitzung“ und Tunç Deni-

zer vom Bonner „Pink Punk Pantheon“ beweisen auch

Mut, wenn sie mit einem verdächtig blinkenden Koffer

als Taliban verkleidet auf der Bühne ein vermeintliches

Bekennervideo aufnehmen. Als Bodyguards von Guido

Westerwelle und Angela Merkel stehen sie im ständigen

Funkkontakt mit ihren Chefs. „Ja, Herr Westerwelle, sie

sind immer noch Außenminister. – Warum? Das weiß kei-

ner so genau.“ Anschließend demonstrieren die beiden

in Zeitlupe, wie sie im Ernstfall reagieren würden, wenn

ein „linksextremer, islamistischer Ex-Stasi-Anti-Anti-

Umwelt-Aktivist“ die Politiker angreifen würde.

Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr

DO 15 | 11 | 12

Comedy | Carolin Kebekus

In über neunzig Minuten spielt, schreit und singt sich die

rheinländische Ausnahmekünstlerin durch die Höhen und

Tiefen des Lebens einer jungen Frau, die ihre Wurzeln zur

Kölner Bronx nicht verheimlicht. Warum auch? Gosse kann

auch sexy sein. Die Stand-Up-Comedienne und Schauspie-

lerin mit den Rehaugen und dem ungezügelten Mundwerk

hat die Begabung, den ganz normalen Wahnsinn unserer

Gesellschaft bis ins Detail zu beobachten, zu parodieren

und aufzudecken. Mit starker Mimik und Stimme geseg-

net, lässt sie ihren Mädchencharme spielen, um dann

hemmungslos zu pöbeln und Tabus zu brechen.

Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund, 20 Uhr

Filmfest | Kinofest Lünen

Seit seiner Gründung 1990 versteht sich das Kinofest

Lünen als „Fest für deutsche Filme“. Immer im Novem-

ber werden an vier Tagen in der Lippestadt am östlichen

Rand des Ruhrgebietes neue deutsche Filme gezeigt.

Das Kinofest Lünen ist ein Publikumsfestival und gleich-

zeitig ein kleiner, intimer, in der deutschen Filmszene

sehr geschätzter Treffpunkt der Branche. Während der

vier Kinofesttage werden rund 50 kurze und lange, doku-

mentarische und fiktionale Filme gezeigt. In den letzten

Jahren konnte das Kinofest durchschnittlich sechs- bis

siebentausend Besucher aus Lünen und dem Umland

begrüßen. Das Kinofest Lünen ist auch ein Publikums-

festival. Das Publikum entscheidet mit seiner Stimme

welcher Film die „Lüdia“, die „Rakete“ und die Kurzfilm-

preise „Erste Hilfe“ und „Erster Gang“ bekommt.

Cineworld, Lünen (auch 16., 17. & 18.11.)

SA 17 | 11 | 12

Mischmasch | 30 Jahre Baustelle – Das Thealozzi feiert

Zu seinem Jubiläum lässt sich das Thealozzi-Theater

nicht lumpen und präsentiert einen Abend der beson-

deren Art mit internationalen und internen Highlights

aus den Bereichen Impro, Musik, Theater und Tanz – die

Welt also quasi zu Gast im Thealozzi-Land. Es soll ein

Abend voller sinnlicher Eindrücke und inspirierender Mu-

sik werden. Am Ende der einzelnen Konzerte gibt es ein

fulminantes Abschlussstück mit allen Mitwirkenden. Mit

dabei bei dieser Fete: Balzer & Regener (Impro-Show),

Sherifah Chandra (Tanztheater), Hanif Khan aus Indien

(Tablas), Uwe Kellerhoff (Drum Solo), Thomas Kahle &

Sambakowski (Samba/African Music) feat. Famaous

Awuku Doe aus Ghana, ClapClub (komponierte Musik für

Schlagwerk), Rosemary & Daniel Appiah Group aus Ghana

(westafrikanisches Drum-Musik & Dance), Just Fun (in-

tern. integratives Musikensemble). Der Eintritt ist frei!

Thealozzi, Bochum, 18 Uhr

SO 18 | 11 | 12

Kindertheater | Wibbel und die Wunderbücher

Wibbel steckt seine Nase überall hinein – aber nicht in

Bücher. Die sind doch nur für Stubenhocker und Brillen-

schlangen. Doch dann findet er das magische Wunder-

buch und geht zusammen mit dem kleinen Elefanten

Ottfried auf eine zauberhafte Entdeckungsreise quer

durch Afrika. Sie treffen Tante Strauß, Onkel Giraffe,

Tante Nilpferd und sogar Mampf-Fred, das Krokodil.

Sofort möchte der kleine Ottfried wissen, was es beim

Krokodil zum Mittagessen gibt. Doch Wibbel ahnt – jetzt

wird’s gefährlich. Wie Wibbels Wunderbücher sich auf

offener Bühne 'verwandeln' und welche überraschenden

Wendungen die Geschichte der beiden Abenteurer nimmt

– das ist ein Phantasie anregendes Vergnügen zum Stau-

nen und Lachen und beweist: Bücher machen Spaß und

Lesen öffnet neue Horizonte.

Fletch Bizzel, Dortmund, 11 Uhr (auch 21. und 28.11,

10 Uhr und 25.11., 11 Uhr)

22. Nov – 23. Dez25. Nov gesch lossen

mo – do 10 – 21 Uhrfr u. sa 10 – 22 Uhr

so 12 – 21 UhrVerkaufsoffener Sonntagin der City: 2. Dezember

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Page 26: bodo November 2012

26

DI 20 | 11 | 12

Musik | Niels Frevert

Der Typ, der nie übt und für das Verfassen seiner Tex-

te mindestens so lange braucht wie Eichhörnchen für

eine Erdumrundung. Er hat sich diesmal selbst über-

troffen. Man könnte fast von einem Schaffensrausch

reden. Denn „nur“ drei Jahre sind für das vierte Stu-

dioalbum „Zettel auf dem Boden“ ins Land gestrichen.

Und mit dieser gebündelten, verwobenen Essenz aus

Chanson, Pop und Singer-Songwriter-Musik zieht es das

Nordlicht auf die fernen Bühnen der Republik. Nein, hier

will niemand irgendwem irgendetwas beweisen. Hier ist

alles Musik, Herzlichkeit und Poesie, ganz ohne Pose.

„Während die tätowierten Ischen zu Gefühlsterroristen

wie Tim Bendzko, Johannes Oerding oder Philipp Poisel

ihre Reizwäsche bügeln, hören wir lieber immer wieder

,Zettel auf dem Boden‘.“ (Spiegel online)

Werkstadt, Witten, 20 Uhr

MI 21 | 11 | 12

Musik | The Red Paintings

Ihre Wurzeln haben The Red Paintings in Australien und

Los Angeles/USA. Mit gerade fünf Bandmitgliedern (Gi-

tarre, Bass, Schlagzeug, Cello und Violine) auf der Büh-

ne schaffen es die Red Paintings, den klanggewaltigen

Sound eines kompletten Orchesters auf ihr Publikum

loszulassen. Oft verglichen mit Bands wie Radiohead,

Muse oder auch The Arcade Fire, verbinden The Red Pain-

tings barocken Pop mit Metal- und Indie-Elementen. Im

Vordergrund steht bei ihren Live-Auftritten dabei im-

mer eine Performance, die das Publikum mitnimmt auf

eine surreale Reise, angefüllt mit visuellen Effekten und

verstärkt durch Kostüme. Sie kreieren ein lebendiges

Gemälde, das die Sinne und den Geist der Zuschauer sti-

muliert. Theater trifft Pop, trifft Alice im Wunderland.

