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Brücken- und Ingenieurbau Eine Gemeinschaftsorganisation von stahlerzeugenden Unternehmen und dem Deutschen Stahlbau-Verband DSTV Dokumentation 658 Vortragsreihe ll Deutscher Stahlbautag 2002

Brücken- und Ingenieurbau€¦ · 07/06/2000  · Wasserstraßenkreuz Magdeburg – Bau der Kanalbrücke Die Hauptträger sind 8,15 m hohe und 4,0 m breite torsionssteife Kästen

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Brücken- und Ingenieurbau

Eine Gemeinschaftsorganisation von stahlerzeugenden Unternehmen und

dem Deutschen Stahlbau-Verband DSTV

Dokumentation 658Vortragsreihe ll

Deutscher Stahlbautag 2002

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BAUEN MIT STAHL

Inhalt Seite

T. MenzelWasserstraßenkreuz Magdeburg –Bau der Kanalbrücke 4

V. SchmittVerbundbrücken mit kleinen Spannweiten 9

P. WagnerFlughafenbrücke Düsseldorf – eine seilverspannte Rheinbrücke mit besonderen Aspekten 13

M. PfeifferEl-Ferdan Brücke – Bau der größten Drehbrücke der Welt über den Suezkanal 18

G. DenzerStahlverbundbrücken der Thüringer Waldautobahn 21

D. ReitzTalbrücke Schwarza 25

W.-D. StarkeStahlbauten am Emssperrwerk 30

P. Schaumann, P. KleineidamOffshore-Windenergie – eine neue Herausforderung für den Stahlbau 35

Autorenverzeichnis 41

Impressum

Dokumentation 658Vortragsreihe llDeutscher Stahlbautag 2002Brücken- und Ingenieurbau

Herausgeber:BAUEN MIT STAHL e. V.Sohnstraße 65 40237 DüsseldorfPostfach 10 48 4240039 DüsseldorfTelefon (02 11) 67 07-828Telefax (02 11) 67 [email protected]

Ein Nachdruck dieser Publikation –auch auszugsweise – ist nur mitschriftlicher Genehmigung des Heraus-gebers bei deutlicher Quellenangabegestattet.

Die zugrunde liegenden Manuskriptewurden von den Autoren zur Verfügunggestellt und mit größter Sorgfaltredaktionell bearbeitet. Eine Haftungist jedoch ausgeschlossen.

Bildnachweis:Die in dieser Publikation verwendetenAbbildungen wurden von den Autorenzur Verfügung gestellt.

Titelbilderlinks oben:Talbrücke Schwarzalinks unten:El-Ferdan-Brückerechts oben:Rheinbrücke Flughafen-Düsseldorfrechts unten:Thüringer Waldautobahnbrücke

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Wasserstraßenkreuz Magdeburg – Bau der Kanalbrücke

1 Allgemeines

Im Sommer 1992 entschied sich dasBundesministerium für Verkehr nach ein-gehenden Voruntersuchungen, das Was-serstraßenkreuz mit einer Kanalbrückeüber die Elbe in Verbindung mit einerDoppelsparschleuse in Hohenwarthe zumAbstieg in den Elbe-Havel-Kanal zurealisieren (Abb. 1).

Zur Zeit müssen die Schiffe, die vom Rheinaus in Richtung Berlin fahren, immer nochden Mittellandkanal verlassen, das Schiffs-hebewerk Rothensee passieren und dieElbe abwärts einen 12 km langen Umwegfahren. Durch die Schleuse Niegripp ge-langen sie in den Elbe-Havel-Kanal undsetzen ihre Fahrt in Richtung Berlin fort.Dies hat neben dem Umweg von 12 kmaber auch gravierende Folgen für dieSchifffahrt. Zum einen passen in den Trogdes Hebewerks nur 82 m lange Schiffehinein, und zum anderen müssen sie beiwochenlangem Niedrigwasser einen Teilihrer Fracht entladen, um auf der Elbeüberhaupt fahren zu können. Dies allesbeeinträchtigt die Wirtschaftlichkeit derBinnenschifffahrt nachhaltig.

Das Wasserstraßenkreuz besteht insgesamt aus – der Sparschleuse Rothensee– der Kanalbrücke über die Elbe– der Doppelsparschleuse Hohenwarthe– den verbindenden Kanalstrecken– und der Anbindung der Magdeburger

Häfen.

Mit den Bauarbeiten wurde bereits imJahre 1934 begonnen.

Der Kanal sollte mit einem rechteckigenTrogquerschnitt von 30 m Breite und2,75 m Wassertiefe überführt werden.Dazu waren im Elbvorland 20 Betonbögenmit 34 m Stützweite vorgesehen, währenddas Strombett der Elbe mit einem stähler-nen Überbau mit Stützweiten von 106 mim Mittelfeld und rd. 50 m in den zweiSeitenfeldern überbrückt werden sollte(Abb. 2).

Das statische System der Strombrücke sahje einen Zwillings-Hauptträger aus Stre-benfachwerk beidseitig des Troges vor, anderen Untergurtknotenpunkten die Lagerfür die Querträger angeordnet werdensollten. Auf den rd. 36 m langen und 90 tschweren Querträgern sollte der Trog gela-gert werden.

Die Bauarbeiten wurden 1942 kriegsbe-dingt eingestellt. Bis zu diesem Zeitpunktwurden bereits das westliche und das öst-liche Wiederlager, die vier Strompfeiler,vier Bögen der Flutbrücke sowie siebenVorlandpfeiler fertiggestellt.

2 Bauvorbereitende Maßnahmen

54 Jahre später wurden die Bauarbeitenan der Kanalbrücke wieder aufgenommen.Die Planung sieht vor, die Linienführungdes Mittellandkanals beizubehalten unddamit die Kanalbrücke in der alten Trassezu bauen. Unmittelbar nach Vorlage desrechtskräftigen Planfeststellungsbeschlus-ses im September 1996 wurden die Auf-träge zum Abriss der alten Bauwerksteileerteilt. Aufgrund der schlechten Beton-qualität und der zu kleinen Abmessungenkonnten diese nicht weiter verwendetwerden. Insgesamt wurden hier 53.000 m3

Stahlbeton abgebrochen, zu Schotter re-cycled und für den Unterbau von Bau-straßen, Betriebswegen und Baustellen-einrichtungsflächen verwendet.

Wasserstraßenkreuz Magdeburg – Bau der Kanalbrücke

Dipl.-Ing. Thomas Menzel

Abb. 1

Abb. 2

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BAUEN MIT STAHL

3 Ausschreibung und Vergabe

Nachdem durch den Abriss der alten Bau-teile Baufreiheit für die neue Kanalbrückebestand, wurden die Arbeiten Ende Juni1997 im offenen Verfahren EU-weit aus-geschrieben. Insgesamt wurden 65 Aus-fertigungen der Ausschreibung verkauft.Zum Eröffnungstermin am 30. September1997 gingen 11 Angebote termingemäßein. Innerhalb der Bietergemeinschaftenwaren vier ausländische Firmen (Nieder-lande, Belgien, Österreich und Italien)vertreten. Insgesamt wurden von den 11Bietergemeinschaften 10 Hauptangeboteund 171 Nebenangebote abgegeben.

Die Nebenangebote bezogen sich imwesentlichen auf technische Änderungendes Überbaus, der Gründung (Pfahlgrün-dungen) sowie des Materials (Stahl- undZementsorten). Von allen Bietergemeinschaften hat DSD/Bilfinger+Berger das annehmbarste Ange-bot abgegeben. Der Auftrag wurde am15. Dezember 1997, rd. 2,5 Monate nachSubmission, an diese Arbeitsgemeinschaftvergeben. Der Zuschlag wurde auf Neben-angebote erteilt, die auch aus architek-tonischer Sicht dem Verwaltungsentwurfgleichwertig sind. Die Auftragssummebeläuft sich auf rd. 210 Mio DM.

4 Entwurfsgrundlagen und Architektur

4.1 Allgemeines

Unter Einbeziehung einer gesamtwirt-schaftlichen Betrachtung des Wasser-straßenkreuzes Magdeburg, die von einemPrognosewert von rd. 20 Mio Gütertonnen

in Ost-West-Richtung ausgeht, entschiedman sich, die Kanalbrücke für den ein-bahnigen Verkehr zu bauen, da der Ver-kehrsablauf im wesentlichen von dernahen Schleusenanlage in Hohenwarthebestimmt wird und noch erheblicheLeistungsreserven auch bei einer ein-schiffigen Brücke vorhanden sind.

Um der Schifffahrt einen dreilagigenContainerverkehr auf der Elbe zu ermög-lichen, beträgt die lichte Durchfahrtshöhebei dem Höchsten Schiffbaren Wasser-stand (HSW) auf der Elbe 6,50 m. Die Was-sertiefe im Trog beträgt bei Normalwas-serstand des Mittellandkanals 4,25 m.

Die Gesamtlänge von 918 m gliedert sichin die Strombrücke mit einer Länge von228 m und in die 690 m lange Vorland-brücke, die den freien Abfluss des Elbe-hochwassers zulässt.

4.2 Architektur

Besonderer Wert wurde bei der architek-tonischen Gestaltung auf die sichtbareTrennung von Strom- und Vorlandbrückegelegt. Dies wird durch die unterschied-lichen Ansichten von Strom- und Vorland-brücke erreicht. Im Strombereich ist dieAnsicht durch die zu einem Fachwerk auf-gelöste Außenwand des Hauptträgersgeprägt, während sich die Vorlandbrückedurch eine geschlossene Stauwand dar-stellt. Darüber hinaus wird das Ziel derMarkierung von Strom- und Vorland-brücke durch die Anordnung von Tür-men jeweils an den Widerlagern sowieam Übergang von der Strom- zur Vor-landbrücke erreicht. Ein weiteres kenn-zeichnendes Merkmal der Vorlandbrücke

ist die Pfeilergestaltung. Diese erinnertdurch ihre ausladende, geschwungeneForm an Schiffsspanten und stellt damitden Bezug zum Nutzer der Wasserstraße,der Schifffahrt her (Abb. 3).

5 Stahlüberbauten

Die Brücke ist auf ganzer Länge alsStahlkonstruktion vorgesehen. Es werdeninsgesamt rd. 24.000 t Stahl (S355) verar-beitet. Die statischen Systeme von Vor-land- und Strombrücke unterscheiden sichaufgrund der unterschiedlichen Stützwei-ten gänzlich. Die Trogbreite zwischen denFendern beträgt aufgrund der Einschif-figkeit 32 m.

5.1 Strombrücke

Die Strombrücke ist 228 m lang. DasHaupttragwerk besteht aus zwei über dreiFelder durchlaufenden Hauptträgern mitStützweiten von 57,1 + 106,2 + 57,1 mund einem Stahlgewicht von 9.500 t. Zwi-schen den zwei Hauptträgern spannensich die 34 m langen Querträger, welchedie Wasserlasten im Trog abtragen und andie Hauptträger weiterleiten. Die Quer-träger sind im Abstand von 3,81 m in denbeiden Endfeldern und 3,54 m im Mittel-feld angeordnet. Insgesamt ergeben sichsomit 63 Querträger. Die Querträger sindals Plattenbalken ausgebildet. Die Bau-höhe beträgt 1,9 m. Die Obergurte sindmit Trapezprofilen ausgesteifte orthotropePlatten, die gleichzeitig als Trogboden die-nen. Die Untergurte sind der Momenten-linie folgende längsprofilierte Bleche, so-genannte LP Bleche mit einer maximalenStärke von 80 mm.

Abb. 3

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Wasserstraßenkreuz Magdeburg – Bau der Kanalbrücke

Die Hauptträger sind 8,15 m hohe und4,0 m breite torsionssteife Kästen. Aufdem Obergurt wird der 3,0 m breite Be-triebsweg aufgenommen. Die innerenWände dienen zur Wasserhalterung undsind vollwandig (Abb. 4).

5.1.1 Montage und Verschub

Die Fertigung der Strombrücke fand ininsgesamt drei Werken, in Homburg, Saar-albe in Frankreich und in Niesky statt. AlleTeile wurden per LKW zur Baustelle trans-portiert. Das max. Transportgewicht be-trug etwa 150 t.

Auf dem Vormontageplatz des östlichenElbeufers wurden die Teile zu Montageein-heiten zusammengebaut und verschweißt.Nach Fertigstellung der einzelnen Schüssewurde im Taktschiebeverfahren zum Stromhin vorgeschoben. Der Verschub derStrombrücke über die Schifffahrtsöffnungder Elbe konnte am 24. März 2000 statt-finden, weil zu diesem Zeitpunkt die ElbeHochwasser führte. Mit Hilfe von zweigekoppelten Pontons wurde die Strom-brücke zunächst um 32 m bis ungefährzur Elbmitte verschoben. Hier wurden diePontons um rd. 840 t gelenzt und derÜberbau um 11 cm angehoben. Mit die-sem Niveau wurde die Strombrücke, ohneein weiteres mal gelenzt werden zu müs-sen, bis zum westlichen Strompfeilerpaarum weitere 32 m verschoben und dortabgesetzt. Im vollständig verschobenenZustand wurde der Koppelponton mit2.790 t belastet und hatte einen Tief-gang von 3,78 m. Dieser Verschubvor-gang wurde von der bauausführendenARGE in nur 24 Stunden realisiert.

Der letzte Verschub auf den Übergangs-pfeiler zwischen Strom- und Vorland-brücke in die endgültige Lage fand nachMontage der letzten beiden Schüsse am17. Juli 2000 statt. In seine endgültigeLage wird der Überbau um rd. 1,7 mabgesenkt.

5.1.2 Lager

Die Lagerung der Strombrücke erfolgtüber je ein Lager auf den vier Strom-pfeilern und je drei Vertikallagern amöstlichen Widerlager sowie am Über-gangspfeiler (Westufer) zwischen Strom-

und Vorlandbrücke. Die vier großen Kalot-tenlager auf den Strompfeilern müsseneine Vertikallast von 13.500 t abtragen.Lager dieser Größenordnung sind bishernur bei der Autobahnbrücke Emscher-schnellweg über den Rhein unter demPylon eingebaut worden. Dort ist eineLast von 11.000 t abzutragen. Für Lagerdieser Größenordnung gibt es keine all-gemeine bauaufsichtliche Zulassung.Hierfür wurde vom BMVBW eine Zustim-mung im Einzelfall ausgesprochen.

Zur Aufnahme der Kräfte aus demLastfall Erdbeben werden hydraulische„Kriechlager“ am Übergangspfeiler undam östlichen Widerlager eingebaut, dieeine langsame Verformung des Über-baus infolge Temperatur zulassen, je-doch plötzlich auftretende Bewegun-gen infolge Erdbeben blockieren (Stoss-dämpferprinzip).

5.1.3 Gründung

Die Pfeiler der Strombrücke wurden etwa7 m unter der Elbsohle flach gegründet.Im Schutze von Spundwandkästen wurdedas Fundament aus Unterwasserbetonhergestellt, um einen hydraulischenGrundbruch zu vermeiden. Die Beweh-rungskörbe für die Fundamente wurdenam Elbufer hergestellt und in einemStück von bis zu 110 t Gewicht in denSpundwandkasten herabgelassen. Vordem Betonieren wurden unter jedenPfeiler Extensometer eingebracht, umdie Setzungen der Pfeiler beim Baufort-schritt der Pfeiler verfolgen zu können.Aus den beobachteten Setzungen soll

die zu erwartende Setzung bei Ge-brauchslast bei dem mit Wasser gefüll-ten Trog extrapoliert werden, um so dieerforderliche Höhe der Lagersockelbestimmen zu können. Die rechnerischermittelten Setzungen liegen bei 9 cm.

5.2 Vorlandbrücke

Die Vorlandbrücke ist ein 16-feldrigerDurchlaufträger mit einer einheitlichenStützweite von 42,85 m. Die Gesamtlängebeträgt 690 m, das Gewicht 14.500 t. ImGegensatz zur Strombrücke ist bei derVorlandbrücke die Lastübertragung auf-grund der kleineren Stützweite längs-orientiert.Unter dem 34 m breiten Trog sind siebenLängsträger mit einer Trägerhöhe von1,9 m im Abstand von 4,0 m angeordnet,die die Wasserlasten direkt an die Aufla-gerrahmen leiten und dann über die Lagerin die Pfeiler übertragen. Der Betriebswegist wie bei der Strombrücke im Tragsystemintegriert (Abb. 5).

5.2.1 Montage

Um eine wirtschaftliche Lösung zu errei-chen, werden in den Werken möglichstgroße Teile gefertigt und vormontiert.Unter Berücksichtigung der Transport-möglichkeit wird die Schusslänge ent-sprechend der Stützweite von 42,85gewählt. Damit ist die 690 m langeVorlandbrücke in 16 Teilen angeliefertworden. Das Transportgewicht beträgtbei den Randträgern etwa 95 t und beiden Längsträgern etwa 60 t.

Abb. 4

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BAUEN MIT STAHL

Die Trogboden- sowie die Eckteile werdenin den Werken Metz und Oderberg gefer-tigt und mit dem Schiff zur Baustelletransportiert. Die Fertigung der oberenRandträger findet in Magdeburg statt.Die etwa 90 t schweren Hohlkästen wer-den per LKW zur Baustelle transportiertund mit Hilfe eines Raupenkrans direktin der Endlage montiert.

5.2.2 Lager

Die Vorlandbrücke wird je Pfeilerscheibeauf fünf Vertikalkraftlagern gelagert. Dassind insgesamt 85 Lager.

Im Betriebszustand „leerer Trog“ entstehenrechnerisch Zugkräfte in den einzelnenVertikallagern unter Temperaturbeanspru-chungen. Das bedeutet in der Praxis, dassbei einer geleerten Kanalbrücke die Ver-formungen aus dem Lastfall Temperaturso groß werden, dass die Brücke von ein-zelnen Lagern abhebt. In diesem Zustandwird sich die Brücke durch Temperatur-schwankungen bewegen und später beider Befüllung des Troges in einer anderenLage wieder absetzen, was zwangsläufigzu Lagerschäden führen würde. Um diesezu vermeiden, werden alle Auflagerrah-men in die Pfeiler abgespannt. Dadurchsind permanente Druckkräfte in allenLagern gewährleistet. Damit entfällt fürspätere planmäßige Trockenlegungeneine bauseitige Vorspannung.

Alle Vertikalkraftlager der Brücke werdenmit einem automatischen Mess- und Aus-wertungssystem zur Erfassung der Gleit-und Kippspalte ausgerüstet. Aufgrund der

hohen ständigen Auslastung der Lagerbesteht bei allen Lagern die Möglichkeit,die vertikale Lagerkraft zu messen, um,mögliche Überlastungen rechtzeitigzu erkennen und schnell reagieren zukönnen. Die Lagerkraftmessung wurdespeziell für die Kanalbrücke entwickelt.

5.2.3 Gründung

Alle Pfeilerscheiben der Vorlandbrückesowie die Widerlager sind tiefgegründet.Insgesamt wurden rund 1.200 Ortbeton-rammpfähle mit einem Durchmesser vonjeweils 54 cm und einer mittleren Längevon 12 bis 13 m eingebracht. Die Pfählewurden etwa 2 bis 3 m im Geschiebem-ergel abgesetzt.

6 Korrosionsschutz

Dem Korrosionsschutz wird bei diesemBauwerk besondere Bedeutung beige-messen. Die Summe der zu beschichten-den Flächen beträgt mehr als 160.000 m2.Davon entfallen auf die wasserbenetzteInnenfläche rd. 43.000 m2.

Für den Trog wurde ein heller Farbtonverwendet, der bei geleerter Brückedie Sonnenstrahlung reflektiert. Einedie Wärmestrahlung absorbierendeschwarze Beschichtung wirkt sich aufden Lastfall Temperatur ungünstigeraus.

