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Bakterien Bakterien (Bacteria) (altgriechisch bakterion – Stäbchen) bilden neben den Eukaryonten (Lebewesen mit echtem Zellkern (Nucleus)) und Archaeen eine der drei grundlegenden Domänen, in die heute alle Lebewesen eingeteilt werden. Traditionell wird die Bezeichnung "Bakterien" in der Mikrobiologie für alle mikroskopisch kleinen, meistens einzelligen Organismen gebraucht, die keinen echten Zellkern besitzen und deshalb zu den Prokaryoten gehören. Hierzu zählen auch die Archaeen, die heute einer separaten Domäne zugeordnet werden. Zur Abgrenzung von dieser Gruppe spricht man manchmal auch von Eigentlichen Bakterien oder Echten Bakterien. Früher wurden sie zur Unterscheidung von den dann Archaebacteria genannten Archaeen mit wissenschaftlichem Namen auch Eubacteria genannt. Dies war eine unglückliche Benennung, weil es auch eine Bakteriengattung Eubacterium gab. Da alle humanpathogene Bakterien echte Bakterien sind, ist mit "Bakterien" in diesem Buch immer die Domäne Bacteria gemeint. Bei Bakterien bzw. Prokaryoten ist die DNA nicht in einem vom Zytoplasma durch eine Doppelmembran abgegrenzten Zellkern (Nucleus) enthalten wie bei Eukaryonten, sondern sie liegt als Kernäquivalent bzw. Nucleoid frei im Zytoplasma vor. Weiterhin besitzen Prokaryoten keine membranumschlossenen Zellorganellen wie Mitochondrien, Chloroplasten (Pflanzen), Endoplasmatisches Retikulum, Golgi-Apparat usw. Bakterien wurden erstmalig 1676 von Antoni van Leeuwenhoek mit Hilfe eines selbstgebauten Mikroskops in Gewässern und im menschlichen Speichel beobachtet und von ihm in Berichten an die Royal Society of London beschrieben. Im Jahr 1999 wurde das größte bislang bekannte Bakterium entdeckt: Die so genannte Schwefelperle von Namibia, Thiomargarita namibiensis, ist mit einem Durchmesser von bis zu einem dreiviertel Millimeter ein bereits mit bloßem Auge sichtbares Schwefelbakterium.

BP 92: Bakterien_eine Übersicht

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Bakterien

Bakterien (Bacteria) (altgriechisch bakterion – Stäbchen) bilden neben den Eukaryonten (Lebewesen

mit echtem Zellkern (Nucleus)) und Archaeen eine der drei grundlegenden Domänen, in die heute alle Lebewesen eingeteilt werden.

Traditionell wird die Bezeichnung "Bakterien" in der Mikrobiologie für alle mikroskopisch kleinen,

meistens einzelligen Organismen gebraucht, die keinen echten Zellkern besitzen und deshalb zu den

Prokaryoten gehören. Hierzu zählen auch die Archaeen, die heute einer separaten Domäne

zugeordnet werden. Zur Abgrenzung von dieser Gruppe spricht man manchmal auch von

Eigentlichen Bakterien oder Echten Bakterien. Früher wurden sie zur Unterscheidung von den dann

Archaebacteria genannten Archaeen mit wissenschaftlichem Namen auch Eubacteria genannt. Dies

war eine unglückliche Benennung, weil es auch eine Bakteriengattung Eubacterium gab. Da alle

humanpathogene Bakterien echte Bakterien sind, ist mit "Bakterien" in diesem Buch immer die Domäne Bacteria gemeint.

Bei Bakterien bzw. Prokaryoten ist die DNA nicht in einem vom Zytoplasma durch eine

Doppelmembran abgegrenzten Zellkern (Nucleus) enthalten wie bei Eukaryonten, sondern sie liegt

als Kernäquivalent bzw. Nucleoid frei im Zytoplasma vor. Weiterhin besitzen Prokaryoten keine

membranumschlossenen Zellorganellen wie Mitochondrien, Chloroplasten (Pflanzen),

Endoplasmatisches Retikulum, Golgi-Apparat usw.

Bakterien wurden erstmalig 1676 von Antoni van Leeuwenhoek mit Hilfe eines selbstgebauten

Mikroskops in Gewässern und im menschlichen Speichel beobachtet und von ihm in Berichten an die Royal Society of London beschrieben.

