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Bodo Schäfer, Boris Grundl - Leading Simple

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    eliasmm

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Erfolgreich Führen kann man lernen. Qualifizierte Aus- und Weiterbildungen sind Grundlage jedes Berufes.

Text of Bodo Schäfer, Boris Grundl - Leading Simple

  • Boris Grundl / Bodo Schfer

    Leading Simple

  • Fr Peter. Welch ein Vorrecht, von Dir lernen zu drfen,

    damals wie heute.

    Fr Kamil. Danke fr Dein Vertrauen und Deine Untersttzung.

  • Boris GrundlBodo Schfer

    Leading SimpleFhren kann so einfach sein

  • Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

    in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

    sind im Internet ber http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    ISBN 978-3-89749-708-5

    2007 by GABAL Verlag GmbH, Offenbach

    Projektleitung: Ute Flockenhaus

    Lektorat: Anke Schild, Hamburg

    Umschlaggestaltung: +malsy Kommunikation und Gestaltung, Willich

    Satz und Layout: Das Herstellungsbro, Hamburg | www.buch-herstellungsbuero.de

    Druck und Bindung: Salzland Druck, Stafurt

    Alle Rechte vorbehalten. Vervielfltigung, auch auszugsweise, nur mit

    schriftlicher Genehmigung des Verlages.

    www.gabal-verlag.de

    www.gabal-shop.de

    www.gabal-ist-ueberall.de

  • Inhalt

    Vorbemerkung 6

    Prolog 7

    Teil I Die Geschichte von Louis Berg

    1. Die erste Begegnung 11

    2. Der Unfall 21

    3. Der Roundtable of Leaders 29

    4. Drei mal fnf 39

    Teil II Leading Simple: Das System

    5. Die fnf Aufgaben 53

    6. Warum Motivation von innen kommen muss 59

    7. Der Wert von Systemen 67

    8. Wann und wie beginnen? 76

    9. Die fnf Hilfsmittel 81

    10. Manipulation oder Beeinflussung? 91

    11. Die fnf Prinzipien 103

    Teil III Leading Simple: Die Verpflichtung

    12. Ein Versprechen an sich selbst 117

    Teil IV Leading Simple: Die Traktate

    13. Die fnf Aufgaben 135

    14. Die fnf Hilfsmittel 152

    15. Die fnf Prinzipien 166

    Literaturhinweise 179

    Stichwortverzeichnis 185

    ber die Autoren 189

  • Vorbemerkung

    In der folgenden Geschichte wurden die Namen und Orte in den meis-

    ten Fllen gendert. Dies geschah aus Respekt vor den Personen, die

    unerkannt bleiben wollen.

    Leading Simple steht fr das Fhren mit Kopf, Hand und Herz. Die-

    se Symbole sollen uns daran erinnern, stets alle drei Aspekte wirk-

    samer Fhrung zu bercksichtigen:

    die Aufgaben fr den Kopf (was ist zu tun?),

    die Hilfsmittel fr die Hand (womit ist es zu tun?) und

    die Prinzipien fr das Herz (wie und warum ist es zu tun?).

  • 7PROLOG

    Prolog

    Menschen sind wie Musikinstrumente,

    ihre Resonanz hngt davon ab, wer sie berhrt.

    VERGIL

    Fnf Vorstandsmitglieder der Gruber AG warteten gespannt. Der

    Mann, der die Firma aufgebaut hatte und den sie alle ehrfrchtig den

    Alten nannten, hatte sie gebeten, sich im groen Konferenzzimmer

    einzufinden. Das war es: Er hatte sie gebeten, er befahl fast nie etwas.

    Er stellte Fragen und machte Vorschlge. Oder er bat eben um etwas.

    Seit der Alte die Leitung der Firma abgegeben hatte, war nichts

    mehr wie frher. Zwar gingen die Umstze und die Gewinne nur leicht

    zurck. Aber die Stimmung wurde immer schlechter. Kaum jemand

    ging noch gern zur Arbeit. Einige langjhrige Mitarbeiter hatten be-

    reits gekndigt. Man hatte den Eindruck, dass es nur eine Frage der

    Zeit war, bis die Firma in ernsten Schwierigkeiten sein wrde. Natr-

    lich versuchte man den Grund herauszufinden. Doch eine einleuch-

    tende Erklrung fand niemand. Sehr oft wurde allerdings gesagt, dass

    man bei dem Alten wusste, wo man dran war, und seit er gegangen

    sei, fehle diese Orientierung.

    Und dann nach ber drei Jahren war der Alte pltzlich wieder-

    gekommen. Hatte Gesprche gefhrt mit verschiedenen Mitarbeitern.

    Hatte die Situation erfasst, begriff, dass noch etwas Entscheidendes an

    seinem Lebenswerk fehlte.

  • 8 LEADING SIMPLE

    Er sagte den Fhrungskrften, ihr EQ sei gesunken. Diese Abkr-

    zung hatte er oft benutzt. Sie steht fr Effektivittsquotient. Der Effekti-

    vittsquotient bestimmt, wie effektiv jemand ist, ob jemand leistet, was

    er zu leisten imstande ist, ob er erreicht, was er sich vorgenommen hat.

    Man gab dem Alten recht, niemand in der Firma hatte in der letzten

    Zeit den Eindruck, besonders effektiv gewesen zu sein.

    Der Alte fuhr fort: Wenn Sie nicht effektiv waren, dann liegt der Grund

    in mangelnden Fhrungsfhigkeiten. Fr ihn machte Fhrung den Un-

    terschied zwischen Erfolg und Versagen im Leben aus. Er war zu dem

    Schluss gekommen, dass die Gruber AG ein Fhrungsproblem hatte.

    Und dann kndigte er einen Superboss an: Der kann ein Fhrungs-

    system installieren, das unabhngig von Personen funktioniert.

    Keiner wusste genau, was der Alte damit meinte. Aber man erwar-

    tete Groes von dem angekndigten Mann, hoffte, dass er Freude und

    Selbstbewusstsein in die Firma zurckbringen wrde. Es war mensch-

    lich, dass sich jeder ein Bild malte von diesem Genie. Denn er musste

    genial sein, wenn der Alte so von ihm schwrmte. Wahrscheinlich

    einer, der anpacken konnte, wie der Alte damals.

    Der Alte hatte wrtlich gesagt: Ihr werdet endlich wissen, was

    Fhren bedeutet. Mit diesem Wissen wird jeder von euch schnell sei-

    nen EQ steigern. Ihr werdet erreichen, was auch immer ihr euch vor-

    nehmt.

    Nun wartete also die Fhrungsriege im Konferenzraum auf diesen

    Macher, den der Alte Louis nannte. Zu dieser Fhrungscrew gehrten

    Eberhard Wehrlich, der Lagerleiter, Manuela Herzlich, die Personallei-

    terin, Gottfried Zucker, der oberste Buchhalter, Inge Salm, die Marke-

    tingleiterin, und Alfred Specht, der Controller.

  • Teil I

    Die Geschichte von Louis Berg

  • 111. DIE ERSTE BEGEGNUNG

    1. Die erste Begegnung

    Guten Morgen, hrten die Wartenden eine Stimme, ich bin Louis

    Berg. Einige Sekunden vorher war die Tr aufgegangen pnktlich

    um 9 Uhr 15 und ein Rollstuhlfahrer in den Konferenzraum herein-

    gerollt. Nun begrte er sie.

    Die Anwesenden starrten ihn an. Die berraschung stand ihnen auf

    der Stirn geschrieben. Ein Rollstuhlfahrer. Man hatte ein Fhrungs-

    genie erwartet, jemanden, der anpacken konnte. Eben ein Vorbild.

    Warum sind Sie hier? Ihre Gedanken wurden unterbrochen

    durch diese kurze Frage von Herrn Berg. Schweigen. Es war ihnen

    peinlich, ihn so angestarrt zu haben.

    Ich frage noch einmal: Warum sind Sie hier? Louis Berg schien

    jedem Einzelnen in die Augen zu sehen.

    Dieses Mal hatten sie die Frage aufgenommen und dachten nach.

    Sie waren gekommen, weil der Alte sie gebeten hatte. Weil sie ein

    Fhrungsgenie kennenlernen wollten.

    Frau Salm, die Marketingleiterin, antwortete: Weil der Alte, also

    Herr Gruber, uns darum gebeten hat.

    Und Sie haben berhaupt keine Erwartungen an mich?, fragte

    Louis Berg. Fr ein paar Sekunden herrschte Schweigen.

    Lassen Sie uns offen sprechen ... Louis Bergs Stimme durch-

    schnitt erneut ihre Gedanken. Sie haben jemand anderes erwartet

    als mich. Jemanden, der als Vorbild vorausgeht und den Weg weist

    wie Harald Gruber. Eine geniale Fhrungskraft. Er machte eine kur-

    ze Pause. Fr mich ist das Wort Fhrungs-Kraft nicht optimal. Die

  • 12 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    Beschreibung eines krftigen Menschen trifft auf mich augenschein-

    lich zumindest krperlich nicht zu. Ich fhre nicht mit Kraft. Statt

    von Fhrungskrften zu sprechen, schlage ich vor, wir sagen Leader.

    Dieses Wort symbolisiert fr mich ein Fhren ohne Kraft, ohne Kampf.

    Trotzdem oder gerade deshalb hat mein Freund Harald mich ge-

    beten, hierherzukommen. Er hat diese Firma aufgebaut, eine fantas-

    tische Leistung. Aber als er vor drei Jahren in den Ruhestand ging, da

    zeigte sich pltzlich, dass er berall fehlte. Er wartete drei Jahre ab, um

    seinen Nachfolgern eine Chance zu geben. Aber die Stimmung wurde

    immer schlechter. Die meisten haben den Spa an ihrer Arbeit verlo-

    ren. Es gab Streit und einige bewhrte Mitarbeiter haben gekndigt.

    Als Visionr kann Harald Gruber sehen, dass Sie auf dem direkten Weg

    in eine Krise sind.

    Die Anwesenden nickten zustimmend. Sie wussten: Was der Mann

    im Rollstuhl da sagte, stimmte absolut.

    Er fuhr fort: Dann ist er zurckgekommen und hat mit Ihnen

    und verschiedenen anderen Gesprche gefhrt. Er wollte herausfin-

    den, wo das Problem liegt. Es zeigte sich, dass keiner genau wei, was

    von ihm erwartet wird. Es fehlt Orientierung. Fast jeder hier vermisst

    Gruber.

    Der Mann im Rollstuhl konnte in den Gesichtern seiner Zuhrer

    sehen, dass der Alte ihnen tatschlich sehr fehlte. Er erklrte: Sie alle

    kennen das Krzel EQ, es steht fr Effektivittsquotient.

    Natrlich, unterbrach ihn Eberhard Wehrlich, der Lagerleiter.

    Der EQ bestimmt, wie effektiv jemand ist. Ob er leistet, was er im-

    stande ist zu leisten. Und ob er umsetzt, was er sich vornimmt.

    Und ist Ihnen das weitgehend gelungen? Haben Sie geleistet, wozu

    Sie in der Lage sind? Und haben Sie umgesetzt, was Sie sich vorge-

    nommen haben?, fragte Louis Berg.

    Die Fhrungskrfte schttelten verlegen die Kpfe. Warum

    nicht?, erkundigte sich Herr Berg.

    Sie dachten einen Moment nach. Dann meldete sich Frau Herzlich,

    die Personalleiterin, zu Wort: Der Alte, also Herr Gruber, sagt immer:

  • 131. DIE ERSTE BEGEGNUNG

    Wenn Sie nicht effektiv waren, dann liegt das an mangelnden Fh-

    rungsfhigkeiten. Ich habe aber den Zusammenhang nie ganz klar ver-

    standen. Ich meine, es liegt eher an der schlechten Stimmung hier.

    Wo wrden Sie auf einer Skala von 1 bis 10 Ihre Effektivitt der

    letzten Monate einordnen? 1 wre sehr uneffektiv und 10 uerst ef-

    fektiv. Wie viel von dem, wozu Sie in der Lage sind, haben Sie wirklich

    geleistet?, fragte der Mann im Rollstuhl.

    Maximal 4, sagte Frau Salm. Bei mir war es eine 5, murmelte

    Herr Zucker, der Buchhalter. Eine 3, sagten andere.

    Louis Berg erklrte ernst: Wo auch immer Sie Ihre Effektivitt ein-

    geordnet haben, dort ist auch Ihre Fhrungsfhigkeit einzuordnen.

    Wenn Ihre Effektivitt eine 4 verdient, dann verdient auch Ihre Fh-

    rungsfhigkeit eine 4. Wenn Ihre Effektivitt eine 9 verdient, dann

    verdient auch der Grad Ihrer Fhrungsfhigkeit eine 9. Was ich Ihnen

    damit sagen mchte: Der Grad an Effektivitt, den Sie in Ihrem Leben er-

    fahren, steht in direkter Proportion zu Ihrer Fhrungsfhigkeit.