Zum Schutz von Fehlstellen der Trog-innenbeschichtung, die im Laufe der

Jahre durch mechanische Einwirkungenauftreten können, wird eine kathodischeKorrosionsschutzanlage mit Fremdstrom-anoden installiert. Diese wird auf eineBeschädigung von 5 % ausgelegt.Um unkontrollierten Stromabfluss unddem damit verbundenen erhöhten Strom-verbrauch vorzubeugen, wird der gesamteTrog elektrisch isoliert.

7 Ausrüstung der Brücke

7.1.1 Anfahrschutz

Um die Stahlkonstruktion vor Schiffs-anfahrungen zu schützen und zur Abmin-derung der auf die Konstruktion infolgeSchiffsstoß einwirkenden Kräfte, werdenim oberen Bereich der Seitenwände durch-laufende Leitwerkkonstruktionen ange-bracht. Diese bestehen aus Stahlträger-rosten mit einer Blechtafel auf der Was-serseite. Sie werden bis in den Aufwei-tungsbereich der Widerlager vorgese-hen. Zur Abminderung der Reibung beiSchiffsberührung werden auf die Blech-tafeln reibungsmindernde Kunststoff-Platten geschraubt. Die Übertragungder Kräfte vom Leitwerk auf die Brü-ckenkonstruktion erfolgt über elastischeFender.

Durch die Leitwerkskonstruktion wer-den die auftretenden Schiffsstoßlastenso verteilt, dass sie für die Brücken-konstruktion nicht bemessungsrelevantwerden.

7.1.2 Luftsprudelanlage

Zum Schutz der Brückenkonstruktion vorEisdruck auf die Seitenwände wird eineLuftsprudelanlage installiert. In 3 m Was-sertiefe wird über die ganze Brückenlängean jeder Seitenwand ein Kunststoffrohrmit Bohrungen für den Luftaustritt ver-legt. Die Druckluft wird durch insgesamtvier Kompressoren in den Widerlagernder Brücke erzeugt.

Anhand einer Wärmebilanzabschätzungwurde nachgewiesen, dass mit dieser An-lage auch bei extremen meteorologischenRandbedingungen eine eisfreie Rinne ent-lang der Innenwände offen gehaltenwerden kann.

Abb. 5

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Wasserstraßenkreuz Magdeburg – Bau der Kanalbrücke

8 Stand der Bauausführung (Stand: 24.07.02)

Die Stahlbaumontage der Strom- und derVorlandbrücke ist abgeschlossen. Die Be-schichtung der Troginnenseite und dieletzte Deckbeschichtung der Außenseitewerden bis Ende August 2002 aufgebracht.

Der Einbau der Dichtungen für dieDehnungsfugen erfolgt in den nächstenWochen ebenso wie die Restarbeiten ander Hochwasserentlastungsanlage.

Die Einlagerung der Vorlandbrücke wirdebenfalls bis Ende August abgeschlossensein. Insgesamt sind die 85 Vertikalkraft-lager und 68 Abspanneinrichtungen soeinzubauen, dass einerseits die Höhenlageder Vorlandbrücke mit der zu erwarten-den Höhenlage der Strombrücke überein-stimmt (nach Wasserfüllung wird eineSetzung der Strombrücke von rd. 9 cmerwartet), andererseits die Lagerkräfteentsprechend den errechneten Sollwertenverteilt werden.

Mit Hilfe von individuell für jedes Lagergefertigten Futterplatten wird dieses Zielerreicht. Die Stärke der Futterplatten er-gibt sich aus der Verteilung der Kräfte, diegemessen werden während die Brücke invier Achsen mit Pressen gleichzeitig ange-hoben wird. Eine Höhendifferenz benach-barter Lager von nur einem Millimeterbewirkt aufgrund der großen Steifigkeit

des Auflagerrahmens eine Kraftumlage-rung von bis zu 50 t. Die Anfertigung derFutterplatten muss daher mit äußersterPräzision erfolgen.

Bedingt durch die ungleichmäßige Erwär-mung des Stahlüberbaus bei Sonnenein-strahlung, dürfen die Lager nur in denfrühen Morgenstunden an den Überbauangeschlossen werden. Zu diesem Zeit-punkt hat sich die Temperatur über dengesamten Brückenquerschnitt ausgegli-chen. Das bedeutet, dass für diese Arbei-

ten täglich nur rd. eine Stunde zur Ver-fügung steht (Abb. 6).

Nach Abschluss der restlichen Arbeitenbeginnt voraussichtlich im September derProbebetrieb der Brücke. Hierzu wird dieBrücke geflutet und 100 Tage im gefülltenZustand belassen.

Im Frühjahr 2003 wird die Kanalbrückefertiggestellt sein.

Abb. 6

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BAUEN MIT STAHL

Verkehrsexperten gehen davon aus, dassauf Deutschlands Verkehrswegen bis zumJahre 2010 der Personentransport umwenigstens 5 v. H., der Gütertransport umetwa 40 v. H. zunehmen wird.Dieser starke Anstieg des Verkehrsauf-kommens, der aus Deutschlands Rolle alsTransitland und einer weiter steigendenMobilität der Bevölkerung und der Wirt-schaft rührt, macht erhebliche Investiti-onen in Verkehrswege erforderlich. Zudemhielt in den neunziger Jahren die Entwick-lung der Verkehrsinfrastruktur mit der Zu-nahme des Verkehrsaufkommens nichtSchritt, obwohl erhebliche Mittel in die„Projekte Deutsche Einheit“ flossen, mitdenen die ostdeutsche Verkehrsinfrastruk-tur grundlegend verbessert wurde. Gleich-zeitig wurden aber in WestdeutschlandInvestitionen in den Neubau und Instand-haltung zurückgestellt, so dass ein erheb-licher Nachholbedarf besteht.Die Deutsche Bahn veranschlagt ihrenjährlichen Investitionsbedarf für das Netzbis zum Jahre 2010 auf 7 Milliarden Euro.Für den straßengebundenen Verkehr gehtman bis zum Jahre 2010 von einem Inves-titionsbedarf von 140 Milliarden Euro aus.Diese hohe Summe kann nur über nut-zungsabhängige Entgelte in Form einerprivaten Infrastrukturfinanzierung aufge-

bracht werden. Können die Gelder durcheine richtige politische Weichenstellungaufgebracht werden, wird in der Erhal-tung und Erneuerung der Infrastruktureiner der wenigen Wachstumsmärkte fürdie Bauindustrie des nächsten Jahrzehntsentstehen.Ein bedeutender Anteil dieser zukünfti-gen Investitionen wird in Kunstbauwerkefließen, wobei die Brückenbauwerke mitkleiner Stützweite nicht nur der Anzahlnach, sondern auch dem Anlagevermögennach die größte Bedeutung haben. Hier-zu sind alle Brücken zu rechnen, derenHauptträger pro Feld komplett vorgefer-tigt und montiert werden können. Dassind über Land transportiert etwa Brü-ckenträger bis 65 m, über das Wassertransportiert Träger bis ca. 90 m Stütz-weite. Damit wird unter dem Begriff„Brücken kleiner Stützweiten“ nach unse-rer Schätzung 90 % der in Deutschlandausgeführten Brückenfläche erfasst.Bisher werden diese Brücken zum größtenTeil in Beton- und Spannbetonbauweisenerstellt. Der Anteil des Stahlbaus kannentscheidend erhöht werden, wenn dieStahlbaufirmen in der Lage sind, wettbe-werbsfähige Bauwerke anzubieten.Im modernen Stahlbrückenbau stellensich zwei Bauweisen dem wirtschaftlichen

Wettbewerb mit der Spannbetonbau-weise: der reine Stahlbau mit einer ortho-tropen Fahrbahnplatte und die Verbund-bauweise mit einer mitwirkenden Beton-fahrbahnplatte. Die orthotrope Fahrbahn-platte ist nur bei großen Stützweitenwirtschaftlich. Die Verbundbauweise mitder Betonfahrbahnplatte kann sich schonbei Stützweiten von ca. 25 m unter be-stimmten Voraussetzungen im Wettbe-werb mit der Spannbetonbauweise durch-setzen. Die Betonplatte ermöglicht einewirtschaftliche Abtragung der punktför-migen Verkehrseinzellasten. Sie bietet zu-dem wegen der geringeren Vereisungsge-fahr günstigere Fahrbetriebseigenschaf-ten als die teurere orthotrope Stahlplatte.

1 Wettbewerbsfähige Verbundbrücken mit kleinerStützweite

Der Weg zum wettbewerbsfähigen Bau-werk führt immer über einen qualifizier-ten Entwurf. Leitfaden beim Entwurf müs-sen neben guter Gestaltung die Verein-fachung und die optimale Ausnutzung derBaustoffeigenschaften sein. Vorausset-zung für den Erfolg der Stahl- oder Ver-bundbauweise ist neben der konsequen-

Verbundbrücken mit kleinen Spannweiten

Dipl.-Ing. Victor Schmitt

Abb. 1: BAB A 8 West; Überführungsbauwerk in Verbundfertigteil-Bauweise

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die Abmessungen der Fertigungseinheitenvergrößern und die Transport- und Mon-tagekosten verringern.

In der Regel sollten die Montagelängenmit den Feldlängen übereinstimmen, umzusätzliche Montagegerüste und Schweiß-stöße zu vermeiden.

6 Vereinfachen der Arbeiten beimHerstellen des Trägerrostes aufder Baustelle

– Die Arbeiten auf der Baustelle sinddurch örtliche Bedingungen und Wit-terungseinflüsse zumeist risikoreich undkostenintensiv. In der Regel ist es wirt-schaftlicher, Arbeiten in die Werkstattzu verlegen und die örtlichen Arbeitenzu reduzieren. Es müssen rationelle Bau-verfahren eingesetzt werden, die eineweitgehende Vorfertigung ermöglichen.

– Der sparsame Einsatz von Verbänden,Hilfsgerüsten und Beulsteifen im Bau-zustand kann erheblich Lohn- und da-mit Baukosten einsparen. Verbundfer-tigteile nutzen den Verbund schon imBauzustand und erübrigen Verbändeund Beulsteifen für das Betonieren derOrtbetonplatte.

– Ortbetonstützquerträger können Vor-teile bringen, da aufwendige Stahl-querträger sowie aufwendige Schweiß-arbeiten auf der Baustelle vermiedenwerden können.

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Verbundbrücken mit kleinen Spannweiten

Abb. 2: Untersicht eines Rahmenbauwerkes in Verbundfertigteil-Bauweise

ten Verfolgung aller Vereinfachungsmög-lichkeiten beim Bau auch die Wertung derNutzerkosten der Verkehrsteilnehmerwährend der Bauzeit durch den Bauherrn.

2 Das Tragwerk

Im Tragwerk soll das statische unbe-stimmte System dem statisch bestimmtenvorgezogen werden. Einfeldträger sollenvermieden und durch Rahmen ersetzt wer-den, Mehrfeldträgerketten sind zu Durch-laufträgern zu verbinden und Durchlauf-träger auf die Möglichkeit zur Ausbildungvon Rahmen bzw. Teilrahmensystemenzu untersuchen. Das klingt zunächstnicht nach Vereinfachung ist aber eine,da unterhaltsaufwendige Lager und Fugendadurch vermieden oder in ihrer Anzahlreduziert werden. Außerdem verbessertsich die Redundanz der Tragsysteme mitsteigender statischer Unbestimmtheit.Rahmen können zudem Horizontallastenbesser abtragen und vereinfachen dieAusführung der Unterbauten. Statischunbestimmte Tragsysteme ermöglichendaneben wesentlich schlankere Überbau-ten, sodass elegante Bauwerke mit gerin-geren Überführungs- und Dammhöhengeschaffen werden können.

3 Bewusste Ausnutzung derMaterialeigenschaften

In der Stahlverbundbauweise sollten dieBaustoffe Stahl und Beton entsprechendihren Eigenschaften gezielt eingesetztwerden. Das gilt auch für Bauzustände,bei denen ein Zwischenverbund genutztwerden kann und für die Stützenbereichevon Durchlaufträgern durch Ausbildungeines Doppelverbundes. Neben Stählender Stahlsortengruppe S 355 sollte stetsder Einsatz von Walzprofilen und Grob-blechen der Stahlsorte StE 460, im Einzel-fall auch der Einsatz der höhervergütetenStahlsorte StE 690, geprüft werden. DieVerwendung von kostengünstigen großenWalzträgern der Stahlgüte StE 460 kannbei Brücken mit Stützweiten bis 45 m undbei Nebenträgern Sinn machen. Flansch-verstärkungen sollten mit LP-Blechen vor-genommen werden. Eine Vorspannung mitexternen, auswechselbaren Spanngliedernkann im Verbundbau in Einzelfällen wirt-schaftliche und konstruktive Vorteile brin-gen, da sich durch die Vorspannung die

Verformungen aus Schwinden und Krie-chen der Ortbetonplatte besser steuernlassen.

4 Vereinfachungen bei derWerkstattfertigung

Längsprofilierte Bleche reduzieren nichtnur das Gewicht der Konstruktion, son-dern ermöglichen auch kürzere Ferti-gungszeiten und -kosten. Stähle mit op-timaler Schweißbarkeit und Walzträgerkönnen zu einer Reduzierung der Ferti-gungskosten beitragen. Durch den Einsatzvon Betondübeln, für die im Steg nachoben offene ellipsenförmige Ausnehmun-gen geschnitten oder gestanzt werden,kann auf die Obergurte der Stahlträgerverzichtet werden. Die Konstruktion ist imRegelfall so auszulegen, dass in der Werk-statt wenig lohnintensive, große Einheitengeschaffen werden, um Arbeiten amStahltragwerk auf der Baustelle zu redu-zieren beziehungsweise zu vermeiden.

5 Vereinfachungen bei Transportund Montage

Die Abmessungen der einzelnen Bauteilemüssen so festgelegt werden, dass wirt-schaftliche Transporte und Montagenmöglich sind, ohne das Ziel großer Mon-tageeinheiten aus den Augen zu verlieren.Transporte über Wasserstrassen können

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BAUEN MIT STAHL

7 Vereinfachungen bei der Herstellung der Fahrbahnplatte

– Schalungsarbeiten für die Ortbeton-platte, die oft nur in Verbindung mitSchutzgerüsten für den unterführtenVerkehr durchgeführt werden können,lassen sich durch den konsequentenEinsatz von Betonfertigteilplatten alsSchalelemente oder als fertige Fahr-bahnplatten-Segmente, die nur in denStoßfugen vergossen werden müssen,vermeiden.

– Vorgefertigte Stahlbetonplattenele-mente für die Fahrbahn, ohne Ergän-zung durch eine Ortbetonplatte, redu-zieren den Einfluss des Kriechens undSchwindens auf die Vergusszonen zwi-schen den Fertigteilen. Sie bedingenaber in der Regel Stahlnebenträger,über denen die Betonierfugen ange-ordnet werden können. Der Einsatzdieser direkt befahrbaren Stahlbeton-plattenelemente reduziert Beton- undBetonstahlmengen, da eine Schwindbe-wehrung zur Rissverteilung nicht not-wendig ist. Diese Betonplattenelementekönnen in Deutschland für Brücken derStaatsbauverwaltung bisher nicht ein-gesetzt werden, da das Bundesminis-terium (BMVBW) aufgrund schlechterErfahrungen mit der Kontaktbauweisein den 60er und 70er Jahren eine durch-gehende Ortbetonplatte mit einerMindeststärke von 20 cm vorschreibt.

– Die Segmentbauweise für die Fahrbahn-platte ohne Betonierfugen mit interner,nicht im Verbund stehender und damitaustauschbarer Längsvorspannung undOrtbetonergänzungen oberhalb derStahllängsträger-Obergurte verbessertdie Wettbewerbsfähigkeit der Verbund-bauweise erheblich. Grundsätzlich wer-den Segmentbauweisen in vielen Län-dern mit durchaus ähnlichen klimati-schen Verhältnissen wie in Deutschlandmit großem Erfolg angewendet. DieseBetonsegmentbauweisen ermöglichenden Einsatz von dichten Hochleistungs-betonen für die Fahrbahnplatte, habenden höchsten Vorfertigungsgrad undbieten in Verbindung mit der Verbund-bauweise eine einfache Austauschmög-lichkeit für die Fahrbahnplatte. Dassind gute Voraussetzungen für einenkostengünstigen Unterhalt. Deshalb istes nur schwer nachvollziehbar, warumdiese Bauweise in Deutschland bishernicht angenommen wird.

– Verbundfertigteile, die ohne Verwen-dung von Verbänden, Hilfsgerüsten undBeulsteifen auskommen und zudem denGehalt an Konstruktionsstahl minimie-ren, ermöglichen gegenüber herkömm-lichen Bauweisen mit Spannbetonfer-tigteilen konkurrenzfähige und wirt-schaftliche Lösungen.

– Bei langen Brücken könnten Schalwa-gen mit Zwischenverbund im Bauzu-stand eingesetzt werden oder aber dieHerstellung der Fahrbahnplatte erfolgtkomplett in Segmentbauweise.

– Transporte über Wasser können Kom-plettbauweisen von Straßenbrückenermöglichen. Dadurch werden die Ar-beiten auf der Baustelle auf ein Mini-mum reduziert.

– Fuß- und Radwegbrücken solltenmöglichst in Komplettbauweise gefer-tigt werden, sofern die Überbaubreiteund die Grundrissform dies erlauben.

8 Vereinfachung der Unterbauten

– Die Vorteile der Verbundbauweise mitleichtem Überbau müssen bei ungün-stigen Gründungsbedingungen ausge-nutzt werden. Durch den leichten Ver-bundüberbau reduzieren sich nicht nurdie Vertikallasten für die Gründung,sondern auch die Horizontalkräfte ausBogen oder Rahmenschub. Das kann zuerheblichen Einsparungen bei der Grün-dung führen. Endquerträger sollten inBeton geplant werden, damit begeh-bare Widerlager zur Erneuerung desKorrosionsschutzes vermieden werdenkönnen. Zudem sind begehbare Wider-lager aufwändiger als Widerlager ohneBesichtigungsgang herzustellen

– Bei der Nutzung hybrider Bauweisenbei Rahmentragwerken können Riegelin Verbundbauweise mit Stielen inStahlbeton kombiniert werden.

– Geringe Gewichte des Überbaus inGebieten mit Erdbebengefährdungergeben geringere Beanspruchungender Unterbauten.

9 Vorteile der Verbundbauweise beim Bauen über oder unter Verkehr

Einsparungsmöglichkeiten bei Verkehrs-führungen durch die Verbundbauweisebeim Bauen über oder unter Betriebs-strecken der Bahn und der Straße müssengenutzt werden. Eine Wertung ist nurmöglich, wenn Bauwerk und Verkehrs-führung gemeinsam ausgeschriebenwerden.

Über Autobahnen sind wirtschaftliche undgut gestaltete Überführungsbauwerke

Abb. 3: Visualisierung eines Verbundfertigteiles:Fertigungseinheit

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ohne Mittelstütze mit vertretbaren Kon-struktionshöhen möglich, die mit geringerBehinderung des unterführten Verkehrsgebaut werden können. Es ist die Domänedes Verbundbaus, große Stützweiten mitgeringen Gewichten wirtschaftlich zuüberbrücken. Voraussetzung für die Wirt-schaftlichkeit solcher Bauwerke ist, dassder Bauherr neben den reinen Baukostender Brücke auch die Verkehrsführungs-kosten während der Bauzeit ansetzt undden Vorteil für den Nutzer sieht. Der Nut-zer dieser Strassen kann nicht für Warte-zeiten im Stau vergütet werden, aber ererkennt die Bemühungen der Bauverwal-tung an, Staus zu vermeiden. Eine erheb-liche Verkürzung der Bauzeit und ein Ver-zicht auf den Rückbau einzelner Fahrspu-ren für den Bau eines Brückenbauwerkessind für den Nutzer deutlich sichtbareZeichen. Der volkswirtschaftliche Vorteileines Verzichts auf die Stützen im Mittel-streifen von Autobahnen kann bei Brü-cken mit einem Kreuzungswinkel von100 gon immer nachgewiesen werden.Das Vermeiden von Inselbaustellen undeine weitgehende Vorfertigung, wie siemit Verbundfertigteilen möglich ist, er-höhen außerdem die Verkehrssicherheitund verringern die Gefährdung des Per-sonals der Autobahnämter und der Bau-unternehmen.

