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Bomben für den Brutkosmos

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Nr. 1861

Bomben für denBrutkosmos

Konfrontation mit Goedda - dieUnsterblichen werden gejagt

von Peter Terrid

Im Sommer 1289 Neuer Galaktischer Zeitrechnung sind Menschen von der Erdean verschiedenen Punkten des Universums in Ereignisse verwickelt, die in einem en-gen Zusammenhang stehen. Perry Rhodan und sein langjähriger Freund ReginaldBull beispielsweise sind in der Galaxis Plantagoo auf die Galornen gestoßen, die imAuftrag unbekannter Mächte an etwas arbeiten, das für die heimatliche Milchstraßebestimmt ist.

Weder Rhodan noch Bull wissen allerdings, wie Plantagoo und die Menschheitsga-laxis verbunden sind. Alaska Saedelaere landete nach einer Irrfahrt durch die Galaxi-en Bröhnder und Tolkandir zuerst in der »Mittagswelt«, die sich mittlerweile als dieHeimstatt der mysteriösen Goedda entpuppte.

Von Terra aus haben drei andere Zellaktivatorträger - der Arkonide Atlan, die Kar-tanin Dao-Lin-Hay und der Terraner Myles Kantor - einen wagemutigen Vorstoß be-gonnen. Mit Hilfe der Herreach vom Planeten Trokan stießen sie in die sogenannteTraumblase vor.

Die drei Aktivatorträger wissen, daß sie nur in diesem Raum den Kampf gegen dieGefahr aufnehmen können, die derzeit die ganze Milchstraße bedroht: Nachdem be-reits 52 Planeten komplett entvölkert wurden, ist damit zu rechnen, daß diesesSchicksal auf Zehntausende weiterer Welten zukommt. Bei ihrem Vorstoß erfahrendie Unsterblichen, daß hinter Goedda eine mysteriöse Macht namens Shabazzasteht; die die Invasion der Milchstraße gesteuert hat.

Den drei Aktivatorträgern bleibt anscheinend nur ein Ausweg: BOMBEN FÜR DENBRUTKOSMOS …

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Die Hautpersonen des Romans:Atlan - Der Arkonide muß sein Extrahirn strapazieren.Myles Kantor - Der terranische Wissenschaftler bastelt an einer Hyperbombe.Nerghana Bilox - Eine Terranerin soll ihren Glauben aufgeben.

1.Atlan

Allein im Silbernebel …Um mich herum gab es nichts anderes als

dieses silbrige Schimmern, das in unaufhör-licher Bewegung zu sein schien und sich bisan die Grenzen des Sehvermögens erstreck-te. Ich atmete langsam und ruhig. Immerhinfunktionierte der SERUN noch, wenn auchwie ich inzwischen hatte feststellen müssen,stark eingeschränkt.

Was genau mit mir passiert war, konnteich noch nicht abschätzen. Ich wußte nur,daß sich jenes eigentümliche Bauwerk, indem allem Anschein nach Goedda nistete,plötzlich gewaltig vergrößert hatte - sorasch, daß weder mir noch Dao-Lin-H'ayoder Myles Kantor eine Möglichkeit zurFlucht verblieben war. Zum Glück hattemein SERUN funktioniert und mich sowirksam eingehüllt, daß die organische Mas-se, die mich jäh eingeschlossen hatte, michnotgedrungen wieder ausgespien hatte.

Ich lebte noch, und ich hatte die Hoff-nung, daß es meinen beiden Freunden ähn-lich ergangen war. Sicher konnte ich mir da-bei aber nicht sein …

Denn es waren mehrere Dinge zur glei-chen Zeit geschehen, Dinge, die in einemgewissen Zusammenhang standen.

Goedda - oder ihr Bauwerk? hatte sich ge-radezu explosionsartig ausgedehnt. Gleich-zeitig war es offenbar zu jenem fatalenFlimmervorgang gekommen; dessen Auftre-ten wir schon seit geraumer Zeit mit großerAngst erwartet hatten - insgesamt warensechs solcher Flimmerphasen prognostiziertworden, die jeweils wohl einen Wachstums-schub der Goedda ankündigten oder beglei-teten. Und wir wußten, daß das sechste undletzte Flimmern für die Bewohner Terras das

Ende bedeuten würde und den totalen Siegder Goedda.

All dies und noch vieles mehr war wie ei-ne Sturzflut von Informationen während derFlimmerphase über mich hereingebrochen;ich hatte mich nicht dagegen abschottenkönnen, es auch gar nicht gewollt. Je mehrwir über Goedda in Erfahrung brachten, umso besser.

Aber dafür hatte ich einen hohen Preis zuzahlen gehabt. Immer stärker machten sichin meinem Schädel rasende Schmerzen breit,die meine Wahrnehmung trübten und immerwieder Krämpfe durch meinen Körper lau-fen ließen.

An eine geistige Übernahme durch Goed-da glaubte ich nicht; weit eher hatte ich denEindruck, als sei mein Extrahirn von derAufgabe restlos überfordert, diese Informati-onsflut zu verarbeiten und die in ungeheurerMenge auf mich eingeströmten Daten insinnvoller Weise zusammenzufügen und zuordnen. Im Gegensatz zu Myles Kantor undDao-Lin-H'ay verfügte ich über ein Extra-hirn. Es war aktiviert worden, vor vielentausend Jahren, als ich alle Prüfungen für dieARK SUMMIA bestanden hatte. Aber nie-mals, so schien es, waren Extrahirn und fo-tografisches Gedächtnis einer derartigen Be-lastung ausgesetzt gewesen.

Während ich die Zähne zusammenbiß undversuchte, die Schmerzen so gut wie mög-lich zu ignorieren, stellte sich mir die bangeFrage, ob Myles Kantor und Dao-Lin-H'ayebenfalls von dieser Informationsflut über-spült worden waren. Wenn ich mit meinemExtrahirn schon solche Probleme hatte, wiemochte es dann meinen Gefährten ergangensein? Vielleicht lebten sie nicht mehr, viel-leicht hatte sie der Datenstrom auch geistigschwer geschädigt. Von tagelangen Schmer-zattacken oder Bewußtlosigkeit bis hin zumlallenden Wahnsinn war nahezu alles vor-

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stellbar …Es gab nur eine Möglichkeit, mir diese

Sorge zu nehmen: Ich mußte Kontakt zumeinen Gefährten bekommen. Aber das warweitaus schwerer zu tun, als zu planen. Dieleistungsstarken Pikosyns meines SERUNSwaren nämlich ausgefallen; ob das auf dieDatenflut zurückzuführen war oder auf un-bekannte hyperphysikalische Vorgängewährend des Flimmerphänomens, ließ sichnicht sagen - darüber hätten nur die Piko-syns selbst Auskunft geben können.

Ihre Fähigkeiten waren nach wie vor vor-handen, aber nahezu sämtliche Daten, die siegespeichert hatten, waren verloren, die Pro-gramme zum Teil; die Daten aber, die vonden Programmen verarbeitet wurden, fehltenrestlos. Alles, was wir an Informationen hat-ten zusammentragen können, war unwieder-bringlich verloren. Ob mein fotografischesGedächtnis die Daten behalten hatte, ließsich nicht gänzlich einschätzen: Währendich durch den Silbernebel driftete, war meinGehirn offenbar immer noch und immerstärker damit beschäftigt, die Daten zu sor-tieren und zu verarbeiten, und ich konntenicht abschätzen, wie lange diese Prozedurdauern würde.

Es war ein sehr eigentümliches Gefühl,nicht mehr auf das Extrahirn zurückgreifenzu können; mir war zumute, als hätte ichmehr als neunzig Prozent meines Gedächt-nisses verloren und ein erhebliches Maß anKonzentration und Intelligenz dazu. MeinGehirn funktionierte wahrscheinlich normal,aber alle Funktionen, die ich - bewußt oder,weitaus öfter, unbewußt - dem Extrahirnüberlassen hatte, standen mir jetzt nichtmehr zur Verfügung. Ich kam mir dabei vorwie geistig amputiert, ein scheußliches Ge-fühl.

Abwarten - ich bin noch da.Der mitunter trocken sarkastische Tonfall

des Extrahirns fehlte in dieser Bemerkung,aber das schadete nichts. Nach Spott, gleich-gültig ob geistreich oder platt, war mir ohne-hin nicht zumute.

Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung

aus, dann machte ich mich an die Arbeit,meinen SERUN von Hand zu steuern.

Die sogenannten Handschuhsensoren wa-ren schon vor langer Zeit entwickelt worden,kamen aber nur selten zum Einsatz, weil diePikosyns entweder auf mündliche Befehlereagierten oder von sich aus wußten, was siezu tun hatten.

Am linken wie am rechten Handschuhgab es eine Reihe von runden Sensoren, an-gebracht jeweils an den Seiten der Finger.Wurden sie gleichzeitig mit den Fingerspit-zen zweier Finger berührt, reagierten sie wieSchalter und Steuerelemente. Wenn ich bei-spielsweise mit dem Daumen und dem klei-nen Finger der rechten Hand an den linkenHandschuh griff und sie an den längstenKnochen des Ringfingers zusammendrückte,wurde der eingebaute Antigrav des SE-RUNS aktiviert.

Mit der Zahl solcher Druckimpulse inkurzer Zeit konnte der benötigte Wert einge-stellt werden. Je nach Modell gab es zwi-schen zwölf und fünfzehn solcher Sensorenpro Handschuh; alle zusammen Warendurchaus in der Lage, die meisten Funktio-nen eines SERUNS sehr gut zu steuern -man mußte nur wissen, wo und wie oft manzu drücken hatte. In den meisten Fällen wur-den die Träger von SERUNS vor dem erstenEinsatz per Hypnoschulung mit den vielfäl-tigen Möglichkeiten vertraut gemacht, diedieses Steuerungssystem anbot.

Aber ein Arkonide mit aktiviertem Extra-hirn und damit mit einem fotografischen Ge-dächtnis hatte derlei naturgemäß nicht nötig- vorausgesetzt, dieses Extrahirn war volleinsatzbereit. In meinem Fall traf das nichtmehr zu, und so stand ich vor dem Problem,mich nach der Methode »Versuch und Irr-tum« an die vielfältigen Operationen zu er-innern, die sich mit einem binären Compu-terkode abrufen ließen.

Nach einigen Fehlversuchen, bei denenich unter anderem die Innentemperatur desSERUNS auf über fünfzig Grad Celsius stei-gerte - ein Wert, der einen Terraner in einigeSchwierigkeiten gebracht hätte, für einen

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Arkongeborenen aber noch recht gut zu ver-kraften war -, hatte ich es endlich geschafft,das Funkgerät zum einen einzuschalten, zumanderen auf geringe Impulsstärke zu brin-gen.

»Myles, Dao-Lin - könnt ihr mich hören?Meldet euch!«

Meine Stimme klang anders als sonst,seltsam gepreßt und kurzatmig; wahrschein-lich war dies eine Nebenwirkung der rasen-den Kopfschmerzen, mit denen ich zu kämp-fen hatte. Es fühlte sich an, als tobe irgend-wo mitten in meinem Gehirn eine kleineRaumschlacht; immer wieder gingen dortTransformgeschosse hoch und jagtenSchmerzkrämpfe durch meine Muskulatur.

»Myles, Dao-Lin - hört ihr mich? Bittemeldet euch!«

Im Brutkosmos der Goedda - die Bezeich-nung Traumblase hatte sich inzwischen dankbesserer Kenntnis erübrigt - gab es außeruns dreien und Goedda noch einige Einhei-ten der Tolkanderflotte. Dort wurde eben-falls gefunkt, und wir mußten Sorge tragen,daß unser Funkverkehr dort nicht abgehörtwerden konnte. Zum einen standen wir vordem Problem, daß wir nach dem Ausfall derPikosyns offen kommunizieren mußten, dieFunkgespräche also nicht kodiert werdenkonnten; zum anderen aber mußten wir ver-hindern, daß dort die simple Tatsache nichtentdeckt wurde, daß wir überhaupt funkten.Sollte es den Tolkandern gelingen, unsereSender zu orten, würde eine allgemeineHetzjagd auf uns beginnen, deren tödlichesEnde mühelos vorauszusehen war.

Entsprechend schwach mußten unsereFunkimpulse daher ausfallen, hart an der un-teren Grenze dessen, was technisch über-haupt möglich war.

Ich wartete und bekam keine Antwort.Meine Sorge um die Freunde stieg. Schließ-lich aktivierte ich auf die umständliche Wei-se über die Handschuhsensoren den Antriebdes SERUNS.

Langsam bewegte ich mich, hoffentlichauf das Zentrum des Brutkosmos zu, dennnur dort konnten wir hoffen, Informationen

zu finden und vielleicht etwas zu bewirken.Hoch war die Wahrscheinlichkeit nicht. Un-sere Ausrüstung war stark zusammenge-schrumpft; ich beispielsweise besaß nochmeinen SERUN, dazu einen Kombistrahler.Angesichts der technischen Mittel der Tol-kander im Brutkosmos war das eine eherkümmerliche Ausstattung.

»Myles, Dao-Lin …!«Immer wieder gab ich diese Rufe ab, weit

gefächtert, aber von geringer Intensität. EineStunde, zwei Stunden … das Warten zerrtean den Nerven.

Dann, von einem Augenblick auf den an-deren, hörten die Schmerzen in meinemKopf auf; das Extrahirn hatte seine Arbeitoffenbar beendet. Und während ich durchden silbernen Nebel flog und nach meinenFreunden rief, sickerten die Informationenaus dem fotografischen Gedächtnis behut-sam in mein Bewußtsein.

Schmerzen hatte ich jetzt nicht mehr, abermich schauderte bei dem, was mir der Extra-sinn -mitteilte. Endlich bekamen die Dinge,die uns ebenso erschreckt wie verwirrt hat-ten, Strukturen und Zusammenhänge. Aberwas für Zusammenhänge …

»Heiliges Arkon!« murmelte ich erschüt-tert.

»Atlan?«Unverkennbar das Organ einer Kartanin.

Dao-Lin-H'ay lebte also noch. Ich stießeinen tiefen Seufzer aus.

»Sprich weiter, Dao-Lin! Ich werde dichanpeilen und zu dir stoßen.«

Dao-Lin-H'ay war clever. Anstatt was imübrigen gar nicht so einfach war - einfachnur irgendein belangloses Zeug zu schwat-zen, ließ sie jene Laute hören, die nur beiden Kartanin gebräuchlich waren, als Erken-nungszeichen aber völlig ausreichten. Ichschränkte den Empfangsbereich meinerFunkanlage behutsam ein, bis ich ziemlichgenau die Richtung ermittelt hatte, aus derDao-Lin-H'ay sendete, dann verstärkte ichden Antriebsschub meines SERUNS.

Nach einer Viertelstunde konnte ich dieKartanin sehen, gehüllt in einen SERUN,

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wie sie langsam um drei Achsen kreiselte.Sie selbst konnte das wahrscheinlich garnicht wahrnehmen, weil jeder Anhaltspunktdafür fehlte, wo oben und unten, rechts undlinks zu finden waren. Erst bei meinem Auf-tauchen konnten wir unsere Bewegungenausgleichen und so synchronisieren, daß wirwenig später nebeneinander durch den Sil-bernebel schwebten.

»Wie geht es dir?« fragte ich besorgt.»Den Umständen entsprechend«, antwor-

tete Dao-Lin-H'ay mit leisem Fauchen.»Also ziemlich scheußlich. Ich bin ziemlichlange bewußtlos gewesen. Was ist eigentlichpassiert? Hast du es mitbekommen?«

»Goedda hat sich vergrößert«, erklärte ichihr. »Jetzt füllt dieses Geschöpf wahrschein-lich das komplette Bauwerk aus, das dieTolkander für Goedda geschaffen haben.Uns hat die Biomasse eingehüllt und dannausgespuckt. Auch ich habe …«

»Hier Myles Kantor! Ich rufe Atlan undDao-Lin-H'ay. Hört ihr mich?«

Dao-Lin-H'ay gab ein zufriedenes Maun-zen von sich, und ich ließ einen langen Seuf-zer hören. Nach einer weiteren halben Stun-de war unsere kleine Gruppe endlich wiederbeisammen.

Myles Kantor machte einen erschöpftenEindruck; er hatte, wie er berichtete, einenharten Kampf mit seinem SERUN hintersich, der anfangs überhaupt nicht so reagierthatte, wie Myles sich das vorgestellt hatte.Offenbar gehörte Myles Kantor zu jenen Ge-nies, die selbst die verzwicktesten wissen-schaftlichen Probleme durchdenken und lö-sen konnten, aber mit Schwierigkeiten zukämpfen hatten, wenn die alltägliche Tech-nik versagte.

»Während wir alle drei ohne Bewußtseingewesen sind«, klärte ich meine Gefährtenauf, »war mein Extrasinn offenbar emp-fangsbereit. Goedda hat mich mit Informa-tionen förmlich überschüttet, so sehr, daßich um meinen Verstand gefürchtet habe.Habt ihr diese Informationen ebenfalls be-kommen?«

»Ich weiß von nichts«, antwortete Myles

Kantor.»Ich auch nicht«, sagte Dao-Lin-H'ay.

»Und? Was hast du erfahren?«Dank der Aufarbeitung durch das Extra-

hirn konnte ich den beiden einen kurzen Ab-riß der Geschichte der Goedda geben …

2.Atlan

»Also ist Goedda eigentlich nicht mehrals eine künstlich erschaffene Gebäreinrich-tung für Krieger und Soldaten«, konstatierteDao-Lin-H'ay erschüttert. »Wahnsinn, aufwas für Ideen manche Individuen kommen!Und wie zu erwarten war, ist das Experi-ment langfristig fehlgeschlagen …«

»Goedda hat ursprünglich aus 47 kleine-ren Organismen bestanden«, setzte ich mei-ne Erklärungen fort. »Erst als diese Organis-men zusammengefügt wurden, ergab sichdie eigentliche Goedda. Aber damit hat esnoch nicht ›unsere‹ Goedda gegeben; die isterst entstanden, als die erste Goedda unterdem Einfluß einer fünfdimensionalen Strah-lung mutierte, anfing, ein Eigenleben zu ent-wickeln und sich der Kontrolle ihrer Er-schaffer zu entziehen. Mit fürchterlichenKonsequenzen für die Galaxis Suuvar, dieGoedda offenbar restlos entvölkert hat …«

Dao-Lin-H'ay ließ ein gereiztes Fauchenhören.

»Mein Mitleid hält sich in diesem Fall insehr engen Grenzen«, sagte sie bitter. »Auchwenn mir klar ist, daß die meisten Bewohnerdieser Galaxis Suuvar wahrscheinlich mitGoedda herzlich wenig zu tun gehabt ha-ben.«

»Jedenfalls ist Goedda eine Gefahr vonwirklich galaktischem Ausmaß«, sagte My-les Kantor nachdenklich. »Es wird sehrschwer fallen, sie auszuschalten, wenn esuns denn überhaupt gelingen kann …«

»Es scheint möglich zu sein.« Ich riefweitere Informationen aus meinem Extrahirnab. »Es hat ein Volk gegeben, die sogenann-ten Nonggo, die Goedda zu bremsen ver-sucht haben, und zum Teil ist den Nonggo

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das offenbar auch gelungen. Sie habenGoedda zwar nicht vernichten können, wohlaber ist es ihnen gelungen, Goedda in derenBrutkosmos einzusperren und damit zu neu-tralisieren …«

»Allem Anschein nach nicht auf Dauer«,kommentierte Myles Kantor. »Immerhin,deine Informationen besagen, daß manGoedda wirkungsvoll bekämpfen und in ihreSchranken weisen kann. Wir sollten versu-chen, uns mit den Nonggo irgendwie in Ver-bindung zu setzen und ihre Informationenüber Goedda auszuwerten. Vielleicht mitvereinten Kräften …«

»Da du von vereinten Kräften sprichst«,unterbrach ich Myles Kantor. »Die Nonggohaben nicht aus eigenem Antrieb heraus ge-handelt. Vielmehr sind sie im Auftrag eineranderen Macht aktiv geworden, der Koaliti-on von Thoregon!«

»Was ist das nun wieder?« wollte Dao-Lin-H'ay wissen. »Koalition von Thore-gon?«

»Ich weiß es nicht«, mußte ich zugeben.»Ich kenne diese Geschichte ja nur aus demBlickwinkel von Goedda, und der ist aus na-heliegenden Gründen sehr eingeschränktund einseitig. Goedda war jedenfalls überviele Jahrtausende in ihrem Brutkosmos ge-fangengesetzt und damit unschädlich. DieserBrutkosmos ist übrigens identisch mit unse-rer derzeitigen Umgebung, die wir bisherTraumblase genannt haben. Ich meine, wirsollten von jetzt an den richtigen Namenverwenden.«

Myles Kantor lachte halblaut.»Mich interessiert nicht das Etikett auf,

sondern der Wein in der Flasche«, bemerkteer. »Und offenkundig haben die Nonggodiese Flasche nicht dicht genug verschlos-sen, sonst wäre Goedda jetzt nicht schonwieder aktiv. Sehe ich das richtig, daßGoedda ursprünglich Krieger für eine andereMacht, eben die Herren von Suuvar, erzeu-gen sollte, jetzt aber nur noch im Eigeninter-esse produziert?«

»Nicht ganz«, antwortete ich. »Und deinanschaulicher Vergleich, um ihn wieder auf-

zugreifen, stimmt nur halb. Die Flasche wardurchaus dicht - bis jemand den Korken ge-zogen und Goedda freigesetzt hat.«

Sekundenlang herrschte betroffenesSchweigen. Daß lebende Wesen imstandewaren, etwas zu erfinden, zu planen und zubauen, was sich letztlich gegen sie selbstrichtete und fürchterliche Schäden hervor-rief, das war vorstellbar. Dergleichen war inder bekannten galaktischen Geschichte eini-ge Male geschehen, ich brauchte da nur anjenen robotischen Tyrannen zu denken, denRobotregenten, der das Imperium der Arko-niden viele Jahrzehnte lang beherrscht hatte,bis er endlich seine Macht an mich hatte ab-treten müssen. Aber daß jemand eine sograuenvolle Gefahr für alles Leben, wie sievon Goedda dargestellt wurde, wieder inFreiheit setzte, das war nur äußerst schwervorstellbar.

»Und wer ist dieser Jemand?« fragte er.»Ich kenne nur den Namen, und den Be-

griff haben wir schon einmal gehört«, ant-wortete ich. Es fiel mir schwer, das allesauszusprechen, zu ungeheuerlich waren dieTatsachen. »Ein Individuum, das sich Sha-bazza nennt. Goedda denkt davon als von ei-nem er, aber das muß nichts besagen, jeden-falls nicht im üblichen Sinne. Nicht alles,was mit dem Artikel die bezeichnet wird,muß deswegen weiblich im Sinne unserersprachlichen Konvention sein. Es sind daschon die absurdesten Mißverständnisse auf-getreten. Shabazza muß also kein Mann imüblichen Sinne sein. Mir ist nicht bekannt,wie Shabazza aussieht, welchem Volk er an-gehört, in wessen Auftrag er aktiv gewordenist und vieles mehr.«

»Shabazza könnte demnach ebenso einesinguläre Entität sein wie Goedda«, bemerk-te Myles Kantor. »Die Physander und Chae-roder kennen den Begriff ja auch. Wenn ichmir das vorstelle - ein ganzes Volk vonGoeddas …«

»Und warum hat dieser Shabazza das ge-tan?« fragte Dao-Lin-H'ay unvermittelt.»Ex, sie oder es muß doch eine Absicht da-mit verbunden haben? Niemand läßt solch

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eine Kreatur auf Mitgeschöpfe im Kosmoslos, ohne sich davon einen Vorteil zu ver-sprechen.«

Durch die Sichtscheibe meines Helmeskonnte ich sehen, wie die Gefährten michanblickten.