FZW, Dortmund, 20 Uhr

DO 22 | 11 | 12

Musik-Comedy | Annamateur & Außensaiter

Die „Frontal-Diseuse“ Anna Maria Scholz, alias Annama-

teur, zweimalige Dresdnerin des Jahres, hat neben dem

Mindener Stichling auch schon den Deutschen Klein-

kunstpreis gewonnen. Antidiva, Alphaweibchen, natur-

stoned – mit ihrem Mordsorgan, entwaffnender Persön-

lichkeit und enormer Wandlungsfähigkeit zieht sie ihre

Zuhörer im Nu in ihren Bann. Ihre Abende sind theamu-

sikalisch, ihre Lieder musitralisch. Sie zersingt Bandbrei-

ten, passt in keine Schublade – optisch nicht, und schon

gar nicht musikalisch. Sie improvisiert und interagiert

mit dem Publikum. Immer spontan, immer anders.

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

BODO VERLOSUNG | Kampf des Negers und der Hunde

Auf einer französischen Baustelle – irgendwo in West-

afrika – verschwindet die Leiche eines schwarzen Ar-

beiters. Alboury, ein Ver-

wandter des Toten, fordert

von den weißen Chefs die

Herausgabe des Leichnams.

Der Bauleiter Horn will den

Mord vertuschen und bietet

Alboury Geld. Der aber lässt sich nicht abweisen. Léo-

ne, Horns aus Paris angereiste Verlobte, sucht den Reiz

der fremden Kultur und wird zum Streitobjekt zwischen

den Männern. Der vielschichtige Konflikt zwischen den

Figuren ist das Psychogramm von Ausgestoßenen und

entfesselt einen erbitterten Kampf jeder gegen jeden.

Die Inszenierung interessiert an dem Drama insbeson-

dere die aktuelle politische Relevanz. Alle vier Figuren

liefern ein scharfes, prototypisches Abbild von ge-

scheiterten Individuen, die sich in einer zivilisatori-

schen Ordnung bewegen, die längst keine Orientierung

mehr bietet. Die konkurrierenden Lebensentwürfe ver-

zerren das Ich und verhindern ein Kollektiv.

Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr (auch 21.11.)

bodo verlost 3 x 2 Karten für den 22.11.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

Kabarett | Jochen Busse

Es gibt den Moment im Leben, ab dem Happy und Birth-

day getrennte Wege gehen. Aber gibt es etwas Schöneres

als einen runden Geburtstag, bei dem alle Menschen zu-

sammenkommen, mit denen man im Leben zu tun hatte?

Ja, gibt’s: Ein Abend alleine. Ein Abend, an dem man mal

überlegt, was im Leben alles passiert ist und noch passie-

ren kann. Komische Höhepunkte, noch komischere Tief-

punkte und seltsame Erkenntnisse. Im Hinterraum seiner

eigenen Geburtstagsparty zieht Jochen Busse Bilanz. Er

springt von der großen Politik ins kleine Privatleben, vom

„Faust“ zum Fernsehen, von Prosecco zu Pommes. Alles

nach dem Motto: „Wie komm ich jetzt da drauf?“

Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr

FR 23| 11 | 12

BODO VERLOSUNG | Rupa & The April Fishes

Rupa Marya und ihre Band öffnen den Vorhang zu einem

unvergleichlichen Musiktheater: Gypsy Swing, Texmex,

Balkaneskes, Chanson, Latin Moods

und American Folk finden sich darin,

das Flair des kleinen Zirkus, des Mou-

lin Rouge und der großen weiten Welt.

In San Francisco lebt die Sängerin und

Songwriterin, die im Süden Frankreichs

aufgewachsen ist. Diese Herkunft hört

man nicht nur ihren französischen Tex-

ten an, sondern auch dem begeisternden Mix aus Gypsy-

Swing, Musette, Latin Cumbias und Tango. „Ihre Musik

lebt von der Vision einer offenen Klangwelt ohne künst-

liche Grenzen.“ (Madame)

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

26 VERANSTALTUNGEN NOVEMBER 2012

20 | 11 | 12 Niels Frevert 21 | 11 | 12 The Red Paintings

SIMINA GRIGORIU | Exit City (Susumu Records / RTD)

Die in Rumänien geborene Wahl-Berlinerin Simina Grigoriu dürfte einigen bekannt sein durch Paul Kalkbrenner.

Nicht nur, dass die DJane als Opening-Act auf Paules großer Welttournee überzeugen konnte, nein, sie ist auch noch

seine Lebenspartnerin und Schwester im Geiste. Und ihre Vision von elektronischer Musik ist dementsprechend sehr

verwandt mit dem, was der zu Recht schwer gehypte Kalkbrenner so macht. Ihre minimalistischen Elektro-Beats

sind ebenfalls voller Seele. Insgesamt allerdings ein bisschen rougher und kantiger als Kalkbrenners Oeuvre. Nun

gibt es also endlich auch ein ganzes Album von Frau Grigoriu. Auf „Exit City“ werden die Techno-Beats treibend

wie relaxed auch mal von einer Gitarre unterstützt. Dann wird es mal dubby, um dann wieder eher dunkel und deep

nach vorne zu gehen. Manchmal klickt und blimpt es auch ein wenig mehr, aber der klare straighte Beat ist und

bleibt die tragende Säule. Simina Grigoriu bleibt, obwohl sie mit verschiedenen Elementen für ein gesundes Maß an

Abwechslung sorgt, trotzdem immer ganz klar ihrem präferierten Elektro-Style ergeben. Der eine oder andere wird

die geschmeidige Glätte der Kalkbrenner-Tracks vielleicht vermissen, aber andere werden genau das für besonders

und vielleicht sogar besser finden. Für Freunde dieses Genres auf jeden Fall ein gelungenes Debüt. (BvR)

CD-TIPP

Page 27: bodo November 2012

27

22 | 11 | 12 Jochen Busse22 | 11 | 12 Annamateur & Außensaiter

BODO VERLOSUNG | Chima

Bereits mit seiner ersten Single „Morgen“ landete Chi-

ma in diesem Sommer einen Radiohit. Chima ist frisch,

typisch deutsch und macht großarti-

ge Popmusik mit starken Texten. Wie

erfrischend Chima auf seinem Album

„Stille“ in humorvollen Bildern und

in beinah sorgenfrei klingenden Tö-

nen erzählt, das macht Spaß. Er weiß,

wovon er redet: ein Mann, längst

erwachsen, dem gleichen Traum

folgend wie jüngere, blauäugigere Kerle – doch viel

länger, und durch ganz andere Widerstände hindurch.

Einer, dem das Leben auch schon mal gesagt hat: Lass

es lieber. Mit „Morgen“ spricht er dem Publikum in

seiner einzigartigen, unbeschwerten Art aus der See-

le. Ein Sänger, dessen Lachen laut und voller Herz ist,

auch weil es schwierige Zeiten überdauert hat.

FZW, Dortmund, 20 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

Filmfestival | blicke 20

Das Filmfestival des Ruhrgebiets wird 20 und feiert mit

vielen Filmen & Partys. Und es gibt einiges zu schau-

en: 33 Filme im Programm, ca. 40 Clips aus dem Son-

derwettbewerb „20. blicke, 20 Sekunden meine Stadt“

(online), 13 Emscherskizzen (von Christoph Hübner und

Gabriele Voss) und Installationen. Es gibt eine Menge

zu diskutieren: Über die Filme im Programm, die Clips

des Sonderwettbewerbs und die Frage „Wohin geht der

Film?“, wozu Gäste aufs Podium geladen sind: Senta

Siewert, Lars Henrik Gass, Sonja Weber und Fosco Dubi-

ni. Außerdem kann getanzt werden: am Freitag auf der

Funkloch-Party mit DJ Mike Huchaby und am Samstag

mit Super8 auf 3D. Mehr unter www.blicke.org.

Endstation Kino, Bochum (auch 24. & 25.11.)

