Braun 12 Ende Der Ökonomisierung

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Analyse des Neoliberalismus und Analyse von Entwicklungen sowie Strategien zu seiner Überwindung

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  • http://dx.doi.org/10.5771/0038-6073-2012-4-379Generiert durch Universitt Konstanz, am 27.05.2015, 11:58:08.

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    Ende der konomisierung?*

    Von Norman Braun und Tobias Wolbring

    Zusammenfassung: Unter konomisierung wird die bertragung der konomischen Denklogik(v.a. Renditeorientierung, Kostenreduktion, Qualittssicherung) auf ffentliche Bereiche (z.B. Bil-dung, Gesundheit, Kunst) verstanden. Die konomik und daher auch die konomisierung sindgerade in der letzten Zeit verstrkt in die Diskussion geraten, weil Wirtschaftswissenschaftler wi-dersprchliche Lsungen fr die gegenwrtigen wirtschaftlichen Probleme empfehlen. Gefragt wirddeshalb, ob ein Niedergang der konomik und der mit ihr verknpften Methodologie feststellbarist. Zur Beantwortung wird ein Blick auf Wissensbestnde geworfen, die sich mithilfe des kono-mischen Ansatzes begrnden lassen, aber nicht nur wirtschaftliche Zusammenhnge betreffen. Da-nach wird gefragt, wie die gesellschaftliche konomisierung beurteilt werden kann. Ausgehend vondem Gedanken ihrer zeitlichen Einbindung wird die konomisierung hierfr zunchst bezglicheiniger Grundlagen diskutiert und es wird herausgearbeitet, dass diese Entwicklung mit anderenhistorischen Prozessen gut vereinbar ist. Dann werden Mglichkeiten und Beschrnkungen derkonomisierung exemplarisch anhand von Ergebnissen aus empirischen Untersuchungen studen-tischer Lehrveranstaltungsevaluationen aufgezeigt.

    EinfhrungVor einigen Monaten fand eine akademische Feier zu Ehren des verstorbenen Mnchner So-ziologen Karl-Martin Bolte statt. Im Vorfeld der Feier wurde der ltere der beiden Autoren(N.B.) in ein Gesprch mit einem Fachkollegen verwickelt. Die Unterhaltung bezog sich u.a.auf die nach wie vor aktuellen wirtschaftlichen Krisen (Immobilien- und Bankenkrisen in denUSA und Europa, Staatsschuldenproblematik, Whrungskrisen) und geeignete Strategien zuderen Bekmpfung. In diesem Zusammenhang amsierte sich der Kollege ber die beobacht-bare Uneinigkeit renommierter konomen ber angemessene Lsungen, die man der Wirt-schafts- und Finanzpolitik anraten knne. Offenbar, so der Kollege, scheint in den Wirt-schaftswissenschaften ber geeignete Lsungsanstze (z.B. Euro-Bonds oder Haushaltskon-solidierung als Schwerpunktsetzungen) immer noch intensiv diskutiert zu werden. Insgesamtsei dies zwar bedenklich, weil man ja kaum zweifelsfrei beantworten knne, was denn zurKrisenberwindung zu unternehmen sei. Aus der Sicht der Sozialwissenschaften sei die Un-einigkeit der Wirtschaftswissenschaftler jedoch gar nicht schlecht, weil damit wichtige Ein-sichten einhergehen wrden:

    Entgegen aller Beteuerungen besitze die konomik kein hinreichend breites und em-pirisch gesichertes Wissen in ihrem eigenen Bereich. Selbst wenn, was bezweifelbar ist,die zentralen kausalen Zusammenhnge in Realkonomie und Finanzwirtschaft bekanntwren, scheinen verschiedene Volkswirte diese keineswegs gleich zu bewerten, weshalbsie zu divergierenden Politikempfehlungen gelangen. Damit aber sei die konomiknicht besser als Leitwissenschaft geeignet als andere Disziplinen, die sich ebenfalls v.a.mit Aggregaten befassen (wie z.B. die Soziologie).

    Im brigen wrden die beobachteten Krisen und ihre unklare Bekmpfung auch daswissenschaftliche Programm des konomischen Imperialismus im Sinne von Gary S.Becker (1976, 1993) diskreditieren, wonach man alle sozialen Sachverhalte und Ablufeauf der Grundlage der in der konomik gebruchlichen Methodologie erklren kann.Insbesondere drfe man in diesem Kontext nicht bersehen, dass ein wesentlicher Grund

    1.

    * Fr hilfreiche Diskussionen, Hinweise und Verbesserungsvorschlge ist Christiane Bozoyan, WernerFrhlich und Marc Keuschnigg zu danken.

    Soziale Welt 63 (2012), S. 379 400

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    fr die Entstehung der gegenwrtigen Wirtschaftsprobleme in einem offenbar unbe-rechtigten Vertrauen in theoretische Modelle der mathematischen konomik liegt. Fol-ge man Beckers konomischem Ansatz und praktiziere die damit einhergehende Vari-ante der Theoriebildung auch in den Nachbardisziplinen der Volkswirtschaftslehre,dann wrden dort ebenfalls formale Modelle resultieren, deren Zuverlssigkeit und Re-levanz bezweifelbar seien.

    Die Inkompatibilitt der von Wirtschaftswissenschaftlern propagierten Krisenbewlti-gungsstrategien weise berdies auf die Unsinnigkeit der konomisierung der Gesell-schaft hin, womit die fortschreitende Ausbreitung und bernahme wirtschaftlicherKonzepte und Ideen (v.a. Renditeorientierung, Kostenreduktion, Qualittssicherung) innahezu allen ffentlichen Bereichen des Lebens umschrieben wird. Wenn nicht einmaldas volkswirtschaftliche Geschehen durch die Anwendung der konomischen Logikhinreichend eindeutig begrndbar und gestaltbar sei, knne man dies doch umso weni-ger bei vergleichsweise schwer quantifizierbaren Bereichen (wie z.B. Bildung, Ge-sundheit, Kunst) erwarten. Schon deshalb scheint die konomisierung keineswegszwingend.

    Ohne auf das weitere Gesprch einzugehen, ist festzuhalten, dass sich in den erwhnten Aus-sagen eine gewisse Zufriedenheit ber das vermeintliche Scheitern der in der ffentlichkeitvergleichsweise hochgeschtzten konomen niederschlgt. Deutlich wird berdies der Arg-wohn gegenber hegemonialen Bestrebungen der konomik, der sich u.a. in der Ablehnungeiner konomisch geprgten Theoriebildung in den Sozialwissenschaften uert. Die Skepsisgegenber dem konomischen Denken zeigt sich v.a. in der negativen Haltung gegenber z.B.Kosten-Nutzen-Kalklen und ihrer Verwendung in ursprnglich als nicht-konomisch be-trachteten Lebensbereichen (z.B. Verwaltung, Journalismus, Strafvollzug). Vor dem Hinter-grund der einleitenden berlegungen stellen sich folgende Fragen:

    1. Gibt es etabliertes und belastbares Wissen in der konomik ber wirtschaftliche Zu-sammenhnge?

    2. Hat die Anwendung der konomischen Methodologie zu anerkannten und empirischrelevanten Wissensbestnden in nicht-konomischen Bereichen gefhrt?

    3. Erscheint die konomisierung der Gesellschaft vor dem Hintergrund sonstiger Ent-wicklungen historisch folgerichtig und sind Grenzen der konomisierung identifizier-bar?

    Die Beantwortung dieser Fragen steht im Mittelpunkt des restlichen Aufsatzes. Zuvor ist frei-lich erwhnenswert, dass der Begriff der konomisierung in englischsprachigen Bchern seitden 1950er Jahren bis in die Mitte der 1970er Jahre zunehmend Verwendung gefunden undseither nicht an Bedeutsamkeit eingebt hat (siehe Abbildung 1). Es berrascht daher nicht,dass sich viele Sozialtheoretiker bereits ausfhrlich mit der heutigen Rolle der konomik undinsbesondere der konomisierung der Gesellschaft befasst haben. Beispielsweise sprichtBourdieu (1998) von Intrusion, wenn eine sachfremde Logik in einer Sphre die berhandgewinnt, Habermas (1981) verweist u.a. mit Blick auf die zunehmende Bedeutung instrumen-tellen Handelns im Privaten auf eine Kolonialisierung der Lebenswelt, Mnch (2009) kritisiertden weltumspannenden Rationalismus und Schimank (2006) skizziert die Mglichkeit einerfeindlichen bernahme von Teilsystemen auf Grundlage wirtschaftswissenschaftlichen Ge-dankenguts. Diese berlegungen stehen damit in der soziologischen Tradition von Klassikern,

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    wie Durkheim, Marx und Simmel, die versucht haben, soziologische Forschungsfragen explizitin Abgrenzung zu Themenfeldern der Wirtschaftswissenschaften zu definieren.Abbildung 1: Verbreitung des Begriffs Economization im angloamerikanischen Sprachraum

    Anmerkung: Die Abbildung wurde unter Rckgriff auf die Internetseite http://ngrams.googlelabs.com erstellt, auf der laut Google 4% aller jemals verffentlichen Bcher nach Schlagworten durchsucht werden knnen. Weitere interessan-te Anwendungsmglichkeiten dieser Daten zeigen Michel et al. (2011) auf.

    Gemeinsam ist somit vielen sowohl lteren als auch neueren Arbeiten eine Skepsis gegenber den konomen und der Ausweitung ihrer Methodologie und Grundlogik auf andere Bereiche des sozialen Lebens. Gefragt wird deshalb zunchst, ob es neben den erwhnten Inkonsistenzen bei der wirtschaftspolitischen Beratung andere Schwachpunkte gibt, die auf einen Niedergang der Bedeu-tung der konomik und der mit ihr verknpften Methodologie hindeuten. Zur Beantwortung wird ein Blick auf Wissensbestnde geworfen, die sich mithilfe des konomischen Ansatzes begrnden lassen, aber nicht nur wirtschaftliche Zusammenhnge betreffen (Abschnitt 2). Dann wird gefragt, wie es zu der gesellschaftlichen konomisierung gekommen ist. Genauer gesagt wird die zeitliche Einbindung der konomisierung beleuchtet. Historisch betrachtet scheint die konomisierung demnach mit anderen gesellschaftlichen Tendenzen gut vereinbar zu sein (Abschnitt 3). Jedoch er-fordert das abstrakte Konzept der konomisierung stets eine themenspezifische Konkretisierung. Durch die mit der konomisierung korrespondierenden berlegungen und Konzepte wird lediglich ein Rahmen bestimmt, dessen Ausgestaltung vielfltige Festlegungen erfordert und unweigerlich Grenzen der konomisierung aufzeigt. Es werden daher anschlieend Mglichkeiten und Be-schrnkungen der konomisierung exemplarisch anhand von Ergebnissen aus empirischen Unter-suchungen studentischer Lehrveranstaltungsevaluationen aufgezeigt (Abschnitt 4). Ein knappes Fazit, in dem nach Alternativen zur konomisierung gefragt wird, schliet den Beitrag (Abschnitt 5).