Im Eisenbahnbrückenbau werden dieNutzerkosten in der Wertung der Varian-ten angesetzt, so dass Verkürzungen vonSperrzeiten und Bauzeiten in der Regeleinen erheblichen Einfluss auf das Bauver-fahren haben. Der hohe Vorfertigungs-grad von Verbundfertigteilkonstruktionenbietet gute Voraussetzungen für kurzeBauzeiten und Sperrzeiten. Hybride Ein-feldrahmenbauwerke für Eisenbahnbrü-cken mit einem Verbundüberbau und

Betonstielen können bis zu einer lichtenWeite von 50 m ausgeführt werden. Fürden Querverschub von Rahmen bietensie gute Voraussetzungen, da der Ver-bundüberbau leicht und setzungsunem-pfindlich ist.

10 Verringerung derUnterhaltskosten des Bauherrn

Die Unterhaltungskosten für Lager undFahrbahnübergänge rücken immer mehrin den Vordergrund der Brückenbewirt-schaftung. Deshalb tendieren Bauherrnverstärkt zu integralen Bauwerken mitVerzicht auf diese Bauteile. Die Verbund-bauweise ist zur Erstellung integralerBauwerke hervorragend geeignet.

Ermüdungsarmes Konstruieren führt zudauerhaften Bauwerken, LP-Bleche brin-gen zusätzliche Vorteile in der Dauerhaf-tigkeit, zudem sind Verbundbrücken um-baufähig, da sie einfach verbreitert undverstärkt werden können.

Die Wettbewerbsfähigkeit der Verbund-bauweise wird entscheidend durch denEntwurf geprägt. Das ganze Bauwerk,nicht allein der Stahlträger und seine Fer-tigung, muss optimiert werden. Der Bau-herr entscheidet, welcher Entwurf zurAusführung kommt. Er muss überzeugtwerden, dass Stahl- und Stahlverbund-brücken gestalterisch, wirtschaftlich undim Unterhalt gleichwertige, wenn nichtbessere Alternativen zu Betonbrückensind.

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Verbundbrücken mit kleinen Spannweiten

Abb. 4: BAB A 93 Talbrücke Oberhartmannsreuth; Überbau in Verbundfertigteil-Bauweise

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BAUEN MIT STAHL

1 Einleitung

Seit dem 3. Juni 2002 rollt der Autover-kehr im Norden Düsseldorfs über die neue„Flughafenbrücke“ (Abb. 1), welche dienicht nur in Fachkreisen bekannte Brü-ckenfamilie der bisherigen vier Schrägseil-brücken über den Rhein um ein bemer-kenswertes und unverwechselbares neuesBrückenbauwerk erweitert.

Diese Düsseldorfer Brückenfamilie mar-kierte mit dem Bau der Theodor-Heuss-Brücke im Jahre 1957 den Beginn der mo-dernen Schrägseilbrückentechnik undleitete damit den weltweiten Siegeszugdieses Brückentyps für Spannweiten abca. 250 m ein. Jede einzelne der drei fol-genden seilverspannten Rheinbrücken inDüsseldorf brachte weitere Fortschrittebei Berechnung, Fertigung und Montageund stellte damit die Vorzüge dieser in-teressanten und vielseitigen Bauweiseeindrucksvoll unter Beweis.

Seit dem Bau der bisher letzten dieservier Schrägseilbrücken, nämlich der FleherRheinbrücke, sind über zwei Jahrzehntevergangen. Zwei Jahrzehnte, welche na-turgemäß weitere Fortschritte in der Fer-tigungstechnik und insbesondere bei denMontageverfahren im Großbrückenbaugebracht haben.

Es war daher nur naheliegend, dass dieseFortschritte Eingang gefunden haben inPlanung, Fertigung und Montage der

neuen Flughafenbrücke in Düsseldorf. ImErgebnis führte dies dazu, dass von denklassischen Bauverfahren der Schrägseil-brücken der ersten Generation nahezunichts mehr übrig geblieben ist, sondernin den überwiegenden Bereichen neueWege beschritten wurden. Über die ent-scheidenden Neuerungen soll nachfolgendschwerpunktmäßig berichtet werden.

2 Entwurfsbeschreibung

Die neue Flughafenbrücke erstreckt sichzwischen dem Widerlager West in derGemarkung Ilverich und dem WiderlagerOst nahe dem Düsseldorfer Messegeländein einer Gesamtlänge von 1.286,50 m. Siebesteht aus der linksrheinischen, 441 mlangen Spannbeton-Vorlandbrücke, dereigentlichen Rheinquerung mit 287,50 mSpannweite als Ganzstahlbrücke und derrechtsrheinischen Vorlandbrücke ausSpannbeton mit einer Gesamtlänge von558 m.

Die Nähe dieser Rheinquerung zumFlughafen Düsseldorf war unmittelbarverantwortlich für die unverwechselbareGestaltung der Pylone in Form eines aufder Spitze stehenden Dreiecks. Da näm-lich die Pylonhöhe aus Gründen der Flug-sicherheit auf maximal 34 m über derFahrbahn begrenzt war, hätte man beider Ausführung eines einstieligen Pylonsfür die äußeren Seilgruppen so geringeNeigungswinkel erhalten, dass keine aus-reichende Stützwirkung für den Verstei-fungsträger mehr gegeben wäre.

Durch die Anordnung eines 39 m langenPylonriegels wurde erreicht, dass sich dieSeileinleitungspunkte um ca. 19 m nachaußen verschoben, sodass man für dielängste Seilgruppe den als sinnvoll ermit-telten Grenzwinkel von ca. 19° nichtunterschreiten musste.

Durch diese Maßnahme kann die Mittel-öffnung durch insgesamt fünf Seilgrup-pen auf jeder Seite in harmonischer Weiseabgespannt werden (Abb. 2). Jede Seil-gruppe besteht hierbei aus vier vollver-schlossenen Spiralseilen, die quer in einemAbstand von 900 mm und in der Höhe ineiner Distanz von 600 mm angeordnetsind.

Flughafenbrücke Düsseldorf - eine seilverspannte Rheinbrücke mit besonderen Aspekten

Dr.-Ing. Peter Wagner

Abb. 1: Foto des fertiggestellten Brückenbaus

Abb. 2: Brückenansicht mit gewählter Seilabspannung

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Während früher die Seile zu einem Seil-bündel zusammengeschlossen wurden,hat sich neuerdings die Spreizung derSeile als bevorzugte Lösung durchge-setzt, da hierdurch die uneingeschränkteZugänglichkeit aller Seile zum Zwecke dervereinfachten Wartung und Überprüfunggewährleistet ist. Zum Einsatz kamen hier-bei Brückenseile mit einem Durchmesservon 103, 110 und 115 mm.

Für den Brückenquerschnitt, der immer-hin eine Gesamtbreite von 38,5 m auf-weist, wurde, wie auch in der Vergangen-heit üblich, ein dreizelliger Hohlkastenmit weit auskragenden und durch Schräg-streben abgestützten Konsolplatten ge-wählt (Abb. 3). Hierbei dient die mittlereKastenzelle mit einer Breite von 2,00 m inerster Linie der unteren Verankerung derBrückenseile. Die beiden äußeren Kasten-zellen weisen eine Breite von je 7,25 mauf und zeichnen im wesentlichen für dieErreichung der für ein Tragsystem miteiner mittleren Seilebene erforderlichenTorsionssteifigkeit verantwortlich.

Der dreizellige Hohlkasten ist in Abstän-den von ca. 4 m durch Querrahmen ausge-steift, wobei jeder zweite Rahmen durcheinen Diagonalverband zusätzlich ausge-steift wird. An den Seileinleitungspunktenwerden verstärkte Querverbände ange-ordnet.

3 Einsatz des Feinkornbaustahls S 460 ML

Da durch den Pylonriegel eine maximaleZugkraft von ca. 125 MN durchgeleitetwerden muss und damit die kompletteStromöffnung sozusagen an diesem wich-

tigen Bauteil „hängt“, war bereits bei derEntwurfserstellung der Wunsch nach einerredundanten Konstruktion vorherrschend.So fiel dann konsequenterweise die Ent-scheidung, für den kompletten Pylonriegelund die oberen Bereiche der Pylonstieleden hochwertigen FeinkornbaustahlS 460 ML zu verwenden. Die Redundanzsollte dadurch erreicht werden, dass trotzder erheblich höheren Festigkeit diesesStahls lediglich die zulässigen Spannun-gen des S 355 J2 G3 angesetzt wurden.

Aus der endgültigen statischen Berech-nung ergaben sich Blechdicken zwischenminimal 50 mm und maximal 100 mm fürden Einsatzbereich des Feinkornbaustahls.Da die bestehende Zulassung nur für einemaximale Blechdicke von 80 mm gilt,musste für die darüber hinausgehendenBlechdicken eine „Zustimmung im Ein-zelfall“ beim zuständigen Bundesverkehrs-ministerium erwirkt werden.

Voraussetzung hierfür war unter anderemdie Durchführung von Verfahrensprüfun-gen nach DIN EN 288-3 und DVS 1702.Diese Verfahrensprüfungen wurden fürdrei Prüfstücke festgelegt, wobei ein Prüf-stück für die Stumpfnahtschweißung beit = 100 mm und die beiden restlichenPrüfstücke für die Kehlnahtschweißungender Werkstoffkombination S 460 ML/S355 J2 G3 untersucht wurden).

Von der Vielzahl der für diese Prüfstückedurchgeführten zerstörungsfreien undzerstörenden Prüfungen kam dem Kerb-schlagbiegeversuch die größte Bedeu-tung zu. Da der Aufschweißbiegeversuch,der üblicherweise Aufschluss über dieSchweißeignung von Stählen geben soll,bei Blechdicken über 30 mm nicht mehr

durchgeführt werden kann, wird bei grö-ßeren Blechdicken der Kerbschlagbiege-versuch für die Beurteilung der Zähigkeitund damit der Schweißeignung heran-gezogen.

Für das Grundmaterial S 460 ML war inAnbetracht der besonderen Bedeutungdieses Bauteils die erforderliche Kerb-schlagarbeit von ≥ 27 J bei einer extremenTemperatur von – 80 °C gefordert worden.Für die Schweißnahtbereiche waren somitähnliche Anforderungen zu erfüllen, wo-bei diese Werte sowohl an Ober- und Un-terseite als auch in der Mitte der Schweiß-naht nachgewiesen werden mussten.

Es ist bemerkenswert, dass diese extremhohen Anforderungen an Grundmaterialund Schweißgut des S 460 ML in allenEinzelbereichen erfüllt wurden. DieserFeinkornbaustahl bewies sowohl in derWerkstatt als auch bei der Montage einehervorragende Schweißeignung undzeichnete sich darüber hinaus durchvergleichsweise niedrige erforderlicheVorwärmtemperaturen aus. Der Einsatzdieses Feinkornbaustahls markierte damiteinen deutlichen Fortschritt und kannin all jenen Fällen empfohlen werden,wo höchstbeanspruchte und besonderskritische Bauteile mit einer höherenRedundanz ausgebildet werden müssen.

4 Besonderheiten bei der Herstellung und dem Einbau der Brückenseile

4.1 Herstellung derverschlossenen Seile

Die bei der Flughafenbrücke verwende-ten vollverschlossenen Seile bestehen auseinem Kern von Runddrähten mit Durch-messern zwischen 1,84 mm und 5,08 mmsowie aus etwa 5 bzw. 6 äußeren Lagenaus Z-förmigen Profildrähten. SowohlRund- als auch Profildrähte bestehen ausunlegiertem Kohlenstoffstahl mit Kohlen-stoffgehalten von 0,7 bis 0,8 % und wer-den vor ihrer Weiterverarbeitung feuer-verzinkt.

Der Verseilvorgang erfolgte auf einerbesonderen Verseilmaschine bei der FirmaBTS (Abb. 4), welche vollverschlossene Seilebis zu einem maximalen Seildurchmesservon 180 mm und maximalen Stückge-

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Flughafenbrücke Düsseldorf - eine seilverspannte Rheinbrücke mit besonderen Aspekten

Abb. 3: Brückenquer-schnitt

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BAUEN MIT STAHL

wichten bis 200 Tonnen verarbeiten kann.Unter Einsatz dieser Verseilmaschine wur-den beispielsweise für die Brückenseile miteinem Durchmesser von 115 mm insge-samt 97 Runddrähte und 288 Profildrähtezu einem Spiralseil verarbeitet.

Während des Verseilvorganges wird Lein-öl-Bleimennige als Seilverfüllmittel zuge-führt, um jeden einzelnen Draht zu benet-zen. Das Seilverfüllmittel dient sowohl alszusätzlicher Korrosionsschutz als auch alsGleitmittel zwischen den Drähten. Nachdem Ablängen der Seile, dem Vergießender Seilköpfe und dem werkseitigen Vor-recken wurden die fertigen Seile in trans-portfähige Ringe mit einem Innendurch-messer größer 30 x Seildurchmesser ge-wickelt und zur Baustelle transportiert.

4.2 Seilprüfungen

Die Prüfvorschriften entsprechend der„TL-Seile“ sind äußerst umfangreich underfordern während der gesamten Ferti-gungszeit die begleitende Prüfung durcheine unabhängige Seilprüfstelle.

Die Prüfungen beginnen hierbei bereitsbeim Erschmelzen der Walzdrähte understrecken sich bis zur Feststellung dereffektiven Bruchkraft des Gesamtseilesan einer ca. 6 m langen Seilprobe mit denbeiden originalen Seilköpfen.

Besonders bedeutungsvoll in diesemPrüfungsprozess war hierbei die Fest-stellung des tatsächlichen Dehnverhaltensder Seile, welches über den so genanntenLängungsmodul definiert ist. Die Kennt-nis dieses Moduls ist die unabdingbareVoraussetzung für das korrekte Ablängender Seile unter einer definierten Zuglast.

Der letzte Schritt der Seilprüfung erfolgtenach dem Einbau und Vorspannen derSeile im Brückentragwerk. Hierbei wur-den die Seile in ihrer gesamten Länge miteiner Magnetprüfvorrichtung abgefahren(Abb. 5). Der Magnetsensor erlaubt hier-bei die präzise Erkennung von eventuellenDrahtbrüchen, Kerben oder sonstigenUnregelmäßigkeiten.

Es ist bemerkenswert und spricht für dieQualität der Seilherstellung und Monta-ge, dass beim kompletten Prüfprogrammkeine einzige Unregelmäßigkeit oder sons-tige Abweichung von den theoretischenVorgaben festgestellt wurde.

4.3 Montage der Brückenseile

Für den Einbau der Seile wurden die ausdem Schrägseilbrückenbau bekanntenMontagehilfen, wie spezielle Seiltraversen,Windenseile, Umlenkblöcke, schwere Elek-trowinden etc. eingesetzt. Die Seilveran-kerung im Pylon erfolgte über Hammer-kopf-Seilköpfe und entsprechende Druck-platten. Die unteren Seilköpfe enthieltendagegen sowohl Außen- als auch Innen-gewinde, um das Seilspannen und dasFestsetzen der Seilköpfe in kontinuier-licher Weise durchführen zu können.

Das wichtigste Montageelement zum Ein-ziehen und Spannen der Seile sowohl imStrom- als auch im Vorlandbereich stell-ten die sogenannten Pressentische dar.

Im Versteifungsträger der Strombrückekonnte der Pressentisch längsverfahrbarim Mittelkasten angeordnet werden. DieAnforderungen an diesen Pressentischwaren sehr hoch, da nicht nur vier ver-schiedene Spannpositionen in einer Seil-gruppe abzubilden waren, sondern auchunterschiedliche Seilneigungen der ein-zelnen Seilgruppen bewältigt werdenmussten.

So wurde ein quer- und höhenverstell-barer Kipptisch entwickelt, der in diejeweils gegebene Seilebene geschwenktwerden konnte. Der Kipptisch enthielt innachgeschalteter Anordnung den Spann-stuhl, den Pressenstuhl und die erforder-liche Hohlkolbenpresse. Die Zugspindelnaus Edelstahl waren mit einer Spann- undeiner Setzmutter ausgestattet, um denSpannvorgang mit Hilfe der Hohlkolben-presse in einzelnen Spannschritten aus-führen zu können.

Die Hohlkolbenpressen hatten eine Maxi-malkapazität von 6000 kN, welche insbe-sondere beim Vorrecken der Seile ausge-schöpft werden musste. Auch beim Vor-recken der Seile wurden neue Wegebeschritten, welche den Fortschritt imSchrägseilbrückenbau auch bei diesemwichtigen Montagevorgang widerspiegeln.

In der Spannbeton-Vorlandbrücke exis-tierte leider kein durchgängiger Mittel-kasten, sodass hier kein längsverfahrbarerPressentisch angeordnet werden konnte.Statt dessen musste der Pressentisch je-weils von unten mit Hilfe von GEWI-Stangen durch große Öffnungen in derBodenplatte hochgezogen und über be-sondere Anschlusskonstruktionen mit demBetonquerschnitt verbunden werden.

Der Aufbau des Pressentisches in derSpannebene orientierte sich im übrigenam Konstruktionsprinzip des Pressenti-sches in der Strombrücke.

Insgesamt kamen bei der Flughafenbrückevier Pressentische und vier Hohlkolben-pressen mit 6000 kN Kapazität zum Ein-satz. Über kalibrierte Feinmanometerkonnten hierbei die effektiven Seilkräftejederzeit abgelesen und protokolliert wer-den. Nach dem vorbeschriebenen Prinzipwurden insgesamt 80 Seile eingebaut,vorgereckt und gespannt (Abb. 6).

Abb. 4: Herstellung der Brückenseile mittels einerbesonderen Verseilmaschine

Abb. 5: Seilprüfung mit Magnetsensor

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5 Fertigungskonzeption

Im Gegensatz zu den hinlänglich bekann-ten Herstellungsverfahren von Schräg-seilbrücken in der Vergangenheit, bei wel-chen eine Vielzahl von relativ kleinenBrückensektionen im Werk hergestelltwurden, konnte bei der Flughafenbrückeein völlig anderer Weg eingeschlagenwerden. Mit der Vorfertigung von extremgroßen Brückensektionen, mit dem weit-gehenden Antransport dieser Großbau-teile auf dem Wasserwege und schließlichmit der Konzentration auf wenige kompri-mierte Schwimmkraneinsätze zum Einbaudieser Großbauteile wurde angestrebt, dieQualität des Stahlüberbaus zu verbessern,die Bauzeit deutlich zu verkürzen undnicht zuletzt den Straßenverkehr in dembereits stark überlasteten Raum Köln-Düsseldorf durch diese Baumaßnahmenicht weiter zu belasten.

Zur Realisierung dieser für große Rhein-brücken neuartigen Herstellungskonzep-tion mussten allerdings zwei grundsätz-liche Voraussetzungen gegeben sein:– Verfügbarkeit von Fertigungsbetrieben

mit den erforderlichen Einrichtungenzum Zusammenbau, Schweißen undKorrosionsschutz von extrem großenund schweren Brückenteilen

– Verfügbarkeit von Zusammenbau-und Verladeeinrichtungen an einerWasserstraße für Großbauteile bis zu430 Tonnen Gesamtgewicht.