SA 24 | 11 | 12

Theater | Hömma – Der Ruhrgebietschor

Wenn die 40 Frauen und Männer vom Hömma-Chor auf

einer Bühne stehen, gibt es etwas auf die Ohren. Auch

wenn sich das Liedgut von Hömma fast ausschließlich

mit dem Ruhrgebiet und seinen Menschen befasst, das

Steigerlied wird nicht zu hören sein. Stattdessen bringt

der Chor Lieder von den Beatles, Mozart, den Stones

und wie sie alle heißen. Egal, ob Hömma mathematische

Logik präsentiert oder Eheberatung für Ruhris anbie-

tet, es ist immer viel Augenzwinkern dabei. Auch die

Multikulti-Szene kommt nicht zu kurz. Dafür sorgt eine

Abordnung aus dem sauerländischen Schnöttentrop, die

eigens für dieses Konzert die Trecker putzt.

Theater im Depot, DO, 20 Uhr (auch 25.11., 17 Uhr)

Comedy | Dittmar Bachmann

Das neue Programm des Hannoveraners „Zu alt für die-

sen Scheiß“ ist genau genommen ein populäres Zitat aus

dem Hollywood-Blockbuster „Lethal Weapon“. Hier stellt

sich Dittmar Bachmann seinem tatsächlichen Alter und

den damit verbundenen Vorurteilen, wobei ihn das ge-

fühlte Alter genau das machen lässt, was die Zuschauer

von ihm erwarten. Auf der einen Seite: die Bravo beim

Arztbesuch, das Fett an den falschen Körperstellen, die

Weight-Watchers, Gigs auf Kreuzfahrtschiffen, Dildo-

Partys und Yoga mit der Frau. Auf der anderen Seite: Der

Traum des Popstars ist noch längst nicht ausgeträumt...

Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr

Theater | Improvisationstheater

Was ist Improvisationstheater? Das Improtheater auf der

Studiobühne im Musischen Zentrum der Ruhr Uni erlaubt

Zuschauern und Spielern, gemeinsam den Abend im The-

ater zu gestalten. Die Ideen des Publikums werden zum

Arbeitsauftrag für die Spieler, und diese lassen spontan

Szenen und Geschichten entstehen. Nicht genug, dass

die Spieler sich auf der Bühne blitzschnell alles ausden-

ken müssen: Erschwert und gewürzt werden die Szenen

durch unmögliche Spielregeln – gerade dadurch wird der

Abend zu einem einmaligen Erlebnis. Der Eintritt ist frei.

Ruhr Uni, Bochum, 19.30 Uhr (auch 25.11.)

Lesung | Dond & Daniel lesen Daniil Charms

Daniil Charms hieß eigentlich Daniil Iwanowitsch Juwat-

schow und lebte von 1905 bis 1942 im heutigen St. Pe-

tersburg. Dort gehörte er zur künstlerischen Avantgarde,

wurde aber zu Lebzeiten kaum veröffentlicht, da er an-

geblich sowjet-kritische Gedanken hatte. Dies führte zu

mehreren Verhaftungen und letztlich zu einer Zwangsin-

ternierung in einer Nervenheilanstalt, wo er dann unter

ungeklärten Umständen starb. Der Großteil seiner Texte,

Kurzprosa und Lyrik, wurde von befreundeten Künstlern

und Wissenschaftlern verwahrt und konnte viel später, im

Zuge der Perestrojka, veröffentlicht werden. Seine Kurz-

prosa zeichnet sich formell durch eine extreme Kürze aus

und inhaltlich durch Absurdität. Dond & Daniel lesen Tex-

te aus „Trinken Sie Essig, meine Herren“. Eintritt ist frei.

Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr

24 | 11 | 12 Dittmar Bachmann

Adressen | Bochum (0234)Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108, 687 16 10

Christuskirche, An der Christuskirche 1, 338 74 62

Endstation Kino, Wallbaumweg 108, 687 16 20

Eve Bar, Königsallee 15, 333 354 45

Freilichtbühne Wattenscheid, Parkstraße, 61 03-0

HalloDu-Theater, Lothringer Str. 36c, 87 65 6

Jahrhunderthalle, Gahlensche Str. 15, 369 31 00

Kulturhaus Oskar, Oskar-Hoffmann-Straße 25

Kulturrat Bochum, Lothringer Straße 36, 862 012

Museum Bochum, Kortumstraße 147, 910 42 30

Mus. Zentrum der RUB, Universitätsstr. 150, 322 28 36

Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Str. 50 – 60, 77 11 17

Riff, Konrad-Adenauer-Platz 3, 150 01

RuhrCongress, Stadionring 20, 610 30

Schauspielhaus, Königsallee 15, 333 30

Stadthalle Wattenscheid, Saarlandstraße 40, 610 30

Thealozzi, Pestalozzistraße 21, 175 90

Varieté et Cetera, Herner Straße 299, 130 03

Zauberkasten, Lothringer Straße 36c, 86 62 35

Zeche, Prinz-Regent-Straße 50-60, 977 23 17

Zeche Lothringen, Lothringer Straße 36c, 876 56

Zwischenfall, Alte Bahnhofstraße 214, 28 76 50

Adressen | Dortmund (0231)Auslandsgesellschaft, Steinstraße 48, 838 00 00

Cabaret Queue, Hermannstraße 74, 41 31 46

DASA, Friedrich-Henkel-Weg 1 – 25, 90 71 24 79

Dietrich-Keuning-Haus, Leopoldstr. 50 – 58, 502 51 45

domicil, Hansastraße 7 – 11, 862 90 30

Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, 14 25 25

F.-Henßler-Haus, Geschw.-Scholl-Str. 33 – 37, 502 34 72

FZW, Ritterstraße 20, 17 78 20

Galerie Torhaus, Haupteingang Rombergpark, 50 23 194

Konzerthaus, Brückstraße 21, 22 69 62 00

Museum f. Kunst u. Kulturgesch., Hansastr. 3, 502 55 22

Piano Musiktheater, Lütgendortmunder Str. 43, 604 206

Rasthaus Fink, Nordmarkt 8, 999 876 25

Reinoldikirche, Ostenhellweg 1, 52 37 33

Schauspielhaus, Hiltropwall, 502 55 47

Sissikingkong, Landwehrstraße 17, 728 25 78

Strobels, Strobelallee 50, 999 50 60

Subrosa, Gneisenaustraße 56, 82 08 07

SweetSixteen Kino im Depot, Immermannstr. 29, 910 66 23

Theater im Depot, Immermannstraße 29, 98 21 20

U, Leonie–Reygers-Terrasse, 50 247 23

Westfallenhallen, Rheinlanddamm 200, 120 40

Westfalenpark, An der Buschmühle 3, 35 02 61 00

Zeche Zollern, Grubenweg 5, 696 12 11

Adressen | Herne (02323)Flottmann-Hallen, Flottmannstr. 94, 16 29 52

Mondpalast, Wilhelmstraße 26, 58 89 99

Adressen | Witten (02302)Saalbau, Bergerstraße 25, 581 24 24

Werkstadt, Mannesmannstraße 2, 94 89 40

Der Druck dieser Seite wurde ermöglicht durch Spenden der Besucher des Geierabend 2012.

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28 REPORTAGE | von Bastian Pütter | Fotos: Marc Jacquemin · Peter Hirth

Drei Donna Leons und ein Schwarzenegger

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Auf Betriebsausflug, Bildungsurlaub, Spen-denfahrt: Wir waren auf der Buchmesse in Frankfurt. Verleger, Lektoren, Buchhändler, Autoren, hunderte Prominente, eine sechs-stellige Zahl Besucher – und wir: Die Aus-zubildenden Sandra, Julia und Steffi, Buch-Chefin Suzanne und Bastian und Sandro aus der Redaktion.

Was bringt man mit von der Buchmesse? Bücher

(ja, klar), Geschichten (diese hier) – und Möbel

(Möbel?). Dazu später mehr. Es ist nicht mehr ganz

früh am Morgen, als wir in Frankfurt ankommen,

am ersten Tag Fachbesuchertag. Unsere Auszubil-

denden schwärmen gleich aus. Schon im letzten

Jahr haben sie herausgefunden, dass bei den meis-

ten Publikumsverlagen irgendwo eine Kiste steht

mit Leseexemplaren für lesewütige Auszubildende.