    2 konomisch geprgte Wissensbestnde Nach der kurzen Prsentation empirisch nachweisbarer Erkenntnisse der konomik zu wirtschaftli-chen Phnomenen und Prozessen wird die konomische Methodologie skizziert. Anschlieend wird ein Blick auf eine Auswahl von (mit dieser Methodologie theoretisch rekonstruierbaren) Einsichten geworfen, die in den Sozialwissenschaften eine vergleichsweise groe Robustheit besitzen. Zuvor sind drei Aussagen zum menschlichen Verhalten erwhnenswert, die im Zusammenhang mit der konomischen Theorie grundlegende Bedeutung besitzen, aber keineswegs nur dort als wichtig er-achtet werden:1

    1 Beispielsweise beruht das Strafrecht wesentlich auf der Unterstellung von Anreizgeleitetheit und Situationsbezogen-

    heit und ein betrchtlicher Teil der elterlichen Erziehungsarbeit betrifft die Bekmpfung der kindlichen Gegenwarts-orientierung.

    Anmerkung: Die Abbildung wurde unter Rckgriff auf die Internetseite http://ngrams.googlelabs.com er-stellt, auf der laut Google 4% aller jemals verffentlichen Bcher nach Schlagworten durchsucht werdenknnen. Weitere interessante Anwendungsmglichkeiten dieser Daten zeigen Michel et al. (2011) auf.

    Gemeinsam ist somit vielen sowohl lteren als auch neueren Arbeiten eine Skepsis gegen-

    ber den konomen und der Ausweitung ihrer Methodologie und Grundlogik auf andere Be-reiche des sozialen Lebens. Gefragt wird deshalb zunchst, ob es neben den erwhnten In-konsistenzen bei der wirtschaftspolitischen Beratung andere Schwachpunkte gibt, die auf einenNiedergang der Bedeutung der konomik und der mit ihr verknpften Methodologie hindeu-ten. Zur Beantwortung wird ein Blick auf Wissensbestnde geworfen, die sich mithilfe deskonomischen Ansatzes begrnden lassen, aber nicht nur wirtschaftliche Zusammenhngebetreffen (Abschnitt 2). Dann wird gefragt, wie es zu der gesellschaftlichen konomisierunggekommen ist. Genauer gesagt wird die zeitliche Einbindung der konomisierung beleuchtet.Historisch betrachtet scheint die konomisierung demnach mit anderen gesellschaftlichenTendenzen gut vereinbar zu sein (Abschnitt 3). Jedoch erfordert das abstrakte Konzept derkonomisierung stets eine themenspezifische Konkretisierung. Durch die mit der konomi-sierung korrespondierenden berlegungen und Konzepte wird lediglich ein Rahmen bestimmt,dessen Ausgestaltung vielfltige Festlegungen erfordert und unweigerlich Grenzen der ko-nomisierung aufzeigt. Es werden daher anschlieend Mglichkeiten und Beschrnkungen derkonomisierung exemplarisch anhand von Ergebnissen aus empirischen Untersuchungen stu-dentischer Lehrveranstaltungsevaluationen aufgezeigt (Abschnitt 4). Ein knappes Fazit, in demnach Alternativen zur konomisierung gefragt wird, schliet den Beitrag (Abschnitt 5).

    konomisch geprgte WissensbestndeNach der kurzen Prsentation empirisch nachweisbarer Erkenntnisse der konomik zu wirt-schaftlichen Phnomenen und Prozessen wird die konomische Methodologie skizziert. An-schlieend wird ein Blick auf eine Auswahl von (mit dieser Methodologie theoretisch rekon-struierbaren) Einsichten geworfen, die in den Sozialwissenschaften eine vergleichsweise groeRobustheit besitzen. Zuvor sind drei Aussagen zum menschlichen Verhalten erwhnenswert,

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    die im Zusammenhang mit der konomischen Theorie grundlegende Bedeutung besitzen, aberkeineswegs nur dort als wichtig erachtet werden:1

    Anreizgeleitetheit: Menschen handeln anreizgeleitet. Sie treffen ihre Handlungsentschei-dungen in Abhngigkeit von unterschiedlich wahrscheinlichen Handlungsfolgen, welche (u.a.aufgrund der institutionellen Gegebenheiten) durch Entscheidungen von anderen bedingt seinknnen und als mehr oder weniger wnschenswert einstufbar sind.

    Situationsbezogenheit: Menschen richten ihre Entscheidungen und Handlungen an demjeweils relevanten Umfeld aus. Im Allgemeinen reagieren sie vernnftig auf die jeweiligensituativen Erfordernisse, d.h. sie passen sich an Gegebenheiten und Restriktionen an, sofernsie diese erkennen und bercksichtigen knnen.

    Gegenwartsorientierung: Menschen besitzen eine Prferenz fr die Gegenwart, sodasssptere Handlungsfolgen heute geringer geschtzt werden, als wenn sie jetzt auftreten wrden.Knftige Handlungsfolgen (z.B. Ertrge oder Kosten) besitzen aus heutiger Sicht also eingeringeres Gewicht im Entscheidungskalkl als sofort sprbare Handlungskonsequenzen.

    Diese Aussagen stellen hufig angemessene Prmissen dar. Obwohl sie empirisch oftmalsrelevant scheinen, kann man ihnen keine universelle Gltigkeit zusprechen. Daneben ist zubetonen, dass die Unterstellung von Anreizgeleitetheit, Situationsbezogenheit und Gegen-wartsorientierung die stillschweigende Einfhrung von einigen weiteren Voraussetzungen mitsich bringt. Insbesondere wird angenommen, dass jeder potenzielle Entscheidungstrger be-reits ein bestimmtes Lebensalter erreicht hat (z.B. kein Kind mehr ist) und keinen wesentlichenStreinflssen (durch z.B. Gebrauch psychoaktiver Substanzen (u.a. Drogen) und Vorliegenbestimmter Erkrankungen (u.a. Alzheimer, Demenz)) unterliegt. Zudem wird postuliert, dassjedem Akteur die jeweilige Anreizkonstellation bekannt ist und vollstndige Information berdie eigenen Interessen vorliegt. Kann man diese Bedingungen als erfllt ansehen, lassen sichin Verbindung mit weiteren Annahmen (u.a. zur Beschaffenheit von Mrkten und Arten vonGtern) theoretische Analysen von konomischen Fragestellungen durchfhren.

    Bevor einige Beispiele fr Ergebnisse solcher Untersuchungen angefhrt werden, sind al-lerdings ergnzende methodologische Bemerkungen angebracht, die insbesondere das Postulatder Situationsbezogenheit betreffen. Die Voraussetzung situationsgerechten menschlichenEntscheidens und Handelns wird von Karl R. Popper (1967 [1995]) als unverzichtbare An-nahme bei jeder wirtschafts- und gesellschaftswissenschaftlichen Analyse betrachtet. SeinerAnsicht nach ist bei einer Erklrung von wirtschaftlichen und sozialen Phnomenen oder Pro-zessen jeweils die Entscheidungssituation abzubilden und dann vorauszusetzen, dass die Han-delnden vernnftig im Sinne der Situationserfordernisse agieren. Die Unterstellung des situa-tionsgerechten Entscheidens und Handelns jedes beteiligten Akteurs ist dabei nicht als empi-risch besttigte Gesetzmigkeit oder als psychologisches Postulat zu verstehen. Es stellt viel-mehr eine methodologische Idealisierung dar, mit deren Hilfe situative Gegebenheiten undmenschliche Handlungen miteinander verknpft werden. Obwohl das Prinzip des situations-adquaten Entscheidens und des in diesem Sinne erfolgenden Handelns keineswegs immerzutrifft, stellt es eine unverzichtbare Voraussetzung bei einer Theoriebildung dar, die sich inAnlehnung an Weber (1921 [1976]) an der wissenschaftstheoretischen Vorstellung des me-thodologischen Individualismus ausrichtet und die Herleitung von prfbaren Hypothesen bersoziale und wirtschaftliche Sachverhalte und Ablufe erlaubt.

    1 Beispielsweise beruht das Strafrecht wesentlich auf der Unterstellung von Anreizgeleitetheit und Si-tuationsbezogenheit und ein betrchtlicher Teil der elterlichen Erziehungsarbeit betrifft die Bekmp-fung der kindlichen Gegenwartsorientierung.

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    Einige konomische Erkenntnisse und BefundeEine Variante der konomischen Standardanalyse betrifft die Untersuchung von Preisen undMengen privater Gter. Ausgangspunkt dabei ist ein Markt, in dem Angebot und Nachfrageaufeinander treffen (z.B. Varian 2003). Empirisch wenig umstritten sind u.a. folgende Impli-kationen der dabei einschlgigen preistheoretischen Modellierungen:

    Gesetz der Nachfrage: Wenn sich der Preis eines normalen Gutes bei Konstanz der Ein-kommen und aller anderen Preise erhht, dann sinkt die aggregierte nachgefragte Menge desGutes.

    Elastizittsgesetz: Bei einer lngeren Reaktionszeit auf eine vernderte Situation werdenkostengnstigere Alternativen gefunden, sodass z.B. langfristige Angebots- und Nachfrage-plne auf eine isolierte Preisvariation strker reagieren als kurzfristige.

    Gesetz von Engel: Je kleiner das Einkommen ist, desto grer ist der zur Lebenshaltungerforderliche Ausgabenanteil.

    Eine oftmals getroffene Annahme in der konomischen Theorie betrifft den Wettbewerbzwischen Marktteilnehmern, der bereits von Adam Smith (1776) thematisiert wurde. Danachkann die Konkurrenz zwischen vernnftig handelnden Egoisten bei Freiwilligkeit der Tausch-beziehungen zu einem sozial effizienten Zustand (im Sinne von Pareto) fhren obwohl sichniemand um die Situation der anderen Akteure kmmert und jeder nur die jeweils fr ihn selbstbeste Handlung whlt, reguliert sich das Wirtschaftsgeschehen durch die Angebots- und Nach-fragekrfte in Wettbewerbsmrkten selbst und es wird eine fr alle gnstige Situation erreich-bar, in dem sich niemand verbessern kann, ohne einen anderen Akteur schlechter stellen zumssen. Diese berzeugungen bilden nach wie vor das Fundament der Volkswirtschaftslehre.Sie wurden im Rahmen der modernen Theorie des Wettbewerbsgleichgewichts formalisiert die Existenz, Eindeutigkeit und Stabilitt eines Wettbewerbsgleichgewichts (d.h. die logischeMglichkeit eines robusten allgemeinen Gleichgewichts auf allen Mrkten) wurde in den1950er Jahren durch die spteren Nobelpreistrger Kenneth Arrow und Gerard Debreu ma-thematisch bewiesen, wobei die Konsum- und Produktionskalkle der Wirtschaftssubjektegleichzeitig bercksichtigt werden (z.B. Arrow / Hahn 1971; Debreu 1959). Gemeint ist damit,dass unter bestimmten Bedingungen Angebot und Nachfrage in smtlichen Mrkten berein-stimmen knnen, wobei dieser Zustand eines simultanen Gleichgewichts einzigartig ist undprinzipiell von allen Ausgangssituationen aus erreicht werden kann.