    Manuela Herzlich meldete sich nachdenklich zu Wort: Ich glaube,

    ich beginne es zu verstehen. Aber das wrde ja heien, dass letztlich

    die Fhigkeit zu fhren den groen Unterschied ausmacht im Job.

    Nicht nur im Job, ergnzte der Mann im Rollstuhl. Was wir hier

    besprechen, gilt fr jeden Bereich unseres Lebens: fr Partnerschaften,

    Freundschaften, in Vereinen, in der Kirche ... Immer ist Fhrung der

    entscheidende Faktor. Er schrieb gro auf das Flipchart:

    Die Fhigkeit zu fhren ist der Unterschied zwischen Erfolg und Versagen und damit zwischen einem erfllten Leben und frustrierender Mittelmigkeit.

  • 14 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    Louis Berg lie den Satz einwirken. Dann fuhr er fort: Menschen

    haben sehr viel Energie, wir knnen auch sagen: Mglichkeiten. Der

    grte Teil dieser Energie wird verschwendet, weil sie nicht gebn-

    delt wird. Die meisten ahnen nicht einmal, was sie erreichen knnten,

    wenn sie effektiv mit ihrer Energie umgehen wrden. Und hier set-

    zen Leader ein: Sie bndeln Mglichkeiten. Fhrung bndelt Energie. Wir-

    kungsvolle Leader sind effektiv, weil sie verschiedene Mglichkeiten

    fr ein Ziel zusammenbringen. Sie verhindern, dass Energie ziellos

    vergeudet wird.

    Louis Berg konnte sehen, wie es in seinen Gesprchspartnern arbei-

    tete. Sie sahen einander kurz fragend an, dann nickten sie. Er wusste

    nun, sie hatten es verstanden. Als wenn sie seine Beobachtung best-

    tigen wollte, meldete sich Frau Herzlich: Also hngt mein Erfolg im

    Leben letztlich davon ab, ob ich erfolgreich fhren kann. Wenn man

    das bedenkt, dann habe ich mich viel zu wenig damit befasst, erfolg-

    reich zu fhren ...

    Wir htten mehr vom Alten lernen sollen, solange er noch hier

    war, warf Herr Wehrlich ein. Der konnte wirklich fhren.

    Aber Harald Gruber ist zu alt, um noch einmal die Tagesgeschfte

    aufzunehmen. Er will, dass ein System geschaffen wird, das ihn er-

    setzt. Ein von Personen unabhngiges System. Louis Berg legte eine

    kurze Pause ein. Er las es in ihren Gesichtern: Fr sie blieb unvorstell-

    bar, dass irgendwer oder irgendetwas ihren verehrten Harald Gruber

    ersetzen knnte.

    Mit anderen Worten, fuhr Ludwig Berg fort, er will, dass Sie ler-

    nen, diese Firma so erfolgreich zu fhren wie er allerdings ohne ihn

    zu kopieren. Harald sagte mir, dass Sie hervorragende Fachkrfte sind.

    Buchhaltung, Produktion, Verkauf, Marketing und so weiter Sie

    verstehen Ihr Handwerk. Harald Gruber ist stolz auf Sie. Aber es gibt

    ein Problem, und das Problem, das ich jetzt schildere, existiert nicht

    nur in der Gruber AG, sondern in vielen Firmen. Die meisten Abtei-

    lungsleiter wissen nicht genau, wie sie ihre Abteilung leiten sollen. Sie

    sind ausgezeichnete Fachkrfte, die nebenbei leitend ttig sind. Sie sind

  • 151. DIE ERSTE BEGEGNUNG

    keine Leader. Den grten Teil des Arbeitstages verbringen sie damit,

    jemandem etwas vorzumachen was ihnen aufgrund ihrer fachlichen

    Qualitt nicht schwerfllt. Aber die meisten Menschen in leitenden

    Positionen knnen nicht fhren, weil sie nicht genau wissen, was das

    eigentlich ist. Einige der Anwesenden stimmten ihm sofort zu. In

    anderen schien sich Protest zu regen.

    Ein Mann meldete sich: Mein Name ist Zucker. Ich leite seit Jahren

    die Buchhaltung, und zwar erfolgreich. Ich arbeite heute nichts anders

    als zu der Zeit, als der Alte noch da war.

    Ach ja?, zischte Frau Salm, und warum sind Ihnen dann vor

    drei Monaten Ihre beiden besten Mitarbeiterinnen abgehauen? Sie

    und erfolgreich fhren. Dass ich nicht lache!

    Gottfried Zuckers Gesicht frbte sich dunkelrot. Frau Salm, von

    Ihnen muss ich mir so etwas schon mal gar nicht sagen lassen. Das

    Einzige, was Sie von Marketing wissen, ist, wie Sie sich beim Alten

    einzuschleimen hatten. Wie Sie sich schon kleiden

    Frau Salm fauchte kaum hrbar: Sie sollten das Wort Kleidung

    nicht einmal in den Mund nehmen. Sie haben Ihren Pullunder nun

    schon mindestens drei Monate

    Der Mann im Rollstuhl unterbrach sie: Zumindest scheinen un-

    terschiedliche Ansichten ber Fhrung zu bestehen Wenn Sie sich

    nicht darauf verstndigen knnen, was eine erfolgreiche Fhrung aus-

    zeichnet wie sollen es dann Ihre Mitarbeiter wissen?

    Er schrieb wieder etwas auf das Flipchart:

    Mitarbeiter, die nicht wissen, was man von ihnen erwartet, kndigen. Sie kndigen zuerst innerlich und Monate spter verlassen sie die Firma.

  • 16 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    Gottfried Zuckers Gesicht wurde noch dunkler. Frau Salm starrte be-

    troffen auf ihre Fingerngel.

    Louis Berg sagte nach einer Weile: Solange Harald Gruber in der

    Firma war, konnte sich jeder an ihm orientieren. Jeder wusste, fr

    welche Werte er steht, jeder wusste, was von ihm erwartet wurde.

    Nachdenklich nahm Herr Wehrlich den Faden auf: Ich glaube, wir

    wollen alle so sein wie Herr Gruber. Aber das gelingt uns nicht. Er ist

    einmalig. Vielleicht liegt darin das Problem.

    Sie kommen dem entscheidenden Punkt nahe, pflichtete Louis

    Berg ihm bei. Die wichtige Frage ist doch: Was ist eigentlich Fh-

    rung? Wissen Ihre leitenden Mitarbeiter ganz konkret, welche Auf-

    gaben sie haben? Und damit meine ich nicht die Sachaufgaben einer

    Abteilung. Ich meine die reinen Fhrungsaufgaben.

    Gottfried Zucker meldete sich: Aber es ist doch klar, welche Aufga-

    ben ich habe: Die Buchhaltung muss stimmen. Und sie muss mglichst

    schnell fertig sein. Jeder muss sein Bestes geben. Dafr sorge ich.

    Sie sorgen so gut dafr, dass bei Ihnen eine Stimmung herrscht wie

    auf dem Friedhof, konterte Frau Salm.

    Louis Berg sah sie ruhig an. Sie hob entschuldigend die Hand. Dann

    sagte er: Wir mssen Sachaufgaben von Fhrungsaufgaben trennen.

    In den Sachaufgaben ist jeder Einzelne von Ihnen deutlich qualifi-

    zierter als ich. Aber die Fhrungsaufgaben sind Ihnen nicht klar. Ich soll

    ein System schaffen, mit dem jeder fhren lernen kann. Darum bin ich

    hier. Dazu mchte ich Sie um Ihre Hilfe bitten, denn wir mssen zuerst

    einen gemeinsamen Nenner finden. Ich habe eine Aufgabe fr Sie: Le-

    gen Sie doch bitte fest, was einen guten Leader in Ihren Augen auszeichnet

    und was Ihre Aufgabe ist. Diskutieren Sie diese Fragen. Wir treffen uns

    nach der Mittagspause hier und besprechen Ihre Ergebnisse.

    Als Louis Berg in den Konferenzraum zurckkam, war die Diskussion

    noch in vollem Gang. Alle hatten in etwa die gleichen Ergebnisse

    und trotzdem wirkten sie nicht zufrieden. Herr Berg lie die einzelnen

    Punkte auf ein Flipchart schreiben. Dort stand dann eine lange Liste.

  • 171. DIE ERSTE BEGEGNUNG

    Was gute Leader auszeichnet / ihre Aufgaben:

    Gerechtigkeit

    Charisma

    Selbstbeherrschung

    Sparsamkeit

    Humor

    Beliebtheit

    Vorbildfunktion

    Kritikfhigkeit

    Flei

    Unbeirrbarkeit und Willensstrke

    keine Launenhaftigkeit

    Entwicklung von Visionen

    Kontrolle

    Fhigkeit zum Delegieren

    Integritt

    vertrauenerweckender Gesamteindruck

    Belastbarkeit

    positives Denken

    entschlossenes Handeln

    Verschwiegenheit

    Loyalitt

    Menschenliebe

    Organisationstalent

    Fhigkeit, andere zu motivieren

    Ehrlichkeit

    Mut

    Kreativitt

    Selbstbewusstsein

    analytisches Denken

    Entscheidungsstrke

    Lernbereitschaft

    Demut

    gutes Zeitmanagement

    Fhigkeit, zu dienen

  • 18 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    Alle schauten andchtig auf die imposante Ansammlung von Begrif-

    fen. Louis Berg kommentierte ihre Arbeit: Sind Sie sicher, dass Sie

    nichts vergessen haben? Das kann doch nicht schon alles sein oder

    knnten Sie gar etwas weglassen?

    Ohne die Ironie in diesen Worten zu bemerken, antwortete Alfred

    Specht, der Controller: Ich sage doch schon die ganze Zeit, dass man

    nicht beliebt sein muss als Fhrungskraft, Verzeihung, als Leader. Es

    ist besser, wenn ein bisschen Angst mit im Spiel ist.

    Meine Worte entscheidend ist nur, dass die Zahlen gut sind.

    Dazu braucht man keinen Beliebtheitswettbewerb, stimmte Gottfried

    Zucker zu. Er fuhr fort: Ich glaube auch nicht, dass man motivieren

    muss. Andere schttelten darber den Kopf insbesondere der gut-

    mtige Lagerleiter Wehrlich.

    Herr Berg sprach jetzt leise und betonte jedes Wort: Sie haben

    recht. Vieles auf dieser Liste gehrt nicht dorthin. Es ist falsch, nach

    der idealen Fhrungskraft zu fragen. Was Sie hier beschrieben haben,

    ist ein fantastischer Gutmensch, ein berlebensgroer Superboss. Eine

    Mischung aus Csar, Mutter Theresa, Gandhi und Bill Gates. Wenn

    das die Anforderung ist, dann gengt ihr kaum jemand. Ich jedenfalls

    nicht. Er schrieb:

    Aber der Alte war so, widersprach Manuela Herzlich, die Personal-

    leiterin. Er hatte alle diese Eigenschaften. Nur darum konnte er diese

    Firma aufbauen. Ich wre gern so wie er.

    Louis Berg lchelte: Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie wichtig

    diese Diskussion ist. Unsere Fhigkeit zu fhren entscheidet ber un-

    seren Erfolg im Leben. Der Grad unserer Effektivitt entspricht dem

    Grad unserer Fhrungsfhigkeit. berall auf der Welt mssen wir

    Leader sind ganz normale Menschen.

  • 191. DIE ERSTE BEGEGNUNG

    fhren. Nicht nur in Firmen, sondern immer dann, wenn wir die Hilfe

    anderer Menschen brauchen. Fhren gehrt zu unserem tglichen Le-

    ben. Aber erstaunlicherweise sind die Aufgaben eines Leaders nirgendwo

    niedergelegt. Fr jeden Beruf gibt es eine Form der Ausbildung und

    einen qualifizierenden Abschluss. Aber zu einer leitenden Position

    kommt man einfach kraft Befrderung oder Ernennung. Es wurde

    bisher nie klar festgelegt, worin eigentlich unabhngig von der jeweiligen

    Branche die Aufgabe eines Leaders besteht.

    Seine Zuhrer blickten ihn mit groen Augen an. Er fuhr fort: Was

    ist Fhrung? ber kaum ein Thema gibt es derartige Massen an In-

    formation in Bchern, Magazinen, Videos, Seminaren Sie finden

    unzhlige Antworten, darunter auch viele falsche Schlussfolgerungen,

    die fr Verwirrung sorgen. Wir sind berfttert mit Informationen,

    ohne Klarheit darber zu haben, worauf es wirklich ankommt. Nie-

    mand wei genau, was eine wirkungsvolle Fhrungskraft tun muss.