Im Jahr 1999 wurde das größte bislang bekannte Bakterium entdeckt: Die so genannte Schwefelperle

von Namibia, Thiomargarita namibiensis, ist mit einem Durchmesser von bis zu einem dreiviertel

Millimeter ein bereits mit bloßem Auge sichtbares Schwefelbakterium.

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Morphologie

Nach der äußeren Form lassen sich Bakterien in Kokken (kugelförmige Bakterien wie z.B,

Staphylokokken), Stäbchen und spiralige Stäbchen (z.B. Treponema, Helicobacter) einteilen.

Daneben gibt es noch fusiforme Bakterien (Stäbchen mit zugespitzten Enden, z.B. Fusobakterien), semmelförmige Stäbchen (z.B. Vibrionen), keulenförmige Stäbchen (Corynebakterien) und einige

andere. Manche Bakterien ordnen sich in typischer Gruppierung an, z.B. in Zweierpärchen

(Diplokokken wie z.B. Pneumokokken), in Haufen (z.B. Staphylococcus aureus) oder Ketten (z.B.

Streptokokken). Einige Bakterien weisen auch eine Schleimkapsel auf, mit der sich die Bakterien vor

der Phagozytose schützen, so z.B. Pneumokokken, Meningokokken und Haemophilus influenzae.

Die Art der Begeißelung - sofern vorhanden - lässt sich als peritrich (rundum begeiselt), lophotrich

(mehrere Geißeln an einem Bakterienpol), amphitrich (an jedem Pol eine Geißel) oder monotrich

(eine Geisel) begeißelt beschreiben. Eine Geißel ist die Voraussetzung aktiver Beweglichkeit.

Sporenbildner (Bacillus, Clostridien) lassen sich aufgrund der Lage (zentral, terminal) und

Verformung des Bakteriums durch die Spore (mit oder ohne Auftreibung) sowie anhand des

Aussehens freier Sporen differenzieren.

Lage und Aussehen bakterieller Sporen.

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Färbungsverhalten Die Gram-Färbung ist eine Methode zur differenzierenden Färbung von Bakterien. Sie ist nach dem

dänischen Arzt und Bakteriologen Hans Christian Gram benannt, der sie am Ende des 19.

Jahrhunderts entwickelte. Verschiedene Bakterien reagieren auf diese Färbung unterschiedlich.

Daraus folgt eine Einteilung in sog.

• grampositive Bakterien, die nach dem Färbegang dunkelblau erscheinen, und

• gramnegative Bakterien, die ungefärbt sind. Sie können nachträglich mittels Fuchsin rot gefärbt werden (bei Verwendung der Phasenkontrastmikroskopie ist dies nicht mehr

notwendig.)

Dies ist ein wichtiges Kriterium für die Unterscheidung verschiedener Bakterien nach der Struktur ihrer Zellwand.

Bedeutend ist das Färbeverfahren beispielsweise bei der Diagnostik von Infektionskrankheiten.

„Grampositive“ und „gramnegative“ Bakterien reagieren unterschiedlich auf Antibiotika. Mit dieser

schnellen diagnostischen Methode kann man in kurzer Zeit (in etwa fünf Minuten) anhand eines

Abstriches das „Gramverhalten“ der Bakterien bestimmen. Damit hat man die Möglichkeit, sofort mit

einer oft lebensrettenden antibiotischen Therapie zu beginnen, bevor das Ergebnis der oft mehrere

Tage dauernden definitiven Identifizierung der bakteriellen Erreger vorliegt.

Stoffwechsel

Energie- und Stoffaufnahme Einige Bakterien sind zur Photosynthese fähig, also phototroph, zum Beispiel die früher auch

Blaualgen genannten Cyanobakterien, die meisten sind dagegen chemotroph. Von den

Chemotrophen sind die meisten heterotroph (auf organische Verbindungen angewiesen), einige

jedoch chemoautotroph, und zwar lithoautotroph.

Aerob - Anaerob Lebensweise und Stoffwechsel der Bakterien können sehr verschieden sein. So gibt es Bakterien, die

Sauerstoff benötigen (aerobe Bakterien oder Aerobier), Bakterien, auf die Sauerstoff meist durch

Fehlen der O2-Radikal-Eliminatoren Katalase und Superoxiddismutase toxisch wirkt (obligat

anaerobe Bakterien bzw. obligate Anaerobier), und Bakterien, die sowohl Sauerstoff als auch

Sauerstoffmangel aushalten (fakultative Anaerobier).