    Seither sind vielfltige Verfeinerungen der Theorie erfolgt (fr eine Lehrbuchdarstellungsiehe z.B. Jehle / Reny 2011). Danach scheint das Prinzip der Selbstregulation der Wirtschaftnur in einer bestimmten Konstellation zu gelten. Letztere ist charakterisiert durch freie Mrkte,die keine Nutzeneinbuen oder Wohlfahrtsgewinne fr unbeteiligte Dritte mit sich bringenund gleichzeitig durch vollstndige Konkurrenz (vollkommene Mrkte ohne Eintrittsbarrierenoder Existenz vieler Anbieter bzw. Nachfrager ohne Preissetzungsgewalt) gekennzeichnetsind. Diese Bedingungen sind in realen Mrkten praktisch nie erfllt. Dennoch ist die Theoriedes allgemeinen Konkurrenzgleichgewichts keineswegs berflssig. Vielmehr besteht nachz.B. Plott / Smith (2008) ein hauptschliches Ergebnis der experimentellen konomik darin,dass unpersnlicher Markttausch bei hinreichend wiederholten Interaktionen zu Wettbewerbs-gleichgewichten fhrt. Im brigen ergibt sich die Gleichgewichtstendenz bereits fr erheblichschwchere Voraussetzungen (z.B. bezglich der Informationen der Marktteilnehmer) als mannach der derzeitigen Fassung der konomischen Theorie des Konkurrenzgleichgewichts er-warten kann. Die Robustheit der experimentellen Befunde regt daher weitere theoretische Be-mhungen an (Smith 2008).

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    Die konomen befassen sich jedoch keineswegs nur mit statischen Modellen. Im Rahmenihrer Wachstumstheorie beschftigen sie sich seit geraumer Zeit mit Unterschieden in derlangfristigen Wirtschaftsentwicklung. Nach dem neoklassischen Basismodell der Wachstums-theorie (Solow 1956; Swan 1956) ist eine (bedingte) Konvergenz der Wachstumsentwicklungzu erwarten, wenn man verschiedene Wirtschaftsgebiete betrachtet. Um die Rolle andererEinflsse mglichst gering zu halten, empfiehlt sich zur Prfung dieser These zunchst einesystematische Untersuchung von Regionen mit vielen hnlichen Merkmalen, aber unter-schiedlichen Einkommenssituationen (siehe hierzu und zum Folgenden Barro / Sala-i-Martin2004: 461ff). Die empirische Evidenz fr die US-Bundesstaaten seit 1880, die japanischenPrfekturen seit 1930 und Regionen aus acht europischen Lndern seit 1950 zeigt erwar-tungsgem, dass die rmeren Wirtschaftsgebiete in diesen Staaten im Durchschnitt jeweilsein hheres Pro-Kopf-Wachstum aufweisen als die reicheren Gebiete. Allerdings ist das Tempodes Aufholens mit jhrlich etwa 2-3% der ursprnglich vorhandenen Differenz der Pro-Kopf-Einkommen gering es dauert demnach 25 bis 35 Jahre, bis etwa die Hlfte der anfnglichenUnterschiede im Einkommen verschwunden ist.

    In einem weiteren Schritt kann man im Rahmen der statistischen Auswertung eine Vielzahlvon Kovariablen zur Kontrolle etwaiger Streffekte explizit bercksichtigen. Untersucht mandie Wachstumsraten verschiedener Lnder vor diesem Hintergrund, so ergibt sich im Durch-schnitt ebenfalls eine (bedingte) Konvergenz der Wohlstandsentwicklung im Sinne des neo-klassischen Wachstumsmodells. berdies wachsen Lnder mit hherem Humankapital schnel-ler. Bildungsinvestitionen stellen damit besonders geeignete Manahmen zur Verbesserungder wirtschaftlichen Situation von armen Lndern dar. Aus Sicht der endogenen Wachstums-theorie der konomen (z.B. Lucas 1988; Romer 1986, 1987, 1990) drfte Humankapital zu-dem die anhaltend positiven Wachstumsraten in den fortgeschrittenen Lndern whrend derletzten sechs Jahrzehnte bewirkt haben. Vor diesem Hintergrund hat Galor (2011) die empi-rische Evidenz und die theoretischen Bemhungen im Rahmen einer integrativen Wachstums-theorie kombiniert.

    Neben solchen, eher makrokonomisch orientierten, Beitrgen gibt es auch in der Mikro-konomik robuste Erkenntnisse. Dies gilt in Anwendungsgebieten wie z.B. der Industrie- undder Versicherungskonomik, in denen nicht nur preistheoretische Analysen, sondern auchspieltheoretische Modellierungen erfolgen. Auch in diesen Wissensgebieten gibt es theoretischbegrndbare Einsichten, denen man empirische Relevanz zusprechen kann. Ein Beispiel liefernetwa die Erkenntnisse zur Ausgestaltung von Auktionen. Deren Anwendung im Rahmen derstaatlichen Versteigerung von Lizenzen fr Mobilfunkfrequenzen erbrachte nicht nur in Eng-land enorme Erlse (Binmore 2007). Aufgrund solcher Erfolge verwundert es nicht, dass ins-besondere Gary S. Becker (1976) bereits vor Jahrzehnten empfohlen hat, sich auch bei derAnalyse von Themen, die blicherweise nicht in der konomik untersucht werden, an derkonomischen Vorgehensweise zu orientieren.

    konomischer AnsatzNahezu alle Wirtschaftswissenschaftler stimmen vermutlich mit Becker (1993) darin berein,dass der konomische Ansatz im Kern aus drei Elementen besteht: (1) der Annahme rationalenHandelns auf der Grundlage stabiler Bewertungen von mehr oder weniger wahrscheinlichenHandlungsfolgen, das auf der Mikroebene der Entscheidungstrger unter Bercksichtigungsituationsspezifischer Handlungsbeschrnkungen erfolgt, (2) der Unterstellung von Mrkten(d.h. der Mglichkeit von Austauschbeziehungen zwischen Entscheidungstrgern) sowie (3)der Bestimmung und Analyse von Gleichgewichten auf der Makroebene, die sich durch diekonsistente Kombination der individuellen Verhaltensweisen ergeben. Sicherlich wrde je-doch eine geringere Zahl von konomen der provokativen Auslegung Beckers (1976) folgen,

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    wonach dieser Ansatz praktisch universell zur Erklrung menschlicher Verhaltensweisen undihrer sozialen Konsequenzen hinreicht. Strkere Zustimmung wrde man vermutlich erfahren,wenn man den konomischen Ansatz als eine relativ przise Methodologie bezeichnet, welcheeine Erklrung derjenigen Aspekte und Folgen des menschlichen Verhaltens erlaubt, die we-sentlich mit der Knappheit von Ressourcen zu tun haben und daher abwgende Entscheidungenzwischen konkurrierenden Alternativen erfordern.

    Betrachtet man die unterschiedlichsten Teilbereiche der Gesellschaft, so ist feststellbar, dassderartige Entscheidungen in nahezu jedem Bereich des sozialen Lebens unausweichlich sind.Anders gesagt: Unabhngig von der betrachteten Sphre des sozialen Lebens sind oft Hand-lungen erforderlich, die als Resultat von abwgenden Entscheidungen zwischen Optionen auf-gefasst werden knnen. Es sind demnach in nahezu allen Bereichen des menschlichen LebensEntscheidungen zwischen rivalisierenden Alternativen mit verschiedenen Konsequenzen zutreffen, die eventuell unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeiten haben.

    Zudem handeln Menschen im Allgemeinen nicht unabhngig voneinander vielmehr erfolgttypischerweise soziales Handeln im Sinne von Max Weber (1921). Es sind deshalb bestehendeInterdependenzen mit anderen bei der Analyse zu bercksichtigen und es sind typischerweiseRuhezustnde (d.h. Gleichgewichte) zu bestimmen, welche durch ihre Robustheit die prinzi-piell widerlegbaren theoretischen Vermutungen fr etwaige empirische Prfungen begrnden.

    Derartige Analysen, aber auch Untersuchungen ohne Bercksichtigung der Strategien vonAnderen lassen sich mithilfe von Nutzen- und Spieltheorie, den beiden Varianten der Rational-Choice-Theorie (siehe z.B. Braun / Gautschi 2011 fr eine Lehrbuchdarstellung), durchfhren.Verwendet man den konomischen Ansatz, so kann man dementsprechend auf eine ausgear-beitete Theorie der Handlungswahl zurckgreifen, die Anwendungen in den unterschiedlichs-ten Situationen erlaubt. Dabei ist es unerheblich, ob man statische oder dynamische Entschei-dungen betrachten will, ob Handlungsoptionen mit Sicherheit oder Unsicherheit untersuchtwerden sollen oder ob Situationen mit oder ohne strategische berlegungen im Mittelpunktstehen. Es spielt zudem keine Rolle, ob man z.B. Altruismus, Egoismus, Fairness, Gewohnheit,Konformitt, Neid oder Missgunst abbilden will. Im Gegensatz zu anderen handlungstheore-tischen Begrndungen in den Sozialwissenschaften kann man mit dem konomischen Ansatzdurch die Spezifikation von geeigneten Varianten der Rational-Choice-Theorie formalisierteTheorien (d.h. Modelle) generieren, um hinreichend przise und daher prinzipiell widerlegbareVorhersagen zu erhalten.

    Daneben gibt es ein von Myerson (1999) vorgebrachtes Argument zugunsten der Rationa-littsannahme, das mit den Zielsetzungen sozialwissenschaftlicher Untersuchungen zu tun hat.Danach erfordern zentrale gesellschaftswissenschaftliche Aufgaben jeweils Analysen von so-zialen Institutionen, Organisationen und Strukturen und hierbei insbesondere die Erarbeitungund Evaluation von Reformvorschlgen. Aus methodologischer und theoretischer Sicht solltedaher von vornherein ausgeschlossen werden, dass eine etwaige Irrationalitt der Individueneine Quelle eines mglichen Versagens von Institutionen, Organisationen und Strukturen dar-stellt. Zu klren ist fr jeden institutionellen, organisatorischen und strukturellen Verbesse-rungsvorschlag aus der Sicht der Sozialwissenschaften vielmehr, ob ein solches Versagen beivernnftigem (und daher vorhersehbarem) Verhalten der Akteure auftreten kann.