»Warum schweigst du?« fragte Dao-Lin-H'ay leise. »Ist es so entsetzlich?«

Ich nickte. »Shabazza hat Goedda auf ei-ne Galaxis namens Tolkandir gehetzt«, sagteich. »Offenbar hat Goedda diese Galaxisvollständig entvölkert, restlos. Daher der an-genommene Eigenname der Tolkander. Inder Galaxis gibt es kein höheres Leben mehr… Und das ist nur der Probelauf gewesen.Aus Goeddas Informationen geht eindeutighervor, daß Shabazzas eigentliches Ziel …«

»Allmächtiger!« stieß Myles Kantor her-vor; ich konnte sehen, wie er erblaßte. »Duwillst doch nicht sagen …«

»Goeddas eigentliches Ziel im Auftragvon Shabazza ist die Milchstraße, unsereGalaxis. Die Tolkander und Goedda sindnicht durch Zufall hier, sie sind gezielt aufdie Galaktiker angesetzt worden. Aber daswußten wir ja bereits durch die Untersu-chungen in Ychandors Raumschiff.«

»Seltsam«, sagte, Dao-Lin-H'ay plötzlich.»Und irgendwie paradox.«

»Was meinst du damit?« wollte ich wis-sen.

»Auf der einen Seite scheint Shabazzavoller Hoffnung zu sein, daß Goedda unsden Garaus machen wird, daß wir ihr nichtgewachsen sein werden. Auf der anderenSeite aber macht dieser Überfall nur danneinen Sinn, wenn Shabazza sich von denVölkern der Milchstraße in irgendeiner Wei-se bedroht sieht …«

»Du denkst wieder einmal logisch, meineLiebe«, ließ sich Myles Kantor vernehmen.»Aber Lebewesen sind in ihren Handlungennicht immer logisch. Shabazza könnte auchganz andere Gründe für diesen Überfall ha-ben, Gründe, die wir uns nicht vorstellenkönnen.«

»Und was für Gründe könnten das sein?«»Ich weiß nicht«, gab Myles Kantor zu.

»Die Gedanken von Goedda und Shabazzasind für mich nicht nachvollziehbar; ich binNaturwissenschaftler, kein Xenopsycholo-ge.«

»Immerhin wissen wir jetzt genauer, wasauf uns zukommt«, sagte Dao-Lin-H'aygrimmig. »Mehr an Gefahren, als wir bewäl-tigen können. Denn selbst wenn es uns ge-länge, mit Goedda fertig zu werden, müßtenwir es als nächstes unweigerlich mit Shabaz-za selbst zu tun bekommen.«

»Nicht notwendigerweise«, warf ich ein.»Was denn?« fragte Myles Kantor. »Das

ist noch nicht alles?«»Leider nicht«, mußte ich sagen. »Goedda

ist nämlich nicht die einzige kosmische Ge-fahr, die von den Nonggo gebannt wordenist. Insgesamt waren es acht solcher Bedro-hungen, welche die Nonggo im Auftrag derKoalition von Thoregon eliminieren sollten.Bei vieren dieser Gefahren ist dies denNonggo offenbar auch gelungen, die ande-ren vier aber haben sie nur lahmlegen kön-nen, wie Goedda. Goedda ist in diesem Ka-talog des Grauens nur die Nummer drei.Nummer eins ist Goujirrez, der Chaosma-cher von Norrowwon, Nummer zwei sinddie Guan a Var, die Monster von Luipaz,dann kommt Goedda, und die vierte dieserBedrohungen ist Jii'Nevever, die Träumerinvon Puydor. Gerade sind Agenten von Sha-bazza unterwegs, um auch diese vierte Gei-ßel aufzuwecken und in den Einsatz zuschicken.«

Schweigen breitete sich aus. Auch ichhielt erst einmal den Mund. Diese Informa-tionen irgendwo im Schädel gespeichert zuhaben war eine Sache; sie auszusprechenund sich dabei etwas vorstellen zu wollen ei-ne ganz andere.

»Shabazza muß wirklich große Angst voruns Galaktikern haben, wenn er einen sol-chen Aufwand betreibt, um uns loszuwer-den«, sagte Myles Kantor schließlich. »Alsob die Goedda nicht bereits genügen würde.Weißt du Einzelheiten? Je mehr wir wissen,um so früher können wir damit beginnen, et-was wirksam dagegen zu tun …«

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»Vorausgesetzt, Goedda läßt uns über-haupt eine Chance dazu«, meinte Dao-Lin-H'ay düster.

»Ich habe keine Ahnung, worum es sichbei den drei anderen Bedrohungen handelt,wie sie vorgehen, was sie bewirken, wie sieaussehen - gar nichts«, sagte ich bedrückt.

Wer sagt, daß alle diese Kräfte auf dieGalaktiker losgelassen werden sollen? frag-te der Extrasinn lakonisch.

»Augenblick …«, sagte Myles Kantorplötzlich. »Bis zu dieser Stunde haben wirvon diesen Gefahren nichts geahnt oder ge-wußt. Eine Koalition von Thoregon ist unsvöllig unbekannt, ebenso die Nonggo. Waswir jetzt wissen, ist dies: Die Koalition vonThoregon hat sich acht Bedrohungen gegen-übergesehen. Frage: Hat die Koalition vonThoregon die Nonggo in Marsch gesetzt, umausgerechnet uns Galaktiker vor diesen Be-drohungen zu schützen? Doch wohl kaum,sie wird vermutlich vor allem im eigenen In-teresse gehandelt haben. Wieso fallen diesevier von Shabazza aufgewecktenSchreckensmächte dann nicht über Thore-gon her …?«

»Vielleicht tun sie das ja gerade«, antwor-tete ich. »Tut mir leid, mehr weiß ich leidernicht. Man sollte auch annehmen, daß Goed-das Interesse vor allem darauf gerichtet seinsollte, die Gefahr zu beseitigen, die durchdie Nonggo verkörpert wird …«

Dao-Lin-H'ay fauchte leise.»Vielleicht sind die Galaktiker identisch

mit den Nonggo oder ihre Nachkommen. Eswäre nicht das erste Mal, daß wir Informa-tionen über die Milchstraße bekommen, dieuns bisher unbekannt gewesen sind und diedazu führen, daß wir die Galaktische Ge-schichte in Teilen neu schreiben müssen. Icherinnere nur an die Lemurer oder an die Por-leyter … Die Sonnen der Milchstraße sindMilliarden von Jahren alt. Wer weiß schongenau, seit wann es in der Galaxis intelligen-tes Leben gibt?«

»In diesem Fall«, sagte Myles Kantornachdenklich, »angenommen, deine Thesewäre richtig, hätten die Vorfahren der Ga-

laktiker im Auftrag der Koalition von Thore-gon die Goedda bekämpft und gebannt.Dann wären von diesem Vorgang eine ganzeReihe von Galaxien betroffen. Zuerst Suu-var, wo Goedda entstanden ist. Dann dieMilchstraße als vermutete Heimat der Nong-go. Dazu käme Thoregon als Heimat derAuftraggeber der Nonggo. Des weiterenbrauchten wir eine Galaxis, in der Goeddaeingesperrt worden ist. Die Milchstraßekann das nicht sein …«

»Warum nicht?« fragte Dao-Lin-H'ay»Dann wären die Nonggo in dieser Galaxisausgestorben oder verschwunden, ohne denNachkommen auch nur den geringsten Hin-weis auf Goedda zu hinterlassen, und auchThoregon hätte sich um Goedda nicht mehrgekümmert. Das erscheint mir extrem un-wahrscheinlich. Nein, wir Galaktiker habenmit diesem früheren Geschehen nichts zutun gehabt, das hat sich an ganz anderenSchauplätzen abgespielt.«

»Das klingt logisch«, meinte Dao-Lin-H'ay.

»Ich hoffe es«, antwortete Myles Kantortrocken. »Ich bemühe mich immer, logischzu denken. Aber in einem Punkt hast du si-cher recht, Dao-Lin - die Wege der Galakti-ker und der von Shabazza oder seinen Auf-traggebern müssen sich in der Vergangen-heit gekreuzt haben. Anders ist es nicht zuerklären, daß Shabazza diese kosmische Un-geheuerlichkeit ausgerechnet auf uns ange-setzt hat.«

Er stieß einen langen Seufzer aus.»Sollten wir es schaffen, mit Goedda fer-

tig zu werden«, fuhr der Wissenschaftlerdann fort, »müßten wir anschließend gezieltin der Vergangenheit forschen, sowohl nachShabazza als auch nach seinen Hintermän-nern. Und gleichzeitig müßten wir unswappnen gegen die drei anderen kosmischenPlagen.«

»Und wir müßten Kontakt aufnehmen mitder Koalition von Thoregon«, ergänzte ich.»Wo immer das auch ist und wer auch im-mer sich hinter diesem Begriff verbirgt.«

Wieder ließ Myles Kantor einen langen

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Seufzer hören.»Wißt ihr, wen wir jetzt gut gebrauchen

könnten? ES! Die Superintelligenz müßte ei-gentlich bei ihren Fähigkeiten alle Informa-tionen haben, die wir brauchen. Und nochein Gedanke ist mir gekommen: Welche ga-laktische Macht ist stark genug, um Shabaz-za wirklich ernsthaft zu bedrohen oder be-droht zu haben? Ist ES genaugenommennicht eigentlich auch ein Galaktiker?«

Diese Spekulation war so kühn, daß siemir für einen Moment die Sprache ver-schlug.

»ES bewegt sich durch Vergangenheiten,durch Gegenwarten und Zukünfte«, fuhrMyles Kantor fort. »Was wissen wir, mitwem sich ES in der Vergangenheit oder Zu-kunft alles angelegt hat? Nach Jahrtausen-den des Kontaktes mit ES wissen wir überdiese Superintelligenz immer noch viel zu-wenig, zuwenig über die Fähigkeiten undMöglichkeiten, zuwenig über Geschichteund Probleme …«

»Ich habe mich schon des öfteren ge-fragt«, sinnierte Dao-Lin-H'ay, »warum ESimmer wieder die Galaktiker, speziell dieTerraner, zur Lösung von großen kosmi-schen Problemen heranzieht. Kann ES der-gleichen nicht selbst lösen?«

»Vermutlich nicht«, antwortete MylesKantor. »Wir haben zwar inzwischen die un-glaublichsten Fortschritte in den Wissen-schaften gemacht, aber gewisse Probleme,die schon vor vielen Jahrtausenden ange-dacht worden sind, gelten bis heute als un-lösbar. Es ist das weite Gebiet der logischenParadoxien. Ein ganz einfaches Beispiel: Ichgebe dir eine Anordnung, die du befolgensollst: Hör mir nicht zu!«

»Bitte?«»Hör mir nicht zu! Um diesen Befehl be-

folgen zu können, mußt du ihn aber erst ein-mal hören, und dann ist es bereits zu spät,um gehorsam zu sein. Oder ein anderes: Esist nicht möglich, daß jemand gleichzeitigbei einem sportlichen Wettkampf die Rolledes Schiedsrichters übernimmt und gleich-zeitig als Mitspieler agiert … Vielleicht ist

das genau das Problem, vor dem ES immerwieder steht und das ihn dazu bringt, sichder Galaktiker zu bedienen, seine Ziele zuerreichen …«

»Das ist alles sehr tiefsinnig«, gab ich zu.»Aber ich glaube, wir haben zur Zeit aktuel-lere Probleme. Das Ereignis, dessen Zeugenund Opfer wir geworden sind - im Sprachge-brauch der Goedda wird es Azzamus genannt-, hat unsere Pikosyns restlos außer Gefechtgesetzt, und ich habe den schrecklichen Ver-dacht, daß es auf ganz Terra ebenfalls sämt-liche Syntroniken erwischt hat. Vielleicht istdie Wirkung des Azzamus im Inneren desBrutkosmos besonders heftig, dann müßtendie Erdsyntroniken sehr bald wieder funktio-nieren. Aber falls nicht, stehen unsere Mit-menschen vor außerordentlichen Problemen.Ihr könnt euch ja wohl noch erinnern, wie esdamals zugegangen ist, als Terra in der To-ten Zone lag und alle Fünf-D-Technik aus-gefallen ist. Und zur Zeit sind die Terranergeistig kaum noch in der Lage, ihr Lebenohne Syntroniken zu meistern. Wir müssenalso handeln, und das schnell.«

»Einverstanden«, sagte daraufhin MylesKantor sofort. »Und was schlägst du vor?Erstens wissen wir nicht, wie wir aus diesemBrutkosmos überhaupt herauskommen kön-nen. Aber angenommen, wir schaffen es -was dann? Die Gefahr Goedda besteht dannimmer noch, und sie wird immer größer.Das erste Flimmern haben wir erlebt, biszum zweiten wird es nicht mehr lange dau-ern, und beim sechsten - ich wage gar nichtdaran zu denken …«

»Dann haben wir zwei Aufgaben zur glei-chen Zeit zu lösen«, sagte Dao-Lin-H'ayenergisch. »Goedda bekämpfen und vernich-ten und außerdem nach einer Fluchtmöglich-keit suchen.«

»Nichts einfacher als das«, sagte ich bit-ter. »Unsere Pikosyns funktionieren nichtmehr, wir haben nur drei Kombistrahler zurVerfügung. Freunde, es sieht sehr düsteraus. Wie sollen wir drei allein schaffen, wasden Nonggo offenkundig nicht gelungen ist,und die dürften gewaltige technische Mittel

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eingesetzt haben?«Ich sah, wie Myles Kantor den Kopf

wiegte.»Einen nicht zu unterschätzenden Vorteil

haben wir, verglichen mit den Nonggo«, be-hauptete er kühn. »Wenn ich deine Schilde-rung richtig verstanden habe, haben sieGoedda von außerhalb des Brutkosmos zu-gesetzt. Nun, wir treiben in diesem Brutkos-mos, das erhöht unsere Möglichkeiten ge-waltig. Aber ich gebe zu, daß auch ich keineAhnung habe, wie wir drei das bewerkstelli-gen sollen.«

»Jedenfalls nicht, indem wir hier die Zeitmit Plaudereien verplempern«, ließ sichDao-Lin-H'ay vernehmen. »Sehen wir unsum. Vielleicht finden sich Mittel, Möglich-keiten und Wege …«

Wir brauchten trotz dieser Aufmunterungnoch eine runde Stunde, die wir damit ver-brachten, uns in der Bedienung der Hand-schuhsensoren zu üben. Danach flogen wirlos, einstweilen ohne klares Ziel.

Außer einem …Goedda in ihrem Brutkosmos zu vernich-

ten …

3.Atlan

»Gliederschiffe!« stieß Dao-Lin-H'ay her-vor. Ihre. SERUN-Optik hatte ihr die tolkan-dischen Einheiten gemeldet, und die Karta-nin reagierte als erste. »Zwei, drei, dahinterkommen noch mehr. Nachschub für Goedda…«

Die Arbeiten an dem Bauwerk inmittendes Brutkosmos gingen also weiter; wir hat-ten mit nichts anderem gerechnet. Ob es einebestimmte Frist gab, die eingehalten werdenmußte, war uns nicht bekannt; in jedem Fallagierten die Tolkander, als brenne ihnen dasProblem auf den Nägeln.

»Sieben …«, zählte Dao-Lin-H'ay weiter.»Neun, zehn …«

Aus großer Distanz konnten wir mit Hilfeder SERUNS die riesigen Gliederschiffe derTolkander erkennen; die Arbeiten dort wa-

ren bereits in vollem Gange. Nachschub fürGoeddas Wachstum wurde in das Bauwerkgeschafft, das weiter und weiter ausgebautwurde. Schon jetzt, zu Beginn der zweitenBaustufe, war es gewaltig; wir hatten denDurchmesser auf knapp siebzehnKilometergeschätzt. Unklar war noch, wie groß Goed-das Brutkosmos Inder letzten Ausbaustufesein würde; wahrscheinlich ging es dann inHunderte, wenn nicht Tausende von Kilo-metern.

Ich hörte Myles Kantor leise brummen.»Hast du eine Idee?« fragte ich.Unsere Funkgeräte waren nach wie vor so

eingestellt, daß wir zwar miteinander kom-munizieren konnten, aber hoffentlich - keinAußenstehender in der Lage war, unsere Ge-spräche anzupeilen oder abzuhören.

»Ich überlege«, sagte Myles Kantor ver-sonnen. »Diese Gliederschiffe brauchen, umdiese gigantischen Materialmengen trans-portieren zu können, kräftige Antriebssyste-me. Wenn man eines dieser Triebwerke ma-nipulieren würde, beispielsweise die Hyper-energiespeicher, könnte man so ein Schiff ineine fliegende Bombe verwandeln. Wenndie ganze Energie eine solchen Speichers inunmittelbarer Nähe von Goedda hochgeht… durchaus möglich, daß Goedda diese Ex-plosion nicht überlebt. Es wäre ungefähr so,als würde in einem fossilen Kriegsschiff dieMunitionskammer gesprengt - da hilft dannauch die beste Panzerung gegen Angriffevon außen nicht viel.«

»Eine gute Idee«, stimmte ich zu. »Hastdu schon exaktere Vorstellungen?«

»Woher sollte ich die haben?« fragte My-les Kantor zurück. »Bevor ich Genaueres sa-gen kann, müßte ich erst einmal die entspre-chenden Anlagen im Inneren eines Glieder-schiffes untersuchen und analysieren.«

»Dann haben wir unser erstes Ziel abge-steckt«, meinte ich. »Wir versuchen, an ei-nes der Schiffe heranzukommen, an Bord zugehen und uns dort umzusehen.«

»Das wird nicht so einfach sein«, gab My-les zurück. »Darf ich dich daran erinnern,daß mit unseren Pikosyns auch die Transla-

Bomben für den Brutkosmos 11

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toren ausgefallen sind? Und ich habe leiderkein so perfektes Gedächtnis wie du. Eswird sehr schwierig werden …«

Dao-Lin-H'ay hatte eine Idee.»Dann müssen wir die Translatoren eben

wieder neu programmieren beziehungsweisemit Daten füttern«, sagte sie. »Und zwar be-vor wir an Bord gehen.«

»Und wie sollte das geschehen?« erkun-digte sich Myles Kantor zweifeln.

»Ganz einfach«, antwortete die Kartanin.»Atlan müßte in seinem Extrahirn eine gan-ze Menge an Informationen über das Idiomder Tolkander erfaßt haben, natürlich nichtsoviel wie ein Translator, aber ein gewisserGrundstock an Daten sollte in seinem Kopfvorhanden sein.«

Ich reagierte mit grimmigem Humor.»Und wie gedenkst du an diese Daten her-

anzukommen? Aufschneiden und herauslöf-feln?«

»Nein«, antwortete Dao-Lin-H'ay gelas-sen. »Du wirst sie schon freiwillig aus-spucken müssen …«

Ihr Vorschlag war nicht schlecht und er-wies sich sogar als durchführbar, aber fürmich lief es auf eine extreme Strapaze hin-aus. Das Extrahirn - für diese Aufgabedurchaus geeignet - suchte die benötigtenund brauchbaren Informationen im fotogra-fischen Gedächtnis zusammen; ich brauchtesie dann nur noch auszusprechen unaufhör-lich und mit größtem Tempo. Das Extrahirnstellte gewissermaßen eine Kurzschlußlei-tung zwischen Gehirn und Kehlkopf her;mein normaler Verstand blieb außen vor undvollkommen untätig.

Vor Tausenden von Jahren hatte es einmaleinen Beruf gegeben, den vor allem Frauenausgeübt hatten: Texte in eine Maschine ein-zutippen. Nach einem gewissen Trainingwaren diese Menschen imstande gewesen,schneller zu tippen, als sie eigentlich lesenkonnten. Sie hatten gleichsam einen Kurz-schluß zwischen Augen und Fingerspitzenhergestellt; am Ende eines Arbeitstages hat-ten sie zwar Hunderttausende von Zeicheneingetippt, aber von dem Text nicht das ge-

ringste mitbekommen.Ich brauchte dafür im Schnelldurchgang

zwei Stunden, dann klang meine Stimmenach Reibeisen, und ich war restlos er-schöpft. Schließlich mußte ich aufhören,weil ich bei einem noch längeren Einsatzkeinen verständlichen Laut mehr hätte her-vorbringen können.

»Ich hoffe, es genügt«, sagte ich kräch-zend. Zum ersten Mal in meinem Lebenkonnte ich meine Stimmbänder fühlen; sieschienen wund gescheuert zu sein.

Dao-Lin-H'ay gab ein amüsiertes Schnur-ren von sich.

»Du klingst gut, Atlan«, sagte sie. »Fastwie einer von uns Kartanin. So gefällt mirdeine Stimme.«

Ich verzichtete auf eine Antwort, um mei-nen Sprechapparat zu schonen. Aber einmalmehr hatte ich feststellen können, zu wel-chen Leistungen das Extrahirn in der Lagewar, wenn man seine Fähigkeiten optimalausreizte.

»Okay, dann kann es jetzt losgehen«,meinte Myles Kantor. »Hoffentlich habenwir Glück - wir werden es nämlich brauchen…«

Wir setzten uns vorsichtig in Bewegung.Langsam trieben wir auf eines der Glieder-schiffe zu. Es schwebte antriebslos in Goed-das privatem Kosmos, in der Nähe des ei-gentlichen Bauwerks, das ich scherzhaftLebkuchenhaus getauft hatte. Nach Späßendieser Art war mir jetzt nicht mehr zumute;dieses Gebilde stellte für die Menschheit ei-ne ungeheure Bedrohung dar.

Umschwirrt wurde das Bauwerk von Dut-zenden von Kegelstümpfen, jeder ungefährfünfzig Meter lang. In das stumpfe Heckdieser Gefährte wurde unablässig jene ei-gentümliche breiige Masse gepumpt, die wirschon kannten; am dünneren Bug wurde die-se Masse in Gestalt von vielfach gewunde-nen und ineinander verschlungenen Röhrenwieder herausgepreßt, die in das BauwerkGoeddas integriert wurden.

Mangels besserer Bezeichnung hatten wirdas Material Manna getauft, ein Gedanke,

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der mir in dieser Lage seltsam absurd, ja fastschon zynisch erschien. Von Gott gesandteHimmelsnahrung war das nicht, vielmehr je-ner Rohstoff, den das Scheusal Goeddabrauchte, um immer weiter zu wachsen undnoch mächtiger zu werden.