Lebensraum

• freilebend

• intrazellulär lebend

Aufbau

Erbgut Nucleoid

Nucleoide bestehen aus der frei im Zytoplasma liegenden meist zirkulären DNA des Bakteriums. Das Genom des Darmbakteriums Escherichia coli besteht aus knapp 4,7 Millionen Basenpaaren, deren

Sequenz vollständig bekannt ist. Das DNA-Molekül ist etwa 1,4 mm lang, was etwa dem

Tausendfachen des Zelldurchmessers entspricht, aber nur 2 nm breit und enthält rund 4.400 Gene.

Die nach rechts gewundene DNA-Doppelhelix ist durch Verdrillung nach links stark verkürzt und in

einem Bereich von etwa der Hälfte des Zelldurchmessers komprimiert (Nucleoid). Die Verdrillung

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wird durch das bakterielle Enzym Gyrase gewährleistet. Letzteres ist auch das pharmakologische

Target der Antibiotikaklasse der 4-Chinolone wie z.B. Ciprofloxacin.

Plasmide

Plasmide sind kleine, ringförmige, zusätzliche DNA-Moleküle, die für das Überleben des Bakteriums

nicht unbedingt notwendig sind. Sie kodieren z.B. Resistenzgene, Toxine u.ä. und werden unabhängig

vom Bakterienchromosom vervielfältigt und bei der Fortpflanzung weitergegeben oder von einem

Individuum auf ein anderes übertragen.

Zytoplasma

Das Zytoplasma besteht hauptsächlich aus Wasser und enthält u.a. Proteine und kleinmolekulare

Substanzen wie Salze, Glucose, Speicherstoffe u.ä.

Ribosomen

Bakterielle 70S-Ribosomen bestehen aus einem 30S- und einem 50S-Teil. An ihnen findet die

Translation der mRNA in die Aminosäurekette, also die Proteinbiosynthese statt. Der

Translationsprozess am bakteriellen Ribosom lässt sich durch zahlreiche Antibiotika blockieren, so

z.B. mit Aminoglykosiden, Makroliden, Ketoliden, Lincosaminen, Tetracyclinen, Chloramphenicol,

Streptograminen und Oxazolidonen.

Zellmembran

Die Zellmembran, auch als Zytoplasmamembran bezeichnet, besteht aus einer

Phospholipiddoppelschicht, in die zahlreiche Proteine, z.B. Porine, Transportproteine, Enzyme der

Atmungskette, Mureinsyntheseproteine und Signalproteine integriert sind.

Zellwand

Murein

N-Acetylmuraminsäure und N-Acetylglucosamin,

die beiden Zuckerbestandteile des Muramins.

Zucker und Aminosäurenbestandteile des

Mureins von E. coli. Das fertige Murein-Netz.

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Sowohl Gram-positive als auch Gram-negative Bakterien (Domäne Bacteria) besitzen in ihrer

Zellwand eine Festigkeit verleihende Schicht aus Murein, einem Peptidoglycan (PGN). Der

Unterschied zwischen beiden Gruppen besteht u.a. in der Dicke der Hülle (Gram-positiv: 20-80 nm;

Gram-negativ: < 10 nm).

Murein besteht aus Strängen der zwei miteinander verknüpften Zuckerderivatmoleküle N-

Acetylglucosamin und N-Acetylmuraminsäure, die das Rückgrat bilden. Von jedem N-

Acetylmuraminsäure-Molekül geht - an dessen Pyruvatgruppe gebunden - eine Oligopeptidkette zu

einem N-Acetylmuraminsäure-Molekül eines benachbarten Stranges. Die parallel angeordneten Stränge sind auf diese Weise quervernetzt. Das Murein bildet so ein flächiges Netz, das die

Oberfläche der Bakterienzelle umspannt.

Ein Bakterium ist also von einem einzigen Murein-Molekül umgeben. Es können mehrere

Mureinnetze übereinander angeordnet sein. Dann sind die Murein-Schichten durch Oligopeptide

verbunden. Vielschichtig ist das Murein insbesondere bei grampositiven Bakterien. Murein ist nicht

bei allen Bakterien gleich aufgebaut, es variieren die Aminosäuren der Oligopeptide, aber das

Rückgrat ist im Wesentlichen immer gleich. Grampositive Bakterien variieren stärker.