    Zwar ist der konomische Ansatz bei der Theoriebildung nicht mit dem Prozess der ko-nomisierung gleichzusetzen. Allerdings besteht eine gegenseitige Verflechtung: Der Vorgangder zunehmenden Ausbreitung der wirtschaftlichen Denklogik reflektiert, dass in vielen nicht-konomischen Lebensbereichen Handlungsentscheidungen bei Knappheit von Ressourcenund konkurrierenden Alternativen mit unterschiedlichen und teilweise ungewissen Hand-lungsfolgen zu treffen sind. Fragen nach der optimalen Handlungswahl erscheinen also somit

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    unausweichlich derartige Entscheidungen lassen sich bekanntlich im Rahmen der Rational-Choice-Theorie konzeptualisieren und analysieren. Anwendungen des konomischen Ansat-zes auerhalb der Volks- und Betriebswirtschaftslehre sind sozusagen bertragungen derkonomischen Denklogik auf Themen- und Wissensgebiete, die traditionell nicht zu den Wirt-schaftsfchern gehren.

    Im Bereich sozialwissenschaftlicher Fragestellungen sind der konomische Ansatz und derProzess der konomisierung zweifellos eng verknpft. Dies hat auch damit zu tun, dass Um-setzungen des Forschungsprogramms auerhalb der konomik seit geraumer Zeit existieren so verwenden prominente Soziologen (z.B. Coleman 1990; Raub / Voss 1986; Raub / Weesie1990; Yamaguchi 1996) mehr oder weniger explizit seine Grundideen. Auch als Resultat dieserAktivitten lassen sich verschiedene Einsichten ber sozialwissenschaftliche Zusammenhngeangeben.

    Ausgesuchte konomisch geprgte ErgebnisseAuerhalb der konomik hat die Anwendung des konomischen Ansatzes u.a. folgende Er-gebnisse mit sich gebracht, die berwiegend auch empirisch belegbar sind (fr diese und wei-tere Erkenntnisse siehe Braun / Gautschi 2011):

    Die wirtschaftliche, soziale und technologische Entwicklung in modernen Gesellschaf-ten (z.B. Niedergang der traditionellen Landwirtschaft, Rckgang von Kinderarbeit,Wertsteigerung der elterlichen Zeit) hat die relativen Kosten von Kindern insgesamterhht und damit die gewnschte Kinderzahl im Durchschnitt reduziert (Becker 1960).Daneben kann ein gestiegenes Familieneinkommen einen reduzierten Kinderwunschzur Folge haben: Eltern geben mit steigendem Einkommen insgesamt mehr fr Kinderaus, verteilen diese hheren Ausgaben jedoch auf eine kleinere Kinderzahl aufgrundvergleichsweise starker Interessen an der Qualitt (z.B. umfassendere Bildung) ihresNachwuchses (Becker / Tomes 1976).

    Die Arbeitsteilung in heterosexuellen Lebensgemeinschaften reflektiert die kompara-tiven Vorteile der Partner in Bezug auf Erwerbsarbeit und Haushaltsttigkeit. Bei hin-reichendem Effizienzgewinn kann eine Spezialisierung auf husliche Aktivitten sogarfr den besser verdienenden Partner vorteilhaft sein. Hufig kommt es jedoch zunchstzu Schwerpunktsetzungen, die dann aufgrund der jeweiligen Spezialisierungen zu wei-teren partnerspezifischen Vorteilen und Effizienzgewinnen im berwiegend gewhltenBereich fhren (Becker 1991).

    Die im Zeitablauf ber den Ehepartner hinzugewonnenen Informationen knnen dieWahrscheinlichkeit einer Scheidung erhhen (siehe hierzu und zum Folgenden Becker /Landes / Michael 1977). Mit der gemeinsam verbrachten Zeit erhlt man zustzlicheErkenntnisse ber positive oder negative Eigenschaften des Ehepartners. Es knnenKonflikte, Langeweile oder Indifferenz auftreten, die sich eventuell in einer strkerenTrennungsneigung zumindest eines beteiligten Akteurs niederschlagen. Sofern die miteiner Trennung einhergehenden Vorteile fr wenigstens eine verheiratete Person derenNachteile zu berwiegen scheinen, wird eine Scheidung stattfinden.

    Bei einem ffentlichen Gut oder Kollektivgut (wie z.B. Landesverteidigung) ist diegleichzeitige Verwendung durch mehrere Akteure ohne wechselseitige Beeintrchti-gung mglich im Gegensatz zu privaten Gtern (wie z.B. Lebensmittel) besteht keineAusschliebarkeit vom Gebrauch und keine Rivalitt im Konsum ffentlicher Gter.Ohne zustzliche Regelungen liegen jeweils dominante individuelle Anreize zur Ver-meidung von Beitrgen bei der Herstellung eines ffentlichen Gutes vor, weshalb eineentsprechende Unterversorgung nicht berrascht (Samuelson 1954). Insbesondere Ol-son (1965) hat die Tendenz zur mangelnden Bereitstellung von Kollektivgtern klarthematisiert: Diese Tendenz vermindert sich bei geringer Gre der betrachteten Gruppe

    2.3

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    und bei Ungleichheiten der Mitglieder bezglich ihrer Anfangsausstattungen mit pro-duktionsrelevanten Ressourcen und / oder Interessen am Kollektivgut; die Versorgungvon groen homogenen Gruppen mit ffentlichen Gtern grndet sich auf Zwang oderdas Vorhandensein individuell wirksamer Anreize (z.B. Belohnungen). Die Bereitstel-lung ffentlicher Gter in Gesellschaften geht notwendigerweise mit der Existenz oderSchaffung von Positionsgtern (wie z.B. hervorgehobenen Stellungen in Hierarchien)einher (Weede 1986).

    Weil eine soziale Norm die Merkmale eines ffentlichen Gutes (fehlende Ausschlie-barkeit vom und Nichtrivalitt im Gebrauch) aufweist, erscheint ihre Etablierung undAnwendung in sozialen Gebilden (wie Gruppen, Organisationen oder Gesellschaften)selbst dann keineswegs gesichert, wenn viele Akteure eigentlich daran interessiert sind.Bei ihrer Schaffung und Durchsetzung besteht zunchst einmal die Versuchung, aufBeitrge der anderen Akteure zu warten und selbst wenig oder gar nichts zu tun. Der-artiges Trittbrettfahrertum wird besonders dann auftreten, wenn das betrachtete sozialeGebilde wenig berschaubar ist (z.B. hohe Mitgliederzahl, geringe Netzwerkdichte),die relevanten Ttigkeiten (d.h. Beobachtung und Sanktionierung von Normverletzern)eher unangenehm sind und kaum eine Mglichkeit besteht, die geleisteten Beitrge wieauch die damit verknpften Resultate einzelnen Akteuren zuzuordnen. Insbesondere ingroen sozialen Gebilden wird daher ein dauerhafter Mangel an Normen bestehen(Coleman 1990).

    Selbst wenn Organisationsmitglieder nur an demokratischen Strukturen interessiertsind, kommt es nach Michels (1908) langfristig zu einer Herrschaft durch wenige Fh-rungspersonen. Wippler (1985) zeigt, dass diese Tendenz als unintendierte Folge ab-sichtsgeleiteten individuellen Verhaltens von Organisationsmitgliedern eintreten kann.Es gibt allerdings Bedingungen, die oligarchische Tendenzen in einer demokratischverfassten Organisation zumindest abmildern; beispielsweise steigt die Wahrschein-lichkeit demokratischer Vorgnge innerhalb einer Organisation mit der Netzwerkdichteder Organisationsmitglieder und bei dauerhafter Existenz einer organisationsinternenOpposition.

    Aus Informationsmngeln in Organisationen kann Diskriminierung resultieren: Beifehlendem Wissen ber ihre tatschlichen Eigenschaften und Fhigkeiten werden z.B.sich um Ausbildungs- oder Arbeitspltze bewerbenden Individuen durch den jeweiligenAusbilder oder Arbeitgeber, unabhngig von den wirklichen Gegebenheiten, statistischeDurchschnittswerte der Gruppen zugeschrieben, denen sie offensichtlich angehren.Allein deshalb knnen sich etwa fr Weie und Farbige oder Mnner und Frauen un-terschiedliche Beschftigungschancen und Entlohnungen ergeben (Phelps 1972). Auf-grund sozialer Vernderungen sind dabei eventuell auch andere askriptive Merkmale(z.B. Alter, Krperform, Krpergre, Schnheit) als Gruppierungskriterium wesent-lich (Bozoyan / Wolbring 2012; Gautschi / Hangartner 2006).

    Glauben u.a. Personalchefs, unabhngig von den faktischen Kenntnissen und Fertig-keiten der sich bewerbenden Individuen, dass bestimmte Minderheiten (z.B. Einwan-derer) weniger leistungsfhig sind, so werden sie diese bei zu treffenden Entscheidungenrelativ zu deren Wettbewerbern systematisch benachteiligen. Wenn die Angehrigender Minderheitsgruppen mit derartigen Diskriminierungen rechnen, dann drften siesystematisch weniger in schulische und berufliche Ausbildungen investieren, wodurchtatschlich eine im Durchschnitt geringere Produktivitt der jeweiligen Gruppierungresultiert (Loury 1992). Es kann sich daher eine sich selbst erfllende Prophezeiung imSinne Mertons (1936) ergeben.

    Konformitt entsteht zumeist in Situationen mit unvollstndiger Information die Imi-tation des Verhaltens anderer Akteure macht in diesem Fall teurere Suchbemhungenhufig berflssig (Hedstrm 1998). Bei blindem Herdenverhalten im Sinne einer In-

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    formationskaskade schlieen sich letztlich die Akteure eines Sozialsystems dem mehroder weniger bekannten Verhalten der Anderen an, ohne ihr (eventuell besseres) pri-vates Wissen zu beachten (siehe hierzu und zum Folgenden Chamley 2004). Unter be-stimmten Bedingungen (z.B. wenn die Przision der individuell empfangenen Signaleber andere Verhaltensweisen gering ist) kann sich daher auch eine weitgehend unntzeHandlungsweise (wie auch damit verknpfte unliebsame soziale Konsequenzen) imRahmen eines Kaskadenprozesses verbreiten. Zudem kann sie sich stabilisieren, soferndamit eine Gewohnheitsbildung einhergeht. Blindes Herdenverhalten, Gewohnheits-bildung und ihre sozialen Folgen finden sich u.a. bei der Untersuchung des Finanz-marktgeschehens (z.B. Kelly 2008) sowie bei der Analyse von Kunst- und Kulturmrk-ten (z.B. Keuschnigg 2012; Pommerehne / Frey 1993).

