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142 Berichte Stahlbau 82 (2013), Heft 2 Anfang der 1960er Jahre wurden erstmals Brandschutzbeschich- tungen auf Stahl zusammen mit Korrosionsschutzgrundierung und Decklack ausgeführt. Im Gegensatz zu den damals üblichen Spritzputzen und Brandschutzplatten, die einige Zentimeter dick und rau waren, blieb so die eigentliche Form der Stahlprofile weiter sichtbar. Mit den neuen Beschichtungen konnte man ohne Beeinträchtigung der Architektur des Bauwerkes Stahl feuer- hemmend (F30) schützen. Nach neuesten Entwicklungen kann man heute Stahlkonstruktionen mit einer Farbe schützen, die neben einer hohen optischen Qualität einen Feuerwiderstand bis 90 Minuten erreicht. Technik der ersten Generation Nach Langzeitversuchen zur Feststellung der Alterungs- vorgänge und Prüfung des Korrosionsschutzverhaltens, die von der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) in Ber- lin durchgeführt wurden, konnte Ende März 1971 die erste allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für die Verwendung eines Unitherm Brandschutzanstrichsystems an Stützen aus Stahlprofilen und Vollwandträgern sowie Stabtragwer- ken aus Stahl erteilt werden. Die erste Generation der zweischichtigen Stahlbrand- schutzsysteme benötigte eine Grundierung unter der Brand- schutzbeschichtung und einen Deckanstrich. Diese Sys- teme waren ein reiner Sachwertschutz, wirkten optisch mehr wie eine „Baumrinde“ und waren weit von einer in- dustriellen Lackierung heutigen Standards entfernt. Die groben Pinselstriche und die Neigung des Decklacks zum Vergilben waren Stand der Technik in den 1970er Jahren. Erste Projekte Beim Bau der Sportanlagen für die Olympischen Spiele in München im Jahr 1972 kamen erstmals farbige F30-Brand- schutzanstriche mit nur 1 bis 2 mm Dicke in großem Stil zum Einsatz. Der tadellose und ordnungsgemäße Zustand des Brandschutzes am – Olympiastadion (u. a. Ringerhalle) in München – Lufthansa-Hangar im Flughafen München und – BMW-Museum in München wurde 1983 durch ein Gutachten des Direktors der staat- lichen Versuchsanstalt für Kunststofftechnik in Wien, Hof- rat Dipl.- Ing. Friedrich Plöckinger, bestätigt. Leider wur- den im Laufe der Jahrzehnte die Ringerhalle des Olympia- stadions abgerissen, der Lufthansa-Hangar gesprengt, und das alte BMW-Museum erhielt 2008 ein neues Stahldach mit einer feuerhemmenden (F30)-Brandschutzbeschich- tung (Tabelle 1). Die große Stahlkonstruktion für das Dach des 1973 in Bonn erbauten Bundeskanzleramtes wurde mit einer feuer- hemmenden (F30)-Brandschutzbeschichtung geschützt. Beim Umbau wurden 2004 Teile der 31 Jahre alten Stahl- konstruktion ausgebaut und im Auftrag des Bauherrn im Brandofen der Materialprüfanstalt Braunschweig geprüft: Nach drei Jahrzehnten verhielt sich die Brandschutzbe- schichtung ordnungsgemäß und schäumte auf. Eine In- standsetzung war nicht notwendig. In einem weiteren Test wurde nachgewiesen, dass ein Überholungsanstrich von nur 0,2 mm Dicke im Brandfall auf dem alten Dämmschichtbildner haftet und bei einem Brandschutzbeschichtungen auf Stahl – Haltbarkeit und Weiterentwicklungen Gunther Brux DOI: 10.1002/stab.201201618 Tabelle 1. Alte Stahlkonstruktionen, ertüchtigt mit Brand- schutzbeschichtung Bauwerk, Ort Jahr Feuerwider- stand Kleinkunsttheater Taburetti, Basel 1989 F30 Philharmonie Saalbau, Essen 2004 F90 Zeche Zollverein, Essen Weltkulturerbe seit 2001 2005 F30/F90 Militärmuseum, Dresden 2009 F30/F90 Bild 1. Maritim Hotel Köln – Stahlkonstruktion der Innen- hofüberdachung brandgeschützt mit Dämmschichtbildner und Überzuglack im Sonderfarbton Dunkelrot

Brandschutzbeschichtungen auf Stahl - Haltbarkeit und Weiterentwicklungen

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Berichte

Stahlbau 82 (2013), Heft 2

Anfang der 1960er Jahre wurden erstmals Brandschutzbeschich-tungen auf Stahl zusammen mit Korrosionsschutzgrundierung und Decklack ausgeführt. Im Gegensatz zu den damals üblichen Spritzputzen und Brandschutzplatten, die einige Zentimeter dick und rau waren, blieb so die eigentliche Form der Stahlprofi le weiter sichtbar. Mit den neuen Beschichtungen konnte man ohne Beeinträchtigung der Architektur des Bauwerkes Stahl feuer-hemmend (F30) schützen. Nach neuesten Entwicklungen kann man heute Stahlkonstruktionen mit einer Farbe schützen, die neben einer hohen optischen Qualität einen Feuerwiderstand bis 90 Minuten erreicht.

