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32 MMW-Fortschr. Med. Nr. 13 / 2012 (154. Jg.) AKTUELLE MEDIZIN KONGRESSBERICHTE 32 Erektionsstörungen, Lustlosigkeit, schwindende Muskeln – diese Symptome können Zeichen eines Testosteronmangels sein. Da stellt sich die Frage, ob eine Testosterongabe den Männern das Altern leichter machen kann. Doch was ist normal, und wann liegt ein behandlungsbedürftiges Hormondefizit vor? _ Bei Männern gibt es kein Klimakte- rium. Dennoch klagen einige alternde Männer über Symptome, die u. a. durch einen Androgenmangel entstehen kön- nen. Die Bandbreite der Symptome ist groß: von Erektionsstörungen und Libi- doverlust über Antriebslosigkeit bis zur Zunahme des Fettgewebes und Abnahme der Knochendichte (Tab. 1). Das Prob- lem: Alle diese Symptome sind unspezi- fisch und können neben dem Hypogona- dismus auch andere Ursachen haben. Um das Hormondefizit nachzuweisen, ist die Bestimmung des Testosteronspie- gels notwendig. Sie ist z. B. bei Erektions- störungen und bei Männern mit Osteo- porose ohnehin Standard, denn diese Er- krankungen sind relativ oft durch einen Hypogonadismus bedingt. Zweckmäßig ist die Messung des Gesamttestosterons im Serum. Wegen der zirkadianen Rhyth- mik sollte die Blutabnahme zwischen 7 und 11 Uhr morgens erfolgen. Wann liegt ein Mangel vor? Das zweite Problem: Derzeit gibt es kei- ne exakte Definition eines Testosteron- mangels. Dass die Hormonproduktion mit dem Alter sinkt, ist normal. Bereits ab dem fünften Lebensjahrzehnt nimmt die Hormonproduktion der Hoden ab, der Spiegel des freien, biologisch aktiven Testosterons im Blut sinkt im Schnitt um 1% pro Jahr. Dennoch weisen nicht alle Männer mit niedrigem Testosteron- spiegel entsprechende Symptome auf. Als normal gilt ein Serum-Testoste- ronspiegel über 12 nmol/l (350 ng/dl). Einig sind sich die andrologischen Fach- gesellschaften außerdem darüber, dass Patienten mit einem Testosteronspiegel unter 8 nmol/l (230 ng/dl) von einer Substitution profitieren [1]. Werte zwi- Vielleicht ein Fall für Hormone. © ArTo/fotolia schen 8 und 12 nmol/l liegen somit in einer Grauzone. Bestehen bei diesen Pa- tienten Symptome eines Testosteron- mangels, wird empfohlen, Serum- Testosteron wiederholt zu bestimmen und zusätzlich das sexualhormonbin- dende Globulin (SHBG) zu messen, um das freie Testosteron zu berechnen. Schlucken, spritzen oder kleben? Die Substitution von Testosteron ist nur dann indiziert, wenn neben dem objek- tiven Defizit auch körperliche Symptome vorliegen. Die Testosteronsubstitution kann subkutan, intramuskulär, transder- mal oder oral erfolgen. Die Auswahl eines entsprechenden Präparats muss in- dividuell erfolgen. Bessern sich die Symptome nach drei bis sechs Monaten nicht, sollte das Testosteron wieder abge- setzt werden, heißt es in den Leitlinien. Prostatakarzinom ausschließen! Wichtig ist, vor Beginn einer Testoste- ronsubstitution ein Prostatakarzinom auszuschließen bzw. das Risiko des Pati- enten für diesen Tumor abzuschätzen, denn Testosteron stimuliert das Wachs- tum eines Prostatakarzinoms. Eine digi- tale rektale Untersuchung und die Mes- sung des PSA-Werts sind daher unerläss- lich. Nach dem Beginn der Testosteron- substitution sollten regelmäßig Kont- rollen der Prostata erfolgen, und zwar nach drei bis sechs Monaten, nach zwölf Monaten und danach einmal jährlich. Und was bringt die Substitution? Positive Effekte einer Testosteronsubsti- tution sind u. a. bei hypogonadalen Männern nachweisbar, die unter erek- tiler Dysfunktion und/oder verminder- ter Libido leiden. Es gibt Hinweise da- rauf, dass die kombinierte Anwendung von PDE-5-Hemmern und Testosteron bei diesen Patienten synergistisch wirkt. Auch hypogonadale Männer mit Os- teopenie oder Osteoporose profitieren nachweislich von der Substitution, da Testosteron die Knochendichte steigern kann. Außerdem kann Testosteron eine Verminderung der Fettmasse bewirken. Eine Verbesserung von Muskelfunktion und positive metabolische Effekte liegen nahe, sind jedoch nicht ausreichend durch Studien belegt. Zur Auswirkung auf das kardiovaskuläre Risiko gibt es widersprüchliche Ergebnisse. DR. JUDITH NEUMAIER Quellen: 1. Wang C et al. J Reproduktionsmed Endo- krinol 2010;7:60–66 2. Popken G. UroNews 2012;3:36–38 Tabelle 1 Mögliche Symptome eines Testosteronmangels _ Nachlassende Libido _ Erektile Dysfunktion _ Erniedrigte Muskelmasse und -kraft _ Vermehrtes Körperfett _ Verminderte Knochendichte, Osteoporose _ Verminderte Vitalität _ Depressive Verstimmungen Müde, lustlos, schlapp Braucht dieser Mann Testosteron?

Braucht dieser Mann Testosteron?