    Das Ausma der Arbeitsteilung und Spezialisierung in der Gesellschaft wird nicht nurdurch die Gre des jeweiligen Absatzmarktes fr die erstellten Gter und Leistungenbegrenzt, sondern insbesondere durch die damit einhergehenden Kosten fr die Koor-dination und Kombination von Spezialisten (z.B. Vermeidung und Lsung von Kon-flikten und Kommunikationsproblemen) und deren Wissen eingeschrnkt. Damit be-einflusst das Wachstum von Humankapital und der technologische Fortschritt die Ar-beitsteilung und deren Vernderung (Becker / Murphy 1993).

    Hinreichend starke Interessen an zuknftigen Interaktionen knnen selbst dann zu dau-erhafter gegenseitiger Kooperation zwischen rationalen Egoisten fhren, wenn in jederisoliert betrachteten Situation individuelle Anreize zur Defektion bestehen (Raub / Voss1986). Dabei wird dauerhafte gegenseitige Kooperation wahrscheinlicher, wenn Infor-mationen ber etwaiges unkooperatives Verhalten aufgrund der Netzwerkeinbindungauch an Dritte gelangen (Raub / Weesie 1990).

    Diese Auswahl von Resultaten weist bereits deren Breite und Unterschiedlichkeit nach. Diesreflektiert, dass der konomische Ansatz ein Forschungsprogramm im Sinne von Lakatos(1974) darstellt. Ein Forschungsprogramm umfasst ein Bndel von Theorien, welche jeweilsauf gemeinsamen Grundgedanken und Vorgehensweisen beruhen, die nicht weiter hinterfragtwerden, aber vielfltige empirisch widerlegbare Aussagen implizieren. Die konomische Lo-gik charakterisiert also viele anwendungsbezogene Theorien, die an Daten prfbare Hypothe-sen spezifizieren. Der konomische Ansatz erlaubt insbesondere die Untersuchung derjenigenAspekte und Folgen des menschlichen Verhaltens, die Entscheidungen zwischen konkurrie-renden Alternativen erfordern. Seine Ausformung hat mit soziokonomischen Prozessen zutun, die mit dem zunehmenden wirtschaftlichen Wohlstand whrend der letzten Jahrhunderteeinhergegangen sind.

    Hintergrnde der konomisierungkonomisierung scheint mit anderen gesellschaftlichen Tendenzen gut vereinbar. Es lassensich eine ganze Reihe von Prozessen (z.B. Differenzierung, Individualisierung, kologisie-rung) angeben, die sich gegenseitig berlappen bzw. verstrken und allesamt in die Richtungeiner strkeren konomisierung weisen. Dabei drften die gesellschaftlich dominierendenberzeugungen ber besonders wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse und das herrschendeMenschenbild von Bedeutung fr die Ausbreitung der konomisierung gewesen sein.

    Soziokonomische VernderungenBetrachtet man in Anlehnung an Maddison (2007) die weltweite konomische Entwicklungber die Jahrhunderte, dann fllt insbesondere die enorme wirtschaftliche Dynamik whrendder letzten 200 Jahre auf. Bis ungefhr 1820 war die globale wirtschaftliche Dynamik nmlichrelativ gering: Das weltweite jahresbezogene Bruttoinlandsprodukt pro Kopf stieg von ChristiGeburt bis 1820 lediglich um etwa das 1,4-fache. Konzentriert man sich nur auf Westeuropa,

    3.

    3.1

    388 Norman Braun/Tobias Wolbring

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    so zeigt sich nach einem Einbruch ab 400 n. Chr. und einer langen Stagnation bis ins Jahr 1000eine nahezu lineare Zunahme des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf um etwa das 3-fache bis insJahr 1820. Danach begann im Zuge der zunchst in England einsetzenden und danach immerweiter verbreiteten Industrialisierung ein bemerkenswerter Aufschwung, der bis 2003 weltweitbetrachtet mit einer realen Einkommenssteigerung um das etwa 10-fache einherging. Auchwenn starke regionale Unterschiede bestehen, kann man die Entwicklung seit 1820 nur alskonomisch extrem erfolgreich klassifizieren.

    Dies gilt umso mehr, wenn man die langfristige Entwicklung vor der Industrialisierung inden Blick nimmt. Nach derzeitigem Kenntnisstand gibt es den heutigen Menschen (homo sa-piens sapiens) seit hchstens 200.000 und wenigstens 150.000 Jahren. Fast die gesamteMenschheitsgeschichte ber waren, nach heutigen Mastben, materielle Armut und schlechteGesundheitsversorgung typische Merkmale, die fr den Groteil der Bevlkerung galten (frDetails siehe Braun / Keuschnigg / Wolbring 2012). Anders formuliert: Erst seit weniger als1% der Geschichte der Menschheit gibt es, zumindest in den entwickelten Regionen der Welt,dauerhaften Wohlstand bei nachhaltiger Gesundheit fr breite Bevlkerungsschichten. VomAuftreten der ersten Menschen bis vor etwa 10.000 Jahren, also ber sehr lange Zeit, existiertennur Horden mit nomadischer Lebensweise. Diese Jger-Sammler-Gesellschaften umfasstennur wenige Personen und sie praktizierten fast keine Arbeitsteilung. Es gab nur eine geringesoziale Differenzierung und kaum soziale Ungleichheit. Betrachtet man Industrie-Gesell-schaften, so sind diese den Merkmalen der Jger-Sammler-Gesellschaften in vielerlei Hinsichtentgegengesetzt.

    Die beschriebene Wirtschaftsentwicklung whrend der letzten Jahrhunderte, die v.a. inwestlich geprgten Lndern erfolgte, hat zweifellos mit der im Gefolge der Aufklrung ein-setzenden Verwissenschaftlichung des Lebens und den enormen Erfolgen der Naturwissen-schaften zu tun. Mit ihr gingen verschiedene andere Vernderungen einher. Die dabei rele-vanten Stichwrter tauchen im Zusammenhang mit modernisierungstheoretischen Diskussio-nen auf (z.B. van der Loo / van Reijen 1997) und wurden zumindest teilweise bereits vonKlassikern wie Max Weber und Emile Durkheim beschrieben. Als zentrale Dimensionen derModernisierung gelten in der Soziologie:

    Differenzierung: Verwiesen wird damit auf Prozesse der zunehmenden Arbeitsteilung undder wachsenden Herausbildung von Funktions- und Wertsphren etwa in Wirtschaft, Politikund Kultur, die jeweils eigenen Logiken ohne zentrale Steuerungsinstanz folgen.

    Domestizierung: Umschrieben werden hiermit die immer bessere Beherrschung und Ver-wendung von natrlichen Ressourcen, Phnomenen und Ablufen, die im Zuge des wachsen-den Naturverstndnisses mglich sind.

    Individualisierung: Gemeint ist damit der Prozess, der Individuen aus traditionell beste-henden sozialen Beziehungen, kollektiven Zusammenhngen und zugewiesenen Rollen lstund sie selbst zur Gestaltung und Planung des eigenen Lebens zwingt.

    Rationalisierung: Verstanden wird darunter die zunehmende Durchdringung aller Lebens-bereiche mittels prinzipiell nachvollziehbarer Vernunftgrnde, sodass Berechenbarkeit undErwartbarkeit der Welt resultieren und Effizienzgesichtspunkte wichtig werden.

    Offensichtlich sind diese Prozesse mit dem Phnomen der konomisierung eng verwoben.So lsst sich erst bei Vorliegen funktional differenzierter Bereiche von einer Ausbreitung derkonomischen Logik sprechen. Zudem basieren wesentliche Elemente der konomisierungauf der Idee individueller Zurechenbarkeit von Handlungen. Teilweise angeregt durch Ein-sichten der Neuen Institutionentheorie (siehe Erlei / Leschke / Sauerland 2007 fr eine Lehr-buchdarstellung) und dem in diesem Zusammenhang thematisierten Prinzipal-Agenten-Pro-

    Ende der konomisierung? 389

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    blem wird dabei versucht, das Handeln der Akteure durch die systematische Setzung von An-reizen zu beeinflussen (z.B. Leistungslhne, Bonus-Zahlungen).

    Diese Entwicklung korrespondiert mit dem Prozess der Rationalisierung. Die zunehmendeVerwissenschaftlichung des Daseins ist im brigen nicht nur Beschleuniger der Wohlstands-entwicklung, sondern kommt auch durch Verbesserungen der menschlichen Lebensbedingun-gen zustande. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass gerade der Verweis auf vernnftiges Han-deln und entsprechende Begrndungen besonderen Nachhall gefunden haben. Es ist daher nichtverwunderlich, dass die konomik immer mehr an Bedeutung gewonnen hat konomisie-rung kann man auch als Ausdruck fr und Konkretisierung von Rationalisierung auffassen.

    Aus der Perspektive von Historikern wird die bisherige, soziologisch geprgte Auswahl vonProzessen den wesentlichen Ablufen nur bedingt gerecht. In seinem Buch ber die Weltge-schichte nennt z.B. Jrgen Mirow (2009) weitere sozialhistorische Prozesse:

    Intensivierung: Neben der Zunahme des Ressourcenverbrauchs, der Erhhung der Pro-duktionsmengen und den strkeren Umformungen der Natur werden damit Steigerungen vonMachtinterdependenzen und Kommunikationen erfasst.

    Rumliche Integration: Verwiesen wird hiermit auf die immer grere rumliche Reich-weite wirtschaftlicher, politischer und kultureller Netzwerke mit Dauerhaftigkeit, welche stn-dige Austauschbeziehungen und die Entstehung von Machtstrukturen in Wirtschaft, Politikund Kultur frdert.

    Pluralisierung / Homogenisierung: Whrend der Begriff der Pluralisierung gesellschaft-liche Unterschiede bezglich technisch-wirtschaftlicher Verfahrensweisen, politischer Ord-nungen, Weltdeutungen und Ausdrucksformen hervorhebt, betont der Gegenbegriff der Ho-mogenisierung die Angleichungen der einschlgigen Praktiken und Institutionen in Wirtschaft,Politik und Kultur.