Technik der ersten Generation

Nach Langzeitversuchen zur Feststellung der Alterungs-vorgänge und Prüfung des Korrosionsschutzverhaltens, die von der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) in Ber-lin durchgeführt wurden, konnte Ende März 1971 die erste allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für die Verwendung eines Unitherm Brandschutzanstrichsystems an Stützen aus Stahlprofi len und Vollwandträgern sowie Stabtragwer-ken aus Stahl erteilt werden.

Die erste Generation der zweischichtigen Stahlbrand-schutzsysteme benötigte eine Grundierung unter der Brand-schutzbeschichtung und einen Deckanstrich. Diese Sys-teme waren ein reiner Sachwertschutz, wirkten optisch mehr wie eine „Baumrinde“ und waren weit von einer in-dustriellen Lackierung heutigen Standards entfernt. Die groben Pinselstriche und die Neigung des Decklacks zum Vergilben waren Stand der Technik in den 1970er Jahren.

Erste Projekte

Beim Bau der Sportanlagen für die Olympischen Spiele in München im Jahr 1972 kamen erstmals farbige F30-Brand-schutzanstriche mit nur 1 bis 2 mm Dicke in großem Stil zum Einsatz. Der tadellose und ordnungsgemäße Zustand des Brandschutzes am– Olympiastadion (u. a. Ringerhalle) in München– Lufthansa-Hangar im Flughafen München und– BMW-Museum in Münchenwurde 1983 durch ein Gutachten des Direktors der staat-lichen Versuchsanstalt für Kunststoff technik in Wien, Hof-rat Dipl.- Ing. Friedrich Plöckinger, bestätigt. Leider wur-den im Laufe der Jahrzehnte die Ringerhalle des Olympia-

stadions abgerissen, der Lufthansa-Hangar gesprengt, und das alte BMW-Museum erhielt 2008 ein neues Stahldach mit einer feuerhemmenden (F30)-Brandschutzbeschich-tung (Tabelle 1).

Die große Stahlkonstruktion für das Dach des 1973 in Bonn erbauten Bundeskanzleramtes wurde mit einer feuer-hemmenden (F30)-Brandschutzbeschichtung geschützt. Beim Umbau wurden 2004 Teile der 31 Jahre alten Stahl-konstruktion ausgebaut und im Auftrag des Bauherrn im Brandofen der Materialprüfanstalt Braunschweig geprüft: Nach drei Jahrzehnten verhielt sich die Brandschutzbe-schichtung ordnungsgemäß und schäumte auf. Eine In-standsetzung war nicht notwendig.

In einem weiteren Test wurde nachgewiesen, dass ein Überholungsanstrich von nur 0,2 mm Dicke im Brandfall auf dem alten Dämmschichtbildner haftet und bei einem

Brandschutzbeschichtungen auf Stahl – Haltbarkeit und WeiterentwicklungenGunther Brux

DOI: 10.1002/stab.201201618

Tabelle 1. Alte Stahlkonstruktionen, ertüchtigt mit Brand-schutzbeschichtung

Bauwerk, Ort Jahr Feuerwider-stand

Kleinkunsttheater Taburetti, Basel 1989 F30

Philharmonie Saalbau, Essen 2004 F90

Zeche Zollverein, EssenWeltkulturerbe seit 2001

2005 F30/F90

Militärmuseum, Dresden 2009 F30/F90

Bild 1. Maritim Hotel Köln – Stahlkonstruktion der Innen-hofüberdachung brandgeschützt mit Dämmschichtbildner und Überzuglack im Sonderfarbton Dunkelrot

Berichte

143Stahlbau 82 (2013), Heft 2

Tabelle 2 enthält weitere ältere Ausführungsbeispiele für Brandschutzbeschichtungen von Stahlkonstruktionen (Bilder 1 bis 4) [1].