Gleich am Eingang laufen wir in Daniel Cohn-

Bendit hinein. Wir ein bisschen aufgeregt, er im

professionellen Buchmessenstress – Termine,

Termine. Die Kontraste sind bemerkenswert. Am

Mittag spricht Cohn-Bendit auf einem der vielen

Podien über die Zukunft Europas, und zehn Meter

weiter bei der Frankfurter Rundschau ist Lady

Bitch Ray im Haus. Die Bremer Rapperin ist eine

sichere Bank für jedes Talkshowformat. Reyhan

Sahin, Anfang Dreißig, ist nicht willens, einen

Satz ohne Obszönitäten zu bilden. Reyhan / Ray

ist promovierte Linguistin, Feministin im Männer-

beruf HipHop und eine einzige wandelnde Punch-

line – Einzeiler für jeden. Wir erfahren: Auch „Frau

Merkel hat bitchige Züge“. Das Feuilleton freut s

und Dutzende Handykameras blitzen.

Das mit der Prominenz ist so eine Sache. Die

Messe ist voll mit Menschen, die so offensicht-

lich wichtig sind, dass es einem ständig leicht

peinlich ist, sie nicht zu erkennen. Andererseits

erkennt man ständig Menschen, die man nicht

auf einer Buchmesse erwartet.

Blogger und Irokesenträger Sascha Lobo spricht

gerade in irgendwie dringlichem Ton in eine ZDF-

Kamera, die den Weg versperrt, und irgendwie

sehen gleich drei Frauen aus wie Donna Leon.

Das ist der Hoëcker, tuscheln Julia und Steffi.

Hoëcker, im Hauptberuf Comedian, hat etwas

über Neuseeland geschrieben, das Gastland der

Messe. Dutzende TV-Stars und -Sternchen haben

für die Buchmesse offensichtlich auch einen

Platz im Kalender freigehalten, und auch Arnold

Schwarzenegger ist da. Der hat jetzt auch ein

Buch und sich für s Alter – er ist 65 – einen

kalifornischen Professorentitel verleihen lassen.

„Nach Terminator und Gouvernator kommt jetzt

Educator“, findet er.

Aber eigentlich geht es um Literatur. An den

Ständen vom großen Publikumsverlag bis zur

Abteilung „Klein aber fein“ wird begrüßt und

umarmt, verhandelt und interviewt. Am pom-

pösen Suhrkamp-Stand lacht ein Lektor: „Das

größte Familientreffen des Jahres und wieder

fehlt der Kuchen.“ Zur Seite gewandt übersetzt

er das Ganze ins Englische.

Wir treffen Burkhard Spinnen, Schriftsteller und

Juryvorsitzender beim Klagenfurter Bachmann-

Wettbewerb. Er hat seinen neuen Roman dabei,

es geht – wirklich – um eine Liebesgeschichte,

das Online-Rollenspiel World of Warcraft und um

die Balkankriege. In einem realistischen Roman.

Nebenan, auf der „Leseinsel der unabhängigen

Verlage“ haben wir noch die Gelegenheit, Norbert

Mappes-Niediek ein paar kurze Fragen zu seinem

Buch „Arme Roma, böse Zigeuner“ zu stellen,

dann muss der auch schon wieder weiter. Termine.

Im Vorbeigehen sehen wir: Dr. Eckart von

Hirschhausen diskutiert von der Bühne herunter

Beziehungsfragen mit einem wunderbar schlag-

fertigen Schriftstellerpaar, verheiratet seit 43

Jahren. Das Publikum: begeistert.

Die Presse ist natürlich auch da. Nicht nur mit

Dutzenden Bild- und Textredakteuren, Kame-

rateams und Radioreportern, sondern auch

mit eigenen Ständen. Die Promo-Studentinnen

liefern sich einen harten Wettbewerb um die auf-

dringlichsten Probeabos, die „Zeit“ hat schein-

bar ganz auf iPads umgestellt und Giovanni di

Lorenzo ist live mindestens so charismatisch

bodo auf der Frankfurter Buchmesse

Page 30: bodo November 2012

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30

wie im Fernsehen. Allerdings fehlen hier die

Talkshowsessel. Während er im Fernsehen mehr

liegt als sitzt, ist er im Stehen ein ganz anderer,

Typ Chansonnier, sehr cool.

In Halle 3.1 gibt es noch eine Art Installation

zum Thema politische Presse. Vorne rechts der

Messestand der nationalkonservativen „Jungen

Freiheit“. Auf einem Banner: „Wo alle einer

Meinung sind, wird meistens gelogen“. Gleiche

Halle, hinten links, identisch gestalteter Messe-

stand, die DDR-Nostalgiker der „Jungen Welt“.

Deren Banner: „Sie lügen wie gedruckt. Wir dru-

cken, wie sie lügen.“ Es wird also viel gelogen in

der Mitte, weiß der Rand.

Apropos Esoterik: Auch hier ist das Angebot

unüberschaubar. Viele Klein- und Kleinstverlage

tummeln sich mit zum Teil obskurem Angebot. Am

besten gefallen hat uns die klare Ansage in einem

Vortrag, bei dem es um irgendwas mit einem

göttlichen Weltenplan ging: „Meine Arbeit ist

kein neuer Dogmatismus oder ein neues Glaubens-

objekt, sondern ist ausschließlich Wissenschaft.

Sie hat ganz gewiss nicht ihre Professoren und

Doktoren, aber es verändert nicht die Tatsache,

dass sie niemals umgestoßen werden kann.“

Recht haben ist schon schön, aber für immer

Recht haben – großartig. Während man sich hier

noch mit den Erleuchteten mitfreuen kann, ist die

Verblendung anderswo ärgerlicher. Der Iran kann

das Kopfgeld auf den Literaturnobelpreisträger

Salman Rushdie kurz vor der Messe noch einmal

erhöhen und eine zweite Todesfatwa gegen den

in Deutschland lebenden Sänger Shahin Najafi

verkünden – und wird trotzdem eingeladen. Ein

übersehener Skandal. Was vielleicht auch an der

wenig prominenten Ausstellungsfläche in Halle

5 liegt. Die Süddeutsche schreibt über die „Halle

der Krisenländer“: „Serbien, Kosovo, Bulgarien,

Albanien . . . Hinter Griechenland kommt nur noch

Iran, dann kommt die Wand.“ So sieht s aus.

Während die vermeintlichen Schmuddelkinder

sich die letzte Ecke teilen, ist das Gastland

Neuseeland so etwas wie ein postmodernes

Arkadien, eine fast irreal dekorative Gegenwelt

augenrollender Maori, freundlicher Hobbits und,

ja, blöder Schafe. Natürlich ist das eine völlig

unqualifizierte Behauptung, und bestimmt gibt

es hier jede Menge gute Literatur zu entdecken,

aber so ein bisschen nach Flucht vor der bösen

Realität zwischen Eurokrise, Syrien, Afghanistan

und China wirkt die Wahl des Gastlandes schon.

Aber das gehört eben auch zur Buchmesse, ge-

nauso wie die „Gourmet-Gallery“. Hier wird nicht

gemalt, sondern gekocht. Live und international.

Die Stars der gefühlten hundert Kochshows geben

sich die Pfanne in die Hand. Natürlich nicht,

lernen wir. Der Profi bringt nicht nur die eigenen

Messer, sondern auch die eigenen Töpfe mit. Und

natürlich die eigenen Bücher. Köche reisen mit

schwerem Gepäck. Wir freuen uns jedenfalls, dass

unsere Kollegin Suzanne Präkelt hier ein sicheres

Plätzchen für die Beute unserer Auszubildenden

organisieren kann. Die schleppen Tüte um Tüte

geschenkter Bücher an und schauen mitleidig auf

den Redakteursnotizblock. Der hingegen ist voll

mit einer Vielzahl von Eindrücken.