Die Mureinhülle hält den Bakterienprotoplasten gegen den osmotischen Binnendruck zusammen. Wird der Murein-Sacculus aufgelöst, zum Beispiel durch das Enzym Lysozym (Tränenflüssigkeit),

platzt das Bakterium. Beim Wachstum eines Bakteriums muss deshalb das Mureinnetz erweitert

werden, ohne dass eine größere Lücke entsteht. Mureinbausteine werden im Cytoplasma

synthetisiert und mit Hilfe des Enzyms Bactoprenol exportiert. In dem außerhalb der

Cytoplasmamembran gelegenen Mureinnetz werden durch spezifische lytische Enzyme lokal

begrenzt Bindungen in den Rückgratsträngen und in den Oligopeptiden gelöst und die vorgefertigten

und exportierten Mureinbausteine durch spezifische Enzyme wie z.B. der Peptidyltransferase

(=Penicillin-bindende Proteine) integriert. Die Erweiterung des Mureins erfordert also ein genaues

Zusammenspiel verschiedener Enzyme. Wird dieses Zusammenspiel gestört, platzt das Bakterium.

Antibiotika wie z.B. β-Lactam-Antibiotika, Glycopeptide und Fosfomycin greifen in dieses Zusammenspiel störend ein.

Die Zellwand Gram-positiver Bakterien Gram-positive Bakterien besitzen eine 20-80nm dicke Mureinschicht aus bis zu 40 Mureinlagen, in

der verschiedene Lipoteichon- und Teichonsäuren eingelagert sind, die in die Umgebung ragen und

z.B. das Komplementsystem oder Makrophagen aktivieren. Daneben können verschiedene Proteine

in der Zellwand eingelagert sein, die für die Adhärenz (Clumping-factor und Fibronektin-Bindeprotein

von S. aureus) oder Pathogenität (M-Protein von S. pyogenes) verantwortlich sind.

Die Zellwand Gram-negativer Bakterien Die Zellwand Gram-negativer Bakterien besteht aus einer dünnen bis 10 nm dicken Mureinschicht,

die von einer Lipiddoppelschicht, der sogenannten Äußeren Membran, bedeckt ist. Letztere ist mit

der Mureinschicht über die outer membrane poteins (OmpA) und das Mureinlipoprotein verbunden. In der Äußeren Membran Gram-negativer Bakterien finden sich Lipopolysaccharide (LPS), die als

Endotoxine wirken. Sie bestehen aus dem Lipoid A (der Zytokininduktor), dem Kern-Polysaccharid

(Core) und der O-spezifischen Polysaccharidkette (das O-Antigen), mit deren Hilfe z.B. Salmonellen

typisiert werden.

Kapsel Manche Bakterien schützen sich mit einer Polysaccharid-Kapsel vor Phagozytose, so z.B.

Pneumokokken, Meningokokken und Haemophilus influenzae. Aufgrund der antigenen

Eigenschaften lassen sich verschiedene Kapseltypen differenzieren.

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A: monotrich,

B: lophotrich,

C: amphitrich,

D: peritrich.

Geißeln (Flagellen) Geißeln (Flagellen) dienen der Fortbewegung. Sie bestehen aus Flagellin und

sind mit einem Motorkomplex in der Zellmembran (bzw. den Zellmembranen)

und der Zellwand verankert. Der Motorkomplex setzt einen

Konzentrationsunterschied an Protonen zwischen den beiden Seiten der inneren

Zellmembran in eine Drehbewegung des auf einem gekrümmten "Haken"

sitzenden Filamentes um und folgt damit einem ähnlichen Bauprinzip wie die

ATP-Synthase.

Nach Anordnung und Anzahl der Flagellen unterscheidet man verschiedene

Begeißelungstypen (in der Reihenfolge steigender Schwimmgeschwindigkeit):

• peritrich: Viele Flagellen sind gleichmäßig über die Zelloberfläche

verstreut.

• polytrich-bipolar: Die Flagellen stehen in zwei gegenüberliegenden Gruppen an den Zellpolen.

• polytrich-monopolar: Die Flagellen stehen in einer Gruppe an einem der Zellpole (auch als lophotrich bezeichnet).

• amphitrich: Die Zelle hat nur zwei Flagellen, die an gegenüberliegenden Zellpolen stehen.