Da sowohl Brückenbau Plauen als auchder eingesetzte Nachunternehmer MCEVOEST über derartige Fertigungsein-richtungen verfügen, konnte diesesfortschrittliche Ausführungskonzepterstmals in Deutschland im Schrägseil-brückenbau realisiert werden.

Die 287,5 m lange Stromöffnung wurdein Längsrichtung in insgesamt 11 Mon-tageschüsse mit Längen zwischen mini-mal ca. 20 m und maximal ca. 47 m unter-teilt. In Querrichtung orientierte sich dieAufteilung am Vorhandensein der Seilein-leitungspunkte. Bei jenen Montageschüs-sen, die keine Seileinleitungspunkte ent-hielten, wurde der dreizellige Hauptträ-gerkasten in lediglich zwei Hälften vonca. 8,90 m Breite unterteilt. Dies traf fürinsgesamt 5 Montageschüsse zu.

Für die restlichen 6 Montageschüsse mitSeileinleitungspunkten konnte die mittigeTrennung naturgemäß nicht aufrecht er-halten werden. So wurde der dreizelligeHauptträger in einen Mittelkasten mitallen erforderlichen Einbauten für dieSeilverankerungen sowie zwei Seitenteilemit U-förmigem Querschnitt unterteilt. Diezwei bzw. drei Sektionen eines Hohlkas-

ten-Brückenschusses wurden im Werk ge-meinschaftlich zusammengebaut, um diePassgenauigkeit an den Längsstößen zugarantieren. Nach Abschluss der Schweiß-arbeiten wurden die Einzelsektionen se-parat auf Transportschiffe verladen (Abb.7). Sowohl bei der Zweier- als auch bei derDreier-Teilung des Hauptträger-Hohlkas-tens erfolgte die Vorfertigung der beidenKonsolplatten in voller Breite von 11 m.

6 Beschreibung der Montagetechnologie

Die Vorteile der gewählten Herstellungs-technologie machten sich bei der Mon-tage der Flughafenbrücke besonders deut-lich bemerkbar. Durch die Vorfertigungvon Brückensektionen mit Gewichten von90 bis 430 Tonnen konnte der Umfang derMontageschweißungen auf ein Minimumreduziert werden und die Bauzeit gegen-über früheren Schrägseilbrücken aufweniger als die Hälfte verkürzt werden.

Da über die einzelnen Montageschrittein [1] ausführlich berichtet wurde, sollhier nur der generelle Montageablaufskizziert werden. Die Montage, die vonbeiden Rheinufern aus vollständig syn-chron durchgeführt wurde, begann mitdem Einhub der beiden vollständig vor-gefertigten Auflager-Querträger, die bei38,5 m Länge, 6,5 m Breite und 4,1 mHöhe ein Gesamtgewicht von 430 Tonnenaufwiesen. Diese Großbauteile wurden mit

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Flughafenbrücke Düsseldorf - eine seilverspannte Rheinbrücke mit besonderen Aspekten

Abb. 6: Einbau einesBrückenseils

Abb. 7: Verladen einer Brückensektion mit Dreierteilung

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BAUEN MIT STAHL

Hilfe eines Schwimmkrans direkt vomTransportschiff aufgenommen und aufdie beiden Strompfeiler abgesetzt.

Im zweiten Schritt erfolgte das Anbe-tonieren der angrenzenden Spannbeton-brücken und damit die kraftschlüssigeKoppelung der Vorlandbrücke mit demAuflager-Querträger. Mit dieser Koppe-lung war die Voraussetzung für die Mon-tage des ersten Freivorbauschusses, wel-cher in der vorbeschriebenen Zweiertei-lung auf dem Wasserweg angeliefertwurde, geschaffen.

Mit dem biege- und torsionssteifen Ver-schweißen dieses ersten Vorbauschussesmit dem Auflager-Querträger war eineausreichend große Vormontagefläche fürdie Pylone hergestellt. Die einzelnen Py-lonschüsse, die bereits im Werk vormon-tiert worden waren, wurden mit Einzel-gewichten bis maximal 100 Tonnen perSondertransport auf die Brücke gefahrenund dort liegend im unmittelbaren Ein-baubereich aufgelegt. Nach dem Ver-schweißen von je drei Pylonstielsektionenund zwei Riegelsektionen standen insge-samt drei Großbauteile mit Gewichten vonca. 150 Tonnen für den Pylonriegel undje ca. 300 Tonnen für die beiden Pylon-stiele zur Endmontage bereit. In lediglichdrei Tagen konnte sodann der komplizierteDreieckspylon mit Hilfe eines schwerenGittermastkranes vollständig zusammen-

gebaut und mit schräg angeordnetenHilfsstützen in seiner richtigen Lage fixiertwerden (Abb. 8).

Nach dem vollständigen Abschweißendes Pylons wurde sodann die Freivorbau-montage mit Hilfe von konzentriertenSchwimmkraneinsätzen fortgesetzt. ImRhythmus der Freivorbaumontage desVersteifungsträgers erfolgte der Einbauder wasser- und landseitigen Brückenseileentsprechend den Vorgaben der statischenBerechnung. Die Seile wurden hierbei un-mittelbar nach ihrem Einbau in Endposi-tion mit 50 % der Bruchlast vorgereckt.

Nach Verschweißen der letzten beidenVorbauschüsse und dem Spannen derletzten Seile trennte die beiden Brücken-hälften nur noch ein Leerraum von ca.47 m Länge und 38,5 m Breite. Diese Lückewurde am 11. und 12. September 2001durch die Schwimmkranmontage der bei-den letzten Hohlkastenträger geschlossen(Abb. 9).

Nach dem Verschweißen der letztenLängs- und Querstöße wurde die Stahl-baumontage mit dem Einbau der letz-ten vier Konsolplatten endgültig abge-schlossen.

7 Schlussbemerkung

Selten zuvor hat der Bau einer großenRheinbrücke die Fortschritte im Groß-brückenbau so augenscheinlich hervor-treten lassen wie bei der neuen Flugha-fenbrücke in Düsseldorf. Selten zuvorwurde auch die Fertigung und Montagevon großformatigen Brückensektionenbis zu Maximalgewichten von 430 Ton-nen so konsequent umgesetzt, und nochnie konnte bisher eine große Schräg-seilbrücke über den Rhein in derartigerRekordzeit montiert werden.

Der gezielte Einsatz hochwertiger Fein-kornbaustähle und die Entwicklung neuerTechniken beim Einbau und Vorrecken derBrückenseile stellte zudem unter Beweis,dass auch im Schrägseilbrückenbau nochein großes Potenzial für weitere techni-sche Fortschritte gegeben ist. Dies solltefür die verantwortlichen BrückenplanerAnreiz genug sein, auch in Deutschlandden Einsatz von seilverspannten Brückenweiter zu forcieren.

Literatur

[1] Neue Wege bei Fertigung und Mon-tage der seilverspannten Flughafenbrückeüber den Rhein. Stahlbau, Heft 6, 2002

Abb. 9: Einheben des SchlussstücksAbb. 8: Montage des Pylons

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El-Ferdan-Brücke – Bau der größten Drehbrücke der Welt über den Suezkanal

From 1996 to 2001 the world’s largestswing bridge was built over the SuezCanal in Egypt. This report gives a briefintroduction in the design, fabricationand erection of the bridge and describesthe locking and the swing process.

1 Allgemeines

Im Rahmen von Infrastrukturprogrammenzur Besiedelung des Sinai wurde von 1996bis 2001 von einem Firmenkonsortium –bestehend aus den Firmen ThyssenKruppStahlbau, Krupp Fördertechnik, Orascomund Besix unter der Federführung vonThyssenKrupp Stahlbau – in Ägypten diegrößte Drehbrücke der Welt gebaut. Sieverbindet das vorhandene Schienennetzauf der Westseite des Suez-Kanals mitdem des vorderasiatischen Raumes.

Die aus zwei Überbauten bestehendeFachwerkkonstruktion wurde als Doppel-kragarmsystem ausgebildet. Ihr Stahl-eigengewicht beträgt bei einer Stütz-weite von 2 x 170 m im Mittelfeld undjeweils 150 m in den beiden Endfeldern10.500 t. Die über Land befindlichen End-felder sind verkürzt ausgebildet, da dasGleichgewicht mit zusätzlichen Ballast-

El-Ferdan-Brücke –Bau der größten Drehbrücke der Welt über den Suezkanal

Dr.-Ing. Michael Pfeiffer

2 Konstruktion

Das Tragwerk besteht aus zwei Fachwerk-konstruktionen, die an den Ufern aufDrehpfeilern aufgelagert sind, mit Krag-armen von jeweils 170 und 150 m Länge.Die Systemhöhe der Fachwerke über denDrehpfeilern ist 60 m, die Systemhöhean den Brückenenden und in Feldmitteder Hauptöffnung beträgt 15 m. DasTragwerk ist mit Ausnahme des Dreh-kranes und der Windverbände als vollgeschweißte Konstruktion ausgelegt.

Die vorgegebene Gliederung des Brücken-decks in zwei seitliche Straßenfahrbahnenund ein zentrales Eisenbahngleis, flankiertvon vier Schrammbordbereichen, definiertdie nutzbare Breite und damit den lichtenAbstand der aufgehenden Fachwerkwändezu 10,20 m. Die Breite der Fachwerkwändewurde in Anbetracht der größten Höhe anden Pylonen von ca. 60 m zu 1,20 m ge-wählt, sodass sich eine Gesamtbreite derBrücke von 12,60 m ergibt. Beim Schwen-ken der Brücke ist die Kippsicherheit desBauwerkes ausschließlich über die Eigen-gewichtsauflast und den Durchmesser desDrehkranzes definiert. Aus den vorgege-benen Lasten folgt damit der erforder-liche Außendurchmesser des Drehkranzeszu 17,10 m. Die Brücke musste daherim Grundriss in den Uferbereichen von12,60 m auf 17,10 m aufgeweitet werden.Auf dieser größeren Basis müssen in denSchwenkphasen ca. 6.700 t und in den Be-

gewichten an den Brückenenden her-gestellt wird. Die Brückenhälften sindan den Pylonen auf Drehwerken aufge-lagert und lassen sich hier elektromecha-nisch von der geschlossenen Position indie Parkposition parallel zu den Uferndes Kanals drehen. Sie geben dann denVerkehr auf einem der wichtigsten künst-lichen Seewege der Welt frei.

Im geschlossenen Zustand sind die beidenmit Ausnahme der Brückenmitte identi-schen Überbauten an den Enden mit den

Widerlagern verriegelt und hier horizontalund vertikal gehalten. Das Verriegelungs-system in Brückenmitte ist so ausgebil-det, dass es sowohl horizontale als auchvertikale Momente übertragen kann,sodass unter Verkehrslasten eine knick-freie und kontinuierlich gekrümmte Biege-linie des Haupttragwerkes erzwungenwird.

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BAUEN MIT STAHL

triebsphasen bis zu 9.100 t Vertikallastenmit zugehörigen Einspannmomenten indie Drehpfeiler eingeleitet werden.

Hierzu wurde folgender Konstruktionsauf-bau entwickelt: In die Fachwerkkonstruk-tion sind an jedem Drehpfeiler vier Pylon-beine integriert, über die der größte An-teil der Auflagerlasten eingeleitet wird.Die vier Beine eines Pylons werden jeweilsüber einen quadratischen Trägerrost mitden Abmessungen 15,80 m x 15,80 m ab-gefangen. In Brückenlängsrichtung sinddie Trägerrostelemente mit den Untergur-ten des Hauptsystems identisch. Dazu wer-den die Untergurte im Bereich des Pylonsvon 11,40 m Systemlinienabstand auf15,58 m aufgeweitet. Zudem werden dieBauhöhen von 2,00 m auf 3,50 m ver-größert. Die Trägerroste lagern jeweils anacht Punkten über Topflager auf einemDrehkranz mit einem Durchmesser von17,10 m auf. In der Mitte des Drehkranzesbefindet sich ein Zapfen, der über Spei-chen mit dem Drehkranz verbunden ist.Die gesamte Konstruktion dreht sich umdiesen Zapfen, und die Horizontalkräftewerden dort in den Pfeiler eingeleitet. DieVertikalkräfte werden über Kegelrollenunter dem Drehkranz in den Pfeiler über-tragen.

3 Fertigung

Die Fertigung der Bauteile für die El-Ferdan-Brücke unterteilt sich in die Werk-stattbearbeitung des Stahlbaus und in diedes Maschinenbaus. Von den 10.500 t ge-schweißter Brückenkonstruktion wurden4.000 t im Werk der ThyssenKrupp Stahl-bau GmbH gefertigt. Die übrigen 6.500 twurden als Walzmaterial nach Ägyptenverschifft und dort im Werk der NationalSteel Fabrication weiterverarbeitet. DieFertigung in Ägypten wurde von Personalder ThyssenKrupp Stahlbau GmbH über-wacht. Die Werkstattbearbeitung allerrelevanten Maschinenbaukomponentenerfolgte in der Fertigung der Krupp För-dertechnik GmbH. Hier wurden die Kom-ponenten des Drehwerks komplett vor-montiert, vermessen und die Kegelrollenzur Lagerlaufbahn feinjustiert. Nach er-folgter Abnahme wurden die Drehwerks-komponenten an den Schraubstößen zer-legt und in Segmenten verschifft. In ana-loger Form wurde mit den Antrieben undVerriegelungsmechanismen verfahren.

4 Montage

Die Bauteile aus deutscher Fertigungwurden bis Alexandria bzw. Port Said ver-schifft und von dort aus auf dem Landwegbis zur Baustelle am Suez-Kanal transpor-tiert. Die in den ca. 60 km westlich vonKairo gelegenen Werkstätten der NSFgefertigten Bauteile wurden mit Schwer-lastwagen zur Baustelle gebracht.

Auf beiden Seiten des Kanals wurden vorBeginn der Montagearbeiten große Vor-montageflächen eingerichtet, auf denenSeefrachtkontingente von bis zu 2.000 tBrückenkonstruktion ohne Rücksicht aufden Baufortschritt gelagert werdenkonnten.

Die Montage erfolgte auf beiden Seitendes Kanals am Pylon beginnend und da-nach im beidseitigen Freivorbau parallelzu den Kanalufern. Hierfür standen aufder Ost- und Westseite jeweils ein 350-t-Raupenkran sowie 80- und 120-t-Mobil-krane zur Verfügung. Die Montage desStahlüberbaus wurde im November 2000beendet. Nach Vervollständigung allerElektro- und Maschinenbaukomponentenist eine Testphase von drei Monaten vor-gesehen. Sollten sich trotz permanenterBauwerksvermessung während des erstenDrehvorganges nennenswerte Höhen-unterschiede im Bereich der Mittenver-riegelungen zeigen, werden die Über-bauten zueinander einjustiert. Mit Hilfevon 16 unter den Pylonstielen angesetz-ten 700-t-Pressen können die Überbau-ten angehoben und die Höhenunter-schiede durch Futterplatten zwischenTopflagerdeckel und Trägerrostunter-flansch ausgeglichen werden.

Aufgrund des Einflusses des Justierungs-vorganges auf die Höhenlagen der End-verriegelungen werden die Verriegelungs-kästen an den Widerlagern sowie die derParkposition erst nach dem ggf. erforder-lichen Höhenausgleich einbetoniert. DerAbschluss aller Arbeiten und die Übergabedes Bauwerkes an den Kunden ist fürOktober 2001 vorgesehen.

5 Drehwerk

Jede der beiden Brücken wird durch einenMittelzapfen von 1.300 mm Durchmesserund 3.270 mm Länge aus St 52-3 geführt,der mit dem Fundamentpfeiler fest ver-bunden ist. An diesem Zapfen sind dieRollenträger für die Laufrollen gelagert,sodass eine vollkommen zentrische Be-wegung der Brücken gewährleistet ist. DieKegelrollendrehverbindung jeder Brücken-hälfte besteht aus 112 aus 55 NiCrMo V6gefertigten konischen Laufrollen von

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El-Ferdan-Brücke - Bau der größten Drehbrücke der Welt über den Suezkanal

400 mm Nenndurchmesser, die auf 2 ke-geligen Bahnen aus 34 CrNiMo 6V von17,1 m Durchmesser laufen und im Rol-lenträger geführt sind. Zum Drehen derbeiden Brückenausleger sind am Dreh-kranz 2 um 180° versetzte Antriebe ange-ordnet. Die Drehung erfolgt beim Öffnenim Uhrzeigersinn und beim Schließengegen den Uhrzeigersinn. Ein Öffnungs-bzw. Schließvorgang dauert 29 Minuten,wovon etwa die Hälfte auf den reinenDrehvorgang entfällt.

6 Verriegelungen

Verriegelungen befinden sich an den Un-tergurten der Brückenenden und in Brü-ckenmitte. Sie werden am Beispiel derMittenverriegelung beschrieben. Diese be-steht aus zwei Obergurt- und zwei Unter-gurtverriegelungen. Beide Brücken wer-

den durch die Mittenverriegelungen somiteinander verbunden, dass ein Durch-laufträger entsteht, wobei die Verriege-lung gleichzeitig die Funktion eines Deh-nungsstoßes übernimmt. Die mittlereSpaltweite zwischen Western Span undEastern Span beträgt 320 mm. Es sindtheoretisch Abweichungen von - 280bis + 280 mm möglich.

Die Riegel der Untergurtverriegelung sindin die Hauptträger eingebaut und habeneinen rechteckigen Querschnitt von 900x 500 mm. Die Riegel der Obergurtverrie-gelung befinden sich in den Obergurten. Alle Riegel aus dem Werkstoff 34 CrNiMo6V werden in Gleitplatten aus G-CuSn 12Ngeführt und bewegen sich parallel zurBrückenlängsachse. Die Riegelspitze unddie zugehörige Riegeltasche, die sichjeweils im gegenüberliegenden Brücken-teil befinden, sind allseitig mit Abrundun-

gen versehen, sodass Fehlfluchtungenim Obergurt und im Untergurt bis zu ei-nem Maß von ± 161 mm horizontal und± 157 mm vertikal ausgeglichen werdenkönnen. Die Hauptbestandteile der Riegel-tasche sind ein Führungsrahmen mit ko-nischem Einlauf und die Stützrolle mitDurchmesser 950 mm, die in der Höheeinstellbar ist. Der Werkstoff der Stütz-rolle ist 42 CrMo 4V, für die Lager wer-den Pendelrollenlager verwendet. DasAntriebsprinzip ist bei allen Antriebender Spindelantrieb. Die Verriegelungenwerden von Käfigläufer-Asynchronmo-toren mit angebautem Getriebe ange-trieben. Auf hydraulischen Antrieb wurdeauf ausdrücklichen Kundenwunsch be-wusst verzichtet.

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BAUEN MIT STAHL

Der Neubau der Autobahn A71/A73 isteines von sieben Fernstraßenprojekten imRahmen der 1991 von der Bundesregie-rung beschlossenen „VerkehrsprojekteDeutsche Einheit“. Das Verkehrsprojekt Nr. 16 realisiert eineNord-Süd-Verbindung von der thüringi-schen Landeshauptstadt Erfurt über eineGabelung bei Suhl zu den fränkischenZentren Schweinfurt/Würzburg bzw.Coburg/Bamberg, Nürnberg (Abb. 1).

Bei der Thüringer Waldautobahn des Mit-telgebirges ergeben sich aufgrund derTopografie 40 Großbrücken, wobei dielängste 1.187 m lang und die höchste110 m hoch wird. Doch nicht nur die Topo-grafie, sondern auch die Aufgabe, in derzum größten Teil landschaftsgeschütztenMittelgebirgslandschaft einen modernenVerkehrsweg zu bauen, war bestimmendfür die große Anzahl von Großbrücken. ImBereich der Kammquerung werden weiterauf 20 km vier Tunnel mit insgesamt12,6 km Länge erforderlich, wobei derlängste, der Rennsteigtunnel, 7,9 kmlang ist.