    Diese Prozesse gehen allesamt mit konomischen Vernderungen einher. Beispielsweisestellt der seit Jahrzehnten intensivierte internationale Handel einen wesentlichen Treiber wirt-schaftlicher, institutioneller und kultureller Homogenisierung dar. Diese vielfach als Globali-sierung bezeichnete Entwicklung begnstigt die Ablsung kleiner regionaler oder nationalerMrkte durch wenige internationale Mrkte, welche sich zwar hufig aufgrund des verstrktenWettbewerbs durch eine bemerkenswerte Innovationsfrequenz, aber auch durch eine hoheStandardisierung von Produktlsungen und Organisationsformen auszeichnen. Hufig wirddarber hinaus argumentiert, dass die Zunahme der weltweiten Handelsverflechtungen fr eineschrittweise Assimilation von Rechts- und Staatsformen sorgt. Ebenfalls frdert sie die schnel-le Verbreitung von Praktiken und Technologien, die sich als irgendwie erfolgreich (im Sinnevon z.B. besonders effizient, technisch berlegen oder relativ kostengnstig) erwiesen haben.Im Zuge dieses Homogenisierungsprozesses hat insbesondere die Organisationsform des NewPublic Management an Bedeutung gewonnen, sodass sich auch in staatlich gelenkten Berei-chen die konomische Handlungslogik zunehmend etabliert hat und viele ffentliche Ttig-keitsfelder trotz uerst kritischer Stimmen privatisiert wurden. Dies hngt u.a. damit zusam-men, dass wirtschaftlicher Erfolg typischerweise mit gesteigerter Kontrolle ber als wertvollerachtete Ressourcen einhergeht und damit als Machtfaktor zu betrachten ist, dem aus der Sichtder Politik eine wesentliche Bedeutung zukommt.

    Die strkere internationale Vernetzung korrespondiert im brigen mit einigen weiterenProzessen, die erst in der jngeren Vergangenheit an Bedeutung gewonnen haben:

    kologisierung: Gemeint ist damit die Verbreitung des Gedankens einer bewahrenswertenNatur und daher v.a. des nachhaltigen und sorgsamen Umgangs mit den natrlichen Ressour-cen der Erde.

    390 Norman Braun/Tobias Wolbring

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    Deregulierung: Umschrieben wird damit der Verzicht auf oder die Vereinfachung vonstaatlichen Vorgaben (z.B. Gesetze, Verordnungen) und Bestimmungen (z.B. Grenzwerte) zurLiberalisierung von Mrkten.

    Egalisierung: Verwiesen wird durch diesen Sammelbegriff auf die Beseitigung von Prak-tiken der Ungleichbehandlung, der verschiedene Bevlkerungsgruppen (z.B. Ethnien, Ge-schlechter, Religionsgemeinschaften) ohne eigenes Zutun lange ausgesetzt waren und die inrechtlicher, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht bestand.

    Auch diese neueren Prozesse weisen jeweils eine enge Verbindung mit dem Wirtschafts-geschehen auf. Beispielsweise kann man die kologisierung als eine Reaktion auf die durchden Wirtschaftsprozess bedingten Gefhrdungen des menschlichen Lebens und die damit po-tenziell eintretenden Schden ansehen. Der enge Wirtschaftsbezug der kologisierung wirdim brigen auch durch eine weitere Einsicht deutlich: Viele Manahmen, die in Folge derkologisierung ergriffen werden, sind zunchst teuer (z.B. Atomausstieg), weshalb sie nur inRegionen mit einem hinreichend hohen wirtschaftlichen Wohlstandsniveau ergriffen werdenknnen. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass sich im Zuge der kologisierung auchein weiterer konomisierungsschub vollzogen hat. Um Vor- und Nachteile umweltbewah-render Manahmen abwgen zu knnen, muss der Wert von Umweltgtern quantifiziert wer-den. Besonders deutlich wird diese Entwicklung etwa an der Schaffung von Mrkten, auf denenZertifikate fr Verschmutzungsrechte gehandelt werden.

    berdies ist klar, dass Manahmen zur Untersttzung von Markttransaktionen, wie sie imZuge der vor Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten und Grobritannien begonnenen Wirt-schaftspolitiken von Ronald Reagan und Margaret Thatcher erfolgten, auch die konomisie-rung der Gesellschaft frderten. Durch die v.a. von Friedrich August von Hayek (1944) undMilton Friedman (1962) propagierte Marktliberalisierung wurden entsprechende konomischeKonzepte und Denkfiguren etabliert und die ffentlich bis heute umstrittene Deregulierungbegrndet. Im Zuge von Politikvarianten wie Reagonomics und Thatcherism konnte sich derStaat u.a. aus frheren Verantwortlichkeiten befreien und seine Aufgabengebiete auf dieSchaffung von Mrkten und die Frderung des Wettbewerbs verlegen, was jedoch aus sozi-alpolitischer Sicht zum Teil berraschende und unerwnschte Konsequenzen hatte (z.B. Al-tersarmut, schlechtere Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Steigerung der Einkommensun-gleichheit). Daneben war es mglich, ber den Verkauf von Staatseigentum (Privatisierung)den Staatshaushalt durch zustzliche Einnahmen zeitweilig zu erhhen und Steuererleichte-rungen (insbesondere zum Vorteil Besserverdienender) zu beschlieen.

    Eine weitere Illustration fr den engen Wirtschaftsbezug der referierten Prozesse ergibt sich,wenn man bedenkt, dass im Zuge der Egalisierung in vielen westlichen Lndern Gesetze gegendie Diskriminierung wegen z.B. Hautfarbe oder Geschlecht bei der Arbeitssuche beschlossenworden sind.2 Im Idealfall fhren derartige Beschlsse, ganz im Sinne der konomisierungder Gesellschaft, dazu, dass leistungsbezogene Kriterien (z.B. Ausbildung, Produktivitts-nachweise) ein strkeres Gewicht bei Einstellungen und Befrderungen erhalten.

    Selbst wenn man auch diese Prozesse und ihre etwaigen Hintergrnde bercksichtigt, ver-fgt man damit aber kaum ber eine erschpfende Liste smtlicher Vorgnge, welche dieEntwicklung des wirtschaftlichen Wohlstands begleitet haben oder durch sie bewirkt wurden.Jedoch weisen viele Prozesse, gerade auch in Verbindung mit dem unbezweifelbaren wirt-

    2 Freilich wurden derartige Manahmen keineswegs nur aus Grnden der konomischen Mach- undWnschbarkeit umgesetzt Tendenzen zur Egalisierung wurden zumindest in der westlichen Weltdurch die Allgemeine Erklrung der Menschenrechte im Jahr 1948 initiiert und durch soziale Bewe-gungen (z.B. Brgerrechtsbewegung in den USA, Feminismus) und ihre vielfltigen Aktivitten ver-strkt.

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    schaftlichen Erfolg whrend der letzten Jahrhunderte, den Weg in Richtung einer konomi-sierung. Gleichfalls verknpft mit der konomischen Entwicklung waren die Einflsse be-stimmter Wissenschaften auf die Gesellschaft.

    Leitwissenschaften und MenschenbildKonzentriert man sich nur auf die letzten 100 Jahre, so haben sich die Gewichte bezglich derPopularitt von wissenschaftlichen Disziplinen klar verschoben: Zu Beginn des 20. Jahrhun-derts hatten die Naturwissenschaften eine besonders hervorgehobene Position. Wohl aufgrundder damals neuen bahnbrechenden Beitrge zur Quantentheorie, statistischen Mechanik undRelativittstheorie kam insbesondere der Physik die Rolle einer Leitwissenschaft zu. Dies hatsich nach dem Zweiten Weltkrieg und sptestens in den 1960er Jahren merklich gendert. ImZuge der Wohlstandssteigerung im Westen ergaben sich Jugendproteste und kulturelle Ver-nderungen (z.B. Kunst, Musik), was zunchst die Sozialwissenschaften aufwertete und derengesellschaftliche Einflussmglichkeiten verstrkte. Nach einigen Jahren normalisierte sich dieEinschtzung der Sozialwissenschaften als Ideenlieferant und Ratgeber. Seit den 1980er Jahrenwurde die Popularitt der Gesellschaftswissenschaften zunehmend von den Wirtschaftswis-senschaften abgelst. Der Zuwachs an Beliebtheit hat sich u.a. in einer erheblich hherenAnzahl von Studierenden wirtschaftswissenschaftlicher Fcher niedergeschlagen.3

    Damit verknpft ist die weitgehende Akzeptanz eines insbesondere konomisch geprgtenMenschenbildes. Unterstellt wird nmlich in der Politik wie auch im Alltagsleben blicher-weise, dass Menschen absichtsvoll und an Folgen orientiert handeln. Individuen verfolgen vordiesem Hintergrund ihre Interessen. Sie besitzen lckenlose und widerspruchsfreie Prferen-zen ber die mehr oder weniger wahrscheinlichen Handlungskonsequenzen und entscheidenoptimierend ber ihre Handlungsplne. Sie tun dies unter bestimmten bindenden Mglich-keitsgrenzen oder Restriktionen (z.B. Einkommen, Zeit), wobei sie zuvor Informationen sam-meln, lernen und ihre Erwartungen bilden. Handlungen werden damit als das Resultat zielge-richteter Entscheidungen angesehen, die sich aus theoretischer Sicht als Optimierungen unterNebenbedingungen konzeptualisieren lassen.

    Durch die Wahl dieses Menschenbildes bestehen Anknpfungspunkte zu einer Reihe all-gemeiner Erkenntnisse, die man als empirisch gesichert ansehen kann. Lenski (2005) hat der-artige Aussagen zusammengestellt. In komprimierter Weise lauten sie:

    Menschen haben dieselben Grundbedrfnisse (z.B. Lebensmittel, Sauerstoff, Schlaf,Sex, soziale Kontakte) und besitzen dieselben fundamentalen Ressourcen zu deren Be-friedigung (z.B. physiologische Gegebenheiten, genetische Programmierungen bezg-lich etwa Verdauung und Wachstum, Kapazitten zur Erzeugung und Nutzung vonSymbolen fr die bermittlung, Speicherung und Verarbeitung von Informationen).

    Menschen maximieren angenehme Erfahrungen und minimieren unangenehme Erfah-rungen. Sie verhalten sich also zumeist konomisch und versuchen bei der Wahl vonAlternativen den hchsten Ertrag bzw. die geringsten Kosten zu realisieren.

    Nahezu alle Menschen sind enorm lernfhig und verndern ihr Verhalten als Reaktionauf Erfahrungen. Sie unterscheiden sich in biologischer und, als Konsequenz von Lern-vorgngen, in kultureller Hinsicht.

    Die Robustheit derartiger Erkenntnisse korrespondiert mit der Ansicht von Karl Polanyi(1979), wonach die menschliche Natur (im Gegensatz zu den Institutionen) in der Geschichtemehr oder weniger konstant geblieben ist. Es gibt alternative Sichtweisen, die von ArnoBamm (2011) systematisiert werden. Er geht davon aus, dass sich der okzidentale Mensch

    3.2

    3 Zudem haben in neuerer Zeit von der Biologie und Informatik hervorgebrachte Innovationen zu einemBedeutungszuwachs dieser Disziplinen gefhrt und bereits vielfltige gesellschaftliche Aushandlungs-prozesse ber den Umgang mit den dadurch generierten, neuen Mglichkeiten ausgelst.