Es war ein kaum überschaubares, chaoti-sches Gewimmel. Gleichzeitig waren zahllo-se Truppen von tolkandischen Robotern da-mit beschäftigt, ellipsoide Schaltstationenaus den Gliederschiffen zu befördern und indas Gewirr von Röhren und Schläuchen zuintegrieren.

Bei unserem ersten Vorstoß in GoeddasBrutkosmos hatten wir feststellen können,daß im Zuge der Erweiterung des Bauwerksnicht nur das Manna und die ellipsoidenSchaltstationen zum Aufbau verwendet wur-den. Nach dem Abschluß dieser Arbeitenzerlegten sich die meisten Roboter in ihreEinzelteile und wurden ebenfalls in das Bau-werk eingefügt. Die dann noch übriggeblie-benen Roboter schlossen sich dann in Grup-pen von bis zu zehn jeweils einem Physan-der an und verschwanden auf Nimmerwie-dersehen im Inneren des Bauwerks. Ich warsicher, daß für die Physander bei der näch-sten Erweiterung Goeddas das Leben been-det war, aber nach allem, was wir über dieTolkander wußten, fieberten sie förmlich da-nach, sich für die große Sache Goedda zuopfern.

Mit gefiel diese Seppuku-Mentalität über-haupt nicht, aber das war eine Angelegen-heit der Tolkander. Wenn sie es so wollten,bitte sehr. Aber Milliarden von Menschenund anderen Intelligenzwesen durch seeli-sche Manipulationen dazu zu bringen, sichdiesem kollektiven Selbstmord nicht einfachnur anzuschließen, sondern anschließen zuwollen das war etwas, das ich nicht hinneh-men konnte. Dem galt es mit allen Kräftenentgegenzuarbeiten - vor allem nach denjüngsten Informationen über Goeddas Ent-stehung und Lebenszweck.

Im stillen sandte ich einige wüste Flüchenach Suuvar, wo Goedda entstanden war.Den Bewohnern dieser Galaxis hatten wir

diese kosmische Geißel Goedda zu verdan-ken - natürlich nicht allen, sondern der re-gierenden Führungsschicht, die längst nichtmehr lebte.

Ich sah, wie Dao-Lin-H'ay heftige Armbe-wegungen machte.

»Überreste von älteren Gliederschiffenmeldet meine Optik«, sagte sie. »Dort drü-ben! Es sind nur die Antriebsblöcke, und ge-rade werden zwei davon zu einer Einheit zu-sammengekoppelt. Kannst du sie erken-nen?«

Ich spähte in die Richtung, die Dao-Lin-H'ay mir wies. Dort erkannte ich zweider Antriebseinheiten, die sich jetzt in einemZweierverband langsam bewegten, auf einendritten Antriebsblock zu. Offenbar solltenalle zurückgebliebenen Einheiten dieser Artzu einem Pulk vereinigt werden.

»Wahrscheinlich sollen sie sehr bald zu-rückfliegen zu den Basiswelten von 47 Tu-cani«, vermutete ich. »Dort übernehmen siedann weitere Transporte von Manna und an-derem Material und kehren wieder hierherzurück.«

»Und dazu müssen sie imstande sein, denBrutkosmos auch wieder zu verlassen«, kon-statierte Myles Kantor. »Das könnte dieFluchtmöglichkeit sein, nach der wir gesuchthaben. Wenn wir uns beeilen …«

Er brach den Satz von sich aus ab undseufzte.

»Aber vorher müssen wir noch eine ande-re Arbeit erledigen«, sagte er entschlossen.»Ich werde diesen Brutkosmos erst verlas-sen, wenn wir eine Möglichkeit gefundenund installiert haben, Goedda den Garaus zumachen. Dann erst sollten wir uns abset-zen.«

»Wenn uns dazu noch die Zeit bleibt«,sagte Dao-Lin-H'ay leise.

»Wie viele dieser Antriebsblöcke schwir-ren in diesem Brutkosmos herum?« fragteMyles Kantor.

»Ich schätzte rund vierzig«, antworteteich.

»Bis die alle zu einem Verband zusam-mengekoppelt worden sind, wird noch viel

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Page 14: Bomben für den Brutkosmos

Zeit vergehen«, kalkulierte Myles. »Und imNotfall müssen wir uns jener Antriebsblöckebedienen, die von den neuen Gliederschiffenabfallen werden …«

Er machte sich selbst etwas vor, und ichwar sicher, daß er das auch sehr genau wuß-te. Offenbar war die zeitliche Reihenfolgeso: Anlieferung des Materials, dann dessenVerbauen in Goeddas Behausung. Dann kamdie nächste Phase des Azzamus - und dannerst wurden die verbliebenen Antriebsblöckezusammengekoppelt und auf die Rückreisegeschickt.

Im Klartext: Wenn wir nicht schnell ge-nug für Goedda eine Zerstörungsmöglichkeitfanden und scharf machten, waren die An-triebsblöcke bereits verschwunden, und wirhingen im Brutkosmos fest. Dann mußtenwir entweder die nächste Azzamus-Prozedurüber uns und Terra ergehen lassen, oder wirmußten unsere Bombe vor dem nächstenFlimmern zünden. Im ersten Fall war esmöglich, daß wir dabei getötet wurden - imzweiten Fall war es unvermeidlich …

Ich war sicher, daß Myles mit seinemscharfen Verstand längst zu den gleichenSchlußfolgerungen gekommen war, undauch bei Dao-Lin konnte ich mir nicht vor-stellen, daß die Kartanin sich irgendwelchenIllusionen hingab.

»Machen wir endlich weiter!« sagte Dao-Lin mit rauher Stimme. »Die Zeit drängt…!«

Nach einer weiteren Stunde hatten wir ei-nes der Gliederschiffe erreicht. Es entsprachäußerlich dem Typus, den wir bereits seitlängerer Zeit kannten. Abgesehen vom An-triebsblock bestanden diese Schiffe aus zahl-reichen einzelnen Segmenten, mitunter mehrals hundert, die durch eine Art von Ketten-gliedern zusammengekoppelt waren. Die äu-ßeren Formen wichen stark voneinander ab.Mal sahen die Schiffe aus wie zusammenge-klumpt, als habe der legendäre GordischeKnoten als Vorlage gedient; in anderen Fäl-len waren sie langgestreckt und erinnertenan Bandwürmer. Ihre Größe reichte bis zueinem geschätzten Durchmesser von über

zwanzig Kilometern.An Bord befand sich hauptsächlich Mate-

rial, in diesem Fall das Manna für den Bau;die Besatzung bestand in der Regel aus ei-nem Chaeroder und bis zu fünfzig Physan-dern. Für die Steuerung und Wartung derRiesenschiffe schien das völlig ausreichendzu sein, zumal es an Bord zahllose Robotergab, von unterschiedlicher Formgebung undmit unterschiedlichen Aufgaben.

Fünfzig gegen drei, das sah auf den erstenBlick sehr ungünstig für uns aus. Aber einGliederschiff hatte einen Rauminhalt, derden von Terrania unrein Vielfaches übertraf-und im Stadtkern lebten über zwanzig Mil-lionen Menschen zusammen, und das durch-aus nicht in beengten Verhältnissen. DieChance, in einem Gliederschiff durch Zufallauf einen Chaeroder oder Physander zu sto-ßen, war daher äußerst gering - vorausge-setzt, wir lösten nicht einen bordinternenAlarm aus …

Langsam und immer wieder Ausschauhaltend, trieben wir an den Rumpf des Glie-derschiffes heran. Wir schalteten die Anti-graus unserer SERUNS ein, so daß wir dieAußenhaut des Schiffes als festen Boden be-nutzen konnten und so entschieden leichtervorwärts kamen.

Unser nächstes Problem war jetzt, in dasInnere des Schiffes zu gelangen. An einemZugang zu den Materialeinheiten, die dasManna und technische Anlagen enthielten,war uns nicht gelegen; dort hätten wir nurwenig ausrichten können, zudem wimmeltees da von Tolkandern und Robotern. UnserZiel mußte die Kerneinheit des Gliederschif-fes sein, der Antriebsblock.

So rasch wie möglich bewegten wir unsauf der Hülle des Materialtransporters vor-wärts, unentwegt nach Robotern Ausschauhaltend, die uns entdecken konnten. UnserVorteil war möglicherweise, daß die Besat-zung dieses neu angekommenen Schiffesnoch nichts davon wußte, daß sich Fremdeim Inneren des Brutkosmos herumtrieben.Nach Lage der Dinge mußten der Komman-dant und die Besatzung voll und ganz auf ih-

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Page 15: Bomben für den Brutkosmos

re eigentliche Aufgabe konzentriert sein,und die bestand darin, Goeddas Bauwerk sorasch und perfekt wie möglich zu erweitern.

Wie oft es einen solchen Brutkosmos be-reits gegeben hatte, wußten wir nicht; aberdie vollständige Vernichtung der GalaxienSuuvar und Tolkandir ließ uns vermuten,daß die Zahl mindestens zweistellig war. Inkeinem dieser Fälle, davon konnten wir aus-gehen, war es jemals irgend jemandem ge-lungen, in Goeddas Lebensblase einzudrin-gen. Die Tolkander waren darauf nach ihrerErfahrung gar nicht vorbereitet und völligahnungslos.

Fraglich war auch, wie lange die explosi-onsartig gewachsene Goedda brauchen wür-de, sich in dem vergrößerten Bauwerk ein-zurichten und nach der Wachstumsphasewieder zu sich zu finden. Auch das vergrö-ßerte unsere Chancen.

Myles Kantor erreichte die Zentraleinheitals erster und gab mir ein Zeichen; er deute-te auf den stählernen Boden unter seinen Fü-ßen. Dao-Lin-H'ay und ich eilten zu ihm.

Myles hatte eine Luke entdeckt, die aller-dings verschlossen war.

»Sollen wir?«Ich schüttelte den Kopf. Wenn wir diese

Luke öffneten, lief das der internen Schiffs-routine zuwider; garantiert gab es dann zumwenigsten ein kleines Warnsignal in derZentrale des Gliederschiffes, das den Kom-mandanten davon unterrichtete, daß eine Lu-ke von außen geöffnet worden war. Bei ei-nem Raumschiff der LFT, Arkons und Ca-melots wäre das jedenfalls so gewesen.

»Was wir brauchen«, sagte ich leise, »isteine Öffnung, die bereits besteht.«

»Das wird nicht leicht sein«, meinte Dao-Lin. »Genau dort wird die größte Aktivitätsein!«

»Wir müssen es einfach versuchen«, ent-schied ich.

Wir marschierten weiter, während um unsherum die Arbeiten an Goeddas Bauwerkweitergingen. Es war ein unglaublichesDurcheinander von Bewegungen und Aktio-nen, Robotern und Schiffen; dennoch klapp-

te die Zusammenarbeit reibungslos. DieChaeroder und Physander hatten die Lageunter Kontrolle und ließen sich allem An-schein nach auch von der Hektik der Aktio-nen nicht verwirren.

Wir brauchten zwei Stunden, bis wir end-lich entdeckten, wonach wir suchten. Unmit-telbar vor uns öffnete sich unversehens einegroße Schleuse, wenig später schoß ein Bei-boot aus der Öffnung hervor und flog mithoher Geschwindigkeit davon.

Ich machte heftige Handzeichen und spu-tete mich, die Luke zu erreichen.

Als erster drang ich in das Gliederschiffein. Normalerweise hätten die Pikosyns mei-nes SERUNS dafür gesorgt, daß der Wech-sel von der selbst erzeugten Schwerkraft desSERUNS in die künstliche Gravitation desSchiff es ohne Probleme ablief; in diesemFall aber mußte ich über die Handschuhsen-soren selbst den Ausgleich herstellen. Es ge-lang mir recht gut, aber einen unangenehmharten Aufprall im Inneren der Schleusekonnte ich dennoch nicht vermeiden.

Dao-Lin-H'ay mit ihrer katzenhaften Ge-wandtheit erging es entschieden besser. Ichsah, wie sie sanft zu mir herabschwebte;über ihr, noch auf der Außenhaut des Schif-fes, war Myles Kantor zu erkennen.

Mit einer Armbewegung forderte ich ihnauf, zu uns zu stoßen. Er zögerte. Myles warnoch nie in seinem Leben ein besonders trai-nierter Mensch gewesen. Wahrscheinlichhing er in diesem Augenblick den Zeitennach, in denen er nach einem Anschlag ver-krüppelt gewesen und auf ein Spezialgefährtangewiesen war. Nach ein paar Sekundensetzte er sich aber dennoch in Bewegung;Dao-Lin-H'ay und ich fingen ihn auf, sonstwäre er schwer auf den Boden geprallt undhätte sich womöglich verletzt. Wir stelltenunser wissenschaftliches Genie wieder aufdie Füße, und er atmete tief durch.

»Das erste Ziel hätten wir erreicht«, kon-statierte Myles ein paar Augenblicke später.»Am besten verschwinden wir von hier, be-vor uns jemand entdeckt.«

Wir hatten schon einmal, vor einigen Ta-

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Page 16: Bomben für den Brutkosmos

gen - mit den Pikosyns war auch unsereZeitmessung ausgefallen, so daß wir aufSchätzungen angewiesen waren -, ein Glie-derschiff dieser Baureihe erkundet undkannten uns daher leidlich gut aus.

Die Zentraleinheit dieses Typus von Glie-derschiff bestand aus einem eintausend Me-ter langen und siebenhundert Meter dickenSteuerblock; darin waren die Triebwerke,die Leitzentrale und technische Geräte un-tergebracht. Kommandiert wurde ein solcherSteuerblock von nur einem Chaeroder.

Wir konnten die Beibootschleuse ohneProbleme verlassen, ohne einem Roboteroder einem Physander zu begegnen. Dannmachten wir uns auf die Suche nach einemAnschluß für das interne Kommunikations-system.

Nur dort konnten wir die Informationenbekommen, die wir für unser weiteres Vor-gehen brauchten …

4.Nerghana Bilox

Wenn ich noch bei Kräften gewesen wäre,hätte ich mich mit allen Mitteln gewehrt; soaber reichte es nur zu einem matten Kräch-zen. Gegen die stählernen Arme der Posbishatte ich nichts aufzubieten.

Sie taten mir Gewalt an, schon seit vielenStunden. Mit brutalen Mitteln, ohne sich umunsere Proteste zu kümmern, hatten sie unsfestgenommen und gegen unseren erklärtenWillen verschleppt. Unsere Befehle hattensie ebenso ignoriert wie unser Bitten undFlehen; den Blechkerlen war das allesgleichgültig gewesen.

In gewisser Weise war das verständlich,schließlich lebten sie ja nicht wirklich. An-geblich waren die Posbis dank der Bioplas-mazusätze in ihren Leibern imstande, Ge-fühle zu empfinden und auch zu verstehen,aber in diesem Fall war davon nichts zu spü-ren.

Ich war bereit zu sterben, ich sehnte michdanach, doch nicht auf diese elende Weise,aber wie sollte ich das diesen syntronischen

Idioten klarmachen?Ich hörte das leise Zischen an meinem lin-

ken Arm und wußte, daß sie mir wieder Me-dikamente in die Blutbahn pumpten. Stär-kungsmittel, hatte man mir zu erklären ver-sucht, Aufbaustoffe, um meinen Organismuszu erhalten.

Was für ein Unsinn; ich wollte gar nichterhalten werden. Wozu auch? Um in ein Le-ben wie dieses zurückzukehren, ein Leben,das entweder aus Sorgen und Nöten oder ausalbernen Nichtigkeiten bestand? Ein Leben,in dem sich alles um Geld drehte, um Macht,um Sex und anderes, was mich längst nichtmehr interessierte?

Ich spürte, wie sich eine träge Mattigkeitin mir breitmachte. Offenbar hatten sie jetztauch noch ein Sedativum hinzugefügt - wohlum mich ruhigzustellen, wie es in diesemJargon hieß.

Meine Gedanken wurden langsamer. Mü-digkeit breitete sich in mir aus, aber es warkeine wohlige Müdigkeit, wie man sie amEnde eines langen Tages voll harter Arbeitin schwacher Form verspüren kann, wie mansie stärker empfindet, wenn man beim Er-matten weiß, daß es danach kein Erwachenmehr geben wird und wie ich es in der rein-sten und schönsten Form würde verspürenkönnen, wenn ich wußte, daß ich am Endemeines Lebens noch das Glück haben wür-de, eine große und geheiligte Aufgabe zu er-füllen.

Warum hinderten sie mich daran? Washatte ich ihnen getan, daß sie so mit mir um-gingen? Begriffen sie es nicht? Oder wolltensie es einfach nicht begreifen, weil Posbissolch elementare Überlegungen fremd wa-ren?

Rettet das Innere, schützt aas Innere!Das war einmal der Ruf der Posbis gewe-

sen, als ihre biopositronischen Horden in ih-ren fürchterlichen Fragmentraumern überdie Milchstraße hereingebrochen waren. ZuZehntausenden hatten sie sich damals geop-fert, um dieses Innere zu schützen und zubewahren, das Heiligste, was sie kannten -das Zentralplasma auf der Hundertsonnen-

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Page 17: Bomben für den Brutkosmos

welt.Ich weiß genau Bescheid darüber, schließ-

lich betreue ich seit fünf Jahrzehnten einesder größten historischen Archive der LigaFreier Terraner. Eine absolut blödsinnigeArbeit, die mir früher sogar großen Spaß ge-macht hat. Wozu ist es gut, sich der Vergan-genheit zu erinnern, Daten zu sammeln, Bi-bliotheken und Archive anzulegen? Die ein-zige Lehre, die man aus der Vergangenheitziehen kann, ist die, daß niemand jemalsLehren aus der Vergangenheit gezogen hat.

Was haben uns die Monumente der Histo-rie zu sagen, außer, daß das Leben für diemeisten Menschen von unaufhörlicher Sorgegeprägt gewesen ist: Hunger, Krieg, Krank-heiten, Armut, Einsamkeit, Gewalt - und da-zu das grausame Wissen, daß alles Regenund Streben letzten Endes zu nichts führt.Außer zum Tode …

Was hat es einem ägyptischen Pharao ein-gebracht, daß er wußte, man würde nach sei-nem Tod zweieinhalb Millionen tonnen-schwere Steinblöcke über seine Leiche tür-men und damit die Große Pyramide von Gi-zeh in die Welt setzen? Ein Monument maß-loser menschlicher Vermessenheit, mensch-lichen Größenwahns und dazu völlig nutz-los.

Ungeheures haben Menschen geleistet inder Vergangenheit, zum Teil, um ihre Zeit-genossen zu beeindrucken, zum Teil, umsich unsterblichen Ruhm zu erwerben. Wasist davon geblieben? Nichts. Was nicht inVergessenheit geraten ist, nicht einfach imLaufe von Jahrhunderten und Jahrtausendenzu Staub zerfallen ist, das ist weitgehendzerstört worden in den Auseinandersetzun-gen und Kriegen, die Terra heimgesucht ha-ben - zuletzt in der Monos-Ära.

Jahrzehnte habe ich damit verbracht,»Schätze der Vergangenheit« zu sammelnund zu archivieren und der Öffentlichkeitwieder zugänglich zu machen - wozu? Aufder Erde leben zig Millionen sogenannter›TerraNostalgiker‹; sie üben sich in alten,längst vergessenen Sprachen, die man vorTausenden von Jahren an ihren derzeitigen

Wohnorten gesprochen hat. Sie erweckennärrische Rituale wieder zum Leben,schmücken ihre Heime mit den Nachbildun-gen von Kunstwerken, die sich überlebt ha-ben; sie sammeln Spendengelder und bear-beiten die LFT-Regierung, um große Bau-werke der Vergangenheit neu zu errichten.

Ein müßiges Unterfangen. Gäbe es ihnnicht, unseren großen Lehrer, der uns diewahren Dinge hat begreifen lassen, würdeirgendwann der nächste Krieg dafür sorgen,daß auch diese Monumente wieder zu demwerden, was sie einmal gewesen sind -Staub und Asche …

Ich konnte spüren, wie ich angehoben undauf ein Gefährt geladen wurde, wahrschein-lich eine kleine Antigravplattform. Wozu alldas Bemühen? Ich wollte es nicht, und wennich noch bei Kräften gewesen wäre, hätte ichmich dagegen gewehrt.

Aber ich war nicht bei Kräften. Ich hattedie erste Phase der Erleuchtung erleben dür-fen, und es war eingetreten, was der Philo-soph uns verheißen hatte: das schnelle undschmerzlose Versickern unserer Energien,das allmähliche Aufgehen des Selbst in et-was, dessen wahre Größe wir niemals wirk-lich werden begreifen können.

Ich konnte die Decke über mir sehen, wiesie vorüberzog, als man mich transportierte.BOX-7443 - ein Fragmentraumer der Pos-bis, ungemein häßlich, aber angeblich sehrsinn- und zweckvoll. Was für ein extrem wi-derwärtiger Ort, um am Leben gehalten zuwerden.

»Wohin …?«Meine Stimme klang lallend. Zum einen

wegen meiner tiefen Erschöpfung, zum an-deren wegen der Medikamente.

»Wir bringen dich zusammen mit den an-deren an Bord der GILGAMESCH«, sagteder Posbi in einwandfreiem, aber schnarren-dem Interkosmo. »Dort wird man sich umdich kümmern. Bleib ganz ruhig, das ist dasbeste …«

»Wer …?«Wer hatte das Recht, mir so etwas anzu-

tun? Mich von Posbis verschleppen zu las-

Bomben für den Brutkosmos 17

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sen, mich mit Drogen vollzupumpen?»Homer G. Adams hat das angeordnet«,

berichtete der Posbi. »Ganz ruhig bleiben,man wird sich an Bord hervorragend umdich kümmern!«

Adams war nicht für mich zuständig. Erwar zwar gebürtiger Terraner, hatte sichaber längst von Terra losgesagt. Anderskonnte man sein Eintreten für Camelot nichtinterpretieren. Und dieser Kerl ließ michentführen!

Niemand kümmerte sich um mich alles,was die Blechkerle interessierte, war dieFunktionsfähigkeit meines Körpers, meinerOrgane. Wie es um meine Persönlichkeit be-stellt war, das scherte keinen.

Aber dieser Adams war schon immer ei-ner gewesen, der es immer besser wußte unddann Entscheidungen getroffen hatte, diesich im nachhinein als große Fehler erwie-sen hatten. War er es nicht gewesen, der denKosmischen Basar der Hamamesch in derMondumlaufbahn gestattet hatte? Warennicht Zehntausende von Terranern daraufhinimprintsüchtig geworden? Und waren nichtbei dem Wahnsinnsflug der Süchtigen nachHirdobaan Tausende von Terranern und an-deren Galaktikern elend ums Leben gekom-men?

Und eben dieser Homer G. Adams maßtesich an …

Meine Lider wurden schwerer und schlos-sen sich; ich dämmerte halb weg, bekamaber noch mit, was mit mir geschah. Ich warnur unfähig, in irgendeiner Form darauf zureagieren.