• monotrich: Die Zelle hat nur eine einzige Flagelle.

• lateral, seitliche Begeißelung: Geißeln stehen seitlich, nicht an den Polen der Zelle.

Geißelantigene (H-Gene; H für hauchförmiges Wachstum auf Agar) dienen neben den genannten O-Antigenen (O: ohne Hauch) bei Enterobakterien der Typisierung.

Fimbrien und Konjugationspili Einige Bakterien besitzen Pili, auch als Fimbrien bezeichnet. Das sind verschieden lange und in

verschiedener Anzahl auf Bakterien vorkommende fädige Anhänge aus Protein, mit denen sich die

Bakterien an Grenzflächen anheften können.

Konjugationspili (Sexpili) dienen der Verbindung zwischen zwei Bakterien zum Zweck eines

Gentransfers.

Sporen Sporen sind gegenüber Wärme, Kälte und Trockenheit hochresistente und langlebige Dauerformen,

in die die Bakterien bei widrigen Umweltbedingungen übergehen. Man unterscheidet verschiedene

Typen von Sporen. Endosporen werden im Inneren von Bakterien gebildet, sie kommen z.B. bei

Clostridium- und Bacillus-Arten vor. Meistens wird je Zelle nur eine Endospore gebildet, die durch

Zerfall der Mutterzelle freigesetzt wird. In dem Fall dienen sie also nicht der Vermehrung, sondern

nur der Überdauerung und Verbreitung. Als Arthrosporen bezeichnet man Sporen, die unter

Zergliederung von Hyphen mycelbildender Bakterien gebildet werden. Sie kommen z.B. bei

Streptomyceten und Actinomyceten vor und dienen nicht nur der Überdauerung, sondern auch der

Vermehrung und Verbreitung. Chlamydosporen werden durch Umhüllung eines Bakteriums mit einer dicken, resistenten Sporenhülle gebildet, wobei das Bakterium in einen Ruhezustand übergeht.

Biofilmbildung Einige Bakterien können eine extrazelluläre glycosidische Matrix bilden, in der sie vor dem

Immunsystem und Antibiotika geschützt sind. Biofilmbildung stellt ein Problem bei allen Arten von

künstlichen Implantaten dar. Nachdem der Körper die Implantate mit Fibrinogen u.a. körpereigenen

Substanzen überzogen hat, können sich Bakterien dort anheften, vermehren und eine bis zu mehrere

Millimeter dicke Schleimschicht aufbauen.

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Genetik Bakterielle DNA Die bakterielle Desoxyribonukleinsäure ist meist zirkulär und stark verdrillt organisiert und liegt frei

im Plasma (Nucleosid). Weitere kleine und für die Zelle nicht essentielle Nucleinsäurenringe liegen als

Plasmide vor. Im Ggs. zur eukaryontischen DNA enthält die bakterielle DNA keine Introns.

Replikation Die Replikation verläuft ähnlich wie bei Eukaryonten ab, z.T. aber deutlich schneller. Der DNA-

Doppelstrang wird entwunden und trennt sich an den origins of replication in zwei Einzelstränge auf.

An diesen Stellen wird die neue DNA durch die DNA-Polymerase komplementär synthetisiert und es

entstehen "semikonservativ" zwei identische Tochter-DNA-Doppelhelix-Moleküle, die jeweils einen

neuen und eine alten (konservierten) Strang enthalten.

Transkription Die Information auf der DNA wird in die komplementäre mRNA, rRNA und tRNA umgeschrieben. Die Genabschnitte werden von Regulatorgenen (Promotoren) und Terminationssequenzen flankiert.

Mehrere Gene, die an den gleichen Stoffwechselprozessen beteiligt sind können einem

gemeinsamen Regulator unterstehen und bilden ein Regulon. Sind diese Gene auf dem Chromosom

direkt hintereinander angeordnet spricht man von einem Operon. Beispiel (siehe Bild): Enzyme des

Lactoseabbaus werden sinnvollerweise dann abgelesen, wenn auch Lactose vorhanden ist. Dies

geschieht, indem Lactose den zuständigen Transkriptionsrepressor (kodiert vom Regulatorgen)

inaktiviert und dadurch den Operator freigibt.

Translation Die mRNA wird an den 70S-Ribosomen in die Aminosäurensequenz des zukünftigen Proteins

übersetzt. Die mRNA kann dabei von mehreren Ribosomen gleichzeitig abgelesen werden.