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    von seinen nicht-okzidentalen Artgenossen unterscheidet. Deshalb prsentiert er u.a. eine Ent-stehungsgeschichte des abendlndischen Geistes, womit er v.a. die Vernunft meint, welchenicht nur das Wirtschaftsgeschehen durchdringt. Dessen Ursprnge liegen nach Bamm zwi-schen 700 und 500 v. Chr. im gischen Raum. Genauer gesagt wurden mehrere Instrumen-tarien eingefhrt, die insgesamt einer rationalen Weltdeutung Vorschub leisteten. bernom-men und weiterentwickelt wurde z.B. das phnizische Alphabet, wodurch die resultierendengriechischen Buchstaben beliebig kombinierbar sind und keine Eigenbedeutungen besitzen.Die griechische Erfindung des Mnzgelds um etwa 600 v. Chr. frderte die Deutung von Geldals reinem Tauschwert und die abstrakte Interpretation von Tauschvorgngen. Zudem ver-deutlichte die Einfhrung der Demokratie in den griechischen Stadtstaaten (v.a. Gleichheit derBrger vor dem Gesetz), dass das Soziale nicht naturgegeben oder gottgewollt, sondern alsResultat von Aushandlungsprozessen aufgefasst werden kann.

    Es ist freilich gleichgltig, ob man eher Polanyis Meinung oder eher Bamms Deutungzugeneigt ist beide Autoren sind sich darber einig, dass der moderne Mensch seine Vernunfteinsetzt, um seine Interessen innerhalb der gesetzten Beschrnkungen zu realisieren. Man kannnun mit z.B. Simon (1982), Kahneman / Slovic / Tversky (1982) oder Gigerenzer / Selten(2001) bezweifeln, ob ihm dies immer gelingt und statt von Rationalitt im Sinne von Opti-mierungen unter Nebenbedingungen von begrenzter Rationalitt sprechen und entsprechendeModifikationen (z.B. Satisficing, Verwendung von Heuristiken) einfhren. Befunde der ex-perimentellen Wirtschaftsforschung (z.B. Camerer 2003; Plott / Smith 2008) legen ebenfallsfr die Analyse bestimmter sozialer Situationen (z.B. Aufteilung von Ertrgen) ein differen-zierteres Menschenbild als das des rein eigeninteressierten homo oeconomicus nahe. Wie u.a.Beckers (1976, 1991) Arbeiten zeigen, ist der konomische Ansatz jedoch flexibel genug, umetwa Altruismus, Konformitt mit sozialen Normen oder auch Missgunst als grundlegendemenschliche Beweggrnde bercksichtigen zu knnen.

    Dies ist auch deshalb wichtig, wenn man z.B. die Praxis bei der Ausgestaltung von Rechts-normen (Verordnungen, Gesetze) und Institutionen des Geschftslebens bedenkt dort wirdnichts anderes unterstellt als systematisches Reagieren auf bekannte Anreize, das die jeweiligeSituation reflektiert und oftmals eine gewisse Gegenwartsprferenz erkennen lsst. Diese Pr-missen sind mit dem Kern des konomischen Ansatzes vereinbar. Es verwundert daher nicht,dass sich die konomische Denkweise zunehmend verbreitet hat (obwohl dies, gerade in denSozialwissenschaften, trotz Rckgriff auf entsprechende berlegungen keineswegs immerverdeutlicht wird). Auch wenn man sich am konomischen Ansatz orientiert, sollte man frei-lich nicht bersehen, dass der Vorgang der konomisierung selbst Beschrnkungen unterliegt.Dies kann man an einem empirischen Beispiel aus dem Hochschulwesen belegen.

    Mglichkeiten und Grenzen der konomisierungBekanntlich ist in Europa seit etwa einem Jahrzehnt eine weite Verbreitung von Anreizsyste-men an Hochschulen zur Sicherung der Qualitt der Lehre zu verzeichnen. Diese Entwick-lungen wurden insbesondere durch vergleichbare Manahmen in angloamerikanischen Ln-dern angeregt, in denen sich bereits Mitte der 1970er Jahre eine umfassende Evaluationskulturetabliert hat und Karriereverlauf sowie Bezahlung der Lehrenden an das Abschneiden beiEvaluationen gekoppelt sind. Ein wesentliches Element sind dabei studentische Lehrveran-staltungsevaluationen, d.h. die Bewertung der Qualitt universitrer Lehrveranstaltungendurch Studierende mittels standardisierter Fragebgen. Diese werden an fast allen deutschenHochschulen als Messinstrument fr die Lehrqualitt genutzt und u.a. bei der Vergabe vonLehrpreisen einbezogen. In jngster Zeit sind in Deutschland zudem vermehrt Forderungenzu vernehmen, hnlich wie in den USA eine lehrleistungsabhngige Entlohnung an das Ab-schneiden in der Lehrveranstaltungsevaluation zu knpfen (Wissenschaftsrat 2008). Es bietet

    4.

    Ende der konomisierung? 393

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    sich daher an, Mglichkeiten und Grenzen der konomisierung anhand der studentischenLehrveranstaltungskritik zu illustrieren.

    Die weite Verbreitung dieses Instruments der Qualittssicherung ist sicherlich grundstzlichzu begren. Lehrveranstaltungsevaluationen erfllen verschiedene Funktionen, die sich po-sitiv auf die Lehrqualitt auswirken drften (siehe Stockmann 2000 fr eine Lehrbuchdarstel-lung einiger Funktionen von Evaluationen). Insbesondere dient die Erfassung der studenti-schen Zufriedenheit einer Erkenntnis- und Optimierungsfunktion. Die Lehrenden erhalten In-formationen ber die Perspektive der Teilnehmerschaft und potenzielle Strken und Schw-chen ihrer Lehre. Lehrveranstaltungsevaluationen ermglichen den Dozierenden damit diesystematische Beschftigung mit der eigenen Lehrleistung und knnen Weiterentwicklungender Lehrgestaltung initiieren. Zugleich frdert das vermeintlich ber verschiedene Veranstal-tungen vergleichbare Ma fr die studentische Zufriedenheit den Wettbewerb unter den Leh-renden und damit die Qualitt der Lehre keine Lehrperson will in einem Lehrranking schlechtabschneiden und bemht sich daher um ein gutes Evaluationsergebnis. Dies gilt umso mehr,zumal Evaluationen hufig auch eine nach auen legitimierende Funktion und damit eineKontrollfunktion zukommt. Per Evaluation wird Rechenschaft ber die ordnungsgeme Er-fllung der Dienstpflicht abgelegt. Lehrende sind sich dabei bewusst, dass zu schlechte stu-dentische Bewertungen ihrer Lehre gegenwrtig oder zuknftig negative Konsequenzen habenknnen. Insofern erscheint es eine durchaus positive Entwicklung zu sein, dass mittlerweilebei Berufungsverfahren regelmig auch Lehrveranstaltungsevaluationen von den Bewerbe-rinnen und Bewerbern eingefordert werden.

    Zugleich bestehen jedoch einige methodische Fallstricke bei der Nutzung entsprechenderErgebnisse (siehe Wolbring 2012 a fr Details), anhand derer Grenzen der konomisierungdeutlich werden.

    Messprobleme: Die Diskussion um die Validitt studentischer Lehrveranstaltungsevalua-tionen wird seit Mitte der 1970er Jahre erbittert gefhrt und hat zu einer schier unberschau-baren Zahl an Publikationen gefhrt.4 Im Mittelpunkt der berwiegenden Zahl der empirischenBeitrge stehen Effekte sachfremder Einflsse. Neuere Studien weisen beispielsweise syste-matische, wenn auch schwache Einflsse der physischen Attraktivitt der Lehrenden auf diestudentische Bewertung nach, die vermutlich nicht auf eine bessere Lehrleistung attraktivenLehrpersonals zurckzufhren sind (z.B. Hamermesh / Parker 2005; Klein / Rosar 2006; Wol-bring 2010). Merklich strkere Effekte zeigen sich zudem hinsichtlich der studentischen Pr-fungsleistungen, wobei Dozierende fr eine strenge (nachsichtige) Notengebung bei der Eva-luation bestraft (belohnt) werden (z.B. Clayson 2004; Clayson / Frost / Sheffet 2006; Wolbring /Hellmann 2011). Beide Befunde illustrieren die Grenzen der Quantifizierbarkeit der Lehrqua-litt.

    Grenzen des Wettbewerbs: Nicht nur aufgrund der genannten Befunde ist die Mglichkeitdes Leistungsvergleichs zwischen Veranstaltungen eingeschrnkt. Zwar werden in manchenFachbereichen routinemig Lehrrankings verffentlicht oder Evaluationsergebnisse in Formeines Ampelsystems dargestellt, jedoch wird dabei bersehen, dass ein solcher Vergleich inden meisten Fllen nicht zulssig ist. Veranstaltungsthemen und deren Beliebtheit variieren,die Zusammensetzung der Hrerschaft unterscheidet sich zum Teil erheblich zwischen Ver-anstaltungen und nicht alle ursprnglichen Kursteilnehmer sind zum Zeitpunkt der Evaluationberhaupt noch anwesend. Alle diese Faktoren beeinflussen die studentische Lehrveranstal-tungsbewertung (z.B. Esser 1995; Kromrey 1994; Rindermann 2001). Bercksichtigt manbeispielsweise bei der Erstellung eines Lehrranking auch diejenigen Studierenden, die bereits

    4 Eine Recherche von Rindermann (2000) im deutsch- und englischsprachigen Raum ergab fr die Jahre1967 bis 2000 ber 1.500 Publikationen zu Fragestellungen der Lehrveranstaltungsevaluation.

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    mit den Fen abgestimmt haben, ergeben sich fr einzelne Veranstaltungen zum Teil erheb-liche Vernderungen im Rating und Ranking (Wolbring 2012 a, 2012 b). Selbst bei vergleich-barer Kurszusammensetzung und einem hnlichen Thema sind also Vergleiche von Lehrver-anstaltungseinschtzungen problematisch.