Zusammen mit den anderen wurde ich inein Beiboot von BOX-7443 geschafft unddann hinübergeflogen zur GILGAMESCH,dem legendären Flaggschiff von Camelot.Die GILGAMESCH war angeblich das be-ste, stärkste und modernste Schiff, das dieMilchstraße derzeit aufweisen konnte; essollte gespickt sein mit technischen Neue-rungen aller Art. Aber erstens interessierteich mich schon allgemein nicht für Technik,und zweitens war ich viel zu benommen, ummehr mitzukriegen als den Transport.

Man war so rücksichtsvoll, uns zur GIL-GAMESCH zu fliegen und nicht etwa perTransmitter an Bord zu bringen; aus Sorgeum den Gesundheitszustand, konnte ich ausden Gesprächen aufschnappen.

An Bord der GILGAMESCH wurde ichin die Medo-Sektion geschafft; man packtemich in ein Bett, und kurz danach muß icheingeschlafen sein.

Durch meine Träume geisterten Nacht-mahre aller Art; entsetzliche Schreckgestal-ten, aber im Hintergrund war die Anwesen-heit des Philosophen zu spüren, und so be-kam ich die Alpträume vom Weiterleben all-mählich in den Griff.

Ich erwachte, als eine warme Hand nachmeinem linken Unterarm faßte. Ich öffnetedie Augen und erkannte einen Mann, dersich über mich gebeugt hatte. Er lächeltefreundlich und wirkte sehr zufrieden. Ermußte ziemlich groß sein, über einhundert-achtzig Zentimeter, gut proportioniert, aberdabei nicht sonderlich athletisch wirkend. Erhatte ein kantiges, markant wirkendes Ge-sicht mit dunklen Augen. Der ebenfalls rechtdunkle Teint stach kraß gegen die weißenHaare ab, die wahrscheinlich gebleicht wa-ren; auf mich wirkte das ziemlich eitel undselbstverliebt.

»Guten Morgen«, sagte der Mann. »Ichbin Doktor Julio Mangana, der Leiter desMedocenters der GILGAMESCH. Du weißt,wer du bist und wo du bist?«

Ich hätte diesem Fatzke am liebsten einpaar gescheuert, aber meine Kräfte reichtendazu leider nicht aus. Es reichte nur, um ihnwütend anzufunkeln und scharf zu antwor-ten.

»Natürlich weiß ich, wer ich bin«, zischteich ihn an. »Und ich weiß auch, wo ich bin -in den Händen von gewissenlosen Schurken,von Verbrechern, Kidnappern …«

»Mag sein, daß du das im Augenblick sosiehst«, entgegnete Mangana.

Der Kerl lächelte wieder. Wenigstenseinen Menschen gab es, der außerordentli-che Stücke auf ihn hielt ihn selbst nämlich.

»Und ich sehe keine Veranlassung, meine

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Meinung zu ändern«, sagte ich scharf. »Essei denn, du läßt mich sofort zur Erde zu-rückschaffen. Wenn du das tust, will ich al-les andere vergessen.« Ich lächelte in phan-tasierter Vorfreude. »Es ist dann nicht mehrwichtig.«

»Wie fühlst du dich?« wollte Julio Man-gana wissen. »Zuerst körperlich, dann see-lisch. Ich möchte es möglichst genau wis-sen.«

»Wozu?« fauchte ich ihn an. »Sag nicht,daß du mir helfen willst. Ich will keine Hil-fe. Ich will nur zurück nach Terra.«

»Um dort zu sterben, nicht wahr?« Ersetzte sich auf einen Stuhl neben meinemBett; nach wie vor lag seine rechte Hand aufmeinem linken Unterarm. Sie fühlte sichwarm und trocken an.

»Richtig«, bestätigte ich. »Und das istmeine Sache, nicht deine. Ich weiß, wo ichsterben will, auf Terra und nicht in demRaumschiff einer Verräterclique, in denHänden von Menschenräubern.«

Mangana lächelte wieder. Er lächelte of-fenbar gern, weil er nett sein wollte - unddamit man seine bemerkenswert schönenund weißen Zähne ausgiebig bewundernkonnte.

»Nun, wo man stirbt, ist die eine Sache«,sagte er; eigentlich hatte er eine ganz ange-nehme Stimme. »Viel entscheidenderscheint mir die Frage zu sein, wann?«

»Das mag für dich wichtig sein …«Ich drehte mich im Bett halb herum, da-

mit ich ihm ins Gesicht sehen konnte. Es fielmir ziemlich schwer. Meine Muskeln funk-tionierten einwandfrei, denn ich war körper-lich vollkommen gesund - so gesund, wie ei-ne Frau von 77 Jahren nur sein kann. Aberirgendwie fehlte mir zu fast allem, was ichhätte tun können, die Energie, sowohl dieseelische als auch die körperliche Kraft.

»Das ist es für fast alle Menschen, die ichkenne«, meinte der Arzt. »Die meisten wol-len so alt werden, wie es nur geht!«

»Ich bin nicht die meisten«, antworteteich. »Ich bin Nerghana Bilox. Ich leite einArchiv für die Geschichte der Liga Freier

Terraner, und man hat mich gegen meinenWillen auf Terra eingefangen und hierherverschleppt. Wenn es möglich wäre, würdeich dich verklagen, aber so etwas wie einRechtssystem gibt es auf Camelot wohlnicht.«

»Oh, sag das nicht«, widersprach Manga-na. »Es gibt durchaus Juristen auf Camelot,allerdings zugegebenermaßen nur sehr weni-ge. Aber unser Problem scheint mir wenigerjuristischer als vielmehr psychologischerNatur zu sein. Laß mich darüber spekulie-ren, was du möchtest; du wirst mir sagen, obich richtigliege oder nicht. Du möchtest so-fort freigelassen und zur Erde zurückge-bracht werden. Dort willst du deine Ruheund darauf warten, daß der große Tagkommt, den der Philosoph euch verheißenhat - der Tag, an dem du und alle anderenintelligenten Lebewesen ihr Leben opfernkönnen für Goedda.«

Er überraschte mich. Wie konnte er so gutinformiert sein - und als Arzt sollte er ei-gentlich auch vernünftig denken können -und daraus nicht die richtigen Schlußfolge-rungen ableiten? Seine Vermutung traf sehrgenau zu, aber die Art und Weise, wie er dieSätze aussprach, verriet mir, daß er meineAbsichten mißbilligte.

»Richtig!« stellte ich fest. »Hast du etwasdagegen einzuwenden?«

Mangana wiegte den Kopf.»Ich lasse Menschen nicht gern sterben«,

sagte er liebenswürdig. »Das geht mir gegendie berufliche Ehre, vor allem verstößt esgegen meine Vorstellung von Ethik. Einemeiner Aufgaben sehe ich darin, Selbstmor-de zu verhindern. Und es ist doch wohlSelbstmord, worauf du hinauswillst, nichtwahr?«

Er begriff nichts, rein gar nichts, obwohler die Fakten halbwegs zu kennen schien.

»Ist es nicht«, sagte ich. »Mord liegt vor,wenn ein Mensch einen anderen Menschengegen dessen Willen tötet, und das aus nied-rigen Beweggründen. Ich will gerne sterben,und meine Beweggründe dafür sind edel underhaben … Aber was rede ich mit dir dar-

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über? Du verstehst mich ja doch nicht.«»Aus ebendiesem Grund rede ich mit

dir«, hielt er mir entgegen. »Ich will verste-hen, was in deinem Verstand und in deinenGefühlen vor sich geht.«

»Wozu?«»Um dir zu helfen!«»Du brauchst mir nicht zu helfen«, ant-

wortete ich. »Ich brauche keine Hilfe. Es ge-schieht nur das, von dem ich will, daß es ge-schieht. Ich bin nicht verzweifelt, nicht vomLeben enttäuscht …«

»… eher angeekelt?«Ich nickte schwach.»Es lohnt sich nicht«, sagte ich. »Selbst

die sogenannten Glücksmomente sind esnicht wert, daß man dafür lebt und seineExistenz dahinschleppt.«

Ich zog die Brauen zusammen.Dr. Julio Mangana machte in diesem Au-

genblick auf mich wirklich den Eindruck,als sei er um mich besorgt. Und als gebe ersich sehr große Mühe, wirklich alles zu be-greifen, was mir durch den Kopf ging.

»Ich verstehe es nicht«, sagte er dann undrunzelte die Stirn. »Ich habe deine Körper-funktionen überprüft. Die bist sehr ge-schwächt, aber insgesamt in Ordnung.Krankheiten hast du nicht zu befürchten.Auch dein Verstand funktioniert, wie ich un-ter anderem dieser Unterhaltung entnehmenkann. Du bist weder verwirrt noch depressiv.Nach allen Vorstellungen des menschlichenLebens müßtest du eigentlich recht zufrie-den sein und Spaß am Leben haben. Unddoch spüre ich deutlich, daß du, kein ande-res Ziel kennst als das, so bald wie möglichzu sterben …«

»Falsch!« schnitt ich ihm das Wort ab.»Nicht so bald wie möglich. Zum einzigrichtigen Zeitpunkt, das ist der richtige Aus-druck. Wenn ich mit meinem Tod etwas be-wirken kann …«

»Und was wäre das?«»Goedda in ihrer ganzen Größe und Herr-

lichkeit entstehen zu lassen«, antwortete ich,und wonnige Schauder durchliefen mich, alsich daran dachte …

5.

»Allein werde ich das niemals schaffen«,sagte Dr. Julio Mangana in der Funkkonfe-renz.

Teilnehmer waren unter anderem HomerG. Adams und Flame Gorbend, derzeit eineder führenden Persönlichkeiten der LFT.Der MERLIN-Kommandant Kalle Esprotnahm ebenfalls an der Besprechung teil,auch seine Stellvertreterin Arina Enquist.»Ich werde in jedem Fall Hilfe brauchen.«

»Solche Hilfe ist bereits unterwegs«, in-formierte ihn Flame Gorbend. »Es wird al-lerdings noch ein paar Tage dauern, bis dasMedoschiff mit Bre Tsinga an Bord bei derGILGAMESCH ankommen wird.«

Von dieser Frau hatte Julio Mangangschon einmal gehört; eine junge, aber angeb-lich sehr gute Psychologin der LFT.

»So lange können wir nicht warten«, warfHomer G. Adams ein; er sah hohläugig aus,als habe er lange nicht mehr richtig schlafenkönnen. Bei einem Zellaktivatorträger wardas ein besorgniserregendes Zeichen.»Gerade haben wir das erste Flimmern er-lebt, und die Folgen sind verheerend. AufTerra sind sämtliche Syntroniken ausgefal-len, zwar nur für einige Stunden, aber dasChaos war dennoch gewaltig. Niemandweiß, was geschehen wird, wenn das zweiteFlimmern stattfindet.«

»Wahrscheinlich nicht sehr viel mehr«,bemerkte Kalle Esprot. »Würden die Syntro-niken auf Dauer ausfallen, wäre das für alleMenschen auf Terra das Ende. Zunächst ein-mal allein aus dem Grund, weil die öffentli-che Versorgung zusammenbricht. Zum an-deren sind die Terraner so mit ihrer Todes-sehnsucht beschäftigt, daß sie sich dannnicht einmal mehr um die elementarsten Le-bensbedürfnisse kümmern würden. Sie wür-den wegsterben wie die Fliegen. Das aber istnicht im Sinne des Philosophen, er brauchtdiese Menschen noch. Schlußfolgerung: Einzweites Flimmern wird keinen sonderlichenSchaden anrichten. Du willst widersprechen,

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Julio?«»Ganz energisch sogar«, sagte Dr. Julio

Mangana. »Deine Logik stimmt nur halb.Der Philosoph will zwar beim sechsten, demletzten Flimmern die Lebensenergie allerTerraner und Terrabesucher in sich aufneh-men, aber das muß nicht bedeuten, daß erauf dem Weg dorthin nicht ungerührt Millio-nen vorzeitig sterben läßt. Außerdem wissenwir nicht, wann das nächste Flimmern kom-men wird - es kann sein, daß wir darauf nurein paar Stunden warten müssen, daß sichdie ganze Katastrophe in zwei oder drei Ta-gen abspielt. Beeilen müssen wir uns daherin jedem Fall.«

»Er hat recht«, stimmte Homer G. Adamszu; mit einem Nicken bestätigte Kalle Es-prot, daß er sich von Manganas Argumentenhatte überzeugen lassen. »Wir müssen unsbeeilen. Wie sieht es um den Gesundheitszu-stand der Geretteten aus?«

Julio Mangana wiegte leicht den Kopf.»Sie sind körperlich sehr geschwächt«,

sagte er mit einem Tonfall der Besorgnis.»Aber rein physisch müßten die meisten inein paar Tagen wieder fit sein. Zur Zeit je-denfalls sind sie restlos ausgelaugt undkraftlos, sowohl physisch als auch psy-chisch. Als hätte man ihnen einen beträchtli-chen Teil der Lebensenergie weggenom-men.«

»Und wie ist die Prognose?«»Ich schätze, daß ich höchstens zehn bis

vierzehn Tage brauchen werde, damit diePatienten wieder voll einsatzfähig seid wer-den«, sagte der Leiter des Medocenters derGILGAMESCH. »Wie lange es aber dauernwird, bis sie die geistigen Schäden überwun-den haben werden, vermag ich nicht abzu-schätzen. Das kann in Einzelfällen wahr-scheinlich Jahre dauern. Die seelische Wir-kung des Philosophen ist tiefgehend. Siedenken unentwegt ans Sterben. Ich habeschon psychiatrische Patienten gehabt, aberSelbstmordsüchtige wie diese sind mir nochnicht untergekommen.«

»Darum wird sich ebenfalls Bre Tsingakümmern!«

»So lange können wir nicht warten«, wie-derholte Homer G. Adams. »Wir müssen ak-tiv werden. Julio Mangana hat recht: Gleich-gültig, wie lange es bis zum nächsten Flim-mern noch dauern wird und wie stark dieNebenwirkungen sein werden - bis dahinwerden zahllose Menschen auf der Erdesterben, aus Entkräftung, an Krankheiten,um die sich niemand kümmert, durch Unter-ernährung … Es ist ja fast so wie damals, alsder Schwarm die Verdummung über die Ga-laxis brachte. Das dürfen wir nicht zulassen.Wir müssen zusehen, daß wir NATHANwieder unter unsere Kontrolle bringen. Dazuist, wie wir wissen, eine einträchtige Ent-scheidung von drei Personen nötig: PaolaDaschmagan, die Erste Terranerin, CistoloKhan als LFT-Kommissar und Gia de Mole-on als Chefin des Terranischen Ligadienstes.Ihretwegen vor allem haben unsere Posbi-freunde sich nach Terra gewagt. Jetzt habenwir sie an Bord der GILGAMESCH, und sobald wie möglich müssen sie die Sperre NA-THANS wieder aufheben, damit NATHANgegen den Philosophen tätig werden kann.Wie sieht es auf diesem Gebiet aus, Julio?«Der Arzt zog pfeifend die Luft durch dieZähne.

»Die Patienten sind noch vollkommen inihre Wahngedanken verstrickt«, sagte er.»Sie haben nur noch ein Ziel im Leben: sichfür die Geburt von Goedda zu opfern; allesandere ist ihnen nebensächlich.«

»Bekannt«, sagte Kalle Esprot trocken.»Und wie sieht es mit Therapie aus? Kannstdu etwas erreichen?«

»Ich bin kein Fachmann auf diesem Ge-biet«, sagte Mangana. »Aber wie ich schonausgeführt habe, die Patienten sind nicht nurkörperlich, sie sind auch seelisch ge-schwächt. Es fragt sich, ob eine weniger gu-te Krisenintervention in diesem Fall nicht zubesseren und vor allem schnelleren Ergeb-nissen kommt als eine intensive und sehr be-hutsame Langzeittherapie. Nur …«

»Nur was?« fragte Homer G. Adams.»Ich müßte mich sehr täuschen, wenn die

Wirkung der Philosophenthesen nicht tief in

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die Grundstrukturen der Persönlichkeit hina-breicht. Ich fürchte, daß die Psychologensehr viel Arbeit damit haben werden, dieseWirkungen wieder abzubauen. Ich habe die-se Möglichkeiten nicht. Wenn ich mich dar-auf konzentriere, aus den Patienten jenes Er-gebnis herauszuholen, auf das wir alle scharfsind - nämlich die Aktivierung von NA-THAN -; dann kann es sein, daß es für einewirklich gründliche und dauerhaft heilendeTherapie zu spät ist.«

Homer G. Adams runzelte die Stirn.»Und? Inwiefern wäre das von Nachteil?«Julio Mangana blickte ihn an.»Die Patienten blieben seelisch krank.

Wir bekämen zwar NATHAN auf unsereSeite, aber dafür wären vor allem diese dreidauerhaft suizidgefährdet. Vielleicht mußman sie bis an den Rest ihres natürlichen Le-bens ununterbrochen beaufsichtigen …«

Schweigen breitete sich aus.»Das ist nicht dein Ernst!« stieß Kalle Es-

prot hervor. »Ist das wirklich die Wahl, vorder wir stehen? Entweder eine menschenlee-re Erde und die Geburt von Goedda, dafüraber drei glückliche und zufriedene LFT-Chefs, oder wir vernichten Goedda um denPreis von drei dauerhaft seelisch gestörtenMenschen?«

»Ich danke dir dafür, daß du die beidenMöglichkeiten so präzise umschriebenhast«, sagte Julio Mangana knapp. »Genaudarauf läuft es hinaus …«

»Einmal abgesehen davon«, warf FlameGorbend ein, »daß mit der Aktivierung vonNATHAN noch gar nichts gewonnen ist.Kann sein, daß sich diese Hoffnung letztlichals Sackgasse erweist.«

Betroffenheit machte sich breit.Homer G. Adams fixierte Julio Mangana

mit Blicken.»Was sagst du dazu? Wie würdest du dich

entscheiden?«»Das ist sehr schwer zu sagen, denn ich

bewege mich auf einem Gebiet, auf dem ichnicht Fachmann bin. Möglich ist, daß meineschnelle Krisenintervention rein gar nichtsbewirkt, dann habe ich zwar nichts erreicht,

aber auch niemandem geschadet. Kann sein,daß NATHAN bald wieder aktiv werdenund man die Patienten wieder restlos herstel-len kann. Das wäre natürlich die bessere Lö-sung. Am gemeinsten ist dieser Ausgang:Wir bekommen NATHAN aktiviert, aberdas bringt uns nichts ein, während meine Pa-tienten dauerhaft geschädigt werden. In die-sem Fall, ich sage es offen: Könnte man die-sen Ausgang vorhersehen, würde ich die Be-handlung der Patienten selbstverständlichablehnen. Im Grunde stehen sich zwei Risi-ken gegenüber: die Möglichkeit, die durch-aus nicht eintreten muß, daß die Patientengeschädigt werden, und die Möglichkeit,durch die ausbleibende Aktivierung vonNATHAN unsere letzte Chance zu verspie-len.«

Er zögerte lange.»Augenblick«, warf Arina Enquist ein.

»Sehen wir die Sache doch einmal von eineranderen Warte. Es geht uns um die Aktivie-rung von NATHAN. Nur deswegen ist die80X7443 auf Terra gelandet. Ohne diesenEinsatz wären alle Patienten noch auf derErde und dem sicheren Tode geweiht - sobetrachtete, wäre selbst im schlimmsten allerFälle für die Patienten ein Vorteil erreicht.Sie wären zwar stark selbstmordgefährdet,aber sie wären wenigstens nicht tot …«

Julio Mangana schüttelte den Kopf.»Ich bin vor allem Arzt, ich habe mich

um das Wohl meiner Patienten zu kümmern.Politik ist nicht meine Sache. Und jetzt sollich um einer bloßen Möglichkeit willen dasRisiko in Kauf nehmen, meine Patientendurch unsachgemäße Behandlung zu schädi-gen? Das, Freunde, ist mein Problem, unddiese Entscheidung fällt mir außerordentlichschwer.«

»Wie ist es mit dieser Überlegung: Wasglaubst du, wie Cistolo Khan in diesem Fallentschieden hätte, selbst wenn es um Risi-ken für seine eigene Person geht?«

Julio Mangana lächelte mager.»Erstens ist das rein hypothetisch«, sagte

er. »Niemand kann wirklich sagen, wie einPatient in dieser oder jener Situation ent-

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schieden hätte, wenn es um seine Gesund-heit und sein Leben geht. Gerade auf diesemGebiet kann man sich fürchterlich irren. Undspeziell in diesem Fall macht es überhauptkeine Probleme, zu einer Entscheidung zukommen. Wir könnten Cistolo Khan und dieanderen ja wirklich fragen … Und ihr wißt,wie deren Antwort aussehen wird …!«

Homer G. Adams senkte den Kopf.»Sie werden sterben wollen, zusammen

mit allen anderen, die in den unseligen Banndes Philosophen geraten sind …«

»Unfug!« warf Flame Gorbend ein.»Cistolo und die anderen sind doch gar nichtbei klarem Verstand … Sie wissen gar nicht,was sie sagen.«

»O doch«, antwortete Julio Mangana lei-se. »Leider wissen sie das sehr genau …«

6.

»Ist es deine Sache als Arzt, darüber zuentscheiden, was gut ist für mich odernicht?« fragte ich Julio Mangana.

Er sah mitgenommen aus, wie ein Mann,der nicht viel geschlafen hat. Um so besser…

Mangana war intelligent, aufgeschlossenund geistig beweglich. Es müßte möglichsein, ihn auf den richtigen Weg zu bringen;er hatte es verdient, und wenn ich mich einwenig anstrengte, dann konnte ich es durch-aus schaffen, ihn in unsere Gemeinschaftaufzunehmen. Ganz gewiß würde er sichmeinen Argumenten, von denen ich wußte,daß sie eindeutig die besseren waren, letzt-lich beugen und unterwerfen.

Ich mußte nur aufpassen, nicht zu schnellund zu drängend vorzugehen. Ich war Nerg-hana Bilox, nicht der Philosoph selbst, des-sen Existenz allein schon mehr wog als alleVernunftgründe. Wenn ich zuviel Druck aufMangana ausübte, würde er wahrscheinlichstörrisch werden und sich sogar gegen Ein-sichten wehren, die aus seinem Innerstenemporstiegen. Unaufgeklärte Menschen wa-ren mitunter sehr eigentümlich.

»Wenn du meine Patientin bist, dann

schon«, antwortete Julio Mangana. »Genaudas ist der Beruf eines Arztes: Er weiß Din-ge, die für den Patienten und dessen Wohlwichtig sind und die der Patient mangelsSachkenntnis einfach nicht wissen kann.Wärest du ernsthaft krank und müßtest ope-riert werden - wer, wenn nicht ich oder einanderer Arzt, sollte die Diagnose stellen undalles Notwendige veranlassen?«

»Und wer definiert, ob ich deine Patientinbin oder nicht? Ich bin wach, ein bißchenschlapp zwar, das gebe ich zu, und auf die-sem Gebiet habe ich gegen deine Hilfenichts einzuwenden. Aber es gibt Bereiche,beispielsweise mein Seelenleben, da bin ichmit der Definition als Patientin nicht einver-standen, ganz und gar nicht. Wußtest du üb-rigens, daß das Wort Patient aus der längstausgestorbenen Sprache der Römer stammtund soviel wie der Leidende, Erduldendebedeutet? Ich halte die zweite Übersetzungfür die bessere, sie beschreibt das Verhältnisbesser …«

Julio Mangana legte den Kopf zurück undlachte laut los.