    An die Stelle einer Aufgabenbeschreibung trat die Verherrlichung ein-

    zelner Starunternehmer. Die persnlichen Eigenarten dieser Super-

    stars wurden zu Fhrungsstilen erklrt. Und jeder dachte: Wenn ich

    wie XYZ bin, dann bin ich eine bessere Fhrungskraft. Statt Aufgaben

    zu erfllen, wollte man so sein wie die Stars. Jeder nahm sich andere

    Vorbilder und verherrlichte andere Charaktereigenschaften.

    Lous Berg hielt kurz inne. Wird eine Firma von einem solchen

    charismatischen Menschen gefhrt, erluterte er dann, so gibt es

    innerhalb dieser Firma eine Art System, weil jeder versucht, ihm nach-

    zueifern. Aber was geschieht, wenn ein solcher Mensch abtritt, die

    Firma verlsst? Dann entsteht ein Loch und es herrscht Orientierungs-

    losigkeit. Jeder sucht sich dann seinen persnlichen Fhrungsstil. Aber

    das Wichtigste wird vergessen: Niemand wei genau, welche Aufgaben jeder

    Leader immer und auf jeden Fall zu erfllen hat. Weil die Fhrungsauf-

    gaben nicht definiert wurden, konnte kein einheitliches Fhrungssys-

    tem entstehen. Ohne ein klares System knnen wiederum die meisten

    Menschen ihre Fhrungsfhigkeiten nicht entwickeln und trainieren.

    Die Folge ist Unsicherheit. Wer unsicher ist, kann keine optimalen

  • 20 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    Ergebnisse erzielen. Der Mann im Rollstuhl sah seine Zuhrer an

    und bemerkte, dass sie vieles verstanden hatten. Aber sie hatten die

    Wichtigkeit seiner Worte noch nicht ganz erfasst. Sie sollten ihn nicht

    nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen verstehen. Darum

    entschloss er sich, ihnen seine Geschichte zu erzhlen.

    Vergessen Sie alles, was Sie bisher ber Fhrung gehrt haben. Das

    meiste sind Mythen, die wir berwinden mssen. Wir werden die Fak-

    ten von den Mrchen trennen. Ich schlage vor, wir treffen uns morgen

    frh wieder hier, pnktlich um Viertel nach neun. Dann werde ich

    Ihnen erklren, warum man nicht so sehr berlegen sollte, wie eine

    Fhrungskraft zu sein hat, und dass es viel effektiver ist, zu wissen, was

    sie tun muss. Ich werde Ihnen meine Geschichte erzhlen. Denn durch

    das, was ich erlebt habe, habe ich die Mythen ber Fhrung als solche

    durchschaut, einen nach dem anderen. Ich war einmal Tennisprofi

    bis ich mir bei einem Sprung ins Wasser das Genick brach. Aber das

    erzhle ich Ihnen morgen.

    Noch eins, setzte Louis Berg an, die Teilnahme ist freiwillig, Sie

    mssen nicht kommen. Aber wenn Sie sich entscheiden, morgen zu

    kommen, dann beginnt es. Dann beginnt fr Sie der Prozess, durch den Sie

    zu einer wirkungsvollen Fhrungskraft werden.

    Bevor er den Raum verlie, schrieb er auf das Flipchart:

    Frage nicht, wie eine Fhrungskraft sein soll, sondern was sie tun muss.

  • 212. DER UNFALL

    2. Der Unfall

    Alle waren gekommen schon Minuten vor der vereinbarten Zeit. Mit

    einem frischen Guten Morgen danke, dass Sie gekommen sind

    rollte Louis Berg in den Raum und begann ohne weitere Umschweife

    mit seinem Bericht.

    Mit 25 Jahren gehrte ich als Tennisprofi zu den Top 100 in

    Deutschland. Ich hatte groe Ziele und trainierte wie ein Tier. Neben-

    bei studierte ich Sport. Tennisspielen war fr mich ein Kampf auf Le-

    ben und Tod, fressen oder gefressen werden. Ein Urlaub in Mexiko, der

    Sprung von einem Wasserfall und pltzlich war alles zu Ende: Ich

    wollte den Indios nacheifern. Die sprangen unbekmmert einen zehn

    Meter hohen Wasserfall im Dschungel hinunter in einen kleinen See.

    Den ersten Versuch berstand ich unbeschadet. Beim zweiten Sprung

    passierte das Unglck: Beim Aufprall auf dem Wasser berstreckte

    mein Kopf und ich brach mir den siebten Halswirbel.

    Mein Freund und Reisegefhrte Thomas konnte mich mithilfe ei-

    niger Indios aus dem Wasser bergen. In einem nahe gelegenen Kran-

    kenhaus wurde ich am nchsten Tag operiert. Aber die rzte waren

    vllig berfordert. Ich blieb gelhmt neunzig Prozent meines Krpers

    kann ich nicht mehr bewegen. Lange Zeit hatte ich eine groe Wut auf

    diese rzte

    Meine Mutter schaffte es mit unglaublichem Einsatz, die 75 000

    Euro fr meinen Rcktransport nach Deutschland zusammenzube-

    kommen. Dort wurde ich ein zweites Mal operiert. Diesmal war es

    endgltig: Ich bin vom Hals abwrts gelhmt, nur meine Arme kann

  • 22 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    ich bewegen die Finger der linken Hand aber nur zu zehn Prozent

    und die der rechten zu dreiig Prozent.

    Da lag ich nun in der Reha-Klinik ich, der ehemalige Hochleis-

    tungssportler. Hier begann mein Kampf um ein lebenswertes Leben

    nach dem Unfall. Die ersten zwei Monate waren die Hlle. Ich muss-

    te die ganze Zeit auf dem Rcken liegen, das Einzige, was ich sehen

    konnte, war die Decke. Die hufigen Besuche von meiner Mutter, von

    meiner Freundin Gabi und von einigen meiner Freunde gingen ber

    meine Kraft. Ich hielt das ganze Mitleid einfach nicht mehr aus. Ich bat

    sie, mich sechs Wochen lang in Ruhe zu lassen.

    Die ganze Zeit qulte mich die Frage: Warum musste das ausge-

    rechnet mir passieren? Fr mich war doch der Sport so wichtig. Ich

    wurde immer frustrierter und verbrachte die Tage damit, mich selbst

    zu bedauern. Und dann aus heiterem Himmel tauchte pltzlich

    eine andere Frage auf: Wofr ist dein Unfall gut?

    Ich dachte: Okay, jetzt ist es so weit, jetzt wirst du auch noch ver-

    rckt. Ich versuchte die Frage zu verdrngen aber sie beschftigte

    mich immer strker.

    Wozu mein Unfall gut war? Was fr eine hirnrissige Frage! Ich kann

    nie mehr Tennis spielen, nie mehr eine Frau verfhren, muss von So-

    zialhilfe leben, beruflich kann ich vielleicht irgendwo Kinokarten ab-

    reien wenn ich meine Finger weiter trainiere Was fr ein er-

    brmliches Leben. Wozu soll das gut sein? Wozu?

    Ich blickte voller Wut auf die Tennispokale, die mir meine Mutter

    als Erinnerung an glanzvolle Zeiten ans Bett gestellt hatte. Ich bat eine

    Krankenschwester, die Pokale in den Schrank zu verfrachten. Und

    ich machte mit meiner Freundin Schluss. Denn ich fhlte, dass sie

    mich nicht mehr liebte, sondern aus Mitleid bei mir bleiben wollte.

    Das konnte ich nicht ertragen. Als ich es ihr sagte, waren wir beide

    erleichtert. Nachdem sie gegangen war, fhlte ich mich sehr allein.

    Erleichtert zwar, aber auch unendlich einsam.

    Tage vergingen, Wochen, Monate. Ich durfte das Bett verlassen und

    lernte, mich in meinem neuen Leben zurechtzufinden: der Rollstuhl,

  • 232. DER UNFALL

    die Krankengymnastik, die Einsamkeit Wozu war dieser Unfall gut?

    Ob Sie es glauben oder nicht, ich fand Antworten. Zuerst einzelne, dann

    immer mehr. Ich konnte mich inzwischen einigermaen souvern mit

    dem Rollstuhl bewegen. Ich hatte mir Ziele gesetzt wie damals beim

    Tennis. Ich trainierte wie verrckt, um mglichst beweglich zu sein.

    Und whrenddessen fielen mir immer mehr Antworten ein, wofr

    der Unfall gut war: Ich hatte nun viel Zeit, um ber die Dinge nachzu-

    denken, auf die es wirklich ankam. Ich fand heraus, wer meine wah-

    ren Freunde sind. Ich musste nicht mehr blenden womit auch? Ich

    stie an meine wirkliche Leistungsgrenze. Doch mir fehlte noch die

    eine, alles entscheidende Antwort.

    Die Konzentration auf jene magische Frage vernderte meinen Zu-

    stand und meine Laune. Auch andere bemerkten die Vernderung.

    Christiane, meine Krankengymnastin, verliebte sich in mich. Ich war

    berglcklich weil ich mich ebenfalls verliebt hatte und gleichzei-

    tig zu Tode betrbt. Wie konnte ich sie glcklich machen? Nach und

    nach begriff ich, dass sie mich so liebte, wie ich war. Wir haben bri-

    gens spter geheiratet und eine Tochter bekommen: Vivien. Sie ahnen

    wahrscheinlich, was es fr mich bedeutet, Vater zu sein. Ich geniee

    jede Sekunde mit meiner Tochter.

    Ich lernte mich weit besser zu bewegen, als die Mediziner es bei

    meinem Lhmungsgrad fr mglich gehalten hatten. Obwohl oder

    auch gerade weil ich meine Fhigkeiten immer wieder auf die Pro-

    be gestellt habe, erlebte und erlebe ich freilich auch Rckschlge und

    Peinlichkeiten. Einmal hrte ich, wie ein anderer Patient mit seiner

    Frau ber mich sprach: fr den armen Krppel wre es besser ge-

    wesen, er htte den Unfall nicht berlebt was fr eine Zukunft hat

    er denn? Die Worte trafen mich hart. Wre ich wirklich besser tot?

    Wie konnte er so etwas sagen? Ich fuhr voller Rage und Frust in den

    Wald. Dort strzte ich einen Abhang hinunter. Ich fiel aus meinem

    Rollstuhl und blieb an einem Baum liegen. Ich hatte unglaubliche

    Schmerzen, mein Schlsselbein war gebrochen. Stundenlang lag ich

    dort, ich schrie um Hilfe. Niemand hrte mich

  • 24 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    Wozu ist jener Unfall wirklich gut? Zwischen den Schmerzenssch-

    ben beschloss ich, noch intensiver ber diese Frage nachzudenken.

    Auf einmal wich auch die Angst, nicht gefunden zu werden, obwohl

    es langsam dunkel wurde. In der Klinik hatte man mich zunchst gar

    nicht vermisst und nahm erst in der Nacht die Suche auf. Letztlich fand

    mich dann die Feuerwehr. Zum Glck heilte der Bruch recht schnell.

    Als Rollstuhlfahrer musste ich die einfachsten Dinge neu lernen,

    zum Beispiel mich anziehen. Als ich das erste Mal versuchte, einen

    Strumpf berzuziehen, bentigte ich zwanzig Minuten. Es dauerte vier

    Stunden, bis ich ganz angezogen war. Ich rechnete hoch: acht Stunden

    frs An- und Ausziehen. Ein tolles Leben lag vor mir. Wofr war dieser

    Unfall gut?

    Eines Morgens dann passierte es: Ich fand die Antwort. Ich war um

    fnf Uhr frh aufgestanden und hatte die Klinik verlassen, um auf

    einen kleinen Hgel hinaufzufahren. Ich wollte es ohne fremde Hilfe

    schaffen.

    Oben konnte ich dann zum ersten Mal seit meinem Unfall die Sonne

    aufgehen sehen. Sie knnen sich vielleicht vorstellen, wie ich diesen

    Moment genoss. Gleichzeitig begann sich die Antwort in mir zu for-

    men: Ich musste lernen, Hilfe anzunehmen. Es ging in meinem Leben

    nicht mehr ums Fressen oder Gefressenwerden, es gab kein Gegen-

    einander mehr, sondern nur noch ein Miteinander. Ich musste einen

    Hgel nicht allein bewltigen.

    Doch das war nicht alles: Diese Hilfe musste ich lenken. Ich woll-

    te lernen, zu fhren. Mich selbst, das Leben und andere Menschen.

    Ich wollte lernen, Dinge durch andere zu erreichen. Mein Herz raste,

    meine Gedanken berschlugen sich. Eine Ahnung kam in mir auf und

    wurde zur Gewissheit. Mit einem Mal wusste ich es: Ich wollte anderen

    Menschen zeigen, wie man fhrt.

    Ein Gefhl tiefen Glcks berkam mich. Ich hatte das Gefhl, nach

    Hause zu kommen. Ja, das ist es, was ich tun will. Anderen Menschen

    zeigen, wie man fhrt. Ich sprte: Das werde ich tun, weil ich durch

    meinen Unfall wei, dass wir einander brauchen. Zusammen haben

  • 252. DER UNFALL

    wir mehr Energie. Aber diese Energie muss gebndelt und das heit

    gefhrt werden.