Die Gourmet Gallery leitet übrigens Barbara

Roelle, und sie ist mit einigen anderen der Grund

dafür, dass auch wir nicht mit leeren Händen

nach Hause kommen. Frau Roelle hat mit uns

Aussteller nach Spenden gefragt, denn schließ-

lich ist viel von dem, was eine Woche Messe

übersteht, danach abgeschrieben.

Es kam soviel zusammen, dass es Sonntag einen

ganzen Transporter füllte: (Buch-)Spenden von

El Tipico, G&U, Dorling Kindersley, dem Um-

schau-Buchverlag, Junfermann, Droemer Knaur,

Schwarzkopf & Schwarzkopf und einigen anderen.

Und: Die Einrichtung einer ganzen „Lounge“,

gespendet von IKEA Deutschland. Vielen Dank an

Maren Ongsiek und an das Team der Buchmesse,

vielen Dank an die Spender und Unterstützer un-

serer Projekte! Das war richtig schön bei Euch!

Spät abends zu Hause raucht uns immer noch

der Kopf und die Füße schmerzen. Ein Überblick?

Fehlanzeige. Aber, wie gesagt, gelohnt hat es

sich in vielerlei Hinsicht. Und nicht nur für uns:

Wer nun in unseren Buchladen kommt, der findet

da nicht nur noch schönere Bücher als sonst,

sondern vielleicht auch eins, das Arnold Schwar-

zenegger in der Hand hatte. Oder eine der drei

Donna Leons. (bp)

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31

Wie sie alle erstaunt sind. Die Energiewende kostet ja Kohle, ich meine Geld. Der Kohle kostetsie Kopf und Kragen, zumindest der heimischen. Den Liberalen und anderen… „Experten“, ginges zunächst gar nicht um die Umwelt, als es gegen die Kohle ging. Es ging ums Geld, um dieSubventionen.

Das weiß man heute kaum noch, wo wir Photovoltaik besonders gerne da fördern, wo die Sonneseltener scheint als etwa am Kaiserstuhl. Also da, wo früher Kaiserstuhl stand, die Kokerei, mithinim Ruhrgebiet. Das ist Einsatz hochmoderner Technik unter höchst dämlichenBedingungen. Ebenso gut könnte man eine top moderne Zeche statt inBottrop auf Borkum betreiben.

Das Ideal der Energiewende wäre eine Kombination aus Wind- undSonnenenergie. Riesige Rotoren reißen die Wolkendecken auf, damitdie Solarzellen so viel Energie erzeugen, dass die Windräder auch beiFlaute nicht still stehen.

Wir bezahlen das gerne per Ökostrom-Umlage. Wir, nicht dieIndustrie. Wen wundert das, wo schon immer die kommerzielleEnergieverschwendung gefördert wurde? Versuch du mal, bei RWEeinen Stromtarif auszuhandeln, den so eine Papierfabrik am Niederrheinbezahlt. Das mag nach alter Kapitalismuskritik klingen. Da sage ich: gut,aber die haben angefangen.

Außerdem bin ich Steiger. Das nehme ich ernst. Ich habe mal denGrünen öffentlich gesagt, ein guter Atomkompromiss sei: Wir machen2018 die letzte Zeche zu, dafür geht Ihr 2022 mit dem letztenAtomkraftwerk endgültig vom Netz. Fanden die nicht lustig. Diekonnten uns Bergleute noch nie leiden. Wahrscheinlich wäre dieSache anders gelaufen, hätten wir rechtzeitig unter Tage dieFrauenquote eingeführt.

Aber ich habe schon einen Plan für die Zeit nach demBergbau. Für ein paar lumpige Euro werde ich mir dieKohle-Schürfrechte im Revier sichern, und dann guck ichmir die grandiose Energiewende in aller Ruhe an. Martin Kaysh (Geierabend)

schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

✑Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Unterbezirk DortmundKlosterstraße 8-1044135 Dortmund0231- 99 340

Unterbezirk Ruhr-MitteBleichstr. 8 44787 Bochum0234- 96 47 70

Unterbezirk UnnaUnnaer Straße 29a59174 Kamen02307- 91 22 10

Je mehr Mitglieder die AWO hat, desto mehr kann sie in der Gesellschaftbewirken. Desto eher kann sie Menschen helfen, die Hilfe brauchen.

Werden auch Sie Mitglied in der AWO!

www.awo-ww.de

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Page 32: bodo November 2012

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32 GESELLSCHAFT | von Dr. Birgit Rumpel | Foto: Andre Noll

Im März 2012 stellte die Journalistin und Autorin Ingrid Müller-Münch ihr Buch „Die geprügelte Generation. Kochlöffel, Rohrstock und die Folgen“ vor. Bodo-Autorin Birgit Rumpel hat das Buch gelesen und mit der Autorin gesprochen.

Der zerschlissene Teppichklopfer auf dem Titel stimmt einen unmittelbar

auf das Thema ein: Wer in den 50er und 60er Jahren des vergangenen

Jahrhunderts aufgewachsen ist, kennt nicht nur den originären Verwen-

dungszweck, sondern weiß auch um den Einsatz als Prügelinstrument durch

Eltern und Großeltern. Alternativen waren Stöcke, Kochlöffel, Handfeger,

Gürtel – alles, was gerade so zur Hand war. Prügeln als Erziehungsmethode

war allgemein anerkannt und entsprechend weit verbreitet.

Ingrid Müller-Münch beschreibt persönliche Schicksale von Menschen, die

in ihrer Kindheit körperlich und seelisch misshandelt wurden. Anschaulich,

aber nicht reißerisch gibt sie wieder, was sie in zahllosen Interviews von

Betroffenen erzählt bekam. Die Familien und Lebensumstände, die man

dabei kennenlernt, sind ganz unterschiedlich, Akademikerhaushalte sind

ebenso vertreten wie die aufstrebende kleinbürgerliche Familie, die am

Aufschwung der Wirtschaftswunderzeit teilhaben wollte. Gemeinsam ist

allen, dass Prügel und deren Androhung („Warte bloß, bis der Papa nach

Hause kommt…“) als Erziehungsmittel völlig normal waren. So normal,

dass die geprügelten Kinder meist gar nicht auf die Idee kamen, außerhalb

der Familie darüber zu sprechen oder sich gar Hilfe zu suchen. Neben der

schmerzhaften körperlichen Züchtigung hatten sie immer auch seelische

Qualen zu ertragen, Angst, Verunsicherung und regelmäßig die vermeintli-

che Erkenntnis, etwas falsch gemacht zu haben.

Ingrid Müller-Münch: Die geprügelte Generation

»Warte bloß, bis Papa nach Hause kommt…«

In den Schilderungen wird immer wieder deutlich, dass die prügelnden

Eltern selbst eine gewalttätige Erziehung erlebt hatten. Werte wie Ordnung

und Sauberkeit sowie eine widerspruchslose Hierarchiegläubigkeit waren

auch ihnen eingebläut worden. Sie alle hatten den Nationalsozialismus und

den Zweiten Weltkrieg erlebt. Ob als Täter oder Opfer – viele in dieser Ge-

neration waren traumatisiert und trugen Erinnerungen mit sich herum, die

nur in den seltensten Fällen je aufgearbeitet wurden. Therapien waren in

den 1950er und -60er Jahren längst nicht so normal wie heute, die wenigs-

ten waren es gewohnt und in der Lage, das eigene Handeln zu reflektieren.

Doch das Argument, es nicht besser gewusst zu haben, lassen die Autorin

und einer ihrer Protagonisten nicht gelten. Für sie ist es unverständlich,

warum Eltern ihren Kindern Gewalt antun, wenn sie sie gleichzeitig lieben.