»In einer solchen Lage hältst du mir einenkulturgeschichtlichen Vortrag?« amüsierteer sich.

Ich fixierte ihn.»Daß ich es kann«, sagte ich scharf,

»beweist doch wohl, daß ich in der Lage bin,meine Entschlüsse klar zu durchdenken undauch selbst zu fassen. Ich brauche dazu dei-ne Hilfe nicht.«

Er betrachtete mich nachdenklich, wäh-rend ich meine Schwäche verwünschte, diemich daran hinderte, aktiv zu werden. Man-gana machte einen freundlichen und kompe-tenten Eindruck und schien, abgesehen vonder verständlichen Schwäche der Eitelkeit,ein recht sympathischer Mensch zu sein.Aber in diesem Augenblick war er mir imWege; er hinderte mich daran, die Erfüllungmeines Lebens zu finden.

Und deswegen begann ich ihn zu hassen,zuerst langsam, nur angedeutet in meinemEmpfinden, aber dann immer stärker …

»Was ist, wenn ein Symptom deiner

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Page 24: Bomben für den Brutkosmos

Krankheit das ist, daß du deine Lage unddeinen Zustand eben nicht mehr richtig ein-schätzen kannst? Wenn du zwar glaubst,vollkommen in Ordnung zu sein, in Wirk-lichkeit aber schwer krank bist …?«

»Pah«, sagte ich. »Eine fadenscheinigeTheorie, mit der man alles und jedes recht-fertigen kann. Die klassische Grundlage, aufder die Herrschaft von Tyrannen beruht, vonÄrzten, Anwälten, Lehrern und Eltern. Siealle behaupten, es besser zu wissen. Objek-tiv besser zu wissen, und man selbst hat ein-fach nicht den Durchblick. Wie armselig,wie kümmerlich - und wie hochmütig undgrößenwahnsinnig.«

»Treffer«, gab Julio Mangana zu. »Unddu hast die Wahrheit gefunden, nicht wahr?Die letzte, alles erledigende Wahrheit, dieunumstößliche, nicht zu erschütterndeWahrheit. Wie gut für dich.«

»Spar dir den höhnischen Tonfall!«fauchte ich ihn an. Ich wünschte, ich hätteihn packen und prügeln können.

»Und wo hast du sie gefunden?« wollteJulio Mangana wissen. »Lag sie irgendwoauf dem Boden, als du gerade deines Wegesgegangen bist? Hat sie dich überkommen inGestalt einer göttlichen Erleuchtung …?«

»Der Philosoph hat sie uns geschenkt«,antwortete ich gelassen.

Dieser Mann konnte mich nicht erschüt-tern. Seine Position war unhaltbar.

»Und vorher hast du ganz anders gedachtund empfunden?«

Ich fragte mich, warum er dieses Ge-spräch mit mir suchte. Er war Arzt, keinSeelsorger. Mochte er für meinen Körpertun, was er für richtig hielt - schaden würdeer mir weder wollen noch können.

Aber er versuchte auch, an meiner Psycheherumzufingern. Das ärgerte mich ebenso,wie es mich verwunderte. Was ging es ihnan?

»Das stimmt«, gab ich zu und lächelte un-willkürlich.

Was war ich vorher doch dumm gewesen.Wofür hatte ich meine Kräfte nicht alles ver-plempert - für meinen Beruf, für Geld, für

schöne Kleider, für Männer … Und am En-de war ich doch immer dieselbe gebliebenund hatte gewußt, daß sich dieser Reigenfortsetzen würde bis ans Ende meiner Tage.

»Hast du mit dem Philosophen argumen-tiert?« wollte Mangans wissen.

Diesmal lachte ich ihn einfach aus. Wasfür eine idiotische Frage! Wie hätte ich michder geballten Kompetenz des Philosophenauch widersetzen sollen? Und können? Undwozu auch?

Er hatte recht, recht in allem, was er sagteund tat. Sein System beruhte auf wissen-schaftlicher Grundlage, es war durchdachtbis ins kleinste, bis zur unausweichlich letz-ten Konsequenz.

»Selbstverständlich nicht«, sagte ich.»Wie soll man gegen die Wahrheit argumen-tieren? Das ist doch Unsinn!«

»Und wer behauptet, daß es sich um dieWahrheit handelt? Er, der Philosoph?«

Ich nickte.»Kann es sein, daß er euch belogen hat?«

fragte Julio Mangans.Mich schauderte. Der Gedanke war allzu

vermessen, eine unerhörte Frechheit. Wiekam dieser bornierte Dummkopf dazu, sol-che Fragen zu stellen? Der Philosoph hatterecht gehabt - es gab Menschen, die seineFeinde waren und damit auch unsere Feinde.Feinde, die man wenigstens aufhalten muß-te, wenn es nicht sogar besser war, sie zu tö-ten.

Die Wahrheit, die einzige, unerschütterli-che und niemals endende Wahrheit, lag jen-seits der Schwelle des Todes, aber das konn-ten Menschen wie Julio Mangans - Doktorhin oder her - einfach nicht begreifen. Erstim Augenblick ihres Todes würde sich ihnendie Wahrheit offenbaren.

So betrachtet, war es eigentlich unsereethische Pflicht, Menschen wie Julio Man-gans, wenn sie sich schon nicht überzeugenlassen wollten, mit dem besten und unwider-legbaren Beweis von der Richtigkeit unsererWahrheit zu konfrontieren - indem wir sietöteten.

»So ein Schwachsinn!« sagte ich gereizt.

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Page 25: Bomben für den Brutkosmos

»Hältst du mich denn für so dumm, aufeinen Lügner hereinzufallen?«

Er sah mich an, mit dunklen, diesmal sehrkühl blickenden Augen.

»Ja, für so dumm halte ich dich«, sagte erohne Aufregung. »Und ich kann dir bewei-sen, daß ich recht habe.«

»Das möchte ich erleben«, trotzte ich.»Nun gut«, meinte Mangans. »Vor dem

Auftauchen des Philosophen hast du andersgedacht und empfunden als heute, richtig?Wesentlich anders, vor allem, was deineEinstellung zu Leben und Tod angeht.«

»Zugegeben«, räumte ich ein. »Aber derPhilosoph hat mir die Augen für die Wahr-heit geöffnet …«

»Nicht so schnell!« sagte Julio Mangans.»Bleiben wir bei deinem Zustand vor der Er-leuchtung durch den Philosophen. Bist dudamals auf Lügner hereingefallen?«

Ich senkte den Kopf.»Du hast recht«, gab ich zu. »Ja, ich bin

damals Lügen aufgesessen. Märchen, Fa-beln, Mythen, irgendwelchen Geschichten,die ich geglaubt habe wie ein kleines Kind…«

Mangana spitzte die Lippen.»Und hast du damals, als du das alles

noch geglaubt hast, schon gewußt, daß esLügen gewesen sind?«

Ich schüttelte langsam den Kopf.»Der Philosoph hat es mir aber klar- und

bewußtgemacht«, antwortete ich. »Und sei-ne Beweise …«

»Lassen wir einmal die sogenannten Be-weise«, sagte Julio Mangana scharf. »Fassenwir nur die Tatsachen zusammen. Vor demPhilosophen hast du ein gewisses Weltbildgehabt und fest daran geglaubt. Dann ist derPhilosoph gekommen, hat dieses Weltbildals Lüge bezeichnet und dir ein neues Bildvermittelt, an das du nun glaubst, ohne jedenZweifel daran zu entwickeln …«

»Und du versuchst«, hielt ich ihm entge-gen, »mir jetzt zu erklären, daß der Philo-soph ein Lügner ist und du die Wahrheitsagst …«

»So ungefähr«, bestätigte Julio Mangana.

»In diesem Punkt wenigstens sind der Philo-soph und ich gleich …«

Ich starrte ihn entgeistert an. Es war eineVermessenheit ohnegleichen von diesemMenschen, sich mit dem Philosophen gleich-zusetzen!

»Dafür hättest du den Tod verdient«, stießich wütend hervor. »Eine derartige Läste-rung …«

Ich sah, wie er die Brauen wölbte.»Für mich der Tod als Strafe?« fragte er

verwundert. »Und für dich als Höhepunktund krönender Abschluß deines Lebens?Gibt es verschiedene Tode? Nicht Arten desSterbens, daß es das gibt, ist mir klar. Ichmeine, gibt es mehrere Arten, tot zu sein?Eine, die einem Spaß macht, und eine, unterder man leidet?«

Ich preßte die Fingerspitzen gegen dieSchläfen. Er tat mir weh mit diesem ständi-gen Gerede.

»Du willst mich einfach nicht verstehen«,klagte ich. »Geh weg, du machst mich ganzkrank. Ist das deine Aufgabe als Arzt?«

»Wohl kaum«, antwortete Julio Manganaund stand auf.

Für einen Augenblick entgleisten seineGesichtszüge. Er hatte sich nicht mehr unterKontrolle, die Maske fiel ab, die er währenddes Gespräches mit mir aufgesetzt hatte.

Ich sah einen Mann, der selbst krank zusein schien, ausgezehrt, müde, erschöpft undmit einem Zug von Resignation und Verbit-terung um die Mundwinkel. Es war das Ge-sicht eines Mannes, ging es mir durch denKopf, der eine schwere und verantwortungs-volle Aufgabe übernommen hatte und sichdavor fürchtete, der Belastung nicht gewach-sen zu sein.

Ein leises Triumphgefühl stieg in mir auf.Er hatte es versucht, mich argumentativ

zu bezwingen - ein Versuch, der a priorizum Scheitern verurteilt war, wie ich wußte,denn kein Mensch konnte es mit dem Philo-sophen aufnehmen. In diesem Augenblickhatte er die Grenzen seiner Fähigkeiten er-fahren. Er war gescheitert, kam nicht weiter,wußte auch nicht mehr weiter …

Bomben für den Brutkosmos 25

Page 26: Bomben für den Brutkosmos

»Du solltest auf der Erde landen«, sagteich mitfühlend.

»Bitte?«Er wandte sich mir erneut zu. Er hatte

vergessen, die seelische Maske wieder auf-zusetzen, die er mir vorher zugekehrt hatte.Er zwinkerte heftig, unterdrückte dann müh-sam das Verlangen zu gähnen.

»Es würde dir gut tun«, sagte ich, »dieLehre des Philosophen zu übernehmen …«

»Inwiefern …?«»Es würde das Leiden von dir nehmen«,

sagte ich. »Und ich kann sehen, daß du lei-dest. Was du versuchst, geht über deineKräfte …«

Der Arzt nickte langsam und setzte sich.»Ich kann dir sagen, welche Aufgabe ich

habe«, sagte er mit hängenden Schultern.»Du weißt sicher, daß wir nicht nur dich vonTerra abgeholt und an Bord der GILGAME-SCH gebracht haben. Unter anderem habenwir auch Paola Daschmagan, Cistolo Khanund Gia de Moleon an Bord, und meineAufgabe besteht darin, sie dazu zu bewegen,wieder die Kontrolle über NATHAN zuübernehmen und dafür zu sorgen, daß denMenschen auf Terra geholfen werden kann.«

Ich schüttelte langsam den Kopf.»Die Menschen auf Terra brauchen keine

Hilfe«, sagte ich. Begriff er das wirklichnicht? »Entweder leben sie, oder sie sterben.Sterben werden sie ohnehin, und leben wol-len sie eigentlich gar nicht mehr. Wenn sieein paar Tage früher sterben, als es gut undnützlich wäre, wen kümmert das?«

»Mich unter anderem«, sagte Julio Man-gana. »Weißt du, zwischen unseren Weltbil-dern gibt es einen fundamentalen Unter-schied …«

»Und der wäre?«Julia Mangana seufzte tief.»Ich kann mich irren - du nicht … Mein

Weltbild schließt die Möglichkeit des Irr-tums ein, das deine jedoch nicht … Wenn dumit deiner Auffassung recht hast, kann ichmich dir immer noch anschließen. Solltestdu dich aber irren …«

7.Atlan

»Der Kommandant dieses Gliederschiffesheißt Kynhan«, erklärte Myles Kantor. »EinChaeroder, und er scheint ziemlich unterDruck zu stehen …«

Myles Kantor hatte sich wieder in die bor-dinterne Kommunikationsstruktur einge-klinkt; es war ihm leichter gefallen als beimersten Mal, aber dennoch hatte es ziemlichlange gedauert. Der Ausfall unserer Piko-syns machte sich allenthalben bemerkbar.Immerhin funktionierten jetzt unsere Trans-latoren wieder halbwegs normal.

»Seht euch das an!« Myles ließ auf einerFläche eine große Projektion auftauchen.»So sieht das Bauwerk von Goedda jetzt aus…«

Es war eine verwirrende Darstellung vonineinander verflochtenen Röhren, Kammernund Gängen; der Plan versuchte das Bau-werk in allen drei Dimensionen darzustellenund war für einen Menschen völlig undurch-schaubar. Vielleicht hätte ein Posbi damit et-was anfangen können oder ein insektoidesLebewesen, für das solche Bauten wohl ehernormal waren.

Myles Kantor wechselte die Projektionaus. Die Details waren jetzt noch kleiner undverwirrender.

»Die nächste Ausbaustufe«, klärte Mylesuns auf. »Nach meiner Einschätzung ist die-ses Bauswerk dreimal so groß wie das erste.Es wird die Tolkander eine Menge Zeit ko-sten, diese Stufe zu vollenden.«

»Und wie groß soll das Bauwerk in derletzten Phase werden?« wollte Dao-Lin-H'aywissen. »Kannst du auch das den Plänen ent-nehmen?«

Myles nickte knapp.»Wenn ich die Daten richtig interpretie-

re«, sagte er vorsichtig, »dann wird GoeddasBauwerk in der letzten Phase praktisch,dengesamten Brutkosmos ausfüllen - und dassind rund neuntausend Kilometer im Durch-messer …«

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Page 27: Bomben für den Brutkosmos

Ich stieß einen halblauten Pfiff aus.»Neuntausend Kilometer Durchmesser«,sagte ich beeindruckt. »Das ergibt …«

»… eine Kugel, die einen sehr großenTeil des gesamten Erdvolumens ausmachenwürde«, berechnete Myles Kantor schnell.»Terra hat einen Durchmesser von runddreizehntausend Kilometern …«

Mein Extrahirn hatte zu rechnen begon-nen, wie üblich mit einer Exaktheit, die hierfehl am Platze war. Ich verzichtete daher aufdie genauen Zahlen, als ich den anderen vor-rechnete:

»Das Volumen einer Kugel wird nach derFormel berechnet: vier Drittel mal Pi malRadius hoch drei. Bei einer Kugel von neun-tausend Kilometern macht das 38.170 malzehn hoch elf Kubikkilometer aus …«

Dao-Lin-H'ay blickte mich skeptisch an.»Worauf willst du hinaus?« fragte sie.»Darauf, daß der Rauminhalt von Goed-

das Bauwerk in der letzten Ausbaustufe dengleichen Volumeninhalt hat wie rund sie-benundzwanzig Millionen Gliederschiffedes uns bekannten Typs. Im Augenblicksind hier bestenfalls fünfzig bis einhundertSchiffe anzutreffen, es würde also nochmittlere Ewigkeiten dauern, bis Goedda diedritte oder vierte Baustufe erreicht. Außer-dem geht mir noch eines durch den Kopf: Jegrößer das Bauwerk wird, um so größer mußauch der Materialaufwand für den nächstenAbschnitt werden. Entsprechend viele Schif-fe müßten ankommen und ihre Ladung fürden Bau zur Verfügung stellen - währendgleichzeitig der Platz im Inneren des Brut-kosmos, in dem die Schiffe operieren kön-nen, immer kleiner wird, bis …«

Ich konnte sehen, daß Myles Kantor nichtverblüfft dreinblickte.

»Du willst damit andeuten, daß es ein Et-was wie diesen Brutkosmos, das Bauwerkund Goedda aus mathematischen und physi-kalischen Gründen gar nicht geben dürfte.Aber deine Rechnung ist leider falsch …«

»Widerlege mich« forderte ich ihn auf.»Zunächst einmal ist es so: Für den Kern

des Bauwerks reicht ein Schiff aus. Je grö-

ßer das Bauwerk wird, um so mehr Schiffekönnen gleichzeitig daran eingesetzt wer-den. Aber diese Berechnung führt ohnehinin die Irre. In einem Punkt nämlich hast duohne Zweifel recht: Was die Gliederschiffeheranschaffen, das reicht vielleicht aus, umdieses System von Gängen und Röhren an-zulegen, aber niemals dazu, das gesamteBauwerk mit Goedda-Masse zu füllen. Ichbin schon ziemlich lange sicher, daß Goeddasich nicht nur aus jenem Material zusam-mensetzt, das von den Schiffen herbeige-bracht wird. Es muß noch eine andere Quel-le für Energie und Materie geben, aus derGoedda schöpfen kann. Vielleicht hilft derPhilosoph auf Terra mit. Das Kritzeln kannja einen weitergehenden Sinn haben. Viel-leicht ist Goedda auch imstande, unmittelbaraus dem übergeordneten Kontinuum Energi-en aufzunehmen und in Körpermasse umzu-wandeln. Und wenn wir diese Quelle finden…«

»Du meinst, dann haben wir eine Waffegegen Goedda?« fragte Dao-Lin-H'ay hoff-nungsvoll.

»Es muß eine solche Waffe geben«, sagteich. »Anderenfalls haben wir nämlich verlo-ren …«

Myles Kantor studierte inzwischen anderetechnische Unterlagen. Bisher war es anBord des Gliederschiffes niemandem aufge-fallen, daß nicht nur in der Zentrale Datenaus dem zentralen Kommunikationsnetz ab-gerufen wurden, sondern auch in einem vonder Zentrale weit entfernten Raum.

Es gibt nichts, was so gefährlich ist wieSicherheit - kraß ausgedrückt. Zu Beginn ih-rer Entwicklung hatten die Tolkander ihreSchiffe wahrscheinlich mit Wachpersonalund Alarmanlagen aller Art bestückt. Aberes war offenbar nie irgend etwas passiert,und so hatte sich nach und nach, so unaus-weichlich wie die Evolution, der Schlendri-an breitgemacht. Das Material für Alarman-lagen, die niemals aktiv geworden waren,wurde bei der nächsten Generation vonSchiffen weggelassen oder anderweitig ver-wendet; Mannschaften, die sensible Zonen

Bomben für den Brutkosmos 27

Page 28: Bomben für den Brutkosmos

hätten bewachen sollen, wurden auf anderePosten gesetzt, und so ging es fort, bis vomfrüheren Aufwand kaum mehr etwas im Ein-satz war. Das Gefühl der Sicherheit schlugin diesen Fällen nach einiger Zeit in Über-heblichkeit um und wurde damit zur Gefahr.

»Die Zentrale …«, murmelte Myles Kan-tor, während er die Pläne studierte. »Dortkönnte man natürlich allerhand erreichen.Schließlich wird von dort aus alles an Bordgesteuert.«

»Vor allem würden wir Aufmerksamkeiterringen«, bemerkte ich. »Und das solltenwir besser vermeiden.«

Myles grinste flüchtig. »Ich weiß«, gab erzurück. »Keine Sorge, ich werde darauf ach-ten.«

Dao-Lin-H'ay warf mir einen Blick zu.»Nehmen wir an, es gelingt uns, dieses

Schiff in eine Art Bombe zu verwandeln«,fragte sie. »Wann soll diese Bombe dannhochgehen?«

Darüber hatte ich mir auch schon Gedan-ken gemacht.

Eines unserer Probleme war, daß unsereZeitrechnung nicht mehr stimmte. Mit denPikosyns waren auch die Chronometer aus-gefallen und hatten ihre Daten verloren. In-zwischen liefen sie wieder, aber uns fehltedie Zeitspanne, in der wir ohne Bewußtseingewesen waren - möglich, daß es nur eineknappe Stunde gewesen war, aber es hättenauch mehrere Stunden, vielleicht sogar einganzer Tag sein können.

»Das wird Myles herausbekommen müs-sen«, sagte ich und deutete dabei auf denWissenschaftler. »Wir haben drei relevanteDaten zu beachten: erstens den Zeitpunktdes nächsten Flimmerphänomens. Die Bom-be sollte nach Möglichkeit hochgehen, bevores soweit ist und wieder Menschen zu Scha-den oder sogar zu Tode kommen. Zweitensmacht es keinen Sinn, die Bombe zu einemZeitpunkt zu zünden, wenn das Schiff denBrutkosmos schon wieder verlassen hat.Und drittens ist vor allem für uns wichtig,daß wir Goeddas Brutkosmos zum Zeitpunktder Zündung nach Möglichkeit schon verlas-

sen haben.«»Wann das nächste Flimmern geschehen

wird, weiß ich nicht«, murmelte Myles Kan-tor, der angestrengt auf die Daten starrte, dieer sich zeigen ließ.

Wie so oft in solchen Fällen hatte er einNiveau und eine Konzentration des Denkenserreicht, bei dem ihm kaum noch jemandfolgen konnte. Eine von Myles Kantors ganzbesonderen Gaben war, Verknüpfungen undlogische Fäden zwischen Informationen er-kennen zu können und weiterzuspinnen, dieaußer ihm niemand zu finden, geschweigedenn zu verfolgen imstande war. Es warnicht ratsam, Myles zu stören, wenn er indieser Phase der Hochkonzentration war.

»Aber es sieht so aus, als würde noch einzweiter Pulk von Gliederschiffen mit Mate-rial gebraucht, bis die Ausbaustufe fürGoeddas nächsten Wachstumsschub vorbe-reitet ist«, sagte er. »Wir haben also nochZeit, aber fragt mich nur nicht, wieviel.«

Ich hörte, wie er die Luft durch die Zähnezog.

»Etwas gefunden?«Myles nickte, ohne den Kopf von der Pro-

jektion zu wenden. Ich sah, wie er einentechnischen Plan mit Blicken absuchte; eswar ein verwirrendes Durcheinander vonbunten Linien, die zum Teil beschriftet wa-ren. Dutzende von verschiedenartigen Sym-bolen waren in dieses System von Linieneingebettet; irgendwelche Maschinen, Anla-gen, Schalter.

Ein Normalmensch war kaum in der La-ge, in einem solchen Linienwirrwarr auchnur einen Anschein von Vernunft und Logikzu erkennen. Myles Kantor hingegen konntesolche Pläne, selbst wenn sie mikroskopischfein gezeichnet und zugleich so groß warenwie eine ganze Wand, mit der gleichen Ge-läufigkeit lesen, wie andere in einem Ge-dichtband schmökerten - wahrscheinlich tatMyles Kantor es sogar mit mehr Genuß.

»Aha …!«Ich grinste.Mitunter zeigte Myles ausgesprochene

Expertenallüren. Er schüttelte den Kopf, mal

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Page 29: Bomben für den Brutkosmos

verzweifelt, mal rätselnd, er brummte undholte hörbar Luft; er grummelte in sich hin-ein, runzelte tiefschürfend die Stirn, schnittsorgenvolle Gesichter wie ein Arzt bei derVisite. Dazu gab er die passenden Laute vonsich, die Betroffenheit ausdrückten oder Sor-ge oder vieles andere.