Regulation der Genexpression Die Genexpression wird über verschiedene Transkriptionsfaktoren (Regulatorgene) reguliert, die

wiederum von anderen Effektoren angesteuert werden.

Mechanismen der Vielfalt Mutation Punktmutationen und Leserasterverschiebungen durch Additionen und Deletionen können spontan

auftreten oder durch mutagene Agentien (radioaktive Strahlung, UV-Strahlung, Alkylantien) induziert

werden.

Rekombination

Unter Rekombination versteht man den Austausch von Genabschnitten innerhalb des

Bakteriengenoms an Stellen von Sequenzübereinstimmungen. Man unterscheidet die homologe Rekombination, bei der korrespondierende Sequenzen homologer Gene exakt ausgetauscht werden

(Bsp.: Durch Austausch verschiedener Genkassetten des Pilins kann Neisseria gonorrhoae seine

Antigenität ständig verändern und damit der Wirtsabwehr entgehen). Zum zweiten gibt es die

ortsspezifische Rekombination bei der nur kurze Basensequenzen übereinstimmen müssen. Dieser

Mechanismus liegt z.B. der Integration von Phagen-DNA in das Bakterienchromosom zugrunde.

Transposition Transposition ist die "Rekombination" zwischen Genabschnitten, die keine Homologien aufweisen.

Die mobilen DNA-Abschnitte heißen Transposons.

Gentransfer Bakterien können über verschiedene Mechanismen Genmaterial untereinander austauschen. Transformation Bakterien können freie DNA aufnehmen und in das eigene Genom integrieren.

Transduktion

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Bei der Transduktion wird die DNA durch einen Bakteriophagen von einem Donor auf den Rezeptor

übertragen.

Konjugation Konjugation ist der Austausch von Genmaterial zwischen zwei Bakterien durch direkten Zell-Zell-

Kontakt z.B. mittels Konjugationspili.

Vermehrung Die Vermehrung der Bakterien erfolgt meistens asexuell durch Zellteilung, bei zylindrischen durch

Querteilung, bei einigen durch Knospung. Mycelbildende Bakterien vermehren sich oft durch

Sporenbildung.

Übertragung von genetischen Informationen Wird Genommaterial durch direkten Kontakt (Konjugation) von einer Bakterienzelle auf eine andere

übertragen, bezeichnet man das als horizontalen Gentransfer. Für den direkten Kontakt produzieren

einige Bakterien so genannte F-Pili (Fertilitätspili, Proteinröhren), mit deren Hilfe DNA von einer Zelle zur anderen übertragen werden kann. Die DNA-Übertragung kann auch ohne diese Pili erfolgen,

wenn sich zwei Bakterienzellen eng aneinander legen.

Wachstum Bakterienwachstum und -vermehrung folgt im nahrungstechnisch und räumlich abgeschlossenen

System einer Bakterienkultur einer charakteristischen Wachstumskurve:

• Lag-Phase: Am Anfang sind Wachstum und Vermehrung gering, die Bakterien "akklimatisieren"

sich an das herrschende Milieu.

• Beschleunigungsphase: Wachstum und Vermehrung beginnen und werden immer schneller.

• Exponentielle Phase: Die Bakterien vermehren sich exponentiell.

• Verzögerungsphase: Wachstum und Vermehrung werden langsamer.

• Stationäre Phase: Die Population bleibt stabil, Bakterienmasse und -anzahl nehmen nicht mehr

zu, die Ressourcen werden voll ausgeschöpft, Wachstum und Absterben halten sich die Waage.

• Absterbephase: Durch Nahrungsverknappung, Anhäufung toxischer Stoffwechselendprodukte

und dergleichen sterben die Bakterien ab.

Resistenz Unter dem Begriff Antibiotika-Resistenz werden Eigenschaften von Mikroorganismen (Bakterien,

Protozoen, Pilze) zusammengefasst, die es ihnen ermöglichen die Wirkung von antibiotisch aktiven

Substanzen abzuschwächen oder ganz zu neutralisieren. Resistenz gegen Antibiotika tritt meist in

Kombination oder als Anpassung an extreme Umweltbedingungen auf. So sind Streptomyceten als

bodenbewohnende Bakterien nicht nur resistent gegen viele Umwelttoxine sondern auch gegen

praktisch alle aktuell eingesetzten antibiotischen Wirkstoffe. Antibiotikaproduzenten wie

Streptomyceten besitzen in den meisten Fällen Resistenzen gegen die von ihnen selbst erzeugten

Stoffe.