Trotz der vielen Großbrücken wurde aufjegliche Standardisierung verzichtet. Viel-mehr wurde auf jeden Standort individuelleingegangen. Daraus ergibt sich eine Viel-falt von unterschiedlichen Brückentypen.Weiterhin wurde die Möglichkeit genutzt,Brücken für die Erprobung neuer Bau-weisen auszuwählen, für die diese maß-geschneidert erscheinen. Von den insge-samt 40 Großbrücken sind 13 Stahlver-bundbrücken im Bau oder in Planung,über den Bau eines Teils davon wird imfolgenden berichtet.

1 Talbrücke Altwipfergrund

Die Talbrücke Altwipfergrund überquertein Naturschutzgebiet mit absolutem Bau-verbot im Talraum. Der Talraum musste imFreivorbau überbrückt werden. Daraus er-gab sich eine 3-Feld-Brücke mit Stützenvon 82 - 115 - 82 m. Die Überbauten stellen eine Neuheit imDeutschen Brückenbau dar. Es handelt

sich um einen Kastenquerschnitt, bei demdie Fahrbahn- und die Bodenplatte ausBeton und die Kastenstege aus Trapez-blechen bestehen. Brücken dieser Bauartexistieren bisher nur in Frankreich undJapan (Abb. 2).

Gegenüber Betonstegen besitzen die Tra-pezstege ein deutlich geringeres Gewicht.Durch die Faltung werden bei Trapezste-gen im Vergleich zu ebenen Blechen dieQuerbiegesteifigkeit erhöht, das Beultrag-verhalten verbessert und die Normalkraft-steifigkeit erheblich reduziert. Infolgeihrer Faltung entziehen sich die Trapez-stege also weitgehend der Wirkung vonLängskräften, sodass Vorspannkräfte direktin die Betonbauteile übertragen werden.

Der Vorteil dieser Bauweise liegt dem-nach einerseits in der Gewichtsersparnisdurch die Stahlstege und andererseits inder effizienteren Wirkung der Vorspann-kräfte. Darüber hinaus sichert die erhöhteQuerbiegesteifigkeit der Trapezstege denErhalt der Querschnittsform des Kastens.Die Verbesserung des Beultragverhaltens

schließlich erlaubt den Verzicht auf Beul-steifen.

Die Konstruktionshöhen des gevoutetenTragwerks liegen bei 6,0 m über den Pfei-lern sowie 3,5 m in den Seitenfeldern und2,8 m im Mittelfeld. Das vorgespannteTragwerk wird in Mischbauweise (Mi-schung aus externen Spanngliedern ohneVerbund und internen Spanngliedern mit

Stahlverbundbrücken der Thüringer Waldautobahn

Dipl.-Ing. Gundolf Denzer

Abb. 1

Abb. 2

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Verbund) erstellt. Eine weitere Besonder-heit stellen hierbei die zwischen den mas-siven Auflagerquerträgern befindlichen12 Anker- und Umlenkstellen der exter-nen Spannglieder dar, die komplett inStahl ausgeführt werden. Neben ihrerprimären Funktion, die Spannkräfte ein-zuleiten, werden die Querverformungendes Tragwerks durch diese Quereinbautenminimiert.

Die Einleitung von Querbiegemomentenaus der Fahrbahnplatte in die Trapezstegeerfolgt über Stahlschlaufen, die am Stahl-obergurt über jeder Innen- und Außen-sicke angeordnet sind und bis in die obereBewehrungslage der Platte ragen. DieQuerbiegemomente der unteren Rahmen-ecke werden über horizontale Kopfbol-zendübel an den Stegblechen im Bereichder Bodenplatte eingeleitet.

Der gewählte Überbauquerschnitt bietetbesonders günstige Voraussetzungen füreine Herstellung im Freivorbau, weil dieTrapezstege als tragende Elemente desVorbauwagens genutzt werden können.

Dadurch ergibt sich im Vergleich zur Her-stellung eines Kastenträgers in Massiv-bauweise eine verhältnismäßig leichteSchalwagenkonstruktion. Weil Fahrbahn-und Bodenplatte ohne Nachteile hinsicht-lich der Qualität der Ausführung in unter-schiedlichen Arbeitsschritten herstellbarsind, treten die beim Betonieren von mas-siven Kastenträgern bekannten Problemeaus dem Abfließen der Hydratrations-wärme nicht auf.

2 Talbrücke Reichenbach

In ca. 60 m Höhe überquert die Reichen-bachtalbrücke ein langgestrecktes, offe-nes, landschaftlich reizvolles Tal. Die1.000 m lange Brücke hat 14 Felder miteiner maximalen Stützweite von 105 m.Im Bereich der großen Felder ist der Über-bau als Voutenträger ausgebildet mit max.6,5 m Bauhöhe. Der Überbau ist ein ein-teiliger Stahlverbundquerschnitt, der beiverschiedenen Brücken der ThüringerWaldautobahn zur Anwendung kommt.

Nach den Vorgaben des Bundesministersfür Verkehr sind für jede Richtungsfahr-bahn getrennte Überbauten herzustellen,um bei größeren Instandsetzungsmaßnah-men den Verkehr einer Fahrbahn sperrenund auf die Gegenseite umlegen zukönnen. Gerade in landschaftlich sensi-blen Lagen bringt die Ausführung ge-trennter Überbauten jedoch besondereProbleme mit sich. Vor allem dort, woder Überbau den Talraum in sehr großerHöhe quert, ergeben sich mitunter ge-stalterisch unbefriedigende Lösungen,weil die für jeden Überbau erforder-lichen Stützen den Talraum verstellen.

Bei einteiligen Überbauten muss jeder-zeit - wie bei der Regelbauweise - dieMöglichkeit bestehen, Instandsetzungsar-beiten unter weitgehender Aufrechter-haltung des Verkehrs ausführen zu kön-nen. Weil sich bei den infrage kommen-den Stützweiten die Verbundbauweise alsbesonders wirtschaftlich erwiesen hat undbei dieser Bauweise die Fahrbahnplatte alsVerschleißteil gesehen werden muss, erga-ben sich für die Planung, Berechnung undKonstruktion der einteilig auszuführenden

Überbauten weitreichende, über die Fest-legungen der üblichen Normen hinaus-gehende Anforderungen.

Im Hinblick auf normale Instandsetzungs-maßnahmen und diese besonderen Anfor-derungen wird daher verlangt, ergänzendzu DIN 1072 mit allen Konsequenzen hin-sichtlich Bemessung und Konstruktioneinen Lastfall „Fahrbahnplattenauswechs-lung“ mit folgenden Randbedingungen zuuntersuchen: – 4/0 Verkehr auf einer Brückenhälfte;– auf der anderen Brückenhälfte Belag

und Kappen über die gesamte Brücken-länge entfernen;

– halbseitiger Abbruch der Fahrbahn-platte an beliebiger Stelle. Die Abschnittslängen sollen 15 – 20 m betragen.

Bei allen von DEGES ausgeführten ein-teiligen Überbauten hat sich gezeigt, dassder geforderte Lastfall mindestens für dieBemessung der Fahrbahnplatte, der Ver-dübelung, der äußeren und inneren Längs-träger sowie der Obergurte des Haupt-tragwerks bemessungsmaßgebend istund daher gegenüber einer Bemessungnach DIN 1072 zu Mehrmengen führt,die robuste und dauerhafte Bauwerkeerwarten lassen. Die Wirtschaftlichkeitdieser Bauweise ist ab einer Höhe vonca. 50 m über Tal gegeben.

Der einteilige Überbauquerschnitt derReichenbachtalbrücke ist als Kastenträgermit geneigten Stegen ausgebildet. Dieoberen und unteren Kastenbreiten werdenin allen Feldern konstant ausgeführt. Da-durch ergeben sich in den gevoutetenBereichen leicht veränderlich geneigte

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Stahlverbundbrücken der Thüringer Waldautobahn

Abb. 3 Abb. 4

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BAUEN MIT STAHL

Stegflächen. Der Kastenträger wird inQuerrichtung im Abstand von 5 m durchQuerrahmen und Diagonalstreben ausge-steift. Die beidseitig weit über die Stegedes Hohlkastens auskragende Fahrbahn-platte wird durch geneigte Druckstrebenaus Stahlrohren gestützt, die im Abstandder Querverbände angeordnet sind. DieNeigung der Druckstreben erfordert dieAusbildung eines Zugbandes zwischen denfahrbahnseitigen Endpunkten der Druck-streben in der Höhenlage der Kastenober-gurte.

Die parallel-gurtigen Teile der Stahlkons-truktion werden von beiden Widerlagernaus im Taktschiebeverfahren eingescho-ben; die gevouteten Überbauquerschnittewerden eingehoben. Zum Einsatz kamen2 Taktanlagen. Zeitgleich mit dem Takt-schiebevorgängen wurden 4 Pfeilerkopf-schüsse mit einem 800 t-Gittermast-Rau-penkran auf die Pfeilerköpfe gehoben unddort befestigt. Im Anschluss wurden diegevouteten Mittelfelder mittels eines elek-tronisch gesteuerten Litzenhubsystemseingehoben und mit den Pfeilerkopf-schüssen verschweißt. Das maximale Ge-wicht eines Mittelfeldes betrug 750 t. DieOrtbetonfahrbahnplatte wird im Pilger-schrittverfahren von beiden Talseiten auseingebaut (Abb. 3 und 4).

3 Talbrücke Wilde Gera

Das tief eingekerbte Tal, das in 110 mHöhe überbrückt werden muss, erfordertim Talbereich eine Mindeststützweite von114 m, um das Tal von Pfeilereinbautenfreizuhalten. Daraus entwickelte sich alsVorzugsvariante eine parallelgurtigeBalkenbrücke mit einer Gesamtlänge von552 m. Variantenuntersuchungen mit

4 Talbrücke Albrechtsgraben

Eine weitere Bogenbrücke mit einteiligemQuerschnitt überquert in einer Höhe von80 m den Albrechtsgraben mit einer Ge-samtlänge von 770 m. Die Bogenstütz-weite beträgt 157 m. Die Herstellung desBogens erfolgte auf einem bodengestütz-ten Lehrgerüst, abschnittsweise von bei-den Seiten aus in Schüssen von je 10 m.

Der Stahltrog für den Verbundquer-schnitt des einteiligen Überbaus war in47 Schüsse unterteilt. Für den Bahn-transport von Verona zur Baustelle wurdeein Schuss aus 6 Einzelsegmenten her-gestellt. Auf den Vormontageplätzenhinter den Widerlagern wurden jeweils2 Teile der beiden Stege und der Boden-platte zu insgesamt 2 Stegteilen und ei-nem Bodenplattenteil verschweißt. Aufden Montageplätzen erlaubte jeweilseine fahrbare, leichte Montagehalle diewitterungsunabhängige Montage desStahltroges mit Abschnittslängen von85 bis 102,5 m, der anschließend mitSeilwinden eingeschoben wurde (Abb. 7).

Abb. 5 Abb. 6

Abb. 7

zweiteiligen Überbauten ergaben auf-grund der Höhe von 110 m über Tal ge-stalterisch unbefriedigende Lösungen.Deshalb wurde der bei der Reichenbach-talbrücke beschriebene einteilige Stahl-verbundquerschnitt konzipiert und aus-geschrieben.

Den Wettbewerb hat ein Sondervorschlaggewonnen mit einer Bogenlösung mit derRekordspannweite von 252 m und einemAngebotspreis von rd. 46 Mio. DM. Durchden einteiligen Überbau war eine wirt-schaftliche Bogenvariante möglich. DerBogen, ein zweizelliger Hohlkasten, wurdevon beiden Seiten mit Hilfe von Abspan-nungen frei vorgebaut in 24 Takten mit6 m Abstandslänge. Der Stahltrog wurdein 26 Schüssen im Werk gefertigt und mitje 2 Segmenten zur Baustelle transpor-tiert. Je 3 Schüsse wurden hinter demWiderlager zusammengebaut, durch dieSchrägstreben, Zugbänder und außen-liegende Längsträger ergänzt, die im 2-Wochen-Takt eingeschoben wurden, wo-raus sich eine sehr kurze Montagezeitergab (Abb. 5 und 6).

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längste Brücke der Thüringer Waldauto-bahn. Die maximale Stützweite beträgt85 m. Um das Tal bei der relativ flachkreuzenden Autobahn (im Bereich einerBundesstraße ca. 10 m) offen zu halten,wurde eine schlanke Überbaukonstruktionmit luftdichtverschweißten, voutenförmi-gen Kastenträgern ohne inneren Korro-sionsschutz gewählt. Damit konnte dieBauhöhe im Randbereich auf 2,10 m redu-ziert werden. Im Bereich der Stützen desHauptfeldes beträgt sie 4,85 m. In denAuflageachsen sind die beiden Haupt-träger (zweiteiliger Überbau) durchQuerträger verbunden.

Die Stahlkonstruktion für die Werratal-brücke besteht in Längsrichtung aus ins-gesamt 33 Montageschüssen je Haupt-träger. Die Längen dieser Montageschüssebewegen sich zwischen minimal 31 m undmaximal 50 m. Die Anlieferung der Mon-tageschüsse erfolgte grundsätzlich überStraßentransport, wobei wegen der gro-ßen Längen lediglich nächtliche Sonder-transporte ausgeführt werden konnten.

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Stahlverbundbrücken der Thüringer Waldautobahn

Abb. 10

Abb. 9

Die Montage der einzelnen Trägerschüsseerfolgte mit Autokran, wobei alle 4 Haupt-träger für beide Überbauhälften gleich-zeitig montiert wurden. Die Länge desersten Montageabschnittes war so ge-wählt, dass das erste Brückenfeld über-spannt wurde und in das zweite Brücken-feld auskragte. Die nächsten Brückenfel-der wurden dann je nach Brückenfeld-länge mit bis zu 2 Segmenten pro Feldohne Hilfsunterstützung „frei vorgebaut“.Die Herstellung der Fahrbahnplatte er-folgte aufgrund des engen Termins mit3 Schalwagen im Pilgerschrittverfahren (Abb. 9 und 10).

Im Zuge der A 73 sind weitere 5 Stahlver-bundbrücken geplant; davon 2 mit ein-teiligem Querschnitt, wobei die Haseltal-brücke bei Suhl eine maximale Spann-weite von 175 m aufweist. Bei der Tal-brücke St. Kilian bei Schleusingen ist eindreieckförmiges Rohrfachwerk in Ver-bundbauweise vorgesehen. Damit wirdaufgrund der guten Erfahrungen dieStahlverbundweise auch auf der A 73hoffentlich erfolgreich weitergeführt.

5 Talbrücke Seßlestal

In unmittelbarer Nachbarschaft zur Tal-brücke Albrechtsgraben überquert dieSeßlestalbrücke ein landschaftlich sehrreizvolles Tal des Thüringer Waldes in 50 mHöhe und einer Gesamtlänge von 320 m.Auch hier kam der einteilige Querschnittzur Ausführung. Ursprünglich geplant wareine zweiteilige Stahlverbundbrücke mitüber 100 m Stützweite. Durch die geringeFlächeninanspruchnahme des Unterbausbeim einteiligen Querschnitt in demschiefwinklig kreuzenden Talraum konntedie Stützweite auf 87,5 m reduziert wer-den. Damit ergaben sich Feldweiten von72,5 - 87,5 - 87,5 - 72,5 m.

Der einzellige Stahltrog des Verbund-querschnittes war in Längsrichtung in15 Schüsse unterteilt. Im Werk wurdenje Schuss die beiden Seitenteile und dasBodenblech sowie die dazugehörigenLängsträger, Querverbände und Diagonal-streben vorgefertigt. Sie wurden mit LKW-Sondertransporten maximal 23 m langund bis zu 94 t schwer zur Baustelle ge-fahren. Auf dem Montageplatz wurdendie Einzelteile zu Schüssen und zu Ver-schublängen von 87 m verschweißt undanschließend eingeschoben (Abb. 8).

6 Talbrücke Werratal

Die Brücke überquert das Werratal inmaximal 34 m Höhe mit einer Gesamt-länge von 1.194 m. Sie ist damit die

Abb. 8

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BAUEN MIT STAHL

1 Einleitung

Im Zuge der BAB A71 von Erfurt nachSchweinfurt überquert die Autobahnnördlich von Meiningen das Tal derSchwarza zwischen den Orten Rohr undSchwarza. Der über 9 Felder durchlau-fende 675 m lange Stahlverbundbalkenwird auf bis zu 65 m hohen Pfeilern ge-tragen. Dabei kann das Brückenbauwerkgleich mehrere innovative Lösungen undEntwicklungen im Großbrückenbau auf-weisen. Neben dem im Zuge der A71 inDeutschland erstmals ausgeführten ein-zelligen Verbundbrückenquerschnittes fürbeide Richtungsfahrbahnen, wurde derStahltrog, obwohl in einer Klothoide mitA =1.200 m liegend, von einer Seite ein-geschoben. Die neu entwickelte hängendeSchalwagenkonstruktion gewährleistetedie Herstellung einer durchdringungs-freien Stahlverbundplatte. Die variableSchalwagenlänge von bis zu 30 m führtezu optimalen Betonierabschnitten im Be-reich der Stützen. Die vorgegebenen Zwi-schentermine zur Nutzung der Brücke fürErdtransporte erlaubten lediglich eineBauzeit von 18 Monaten für die insge-samt 21.000 m2 Brückenfläche.

2 Entwurf und Vergabe

2.1 Ausschreibungsentwurf

Der Ausschreibungsentwurf sah eine665 m lange Brücke vor, die auf zum Teilgegliederten Massivpfeilern aufgelegt war.Die Gründung wurde zum Teil als Tief-gründung zum Teil als Flachgründung vor-gesehen. Das Widerlager A90 war hoch-gesetzt und tiefgegründet. Der Überbauwar als einzelliger Überbau in Verbund-bauweise ausgeschrieben. Der Stahltroghatte einen Obergurtabstand von 10,40 m,eine Bodenplattenbreite von 8,40 m mitnach innen versetzten Lagerpunkten undeine konstante Bauhöhe von 3,85 m. Dieweitauskragende Verbundplatte wurde jeSeite durch einen zusätzlichen äußerenLängsträger abgestützt. Im Abstand von5,00 m waren Quertragsysteme aus Dia-gonalen und Zugbändern angeordnet.

Der innere Längsträger in Brückenachsewar als offenes Profil vorgesehen. In denLagerachsen waren Vollschotte mit Durch-stiegen angeordnet. Zwischen den äuße-ren Auflagerträgern hatte die Verbund-platte eine konstante Dicke von 35 cm.

2.2 Ausführungsentwurf

Die Vergabe der Brücke sah die Berück-sichtigung von 3 Nebenangeboten vor.1. Das Brückenfeld A80 - A90 wird um

10 m verlängert. Dadurch kann auf dieTiefgründung des hochgesetztenWiderlagers A90 verzichtet werden.

2. Die massiven Pfeiler werden im ein-teiligen Bereich als begehbare Hohl-pfeiler ausgebildet. Dadurch kann dieGründung wirtschaftlicher dimensio-niert werden und es wird nur nocheine Tiefgründung in der Achse A30erforderlich.

3. Der Überbau wird konstruktiv opti-miert. Die Bodenblechbreite wird auf7,40 m reduziert. Die Auflager werdendirekt unter den Hohlkastenstegen an-geordnet. So kann neben der Reduzie-rung der Anstrichflächen auf die mas-

sive Ausführung der Lagerquerschei-ben verzichtet werden. Die äußerenKragarme der Verbundplatte werdengeringfügig erhöht, um die Neigungder Außendiagonalen zu erhöhen.