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32 MMW-Fortschr. Med. Nr. 13 / 2012 (154. Jg.)

AKTUELLE MEDIZIN–KONGRESSBERICHTE

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Erektionsstörungen, Lustlosigkeit, schwindende Muskeln – diese Symptome können Zeichen eines Testosteronmangels sein. Da stellt sich die Frage, ob eine Testosterongabe den Männern das Altern leichter machen kann. Doch was ist normal, und wann liegt ein behandlungsbedürftiges Hormondefizit vor?

_ Bei Männern gibt es kein Klimakte­rium. Dennoch klagen einige alternde Männer über Symptome, die u. a. durch einen Androgenmangel entstehen kön­nen. Die Bandbreite der Symptome ist groß: von Erektionsstörungen und Libi­doverlust über Antriebslosigkeit bis zur Zunahme des Fettgewebes und Abnahme der Knochendichte (Tab. 1). Das Prob­lem: Alle diese Symptome sind unspezi­fisch und können neben dem Hypogona­dismus auch andere Ursachen haben.

Um das Hormondefizit nachzuweisen, ist die Bestimmung des Testosteronspie­gels notwendig. Sie ist z. B. bei Erektions­störungen und bei Männern mit Osteo­porose ohnehin Standard, denn diese Er­krankungen sind relativ oft durch einen Hypogonadismus bedingt. Zweckmäßig ist die Messung des Gesamttes tosterons im Serum. Wegen der zirkadianen Rhyth­mik sollte die Blutabnahme zwischen 7 und 11 Uhr morgens erfolgen.

Wann liegt ein Mangel vor?Das zweite Problem: Derzeit gibt es kei­ne exakte Definition eines Testosteron­mangels. Dass die Hormonproduktion mit dem Alter sinkt, ist normal. Bereits ab dem fünften Lebensjahrzehnt nimmt die Hormonproduktion der Hoden ab, der Spiegel des freien, biologisch aktiven Testosterons im Blut sinkt im Schnitt um 1% pro Jahr. Dennoch weisen nicht alle Männer mit niedrigem Testosteron­spiegel entsprechende Symptome auf.

Als normal gilt ein Serum­Testoste­ronspiegel über 12 nmol/l (350 ng/dl). Einig sind sich die andrologischen Fach­gesellschaften außerdem darüber, dass Patienten mit einem Testosteronspiegel unter 8 nmol/l (230 ng/dl) von einer Substitution profitieren [1]. Werte zwi­

Vielleicht ein Fall für Hormone.

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schen 8 und 12 nmol/l liegen somit in einer Grauzone. Bestehen bei diesen Pa­tienten Symptome eines Testosteron­mangels, wird empfohlen, Serum­Testos teron wiederholt zu bestimmen und zusätzlich das sexualhormonbin­dende Globulin (SHBG) zu messen, um das freie Testos teron zu berechnen.

Schlucken, spritzen oder kleben?Die Substitution von Testosteron ist nur dann indiziert, wenn neben dem objek­tiven Defizit auch körperliche Symptome vorliegen. Die Testosteronsubstitution kann subkutan, intramuskulär, transder­mal oder oral erfolgen. Die Auswahl eines entsprechenden Präparats muss in­dividuell erfolgen. Bessern sich die Symp tome nach drei bis sechs Monaten nicht, sollte das Testosteron wieder abge­setzt werden, heißt es in den Leitlinien.

Prostatakarzinom ausschließen!Wichtig ist, vor Beginn einer Testoste­ronsubstitution ein Prostatakarzinom auszuschließen bzw. das Risiko des Pati­enten für diesen Tumor abzuschätzen, denn Testosteron stimuliert das Wachs­

tum eines Prostatakarzinoms. Eine digi­tale rektale Untersuchung und die Mes­sung des PSA­Werts sind daher unerläss­lich. Nach dem Beginn der Testosteron­substitution sollten regelmäßig Kont­rollen der Prostata erfolgen, und zwar nach drei bis sechs Monaten, nach zwölf Monaten und danach einmal jährlich.

Und was bringt die Substitution?Positive Effekte einer Testosteronsubsti­tution sind u. a. bei hypogonadalen Männern nachweisbar, die unter erek­tiler Dysfunktion und/oder verminder­ter Libido leiden. Es gibt Hinweise da­rauf, dass die kombinierte Anwendung von PDE­5­Hemmern und Testosteron bei diesen Patienten synergistisch wirkt.

Auch hypogonadale Männer mit Os­teopenie oder Osteoporose profitieren nachweislich von der Substitution, da Tes tosteron die Knochendichte steigern kann. Außerdem kann Testosteron eine Verminderung der Fettmasse bewirken. Eine Verbesserung von Muskelfunktion und positive metabolische Effekte liegen nahe, sind jedoch nicht ausreichend durch Studien belegt. Zur Auswirkung auf das kardiovaskuläre Risiko gibt es widersprüchliche Ergebnisse.

Dr. JuDith Neumaier ■■ Quellen:

1. Wang C et al. J Reproduktionsmed Endo­krinol 2010;7:60–66 2. Popken G. UroNews 2012;3:36–38

Tabelle 1

Mögliche Symptome eines Testosteronmangels_ Nachlassende Libido_ Erektile Dysfunktion_ Erniedrigte Muskelmasse und ­kraft_ Vermehrtes Körperfett_ Verminderte Knochendichte, Osteoporose_ Verminderte Vitalität_ Depressive Verstimmungen

Müde, lustlos, schlapp

Braucht dieser Mann Testosteron?