    Unintendierte Effekte: Sowohl Messprobleme als auch die mangelnde Vergleichbarkeitder Bewertungen knnen bei der Implementierung von Anreizsystemen unerwnschte Ne-benfolgen auslsen (z.B. Frey 2007). So besteht die Mglichkeit, dass Dozierende sich auf daskonzentrieren, was gemessen wird. Es steht daher fr die Evaluierten nicht unbedingt der ei-gentlich erwnschte Lernfortschritt der Studierenden im Vordergrund, sondern deren Zufrie-denheit. Die Universitt wandelt sich dadurch zu einem Servicebetrieb, in dem Kundenorien-tierung zur obersten Maxime wird, und entfernt sich damit vom Humboldtschen Bildungsidealund dem ffentlichen Anspruch, kompetente Wissenschaftler und Spezialisten auszubilden.So ist beispielsweise vorstellbar, dass sich Lehrende eine gute Evaluation durch leichte Pr-fungen und eine nachsichtige Notengebung erkaufen. Eine Noteninflation, wie sie in den USAschon seit einiger Zeit beklagt wird (Johnson 2003), und damit eine Entwertung des Notensi-gnals im Arbeitsmarkt wre daher eine mgliche unvorhergesehene Folge, wenn Lehrveran-staltungsevaluationen bei der Vergabe von Prmien und der Besetzung von Stellen zu vielGewicht beigemessen wird. Zudem ist aufgrund der genannten Probleme nicht sichergestellt,dass die richtige Personengruppe, nmlich kompetente und engagierte Lehrende, von entspre-chenden Anreizsystemen profitiert. Dozierende knnten sich daher unfair behandelt fhlen,was bekanntlich ebenso wie das Gefhl der stndigen Kontrolle durch Vorgesetzte nicht seltenzur Demotivation der Angestellten beitrgt (z.B. Frey / Jegen 2001).

    Entsprechende Probleme sind sicherlich nicht auf das Hochschulwesen beschrnkt. Auch inanderen Bereichen lassen sich Schwierigkeiten bei der Quantifizierung von Qualitt und derunterschiedlichen Zusammensetzung der Nutzer ausmachen. So ist beispielsweise die Qualitteines Kunstwerks kaum exakt zu bemessen die Wertschtzung drfte zu einem Gutteil vomBetrachter abhngen. Weitere Einflsse sind u.a. Expertenmeinungen, Modestrmungen undBegrenztheiten im Angebot knstlerischer Produkte. Ebenfalls von Bedeutung drfte die Un-sicherheit ber den Wert des Kunstwerks sein, der in der Zukunft erzielbar scheint. Die Er-wartung einer Bewahrung oder gar einer Steigerung des Werts verteuert das Kunstwerk jedoch ist keineswegs immer klar, wie die relevanten Erwartungen der preisbestimmendenkunstinteressierten Akteure (z.B. Galerien, Museen) ausfallen.

    Die Bewertung medizinischer Dienstleistungen und Produkte kann ebenfalls nur unter Un-sicherheit erfolgen. Nichtsdestotrotz ist auch im Gesundheitsbereich eine konomisch geprgteOrientierung feststellbar. So hngt die Behandlung der Patienten von der Zahlungsbereitschaftihrer Krankenversicherung ab und wichtige Vorsorgeuntersuchungen unterbleiben ohne Ei-genbeteiligung der Versicherten. Neben konomischen Aspekten spielen jedoch weitere Ein-flsse eine Rolle, die teilweise mit ethischen berlegungen zu tun haben. Dabei wirken dieseberzeugungen gelegentlich sogar der wirtschaftlichen Logik entgegen. Ein Beispiel hierfrliefert die nicht nur im deutschen Gesundheitswesen beobachtbare berinvestition medizini-scher Ressourcen im letzten Lebensjahr. Umgekehrt kann auch die konomische Logik ge-genber ethischen Aspekten manchmal die Oberhand gewinnen: Beispielsweise kann die Aus-weitung prnataler Diagnosemglichkeiten die Wahrscheinlichkeit von Schwangerschaftsab-brchen wegen absehbarer Erkrankungen des Nachwuchses erhhen. Dies mag volkswirt-schaftlich vorteilhaft sein, erscheint aber aus anderer Sicht (z.B. Pdagogik, Religion) zumin-dest bedenklich.

    Der Anwendung des Kosten-Nutzen-Kalkls sind also Grenzen gesetzt, die sich aus demjeweils betrachteten Anwendungsfall und dabei relevanten allgemeineren Prinzipien ergeben.Diese Prinzipien haben oftmals nur wenig oder berhaupt nichts mit konomischen berle-

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    gungen zu tun und werden daher in entsprechenden Analysen hufig vernachlssigt Beispielesind das Humboldtsche Bildungsideal, der Kategorische Imperativ von Kant oder der Eid desHippokrates. Andere Prinzipien sind orientiert an der Reziprozittsnorm (z.B. Wie Du mir, soich Dir) oder Gerechtigkeitsvorstellungen (z.B. Bedrftigkeit, Gleichheit oder Leistung alsVerteilungsgrundlage). In konkreten Anwendungsfllen stellt sich daher oftmals die Frage,wie derartige Prinzipien mit den durch die konomisierung vorgegebenen Konzepten (z.B.Effizienz im Sinne Paretos) und berlegungen (z.B. Kostenreduktion) harmonieren. Bestehtkeine Kompatibilitt, dann sind normative Entscheidungen notwendig, welche die verschie-denen Kriterien in eine eindeutige Reihenfolge bringen. Erst durch eine derartige Priorisierungwird eine widerspruchsfreie Arbeit auf der Grundlage unterschiedlicher Einflsse mglich, diekeineswegs nur auf das wirtschaftliche Kalkl beschrnkt ist. Die Bercksichtigung nicht-konomischer Prinzipien darf allerdings nicht mit dem Ende der konomisierung verwechseltwerden. Dies gilt selbst dann, wenn die Abwgung der Kriterien entgegen den wirtschaftlichenberlegungen ausfllt.

    Rckblick und FazitAusgangspunkte des vorliegenden Aufsatzes waren die bestehende konomisierung der Ge-sellschaft und die Beobachtung der Probleme der konomen, sich auf eine konsistente Stra-tegie zur Bewltigung der gegenwrtigen Wirtschaftsprobleme festzulegen. Angesichts dieserSchwierigkeiten kann man den konomischen Ansatz zur Theoriebildung und die konomi-sierungstendenzen in der Gesellschaft bezweifeln. Es wurde argumentiert, dass mit diesenZweifeln insbesondere folgende Fragen einhergehen: Gibt es konomisches Wissen ber dieWirtschaft, das als theoretisch begrndet und empirisch gesichert betrachtet werden kann?Liegen zudem empirisch besttigte Erkenntnisse ber soziale Sachverhalte und Ablufe vor,die sich auf der Grundlage des konomischen Ansatzes gewinnen lassen? Ist die konomi-sierung der Gesellschaft mit anderen soziokonomischen Vorgngen vereinbar? Da alle Fragenbejaht werden konnten, kann von einem Ende der konomisierung keine Rede sein. Dies giltumso mehr, weil es in praktisch allen Lebensbereichen durch Knappheit gekennzeichnete Si-tuationen gibt, in denen Entscheidungen zwischen konkurrierenden Alternativen mit mehr oderweniger wahrscheinlichen Folgen zu treffen sind. Auch wenn sich die Entscheidungsfindungin derartigen Situationen an der konomischen Denklogik orientiert, bedeutet dies jedoch nicht,dass keine Grenzen der konomisierung identifizierbar sind. In vielen Bereichen, in deneneine konomisierung erfolgt ist (wie z.B. Bildung, Gesundheit), spielen beispielsweise weiterePrinzipien (z.B. Ethik, Religion) eine zustzliche Rolle. Es bedarf daher vielfach einer Ab-stimmung zwischen den als relevant erachteten Zielsetzungen, wobei keineswegs immer diewirtschaftlichen berlegungen dominieren.

    Dies reflektiert u.a., dass auch rein konomisch begrndete Entscheidungen immer auf nor-mativen Orientierungen (z.B. Effizienz, Kosten, Wohlfahrt) beruhen und dabei andere Krite-rien vernachlssigt werden. ber die Sinnhaftigkeit dieser Kriterienauswahl kann und solltediskutiert werden. Da Theorien stets unvollstndig sind und eine schlechte Basis fr solchenormativen Entscheidungen liefern, sind Aushandlungsprozesse ber relevante Kriterien un-abdingbar. Gleiches gilt fr jedes andere Bewertungsverfahren man bentigt fr etwaigeBeurteilungen und Empfehlungen stets eine Aussage darber, welche Variablenwerte und Zu-stnde als wnschenswert zu erachten sind. Allerdings bieten die Sozialwissenschaften, dieHumanwissenschaften und auch die Lebenswissenschaften bisher keine hnlich breit anwend-bare Orientierungshilfe wie die konomik. Zudem benennen sie die relevanten Kriterien hu-fig nicht mit vergleichbarer Transparenz und Przision, was eine kritische Auseinandersetzungmit den jeweiligen Entscheidungsgrundlagen deutlich erschwert. Die naturwissenschaftlichenSpielarten der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (Soziophysik und konophysik) zeich-

    5.

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    nen sich berdies durch einen zumeist vorhandenen Mangel an praktischer Anwendbarkeitaus, sodass auch hier kaum brauchbare Alternativen vorliegen.

    Schlielich ist zu bemerken, dass die eingangs angesprochene Uneinigkeit renommierterkonomen Bestandteil normaler Wissenschaft ist und sich auch in vielen anderen Disziplinenzeigt. Kontroversen ber theoretische Modelle, empirische Befunde und praktische Implika-tionen erscheinen daher nicht weiter problematisch und sind im Gegenteil aus einer dem Kri-tischen Rationalismus verhafteten Perspektive sogar begrenswert. Die Erfolgsgeschichte derkonomik whrend der letzten Jahrzehnte hat im brigen dazu gefhrt, dass eine erheblichintensivere Auseinandersetzung mit ihren Grundlagen erfolgt ist. Inzwischen gibt es u.a. auf-grund der Ergebnisse der Verhaltenskonomik und der Forschung ber begrenzt rationalesVerhalten eine Tendenz zur Psychologisierung des konomischen Ansatzes, die sich u.a. inaktuellen bersichtsarbeiten niedergeschlagen hat (Gigerenzer / Hertwig / Pachur 2011; Kah-neman 2012). Interessanterweise versuchen Thaler / Sunstein (2008) derartige Erkenntnisseso zu verwenden, dass sich daraus Empfehlungen fr die Ausgestaltung von Institutionen,Organisationen und Strukturen ergeben. Selbst die kritische Beschftigung mit dem kono-mischen Ansatz trgt daher zu dessen verstrkter Prsenz bei. Auch dies weist darauf hin, dassandere Fcher bisher keine berzeugenden Alternativen bieten, um institutionelle, organisa-torische und strukturelle Vernderungen in unterschiedlichen Bereichen zu begrnden.

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    Prof. Dr. Norman Braun

    Tobias WolbringLudwig-Maximilians-Universitt Mnchen

    Institut fr SoziologieKonradstr. 6

    80801 [email protected]

    [email protected]

    400 Norman Braun/Tobias Wolbring