Die individuellen Geschichten beschreiben nicht nur die Kindheitserleb-

nisse, sondern auch die unterschiedlichen Strategien, mit denen sich die

Betroffenen aus der Familie gelöst haben. Vom totalen Bruch bis zur jahr-

zehntelangen Qual im Umgang mit Eltern und Geschwistern, die sich an den

Missbrauch nicht erinnern wollen oder ihn gar leugnen. Mit bewunderns-

werter Offenheit zeigen die meisten Protagonisten, wie nachhaltig sich

die Gewalterfahrungen auf ihr Leben und ihre Psyche ausgewirkt haben.

Selbstzweifel, Bindungsangst, Beziehungsprobleme werden immer wieder

beschrieben und schließlich die Angst davor, die eigenen Kinder – wenn

man sich denn dafür entscheiden konnte – ebenfalls zu schlagen.

Eingeflochten in die biografischen Geschichten beleuchtet die Autorin

unterschiedliche Aspekte des Gewaltthemas: Die Frage nach den Ursachen,

die historische Entwicklung der Pädagogik in den letzten fünf Jahrhunder-

Page 33: bodo November 2012

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33

ten, die Erziehungsansätze in der DDR sowie das Aufbrechen der eingespiel-

ten Erziehungsmethoden durch die 68er-Generation, die nicht nur politisch

aufbegehrte, sondern mit der antiautoritären Erziehung das komplette

Gegenmodell lieferte. Zu diesen Aspekten hat sie Erziehungswissenschaft-

ler, Therapeuten und Soziologen befragt, zitiert zahlreiche Sachbücher und

Studien, ohne jedoch den Leser mit statistischen Daten zu überfrachten.

Im letzten Teil des Buches spannt Müller-Münch den Bogen zur Gegenwart

und der Frage, was sich wirklich geändert hat. Bekanntlich sind Kindes-

misshandlung und Vernachlässigung nach wie vor ein Problem, nicht nur

in Deutschland, sondern weltweit. Noch immer ist die Floskel, ein Klaps

auf den Po habe noch keinem geschadet, weit verbreitet. Auch wenn nach

Angaben des Deutschen Kinderschutzbundes 90% der Eltern gewaltfreie

Erziehung als Ideal anstreben, schafft es nur rund ein Drittel, dieses in

der Praxis umzusetzen. Auch die Flut von Ratgeberliteratur und einschlä-

gige TV-Sendungen schaffen da nur wenig Abhilfe. Neben der eigenen

Gewalterfahrung in der Kindheit werden bei heutigen Eltern Überforderung

und Stress im Alltag als Ursachen angenommen, sowie die Tatsache, dass

leichte Gewaltformen nicht als Gewalt angesehen werden.

Ein eigenes Kapitel widmet Müller-Münch der Frage, wie die Justiz sich dem

Thema Gewalt in der Familie stellte. Ein chronologischer Abriss beginnend

im 18. Jahrhundert zeigt auf, dass das Recht zur körperlichen Züchtigung

in der Familie lange Zeit explizit dem Vater zugesprochen war. Während in

der DDR bereits 1949 Körperstrafen an Schulen verboten wurden, führte in

der Bundesrepublik erst 1967 ein BGH-Urteil dazu, dass Schläge als Erzie-

hungsinstrument in öffentlichen Einrichtungen verboten wurden.

Mehr als 30 Jahre dauerte es dann noch, bis endlich im Jahr 2000 ein

Gesetzentwurf im Bundestag verabschiedet wurde, der das Recht auf eine

gewaltfreie Erziehung im Bürgerlichen Gesetzbuch festschrieb – gegen die

Stimmen der Unionsfraktionen.

Insgesamt keine leichte, aber eine sehr erhellende Lektüre. Müller-Münch

liefert auf knapp 300 Seiten keine sozialwissenschaftliche Analyse, sondern

eine breit gefächerte, faktenreiche und gut nachvollziehbare Betrachtung

eines Themas, das eine ganze Generation geprägt hat. Ein wichtiges Buch,

das nicht nur einzelnen Betroffenen helfen kann, sondern das ein weiteres

Thema aus der Tabuzone holt. (biru)

Ingrid Müller-Münch

Die geprügelte Generation

Kochlöffel, Rohrstock und die Folgen

Klett-Cotta 2012 | 284 S. | 19,95 Euro

ISBN-13: 9783608946802

bodo verlost 3 Exemplare (siehe Seite 21).

INFO

www.gepruegelte-generation.de

www.theaterrampe.de

Page 34: bodo November 2012

34

34

Page 35: bodo November 2012

35

35Interview | von Dr. Birgit Rumpel | Foto: Ludolf Dahmen

bodo Frau Müller-Münch, in Ihrem Buch erfährt

man, dass Sie selbst zu der geprügelten Genera-

tion gehören. War es nicht schwer, als Betroffene

mit den sehr persönlichen Geschichten anderer

umzugehen?

Müller-Münch Nein. Sie haben mich berührt. Aber

als ich das Buch dann schrieb, war ich für mich

mit dem Thema längst durch. Sonst hätte ich das

gar nicht machen können. Ich brauche die nötige

Distanz, auch bei den Lesungen, damit ich das

alles erzählen kann.

bodo Hatten Sie von Anfang an vor, das Thema

so vielfältig und multimedial zu bearbeiten, mit

Buch, Website und Theaterstück?

Müller-Münch Nein. Das Ganze fing an mit Rund-

funksendungen, auf die ich so viel Resonanz be-

kommen habe, dass ich dachte, irgendwie ist das

ja wohl ein umfassenderes Thema, das lässt sich in

18 Minuten Sendezeit nicht ausreichend darstel-

len. Und so entschloss ich mich, ein Buch darüber

zu schreiben. Das war zu der Zeit, als überall von

Übergriffen in Heimen die Rede war, aber niemals

davon, was so ganz nah an uns dran, nämlich zu

Hause passiert ist. Darüber sprach kein Mensch.

Als ich das Buch schrieb, wusste ich ja, dass es

viele betrifft. Man kann davon ausgehen, dass

in der Zeit so gut wie flächendeckend geprügelt

wurde, auch wenn es dazu keine eindeutigen Zah-

len gibt. Aber damals gehörte Prügeln der Kin-

der zum Erziehungskonzept, war einfach gesell-

schaftlicher Konsens. Diejenigen, die von ihren

Eltern nicht geschlagen wurden, hatten einfach

nur Glück. Kannten aber sicher andere Kinder, die

wiederum zu Hause geprügelt wurden.

bodo Auf das Buch hat es eine große Resonanz ge-

geben, nicht nur von Betroffenen, sondern auch

durch die Medien. Hat Sie das überrascht?

Müller-Münch Ja, das ist regelrecht über mich

hereingebrochen. Ich habe nach Erscheinen des

Buches sechs Wochen lang fast nur Interviews ge-

geben. Noch heute bekomme ich Woche für Wo-

che Briefe oder E-Mails von Leuten, die froh und

dankbar darüber sind, dass endlich über das The-

ma gesprochen wird, die ihre Geschichte erzählen

wollen. Auch von Erziehungsexperten und Thera-

peuten habe ich zahlreiche Reaktionen bekommen,

teilweise empfehlen sie ihren Klienten das Buch.

bodo Auf der Website gibt es ein Diskussionsfo-

rum. Gut sechs Monate nach der Buchveröffent-

lichung findet man dort knapp 200 Einträge, oft

sehr anrührende, persönliche Geschichten. Ist

das für Sie eine Belastung, fühlen Sie sich ver-

antwortlich?