    Ich fhlte: Ich muss wachsen und kann dieses Ziel erreichen, nicht

    trotz, sondern wegen meines Unfalls. Pltzlich sah ich mein Unglck als

    Brcke zu meiner Lebensleistung. Ich versprach mir, mich fortan bei

    jedem Problem zu fragen:

    Von jetzt an wollte ich Negatives in Positives verwandeln. Ich wusste,

    das ist nicht nur der richtige Weg, mit meinem Schicksal umzugehen

    es ist der einzige Weg.

    berwltigt sa ich dort oben auf dem Hgel. Ich hatte noch keine

    Idee, wie ich das alles lernen sollte. Ich begriff nur, dass ich mit der

    gefundenen Antwort nicht am Ziel, sondern am Start angekommen

    war. Schlielich musste ich zunchst einmal selbst eine wirkungsvolle

    Fhrungskraft werden, bevor ich anderen Tipps geben konnte. Aber

    ich wusste: Ich kann es schaffen mit der Hilfe anderer.

    Louis Berg legte eine Pause ein und trank ein Glas Wasser. Seine Zu-

    hrer beobachteten nun jede seiner Bewegungen mit viel mehr Auf-

    merksamkeit und Respekt. Sie begannen zu ahnen, wie viel bung

    es ihn gekostet hatte, wieder aus solch einem Glas trinken zu kn-

    nen. Und sie fhlten, dass die Geschichte jetzt erst richtig begann. Der

    Mann im Rollstuhl fuhr fort: Natrlich war die Realitt zunchst ein-

    mal ernchternd. Als ich den Hgel hinunterrollte, tauchte ich wieder

    in den Alltag eines Behinderten ein. Ich wusste, dass ich nicht mit

    einem groen Sprung an mein Ziel kommen konnte. Aber es war doch

    Wie kann ich erreichen, dass das Problem nicht gegen, sondern fr mich arbeitet?

  • 26 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    schmerzlich, wie klein die Schritte dorthin waren. Armselig klein. Zu-

    nchst beschloss ich, mein Sportstudium abzuschlieen.

    Sie knnen sich vorstellen, dass das nicht ganz einfach war. Parallel

    dazu nahm ich mir eine eigene Wohnung. Alle Experten rieten mir da-

    von ab: Bei meinem Lhmungsgrad sei das unmglich. Aber ich woll-

    te mich im wirklichen Leben wieder zurechtfinden. Ich wollte in der

    Lage sein, mein Leben zu fhren, bevor ich andere fhrte. Natrlich

    war der Alltag voller Herausforderungen: waschen, einkaufen, anzie-

    hen Die Welt sieht aus dem Rollstuhl einfach anders aus.

    Nachdem ich das Studium abgeschlossen hatte, suchte ich nach

    einer Arbeitsstelle. Denn ich wollte nicht lnger von der Sozialhilfe

    leben. Das war gar nicht so einfach. Wer wollte schon einen Rollstuhl-

    fahrer mit Sportdiplom? Nach einiger Zeit fand ich eine Mglichkeit:

    Ich verkaufte Rollsthle, zunchst auf Provisionsbasis, weil der Perso-

    nalchef mit mir kein Risiko eingehen wollte.

    Es war nicht leicht, verkaufen zu lernen. Ich wollte anfnglich so

    vorgehen, wie ich frher Tennis gespielt hatte: mit Kraft und Kampf.

    Drei Monate lang verkaufte ich nicht einen einzigen Stuhl. Also ver-

    diente ich auch nichts. Das Wasser stand mir bis zum Hals. Ich war

    verzweifelt.

    Aber dann lernte ich zufllig Bernd Weiss kennen, einen erfolg-

    reichen Unternehmer und Schriftsteller. Er zeigte mir geduldig, was

    ich beim Verkaufen falsch machte, und empfahl mir, ein bestimmtes

    Verkaufsseminar zu besuchen. Was ich dort lernte, war eine Offenba-

    rung. Danach ging es schnell. Verkaufen ist gar nicht so schwer. Man

    muss nur die entscheidenden Grundstze kennen.

    Getrieben von meiner Vision, schlug ich nach einiger Zeit alle

    Verkaufsrekorde meiner Firma. Ich verdiente gut, Christine und ich

    heirateten. Bernd Weiss traf ich nun regelmig, er wurde mein Men-

    tor.

    Andere Verkufer begannen, mich zum Vorbild zu nehmen. Nach

    zwei Jahren wurde ich zum Verkaufsleiter ernannt. Ich wollte allen ein

    Vorbild sein, so verkaufte ich nebenbei weiter. Zunchst funk tionierte

  • 272. DER UNFALL

    das ganz gut die Umstze stiegen. Und zu allen Verkufern baute ich

    ein enges freundschaftliches Verhltnis auf.

    Aber dann wurden die Ergebnisse pltzlich schwcher. Auerdem

    waren andere Abteilungen neidisch auf unsere Erfolge und sabotierten

    uns regelrecht. Es wurmte mich, dass ich auerhalb meines Teams

    keinen Einfluss hatte.

    Ratlos rief ich Herrn Weiss an. Wir trafen uns in einem schnen

    Caf. Auf dem Weg dorthin fiel mir ein, dass ich eigentlich noch im-

    mer nicht viel ber ihn wusste, nur dass er sehr, sehr reich war. Und

    er kannte sich offensichtlich in allen Dingen bestens aus, die mir Prob-

    leme bereiteten.

    Als ich meinem Mentor das Problem geschildert hatte, sah er mich

    amsiert an: Louis, Sie sind einem alten Fhrungsmythos auf den

    Leim gegangen.

    Ich muss ihn ziemlich verstndnislos angeschaut haben, denn er er-

    klrte: Sie wollen Ihre Verkufer ber die Nhe zu Ihnen zur Leistung

    motivieren. Dieses Vorgehen nutzt sich schnell ab, wie Sie sehen. Ef-

    fektiver ist es, wenn Sie nur bei Leistung Nhe zulassen.

    Das war fr mich schwer einzusehen. Schlielich war ich stolz auf

    meinen kumpelhaften Fhrungsstil. Aber ich hatte groes Vertrauen

    in Bernd Weiss und so hielt ich mich an seinen Rat. Und das war gut

    so, denn bald stellte sich Erfolg ein.

    Bernd Weiss half mir auch, einen weiteren Mythos hinter mir zu

    lassen. Ich hatte bis dahin gedacht, ich msste nur meine Mitarbeiter

    fhren, doch er erklrte mir, das sei die leichteste aller bungen. Viel

    Nicht ber die Nhe kommt man zur Leistung, sondern ber die Leistung zur Nhe.

  • 28 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    schwerer sei es, seine Kollegen, seinen Chef und andere Mitarbeiter

    zu fhren: Fhren Sie jeden. Fhren Sie seitwrts, nach unten, nach

    oben und sich selbst. Solange Sie leben, mssen Sie immer fhren.

    Diese und viele andere Erkenntnisse setzte ich in meinem Alltag um.

    Meine Fhigkeit zu fhren bildete sich auf diese Weise rasch aus. Ich

    wurde Gastdozent an der Uni Kln.

    Jetzt war es an der Zeit, mir meinen alten Traum zu erfllen: Ich

    fing wieder mit Leistungssport an, lernte Rollstuhl-Rugby, eine harte

    Sportart. Noch hrter war allerdings der Umgang mit den Sportfunk-

    tionren. Ich will hier nicht alle Steine aufzhlen, die mir in den Weg

    gelegt wurden. Aber glauben Sie mir, ohne meine neuen Fhrungs-

    fhigkeiten htte ich aufgegeben.

    So jedoch wurde ich Nationalspieler, durfte an den Paralympics in

    Sydney teilnehmen und wurde zum besten europischen Spieler ge-

    whlt, auerdem zum ersten Vorsitzenden des Rollstuhl-Rugby-Ver-

    bands Deutschland. Besonders wertvoll freilich war, dass ich einen

    hohen olympischen Funktionr kennengelernt habe, Chris Wood,

    einen fantastischen Leader. Auch von ihm habe ich viel gelernt.

    Louis Bergs Zuhrer waren tief beeindruckt. Als wenn er ihre Gedan-

    ken erraten konnte, sagte er: Ich will nicht bei Ihnen Eindruck schin-

    den, sondern Ihr volles Verstndnis erreichen fr das, was ich Ihnen in

    Krze vorschlagen will. Ich biete Ihnen an, die wahren Geheimnisse

    der Fhrung kennenzulernen. Und ich stelle Ihnen mein Sechs-Mo-

    nats-Programm vor. Ich nenne es Leading simple. Mit ihm werden

    Sie echte Leader. Aber Sie mssen dieses Programm wirklich wollen

    und Sie mssen sich ganz darauf einlassen. Wenn ich meine Geschich-

    te weitererzhle, werden Sie bald feststellen, ob Sie dazu bereit sind.

    Die Vorstandsmitglieder der Gruber AG forderten ihn auf fortzufahren.

    Doch Louis Berg schlug vor, erst einmal zu Mittag zu essen und Punkt

    Viertel nach eins wieder zusammenzukommen.

  • 293. DER ROUNDTABLE OF LEADERS

    3. Der Roundtable of Leaders

    Zur vereinbarten Zeit erzhlte Louis Berg seine Geschichte weiter: Die

    Fachpresse berichtete ber mich, ich wurde in Talkshows eingeladen,

    Headhunter riefen an und schlielich warb mich ein groer interna-

    tionaler Konzern ab. Ich wurde zum Marketing- und Vertriebsdirek-

    tor weltweit ernannt und sofort mit neuen Aufgaben und Herausfor-

    derungen konfrontiert. Mithilfe meiner Mentoren bewltigte ich sie

    recht gut. Ich begann mich wohlzufhlen in meiner Rolle als Leader.

    In jener Zeit bekam ich einen Anruf von meinem Freund Bernd

    Weiss. Er lud mich ein, ihn auf der Insel zu besuchen, auf der er

    wohnte. Bernd ist einer der Menschen, die mich stndig fordern und

    zum Nachdenken anregen.

    Freudig nahm ich die Einladung an. In herrlicher Umgebung fhr-

    ten wir intensive Gesprche. Wir unterhielten uns darber, was wirk-

    lich zhlt im Leben. ber die groe Leidenschaft, ber die Frage, wa-

    rum die meisten Menschen die Komfortzone nicht verlassen und nie

    erfahren, wozu sie wirklich in der Lage wren. Ich wurde unruhig.

    Bernd wusste von meinem Erlebnis auf dem Hgel, kannte das Ver-

    sprechen, das ich mir selbst gegeben hatte. Und er forderte mich auf,

    es jetzt einzulsen: Es ist Zeit, dass du kndigst. Fang endlich an, das

    Leben zu fhren, von dem du trumst.

    Ich wandte ein, dass ich noch nicht bereit sei, mich intensiver vor-

    bereiten msse. Als Erwiderung zitierte Bernd Aristoteles:

  • 30 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    Dann sagte er: Louis, ich kenne dich jetzt viele Jahre. Und ich habe

    einfach das Gefhl, dass du nicht lnger warten solltest. Ich war wie

    vor den Kopf geschlagen. Meine Gedanken berschlugen sich: Ich war

    zu einem anerkannten Leader geworden. Statt Sozialhilfe zu beziehen,

    verdiente ich nun eine stattliche Summe. Ich hatte die Sicherheit eines

    groen Konzerns. Fr einen Rollstuhlfahrer ist Sicherheit ein groes

    Thema. Ich hatte Ansehen. Und da sagt mir dieser Mensch, ich soll

    alles aufgeben und ganz von vorn anfangen

    Wozu ist dieser Unfall gut gewesen? Ich hrte Bernds Stimme wie

    von ganz weit her. Und wieder: Wozu ist dieser Unfall gut gewesen?

    Langsam drang die Frage in mein Bewusstsein. Wie lange hatte ich sie

    nicht mehr gehrt. Ich rgerte mich, dass ich Bernd so viel von mir er-

    zhlt hatte. Er lchelte mich an, als wenn er meine Gedanken erraten

    htte: Louis, es ist deine Entscheidung.

    Aufgewhlt flog ich nach Hause. Ich fhrte lange und hilfreiche

    Gesprche mit Bernd Weiss, mit dem Olympiafunktionr Chris Wood

    und mit meiner Frau. Dann nahm ich mir Urlaub, um in Ruhe nach-

    zudenken. Auf einmal wurde mir klar, dass die Entscheidung lngst

    gefallen war. Es gab keinen anderen Weg fr mich. Ich kndigte mei-

    nen sicheren Job.