Resistenzmechanismen

• Bakterielle Penicillinasen inaktivieren Penicillin

• Bakterielle β-Lactamasen spalten β-Lactam-Antibiotika

• Bakterielle modifizierte Penicillin-bindende-Proteine (PBP) mit geringer Affinität zu β-Lactam-

Antibiotika

• Veränderung anderer Zielmoleküle

• Veränderung der Zellpermeabilität

• Synthese von Transportermolekülen (Effluxmechanismen), dazu gehören die sog. Multi Drug

Resistance (MDR)-Proteine.

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Entstehung Bakterien besitzen oft eine sehr kurze Generationszeit, ihre Biomasse verdoppelt sich unter

günstigen Bedingungen schon innerhalb von 20-30 Minuten. Vorteilhafte Mutationen können so

relativ schnell entstehen. Verstärkt wird diese Tendenz durch eine Reihe von „mobilen Elementen“.

Das sind DNA-Abschnitte, die im (Bakterien)-Chromosom oder außerhalb davon als Plasmide,

Integrons, Transposons vorkommen. Sie übertragen "Resistenzkassetten" selbst zwischen wenig

verwandten Arten.

Gegen manche Antibiotika bilden sich schneller Resistenzen als gegen andere. So bilden sich z.B. gegen Makrolide schnell Resistenzen, weil sie nur ein bestimmtes Enzym hemmen (Einschritt-

Resistenzmuster). Ist das Bakterienenzym mutiert, wirken sie unter Umständen nicht mehr. Deshalb

gibt es gegen Makrolide bereits zunehmend Resistenzen, obwohl sie erst in den 90er Jahren

entwickelt wurden. Dagegen greift Penicillin an sechs verschiedenen sogenannten Penicillin-Binding-

Proteins an. Es wird heute noch für viele Indikationen verwendet, obwohl es schon seit Jahrzehnten

existiert.

Bisweilen setzt man Kombinationen von Antibiotika ein, um die Entwicklung von Resistenzen

unwahrscheinlicher zu machen und die Wirkung zu verstärken. Daneben kann es auch sinnvoll sein,

denselben Stoffwechselweg an unterschiedlichen Stellen zu hemmen.

Arten der Antibiotikaresistenz Je nach Ursprung der Resistenz lassen sich diese in verschiedene Klassen einteilen.

• Primäre Resistenz: Als primär wird eine Resistenz bezeichnet, wenn ein Antibiotikum bei einer

bestimmten Gattung eine Wirkungslücke besitzt. So wirken beispielsweise Cephalosporine

nicht bei Enterokokken und Ampicillin nicht bei Pseudomonas aeruginosa

• Sekundäre oder erworbene Resistenz: Diese Form der Resistenz zeichnet sich durch den Verlust der Wirksamkeit eines Antibiotikums bei einem primär nicht resistenten Bakterium aus.

Sie kann spontan durch Mutation oder durch Übertragung entstehen.

o Resistenz durch Mutation: Mutationen im Genom finden natürlicherweise in einer

Größenordnung von ca. 10-7 statt. Die Mutationsrate kann sich jedoch sprunghaft

erhöhen, wenn durch spezifische Faktoren das Korrekturlesen ("proof reading"), der

DNA-Polymerase deaktiviert wird. Das kann ein Weg sein schneller Resistenzen oder

günstige Eigenschaften zu erwerben. Sie können zur Resistenz gegen ein

Antibiotikum führen, welche sodann bei Exposition zum entsprechenden Antibiotikum zu einem Selektionsvorteil führt.

o Resistenz durch Übertragung: Bakterien können untereinander genetische

Informationen übertragen, die auf Plasmiden, Transposons und Integrons lokalisiert

sind.

Vorkommen In den USA sind etwa 70% der in Krankenhäusern erworbenen infektiösen Keime resistent gegen

mindestens ein Antibiotikum. Oft sind Patienten mit Bakterienstämmen infiziert, die gegen mehrere

Antibiotika resistent sind (Multiresistenz).