Müller-Münch Die Beiträge sind teilweise sehr hef-

tig. Viele wollen, dass ich ihre Lebensgeschichte

aufschreibe und mit ihnen darüber spreche. Das

kann ich aber gar nicht leisten, ich bin keine The-

rapeutin. In dem Diskussionsforum helfen sich die

Betroffenen deshalb häufig untereinander, tau-

schen sich aus, und es ist schon dazu gekommen,

dass Selbsthilfegruppen auf diesem Weg gegrün-

det wurden. Aber da kann ich nicht mitmachen,

ich bin Journalistin und schreibe schon am nächs-

ten Buch. Trotzdem: Es ist schwierig, damit um-

zugehen, manche Geschichten erschüttern mich

zutiefst. Aber wenn ich mich von jeder Lebens-

beichte herunterziehen ließe, hätte ich dieses

Buch nicht schreiben können. Deswegen wurde auf

der Website eine neue Rubrik eingerichtet, in der

es Informationen über Hilfsangebote und Links zu

professionellen Hilfseinrichtungen gibt.

bodo Ebenfalls auf der Website kann man an ei-

ner Umfrage zur eigenen Erfahrung mit häuslicher

Gewalt teilnehmen. Bisher haben sich mehr als

1.100 Personen beteiligt, davon gaben 73% an,

von ihrer Mutter geschlagen worden zu sein, ge-

folgt von 64%, bei denen es der Vater war. Kön-

nen Sie dieses Ergebnis nachvollziehen?

Müller-Münch Diese Umfrage ist gespenstisch.

Ich selbst habe ja nie eine Umfrage gemacht, und

die Beispiele aus meinem Buch spiegeln dieses

Ergebnis in dieser krassen Eindeutigkeit über-

haupt nicht wieder. Mir wurden alle Variationen

prügelnder Eltern und Großeltern beschrieben,

einen Schwerpunkt bei den Müttern konnte ich

nicht ausmachen.

bodo Wie entstand die Idee, den Inhalt des Bu-

ches für das Theater zu adaptieren?

Müller-Münch Ich hatte schon 2010 Erfahrungen

im Dokumentationstheater gesammelt mit dem

Projekt „Zwei Welten“ am Theater Bonn. Das lief

damals sehr erfolgreich und hat mir den Zugang

zur Theaterwelt eröffnet. Und nachdem ich jetzt

wusste, wie man das macht und entsprechende

Leute kannte, kam irgendwann der Kontakt zum

Theater Rampe in Stuttgart. Die waren sofort be-

geistert von der Idee und haben es auf den ak-

tuellen Spielplan gesetzt. Ich war jetzt bei der

ersten Premiere und war tief beeindruckt. Der

Rampe ist es gelungen, ein Dokumentationsstück

zu spielen, das den Tenor des Buches sehr, sehr

gut wiedergibt.

bodo Und schließlich läuft nun auch ein Filmpro-

jekt, was wird das sein?

Müller-Münch Es soll ein 45minütiger Dokumen-

tarfilm werden. Ich habe dafür das Exposé ge-

schrieben, die Filmemacherin Erika Fehse dreht

den Film für den WDR, mit der Produktion habe

ich nun nichts mehr zu tun. Die Protagonisten

wurden per Aufruf auf der Website gesucht, da

nur der Schriftsteller Tilman Röhrig, den ich auch

im Buch porträtiere, bereit war, vor der Kamera

über das Erlebte zu sprechen. Alle anderen woll-

ten lieber anonym bleiben.

bodo Ihre Widmung im Buch gilt einem Till, mit

dem „ich eine glückliche Kindheit erlebt habe“.

Ist Till Ihr Sohn?

Müller-Münch Ja. Viele aus meiner Generation,

die ihre Kindheitserfahrungen nicht aufgearbei-

tet hatten, hatten Angst, dass sie bei den eige-

nen Kindern aus dem Automatismus des Prügelns

nicht herauskommen würden, weil sie nur das

als einzige Konfliktlösung kennengelernt hat-

ten. Als ich mich entschlossen hatte, ein Kind

zu bekommen, wusste ich, diesen Automatismus

muss ich durchbrechen. Ich habe daraufhin eine

Therapie gemacht. Wie ich finde erfolgreich. Es

ist mir gelungen, meinen Sohn ganz anders zu

erziehen, als ich es bei mir selbst als Kind erlebt

habe. Von der Kindheit meines Sohnes habe ich

profitiert, ich war sozusagen Nassauerin an sei-

ner glücklichen Kindheit.

Ein Interview mit der Autorin Ingrid Müller-Münch

»Das Prügeln der Kinder war einfach gesellschaftlicher Konsens«

Page 36: bodo November 2012

36

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Page 37: bodo November 2012

37

Finde die 10 Unterschiede im rechten Bild. Viel Erfolg!

RÄTSEL | von Volker Dornemann

Fehlersuchbild – Lösung:

1) Das Haar des Moderators ist vorn

kürzer, 2) sein Hemd hat einen

runden Ausschnitt 3) und an seiner

Hose fehlt der Hosenschlitz, 4) der

Gummibärchenanstecker an seiner

Weste ist pink, 5) beim KAFLATSCH

fehlt der Bindestrich, 6) aus 150

Eiern wurden 100, 7) der Kandidat

hat einen Rollkragen, 8) ihm fehlt

ein Finger, 9) einer seiner Schuhe

ist vorne rund und 10) die Sitzbank

ist etwas kürzer.

37

Rätsel-Lösung: ENZIAN

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Der Kakaobaum wächst in den tropischen Gebieten Amerikas. Bereits die Azteken be-reiteten aus seinen Früchten ein anregen-des Heißgetränk. Sie nannten es Xocoatl. Als Zutaten nennt eine überlieferte Rezep-tur aus dem 15. Jahrhundert Vanille, Honig und eine Prise Chili. Doch niemand muss eine Zeitreise unternehmen, diese scharfe Köstlichkeit zu genießen. Xocoatl bekommt man im Café im ZIB, dem Zentrum für In-formation und Bildung der Stadt Unna. Und darüber hinaus noch mehr als zwanzig wei-tere Sorten Kakao neben ebenso vielen Tee- oder Kaffeespezialitäten.

täglich wechselndes Mittagsgericht und außer-

dem eine kleine, feine Auswahl an „Spezialitäten

von hier wech”. Da findet man den obligatori-

schen Pfefferpotthast (7,20 Euro), eine westfä-

lische Kartoffelsuppe mit Schinkenspeck (4,80

Euro) und zum gleichen Preis „UNsa Pizza“. Wer

die bestellt, erhält Reibeplätzchen mit Tomaten,

Schinken und Käse. Übergreifendes Motto: voll-

wertige Qualität und frische Küche zu moderaten

Preisen. Natürlich gibt es im Café auch Kuchen,

der ist hausgemacht, wer dazu Sahne wünscht,

dem wird sie eigens aufgeschlagen.

Im ersten Berufsleben war Frau Nieders-Mollik

Architektin. Das sollte nicht unerwähnt bleiben,

es wäre eine passende Erklärung für ihr nicht

hoch genug zu lobendes Bestreben, sämtliche

Positionen der Speisekarte bis ins Detail stimmig

zu halten. Zur vegetarischen Emmentaler Kohl-

rabensuppe reicht sie ein helles Schweizer Brot.

Eidgenossen am Teller vereint, das geht, wir

müssen ihr recht geben, besser zusammen als zur

Suppe beispielsweise das malzig dunkle Linden-

brot. Dieses wird mit dem Treber der benachbar-

ten Lindenbrauerei gebacken und schmeckt, wir

sollten es später noch probieren, ausgezeichnet;

eine wirklich feine Alternative zum klassischen

Pumpernickel.

Ebenso durchdacht wie die Speisekarte ist eine

Reihe von Veranstaltungen im Café. Im Rahmen

von Lesungen internationaler Autoren gibt es

jeweils landestypische Gerichte, Diskussions-

runden finden statt, Konzerte und Filmvorfüh-

rungen. Wenn zum Pantoffelkino geladen wird,

werden Speisen und Getränke aufgetragen, die

zeitgleich von den Schauspielern auf der Lein-

wand eingenommen werden. Manchmal, sollte es

sich ermöglichen lassen, sogar auf identischem

Porzellan.

Mittlerweile ergäben sich auch verstärkt Koope-

rationen mit den öffentlichen Institutionen im

Haus, freut sich Frau Nieders-Mollik. Allein ihr

Café wird im ZIB privatwirtschaftlich geführt. In

dem städtischen Komplex ist die Bibliothek un-

tergebracht, die Volkshochschule, die Kulturver-

waltung, das Archiv und, nicht zu vergessen, das

einzigartige Internationale Lichtkunstmuseum.