    Wieder stand ich da ohne irgendeine Sicherheit. Ich lebte von mei-

    nen Rcklagen und fing an, mein Wissen ber Fhrung schriftlich zu

    ordnen. Dabei berfiel mich pltzlich eine Erkenntnis: Was ich auf-

    geschrieben hatte, war gut, sehr gut sogar. Aber es hatte kein System. Es

    Es gibt Dinge, die wir lernen mssen, bevor wir sie tun knnen, und wir lernen sie, indem wir sie tun.

  • 313. DER ROUNDTABLE OF LEADERS

    war kein klares Programm, das jeder innerhalb einer bestimmten Zeit lernen

    kann.

    Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Denn ohne

    System konnte und wollte ich nicht beginnen. Ich grbelte und suchte

    und verschlang Unmengen von Bchern ber Management und Fh-

    rung. Das Ergebnis war nicht berauschend: viele gute Anstze, viele

    falsche Schlussfolgerungen. Charaktereigenschaften von Spitzenun-

    ternehmern werden flschlich zu Fhrungsstilen erhoben Niemand

    hat klar definiert, welche Fhrungsaufgaben ein Leader auf jeden Fall

    zu erfllen hat.

    Ich wollte diese Aufgaben przise definieren: Was muss ein Mensch

    tun, um wirkungsvoll zu fhren? Dann wollte ich die Aufgaben in ein

    System zusammenfassen und ein Programm entwickeln, mit dessen

    Hilfe jeder Mensch zu einem Leader wird. Ein klares, einfaches und

    effektives Programm.

    Instinktiv sprte ich allerdings, dass die wesentlichen Punkte in

    meinen Gedanken fehlten. Wichtige Fragen hatte ich noch gar nicht

    berhrt. Und so drehte ich mich im Kreis. Ich kam nicht weiter, wurde

    immer frustrierter, aber ich wollte und konnte nicht aufgeben.

    Monate vergingen. Schlielich besann ich mich auf meine Men-

    toren und fragte sie um Rat. Ich traf Chris Wood und Bernd Weiss.

    Aber anders als sonst wichen sie mir diesmal aus. Sie lchelten nur

    geheimnisvoll und gaben mir eher unkonkrete Ratschlge wie: Gib

    nicht auf, dann wirst du die Lsung erfahren.

    Und dann kam der Brief. Ein Kurier brachte ihn, und diese Sendung

    vernderte alles. Das Schreiben war kurz und kam gleich zur Sache.

  • 32 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    Der Flug war fr die erste Klasse gebucht, das Briefpapier offensicht-

    lich teuer. Ich hatte eine Reservierung in einem Luxushotel alles

    bereits bezahlt. Man schien sich sicher zu sein, dass ich die Einladung

    annehmen wrde. Trotzdem zgerte ich.

    Meine Frau sagte spttisch: Louis, du kannst natrlich nur dahin-

    fliegen, wenn deine zahlreichen Verpflichtungen es zulassen. Da ging

    mir auf, dass ich das Haus wochenlang so gut wie nicht verlassen hat-

    te. Selbst meinen Sport hatte ich vernachlssigt. Ich beschloss, nach

    London zu fliegen.

    Im Flugzeug lernte ich einen faszinierenden alten Mann kennen:

    Harald Gruber. Ich mochte ihn auf Anhieb. Er hatte mich zufllig ein-

    mal in einer Talkshow gesehen und wir unterhielten uns ber Fh-

    rung.

    Meine Einladung zum Roundtable in London beeindruckte ihn. Er

    hatte schon von diesem geheimnisvollen Kreis gehrt.

    Als es um Literatur zum Thema Fhrung ging, schilderte ich ihm

    meinen Eindruck: Ich glaube, durch die meisten Bcher zieht sich

    Sehr geehrter Herr Berg,

    wir laden Sie zu unserem Roundtable of Leaders

    in London ein. Flugticket, Reiseunterlagen und

    Details zu unserem Treffen finden Sie in der Anlage.

    Wir freuen uns auf Sie.

    Mit freundlichen Gren

    Marc McKane

    Chairman

  • 333. DER ROUNDTABLE OF LEADERS

    ein und derselbe groe Fehler: Sie handeln hauptschlich davon, was

    den Superboss auszeichnet. Damit knnen sich die meisten Menschen

    nicht identifizieren und das sollten sie auch nicht. Den Lesern werden

    Charaktereigenschaften als Vorbild prsentiert, in denen sie sich nicht

    wiedererkennen, und so schalten sie ab. Sie meinen, nicht zum Fh-

    ren geboren zu sein. Deshalb entgeht vielen Menschen das Leben, das

    sie leben knnten.

    Harald Gruber sah mich betroffen an. Er berlegte eine Zeit lang

    und fragte dann, wie sich das denn lsen lasse. Ich erwiderte: Wir

    mssen die Aufgaben eines Leaders klar beschreiben und in ein Sys-

    tem fassen.

    Listig blinzelte er mich an und fragte fast ein wenig barsch: Meines

    Wissens gibt es ein solches System bisher nicht. Viele haben danach

    gesucht. Warum sollte es gerade Ihnen gelingen, so etwas zu konzi-

    pieren?

    Ich erzhlte ihm von meinem Unfall, von meiner Frage: Wozu ist

    dieser Unfall gut?, von meinen Antworten und rumte ein: Ich habe

    dieses System noch nicht, aber ich muss es auch nicht allein finden.

    Leadership ist kein Alleingang.

    Er nickte nachdenklich. Zum Abschied sagte Harald Gruber: Ich

    fhle, Sie liegen genau richtig. Meine Mitarbeiter sind mir von Herzen

    wichtig, sie bedeuten mir alles. Bitte melden Sie sich bei mir, wenn Sie

    dieses System entwickelt haben. Ich versprach es ihm. Wir blieben in

    Kontakt und wurden Freunde.

    Zum Treffen des geheimnisvollen Roundtable of Leaders wurde ich

    in einen Saal gefhrt. Ungefhr fnfundzwanzig Personen waren dort

    versammelt, darunter einige wenige Damen, aber berwiegend ltere

    Herren. Sie sahen wrdevoll aus und hatten die Aura erfolgreicher

    Menschen.

    Ein Mann mit grauen Haaren stellte sich vor: Der Roundtable of

    Leaders heit Sie willkommen. Ich bin Marc McKane und habe im

    Moment den Vorsitz inne. Darf ich Sie Louis nennen? Wir alle nennen

    uns hier beim Vornamen

  • 34 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    Ich hrte nicht weiter zu. Mein Blick war von einem zum anderen

    gewandert und pltzlich auf Bernd Weiss gefallen, der mir freundlich

    zulchelte. Ich drehte meinen Rollstuhl und dann sah ich Chris Wood.

    Auch er nickte mir aufmunternd zu. Unvermittelt wurde mir wieder

    bewusst, dass Marc McKane zu mir sprach. Ich stotterte ein wenig

    vor Verlegenheit. Die Anwesenden lachten. Aber ich hatte nicht den

    Eindruck, dass sie mich auslachten. Eher freuten sie sich ber die ge-

    lungene berraschung.

    Sie sehen, einige von uns haben Sie bereits einen guten Teil Ihres

    Weges begleitet, sagte Marc McKane lchelnd. Darf ich die anderen

    Teilnehmer des Roundtable kurz vorstellen Versammelt waren

    einige Millionre, Unternehmer, die viele Mitarbeiter beschftigen,

    konomen, Philosophen, Historiker und eine Psychologin. Ich war

    sehr beeindruckt.

    Marc McKane fuhr fort: Wir arbeiten im Verborgenen, darum

    mchten wir Sie bitten, unsere Identitt geheim zu halten. Sie knnen

    darber berichten, was hier geschieht, aber Sie drfen keinen der An-

    wesenden namentlich nennen. Hierzu mchte ich Ihr Ehrenwort. Ich

    gab es ihm gern. Es hat immer schon Kreise wie diesen hier gegeben,

    erklrte Mr. McKane. Ich will darber nicht ins Detail gehen. Nur so

    viel: Wir konnten auf gesammeltem Wissen aufbauen. Vor Jahren ha-

    ben wir uns zum ersten Mal zusammengefunden. Jeder von uns ist ein

    Experte auf seinem Gebiet, ein Leader. Fhren und der Umgang mit

    Menschen ist unser Lebensinhalt. Aber wir wussten, dass wir aus dem

    Bauch heraus handelten, ohne erkennbares System. Was wir taten,

    war nicht ohne Weiteres duplizierbar. Wir waren deswegen unzufrie-

    den, schlielich lieen wir uns doch von einem groen Ziel leiten:

  • 353. DER ROUNDTABLE OF LEADERS

    Wie durch Zauberhand warf ein Beamer drei Worte an eine Leinwand,

    die sich geruschlos aus der Vertflung der Decke herabsenkte. Was,

    womit und wie / warum, durchzuckte es mich. Natrlich! Ich hatte nur

    nach dem Was gefragt und mich im Kreis bewegt. Ich fhlte, dass

    ich kurz vor meinem Ziel stand. Begierig lauschte ich weiter. Marc

    McKane fuhr fort: Das Leben hat es gut mit uns gemeint und wir woll-

    ten etwas zurckgeben: ein System, das es jedem Menschen erlaubt,

    wirkungsvoll zu fhren. Denn wir wissen: Die Fhigkeit zu fhren ist

    der Unterschied zwischen Erfolg und Versagen, es ist der Unterschied

    zwischen einem erfllten Leben und frustrierender Mittelmigkeit.

    Wir nahmen die Aufgabe an, wir beantworteten die drei Fragen und

    wir fassten unsere Erkenntnisse in einem System zusammen. Kommt

    Ihnen das bekannt vor?

    Ich musste lcheln und ob mir das bekannt vorkam. Bernd Weiss

    nickte mir zu. Marc McKane redete weiter: Wir haben die vorhan-

    dene Literatur ausgewertet und um unsere Erfahrung ergnzt. Wir

    haben uns getroffen und diskutiert oft viele Tage lang. Nachdem wir

    erste Ergebnisse gefunden hatten, haben wir noch jahrelang gefeilt,

    Wir wollten definieren, welche Aufgaben ein Leader hat, welche Hilfsmittel ihm zur Verfgung stehen und welchen Prinzipien er treu bleiben muss, um Sinn und Werte in seine Arbeit zu integrieren. Diese drei Fragen was, womit, wie / warum waren der Ausgangspunkt fr das System, das wir suchten.

  • 36 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    bis wir zufrieden waren. Jetzt endlich haben wir die drei Fragen klar

    beantwortet, und uns ist deutlich geworden, dass in der dritten Frage,

    der Frage nach dem Wie, immer auch die Sinnfrage enthalten ist, das

    Warum. Auf der Grundlage der Antworten haben wir das System ge-

    schaffen, mit dem jeder ein Leader werden kann.

    Marc McKane lehnte sich zurck und fragte mich nach meiner Mei-

    nung. Ich stand unter Strom. Natrlich, sagte ich, man darf nicht nur

    die Aufgaben formulieren. Man muss auch zeigen, welche Hilfsmittel

    zur Verfgung stehen, um diese Aufgaben zu erfllen. Dass ich darauf

    nicht gekommen bin Und die unvernderlichen Prinzipien auszufor-

    mulieren als Fundament fr jeden langfristigen Erfolg, das ist genial.

    Warum ist das so wichtig? Was ist daran anders als der Personen-

    kult, den so viele betreiben?, hakte Marc McKane nach.

    Ich lie mich nicht beirren, denn ich hatte es endlich verstanden.

    Endlich hatte ich es. Ich htte laut jubeln knnen, aber ich beherrschte

    mich und antwortete:

    Das ist so einfach, aber gleichzeitig genial. Diese simple Erkenntnis er-

    ffnet jedem Menschen die Mglichkeit, ein Leader zu sein. Und dann

    brach es doch aus mir raus: Ich knnte schreien vor Freude.

    Marc McKane nickte. Er freute sich seinerseits ganz offensichtlich

    ber die Antwort. Die anderen blickten einander an, fast schien es, als

    seien sie stolz auf mich. Bernd ergnzte: Werte und Prinzipien sind

    nicht dasselbe. Das muss man verstehen. Werte enthalten eine subjek-

    tive Komponente. Prinzipien dagegen sind unvernderlich. Dann sagte

    er eindringlich:

    Wenn Sie unvernderliche Erfolgsprinzipien bestimmen, dann trennen Sie Personen von Prinzipien.