Sogenannte Problemkeime sind dabei vor allem

• der Methicillin-resistente S. aureus (MRSA),

• Pseudomonas,

• Escherichia coli und

• Mycobacterium tuberculosis

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Bakteriophagen - die Viren der Bakterien Bakteriophagen werden nach ihrer morphologischen Struktur, ihrem Erbmaterial und ihrem Wirt

eingeteilt. So unterscheidet man DNA-Phagen mit einsträngiger DNA, so genannte ss-DNA-Phagen

(von engl. single-stranded) und doppelsträngiger DNA, sogenannte ds-DNA-Phagen (von engl.

double-stranded). Die hier exemplarisch behandelten Escherichia coli-Phagen der T-Reihe werden zu letzterer Gruppe gezählt. Sie zeichnen sich gegenüber anderen Bakteriophagen durch einen relativ

komplexen Aufbau aus. Grundlegend setzen sich die sogenannten T-Phagen aus einer Grundplatte,

einem Injektionsapparat und einem Kopf, dem so genannten Capsid zusammen. Die Grundplatte (die

wie Capsid und Injektionsapparat aus Proteinen aufgebaut ist) ist mit Schwanzfibern und spikes

besetzt, die der Adsorption auf der Wirtszellwand dienen. Der Injektionsapparat besteht aus einem

dünnen Rohr, auch Schwanzrohr genannt, durch das die Phagen-DNA in die Wirtszelle injiziert wird.

Das Rohr wird von einer kontraktilen Schwanzscheide umhüllt, die sich während der Injektion

zusammenzieht. Das Capsid ist aus 20 gleichartigen, dreieckigen Proteinplatten, den Capsomeren, zu

einem Ikosaeder aufgebaut und enthält die DNA des Phagen. Aufgrund dieses Aufbaus zählen die E.

coli-T-Phagen zu den strukturell komplexesten Viren. Phagen mit einsträngiger DNA sind dagegen meist klein, sphärisch und schwanzlos oder filamentös. Die ebenfalls auftretenden RNA-Phagen

bestehen meist (soweit bis zu diesem Zeitpunkt beschrieben) aus einer Proteinhülle, die ein

einsträngiges RNA-Molekül umschließt. Der Durchmesser dieser Phagen beträgt etwa 25 nm, sie

gehören also zu den kleinsten Phagen.

Viren benötigen mangels eines eigenen Stoffwechsels zur Reproduktion einen Wirt, im Falle der

Bakteriophagen eine lebende (geeignete) Bakterienzelle. Die Reproduktion lässt sich in fünf Phasen

untergliedern:

• Adsorption an spezifische Zellwandrezeptoren,

• Injektion der Phagen-DNA in die Wirtszelle,

• Transkription des Virusgenoms, Translation der viralen mRNA, Replikation der

Virusnukleinsäure und Entstehung von Virusbauteilen,

• Zusammenbau zu reifen Phagenpartikeln, dem assembly,

• Freisetzung der fertigen Viruspartikel durch Lysis der Wirtszelle.

Die beschriebene Vermehrung von Phagen nennt man lytischen Vermehrungszyklus bzw.

Infektionszyklus, da sie mit der Zerstörung der Wirtszelle einhergeht. Daneben gibt es den lysogenen

Vermehrungszyklus, bei dem nicht der Phage, sondern nur sein Bauplan als DNA kodiert im

Bakteriengenom vorliegt und nicht transkribiert wird. Die latent in das Bakteriengenom integrierte

(oder als Plasmid vorliegende) und ruhende Phagen-DNA nennt man Prophage. Der lysogene

Prophage repliziert sich zusammen mit der Bakterien-DNA und kann unter bestimmten Bedingungen

wieder in das lytische Stadium übergehen.

Bakteriophagen können für den Austausch von Genmaterial wie Virulenz- und Resistenzgene

innerhalb einer Bakterienart und zwischen verwandten Bakterienarten verantwortlich sein.

Endosymbiontentheorie Aufgrund biochemischer Untersuchungen nimmt man heute an, dass einige Organellen, die in den

Zellen vieler Eukaryonten vorkommen, ursprünglich eigenständige Bakterien waren

(Endosymbiontentheorie); dies betrifft die Chloroplasten und die Mitochondrien. Diese Organellen

zeichnen sich durch eine Doppelmembran aus und enthalten eine eigene zirkuläre DNA auf der je

nach Art ca. 5-62 Gene codiert sein können.