Wer zum Beispiel hier seinen „perfekten Sonn-

tag” erleben möchte, bekommt zur Führung vom

Café ein Stück Kuchen und ein Getränk nach Wahl

gereicht. Und Kindergeburtstage können in der

„deLuxe”-Version gefeiert werden, mit Getränk,

Pizza oder frischen Waffeln nach dem gemeinsa-

men Museumsbesuch. (wk)

Café im ZIBLindenplatz 1 | 59423 Unna

Tel. 02303 – 10 37 54

Di. bis Fr. von 9.30 bis 18.30 Uhr

Sa. von 10. bis 18. Uhr | So. von 13.30 bis 17 Uhr

bodo verlost einen Kaffee-und-Kuchen-Gut-schein für zwei Personen im Wert von 15 Euro. (siehe Seite 21).

So viele Sorten

Café im ZIB | Unna

38 BODO GEHT AUS | von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski

Das Kaffeeangebot reicht dabei vom Pott Schwei-

zer Röstung über Haferl mit Schlagobers, Espres-

so affogato peperoni (mit einem Hauch grünem

Pfeffer), einem After-worx-coffee (koffeinfrei mit

geschäumter Vanille-Sojamilch und frisch geriebe-

nem Muskat) bis hin zu einem Espresso balsamico.

Den hat Ines Nieders-Mollik, die Betreiberin, auf

einer Reise nach Italien entdeckt. Geschmacklich

etwas gewöhnungsbedürftig ist diese Kombinati-

on aus Kaffee und Balsamico-Essig, sie hilft aber

nachweislich bei Kopfschmerz und Migräne.

Doch nicht nur der Getränke wegen lohnt ein Be-

such des Cafés über dem Lindenplatz. Hier darf sich

der Gast anhand einer Komponentenkarte nach

Baukastenprinzip sein ganz individuelles Früh-

stück zusammenstellen, angeboten wird ihm ein

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CARTOON | Idee und Zeichnung: Volker Dornemann

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bodo dankt: Sparkasse Bochum Dr. Josef Balzer, Alexander Barbian-Steinfort, Micha-el Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Matthias Grigo, Grünbau GmbH, Britta Richter, Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Birgit Kuehn, Nicola Steinstrass, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schumacher, Brigitte Sonntag, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Her-mann Schroeder, Christoph Roeper, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bongardt, Ralf Finke, Michael Stange, Nicole Goralski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Daniela Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Tho-mas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schildheuer, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Krtizler, Ursula Machatschek, Lieselotte Markgraf, Jutta Meklen-borg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Malessa, Chris-tine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Eberhard Gar-burg, Jutta Haring, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten Klink, Thomas Olschowny, Dani-ela Gerull, Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wortmann, Annabell Preusler, Birgitt Kuhlmann, Dieter Zawodniak, Elisabeth Heymann-Roeder, Friederike Jansen, Dirk Schmiedes-kamp, Sebastian Poschadel, Rita Pilenko, Margret und Hansjörg Sellhorst, Elisabeth Heymann-Röder, Christian Bösterling, Linda Wotzlaw, Dagmar Drabandt, Christian Müller, Gerd Schlitzer, Johannes Sock, Jürgen Blech, Elke Rucki, Beate Weigand, Marion Abels, Silja Arnold, Birgit Loer, Doris Eydt, Martin Krug, Manfred Klünder, Reiner und Bärbel Gorwa, Michael Hedfeld, Katrin Schmidt, Kim Mirbek, Ingo Preukschat, Udo Christleth, Irmela Witte, Eva Kutschmann, Peter Jaschinski, Matthias Ense, Darek und Stefanie Salem Ayoub, Sabine Krings-Völkel, Christa Kölsche, Gabriele Schulte, Winfried Pohl, Burkhard und Sabine Ebel, Rose Johannes, Uwe Zimmermann, Diana Stroetmann, Rainer Rohe, Ingolf Hackert, Andrea Gund-lach, Thomas Urban, Fatima Haqua, Alexandra Schütte, Sylvia und Heiko Kraft, Uwe Scholz, Barbara Resch, Helga Kosczenski, Gottfried Schubert, Anna Junek, Peter und Renate Korte, AS Antriebs und Systemtechnik, Ingrid Nietert, Dieter Brinker, Helga Stephani, Karin Mühlberg, Hannelore Thimm-Rasch, Erika Maletz, Volker Schaika, Gerhard und Elsbeth Heiart, Dr. Rinnert-Siemssen, Paul M. Höringklee, Esther Hagemann, Wolf Stammnitz, Mar-cus Kolberg, Heinz Heitland, Stefanie Klein,Klara Leh-mann, Kathrin Bohr, Wido und Jutta Wagner, Christina Kolivopoulos, Peter Lasslop, Else Marie Bork, Annette Düe, Doris Buderus, Ute Soth-Dykgers, Ruth Hanke, Dolf Mehring, Hildegard Reinitz, Timo Zimmermann, Silke Harborth, Thomas Kirschdorf, Petra Danielsen-Hardt, Sabine Raddatz, Johannes Sock, Marion Prinz

Im Dezember freuen wir uns auf acht zusätzliche Seiten und ein Interview mit dem brasilianischen Weltautor Paulo

Coelho („Der Alchimist“). Paulo Coelho ist Botschafter des Internationalen Netzwerks der Straßenzeitungen und stellt

uns zusätzlich exklusiv eine Weihnachtsgeschichte zum Abdruck zur Verfügung! An Sie, unsere Leserinnen und Leser,

gerichtet, schreibt er, er habe diese Geschichte gestiftet, „weil ich der Überzeugung bin, dass die Menschen einander

unterstützen sollten, und dass wir insbesondere denen helfen sollten, die weniger privilegiert sind als wir selbst.

Straßenzeitungen machen genau das, und indem Sie regelmäßig Ausgaben einer Straßenzeitung von Ihrem lokalen

Verkäufer kaufen, helfen auch Sie.“

käufer kein Almosen wollen, sondern wirklich mit dem

Verkauf etwas „verdienen“ möchten. Ich denke, dieje-

nigen, die etwas geben, sind sich sicherlich nicht dar-

über im Klaren, dass ihre „Gabe“ auch falsch aufgefasst

werden könnte.

Ganz herzliche Grüße und weiter so, Marita Claasen

Liebes bodo-Team,

vielen Dank für die Dazkarieh-Karten, es war ein toller

Abend mit einem Musikerlebnis, das mir sonst sicher-

lich entgangen wäre. Eine Band, die auf jeden Fall zu

empfehlen ist!

Viele Grüße, Rita Pieperhoff

LESERBRIEFE

Lieber bodo!

Glückwunsch zur aktuellen Ausgabe! Schön, dass es euch

gibt! Dankeschön und weiterhin viel Erfolg! Ben Kramm

Hallo, liebe Mitarbeiter der Redaktion,

nach langer Zeit habe ich gestern mal wieder bodo ge-

kauft, weil eine Verkäuferin in Lünen-Süd die Zeitung

anbot. Früher habe ich sie mir öfter aus Dortmund mit-

gebracht, aber zur Zeit fahre ich nicht mehr so oft dort-

hin zum Einkaufen.

Bei uns in Lünen findet man auch andere „Obdachlosen-

zeitungen“, die aber bei weitem nicht so gut geschrie-

ben sind. Mir gefallen die Beiträge wirklich gut, weil sie

zum Einen gut geschrieben sind, zum Anderen aber auch

Interessantes zu berichten haben.

Ich werde nun mehr darauf achten, ob die Verkäuferin

nächsten Monat wieder bei Aldi in Lünen-Süd steht.

Mich hat insbesondere Ihr Hinweis berührt, dass die Ver-

Schreiben Sie uns Ihre Meinung!

bodo e.V. | Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

oder eMail an: [email protected]

Foto: Marcos Borges

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