Brückenbau

Die 220 m lange Hafenstraßenunterführung im Hauptbahn-hof Frankfurt/Main wurde 1998 erneuert [2]. Um dabei zwei getrennten Doppelfahrspuren und einen höher liegenden, einseitigen Geh- und Radweg unterzubringen, wurde sie auf 30 m Breite und 4,50 m Höhe ausgeweitet (Bild 5). Die stäh-lerne Untersicht aus Längs- und Querträgern erhielt außer dem Korrosionsschutz eine feuerhemmende Beschichtung (F30), um im Brandfall die statische Festigkeit der neuen Brücke zu bewahren, die Flucht und Rettung von Menschen und einen Brandangriff zu ermöglichen. Da die eingesetzte Beschichtung vorher nur im Stahlhochbau Anwendung fand, wurde die Untersicht hier zusätzlich mit zwei Schich-ten dekorativen Schutzlacks (RAL 1013- perlweiß) versehen (Bild 6). Die Nachweise der Witterungsbeständigkeit der Beschichtung und der Verträglichkeit mit der bauseits aufge-brachten Grundierung konnte erbracht werden.

Bild 2. Deutscher Pavillon zur Weltausstellung in Sevilla – Dachstütze mit Brandschutzbeschichtung und rotem Über-zuglack

Bild 3. Deutscher Pavillon zur Weltausstellung in Sevilla – Stützen der Tribünen mit Brandschutzbeschichtung und Überzuglack

Bild 4. Flughafen Köln/Bonn – Terminal mit Parkhaus 2 und Bahnhof – Stahlkonstruktionen brandgeschützt mit eingefärbtem Dämmschichtbildner [1]

Neubau, Ort Baujahr Fläche (m2) Unitherm Systeme*)

Olympia Stadion, München einschließlich Ringerhalle 1972 5000 3-Schicht

Maritim Hotel, Köln (Bild 1) 1988 1000 2-Schicht

Deutscher Pavillon, Sevilla Expo (Bilder2/3) 1992 1200 ESA

Sächsischer Landtag, Dresden 1993 2500 Dispersion

Terminal 2 Flughafen Frankfurt am Main 1994 3500 Dispersion

Commerzbank Hochhaus, Frankfurt am Main 1997 1350 Dispersion

Lufthansa-Hangar Flughafen FJS, München 1998 9500 2-Schicht

Hafenstraßenunterführung, Frankfurt/Mainstählerne Überbauten (Bilder 5/6) [2]

1998 34000 ESA

Bundestagsgebäude, Bonn 1999 1800 ES

Volkswagen Auto-Museum, Wolfsburg 1999 4000 Dispersion

Deutscher Pavillon Expo, Hannover 1999 600 ES

Parkhaus Flughafen Köln/Bonn (Bild 4) 1999 8500 ESA

*) 3/2-Schichtsystem: Unitherm Steel S interior (nach DIN 4102), ESA: Unitherm Steel S exterieur (wie vor),ES: Unitherm Steel S interieur (wie vor), Dispersion: Unitherm Steel W30 (wie vor)

Tabelle 2. Einige ältere Ausführungsbeispiele für Brandschutzbeschichtungen von Stahlkonstruktionen [1]

Brand zuverlässig wirkt. Die Stahlkonstruktion des Dachs konnte so für die nächsten 30 Jahre mit einem modernen System (Unitherm LS eco) instandgesetzt werden.

Berichte

144 Stahlbau 82 (2013), Heft 2

verringern das Restrisiko für Transport- und Montageschä-den und dienen gleichzeitig dem Korrosionsschutz. Sie sind einschichtig und erhärten rascher, können mit dem Hochdruckreiniger sauber gehalten werden, sind sicher vor Vandalismus. Der Decklack hat nur noch eine gestal-terische Aufgabe und ist selbst im Außenbereich nicht mehr zwingend notwendig.

Lebensdauer

Die Lebensdauer einer Brandschutzbeschichtung hängt auch heute noch bei den klassischen Dämmschichtbildnern stark von der Umgebung ab. Im Außenbereich oder am Meer werden nur Systeme mit einer besonderen Zusam-mensetzung und Zulassung eingesetzt. Bei jeder Umgebung besitzen Stahlbauteile mit einem sachgerecht ausgeführten Brandschutzanstrich jedoch eine Lebensdauer von mehre-ren Jahrzehnten. Das gilt auch für farbige Brandschutzbe-schichtungen, die preiswerte Gestaltungsmittel sind.

Bei der Auswahl von Beschichtungen steht deren Dauerhaftigkeit im Mittelpunkt. Die Wert- und Qualitäts-beständigkeit für die ganze Lebensdauer eines Gebäudes sowie die Verringerung des Unterhalts- und Erneuerungs-aufwandes wird angestrebt. Dazu tragen auch die sachge-mäß ausgeführten und geprüften Brandschutzbeschichtun-gen bei; sie lassen sich bei Beschädigung auch wirkungs-voll instandsetzen.