  • 373. DER ROUNDTABLE OF LEADERS

    Chris Wood ergriff das Wort: Wir wissen, dass Sie an dieser Stelle lange

    nicht weitergekommen sind. Uns ging es ebenso und vielen Menschen

    vor uns auch. Sie haben zu Recht erkannt, dass es nicht so effektiv ist

    zu fragen, wie ein Leader sein soll. Wer wissen will, wie ein Leader

    sein soll, fragt nach Charaktereigenschaften. Das fhrt nur zu dem

    unseligen Starkult, den wir heute vielfach finden, unselig, weil diese

    Verherrlichung von einzelnen Superstars oft an die Stelle eines dupli-

    zierbaren Fhrungsmodells tritt. Das fhrt bei vielen zu Frustration

    und Resignation. Zahlreiche Menschen finden sich resigniert damit ab,

    nicht wie dieser Superboss zu sein, und glauben, nicht fhren zu kn-

    nen. brigens werden nur in der Fhrung bestimmte charakterliche

    Eigenschaften gefordert. In anderen Berufen ist das nicht der Fall. Ein

    Lufer muss schnell sein, ein Maurer muss gut mauern, ein Maler

    faszinierende Bilder malen, ein Anwalt Prozesse gewinnen Von

    einem Leader erwarten viele aber bermenschliches. Louis, wandte

    sich Chris Wood direkt an mich. Sie haben richtig erkannt, dass es

    effektiver ist zu fragen, was ein Leader tut.

    Wer Personen nachahmt, versucht deren Werte zu bernehmen. Wenn verschiedene Mitarbeiter unterschiedlichen Vorbildern folgen, entsteht Chaos, weil die Werte niemals gleich sind.

    Prinzipien dagegen sind unvernderlich, weil sie unabhngig von Personen sind. Sie sagen: So und nicht anders luft es in unserer Firma.

  • 38 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    Bernd Weiss nahm den Ball auf: Aber diese Erkenntnis reichte Ih-

    nen nicht Sie waren unzufrieden. Sie sprten, dass Menschen einen

    Sinn und eine Orientierung in ihrer Arbeit suchen. Einerseits wollten

    Sie das Sein vom Tun trennen. Sie haben gesprt, dass niemand so

    sein kann wie andere Leader, dass aber die meisten lernen knnen,

    so zu handeln. Andererseits wollten Sie zu Recht die Frage nach Sinn

    und Orientierung beantworten, ohne deswegen dazu aufzurufen, be-

    stimmte Charaktereigenschaften zu bernehmen. Jetzt kennen Sie die

    Lsung: unvernderliche Erfolgsprinzipien, an denen sich jeder orien-

    tieren kann. Hier geht es also nicht darum, gewisse Eigenschaften zu

    haben, sondern auf gewisse Weise zu handeln. Und das ist lernbar und

    ganz einfach. Es gibt nur fnf Aufgaben, die jeder Leader erfllen muss,

    ihm stehen dafr fnf Hilfsmittel zur Verfgung, und es gibt fnf unver-

    nderliche Prinzipien, die das Fundament fr jeden langfristigen Erfolg

    bilden.

    Es entstand eine lngere Pause. Ich fhlte ein tiefes Glcksgefhl in

    mir, ich war dem Roundtable unendlich dankbar. Ich sprte, dass diese

    Leader mir gleich ihr System vorstellen wrden. Aber ich hatte keine

    Ahnung, was noch kommen sollte.

    Louis Berg unterbrach seine Erzhlung und lie seinen Blick ber die

    Fhrungsriege der Gruber AG schweifen. Er sah, dass sie Zeit bentig-

    ten, um die Informationen zu verarbeiten. Ich schlage vor, wir un-

    terbrechen an dieser Stelle. Heute Abend bitte ich Sie zu berlegen,

    warum diese Lsung so genial ist. Vielleicht haben Sie schon eine Idee,

    welche Aufgaben, Hilfsmittel und Prinzipien gemeint sein knnten.

    Morgen frh sprechen wir darber als Erstes. Danach erzhle ich Ih-

    nen meine Geschichte weiter.

  • 394. DREI MAL FNF

    4. Drei mal fnf

    Es erschien ihnen schon fast wie eine Gewohnheit, dass sie sich am

    nchsten Morgen pnktlich um Viertel nach neun trafen. Sie be-

    grten Louis Berg herzlich. Inzwischen kam er ihnen wie ein alter

    Bekannter vor. Und noch etwas war geschehen: Zum ersten Mal seit

    langer Zeit hatten sie sich darauf gefreut, in die Firma zu fahren.

    Die erste Frage Bergs hatten sie erwartet: Fangen wir mit dem

    Was an. Warum mssen Leader genau wissen, was von ihnen erwartet

    wird? Herr Wehrlich antwortete:

    Der Mann im Rollstuhl nickte anerkennend und Herr Wehrlich fuhr

    fort: Ich habe zwar immer gewusst, wie mein Lager auszusehen hat,

    aber meine Fhrungsaufgaben sind mir nicht klar gewesen. So habe ich

    meine Mitarbeiter lediglich zu fachlichen Aufgaben angehalten auch

    meine Stellvertreter. Dadurch wissen sie nicht, wie sie andere fhren

    sollen.

    Alfred Specht ergnzte: Wenn Aufgaben der leitenden Mitarbeiter

    nicht klar definiert sind, gibt es keinen Mastab. Ich kann dann nicht

    Wer seine Aufgaben nicht kennt, kann sie auch nicht erfllen.

  • 40 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    kontrollieren, ob die Aufgaben erfllt werden. Versuche ich trotzdem,

    die Leistungen zu beurteilen, wird das Ganze ziemlich willkrlich.

    In der Folge wei dann niemand so richtig, was von ihm erwartet

    wird, beschrieb Manuela Herzlich, die Personalleiterin, die Situation.

    Und wer derart verunsichert ist, der kann niemals leisten, wozu er

    eigentlich in der Lage ist. Frustration breitet sich aus. Das Betriebs-

    klima ist schlecht. Wer kann, kndigt.

    Herr Zucker sagte bedchtig: Die Aufgaben klar zu beschreiben ist

    die Grundlage jeder lsungsorientierten Kommunikation. Nur so kn-

    nen die Aufgaben dann zu der Basisgre werden, die jeder kennt und

    die von allen akzeptiert wird. Ich glaube sogar, dass ohne Klarheit ber

    die Aufgaben eine Kommunikation gar nicht stattfinden kann.

    Louis Berg gratulierte ihnen zu ihren Erkenntnissen. Sie sprten,

    dass er sich von Herzen ber ihre Antworten freute.

    Er schrieb an das Flipchart:

    Kommen wir zu dem Womit, den Hilfsmitteln. Ein Schreiner kennt

    seine Werkzeuge: Sge, Hammer, Zange , ein Mechaniker seine

    Schraubenschlssel, ein Zahnarzt seine Bohrer Es ist erstaunlich,

    Durch klare Aufgaben wird erstens Arbeit messbar, zweitens Kontrolle mglich, drittens Sicherheit und Orientierung gegeben, und viertens sind klare Aufgaben die Grundlage

    jeder effektiven Kommunikation.

  • 414. DREI MAL FNF

    dass bisher niemand festgelegt hat, welche Hilfsmittel Leadern zur Ver-

    fgung stehen. Wie ich schon sagte, gibt es fnf wichtige Hilfsmittel fr

    Leader. Wenn sie nicht benutzt werden, kann es keinen Erfolg geben.

    Wir mssen sie nicht nur kennen, sondern auch lernen, sie einzuset-

    zen. Hier ist bung angesagt.

    Ich bin gespannt, welche fnf Hilfsmittel das sind, warf Frau Salm

    ein. Wann erfahren wir das?

    Gottfried Zucker preschte vor: Ich glaube, Strafe ist ein wichtiges

    Hilfsmittel. Es ist wie bei Kindern. Ohne Strafe kann man sie nicht

    erziehen.

    Inge Salm war sofort auf 180: Nur gut, dass Sie keine Kinder ha-

    ben. Die wrden mir leidtun. Strafe, dass ich nicht lache

    Herr Specht berlegte: Also ich glaube, ein gutes Computer-

    programm wre ein wichtiges Hilfsmittel. Damit knnte ich leichter

    einzelne Posten abgleichen.

    Frau Herzlich widersprach: Alfred, hier geht es doch darum, wir-

    kungsvoller zu fhren, und nicht um deine Sachaufgaben.

    Louis Berg lchelte: Ich bitte um etwas Geduld. Der Roundtable

    hat mir die fnf Aufgaben, Hilfsmittel und Prinzipien erstklassig pr-

    sentiert. Ich werde sie Ihnen auf die gleiche Weise vorstellen. Sie wer-

    den Ihnen sofort einleuchten. Aber lassen Sie uns zunchst ber das

    Wie sprechen, die Prinzipien. Warum muss jeder Mitarbeiter in einer

    Firma deren Prinzipien genau kennen? Warum reicht es nicht, wenn

    jeder seine Aufgaben und Hilfsmittel kennt?

    Ich habe lange ber die Frage nachgedacht und keine befriedi-

    gende Antwort gefunden, gestand Alfred Specht. Dann habe ich

    Prinzipien durch Regeln ersetzt. Sofort ist es mir klar geworden: Wir

    bentigen Regeln, wie wir die Aufgaben erfllen und die Hilfsmittel

    einsetzen sollen.

    Herr Wehrlich sagte: Auch ich habe lange darber nachgedacht.

    Dann habe ich zusammen mit meiner Frau einen Satz formuliert

    Ich habe ihn aufgeschrieben Warten Sie Umstndlich zog er ein

    Stck Papier hervor. Dann las er: Die Prinzipien bestimmen unvern-

  • 42 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    derliche Regeln, auf denen alles in der Firma basiert. Sie bilden gewis-

    sermaen das Herz der Firma, ihr Gewissen und ihre Orientierung.

    Eine gelungene Formulierung, fand Herr Berg. Die Prinzipien

    sind also klar ausformulierte Regeln, die einer Firma wichtig sind, sie

    sind ihr Gewissen und geben Orientierung. Sie bilden damit die Un-

    ternehmenskultur, sie bestimmen den Geist, der in der Firma herrscht.

    Nur wer die Prinzipien seines Unternehmens kennt, kann beurteilen,

    ob er im Sinn der Firma seine Aufgaben erfllt oder nicht. Aber ein

    Aspekt fehlt noch. Haben Sie eine Vorstellung, was das sein knnte?

    Frau Salm meldete sich: Herr Berg, Sie hatten gesagt, dass mit den

    Prinzipien nicht nur die Frage nach dem Wie gestellt wird, sondern

    auch nach dem Warum. Das Warum das ist meines Erachtens die

    Frage nach dem Sinn. Im idealen Fall wei jeder Mitarbeiter, warum

    das, was er tut, wichtig ist. Wenn seine Firma fr Prinzipien steht, mit

    denen er sich identifizieren kann, dann lsst ihn das stolz sein. Er ist

    stolz auf die Firma, und er ist stolz, zu dieser Firma zu gehren.

    Louis Berg klatschte zustimmend in die Hnde. Genau das ist es.

    Sie haben es auf den Punkt gebracht. Ich will Ihnen ein groes Kom-

    pliment machen. Es macht Spa zu sehen, wie Sie diese Fragen durch-

    dacht haben. Es ist ein Vergngen, mit Ihnen zu arbeiten.

    Die Vorstandsmitglieder blickten sich verlegen an. Aber man konn-

    te sehen, wie gut ihnen das Lob tat. Louis Berg lie seine Worte ei-

    nen Moment einwirken, dann sagte er: Ich habe die Vorteile klarer

    Fhrungsaufgaben, -hilfsmittel und -prinzipien auf einem Krtchen

    zusammengefasst. Hier knnen Sie alles noch einmal im berblick

    sehen. Er gab jedem ein Krtchen.

  • 434. DREI MAL FNF

    Die Vorteile klarer Fhrungsaufgaben, -hilfsmittel und -prinzipien

    Aufgaben(WAS)

    machen Arbeit messbar

    ermglichen Kontrolle

    geben Sicherheit und Orientierung

    sind Grundlage jeder effektiven Kommunikation

    Hilfsmittel(WOMIT)

    helfen, die Aufgaben zu erfllen

    ermglichen erst eine effiziente Arbeit

    sind Leverage: konomisch und zeitsparend

    Wer ihre Anwendung trainiert, wird ein wirkungs-

    voller Leader.

    Prinzipien(WIE)

    zeigen, wie Aufgaben zu erfllen sind

    regeln die unvernderliche Richtung der Firma

    geben Orientierung

    bilden das Herz der Firma, ihr Gewissen

    ermglichen eine von Personen unabhngige

    Unternehmenskultur

    (WARUM) geben der Arbeit Sinn

    ermglichen Stolz auf die Firma und sich selbst

    schaffen Identifikation

    Die fnf bedankten sich fr die Krtchen und Louis Berg meinte: Es

    ist nun Zeit, dass Sie den Rest meiner Geschichte hren. Herr Zucker,

    wren Sie so nett, mir mit dem Kaffee zu helfen? Die Kanne ist zu

    schwer fr meine Hnde. Der Leiter der Buchhaltung schenkte ihm

    eine Tasse Kaffee ein.