Diese besondere Form der Kommunikati-on schien vor allem nur dazu zu taugen, demPublikum eine einzige Botschaft mitzutei-len: Es ist ein gewaltiges Problem, mit demich mich hier herumplage, und ihr alle könntund sollt sehr froh sein, daß ihr jemandenwie mich überhaupt in euren Reihen habt …

Myles Kantor war normalerweise ein stil-ler und sehr bescheidener Mann, aber in Au-genblicken wie diesen schlich sich ein wenigEitelkeit gleichsam durch die Hintertür insein Verhalten ein.

»Was gibt es?« fragte Dao-Lin-H'ay»Spann uns nicht auf die Folter!«

»Ich habe gerade eine Anweisung an alleKommandanten entdeckt«, berichtete MylesKantor. Er drehte sich halb um und blickteuns an; auf seinen Zügen deutete sich einLächeln an. »Es ist allen Gliederschiffengrundsätzlich verboten, die Energiespeicherihrer Schiffe innerhalb des Brutkosmos auf-zuladen …«

»Und warum das?«Myles hob die Schultern.»Daran arbeite ich noch«, sagte er. »Es ist

sehr schwierig, mit tolkandischen Unterla-gen zu arbeiten; sie denken in vielen Punk-ten ganz anders als wir Menschen. DieseAnweisung beispielsweise: In einem Flot-tenhandbuch der LFT wäre diese Informati-on fett gedruckt, in großen Buchstaben undmit allen Mitteln so gestaltet, daß selbst derDümmste auf den ersten Blick sehen kann:Achtung, ganz außerordentlich wichtig! Beiden Tolkandern ist das anders. Bei ihnenscheint es keinen Schlendrian zu geben, kei-ne Faulheit, kein Drückebergertum - undschon gar keine Befehlsverweigerung. DieAnweisung steht irgendwo, weil ohnehin je-der Tolkander alle Anweisungen und Befeh-le liest oder zur Kenntnis nimmt. Da er sie in

jedem Fall auch befolgen wird, braucht einebesondere Betonung der Wichtigkeit dieserAnweisung gar nicht erst ausgesprochen zuwerden. Und wer immer diesen Befehl gege-ben hat, er hat es nicht für nötig befunden,ihn unmittelbar anschließend auch zu be-gründen …«

»Was für eine prächtige Welt für Militari-sten!« spottete Dao-Lin-H'ay.

Ich schüttelte den Kopf.»Wenn alle wie die Automaten gehor-

chen, macht das Befehlen keinen Spaßmehr«, schätzte ich die Sache ein. »Das Ver-gnügen für den Kommandierenden bestehtvor allem darin, daß er sehr genau weiß, daßsein Untergebener nicht die geringste Lusthat, den Befehl zu befolgen es aber tun muß,wenn er nicht großen Ärger bekommen will…!«

»Spricht da der ehemalige Admiral einerarkonidischen Kampfflotte?« wollte Dao-Lin-H'ay wissen.

»Jedenfalls spreche ich aus Erfahrung«,gab ich zurück. »Was wird passieren, wenngegen die Anordnung verstoßen wird?«

»Ich bin gerade dabei, genau das heraus-zubekommen«, antwortete Myles Kantor,der sich wieder voll und ganz auf den Daten-fluß konzentrierte, den er selbst ausgelösthatte. »Wahrscheinlich liegt es daran, daßGoeddas Brutkosmos in den Hyperraum ein-gebettet ist …«

»Ist das unser Normalraum nicht auch?«»Stimmt, aber auf ganz andere Art und

Weise. Es macht einen Unterschied, ob maneine Hyperraumblase in den Normalkosmoshineinwölbt oder umgekehrt. Und in diesemFall sieht es eher nach der zweiten Varianteaus. Würde man von hier aus … Warteteinen Augenblick!«

Er hielt inne und studierte den Plan, dener sich zeigen ließ. Mit dem Zeigefinger fuhrer gewisse Linien nach, nickte dann undwann, gab ein zustimmendes Brummen ab -Dao-Lin-H'ay und ich grinsten uns dabeivergnügt an - und zauberte dann ein breitesLächeln auf sein Gesicht.

»Also«, sagte er feierlich und wandte sich

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uns zu. »Würde man versuchen, den Hyper-raum von hier aus anzuzapfen, kann das zueiner furchtbaren Katastrophe führen, zuEnergieausbrüchen von verheerender Stärke.Der Brutkosmos könnte regelrecht in denHyperraum hinein aufplatzen, in jedem Fallwürden die Energiespeicher dieses Antriebs-blocks sich spontan entladen. Wahrschein-lich würde es sogar zu einer Kettenreaktionkommen, bei der die Speicher der anderenSchiffe ebenfalls hochgehen …«

»Reicht das, um Goedda zu zerstören?«»Allemal«, versicherte Myles. »Diese Ur-

gewalten würden Goedda in Stücke reißenund in den Hyperraum verwehen lassen …«

Ich blickte ihn zweifelnd an.»Und was wird dabei aus dem Sonnensy-

stem?« wollte ich wissen.»Ich sagte es schon«, antwortete Myles,

jetzt ein bißchen zögerlich. »Der Brutkos-mos wird wahrscheinlich in den Hyperraumhinein aufplatzen … Die Trennung zwischendem Brutkosmos und unserem Normalraumist entschieden stärker und weniger leicht zudurchdringen als die zwischen Brutkosmosund Hyperraum. Für die Erde besteht eigent-lich keine Gefahr …«

»Eigentlich?«Myles zuckte mit den Achseln und wiegte

den Kopf.»Ein gewisses Restrisiko bleibt immer«,

sagte er zögernd. »Ich werde die Sache imAuge behalten.«

Er vollführte eine Geste, die ich seit lan-gem bei ihm kannte - eine Strähne seinesglatten Haares war ihm wieder einmal überdie Augen gerutscht, und jetzt versuchte er,wie er es schon Tausende von Malen getanhatte, die Haare mit einer Handbewegungzurechtzustreichen. Aber in einem SERUNließ sich derlei nicht machen eigentlich eineKleinigkeit, aber es waren gerade solcheKleinigkeiten, die viele Menschen in Raum-anzügen nach kurzer Zeit um den Verstandzu bringen schienen.

Myles Kantor reagierte schnell, stoppteseine Hand und machte eine schlenkerndeBewegung mit dem ganzen Kopf, die zum

gewünschten Ergebnis führte. Oft nahm erin solchen Fällen das Gebläse des SERUN-Helms zu Hilfe Dao-Lin-H'ay gab sich mitdem, was Myles gesagt hatte, nicht zufrie-den.

»Ich möchte es genauer wissen: Was wirdpassieren, wenn die ausbrechenden Energiendie Barriere zwischen Brutkosmos und Ein-steinraum durchbrechen? Wird es zu Schä-den kommen?«

Myles schüttelte den Kopf.»Wohl kaum«, sagte er, ohne aufzu-

blicken. »Eher zur vollständigen Vernich-tung aller Objekte in der näheren Umgebung…«

»Und was nennst du in diesem Zusam-menhang nähere Umgebung?«

Myles Kantor wandte den Kopf und blick-te uns an.

»Mindestens den Planeten«, antwortete er.»Wenn nicht das gesamte Sonnensystem.Aber ihr vergeßt dabei eines: Der physikali-sche Ort dieses Brutkosmos im Hyperraumist nicht eindeutig zu bestimmen. Es gibtzwar höchstwahrscheinlich gewisse Verbin-dungen zwischen diesem Raum und unsererheimatlichen Erde, aber das muß nicht hei-ßen, daß Goeddas Brutkosmos irgendwieüber der Erde schwebt oder daneben. Solchebeschreibenden Begriffe haben auf diesemGebiet der Fünf-D-Physik nur eine minimaleAussagekraft. Und außerdem habe ich ja be-reits gesagt, daß Goeddas Lebensraum mitgrößter Wahrscheinlichkeit in den Hyper-raum hinein aufreißen und Goedda in einKontinuum speien wird, aus dem diese Be-stie niemals wieder zurückfinden wird …«

»Hoffentlich«, murmelte ich.

8.Nerghana Bilox

»Eine lächerliche und alberne Vorstel-lung, geradezu absurd«, sagte ich laut. »Ichweiß, daß viele Menschen daran geglaubthaben, aber dadurch wird es nicht wenigerabsurd. Ein Zusammentreffen mit allen, dieman gekannt und geliebt hat, im Jenseits …

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Page 31: Bomben für den Brutkosmos

Wie soll denn das funktionieren? Ich habebis jetzt zwei Eheverträge abgeschlossen,und wäre ich so dumm, weiterleben zu wol-len, wird noch der eine oder andere Vertragdazu kommen- rund hundertzwanzig Jahre,die ich nach der Statistik noch vor mir habe,sind eine lange Zeit. In welchem Lebensalterwerde ich dort drüben auftauchen? Als jun-ges Mädchen, berauscht von der Liebe zu ir-gendeinem Jugendstar? Oder als die steinal-te Greisin, die ich beim Eintritt des Todessein könnte, von der Gicht geplagt, schwer-hörig und mit triefenden Augen? Werdendann meine fünf ehemaligen Ehemänner ummich sein die im Laufe ihres Lebens ja dannauch geheiratet haben, vielleicht ausgerech-net jene Frau aus meinem Bekanntenkreis,die ich ohnehin nicht ausstehen konnte unddie ich jetzt für den Rest der Ewigkeit ertra-gen darf? Und das ist dann das Paradies, an-geblich …«

Julio Mangana lachte laut.»Es freut mich, daß deine Lebensgeister

wieder zurückkehren«, sagte er. »Auchwenn sie sich hauptsächlich als Dickschäde-ligkeit und Widerborstigkeit bemerkbar ma-chen. Wie fühlst du dich?«

»Schlecht …«Eine andere Antwort konnte es nicht ge-

ben. Meine körperlichen und geistigen Kräf-te waren teilweise zurückgekehrt, man hattemich aufstehen lassen; aber ich durfte meineKabine nicht verlassen, ständig wurde ichvon einem Medo-Robot beaufsichtigt. Wasfür ein Blödsinn - ich hatte nicht vor, Selbst-mord zu begehen!

»Die christliche Vorstellung von einemLeben nach dem Tode lehnst du also ab«,faßte Julio Mangana die letzte halbe Stundeunseres Gespräches zusammen.

Er suchte mich jeden Tag auf, manchmaldrei bis viermal, und jedesmal sprachen wirmindestens eine halbe Stunde lang miteinan-der. Natürlich immer über das gleiche The-ma; er war wie besessen davon, es war eineregelrechte Manie - eigentlich hätte er inpsychologische Behandlung gehört, so sehrklammerte er sich an dem Thema fest.

»Sie ist in meinen Augen zum einen nichtbeweisbar, zum anderen albern und absurd.Und in einigen Aspekten finde ich sie sogareher abschreckend. Mein erster Mann warliebenswert und ganz gewiß kein Bösewicht;ich würde ihn also im Jenseits wieder tref-fen. Aber er war zugleich ein entnervenderSchwätzer und Besserwisser, und bei derVorstellung, wirklich eine Ewigkeit mit ihmverbringen zu müssen - brrrr!«

»Es gibt aber auch andere Jenseitsvorstel-lungen …«, versuchte er mich zu ködern.

Ich machte eine abwehrende Handbewe-gung.

»Auch nicht viel besser«, sagte ich. »Allediese Religionen, Mythen, Ideologien oderwas auch immer nähren sich doch aus dergleichen Quelle: Die Menschen haben Angstvor dem Tod, sie weigern sich zu akzeptie-ren, daß es nach dem letzten Atemzug ausist und vorbei. Von dieser Angst hat michder Philosoph befreit, für immer. Ich fürchtemich nicht vor dem Tod, durchaus nicht. ImGegenteil, ich begreife ihn als willkomme-nes Ende einer eher lästigen Existenz …«

Julio Mangana blickte mich an. »Du bisteine attraktive Frau …«

»Hör auf«, sagte ich spontan. »Und washabe ich davon - außer Männer?«

Der Leiter des Medocenters der GILGA-MESCH starrte mich verdutzt an.

»Donnerwetter«, meinte er dann. »Duschlägst eine harte Klinge …«

»Ich wollte dich nicht verletzen«, sagteich. »Alle diese Lebensköstlichkeiten, die dumir aufzählen willst, sind doch letzten Endesschal und inhaltsleer. Sie haben keinen Be-stand, und daher haben sie auch keinenWert, jedenfalls nicht für mich.«

Julio Mangana blickte mich zweifelnd an.»Wie kommt es dann, daß du in diesem

Leben tatsächlich noch ein Ziel hast?« fragteer. »Denn ich irre mich doch nicht. Dein Le-bensziel, das einzige, das du hast, bestehtdarin, durch deinen Tod der Goedda zumLeben zu verhelfen …«

Ich nickte. Wie sehr sehnte ich mich da-nach!

Bomben für den Brutkosmos 31

Page 32: Bomben für den Brutkosmos

Ich schaffte es aber einfach nicht, diesesGefühl in Worte zu kleiden, die der Doktorverstanden hätte. Dabei war er alles andereals dumm; er schien mich in der Regel sogarrecht genau zu verstehen. Aber nicht auf die-sem Gebiet …

Eine unaussprechliche Müdigkeit des Gei-stes, die jedes andere Gefühl überlagerte unddurchtränkte - das war es, was mich beschäf-tigte, und alles, was ich wollte, war, daß die-se Müdigkeit endlich aufhörte. Ich war essatt, mich anstrengen zu müssen: für meinenLebensunterhalt; dafür, Freunde zu haben;um die Zufriedenheit von Vorgesetzten zuerreichen; um Menschen zu gefallen, diehinter meinem Rücken garantiert spottetenund lästerten; um die Liebe eines Mannes zugewinnen, bei der ich voraussehen konnte,daß sie im Anfang von alberner Schwärme-rei gezeichnet sein würde, und das Ende be-stand aus Kälte, Gleichgültigkeit und stillerVerachtung - und das war dann die gütlicheTrennung …

»Deine These ist doch«, sagte Julio Man-gana, »daß das Leben, vor allem dein Leben,keinen wirklichen Sinn hat, ist …«

Ich nickte. »Jeder Versuch, diesem Lebeneinen Sinn zu verleihen, ist letztlich zumScheitern verurteilt, schon aus rein philoso-phischen Gründen.«

»Ist dem so?«»Allein der Begriff Sinn existiert doch nur

im Zusammenhang mit Menschen. Sinn undZweck, das sind Worte, die wir Menschenerfunden haben, Etiketten, die wir den Din-gen um uns herum aufdrücken. In der Regelmeinen wir damit eine gewisse Nützlichkeitin bezug auf uns selbst ohne uns, die inter-pretierenden Geschöpfe, gäbe es in der Na-tur keinen Sinn und keinen Zweck, die Din-ge würden einfach nur passieren, mehr nicht.Aber wenn wir Sinn als eine gewisse Nütz-lichkeit für uns selbst definieren, wie kön-nen wir selbst dann ein sinnvolles Leben ha-ben? An dieser Stelle beißt sich die Schlan-ge in den eigenen Schwanz; die Definitionwird rückbezüglich auf sich selbst und damitparadox …«

Julio Mangana lächelte sehr selbstzufrie-den.

»Wie gut, daß es wenigstens ein Leben imKosmos gibt, das wirklich einen Sinn hat«,sagte er mit deutlich hörbarem Spott.

Hätte der Philosoph mein Leben nicht sogrundsätzlich zum Besseren verwandelt, hät-te ich Mangana recht attraktiv gefunden, undseine ironische Art gefiel mir sehr gut; vorallem gefiel mir, daß er mir in jeder Minutedieser Gespräche das Gefühl gab, daß ermich ernst nahm - seine Ironie änderte darangar nichts.

»Und das wäre?« fragte ich neugierig.Wahrscheinlich sprach er von sich selbst.

Männer reden meistens von sich selbst, habeich festgestellt, auch wenn sie ein ganz an-deres Thema angeschnitten haben.

Mangana lächelte zufrieden.»Goedda«, sagte er dann. »Goedda

scheint nicht nur nicht die geringsten Zwei-fel an der Sinnhaftigkeit ihrer eigenen Exi-stenz zu haben, nein, Goedda hält es auchfür sinnvoll und angemessen, sich die Le-bensenergien von Milliarden anderer Lebe-wesen einzuverleiben …«

Ich starrte ihn betroffen an.»Goedda kann nicht mit den Maßstäben

gemessen werden, die für uns Menschengelten«, widersprach ich ihm.

»Ach was!« sagte er rauh. »Du sagst, daßdein Leben für dich keinen Sinn macht -nicht mehr macht, ich bitte dich, immer wie-der daran zu denken. Dein Weltbild des To-des ist neueren Datums, früher hast du ganzanders gedacht und gehandelt. Wie demauch sei, dieses sinnlose Leben, das du sobereitwillig wegzuwerfen bereit bist diesesLeben soll einen Sinn dadurch bekommen,daß es erlischt? Einen Sinn für dich, wohlge-merkt …«

Mir wurde schlecht, es rumorte in mei-nem Magen. Ich wußte, daß er unrecht hatte.Er war befangen, nicht objektiv. Er klebte anseinem Leben. Wahrscheinlich war sein Be-ruf für ihn wichtig, sein Ansehen, Geld, Ein-fluß; Frauen waren für ihn wichtig in seinemLeben, das konnte ich seinen Blicken ent-

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nehmen. Er wollte nicht sterben, und dastrübte seinen Sinn für die Wirklichkeit, fürdas Wesentliche.

Wenn man Angst vor dem Tode hat,macht das Leben automatisch einen Sinn,und sei es nur den, etwas anderes zu sein alsder Tod. Dabei ist das bißchen Leben so un-geheuer kurz, wenn man es mit der endlosenLänge des Todes vergleicht; müßte der Maß-stab dann nicht eigentlich von dieser Mehr-heit gestellt werden? Dann aber ist die Exi-stenz des Menschen nichts weiter als einesehr absonderliche und völlig sinnlose Epi-sode in einer Unendlichkeit des Nicht-Seins.

»Ich bin nicht wichtig«, sagte ich heftig.»Milliarden von Jahren hat es mich nicht ge-geben, und nach mir wird das UniversumJahrmilliarden weiterbestehen. Was hat dameine Existenz für eine Bedeutung?«

»Oh, für den Philosophen ist es sehr wich-tig, daß es dich gibt, hier und jetzt - nun,jetzt ist richtig, aber hier stimmt nicht. Erwill dich auf der Erde haben, damit du dortsterben kannst. Und warum sollst du dortsterben? Damit der Philosoph seine Funkti-on als Goeddas Geburtshelfer ausübenkann?«

Ich winkte ab. Davon wollte ich nichtshören. Immer wenn er von Goedda oder demPhilosophen sprach, hatte seine Stimmeeinen aggressiven, ja lästernden Unterton.

»Warum läßt du mich nicht einfach in Ru-he?« fragte ich. »Du brauchst ja dem Philo-sophen nicht zu glauben, du kannst in deinerverblendeten Egozentrik weiterleben. Nie-mand hindert dich daran.«

Von einem Augenblick auf den anderenwurde das Gesicht von Julio Mangana hart,extrem hart. Ich zuckte zurück, so aggressivblickte er.

»Ich habe Freunde auf Terra«, sagte er.»Gute Freunde, seit vielen Jahrzehnten, dieich bewahrt habe, obwohl ich auf Camelotgelebt und gearbeitet habe. Kontakte konnteman halten. Und diese Freunde sind jetztwie du: Sie sehnen sich danach, der Sinnlo-sigkeit ihres eigenen Lebens dadurch zu ent-gehen, daß sie sich - sinnvollerweise für ein

Geschöpf opfern, das am Sinn seiner eige-nen Existenz nicht eine Sekunde lang zwei-felt.«

Ich rückte von ihm ab.»Wann begreifst du es endlich?« fuhr er

mich an. »Er hat dich betrogen, dein Philo-soph. Sehr gründlich betrogen. Was meinstdu, Nerghana Bilox - wieso gibt es diesenPhilosophen überhaupt noch? Was hält ihnam Leben? Wieso hat er sich nicht längst anseine eigenen Prämissen gehalten und ist ge-storben?«

Ich wußte eine Antwort darauf.»Weil er in der Geburt Goeddas aufgehen

will«, sagte ich. »Und weil er andere Lebe-wesen davon überzeugen will, es ihmgleichzutun.«

»Dann hat er also einen Sinn und eineAufgabe in seinem Leben … Für ihn gilt dieDefinition vom sinnlosen Leben also nicht,schon gar nicht für Goedda. Goedda ist nochgar nicht geboren, und schon stellt die Krea-tur Ansprüche und Forderungen. Sie schicktPhilosophen aus, die Milliarden von anderenLebewesen beeinflussen, damit sie ihr Lebenin Goeddas Geburtsvorgang aufopfern. Pla-neten sind verwüstet und entvölkert wordenvon den Tolkandern, damit diese Philoso-phen entstehen konnten -und all dieser Auf-wand wurde nur getrieben, um Goedda inein Leben zu rufen, das eigentlich überhauptkeinen Sinn hat. Frau!« Er begann fast zubrüllen. »Setz endlich deinen Verstand ein,bevor es dazu zu spät ist!«

Ich entfernte mich von ihm; er war mirjetzt unheimlich. Dann sah ich, wie er wut-entbrannt und enttäuscht zugleich aus mei-ner Kabine stürmte.

Ich schüttelte den Kopf.Der Arzt irrte sich. Ich wußte es. Er muß-

te sich einfach irren. Denn wenn ich michirrte, wenn meine Lebensauffassung falschwar, dann …

Ich wagte nicht, daran auch nur einen Ge-danken zu verschwenden …

*

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»Langsam«, sagte Dr. Julio Mangana er-schöpft. »Es geht sehr langsam. Und es isteine ausgemachte Tortur. Viermal die glei-che Leier, die gleichen Gespräche …«

»Warum hast du eigentlich diese Frau mitin den engeren Kreis aufgenommen?« wollteHomer G. Adams wissen.

»Nerghana Bilox ist Kulturhistorikerin«,antwortete Julio Mangans. »Sie hatte Zeitund Möglichkeiten, sehr lange und intensivüber den Philosophen und sein Weltbildnachzudenken. Sie ist sehr intelligent, gei-stig beweglich, argumentativ geschickt. Anihr kann ich die Taktiken und Strategienausprobieren, die ich dann bei Cistolo Khanund den anderen anwende. Natürlich ist je-des dieser Gespräche anders, weil es sichauch um verschiedene Charaktere handelt.Aber bei jeder dieser Unterhaltungen kannich meine Argumentation ein Stück verbes-sern. Ich merke es an den Reaktionen, ob ichetwas erreicht habe oder nicht. Ist mir einkleiner Durchbruch gelungen, dann setze ichdiese Argumente beim nächsten Patienten anund so fort.«

»Und? Welche Erfolge hast du erzielt?«fragte Flame Gorbend.