Literatur

[1] Brux, G.: Neuartiger Brandschutz im Stahlbau – Konzept und Wirkungsweise der Beschichtung mit Schaumbildnern. Baukultur 20 (1999), H. 6, S. 18–22, 19 (1998), H. 4, S. 30–32.

[2] Brux, G.: Erneuerung der Hafenstraßenunterführung im Hauptbahnhof Frankfurt am Main. Neuartiger Brandschutz im Stahlbrückenbau. Stahlbau 68 (1999), H. 9, S. 763–769, 69 (2000), H. 3, S. 212–213.

[3] Brux, G.: Stadien der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Stahl-konstruktionen mit dämmschichtbildender Brandschutzbe-schichtung. Stahlbau 75 (2006), H. 12, S. 1013–1019.

[4] Brux, G.: Parkhaus für die Neue Messe Stuttgart. Wirtschaft-liche Lösung für Entwurf und baulichen Brandschutz. Stahl-bau 78 (2009), H.10, S. 776–778, Brandschutz-Sonderheft 2010, S. 31–33.

[5] Brux, G.: Brandschutz für die Hallen der Neuen Messe Stutt-gart. Stahlbau 79 (2010), H. 1, S. 58–60.

[6] Brux, G.: Größte Flugzeughalle Europas für Airbus A380 in Frankfurt am Main. Lösung bei Entwurf und baulichem Brandschutz. Stahlbau 77 (2008), H. 1, S. 64–67.

[7] Brux, G.: Klimahaus 8° Ost In Bremerhaven. Gestalterische Stahlkonstruktion mit Korrosionsschutz und Brandschutz aus einer Hand. Stahlbau 79 (2010), H. 8, S. 616–619.

[8] Brux, G.: Neue Entwicklungen bei der Beschichtung in der Vorfertigung  – Dämmschichtbildner für Korrosions- und Brandschutz. Stahlbau 81 (2012), H. 3, S. 243–244.

[9] Brux, G.: Flughafen Berlin Brandenburg BER: Stahlkon-struktion mit Korrosions- und Brandschutz. Stahlbau 81 (2012), H. 5, S. 426–428.

Bildnachweis: Bilder 1 bis 3, 5, 6 Andreas Schmöger, Sika Deutschland GmbH; Bild 4 Flughafen Köln/Bonn

Autor dieses Beitrages:Dipl.-Ing. Gunther Brux, Schreyerstraße 13, 60569 Frankfurt/Main

In den folgenden Jahren wurden weitere große Bau-werke mit Brandschutzbeschichtungen [3] ausgeführt, wie– das Parkhaus für die Neue Messe Stuttgart, über der

Bundesautobahn A8 und der Eisenbahnneubaustrecke Stuttgart – Ulm 2006 errichtet, mit 15000 m2 F30-Stahl-brandschutzbeschichtung Unitherm LSA schnelltrock-nend mit Decklack, dabei die Unterseite der Stahlkon-struk tion für F90 [4]

– die Hallen der Neuen Messe Stuttgart 2006, die hohen Stahlverbund-Stützenböcke des weit gespannten Hänge-daches mit 20000 m2 F90-Stahlbrandschutzbeschich-tung Unitherm LSA mit Überzuglack [5]

– die Wartungshalle für Airbus A380 in Frankfurt/Main 2007, derzeit größte Flugzeughalle Europas, die weit ge-spannte Dachkonstruktion mit 25000 m2 F30-Werks-Stahlbrandschutzbeschichtung Unitherm brillant, dabei die stählernen Verbände der Querwände für F90 [6]

– das Klimahaus 8° Ost in Bremerhaven 2008, die gestal-terische Stahlkonstruktion vom Dach-/Fassadentrag-werk (65000 m2) mit Korrosions- und Brandschutzsys-tem (Unitherm LSA) mit besonderen klimatischen und ausführungstechnischen Anforderungen [7].

Werksbeschichtung

Moderne Epoxidharz-Brandschutzsysteme [8], [9] sind viel härter und dichter als herkömmliche Dämmschichtbildner,

Bild 5. Hafenstraßenunterführung im Hauptbahnhof Frank-furt/Main – Auftragen einer im Brandfall dämmschichtbil-denden Beschichtung auf die Brückenunterseite für den Brandschutz

Bild 6. Untersicht der stählernen Überbauten der Hafen-straßenunterführung im Hauptbahnhof Frankfurt/Main – F30-Brandschutzbeschichtung mit Decklack