3 Konstruktion und Berechnung

3.1 Lagerlastermittlung

Der vorgegebene enge Terminplan er-laubte es nicht, die Lagerlasten an demendgültig dimensionierten Überbau zuermitteln. So wurden parallel zur Über-bauberechnung die Lagerlasten an einemzweiten, vereinfachten statischen Systemermittelt (Abb. 3). Dabei wurden alleElemente des Bauwerkes von der Grün-dung über die Pfeiler und dem Überbauabgebildet. Es zeigte sich, dass insbe-sondere die hohen Pfeiler einen nichtunerheblichen Einfluss auf die Lagerlas-ten hatten. Zur Optimierung der Dehn-wege an den Widerlagern wurde der Fest-punkt in Brückenlängsrichtung in die Brü-ckenmitte gelegt. Dazu wurden an denvier Innenpfeilern A30 bis A60 jeweilsFestlager angeordnet.

Talbrücke Schwarza

Dipl.-Ing. Dieter Reitz

Abb. 2: Querschnitt

Abb. 1: Längsschnitt

Abb. 3: System Lagerlastermittlung

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3.2 Statisch-konstruktive Ausführung

Die Bemessung des Überbaues wurde aneinem 3-Stab-Modell (Abb. 4) durchge-führt. Dabei bildeten die äußeren Stabele-mente die Biegesteifigkeit jeweils einesSteges mit den zugehörigen Gurten ab.Der dritte innenliegende Stab berücksich-tigte die Torsionssteifigkeit des Überbauesund erhielt keine Biegesteifigkeit. DieKopplung der Längssysteme erfolgte überQuerstäbe, welche im Abstand der Quer-rahmen angeordnet waren. SämtlicheBlechabstufungen über die Brückenlängs-richtung wurden in das Modell eingear-beitet. Bis zur endgültigen Bemessungwaren mehrere Berechnungen zur Fin-dung der optimalen Materialverteilungnotwendig. Die Herstellung der Verbund-platte musste bereits zu diesem frühenZeitpunkt, immerhin ein Jahr vor Beto-nierbeginn, festgelegt sein, um bei derBerechnung miteingearbeitet zu werden.So wurden insgesamt 48 Betoniertaktemit 15 bzw. 30 m vorgesehen. Einschließ-lich der Verkehrslastfälle waren insge-samt 380 Lastfälle zu berücksichtigen.

3.3 Montagerelevante Zustände

Die Einflüsse des Montageverfahrenswaren zwingend zu berücksichtigen. Beimgewählten Taktschieben sind insbesonderezwei Kriterien bemessungsrelevant. DerLängseinschub ohne zusätzliche Hilfs-stützen führte zu einer freiauskragendenBrückenspitze von 85 m. Diese Kragarm-beanspruchung war vom Überbau aufzu-nehmen. So wurde die Länge des Vorbau-schnabels mit 30 m festgelegt. Die maxi-male Kragarmbeanspruchung kam somitbei 85 m – 30 m = 55 m Brückenlänge zuliegen. Obwohl dies exakt der Stützquer-schnitt A10 war, mussten geringfügigeObergurtverstärkungen vorgenommenwerden. Zum anderen ist die Einleitung

der punktförmigen Vertikallasten der Ver-schublager über die gesamte Brücken-länge nachzuweisen. Die Länge der Last-einleitung, d. h. die Konstruktion der Ver-schublager war bindend festzulegen. DieStegdicken und die Anordnung der Beul-steifen wurden durch diesen Lastfallmaßgeblich bestimmt.

3.4. Sonderlastfall Plattenaustausch

Neben den allgemeinen Lastfällen ausständigen Lasten und Verkehr war fürdiesen neuen Brückentyp der LastfallPlatten- austausch unter Verkehr zu be-rücksichtigen. So musste gewährleistetwerden, dass der einteilige Überbau denBrücken mit zwei getrennten Überbau-ten gleichwertig ist. Der zu untersuchendeLastfall ermittelte die Beanspruchungenam Überbau bei Auswechseln eines 15 mlangen Fahrbahnfeldes einer Richtungs-fahrbahn. Der Verkehr wird für diesenZeitraum mit 4 + 0 auf die Gegenfahr-bahn verlegt (Abb. 5). Der Austauschder Platte darf in zwei Abschnitten er-folgen. Neben dem Nachweis für denRestquerschnitt sind ergänzende kons-truktive Maßnahmen, Verbände bindendzu dimensionieren und festzulegen. Fürdie Arbeiten ist eine exakte Arbeitsan-weisung aufzustellen.

4 Unterbauten

4.1 Gründung

Die vorliegenden geologischen Verhält-nisse erlaubten es weitestgehend, Flach-gründungen vorzusehen. Lediglich in derAchse A30 wurden die Pfeiler auf 22 mlangen Großbohrpfählen mit Durchmesser1,50 m gegründet. Die Widerlager wurdenebenfalls flach gegründet.

4.2 Pfeiler und Widerlager

Die ausgeführten Pfeiler bestehen aus 2massiven Einzelstützen mit einer kon-stanten Länge von 24 m. Die Auflager-punkte werden über einen Riegel mit in-tegriertem Besichtigungssteg verbunden.Die höheren Pfeiler werden zum Funda-ment hin durch einen Hohlpfeiler ent-sprechend ergänzt. Bestehen die Einzel-stützen aus einem konstanten Trapez-querschnitt, so erhält der Hohlkasteneinen Anzug in Längs- und Querrichtung.Die Herstellung der Pfeiler erfolgte mitHilfe einer Kletterschalung. Die 5 m Ab-schnitte wurden im Wochentakt herge-stellt. Die Zwischenpodeste wurden alsFertigteile eingebaut. Der Terminplan be-stimmte die Zahl der gleichzeitig herzu-stellenden Pfeiler. So wurden die Grün-dungen und die ersten Pfeilerschüsse mitkleineren Hochbaukränen je Pfeiler er-richtet. Anschließend wurden bis zu 75 mhohe Turmdrehkräne jeweils zwischen 2Pfeilern aufgebaut (Abb. 6).

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Talbrücke Schwarza

Abb. 4: 3-Stab-Modell

Abb. 5: Plattenaustausch

Abb. 6: Herstellung der Pfeiler

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BAUEN MIT STAHL

5 Fertigung und Transport Stahlkonstruktion

5.1 Querschnitt

Das Montageverfahren und die maximalmöglichen Transportabmessungen be-stimmten die Gliederung des Hochkas-tenquerschnittes. Für den Einschub derBrücke sind größere Blechdicken des Un-tergurtes im Bereich der Lasteinleitung(Steg) wünschenswert. Das breite Boden-blech kann aus statisch konstruktivenGründen mit geringeren Blechdicken aus-geführt werden. So bietet sich eine Mate-rialabstufung in Brückenquerrichtung an.Die Abstufungen definieren die Montage-stöße. Die vorhandene Bauhöhe des Stahl-kastens von 3,85 m ist liegend transport-fähig. Der Querschnitt wurde somit in 3Transportelemente aufgeteilt. Jeweils 2Seitenteile mit Obergurt, Steg und antei-ligem Untergurt sowie der Bodenplattebilden einen Brückenschuss (Abb. 7). DieStegaussteifung erfolgt über 2 bzw. 3Beulsteifen. Die Bodenplatte wird mitinsgesamt 6 Steifen ausgeführt.

5.2 Längsteilung

Wirtschaftliche Materialabstufungen undfertigungstechnische Randbedingungenbestimmten die Längen der Transportein-heiten. So wurde die 675 m lange Brü-ckenkonstruktion in 24 Schüsse aufgeglie-dert. Es wurden bis zu 32 m lange, 5,50 mbreite und 100 t schwere Bauteile als Son-dertransporte zur Baustelle gefahren. Diesekundären Längsträger, gewählt als Walz-profil der Reihe HEA, die Diagonalen ausRundrohren sowie die Zugbänder alsFlachstahlquerschnitt wurden als Einzel-elemente angeliefert.

6 Montage

6.1 Taktschieben

Aufgrund der großen Talhöhe kam fürdie Herstellung des Stahlüberbaues auswirtschaftlichen Aspekten nur das Ein-schieben der Konstruktion in Betracht.Gegen das Einschieben sprach die Auto-bahnführung im Bereich der Brücke. Soliegt die Brücke im Bereich einer Klotho-ide mit A = 1.200 m am Widerlager A0und A = ∞ am Widerlager A90. Zusätzlichliegt die Gradiente der Brücke in einemGefälleknick von 4,5 % auf - 0,8 %, dermit einem Wannenhalbmesser von25.000 m ausgerundet wird. Trotzdemwurde das Einschieben der komplettenBrücke von einer Seite, vom TiefpunktWiderlager A90 aus gewählt. Die maxi-male Abweichung von der Verschubachsezu der endgültigen Brückenachse ermit-telte sich dabei im Bereich der Pfeiler mit+ 4,00 m zum Außenradius hin. Zur Redu-zierung der Exzentrizitäten auf den Pfei-lern wurden Querverschubbahnen von- 1,00 m bis + 2,50 m vorgesehen (Abb. 8und 9). Zudem wurde das elastische Ver-formungsvermögen der Stahlkonstruk-

tion mit 0,50 m berücksichtigt. Auf demVormontageplatz hinter dem WiderlagerA90 wurden jeweils 2 Schüsse (ca. 60 m)vormontiert, verschweißt sowie die Bau-stellennähte mit dem Korrosionsschutzversehen. Anschließend wurde die Brü-ckenkonstruktion um einen Takt, ca. 60 mlängsverschoben. Dazu wurden am Brü-cken- ende zwei hydraulische Litzenheberinstalliert, die am Widerlager verankertwaren. Nach 13 Verschubtakten hattedie Brücke ihre endgültige Lage erreicht.Für jeden Takt waren 2 Wochen erforder-lich. Wurde der 1. Verschub am 2. Sep-tember 1999 vorgenommen, so konntebereits am 1. März 2000 das WiderlagerA0 erreicht werden.

6.2 Vorbauschnabel

Aufgrund der vorliegenden Stützweiten-verhältnisse von 55 m (1. Feld) und 85 m(maximale Stützweite) wurde die Längedes Vorbauschnabels mit 30 m gewählt.Der maßgebende Einschubzustand ermit-telte eine maximale Durchbiegung an derSchnabelspitze von 2,10 m. Als Lösungwurde der Vorbauschnabel mit einer Vor-

Abb. 7: Transport-querschnitte

Abb. 8: Verschublagermit Querverschubbahn

Abb. 9: Überbau mit2,50 m Exzentrizität

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überhöhung von 1,00 m gefertigt. Einezweistufige Hebevorrichtung an derSchnabelspitze konnte die fehlende Höhevon 1,20 m überbrücken. Mit dieser Kon-zeption war es möglich, bei den kleinerenFeldweiten auf ein Anheben zu verzichten(Abb.10). Lediglich bei den 85 m Feldernwar die 2. Stufe der Hebevorrichtung er-forderlich. Dabei zeigte sich auch, dassdie berechneten Verformungen nur zu90 % erreicht wurden.

6.3 Verschublager

Die besonderen Anforderungen währenddes Einschiebens führten zu einer Neu-entwicklung der Verschublager. Dabeiwaren folgende Kenngrößen zu berück-sichtigen:– kontinuierliche Einleitung der vertikalen

Verschublagerkraft (max. V = 5.500 kN)in den Überbau; die Lasteinleitungs-länge wurde in Abhängigkeit einerwirtschaftlichen Stegdicke mit 2,50 mfestgelegt;

– grosser Verdrehwinkel (vertikal) beimAuflaufen des Vorbauschnabels;

– Verschubmöglichkeit quer zurBrückenachse;

– stetig sich ändernder Winkel(horizontal) zwischen Brückenachseund Pfeilerachse;

– beim Querverschub kontinuierlich mit-zuführende Horizontallastabtragung;

– aktive Horizontalführung bei denverbreiterten Pfeilerquerschnitten;

– Kontrollmöglichkeiten zur Über-wachung der richtigen Lage derBrücke während des Verschubes;

– möglichst geringe Bauhöhe zur Ver-meidung von aufwendigen Abstapel-vorgängen zwischen Verschubhöheund endgültiger Bauwerkshöhe.

Bei der Talbrücke Schwarza kam folgendeKonzeption zur Ausführung. Die Ver-schublager für den Längsverschub wurdenals Wippen (Abb. 8) ausgebildet. Die Stei-figkeit der Wippen wurde mit dem Über-bau so abgestimmt, dass im Zusammen-hang mit der Anordnung einer Lage be-wehrter Elastomere auf den Wippen diekontinuierliche Lasteinleitung über dieLänge von 2,50 m gewährleistet werdenkonnte. Das Verschubmedium bestand ausder Paarung Edelstahl und Teflon (PTFE).Die Horizontalführung war direkt am Ver-schublager befestigt. Die beiden Verschub-lager je Pfeiler waren über eine Bolzen-verbindung miteinander verbunden, diedie vorhandenen Horizontallasten überliegend angeordnete Pressen an die Pfei-ler abgeben konnte. Unterhalb der Wip-pen wurde eine Querverschubbahn vor-gesehen. An den Pfeilern 20 bis 50 wurdedie Querverschubbahn durch angehängteKonsolen verlängert. Die Lagersockel wur-den nachträglich hergestellt. So konnteder Überbau lediglich 150 mm überhöhteingeschoben werden. Ein Abstapelnkonnte daher entfallen.

6.4 Messprogramm

Gemäß den Vorgaben der ZTV-K sind ins-besondere in Brückenquerrichtung engeToleranzen für den Rohbau vorgesehen. Soist lediglich eine Abweichung des Quer-gefälles von 0,2 % zulässig. Dieses Tole-ranzband ist bei Verbundbrücken dieSumme der Toleranzen von Stahlbau undMassivbau. Eine absolute Herausforde-rung für den Stahlbau insbesondere beieinzelligem Querschnitt.

Beim Einschub der Talbrücke Schwarzamussten zudem die sich ständig änderndeLage der bereits eingeschobenen Kons-truktion für die neuanzubauenden Schüsse

aufgenommen und in die Messprotokolleeingearbeitet werden. Dabei waren nichtnur die Lagekoordinaten x und y zuüberprüfen. Aufgrund der 4 % geneigtenQuerverschubbahnen ergaben sich neueHöhenpunkte für die Brückenkonstruktionin den Pfeilerpunkten. Während des Ver-schubes wurde die Brücke horizontal anden Pfeilern über Pressen schwimmendgelagert. Die Kontrolle der richtigen Lagekonnte somit sowohl kraft- als auch weg-gesteuert erfolgen.

Nach Abschluss der Stahlbauarbeitenwurden die Kalottenlager eingebaut undmit dem Überbau verbunden. Ein Aufmaßder Oberkante Stahlkonstruktion bildetedie Grundlage für die Fahrbahnplatten-herstellung.

7 Verbundplattenherstellung

7.1 Herstellung

Die Herstellung der Verbundplatte er-folgte nach dem Pilgerschrittverfahren.So wurden, beginnend beim WiderlagerA0, die ersten beiden Feldbereiche beto-niert. Anschließend wurde der Stützbe-reich A10 geschlossen. Nach Fertigstel-lung des dritten Feldes wurde der zweiteStützbereich hergestellt u.s.w. Die einzel-nen Betonierabschnitte hatten im Feldeine Länge von 15 m. Über den Stützenwurde die Betonierlänge auf 30 m ver-doppelt. Insgesamt waren 48 Betonier-takte herzustellen. Es kamen 3 Schalwa-gen zum Einsatz. Je Takt und Schalwagenwurden ca. 4 bis 6 Arbeitstage benötigt.Wurde Mitte April der erste Abschnitt her-gestellt, so konnte termingerecht zum1. September die Brücke für den Baustel-lenverkehr freigegeben werden. Bis EndeJuni 2002 diente die Brücke umfangrei-chen Massentransporten. Seit Juli laufendie Ausbauarbeiten. Die Verkehrsfreigabeist für Ende des Jahres 2002 vorgesehen.

7.2 Schalwagen

Ein neuer Weg wurde beim Konzept fürden Schalwagen gewählt. Werden übli-cherweise die Schalwägen über „Stühl-chen“ auf dem Obergurt verfahren, sowurden bei der Talbrücke Schwarza anden äußeren Längsträgern hängendeSchalwägen (Abb. 11) entwickelt. Die Trag-

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Talbrücke Schwarza

Abb. 10: Vorbauschnabel

Abb. 11: Konstruktion des Schalwagens

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BAUEN MIT STAHL

konstruktion befindet sich dabei komplettunterhalb der Verbundplatte. Dies hattegleich mehrer Vorteile sowohl für die Her-stellung als auch die Qualität der Ver-bundplatte. So störten weder Schalwa-genkonstruktion noch Schalungsabhän-gungen beim Bewehren wie auch beimBetonieren der Platte die Arbeiten. Dererforderliche Hochbaukran konnte sichfrei bewegen, was sich insbesondere beimNachholen der Stützenquerschnitte alsvorteilhaft erwies. Für den Bauherrnwurde zugleich eine hohe Ausführungs-qualität der Platte erreicht, ohne Durch-dringungen von Abhängungen oderStühlchen (Abb. 12). Durch die 30 mlangen Stützabschnitte werden zugleichBetonierfugen im Zugbereich der Plattevermieden. Aufwendige Verankerungs-elemente oder Stützkonstruktionen fürdie Schalwägen waren nicht erforderlich.Lediglich eine frühzeitige, konstruktiveZusammenarbeit der Baupartner Stahl-bau und Massivbau war erforderlich, umdie Belange des Schalwagens bei derStahlkonstruktion zu berücksichtigen.So waren lediglich die konstruktiveGestaltung der Längsträgerknotenbleche,der Untergurtüberstand und die Abmes-sungen von Diagonalen und Zugbandabzustimmen und zu berücksichtigen.Durch geringe Umbauten konnten wei-terhin die Schalwägen für das Herstellender Kappen verwendet werden. Ebensoerfolgte ein Großteil der äußeren, letz-ten Deckbeschichtung von der Arbeits-ebene der Schalwägen aus.

8 Zusammenfassung

Die Talbrücke Schwarza ist ein herausra-gendes Beispiel für die auch noch heuteinnovative Brückenbaukultur. Durch denneuentwickelten einzelligen Stahlver-bundquerschnitt werden gestalterisch an-spruchsvolle Bauwerke möglich, die sichmit der Schlankheit von Pfeiler und Über-bau harmonisch in das Landschaftsbildeinfügen und einen geringen Landschafts-raum in Anspruch nehmen (Abb. 13).Gleichzeitig werden wirtschaftlich gün-stige Bauwerke insbesondere bei hohenTalbrücken errichtet, die zusätzlich einelange Lebensdauer garantieren.

Die Talbrücke Schwarza ist zudem ein Bei-spiel, wie auch in der heutigen Zeit unterder konstruktiven Zusammenarbeit vonBauherr, Prüfer und Bauüberwachungaber auch den Partnern Stahlbau undMassivbau qualitativ hochwertige Bau-werke in Rekordzeit hergestellt werdenkönnen.

Abb. 12: Schalwagen

Abb. 13: Ansicht der fertiggestellten Brücke

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Stahlbauten am Emssperrwerk

Stahlbauten am Emssperrwerk

Dipl.-Ing. Wolf-Dietmar Starke

1 Zusammenfassung

Das Land Niedersachsen errichtet einSturmflutsperrwerk in der Ems vier Kilo-meter stromauf des Dollarts. Das Sperr-werk wird außerdem technisch für ein An-stauen der Ems bis oberhalb von Papen-burg ausgerüstet, um die Überführungvon Schiffen zwischen Papenburg undEmden bis zu einem Tiefgang von 8,5 mzu ermöglichen. Der Staufall erfordert be-sonders geringe Toleranzen in den Beton-und Stahlwasserbau-Bauteilen, um Sicker-verluste im Bereich der Tornischen undDrempel zu minimieren. Zur Auffüllungder Staulamelle in der Ems erhält dasSperrwerk sechs Pumpen mit einer Ge-samtleistung von 100 m3/s. Die Planungenfür das Emssperrwerk wurden im März1997 aufgenommen. Zum Beginn derSturmflutsaison im Herbst 2002 soll dasSperrwerk betriebsbereit sein.