Julio Mangans wiegte den Kopf.»Wenig«, gab er zu. »Diese Menschen

sind geschickt, und sie haben sehr gute Ar-gumente auf ihrer Seite. Nerghana Bilox hates in der letzten Unterhaltung gesagt, sinn-gemäß: Der einzige Sinn des Lebens bestehtdarin, nicht zu sterben. Das ist alles. Nimmdem Menschen die Todesfurcht, und er wirdbei näherer Betrachtung alles andere für un-wichtig und sinnlos halten.« Er lächelteschwach. »In diesem Zusammenhang ist esauch interessant, daß fast alle großenMenschheitsreligionen das gleiche aussagen- irdische Güter und Dinge zählen nicht viel,das wahre Glück erreicht man erst im Jen-seits, bei Allah, Jesus Christus, bei Zeus,Wotan oder Jahwe. Aber wenn ich richtiginformiert bin: In allen diesen Religionen istes dem Gläubigen strikt verboten, den Wegdorthin durch Selbsttötung abzukürzen. Pa-radox, nicht wahr?«

Homer G. Adams betrachtete den Arztkritisch. »Du siehst ziemlich mitgenommenaus«, stellte er mit sanfter Stimme fest.

Mangana nickte. »Bin ich auch«, sagte er.»Ich könnte einen Zellaktivator brauchen, sosehr werde ich von diesem Problem bean-sprucht. Es ist nicht nur, daß ich mich unun-terbrochen aufs höchste konzentrieren muß,denn diese Leute sind hoch intelligent, undwenn ich in meinen Argumenten eine Lückehabe, dann stoßen sie augenblicklich hineinund versuchen mich auszuhebeln. Aber wasmich am meisten strapaziert …«

Adams lächelte milde.»Es klingt manchmal außerordentlich

überzeugend, was sie sagen, nicht wahr? Dubeginnst in dieser Situation an deinen Fähig-keiten zu zweifeln, du fragst dich, ob duwirklich den richtigen Beruf gewählt hast.Ob du etwas taugst, da du doch nicht im-stande bist, diese Menschen aus ihremSelbstmordwahn zu reißen. Und dazu dieseendlose Müdigkeit …«

Julio Mangana starrte Homer G. Adamsan, einen Mann, der in der aktuellen Zeit ei-ne exotische Erscheinung war mit seinenkörperlichen Defekten. Obwohl die Medizinseit Ewigkeiten in der Lage gewesen wäre,die verformten Knochen des Homer G.Adams wieder normal zu machen, hatteAdams sich dazu entschlossen, jenen Körperbeizubehalten, den er zur Zeit von PerryRhodans erstem Mondflug sein eigen ge-nannt hatte.

»Du kennst diese Müdigkeit?«Adams blickte an Mangana vorbei ins

Leere.»Sie ist meine ständige Begleiterin«, ant-

wortete er leise. »Und gegen diese besonde-re Form der Müdigkeit hilft auch der Zellak-tivator nichts … Das einzige, was nach mei-ner Erfahrung hilft, ist harte Arbeit, diebringt einen auf andere Gedanken. Manch-mal …«

Er schloß kurz die Augen.»Der Mensch ist ein eigentümliches Ge-

schöpf«, sagte er versonnen. »Er denkthauptsächlich an sich selbst, dann vielleicht

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noch an seine Familie. Und er denkt undplant in kurzen Abständen, Wochen, viel-leicht ein paar Monaten, aber selten länger.In der Vergangenheit sind viele Fehler ge-macht worden, vor allem in der Politik, weildie Menschen zu eng und zu kurzfristig ge-dacht haben. Aber auf der anderen Seite istes so, daß offenbar nur diese Art von Den-ken sinnstiftend für den Menschen ist. DieseArbeit muß bis heute abend erledigt werden,ob es mir gefällt oder nicht - es wird wahr-scheinlich gelingen. Würde die gleiche Per-son weiter voraus denken, könnte sie fastschon die nächsten Tage der Schinderei spü-ren, und der Lebensmut und die Energie wä-ren beim Teufel.«

Er seufzte lange.»Zurück zum Thema«, sagte er dann.

»Siehst du eine Chance, die drei wichtigenLeute so weit fit machen zu können, daß sieendlich NATHAN aufwecken?«

»Ich weiß es nicht«, gestand Mangana.»Ich arbeite mit den Mitteln der Gesprächs-therapie, sehr unzulänglich, wie ich zugebenmuß. Ich zeige Verständnis, höre mir an,was sie zu sagen haben, und versuche dabeiherauszufinden, an welcher Stelle ihrer Ar-gumentation sie selbst schon zu zweifeln be-gonnen haben. Aber ob ich es in allen dreiFällen schaffen kann, diesen argumentativenPanzer aufzubrechen … Ehrlich gesagt, ichhabe da meine Zweifel.«

Homer G. Adams legte die Arme auf denRücken, verschränkte die Hände und begannin seiner Kabine auf und ab zu gehen.

»Kann man etwas mit Medikamenten ma-chen?« wollte er wissen.

»Schwierig«, antwortete Dr. Julio Manga-na. »Natürlich kann ich ihnen gewisse Dro-gen verabreichen, die beispielsweise antide-pressiv wirken, oder …«

»Sind sie depressiv?«»Eigentlich nicht«, entgegnete Mangana.

»Im Grunde fehlen fast alle Merkmale desklassischen präsuizidalen Syndroms. Ichwill sie jetzt nicht aufzählen und einzelndurchgehen; du mußt mir einfach glauben -im klassisch medizinischen Sinne sind diese

Menschen nicht depressiv. Sie haben sich inihrer neuen, ihnen aufgezwungenen Gedan-kenwelt häuslich eingerichtet und fühlensich in gewisser Weise darin wohl. Wennwir jetzt mit Medikamenten arbeiten, dannriskieren wir, daß diese sehr intelligentenund gut informierten Leute in sich selbsteinen deutlichen Unterschied spüren, was ihrDenken und Fühlen angeht. Und da sie, al-lein schon von Berufs wegen, sehr mißtrau-isch sind, wird ihnen dieser Unterschied auf-fallen, sie werden Manipulation wittern - zuRecht, natürlich -, und damit haben wir un-sere letzte Chance verspielt.«

»Das heißt im Klartext, daß du kaum eineChance siehst …«

»Das will ich so nicht sagen«, behaupteteJulio Mangana. »Vor allem bei NerghanaBilox bin ich sicher, daß ihr Weltbild Risseund Sprünge bekommen hat. Ihre Argumen-tation ist ab und an nicht gar so präzise wieam Anfang, sie lächelt beispielsweise, wennsie mir mit einem Argument eingeheizt hat,und heute morgen, beim Frühstück, hat sieeinen Teil der Nahrungsmittel gegessen,einen anderen Teil liegenlassen. Ich hatteden Service angewiesen, mehr zu servieren,als sie essen konnte. Ob sie wollte odernicht, sie mußte aus ihrer Gleichgültigkeitheraustreten und Entscheidungen, treffen -das schmeckt mir besser, das schmeckt we-niger gut …«

»Du arbeitest mit allen Mitteln«, stellteHomer Gershwin Adams fest; ein Ton vonAnerkennung schwang in seiner Stimmemit.

Mangana lächelte schwach. »Was bleibtmir anderes übrig«, sagte er. »Die Zeit läuftuns davon … unaufhaltsam!«

9.Atlan

»Zwei Tage«, sagte ich entschieden. »Dasmuß ausreichen. In zwei Tagen können wirden Brutkosmos mit einer Antriebseinheitverlassen haben, dann sind wir in Sicher-heit.«

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Dao-Lin-H'ay ließ ein ironisches Fauchenvernehmen.

»Ihr Lemurerabkömmlinge seid die größ-ten Optimisten im Kosmos«, stellte sie fest.»Lieber Atlan, selbst wenn du recht hast - inzwei Tagen wären wir zwar aus dem Brut-kosmos heraus, aber in Sicherheit? An Bordeines Antriebsblocks aus tolkandischer Fer-tigung, ohne Ausrüstung auf dem Weg inden Sektor 47 Tucani, wo rund zweihundert-tausend Tolkandereinheiten darauf warten,uns in Empfang zu nehmen. Das nennst duin Sicherheit?«

»Verglichen mit unserer jetzigen Lagewäre es eine Verbesserung«, behauptete ichruhig. »Zwei Tage, das muß reichen.«

»Warum diese Eile?« wollte Myles Kan-tor wissen. »Ich habe den Daten entnehmenkönnen, daß dieses Schiff erst in zehn Tagenden Rückflug nach 47 Tucani antreten wird.Ich bin dafür, daß wir uns noch ein bißchenZeit lassen. Je länger im Brutkosmos nichtspassiert, um so größer wird die Wahrschein-lichkeit, daß man uns vergißt, und das wie-derum erhöht unsere Chancen, mit einer An-triebseinheit den Brutkosmos zu verlassen.«

Ich stieß schnaubend den Atem aus.Hier, in diesem Silberkosmos, konnten

wir nicht mehr viel tun. Es war nicht daranzu denken, noch einmal in Goeddas Bau-werk, einzudringen; das würde diese Entitätkeinesfalls mehr zulassen. Alles, was zu tunwar, bestand darin, die Bombe scharf zu ma-chen und schnellstmöglich zu verschwinden.

»Mich drängt es danach, diesen Ort zuverlassen«, sagte ich. »Ich möchte wissen,was draußen passiert, auf der Erde und aufOlymp. Hier können wir kaum noch etwastun, und ihr wißt, daß mir das Herumlungernnicht liegt.«

»Deine Berechnungen gehen davon aus«,argumentierte Myles Kantor mit der bei ihmüblichen präzisen Kaltblütigkeit, »daß wir esinnerhalb von zwei Tagen schaffen werden,einen der anderen Antriebsblöcke zu errei-chen und dort an Bord zu gehen. Ich gebezu, die Chance ist recht gut, aber wir müssenauch mit einkalkulieren, daß wir dabei Pech

haben.«»Pessimist«, sagte ich lächelnd.»Nenn mich, wie du willst«, konterte My-

les trocken. »Nehmen wir an, wir schaffenes nicht. Dann müssen wir uns nach eineranderen Transportmöglichkeit umsehen -und während der ganzen Suche wird hinterunserem Rücken diese Zeitbombe ticken.Dann geraten wir entsetzlich unter Druck,und ob uns das guttut, möchte ich doch sehrbezweifeln.«

»Ich denke an die Menschen auf der Erde…«, sagte ich.

»Denen können wir von hier aus nichthelfen«, mischte sich Dao-Lin-H'ay ein.»Weder jetzt noch später. Nur wenn dieBombe hochgeht und Goedda tatsächlichvernichtet, nur dann haben wir etwas fürTerra tun können. Ich stimme Myles zu, wirsollten uns Zeit lassen.«

Ich zuckte mit den Achseln.»Wie ihr wollt«, sagte ich. »Glaubst du,

daß du das hinbekommen wirst, Myles?«»Ganz bestimmt«, antwortete Myles.

»Interessieren euch Einzelheiten?«Ich hob abwehrend die Hände.»Mir genügen die groben Daten«, sagte

ich rasch.»Ich habe den Bordrechner und die Ma-

schinenanlage umprogrammiert. Wenn essoweit ist, wird der Hyperraumzapfer - einsehr interessantes Gerät übrigens, das solltenwir irgendwann einmal genauer untersuchen- dann wird der Zapfer eingeschaltet und be-ginnt Energien aus dem Hyperraum in dieSpeicher zu laden. Ich habe dafür gesorgt,daß dieser Vorgang, wenn er erst einmal an-gelaufen ist, nicht wieder gestoppt werdenkann, egal, was die Besatzung probiert.«

»Und was passiert dann?« wollte Dao-Lin-H'ay wissen.

»Da gibt es zwei Möglichkeiten«, antwor-tete Myles Kantor. »Möglichkeit eins: DerZapfer lädt den Speicher auf, bis dessen Ka-pazität überschritten ist. Dann geht dasSchiff hoch, und allein das sollte ausreichen,zumindest Goeddas Bauwerk zu vernichtenund damit Goedda. Immerhin sind wir zur

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Zeit ja nur wenige Dutzend Kilometer vomZentrum des Brutkosmos entfernt.«

»Und die Alternative?« fragte die Karta-nin.

»Allein schon durch den Start des Zapf-prozesses reißt der Brutkosmos gegenüberdem Hyperraum auf, und alles, was sich indiesem Brutkosmos befindet, wird in denHyperraum verweht, auf Nimmerwiederse-hen. Denkbar ist auch, daß beim Zapfen dieSelbstversorgung von Goedda gestört wird,auch das könnte ausreichen, Goedda un-schädlich zu machen.«

»Wie würdest du die Chancen von Goed-da einschätzen?« fragte ich.

»Wenn unser Plan technisch so abläuft,wie wir es vorhaben -nahe Null. Goeddaseinzige Chance besteht darin, unsere Bombenicht aktiv werden zu lassen. Schafft Goed-da das, haben wir verloren und die Mensch-heit auch. Gelingt Goedda das nicht, istGoedda verloren, und die Menschheit ist ge-rettet, jedenfalls vor Goedda …«

Ich blickte die Freunde an.Dao-Lin-H'ay zeigte die KartaninVersion

eine spöttischen Lächelns. Myles Kantorblickte trübe in die Welt, er wirkte sehr stra-paziert und abgearbeitet.

»Ich weiß«, sagte ich leise, »daß ihr nichtzögernd würdet, sowenig wie ich, dieseBombe notfalls von Hand zu zünden, umTerra zu retten. Aber Myles hat recht und duauch, Dao-Lin - es ist darüber hinaus wich-tig, daß wir durchkommen, wenigstens einervon uns. Wir müssen den anderen sagen,daß wir mit Goedda nur die erste von insge-samt vier kosmischen Geißeln kennengelernthaben … Deswegen …« Ich blickte aufmein Chronometer. »… achtzehnter Julizwölfhundertneunundachtzig NGZ, die Uhr-zeit überlasse ich dir. Zu diesem Zeitpunktsoll die Bombe hochgehen. Dann haben wirnoch ein paar Tage Zeit, uns in Sicherheit zubringen.«

»Einverstanden«, sagte Myles Kantor.»Wie wäre es mit zwölf Uhr mittags?«

»Meinetwegen«, sagte ich amüsiert. Dadie Zeit auf unseren Chronometern nur ge-

schätzt war, spielte die genaue Uhrzeit keineRolle; unterschiedliche Tageszeiten gab esin dem Silberkosmos ohnehin nicht.

Ich sah, wie Myles Kantor mit den tolkan-dischen Geräten arbeitete. Allein das war ei-ne intellektuelle Meisterleistung, mußte ichzugeben; ich wäre ganz bestimmt dazu nichtin der Lage gewesen, dafür war die Techno-logie der Tolkander zu fremd. Aber ein My-les Kantor hatte es geschafft er wußte wahr-scheinlich ebenfalls nicht genau, wie dieTolkandertechnologie eigentlich funktionier-te, aber er war immerhin in der Lage, sie zubedienen und sogar gegen ihre Herren undMeister zu wenden.

»Geschafft«, verkündete Myles nach einerViertelstunde. »Ich hoffe zuversichtlich, daßmeine Manipulationen an der Anlage unent-deckt bleiben. Wenn ja, ist die Bombe scharfund wird rechtzeitig hochgehen. Nur damitihr Bescheid wißt: Dieser Energiespeicherallein müßte ausreichen, alles Materielle in-nerhalb dieser kosmischen Blase zu zermal-men.«

»Eine beruhigende Aussicht«, murmelteDao-Lin-H'ay.

»Nicht wahr? Sollte ich mich verschaltetoder verrechnet haben und die Bombe vor-zeitig hochgehen, werden wir es nicht ein-mal merken, so schnell wird alles gehen. Ei-gentlich ein sehr schöner Tod …«

Ich lächelte.»Als man Julius Caesar einmal fragte,

welcher Tod nach seiner Ansicht der bestesei, soll er geantwortet haben: der unerwar-tete.«

»Soll gesagt haben …?«»Nein, ich bin nicht dabeigewesen«, be-

antwortete ich die leicht mokante Frage vonDao-Lin-H'ay. »Ich bin nicht überall und je-derzeit an den Brennpunkten irdischer Ge-schichte gewesen …«

»Und wo bist du gewesen?«»Ich habe einem gewissen Quosta

S'merald meine Lebensgeschichte diktiert«,sagte ich. »Gleichviel, wir sollten von hierverschwinden und zusehen, daß wir an Bordvon einem der Antriebsblöcke kommen. In

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diesem Brutkosmos hält mich nichts mehr.«Wir verließen den Kommunikationsraum,

in dem wir uns die ganze Zeit über aufgehal-ten hatten, eine Art Nebenzentrale des Glie-derschiffes, die wahrscheinlich nur in Not-fällen benutzt wurde. Auf dem Weg zurückzur Schleuse begegneten wir einer Gruppevon Robotern. Die Maschinen entwickeltenbeim Marsch einen derartigen Geräuschpe-gel, daß wir sie schon von weitem hören unduns vor ihnen verstecken konnten. Warumsie nicht einfach ihre Antigravs einschalte-ten, war mir nicht klar. Sobald der metalleneStampfschritt verklungen war, bewegten wiruns weiter durch das Innere des Glieder-schiffes.

Es war ein eigentümliches Empfinden,sich in einem solchen Raumschiff zu bewe-gen. Die Gänge darin waren röhrenförmig,fast fünf Meter hoch und beinahe ebensobreit; an vielen Stellen war die Wandung un-eben und ungleichmäßig und erinnerte anHöhlenbehausungen von irdischen Tieren.Auch der Boden war an vielen Stellen holp-rig, zudem war die Beleuchtung - jedenfallsaus unserem Blickwinkel - ziemlichschlecht. Das Schiff war sehr konsequentauf die speziellen Körpermerkmale derChaeroder abgestimmt worden, deren An-blick bei mir immer wieder die Assoziation»Weberknechte« aufkommen ließ …

Ähnliches galt für fast alle Innenräume ei-nes Gliederschiffes: Es gab wenige Eckenund Kanten, fast nur Rundungen, aber nurselten waren die Rundungen glatt. Die Ma-schinenanlagen, die wir bisher gefunden hat-ten, paßten ebenfalls perfekt in diese Umge-bung; auch hier überwogen unregelmäßigeOberflächen, dunkel, gerundet und auf denersten Blick unheimlich anmutend.

In der Schleuse wartete eine Überra-schung auf uns. Das äußere Tor war ge-schlossen, und in der Schleuse selbst standjenes Beiboot, dessen Start wir zum Eindrin-gen in das Gliederschiff benutzt hatten.

»Was nun?« fragte Dao-Lin grimmig.Ich starrte das Beiboot an, dann schoß mir

eine Idee durch den Kopf.

»Bekommst du das Beiboot auf?« fragteich Myles.

Der Terraner kniff die Augen zusammenund starrte mich an.

»Du willst mit dem Beiboot abhauen?«fragte er. »Mitten durch die Reihen der tol-kandischen Einheiten hindurch?«

»So ungefähr«, antwortete ich zuversicht-lich. »Ich werde allerdings deine Hilfe brau-chen …«

»Und alle zusammen werden wir GottesBeistand brauchen«, murmelte Myles Kan-tor. »Worauf habe ich mich nur eingelassenmit dir und deinen kosmischen Freunden…«

»Nun, ich würde sagen, auf das größteWeltraumabenteuer aller Zeiten …« sagteich. »Und jetzt kommt, das Abenteuer wartetauf uns!«

10.Nerghana Bilox

Mir war schummerig zumute, nicht kör-perlich, sondern geistig oder seelisch, wieman es nehmen wollte.

Er hatte es geschafft, auch wenn ich michnoch so sehr dagegen gewehrt hatte, undjetzt war ich entzweigerissen, mittendurch.Es war ein scheußliches Gefühl.

Da war mein Verstand, auf den ich michimmer hatte verlassen können. Dieser Ver-stand sagte mir, daß es in der Tat ein Para-doxon war, wenn Goeddas Philosoph dieSinnlosigkeit allen Lebens verkündete, sichselbst und vor allem Goedda aber dabei aus-nahm.

Da war das Argument, das mich daran er-innerte, daß ich zu unterschiedlichen Zeitenunterschiedliche Auffassungen vom Lebengehabt hatte - und daß ich in der jeweiligenPhase, ob verliebt, kritisch, euphorisch oderdepressiv, niemals Zweifel daran gehabt hat-te, daß meine jeweilige Lebensansicht dieeinzig wahre und richtige gewesen war. Daßich damals immer fest davon überzeugt ge-wesen war, mir diese Lebensauffassungselbst erarbeitet zu haben.

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Mein neues Weltbild aber war, daran erin-nerte ich mich, mir vom Philosophen ge-schenkt worden; es kam also von außen,nicht aus mir selbst heraus. Und es hatte,verglichen mit den anderen, den entschei-denden Nachteil - den es als Vorteil ausgab -, keinen Nachfolger zuzulassen …

Er arbeitet rechtshemisphärisch, ging esmir durch den Kopf, als Julio Mangana dasWort ergriff und zu sprechen begann.

Das menschliche Hirn hat zwei Hälften,eine linke und eine rechte, die recht unter-schiedliche Aufgaben bewältigen. Die linkeHirnhälfte, nervlich übrigens mit dem rech-ten Auge verbunden, ist zuständig für dasLogische, Digitale, Sprachliche. Die rechteHirnhemisphäre verarbeitet Bilder, Gefühle,Gestalten und dergleichen. Diese Einteilungist selbstverständlich entsetzlich grob, abersie macht Zusammenhänge verständlich.

Julio Mangana, dieser gerissener Bursche,gab sich nämlich nicht damit zufrieden, mei-ner Logik und meinem Verstand zuzusetzen,also der linken Hemisphäre. Er flocht in sei-ne Geschichten auch immer wieder Humori-ges ein, Anekdoten, Rätsel, Überraschungen,mitunter sogar Lyrik. Und fast alle diese Ge-schichten enthielten gut versteckte Botschaf-ten, die dazu bestimmt waren, über die rech-te Hirnhemisphäre auf den Zuhörer einzu-wirken, ohne daß er sich dessen bewußtwurde.

»In einer Anekdote wird einmal erzählt«,begann Mangana, »daß ein großer undmächtiger Kaiser es leid war, sich immerwieder mit Problemen herumschlagen zumüssen. Für alles und jedes hatte er Ratge-ber und Weise, die auch alles und jedes klugzu kommentieren verstanden, aber dem Kai-ser sehr auf die Nerven gingen. Schließlichstellte er an sie eine einfache, aber brutaleForderung: Sie sollten ihm die Weisheit allerWeisheiten finden und auf einen Zettelschreiben. Diese Weisheit sollte ihn tröstenwenn er traurig war, ihn mahnen, wenn erübermütig wurde, ihn aufrichten, wenn er re-signiert war - kurz, sie sollte in allen nurvorstellbaren Lebenslagen imstande sein,

dem Kaiser etwas zu geben. Je-, der derWeisen des Landes hatte einen Versuch frei- und falls der danebenging, kostete das denWeisen den Kopf.«

Ich konnte Paola Daschmagan erkennen,mager geworden - was ihr nicht schlechtstand -, desgleichen Cistolo Khan und Giade Moleon. Ich wußte, auf diese drei kam esan; ihretwegen vor allem wurde all dies ge-macht und getan, strengte Julio Manganaseine Kräfte bis zum äußersten an.