    Sie erinnern sich: Ich war berglcklich ber die Antworten, die mir

    die Leader des Roundtable gegeben hatten. Ich wusste, dass ich nun

    bald eine exakte Bestimmung der Aufgaben, Hilfsmittel und Prinzipien

    erhalten wrde. Allerdings war ich berhaupt nicht auf das vorbe-

  • 44 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    reitet, was nun kam. Sue Willards, die Psychologin am Roundtable,

    erklrte: Wir hatten also das System geschaffen, das es jedem Men-

    schen ermglicht, wirkungsvoll zu fhren. Doch das war nur der An-

    fang. Danach begann unsere Suche nach geeigneten Multiplikatoren.

    Wir hatten uns von Anfang an darauf verstndigt, dass die Verbreitung

    unserer Konzeption niemals nur an einer Person hngen drfte, und

    nun fragten wir uns: Wer ist wirklich dafr geeignet? Wir haben die

    Messlatte bewusst hoch gelegt und vier Kriterien festgelegt.

    Sue Willards erluterte diese Kriterien. Erstens sollten es Menschen

    mit Erfahrung in erfolgreicher Fhrung sein, keine Theoretiker, die nur

    ber Fhrung sprechen, alles wissen, aber nicht knnen, weil sie

    selbst nie gefhrt haben. Die Folge ist diese Flut von praxisfremden

    Managementmodellen, die nur fr Verwirrung sorgen.

    Zweitens sollten diese Personen verinnerlicht haben, dass nicht Kraft

    und Kampf die Mittel fr die Fhrung der Zukunft sind. Zu lange, sagte

    Mrs. Willards, habe Kampf das Zusammenleben der Menschheit be-

    stimmt.

    Drittens, fuhr sie fort suchten wir Menschen, die sich der gleichen

    Aufgabe verschrieben haben wie wir, Menschen, die sich um Antworten

    bemhen, und zwar um Antworten, von denen sie wissen, dass sie

    Menschen und Firmen auf der ganzen Welt verndern knnen.

    Und viertens war uns wichtig, dass diese Personen nicht versuchen,

    ihre Charaktereigenschaften zum System zu erklren, sondern bereit sind,

    sich in den Dienst der Aufgabe zu stellen. Sie mssen verstehen, dass

    das System wichtiger ist als ein weiterer Personenkult.

    An diesem Punkt hielt Sue Willards inne, whrend die anderen Lea-

    der bedchtig nickten. Offensichtlich hatten sie sich lange mit diesen

    vier Kriterien auseinandergesetzt. Eine Pause entstand. Schlielich

    ergriff Marc McKane das Wort. Wie gesagt, wir waren nicht bereit,

    Kompromisse einzugehen. Wir haben es uns nicht leicht gemacht.

    Aber wir sind fndig geworden. Gespannt auf diese Menschen, sah ich

    mich um. Niemand war zu uns in den Saal gekommen. Alle schwie-

    gen und schauten mich an. Langsam begriff ich: Sie schauten mich an.

  • 454. DREI MAL FNF

    Das konnte nicht sein. Da verkndete Marc McKane feierlich: Sie,

    Louis Berg, sind eine der Personen, auf die unsere Wahl gefallen ist.

    Wir wrden uns freuen, wenn Sie mithelfen wrden, dieses System

    bekannt zu machen. Zeigen Sie den Menschen, wie simpel Fhrung

    wirklich ist.

    Louis Berg schwieg. Dann rusperte er sich: Es war, als htte mich

    ein schwerer Schlag getroffen. Ich fhlte mich, als ob ich wieder in

    diesen See gesprungen wre. Ein Blitz durchzuckte mich. Ich konn-

    te nichts sagen, Bildfetzen, Gedanken und Gefhle schossen rasend

    schnell durch meinen Kopf: der Felsen, der See, der Unfall, das Kran-

    kenhaus, meine Verzweiflung, die Reha, Christine, der Hgel, die

    Frage Wozu ist dieser Unfall gut?, Sozialhilfe, Rollsthle verkaufen,

    Verkaufsleiter, Rollstuhl-Rugby, die Olympiade, die Deutschlandhym-

    ne, TV-Auftritte, Vertriebschef, meine Tochter Vivien, die verzweifelte

    Suche War mein Unfall tatschlich die Brcke zu dieser Aufgabe?

    Ich verga alles um mich herum. Ich befand mich auf meiner wichtigs-

    ten Reise, der Reise nach innen alles uere verschwand. Pltzlich

    erfllte mich eine groe Dankbarkeit: Ich war dankbar fr meinen

    Unfall. Natrlich htte ich mir lieber nur den kleinen Finger gebro-

    chen, aber dann wre ich nie der Louis Berg geworden, der ich heute

    bin, mit all meinen Schwchen und Chancen. Mein Weg htte mich

    niemals an diesen Punkt gebracht. Niemals. Ich wollte nicht mehr tau-

    schen mit keinem anderen Schicksal. Es ist gut so, wie es gekommen

    ist. Ich war von ganzem Herzen dankbar und mit meinem Schicksal

    vershnt. Ich stand noch einmal auf dem Hgel, nur dass ich ihn nun

    nie mehr verlassen wrde.

    Wieder schwieg der Mann im Rollstuhl fr einen Moment, bevor er

    weitererzhlte. Nach einer Weile kehrte ich zurck in die Welt um

    mich herum. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich so dasa. Es war

    fr die anderen offensichtlich, dass ich gerhrt war. Aber ich schmte

    mich nicht. Ich war mit allen Menschen vershnt selbst mit den

    rzten, die meine erste Operation vermasselt hatten. Ich war vershnt

    mit mir und meinem Schicksal. Es war ein langer Weg gewesen Ich

  • 46 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    schaute mich um. Jeder blickte mich offen an, diese Persnlichkeiten

    verstanden mich. Sie hatten offensichtlich ein gutes Gespr fr das,

    was in mir vorging. Niemand wirkte mitleidig, ich sah nur Respekt und

    Freude in ihren Augen.

    Zweierlei war geschehen: Erstens fhlte ich mich als ein Mitglied

    des Roundtable of Leaders. Das wre noch heute Morgen undenkbar

    gewesen. Doch jetzt war es so, als wre es das Natrlichste auf der

    Welt. Und zweitens wusste ich, dass ich die Aufgabe innerlich bereits

    angenommen hatte. Ich wusste, ich muss es tun. Vor meiner Reise nach

    innen wollte ich noch einwenden: Aber ich sitze im Rollstuhl, ich

    kann das nicht. Jetzt hingegen wusste ich: Gerade durch meinen Un-

    fall war ich auf diese Aufgabe vorbereitet worden. Ich teilte der Runde

    meinen Entschluss mit der niemanden zu berraschen schien.

    Dann bergab mir Marc McKane feierlich einen groen Umschlag.

    Darauf stand geschrieben:

    Es war klar, was ich in meinen Hnden hielt: drei mal fnf Traktate, die

    Beschreibungen der fnf Aufgaben, der fnf Hilfsmittel und der fnf

    Prinzipien. Der Umschlag schien in meinen Hnden zu brennen, ent-

    hielt er doch das vollstndige System fr jede wirkungsvolle Fhrung.

    Es ist nun auch Ihre Aufgabe, sagte Marc McKane, den Inhalt die-

    ses Umschlags so vielen Menschen wie mglich zukommen zu lassen.

    Lassen Sie niemals nach in Ihren Anstrengungen. Vergessen Sie nie:

    Leading Simple3 x 5

  • 474. DREI MAL FNF

    Ich wurde offiziell in den Kreis der Roundtable- Leader aufgenommen,

    und dann hatte jeder Verstndnis dafr, dass ich mich zurckziehen

    wollte, um mich endlich dem Inhalt des Umschlags zu widmen.

    Louis Berg lehnte sich zurck. Nun kannte die Fhrungscrew der Gru-

    ber AG seine Geschichte. Er sah in ihren Gesichtern, dass sie ihn ver-

    standen. Und sie brannten darauf, nun endlich selbst zu erfahren, was

    sich in den Umschlgen verbarg.

    Berg fuhr fort: In dem Umschlag fand ich einen Brief und drei

    Umschlge, die jeweils fnf noch kleinere Umschlge enthielten und

    beschriftet waren mit Aufgaben, Hilfsmittel und Prinzipien. Diese

    Traktate sind nun schon eine ganze Zeit in meinem Besitz. Ich habe

    die Inhalte schon einigen Firmen vorgestellt. Die Ergebnisse sind er-

    staunlich, fast unglaublich. Natrlich habe ich auch Harald Gruber

    ber dieses System informiert. Er war begeistert. Ich freue mich, dass

    Sie bereit sind, dieses System kennenzulernen.

    Der Mann im Rollstuhl schlug vor, dass er zunchst den Brief vorle-

    sen und anschlieend Frau Salm, Frau Herzlich, Herrn Zucker, Herrn

    Specht und Herrn Wehrlich jeweils ein Traktat ber eine Aufgabe ge-

    ben wrde. Die fnf stimmten zu und so begann er mit dem Brief:

    Die Fhigkeit zu fhren ist der Unterschied zwischen Erfolg und Versagen, es ist der Unterschied zwischen einem erfllten Leben und frustrierender Mittelmigkeit.

  • 48 TEIL I: DIE GESCHICHTE VON LOUIS BERG

    Leader,

    wenn Du diese Worte liest, ist Deine Entscheidung gefallen: In Deinem

    Herzen bist Du ein Leader.

    Mit Leading Simple erhltst Du das System, das Dir Sicherheit

    gibt. Du lernst die entscheidenden Aufgaben kennen, die jeder erfolg-

    reiche Leader erfllt, die Hilfsmittel, die Du benutzen solltest, und die

    Prinzipien, nach denen Du Dich richten musst. Wenn Du trainierst,

    alle fnfzehn Traktate meisterhaft umzusetzen, wirst Du sehr wirkungs-

    voll fhren.

    Du hast eine zweite Sicherheit: Leading Simple ist vollstndig.

    Du musst nicht nach weiteren Fhrungsaufgaben, Hilfsmitteln und

    Prinzipien suchen. Durch sie wrdest Du nicht effektiver arbeiten. Im

    Gegenteil, nur wenn Du Dich mit diesem System begngst, wirst Du

    wirkungsvoll sein.

    Wenn Du die Traktate liest, wirst Du vieles wiedererkennen. Fh-

    rung ist eine alte Kunst. Neu ist das System, aber es setzt sich aus teil-

    weise uralten Bausteinen zusammen. Zu allen Zeiten hat es Menschen

    gegeben, die erfolgreich gefhrt haben. Doch dieses System ermglicht es

    zum ersten Mal, dass jeder lernt, ein Leader zu sein.

    Du hast gehrt: Als Leader mssen wir uns auf das Tun konzentrie-

    ren. Freilich fhrt das Tun Dich zum Sein. Wenn Du Dich verndern

    willst, musst Du Deine Gewohnheiten ndern. Das ist der einzige Weg.

    Geh verantwortungsvoll mit dem Wissen um, das Du hier findest.

    Werde der beste Leader, der Du sein kannst. Und teile das System mit

    anderen. Leg ein feierliches Versprechen ab, bevor Du diese Traktate

    liest: Informiere zwei weitere Personen ber dieses System. Ein Leader

    behlt Wissen niemals fr sich. Wer ein erfolgreiches System nur fr

    sich selbst nutzt, gleicht einem Menschen, der auf einer Leiter nach

    oben klettert und sie dann hinter sich wegzieht, damit ihm niemand

    folgen kann. Das ist kein echter Erfolg.

    Wir wnschen Dir das erfllte Leben eines Leaders. Du bist jetzt

    einer von uns.

    Roundtable of Leaders

  • 494. DREI MAL FNF

    Louis Berg legte den Brief zur Seite. Wie angekndigt werde ich Ih-

    nen nun die Traktate ber die fnf Aufgaben aushndigen. Knnen Sie

    sich noch an die Vorteile erinnern, die Aufgaben klar festzulegen?

    Die ersten drei Vorteile fielen ihnen sofort ein. Fr den vierten

    mussten sie kurz auf das Krtchen sehen, das der Mann im Rollstuhl

    ihnen gegeben hatte. Die Vorteile waren, dass Aufgaben:

    Arbeit messbar machen

    Kontrolle ermglichen

    Sicherheit und Orientierung geben

    die Grundlage fr jede Kommunikation sind

    Berg nickte und schlug vor: Bitte lesen Sie alles aufmerksam, und

    sorgen Sie dafr, dass jeder von Ihnen alle fnf bekommt. berlegen

    Sie, wer auerhalb dieses Kreises die Traktate lesen sollte. Und dann

    tun Sie, was auch immer Sie fr richtig halten. Folgen Sie der Stimme

    Ihres Herzens und handeln Sie. Ich schlage vor, wir treffen uns in ge-

    nau zwei Wochen wieder zu unserer blichen Zeit.