2 Zweck und Trägerschaft

Das Emssperrwerk wird als Mehrzweck-Wasserbauwerk für einen besseren Sturm-flutschutz an der Unterems und für dasAufstauen des Tideflusses zur Überfüh-rung tiefgehender Schiffe 4 km stromaufdes Dollarts bei Strom-km 32,2 zwischenden Ortschaften Gandersum am Norduferund Nendorp am Südufer errichtet. Trägerdes Projektes und später auch von Betriebund Unterhaltung ist der NiedersächsischeLandesbetrieb für Wasserwirtschaft undKüstenschutz (NLWK). Das seit Anfang1998 im NLWK tätige „Projektteam Ems-sperrwerk“ hat den Planungsauftrag fürein Sperrwerk in der Unterems im März1997 erhalten.

3 Planungs- und Verfahrensgang

Am 21. März 1997 wurde das Vorhabenauf dem sogenannten Scopingtermin zumersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt.Bis Anfang Mai konnte unter Einschaltungder Bundesanstalt für Wasserbau (BAW),Außenstelle Küste, des Franzius-Institutsder TU Hannover, der Ingenieurbüros IMS

(Entwurfsgrundlagen, Konstruktion), IGB(Grundbau) und IBL (UVS) die Machbar-keitsstudie mit einem Kostenrahmen fürdas Bauwerk in Höhe von 353 Mio. DMder Landesregierung vorgelegt werden. ImJuli 97 erging deren Beschluss zur Durch-führung eines Planfeststellungsverfahrens.Dies wurde dann im August bei der Be-zirksregierung Weser-Ems beantragt.Wegen des hohen Zeitdrucks, der hinterder Umsetzung der Maßnahme liegt, er-folgte für die Durchführung der Bauleis-tung ein EU-weiter Wettbewerb (Präqua-lifikationsverfahren) mit nachfolgenderAusschreibung unter einem ausgewähltenBieterkreis. Im März 1998 wurde der Auf-trag an die Arbeitsgemeinschaft beste-hend aus den Firmen PHILLIP HOLZMANN(im April 2002 ausgeschieden), JOHANNBUNTE, GEBR. NEUMANN und ANTONMÜSING erteilt. Als dann der erwartetePlanfeststellungsbeschluss am 14.08.1998mit Anordnung der sofortigen Vollziehungfür die Sturmflutfunktion des Bauwerkserging, folgte Mitte September der ersteRammschlag. Die Arbeiten liefen zügig an,wurden jedoch von einem durch das Ver-waltungsgericht Oldenburg aufgrund vonEilanträgen erlassenen Baustopp unter-brochen. In der Folgezeit wurden einigevom Gericht aufgeworfene Fragen inten-siv bearbeitet. Am 22.07.2000 hat dieBezirksregierung einen Planergänzungs-beschluss zusammen mit einer erneutenAnordnung des Sofortvollzugs nun für dasgesamte Vorhaben (Sturmflutkehrung undStaufunktion) erlassen.

Drei der anerkannten Naturschutzver-bände und eine Umweltstiftung bemüh-ten auch die EU-Kommission mit dem Ziel,die Verwirklichung des Projekts zu verhin-dern. Die von dort eingeleiteten Prüfun-gen wurden jedoch für das Projekt posi-tiv abgeschlossen.

Als am 26.10.2000 das VerwG Oldenburgdie gegen den erneuten Sofortvollzugwieder eingegangenen Eilanträge zurück-wies, konnten nach elfmonatiger Unter-brechung die Bauarbeiten endlich weiter-geführt werden. Die gegen die Zurück-weisung der Eilanträge erhobenen Be-

schwerden der Naturschutzverbände beimOVG Lüneburg wurden zugelassen, dannaber nach längerer Prüfung doch mit Be-schlüssen dieses Gerichts vom 6.07.2000zurückgewiesen. Im April/Mai 2001 hatdas VerwG Oldenburg das Hauptverfahrendurchgeführt und mit Beschluss die Klagedes noch als einziger Kläger verbliebenenBUND abgewiesen. Dieser hat anschlie-ßend Berufung beim Oberverwaltungs-gericht in Lüneburg beantragt, die imMärz 2002 vom OVG zugelassen wurde.Nun geht das Verfahren in die nächsteRunde, die der BUND, gestützt vom WWF(kein anerkannter Naturschutzverband),bestreiten wird.

4 Wahl der Sperrwerksverschlüsse,von ersten Ideen bis zum Ausführungsvorschlag

Eine wichtige Randbedingung für dasSperrwerk war von Anbeginn, dass durchdas Bauwerk keine Einschnürung der Emserfolgt, die eine Veränderung der Tide-dynamik bewirkt. Weiter ergab sich ausden Anforderungen der Schifffahrt aneine möglichst unbehinderte Passage fürdie Hauptschifffahrtsöffnung eine lichteBreite von 60 m und für die Binnenschiff-fahrtsöffnung (im Normalfall nur für ems-aufwärts gerichteten Verkehr vorgesehen)eine von 50 m. Für den Fall, dass dieHauptschifffahrtsöffnung nicht nur kurz-fristig gesperrt werden muss, ist die Bin-nenschifffahrtsöffnung durch Herausneh-men der Betriebsbrücke und des Toresfür die Passage auch von Seeschiffenfreizumachen.

Aus diesen Forderungen ergaben sich diein Tabelle 1 dargestellten Abmessungender Sperrwerksöffnungen gem. Amts-entwurf:

Für die erste Präsentation des Sperr-werks in der Öffentlichkeit anlässlichdes Scopingtermins am 21. März 1997waren aufgrund der nur kurzen Planungs-phase bis auf die Hauptschifffahrtsöff-nung alle Sperrwerksverschlüsse als Hub-tore vorgesehen.

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BAUEN MIT STAHL

Für die Hauptschifffahrtsöffnung erwiessich ein Segmentverschluss zwischen zweiKreisscheiben, wie er im Themsesperrwerkvor London mit guten Erfahrungen imEinsatz ist, als zweckmäßigste Lösung.Diese Torform kann in beide RichtungenWasserstände kehren, ohne dabei dasLichtraumprofil für Seeschiffe mit großemTiefgang und hohen Aufbauten in irgendeiner Weise einzuschränken. Bei geöffne-tem Sperrwerk liegt der Verschlusskörperin einer Drempelmulde. Stemmtore mitbeidseitig kehrender Funktion bei 60 mDurchfahrtsbreite und Strömungsge-schwindigkeiten bis über 1,5 m/s undder hohen Sedimentfracht der Ems wur-den verworfen, da sie keinen sicherenSperrwerksbetrieb gewährleisten können.

Da die Hubtore bei einer Drempellagevon NN - 7,0 m und einer Toroberkantevon NN + 7,0 m eine Gesamthöhe von14 m gehabt hätten und in der Binnen-schifffahrtsöffnung die Torunterkante beigeöffnetem Sperrwerk für die passieren-den Schiffe auf NN + 7,35 m liegen muss,hätte hier die Toroberkante in Offenstel-lung bis auf NN +21,35 m gereicht. In denNebenöffnungen mit Drempellagen vonNN - 7,0 m läge die Tor-OK immer nochauf NN + 17,5 m und bei Drempellagenvon NN - 5,0 m auf einer Höhe von NN+ 15,5 m. Bedingt sind diese Höhenkotendadurch, dass die Tore im geöffneten Zu-stand auch bei leicht erhöhten Tiden nichteintauchen sollen und deshalb mit derUnterkante auf NN + 3,5 m liegen.Gegen solch hoch aufragende Torkons-truktionen formierte sich erheblicherWiderstand, sodass bei der weiteren Pla-nung nach anderen Lösungen gesuchtwerden musste.

Für die Binnenschifffahrtsöffnung wieauch die Nebenöffnungen 1 und 2 wur-

den daher im nächsten Schritt Segment-verschlüsse mit einer Konstruktionsober-kante von NN + 13,0 m vorgesehen. Dabeikonnte auch das Lichtraumprofil für dieBinnenschifffahrt eingehalten werden.Während in der ersten Variante Betriebs-brücken und Hubtore mit deutlichem Ab-stand zueinander angeordnet und die Be-triebsbrücken auf der Oberwasserseiteder Tore vorgesehen waren (a), solltennun im 2. Planungsschritt auf einer Seiteder Betriebsbrücken deren Tragwerk miteinem Stauschild versehen werden. Da-durch kann die Bauhöhe der Hubtoreverringert werden, da sie jetzt nur nochdie Öffnung zwischen UK Brückenstau-schild und Drempel verschließen müssen.Durch die Verringerung der Konstruk-tionshöhe wird der Eingriff in das Land-schaftsbild minimiert (siehe Systemskiz-ze). Dazu wurden jetzt die Betriebsbrü-cken auf der Unterwasserseite angeord-net (b). Bei dieser Anordnung ergab sichaber für die Brücken, dass bei Sturmflu-ten die Wellen unter die Brückenkons-truktion schlagen (Slamming-Effekt).Sie müssten entsprechend statisch be-messen und mit erheblichem Aufwandverankert werden. Diesem Effekt wurde

planerisch durch eine offene Fahrbahn-konstruktion mit schweren Rosten be-gegnet, wodurch die Einwirkung vonDruckschlägen hätte erheblich abgemil-dert werden können. Aufgrund eines Son-dervorschlags der beauftragten Bieterge-meinschaft wurden letztlich die Betriebs-brücken auch im Interesse der Betriebs-sicherheit oberwasserseitig angeordnet (c).Die Bauleistungen für das Sperrwerk wur-den aufgrund vorstehender Überlegungenmit den Hauptabmessungen und Ver-schlusskörpern entsprechend der Tabelle 2ausgeschrieben. Danach verfügt das Sperr-werk über drei verschiedene Tortypen:

– Hauptschiffahrtsöffnung (HSÖ) mitvollversenkbarem Drehsegment in An-lehnung an die Verschlüsse des Them-sesperrwerks,

– Binnenschifffahrtsöffnung (BSÖ) sowie2 Nebenöffnungen mit Drempellagenvon NN - 7,0 m mit Segmenttoren mithochliegenden Verschlusskörpern inOffenstellung,

– 5 Nebenöffnungen mit Hubtoren undDrempellagen auf NN - 5,0 m.

Sperrwerksöffnungen von Nord nach Süd

1. Neben- Hauptschiff- Binnenschiff- 2. Neben- 3. bis 6.öffnung fahrtsöffnung fahrtsöffnung öffnung Nebenöffnung

Verschlussart Segmenttor Versenkbares Segmenttor Segmenttor HubtoreDrehsegment

Breite 50 m 60 m 50 m 50 m 4 x 50 m

Drempellage NN - 7,0 m NN - 9,0 m NN - 7,0 m NN - 7,0 m NN – 5,0 m

OK-Tor bei allen Toren NN ≥ + 7,0 m

Tabelle 1: Verschlüsse des Ems-sperrwerks nach Ansprüchen derSchifffahrt und ohneVeränderung der Tide-dynamik

Abb. 1: Hubtorentwicklung –Nebenöffnungen 1und 2 (Systemskizze)

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Stahlbauten am Emssperrwerk

Infolge des nichtoffenen Ausschrei-bungsverfahrens mit öffentlichem Teil-nahmewettbewerb wurde auf einen Son-dervorschlag der ARGE EMSSPERRWERKder Zuschlag erteilt. Danach erhält dasSperrwerk nun die aus Abb. 1 ersicht-lichen Abmessungen und Verschlüsse.

NN + 13,0 m zu kommen, hängen dieTore in Normalstellung mit ihrer UK aufNN + 2,5 m und werden bei erhöhtenTiden dem Wasserstand folgend um maxi-mal 1 m angehoben. Die Betriebsbrückensind insgesamt oberstromseitig der Toreangeordnet. Der Leistungsumfang der

Emssperrwerk Hauptabmessungen der Pfeiler, Öffnungen und VerschlusskörperAusschreibungsgrundlage

Pfeiler/Öffnung Verschlusskörper Breite [m] Drempellage [m NN]

Randpfeiler Nord 7

Nebenöffnung 1 Segment noch oben 50 - 7,00öffnend

Strompfeiler 1 9

Seeschifffahrtsöffnung Drehsegment voll 60 - 9,00absenkbar

Strompfeiler 2 10

Binnenschifffahrtsöffnung Segment noch oben 50 - 7,00öffnend

Strompfeiler 3 8

Nebenöffnung 2 Segment noch oben 50 - 7,00öffnend

Strompfeiler 4, 5, 6, 7 7

Nebenöffnung 3, 4, 5, 6 Hubtor 50 - 5,00

Randpfeiler Süd 7

Tabelle 2: Abmessun-gen des Sperrwerksgemäß Ausschreibung

Zur Ausführung gelangen nur noch 7Öffnungen mit Beibehaltung des Gesamt-querschnitts, da statt der zuvor 5 süd-lichen Nebenöffnungen mit jeweils 50 mBreite jetzt 4 Öffnungen mit Breiten von63,5 m errichtet werden. Alle Nebenöff-nungen erhalten Hubtore, für die Schiff-fahrtsöffnungen bleibt es bei den ausge-schriebenen Segmenttoren und Abmes-sungen nach Leistungsverzeichnis. Umbei den Nebenöffnungen mit Drempel-lagen auf NN - 7,0 m mit der OK der of-fenstehenden Hubtore nicht höher als

Gewerke Stahlbau, Maschinenbau, Elek-trotechnik wird von der sog. Stahlbau-Arge mit den Firmen• lavis, Aschaffenburg, für Brücken und

Hubtore,• HOLLANDIA, Krimpen in NL, für

Drehsegment- und Segmenttor fürHSÖ und BSÖ sowie Pumpen,

• ROLF JANSSEN, Aurich, für Energiever-sorgung, Steuerungs- und Leittechnik

als Subunternehmer der ARGE EMS-SPERRWERK erbracht.

5 Betriebsfälle des Emssperrwerks

Vier Betriebsfälle müssen mit dem Sperr-werk beherrscht werden:1. Kehren einer Sturmflut, die höher als

2 m über mittlerem Tidehochwasser(MThw) aufläuft;

2. Anstauen der Ems zur Überführung vonSchiffen bis zu einem Tiefgang von 8,5 m(bisher konnten nur Schiffe mit einemTiefgang bis 7,3 m die Ems befahren);

3. Entleerung des aufgefüllten Emsstau-raums mit dem Ziel, nach 3 Stundeneinen Wasserspiegelausgleich amSperrwerk zu erhalten, um die Schiff-fahrt wieder freizugeben;

4. Entlastung der Wasserstände im Dollartbei schwersten Orkanfluten (≥ 4.000jährliches Ereignis) durch Wasserab-schlag aus dem Dollart in die Unterems.

Abb. 2: Sperrwerks-abmessungen undVerschlusskörper inder Ausführung

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BAUEN MIT STAHL

6 Zu den Sperrwerksverschlüssen

6.1 Drehsegmenttor in der Hauptschiffahrtsöffnung

Der voll versenkbare Drehverschluss in derHauptschifffahrtsöffnung (HSÖ) ist sta-tisch ein Drei-Gelenk-Rahmen, der ausfünf Bauteilen besteht:– Drehgelenk mit Nabe im Strompfeiler 1– Seitenscheibe in einer Betonaussparung

im Strompfeiler 1– Verschlusskörper (Segment) auf den

Seitenscheiben– Seitenscheibe in einer Betonaussparung

im Strompfeiler 2– Drehgelenk mit Nabe im Strompfeiler 2.

Hydraulikzylinder an beiden Pfeilern dre-hen das Tor und halten es in den verschie-denen Betriebstellungen. Redundant aus-gelegt, kann das Tor auch mit einem Zy-linder betrieben werden. Die Zylinder lie-gen zwischen den Seitenscheiben undPfeilern geschützt in Betonnischen. DieZylinderkräfte werden exzentrisch in dieScheiben geleitet.

Der VSK wird durch seinen Wasserballastund die Auftriebskörper so getrimmt, dassjede Betriebsstellung sicher beherrschtwerden kann und die Zylinder höher aufZug als auf Druck belastet werden. DieWasserballastzelle (Inhalt = 2400 m3)ist mittig im Torkörper angeordnet; dieAuftriebskörper befinden sich in denRandzonen.

Für die Sturmflutkehrung und den Auf-stau der Ems kann das Tor mit dieserBallastierung und den Zylinderkräften

ern, dass bei auflaufendem Wasser undeinem Drehwinkel von etwa 80° der Bal-lastraum leer ist, und der Totpunkt desZylinders durch den erzeugten Auftriebbei weiter steigendem Wasserspiegel gutüberschritten werden kann.(Das Emswasser ist salzhaltig und in ho-hem Grade mit Schwebstoffen beladen,zur Befüllung der Ballasträume wird des-halb Reinwasser verwendet. Da es nichtmöglich ist, die erforderliche Ballastwas-sermenge von 2.400 m3 aus dem Trink-wasserversorgungsnetz in ausreichendkurzer Zeit zur Verfügung zu stellen, wirddas Frischwasser (Erstbefüllung mit Was-ser aus dem Ijsselmeer) im Kreislauf zwi-schen Tor und Auffangbecken hin und hergepumpt. Dieses Konzept wurde gewählt,um Inspektionen an dem VSK im Interesseder Schifffahrt auf eine Dauer von 24Stunden zu begrenzen und gleichzeitigdie Ressource Trinkwasser zu schonen.)

Während einer Sturmflutkehrung wird derSpalt zwischen VSK und Drempelmuldefrei durchspült. Das ist günstig für dieRäumung von Sedimenten, und die hierdurchströmenden Wassermengen kön-nen schadlos in der Ems aufgenommenwerden.Während des Aufstaus der Ems werdenWasserverluste durch eine Längsdichtungin der Drempelmulde und Radialdichtun-gen in den kreisförmigen Aussparungender Pfeiler wirksam vermieden. In seinernormalen Lage im Drempel, verhindern2 Längsdichtungen an den Rändern desVSK zusammen mit den Radialdichtun-gen das Eindringen und Sedimentierenvon Schlick in den Spaltraum der Drem-pelmulde. Bei Bewegungsvorgängenmüssen die von den Dichtungen ausge-henden Reibungskräfte überwundenwerden.