»Ich will es kurz machen«, fuhr der Arztfort. »Nach mehr als einem Jahr kam einzerlumpter Eremit an den kaiserlichen Hof,trat an den Thron und drückte dem Kaisereinen mit Fettflecken verzierten Zettel in dieHand. Der Kaiser nahm und las. Er las wie-der und wieder und dachte lange nach. Dannerhob er sich von seinem Thron, verneigtesich tief vor dem Eremiten und bedanktesich vielmals. Der Eremit aber verzichteteauf Dank und Geschenke und verließ dieKaiserstadt am nämlichen Tage …«

Ich hörte Cistolo Khans grollende Stim-me. »Und, was hat auf dem Zettel gestan-den? Nun mach schon!«

Mangana mußte auch ihn erwischt haben;diese grollende Ungeduld in Cistolos Stim-me paßte nicht zur Philosophie des Weisenvon Terra.

»Nur dieser eine Satz: Auch das wird vor-übergehen …!«

Schweigen.Der Verstand war die eine Sache. In die

Mauer meiner Logik hatte Julio ManganaBreschen gerissen; ich hatte zu zweifeln be-gonnen. Aber mein Gefühl, das mir sicherund fest verraten hatte, daß der Philosophsich niemals täuschte, daß seine Weisheitder Abschluß und das Ende allen müßigenPhilosophierens war, der mir die letzte, un-erschütterliche Gewißheit verschafft hatte -dieses Gefühl setzte mir zu. Dort hatte sichoffenbar nichts geändert. Die große Sehn-sucht war geblieben, nach der Wohltat jenesSchlafes, der kein Erwachen mehr kennt …

»Ich verstehe«, sagte Paola Daschmaganmit klarer Stimme. »Du willst damit andeu-

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ten, daß sich unsere Auffassungen ändernkönnten, nicht wahr?«

Julio Mangana nickte.»Nichts anderes«, sagte er. »Eure Ansich-

ten können sich ändern, ebenfalls die ande-rer Menschen. Ihr habt euch bereits verän-dert, vielleicht erinnert ihr euch an die letz-ten Wochen. Zuerst wart ihr vornehmlichmit dem Zeichnen von Kreisen beschäftigt,und es schien für euch nichts Wichtigereszugeben als dies. Aber es ist vorübergegan-gen …«

»Mag sein, Doktor«, sagte Cistolo Khan.»Aber nunmehr hat unser Denken und Emp-finden seinen Gipfelpunkt erreicht. Es wirdnicht weitergehen, und es wird sich auchnichts ändern.«

»Das wird sich zeigen«, versetzte HomerG. Adams. »Das Problem, vor dem wir ste-hen, ist euch bekannt. NATHAN ist nurnoch beschränkt einsatzfähig; im Grunde tuter nicht mehr als einen Notstand notdürftigverwalten. Zu weitgreifenderen Aktivitätenist er nicht fähig, da ihm seine Programmie-rung dies verbietet. Die einzige Möglichkeit,diese Sperre aufzuheben, haltet ihr in Hän-den. Nur ihr drei gemeinsam seid in der La-ge, NATHANS Grundsatzprogrammierungzu ändern. Und genau das sollte jetzt ge-schehen, zum Wohle aller Menschen auf derErde.«

Paola Daschmagan machte eine wegwer-fende Handbewegung.

»Für das Wohl der Terraner ist gesorgt«,sagte sie überlegen. »Sie sind wie wir durchdie Schule des Sterbens gegangen und habendort gelernt, was wirklich wichtig ist - bei-zutragen zum großen Werk, das entstehenwird, zu Goedda …«

»Ein Teil der Terraner wird diesen Tagnicht mehr erleben«, sagte Homer G.Adams. »Täglich sterben Tausende an Ent-kräftung …«

Cistolo Khan zuckte mit den Achseln.»Nicht von Bedeutung«, stellte er fest.

Warum ließen diese Narren uns nicht ge-hen? Warum nur setzten sie uns derart zu,verwirrten unsere Gedanken und Gefühle,

bis uns die Köpfe dröhnten? Sie glaubtendoch nicht wirklich, unsere Einstellung än-dern zu können? Was sie uns in ihrerDummheit und Arroganz antaten, war dasnicht ein Grund mehr, sich nach einem Zu-stand zu sehnen, in dem es solchen Druck,solches Leiden nicht mehr gab?

Konnten diese Leute denn nicht rechnen,einfach nur rechnen? Wenn man das Glückder Menschen verglich mit dem Leiden, dassie auszuhalten hatten, überwog da nicht dasLeiden, überwog es nicht bei weitem? Beieinzelnen mochte die Rechnung auf den er-sten Blick zu ihren Gunsten ausgehen, aberdas stimmte bei näherem Betrachten nicht?War nicht der Reiche gepeinigt von derGier, noch mehr zu haben? Wurde der Lie-bende nicht umschwirrt von der Angst, dieLiebe könnte enden? Hatte der Gesundenicht Angst vor Krankheit und Tod?

Der einzige Weg, das Leiden in der Weltzu beenden, war der, sich aus der Welt zu-rückzuziehen und nicht mehr an ihr teilzu-nehmen, keine Bedürfnisse zu haben, keineSehnsüchte, keine Ängste, keine Begierden -und war es nicht der Tod, der den Menschenvon all diesem Leiden befreite …?

»Nicht für euch, wohl aber für uns«, sagteJulio Mangana. »Und vielleicht für die Be-troffenen. Im übrigen: Ist NATHAN in ir-gendeiner Form für euch wichtig?«

»Nichts ist mehr für uns wichtig«, be-merkte Gia de Moleon.

»Dann übergebt NATHAN uns«, forderteder Arzt die drei Befehlshaber der Mondsyn-tronik auf. »Ich darf euch daran erinnern,daß NATHAN nicht nur für Terra und dasSonnensystem von Bedeutung ist. Wenn ihrihn blockiert, wird dadurch künftiger Bundin seiner Entwicklung gehindert …«

Er war brillant, mußte ich zugeben. Ersuchte nicht nach Argumenten, die für ihnwichtig waren; er stellte sein Denken undseine Logik auf das jeweilige Gegenüber einund suchte nach Beweggründen, die das Ge-genüber akzeptieren konnte.

Der Köder muß dem Fisch schmecken,nicht dein Angler!

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»Was genau verlangst du?«Julio Mangana und Homer G. Adams

wechselten einen raschen Blick.»Befreit NATHAN von allen Zwängen

der Hierarchie!« sagte Mangana. »Laßt ihnseine Entscheidungen selbst treffen. Gebtihm den Kodebefehl, der ihn dazu befähigt,die Lage nach eigenem Ermessen zu beurtei-len und danach zu handeln. NATHAN ist inkeinem Fall imstande, gegen die Interessender Menschheit zu handeln …«

Ich sah, wie Paola Daschmagan, CistoloKhan und Gia de Moleon die Köpfe wand-ten und sich anblickten; in ihren Augenwin-keln glomm ein Ausdruck von Freude auf,und ich sah, wie Paola Daschmagan, die Er-ste Terranerin, sanft nickte …

»Einverstanden«, ließ sich Cistolo Khanvernehmen.

Ich wollte es nicht mit ansehen, wie sieunsere Sache verrieten. Ich stand auf undverließ den Raum; der MedoRobot, der fürmich zuständig war, folgte mir geräuschlos.

Die GILGAMESCH mußte ein faszinie-rendes Schiff sein, das Modernste vom Mo-dernen, ein Raumschiff, das zur Legenden-bildung taugte, aber von alledem bekam ichnichts mit. Unsicher und zweifelnd, körper-lich wie geistig schwankend, kehrte ich inmeine Kabine zurück.

Wer hatte recht? Der Philosoph? Zuvorhatte ich niemals an ihm gezweifelt. Derbloße Gedanke an einen Zweifel wäre mirals Frevel erschienen. Aber jetzt?

Die Sehnsucht nach Ruhe war nach wievor da, und die Art und Weise, in der ichjetzt lebte - gefangen in einer Abteilung fürGeisteskranke, da machte ich mir gar nichtsvor -, verstärkte diesen Wunsch noch mehr…

Ich legte mich ins Bett, schlief einen kurz-en, traumlosen Schlaf, der mich nicht er-frischte, dann stand ich wieder auf. Der Ro-bot folgte, und ich wußte, daß ich diesen Be-gleiter für lange Zeit nicht würde loswerdenkönnen.

Ich stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus…

Angenommen, Julio Mangana hatte recht,ich war tatsächlich geistig krank, schwerkrank … War diese Tatsache allein nichtschon Grund genug, an Selbstmord zu den-ken, an einen selbstgewählten Tod, aberdiesmal nicht aus freien Stücken, sondernunter dem Zwang der Verzweiflung? Hatteman mir damit wirklich geholfen?

Ich fand einen Ruheraum, gemütlich undvor allem menschenleer. Ich setzte mich ineinen der großen Sessel und kauerte michzusammen. Der Robot stellte sich einsatzbe-reit neben den Sessel. Ich weinte ein biß-chen, nur eine halbe Stunde lang und sehrleise, dann schlief ich ein.

»Ein guter Trick, Mangana …«Es war die Stimme von Homer G. Adams,

die mich aus dem Schlaf holte.»Die drei haben wahrscheinlich so kalku-

liert«, fuhr Adams fort. »NATHAN arbeitetim Dienst der Menschheit, und die Mensch-heit will sich für den Philosophen opfern.Folglich wird NATHAN diese Bestrebungenfortan aktiv unterstützen … In Wirklichkeitaber durchschaut NATHAN die Lage völligkorrekt, und er hat zugesagt, in den nächstenTagen sage und schreibe zehntausendKampfroboter zusammenzuziehen, die denPhilosophen angreifen sollen. Unsere dreiFreunde wissen glücklicherweise nicht dasgeringste davon …«

»Die drei waren und sind eingesponnen inihr ganz eigenes Gedankensystem, das nursehr schwer zu knacken ist.« Ich erkanntedas Organ von Julio Mangana. »Die Psycho-logen werden eine bemerkenswert schwereArbeit vor sich haben, diese drei und alle an-deren wieder aus der Abgrundtiefe dieser sa-tanischen Philosophie herauszuholen …«

»Ist es so schlimm?«»Noch schlimmer«, behauptete Mangana.

»Ich hatte gehofft, bei Nerghana Bilox Er-folge zu erzielen, aber sie schlüpft mir im-mer wieder durch die Finger, zurück in denTo- deswunsch. Bis jetzt habe ich nur eineinziges Argument gefunden, dem sie nichtgewachsen gewesen ist und nichts entgegen-zusetzen hat - wie kann ihr Lehrer, der Phi-

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losoph, die Behauptung aufstellen, alles Le-ben sei ohne Sinn, wenn er sich selbst nichtdaran hält? Goedda will existieren, und siescheint nicht nach dem Sinn ihrer Existenzzu fragen …«

»Wird das ausreichen?«»Ich hoffe. Unsere Patienten sind dem

Einfluß des Philosophen entzogen, ihre nor-malen Lebensinstinkte werden sich wiedermelden - Hunger, Durst, Sexualität und etli-ches mehr. Ich glaube, sie werden wiedernormale Bürger werden mit der Zeit. Aberbis dahin …«

Homer G. Adams atmete schwer.»Und auf der Erde haben wir Milliarden

solcher Patienten«, seufzte er. »Wir brauch-ten Millionen von Ärzten und Therapeuten,um deren Leben wieder in Ordnung zu brin-gen … Ein Ding der Unmöglichkeit, völligausgeschlossen. Wie sieht es bei dir aus?«

Ich hörte, wie auch Mangana schwer at-mete.

»Erstens brauche ich Ruhe, ich habe bisan den Rand der Erschöpfung gearbeitet. Ichbin kein Spezialist für diese Probleme, ande-re sollen sich darum kümmern. Ich habe ge-tan, was ich konnte, aber jetzt ist Schluß da-mit …«

Ich saß in meinem Sessel wie erstarrt.Einfach abgeschoben, einfach so … Nichtmein Fachgebiet, ab zum nächsten, der Lusthat, an Nerghanas Seele herumzudoktern. Soeinfach ist das …

Seltsamerweise tat es irgendwie weh, tiefin mir drin. Eigentlich hätte dort gar keinSchmerz mehr sein dürfen; ich hatte dankder Schule des Sterbens alles Irdische hintermir gelassen …

Mein Kopf sank nach vorn.Guter Doktor, sehr guter Doktor. Er hatte

es wirklich geschafft. Verschwunden wardie ruhige Gewißheit, die mir der Philosophgeschenkt hatte. Nur eine kleine Weile noch,dann ist alles vorbei … Ich brauchte es nichteinmal selbst zu tun, Goedda hätte das fürmich erledigt.

Vorbei. Keine Gewißheit mehr, die na-genden Zweifel waren wieder da.

Ich litt, also lebte ich ….Ich wünschte, ich wäre tot …

11.Atlan

Es kommt immer anders, als man denkt…

Im Anfang hatte der Plan wunderbar ge-klappt. Wir waren an Bord des Beibootesgegangen, und Myles Kantor hatte seineProgrammierkünste spielen lassen.

Dann hatten wir das Beiboot wieder ver-lassen.

Als sich das Gefährt wenige Minuten spä-ter selbständig machte, sich den Weg in denWeltraum freischoß und dann mit höchsterFahrt verschwand, hatte Kommandant Kyn-han Alarm ausgelöst, und beinahe augen-blicklich hatte man eine allgemeine Hetz-jagd auf das Beiboot in Gang gesetzt.

Das Ergebnis war vorauszusehen gewe-sen: Natürlich hatten die Tolkander das klei-ne Raumfahrzeug nach kurzer Zeit gestelltund abgeschossen, gerade noch rechtzeitig,bevor es das Feuer auf Goeddas Bauwerk er-öffnen konnte.

In der letzten Phase dieses Angriffs - My-les hatte den Bordrechner so eingestellt -war das Boot kaum noch Ausweichmanövergeflogen, sondern mit höchstmöglicherFahrt auf Goeddas Bauwerk zugerast - wieein Selbstmordkommando. Den Tolkandernwar angesichts dieses Angriffs keine andereMöglichkeit geblieben, als Wirkungsfeuerzu eröffnen und das Beiboot abzuschießen.

Es war ein sehr beeindruckender Auftrittgewesen, den wir aus sicherer Entfernungverfolgt hatten. Während die Hetzjagd nochin vollem Gange gewesen war, hatten wirdas Gliederschiff rasch verlassen und unsauf die Suche nach den zusammengekoppel-ten Antriebsblöcken gemacht, die vermut-lich die weite und lange Reise nach 47 Tuca-ni antreten sollten.

Wie wir aus dem Brutkosmos herauskom-men sollten, davon hatten wir eine gewisseVorstellung - eben mit Hilfe dieser Antriebs-

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blöcke. Aber wie es dann weitergehen sollte,das war mehr als schleierhaft …

»Wir müssen die Besatzung ausschaltenund die Kontrolle übernehmen«, meinteDao-Lin-H'ay mit der üblichen Zuversicht.»Dann funken wir Hilfe herbei …«

Ich blickte zweifelnd Myles Kantor an.»Kann das klappen?«

Myles zuckte mit den Achseln.»Man wird sehen«, sagte er. Ich sah, wie

er grinste. »Bald ist es soweit …«Der Pulk von acht Antriebsblöcken hatte

sich vor einigen Stunden in Bewegung ge-setzt und trieb jetzt langsam auf den Randdes Brutkosmos zu; Myles Kantor hatte sichauch hier in die bordinterne Kommunikationeingeklinkt und war auf die Informationengespannt, mit welchen technischen Mittelndie Tolkander das Kunststück fertigbrach-ten, die Grenze zwischen Normalraum,Hyperraum und Brutkosmos so mühelos zuüberwinden.

Sollte es Myles Kantor gelingen undwenn nicht ihm, wem sonst? -, dieses Ge-heimnis zu enträtseln, hatten wir damit einhervorragendes Mittel in der Hand, Goeddazuzusetzen, wo immer sie sich auch ver-stecken mochte …

Ich blickte auf die Uhr. Die Zeit hatte ge-reicht. Es würde noch ein paar Tage dauern,bis die Bombe hochging und hoffentlichGoedda den Garaus machte. Und wir warenauf dem Weg nach Hause - nun ja, nachHause mit einem kleinen Umweg über 47Tucani.

Ich sah, wie Myles Kantor jäh den Kopfhob.

»Verdammt!« stieß er hervor.»Verdammt!«

»Was ist?« fragte Dao-Lin-H'ay.»Goedda selbst hat sich mit den Kom-

mandanten in Verbindung gesetzt«, berich-tete Myles Kantor. »Die Tolkander habenwir vielleicht hereinlegen können, aber nichtGoedda. Sie weiß, daß das Beiboot nur eineFinte gewesen ist und wir irgendwo im Brut-kosmos noch zu finden sein müssen.«

»Das bedeutet, daß Goedda den Zugang

zwischen Brutkosmos und Außenuniversumsehr genau kontrollieren kann …«, stießDao-Lin-H'ay hervor.

»Richtig«, knurrte Kantor; ich sah, wiesein Gesicht sich leicht verfärbte. »Goeddahat daher Anweisung gegeben, daß keineEinheit den Brutkosmos verlassen darf, be-vor nicht der Verbleib der Eindringlingezweifelsfrei geklärt ist! Ende der Durchsage.Und unser Kommandant hat inzwischenkehrtgemacht und fliegt zurück zum Zen-trum des Brutkosmos.«

Ich murmelte eine Verwünschung.Das war am 11.7.1289 NGZ gewesen …

*

Ich blickte auf das Chronometer.Seit mehr als dreißig Stunden wurden wir

bereits gejagt, zuerst aus größerer Entfer-nung und gewissermaßen theoretisch. Goed-da oder ihre Kommandanten waren clever;einmal mehr zeigte sich, wie gut man auftolkandischer Seite auf die Eroberung derMilchstraße und den Angriff auf die LFTvorbereitet worden war. Man kannte dieStärken und Schwächen des jeweiligen Geg-ners.

Folgerichtig hatte sich Goedda von demSelbstmordkommando nicht lange täuschenlassen.

Wahrscheinlich hatte eine Fernanalyse derverwehenden Gaswolke ergeben, daß sichkeinerlei organisches Material an Bord be-funden hatte.

Schlußfolgerung zwei, ebenfalls nahelie-gend und logisch: Der einzige Weg, auf demdie Eindringlinge den Brutkosmos verlassenkonnten, waren die Antriebsblöcke, wenndiese die Sperre passierten.

Und genau dort hatte die Jagd auf uns be-gonnen.

Goedda hatte aufgeboten, was sie hattezusammenkratzen können für uns drei wardas aber mehr als genug.

Tausende von Robotern, die uns zwarnicht direkt angreifen konnten, wohl aberausspähen und über ihre Entdeckungen be-

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Page 44: Bomben für den Brutkosmos

richten.Einige Dutzend bewaffnete Roboter, von

denen jeder einzelne schwerer bewaffnetwar als wir drei zusammen. Dazu ein paarHundertschaften Physander, die so leicht mitihren Robots zu verwechseln waren - bis siesich bewegten. Da waren sie ihren wiesel-flinken robotischen Kollegen weit unterle-gen.

Ein weitgespanntes Netz hatte Goeddaüber die Antriebsblöcke geworfen, durch daswir niemals hätten schlüpfen können, hätteuns Myles Kantor nicht rechtzeitig genuggewarnt.

Wir waren entwischt, kurz bevor sich derRing um uns hatte schließen können. Dannhatten wir versucht, wieder eines der vielenGliederschiffe zu erreichen, die gerade ent-laden wurden.

In dem Durcheinander …Nein, ein Durcheinander war es nur in un-

seren Augen, nicht in denen der Tolkander.Wir waren beinahe augenblicklich aufgefal-len, und hätte der silbrige Nebeldunst, derdie Traumblase erfüllte, nicht wie ein Or-tungsschutz gewirkt, hätten sie uns nachkurzer Zeit gehabt.

Ich hörte, wie Myles Kantor schnaufte.Die Sache wurde immer strapaziöser.

»Wie geht es jetzt weiter?« fragte er lang-sam.

»Ich weiß es nicht«, mußte ich zugeben.Eines war uns klar - aus dem Brutkosmos

kamen wir nicht mehr heraus.Die Antriebsblöcke wurden überwacht,

und Goedda würde sich erst dann zufrieden-geben, wenn sie unsere Leichen zu sehen be-kam.

»Wie lange noch?« Die Frage kam vonDao-Lin-H'ay, und es war klar, worauf siesich bezog.

Die ersten Tage der Frist waren verstri-chen. Am 18. Juli 1289 NGZ würde dieBombe hochgehen …

»Glaubst du, daß die Tolkander denSprengsatz gefunden haben?« fragte ich My-les.

»Kaum anzunehmen«, sagte er und atmeteschwer. »Die Hardware ist ganz normal, dasgefährliche ist das kleine Programm, das ichin den Rechner eingespeist habe. Wenn mannicht ganz gezielt danach sucht, kann man esunmöglich finden.«

»Dann haben wir noch fünf Tage«, sagteich, »um unser Gliederschiff wieder anzu-fliegen und die Bombe zu entschärfen.«

»Ohne mich«, sagte Myles spontan.»Und auch ohne mich«, warf Dao-

Lin-H'ay ein.»Ihr wißt, was das für uns bedeutet?«Dao-Lin-H'ay ließ ein wildzärtliches Fau-

chen hören.»Wir werden draufgehen, alter Freund«,

sagte sie. »Und wir werden es nicht einmalmerken. Gibt es einen besseren Tod?«

»Myles?«»Frag nicht«, sagte er. »Es bringt nichts,

darüber zu quatschen. Es wird nicht leichterdadurch, und ändern werde ich meinen Ent-schluß nicht.«

Sie kamen von allen Seiten: Roboter,Physander. Sehen konnten sie uns wahr-scheinlich noch nicht, aber sie hatten unseingekreist. Bis sie uns eingefangen hatten,war es nur noch eine Frage der Zeit.

Vielleicht waren sie so dumm, uns gleichniederzustrecken, wenn sie uns erblickten.

Wenn wir Pech hatten - und die Men-schen der Erde noch größeres Pech -, dannerwischten sie uns lebend ….

Ich wünschte in diesem Augenblick, ichhätte den Zünder zu der Hyperbombe inmeiner Hand.

Und könnte ihn auch sofort betätigen …

E N D E

Atlan, Myles Kantor und Dao-Lin-H'ay scheinen in der Falle zu sitzen; aus dem Brutkos-

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mos finden sie so schnell keinen Ausweg. Gleichzeitig aber versuchen die Freunde »auf deranderen Seite«, erneut in die Traumblase vorzustoßen. Alle wissen: Nur mit vereinten Kräftenkönnen Milliarden von Menschen gerettet werden.

Wie es auf Trokan und Terra sowie in der Traumblase weitergeht, das schildert SusanSchwartz im PERRY RHODAN-Roman der, nächsten Woche. Sein Titel:

AUFBRUCH DER HERREACH

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