    Der Mann im Rollstuhl verteilte fnf Schriftstze und verabschie-

    dete sich. Seine Zuhrer fingen an zu lesen. Sie verlieen den Konfe-

    renzraum erst spt in der Nacht. Es hatte begonnen

  • Teil II

    Leading Simple:Das System

  • 535. DIE FNF AUFGABEN

    5. Die fnf Aufgaben

    Es war Viertel nach neun und Louis Berg kam pnktlich in den Kon-

    ferenzsaal. Guten Morgen. Wie ist es Ihnen ergangen mit den fnf

    Traktaten, die Ihre Aufgaben als Leader beschreiben? Er wurde herz-

    lich begrt. Bereits seit Tagen fieberte die Gruber-Crew diesem Tref-

    fen entgegen.

    Inge Salm konnte nicht still sitzen, aufgeregt lief sie im Raum um-

    her: Diese Traktate sind fabelhaft. Mir ist so viel klar geworden

    Die anderen stimmten ihr zu. Auch sie wussten, dass sich alles ndern

    wrde, wenn sie diese fnf Aufgaben tatschlich angehen wrden.

    Alfred Specht wandte sich an Berg: Wir wollten sichergehen, dass

    wir das Wesentliche richtig verstanden haben. Darum haben wir die

    fnf Traktate jeweils zusammengefasst. Wollen Sie sich einmal die Zu-

    sammenfassung anhren? Der Mann im Rollstuhl nickte. Kontrolle

    ist wichtig, sagte er lchelnd in Anspielung auf die Aufgabe von Al-

    fred Specht als Controller. Alle lachten und der Controller rckte seine

    Brille zurecht und las laut vor:

  • 54 TEIL II: LEADING SIMPLE: DAS SYSTEM

    DIE ERSTE AUFGABE:

    Menschen frdern

    Ein Leader sollte seine Mitarbeiter stets mit System frdern.

    Dieses System bercksichtigt, dass jeder Mensch vier Phasen

    durchlaufen kann und dass er in jeder Phase einen anderen Fh-

    rungsstil bentigt. Die Phasen bestimmen sich danach, wie viel

    Kompetenz und Engagement der Mitarbeiter hat.

    In der ersten Phase geringe Kompetenz, hohes Engage-ment gibt der Leader genau vor, was der Mitarbeiter tun muss.

    Er dirigiert.

    In der zweiten Phase etwas gestiegene Kompetenz, nach-lassendes Engagement muss der Leader mit dem Mitarbei-

    ter trainieren, Ziele zu setzen, und das Erreichen dieser Ziele

    kontrollieren.

    In der dritten Phase hohe Kompetenz, unbestndiges Engage-ment muss der Mitarbeiter gefordert werden.

    In der vierten Phase hohe Kompetenz, hohes Engagement kann der Leader delegieren und Verantwortung abgeben.

    DIE ZWEITE AUFGABE:

    Den Unternehmenszweck erfllen

    Der wichtigste Zweck einer Firma ist es, Gewinn zu erzielen. Da-

    mit ist klar, warum der Leader von seiner Firma eingestellt wur-

    de er soll den Gewinn mehren. Dafr muss er zum einen dazu

    beitragen, Kosten zu sparen. Er sollte die Mitarbeiter belohnen,

    denen das gelingt. Zum anderen muss er dazu beitragen, den Um-

    satz zu erhhen, indem er an der Firmenidee arbeitet und Kunden

    zu Fans werden lsst. Der Leader muss eine Gewinnkultur schaf-

    fen, die beides bercksichtigt.

  • 555. DIE FNF AUFGABEN

    DIE DRITTE AUFGABE:

    Systeme schaffen

    Ein Leader sollte Systeme schaffen, wann immer es geht. Er muss

    dann weniger direkt fhren; denn jeder Mitarbeiter kennt seine

    Aufgaben. Der Leader sorgt selbst fr seine Entbehrlichkeit und

    ist bereit fr neue Aufgaben.

    Um mit wirkungsvollen Systemen zu arbeiten, fragt der Leader

    zunchst: Welche Prozesse bentige ich, um die Unternehmens-

    idee umzusetzen? Dann muss er ein passendes System entwickeln.

    Als Nchstes muss er nach Mitarbeitern suchen, deren Strken in

    dem System wertvoll sind. Schlielich sollte er ein Handbuch mit

    allen Prozessen und Systemen anlegen, die wichtig sind.

    DIE VIERTE AUFGABE:

    Delegieren

    Ein Leader darf nicht die Aufgaben seiner Mitarbeiter berneh-

    men, vielmehr muss er ihnen Arbeiten bertragen. Nur so gelingt

    es ihm, fnfzig Prozent seiner Zeit fr Unvorhergesehenes freizu-

    halten. Er wei, dass er nur dann gengend delegiert, wenn seine

    Mitarbeiter mehr arbeiten als er. Dabei muss er aufpassen, dass er

    nicht Auf gaben an Mitarbeiter delegiert, die dafr berqualifiziert

    sind. Er darf auch nicht zulassen, dass weiterdelegiert wird.

    Ein Leader wird sich immer wieder fragen, welche Arbeiten er

    delegieren kann und an wen. Dem jeweiligen Mitarbeiter wird

    er seine Aufgabe schildern, ihm die ntigen Vollmachten geben

    und einen Kontrolltermin setzen.

  • 56 TEIL II: LEADING SIMPLE: DAS SYSTEM

    Alfred Specht legte die Bltter auf den Tisch und blickte gespannt zu

    Louis Berg. Als dieser zustimmend in die Hnde klatschte, entspannte

    sich Herr Specht sichtbar. Der Mann im Rollstuhl sagte: Ich bin be-

    geistert, und zwar aus zwei Grnden: Einmal ist Ihnen eine wirklich

    hervorragende Zusammenfassung gelungen. Alle wichtigen Punkte der

    fnf Aufgaben sind enthalten. Eine solche Zusammenfassung ersetzt

    natrlich nicht die vollstndigen Traktate. Denn erst wenn jemand

    diese in voller Lnge gelesen hat, wird er die Zusammenfassung voll-

    kommen verstehen. Aber Sie haben bewiesen, dass Sie verstanden

    haben, worauf es ankommt. Auerdem knnen Sie diese zwei Bltter

    immer wieder schnell berfliegen. Die Traktate in voller Lnge zu le-

    sen ist nicht immer mglich.

    Die Leader nickten. Louis Berg fuhr fort: Ich werde Ihnen auer-

    dem noch fnf Karten geben auf denen Sie ebenfalls eine Zusam-

    menfassung finden. Sie ist nicht ganz so knapp wie Ihre, aber trotzdem

    DIE FNFTE AUFGABE:

    Kontrollieren

    Die ersten vier Aufgaben sind ohne Kontrolle nicht denkbar. Da-

    mit Kontrolle nicht Angst verbreitet, sondern als unverzichtbare

    Hilfe erkannt wird, muss sie nach einem transparenten System

    erfolgen.

    Kompetenz wird durch schriftliche Berichte kontrolliert, die der

    Mitarbeiter regelmig verfasst, und durch Stichproben, wobei

    die Beurteilung nach vorher vereinbarten, klar messbaren Krite-

    rien erfolgt.

    Um das Engagement zu beurteilen, macht der Leader sich No-

    tizen zum konkreten Verhalten des jeweiligen Mitarbeiters. Er

    urteilt auf der Grundlage der Prinzipien der Firma und nach sei-

    ner subjektiven Einschtzung. Leader geben immer ein schnelles

    Feedback.

  • 575. DIE FNF AUFGABEN

    wesentlich krzer als die Traktate. Sie haben damit drei Mglichkeiten,

    um sich auf Ihre Aufgaben vorzubereiten. Wenn die Zeit knapp ist,

    berfliegen Sie Ihre Zusammenfassung. Wenn Sie sich auf eine kon-

    krete Aufgabe vorbereiten, lesen Sie die jeweilige Karte. Und von Zeit

    zu Zeit lesen Sie in ruhigen Stunden einzelne Traktate ganz. Sie wer-

    den jedes Mal etwas Neues entdecken.

    Louis Berg lchelte schelmisch: Doch ich freue mich noch aus

    einem ganz anderen Grund. Ich plane ein Hrbuch ber alles, was

    ich Ihnen erzhlt habe, und ber unsere Treffen. Dabei bin ich an

    einem Problem hngen geblieben: Ich will nicht nur den Kopf meiner

    Leser ansprechen, sondern auch ihr Herz. Darum erzhle ich meine

    Geschichte. Mir kam es so vor, als gbe es in dem Buch einen Bruch,

    wenn an dieser Stelle die fnf vollstndigen Traktate folgen wrden.

    Die Traktate sind wichtig und tiefgrndig aber sie sprechen den Leser

    nicht emotional an. Deswegen wrde ich lieber erst meine Geschichte

    zu Ende erzhlen. Andererseits will ich aber meinen Lesern den In-

    halt der Traktate nahebringen. Herr Specht, Sie haben mir nun mit

    Ihrer Zusammenfassung die Lsung gezeigt: Ich berlasse dem Leser

    die Entscheidung. Er kann zuerst die Geschichte lesen und sich, was

    das Leading-Simple- System betrifft, zunchst mit den Kurzfassungen

    auf den Krtchen begngen. Wer es gleich genau wissen will, der kann

    sich in Teil IV ab Seite 133 die Traktate und zudem die Arbeitskarten

    ansehen und danach die Geschichte weiterlesen. Herr Specht, ich dan-

    ke Ihnen fr diese Lsung.

    Alfred Specht streichelte sichtlich stolz ber sein Brtchen. Dann

    sagte er: Wir haben noch etwas getan. Wir haben die Fragen notiert,

    die wir nicht beantworten knnen. Soll ich sie vorlesen?

    Ich bitte darum, antwortete Louis Berg. Ich freue mich, dass Sie

    sich so grndlich auf unser Treffen vorbereitet haben.

    Herr Specht sagte fast entschuldigend: Einer von uns hat Zwei-

    fel, dass dies schon alle Fhrungsaufgaben sein sollen. Muss ein Lea-

    der zum Beispiel nicht auch Visionen vermitteln und motivieren? Die

    zweite Frage: In den Traktaten wird immer wieder die Wichtigkeit von

  • 58 TEIL II: LEADING SIMPLE: DAS SYSTEM

    Systemen betont. Werden Menschen durch solche starren Systeme

    nicht zu Robotern? Und besteht nicht die Gefahr, Mitarbeiter zu ber-

    fordern? Was ist, wenn jemand diesem System nicht folgen will? Und

    zum Schluss eine Frage von mir: Wann sollen wir beginnen? Es dauert

    doch lange, bis wir das System perfekt beherrschen.

    Die Fragen zeigten Louis Berg, dass sich die Fhrungscrew der Gru-

    ber AG sehr ernsthaft mit den Traktaten auseinandergesetzt hatte. Sei-

    ne Freude darber war nicht zu bersehen. Dann schlug er etwas vor,

    womit sie nicht gerechnet hatten: Mchten Sie eine Firma kennen-

    lernen, deren Fhrung auf diesen fnf Aufgaben basiert? Dort knnen

    Sie die Antworten auf Ihre Fragen finden. Einige Leader dort haben

    sich vor einiger Zeit mit hnlichen Fragen beschftigt. Darum knnen

    sie Ihnen wertvolle Hilfen geben.

    Natrlich wollten sie. Gut. Ich schlage vor, wir treffen uns das

    nchste Mal um Viertel nach zwei im Konferenzraum der Firma Eisen

    & Co. Man wird Sie dort bereits erwarten. Die genaue Adresse habe

    ich Ihnen notiert. Bitte planen Sie fr die Fahrt ungefhr drei Stunden

    ein. Ach, noch etwas: Sie werden eine wirklich auergewhnliche Fir-

    ma und fantastische Leader erleben.

  • 596. WARUM MOTIVATION VON INNEN KOMMEN MUSS

    6. Warum Motivation von innen kommen muss

    Die fnf Vorstandsmitglieder der Gruber AG trafen pnktlich bei Eisen

    & Co. ein. Sie wurden in den Konferenzraum gefhrt. Sofort fiel ihnen

    ein ziemlich schrger Stoffaffe auf, der auf dem Prsentationsmonitor

    sa. Das Plschtier erinnerte sie sofort an das Traktat bers Delegie-

    ren. Dort werden Aufgaben mit Affen verglichen. Jeder ist fr seine

    eigenen Affen verantwortlich. Einem Mitarbeiter zu helfen bedeutet

    nicht, dessen Affen zu bernehmen. Viele Leader knnen nicht richtig

    delegieren, darum sind sie stndig berarbeitet. Alle fnf hielten das

    Stofftier auf dem Monitor fr eine gute Gedchtnissttze.

    Dann kamen Louis Berg und eine etwa vierzigjhrige Frau herein,

    die offen und menschlich, gleichzeitig aber auch bestimmt wirkte. Sie

    hatte offensichtlich gute Laune und begrt