Hauptabmessungen des Drehsegmenttors in der HSÖ

2 Seitenscheiben mit jeweils Verschlusskörper (VSK)

Durchmesser 24,0 m Länge 60,0 m

Dicke 1,5 m Höhe des Kreisabschnittes 3,9 m

Höhe des Kreisabschnittes 18,5 m Breite des Kreisabschnittes 17,7 m

Gewicht 222,0 t Gewicht 857,0 t

fester Ballast 48,0 t Wasserballast 2.400,0 t

Wasserballast 240,0 t Auftriebsvolumen 750,0 t

Torstellung Drehwinkel Bemerkung

Offen 0° normal, VSK liegt in der Drempelmulde

Sturmflut 84,18° hoher Wasserdruck auf dem gekrümmten

Staublech mit günstiger Lastaufnahme

Aufstau der Ems 64,24° Stauwasserstand belastet ebene Rückwand, durch

ein niedriges Tnw entsteht eine hohe Belastung

Zwischen 114,19° Totpunkt des Hydraulikzylinders

Revision 180° VSK begehbar, Wartung möglich

Montage 210° Wartung der Dichtungen

Tabelle 3

Tabelle 4: Betriebsstellungen des HSO-Verschlusses

Die gekrümmte Seite des VSK übernimmtdie Sturmflutkehrung, die flache Rück-wand ist beim Aufstau der Ems dem höhe-ren Binnenwasserstand ausgesetzt. Zwi-schen dem konkaven Staublech und derBetonmulde, in dem der VSK in seinerOffenstellung liegt, befindet sich ein freierBewegungsspalt von 25 cm. Für das Drehsegmenttor sind drei Haupt-und drei Nebenstellungen vorgesehen(vgl. Tabelle 4).

problemlos gefahren und gehalten wer-den. Die maximalen Zylinderkräfte betra-gen 9.500 kN auf Zug und 5.300 kN aufDruck. In die Nabe des Drehlagers wird imungünstigsten Fall rechnerisch eine resul-tierende Kraft von 35.000 kN eingetragen.Für Revisionszwecke muss der VSK in dieKopfposition gedreht werden. Um denBewegungsvorgang einzuleiten und zu-sätzlich zu stabilisieren, werden zuerst dieBallasträume in den Seitenscheiben mit je480 m3 Reinwasser gefüllt. Anschließendwird mit Pumpen in der Seitenscheibe 1der Ballastraum des VSK entleert und dasWasser in ein Auffangbecken auf dem Be-triebsanleger an der Gandersumer Seitegepumpt. Das Abpumpen ist so zu steu-

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Stahlbauten am Emssperrwerk

6.2 Hubtore in den Nebenöffnungen

Alle fünf Nebenöffnungen werden mitHubtoren ausgerüstet. Hubtore und Be-triebsbrücken kehren gemeinsam allehöher als 2 m über MThw auflaufendeSturmfluten. Der seeseitige Hauptträgerder Betriebsbrücke wird deshalb als Voll-wandträger ausgebildet und erhält unteneine Schürze, um Bewegungen des Toreszu ermöglichen. Auf der Höhenkote NN+ 3,50 m, gleichzeitig UK Brücke und OKHubtor, ist diese Staulinie durch einenBewegungsspalt unterbrochen.Neben den statischen Belastungen ausden Hauptaufgaben Sturmflutkehrungund Aufstau der Ems ist das Tor erheb-lichen dynamischen Lastangriffen aus-gesetzt, die durch Seegang und hoheStrömungsgeschwindigkeiten bei Stau-raumentleerung und Sturmflutentlastunghervorgerufen werden. Je nach Öffnungs-höhe und Wasserspiegelunterschied tre-ten bei Stauraumentleerung und Sturm-flutentlastung Strömungsgeschwindig-keiten von bis zu 8,4 m/s unter den Tor-schneiden auf.

Bei der Sturmflutentlastung müssen rd.10 Mio m3 in 2 Stunden aus dem Dollartin die Ems abgeschlagen werden, umdurch das geschlossene Sperrwerk imDollart höher auflaufende Wasserständeggf. auf die Niederländische Bemessungs-sturmflut zu begrenzen. Während Schiffs-überführungen zweimal pro Jahr erwar-tet werden, ist nach der Statistik dieSturmflutentlastung vom Dollart in dieUnterems nur einmal in 4000 Jahren zuerwarten.

Die Haupttragkonstruktion des Hubtoresist während einer Sturmflutkehrung demvollen Angriff der reflektierenden Welleausgesetzt. Erkenntnisse der Offshore-technik wurden zur Dimensionierungherangezogen.

Die Hubtore werden an jeder Seite durchHydraulikzylinder bewegt und gehaltenund seitlich in engen Betonnischen ge-führt. Die Zylinder sind an den Hubtor-böcken kardanisch aufgehängt, in Ruhe-lage, das heißt Offenstellung, wird das Torauf einen Riegel gesetzt und so die Hy-draulik entlastet. Jedem Zylinder ist eineAntriebsstation zugeordnet und redun-dant ausgelegt. Bei Störungen wird dieStation des Nachbartores zugeschaltet.Die Torstellungen und die Gleichlaufsteu-erung der Bewegung in den Nischen wirddurch das Wegemesssystem CIMS über-wacht.

6.3 Hubtornischen, horizontale Torauflagerung

Die geringen Pfeilerbreiten und die vielenHohlräume und Aussparungen in denPfeilern, für Pumpen, Brückenauflagerund Anlagentechnik haben zu sehr engenNischen von B/T = 130/65 cm geführt. Diehohen Beanspruchungen aus den Last-fallkombinationen in den verschiedenstenTorstellungen bei Sturmflutkehrung undAufstau der Ems führen zu sehr unter-schiedlichen horizontalen Belastungen inder Nische. Eisdruck auf das eintauchendeTor führt zu hohen Pressungen infolgeVerkantung. Um alle Lastfälle beherrschenzu können, wurden die Nischen um 1,0 mdurch einen Stahlaufbau mit einer auf-wendigen Verankerung im Beton erhöht.

Systemlänge 64,20 m

Systemhöhe 7,1515 m

Lichte Öffnungsbreite 63,50 m

Torhöhe 10,50 m

Torgewicht 480 t

Dicke der Stauwand 14 mm

max. Abmessungen der Fachwerkrohre 1.067 x 40 mm

Tabelle 5:Hauptabmessungendes Hubtores in der NÖ 2

In den Nischen wurden wegen ihrer EngeLinienauflagerungen gewählt. Als Gleit-und Dichtleiste kommt das MaterialUHMW-PE (Solidur) zur Ausführung(B/D = 320/155 mm).

6.4 Sohlschneiden

Durch die unterschiedlichen Aufgaben,Sperren und Stauen und damit verbun-dene Entlastungsvorgänge werden dieSchneiden der Tore in beiden Richtungenunterströmt und hohen Geschwindigkei-ten und Strömungsdrücken ausgesetzt.

Nach Untersuchungen des Franzius-Insti-tutes der Uni Hannover am physikalischenModell und unter Einschaltung von Dr.Richter vom Institut für Hydromechanikder Uni Karlsruhe wurde die Schneiden-form festgelegt und nachgewiesen, dassein schädliches Schwingen der Tore nichtauftreten wird.

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BAUEN MIT STAHL

1 Situation der Windenergie

Deutschland ist Weltmeister in der Erzeu-gung von Strom aus Wind. Im Jahre 2002wurde die Marke von 10.000 MW instal-lierter Leistung überschritten, davon wur-den mehr als 2.600 MW allein im Jahr2001 installiert, siehe Abb. 1. Insgesamtdrehen sich in Deutschland etwa 12.000Windenergieanlagen (WEA) mit sehrunterschiedlichen Nennleistungen. Siewerden im Jahr 2002 knapp 4 % desdeutschen Strombedarfs erzeugen, wo-bei der Anteil in den Küstenländern bis zu25 % (Schleswig-Holstein) beträgt.

Die Geschichte der Stromerzeugung ausWind ist jung und niemand hat sich diein den letzten 15 Jahren vollzogene Ent-wicklung jemals vorstellen können. So hatauch die Bauindustrie bis in die späten90er Jahre diesen Markt noch nicht richtigernst genommen. Noch vor 10 Jahren be-trug die durchschnittliche Leistung derWindenergieanlagen (WEA) nur etwa 250kW (vgl. Abb. 1). Das sind lediglich 10 Pro-zent der Leistung der größten Anlagen,die heute auf deutschen Standorten ge-baut werden.

Der stürmische Aufschwung der Wind-energie-Nutzung in den letzten Jahren istvor allem eine Folge des seit 1991 gelten-den Stromeinspeisegesetzes (heute EEG).Dieses verpflichtet die Energiekonzernedazu, den aus Windenergie erzeugtenStrom in ihre Versorgungsnetze einzu-speisen und mit derzeit 9,1 Cent/kWh zuvergüten. Dem Beispiel dieser gesetzlichenRegelung folgen inzwischen viele andereLänder - wie Frankreich, Griechenlandoder Brasilien.

Die Pläne für die Zukunft sind gewaltig.In Nord- und Ostsee sollen in den kom-menden Jahrzehnten gigantische Wind-parks entstehen, deren gesamte instal-lierte Leistung nach Schätzungen desDeutschen Windenergie-Instituts (DEWI)bis zu 25.000 MW betragen soll [1]. DieGröße der einzelnen Anlage muss dabei3 bis 5 MW erreichen, um die Investitio-nen für die baulichen Maßnahmen in ca.

30 m Wassertiefe und den Netzanschlussweit vor der Küste außerhalb der 12-See-meilen-Zone – der sogenannten Aus-schließlichen Wirtschaftszone (AWZ) –rentabel zu machen. Beim Bundesamt fürSeeschifffahrt und Hydrografie (BSH) inHamburg liegen Anträge von Projektierernmit einer Gesamtleistung von 60.000 MWvor. An welchen Standorten die Errich-tung von Windenergie-Anlagen geneh-migt wird, wird die Zukunft zeigen. Fürdie Pilotphase im bisher einzigen geneh-migten Windpark „Borkum West“ sollen45 km nördlich von Borkum im Jahre 2004zunächst 12 Rotoren aufgestellt und überein Seekabel an das Stromnetz in Nieder-sachsen angeschlossen werden.

Erfahrungen beim Bau von Offshore-Windparks liegen bisher lediglich in gerin-gem Umfang in Dänemark, Schweden,Großbritannien und den Niederlanden vor.Diese Standorte liegen jedoch alle küsten-nah und in Wassertiefen von höchstens10 m. Der Bau des ersten größeren Wind-parks „Horns Rev“ in der Nordsee, 14 kmvor der dänischen Westküste in bis zu15 m tiefem Wasser, hat im April 2002begonnen. Hier werden mit sogenanntenMonopile-Gründungen 80 Anlagen mitje 2 MW Nennleistung errichtet.

2 Entwicklung der Tragstruktur

Als Tragturm für WEA auf dem Festlandhatte sich bis zum Erreichen der Mega-

wattklasse überwiegend der stählerneVollwandturm durchgesetzt. Diese Bau-weise, verbunden mit einem massivenFundamentkörper als Flach- oder Tief-gründung, stellte fast 10 Jahre lang dasOptimum an Sicherheit und Wirtschaft-lichkeit dar. Nur vorübergehend bei ver-gleichsweise kleinen Anlagen mit Turm-höhen bis etwa 40 m kamen ein- bis zwei-teilige vorgespannte Schleuderbeton-maste mit sofortigem Verbund zumEinsatz. Das Vordringen in die Megawatt-klasse bedingte für den Tragturm immerhöhere Lasten und größere Höhen. Zu be-achten sind dabei insbesondere die An-forderungen an die Eigendynamik derTurmkonstruktion, die auf die sich dre-henden Rotorblätter in Bezug auf dieEigenfrequenz abgestimmt sein muss. Einestatistische Auswertung von 68 Windener-gieanlagen der Megawattklasse (s. Abb.3) ergab, dass das auf Nabenhöhe undNennleistung bezogene Turmgewicht beiStahlrohrtürmen etwa bei 1 t/m/MW liegt.Dabei nimmt das bezogene Gewicht mitzunehmender Leistung geringfügig ab.Der Stahlturm einer 2 MW-Anlage mit100 m Nabenhöhe wiegt also um 200 t.

Der stählerne Vollwandturm stößt beigrößeren Abmessungen an seine Gren-zen, weil die Turmsegmente am Turmfußgrößere Durchmesser haben müssen alsüblicherweise auf unseren Straßen trans-portiert werden können. Die lichte Durch-fahrtshöhe der Straßenbrücken von 4,50 msetzt die Grenzen. Für die großen Anlagen

Offshore-Windenergie - eine neue Herausforderung für den Stahlbau

Prof. Dr.-Ing. Peter Schaumann, Dipl.-Ing. Patric Kleineidam

Abb. 1: Entwicklungder installierten Leistung pro Jahr undder durchschnittlichenLeistung pro Anlage in Deutschland, Quelle: DEWI [5]

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wurden daher alternative Turmkonzeptegesucht. Der Stahlbau hat den Gittermastfür die WEA wiederentdeckt. Die höchstenzurzeit in Deutschland aufgestellten WEA-Türme sind in dieser Bauweise ausgeführtworden. Der Massivbau hatte schon fürden 1991 in Wilhelmshaven erbautenAeolus II mit 3 MW Nennleistung einen92 m hohen Spannbetonturm gestellt.Dieser wurde mit Gleitschalung gebaut.In jüngerer Zeit sind sogenannte Hybrid-türme entstanden, deren wesentlicherTeil aus Spannbeton besteht, auf den einoberer Teil mit ca. 10 m Länge aus Stahlaufgesetzt wird. Bei den Spannbetontür-men konkurrieren zwei stetig weiterent-wickelte Bauverfahren. Zum einen werdenTürme in Ortbeton mit ausgefeilter Klet-terschalungstechnik ausgeführt und zumanderen Türme mit Betonfertigteilseg-menten, die nachträglich mit Spannglie-dern verspannt werden. Die jüngste Ent-wicklung sind Spannbetontürme mit ex-terner Vorspannung auf der Turminnen-seite (Abb. 3).

Windenergieanlagen auf dem Festlandsind im Sinne der deutschen Bauordnungbauliche Anlagen. Für die baustatischenNachweise und die Genehmigung geltendaher die bekannten Grundsätze. Dieaktuelle Richtlinie für WEA im Bereichder deutschen Bauaufsicht ist die „Richt-linie für Windkraftanlagen – Einwirkun-gen und Standsicherheitsnachweise fürTurm und Gründung“ des DIBt [2]. DieseRichtlinie wird zurzeit überarbeitet und

dabei an den technischen Entwicklungs-stand und an die europäische NormungIEC 61400-1 [4] angepasst. Der Erstver-fasser ist als Mitglied des Richtlinienaus-schusses an der Weiterentwicklung derRichtlinie maßgeblich beteiligt. Die Be-sonderheit bei WEA gegenüber sonstigenbaulichen Anlagen besteht darin, dass dieBeanspruchungen der Tragstruktur fürjeden Anlagentyp individuell mit Hilfe vonSimulationsrechnungen ermittelt werden.Die Prüfung dieser Lastberechnungen undder Sicherheit des maschinentechnischenTeils erfolgt durch Sachverständige. WEAwerden in großen Stückzahlen hergestellt.Die Hersteller nutzen daher die Möglich-keit, über Typengenehmigungen bei deroberen Bauaufsicht den Genehmigungsaktam einzelnen Standort zu vereinfachen.

Für Offshore-WEA in der Ausschließ-lichen Wirtschaftszone liegt die Geneh-

migung im Zuständigkeitsbereich desBSH. Das technische Regelwerk, das die-sen Genehmigungen insbesondere hin-sichtlich der Standsicherheit zugrundegelegt werden wird, ist noch in der Ent-stehung. Es ist zu erwarten, dass grund-legende Daten zur Ermittlung der Ein-wirkungen auf die Konstruktion projekt-bezogen durch die Beteiligten festzule-gen sind. Diese Festlegungen betreffenzusätzlich zu den bereits erwähnten Ein-wirkungen aus der Maschine auch dieEinwirkungen aus dem Seegang und dieBodenverhältnisse. Die endgültige Dimen-sionierung der Tragstrukturen ist daherohne Kenntnis der standortbezogenenDaten nicht durchführbar.

Im Offshorebereich gilt die Beschränkungdes Durchmessers für den stählernen Voll-wandturm nicht, wenn die Produktiondieser Konstruktionen direkt an Küsten-

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Offshore-Windenergie - eine neue Herausforderung für den Stahlbau

Abb. 2: Windpark Utgrunden

Abb. 3: Bezogene Gewichte der Stahlrohrtürme von 68 Windenergieanlagender MW-Klasse; Datenquelle: Windkraftanlagenmarkt 2002

Abb. 4: Gründungskonzeptefür Offshore-WEA

© GIGAWIND

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BAUEN MIT STAHL

standorten stattfindet. Die wirtschaft-lichste Konstruktion für Offshore-WEA istnoch nicht gefunden, mögliche Funda-mentkonzepte sind in Abb. 4 dargestellt.Die zuletzt gebauten Offshore-Windparksweisen überwiegend Monopile- (Abb. 4Mitte) in einem Fall auch Schwerkraft-gründungen (Abb. 4 rechts) auf; sieheauch [11]. Es ist jedoch schon absehbar,dass es nicht nur eine Konstruktionsvari-ante geben wird. Zu unterschiedlich sinddie Randbedingungen wie Anlagengröße,Wassertiefe, Bodenverhältnisse undStandort (Nord- oder Ostsee), um nureinige der maßgebenden Parameter zunennen (s. auch [12]). Diesem Themen-kreis widmet sich ein Forschungsprojektdes Bundeswirtschaftsministeriums, andem vier Institute in der ArbeitsgruppeGIGAWIND an der Universität Hannoverarbeiten.

3 Anforderungen an Offshore-Tragstrukturen

3.1 Allgemeines

Türme von Windenergieanlagen sind dieTragkonstruktionen der Maschinen, be-stehend aus Rotor, Generator und weite-ren Komponenten. Die Aufgabe des Tur-mes ist es, sämtliche Reaktionskräfte derMaschine aufzunehmen und weiterzu-leiten. Die Dominanz der Maschine führtdazu, dass die Beanspruchungen vonTürmen von Windenergieanlagen sichdeutlich von denen anderer Türme, z. B.bei Schornsteinen und Antennen, unter-scheiden. Es treten sehr hohe dynamischeBeanspruchungen mit Lastwechselzahlenvon über 109 auf, die jenseits des üblichenErfahrungsbereiches liegen. Bauteile mitLastwechselzahlen in dieser Größenord-nung entziehen sich auch weitgehend derexperimentellen Erforschung im Labor.Zusätzlich führen bestimmte konstruktiveAnforderungen an die Schlankheit unddie erforderlichen Öffnungen zu Weiter-entwicklungen bei bestimmten Trag-sicherheitsnachweisen.

Bei dem in diesem Jahr errichteten Off-shore-Windpark „Horns Rev“ ähnelt derTragwerksentwurf noch sehr stark demvon Onshore-WEA. Der wesentliche Un-terschied besteht in der Gründung, die auseinem gerammten Monopile-Rohrstückvon etwa 4 m Durchmesser und 50 mm

Wanddicke besteht, und in dem anschlie-ßenden Übergangsstück, das mit einer so-genannten „Grouted joint“-Verbindungmit dem gerammten Rohr verbunden wird.Dabei handelt es sich um eine spezielleVerbindung zweier Stahlrohre, die mit de-finierter Fuge ineinander gesteckt werdenund deren Zwischenraum mit Feinbetonbzw. Mörtel verfüllt wird. Der restlicheTurm wird traditionell mit zwei Rohrseg-menten aufgebaut, die mit Ringflansch-verbindungen verschraubt werden.

Es liegt auf der Hand, dass für die Mon-tage der Tragstrukturen besondere Mon-tageschiffe und Hubinseln zum Einsatzkommen. Die widrigen Bedingungen aufder „maritimen Baustelle“ stellen darüberhinaus besondere Anforderungen an dieArbeitssicherheit und Logistik.

Im Folgenden werden einige besondereAspekte der Standsicherheit und spezielldes Nachweises gegen Werkstoffermü-dung angesprochen.

3.2 Dynamische Beanspruchungen

Wie bereits erwähnt, sind Windenergie-anlagen besonders hohen dynamischenBeanspruchungen ausgesetzt, die beiLandanlagen vor allem durch die Turbu-lenz des Windes und den Betrieb des Ge-nerators verursacht werden. Bei den Off-shore-Anlagen treten zusätzlich dyna-mische Beanspruchungen aus dem stän-dig vorhandenen unregelmäßigen See-gang auf. Die Kombination dieser unter-schiedlichen Beanspruchungen stellt einebesondere Herausforderung bei der Aus-legung der Offshore-WEA dar. Eine Wind-

energieanlage stellt ein schwach ge-dämpftes mechanisches System dar, vorallem wenn Stahltürme betrachtet wer-den. Nennenswerte Beiträge zur Dämp-fung liefert im Betriebszustand der sichdrehende Rotor als aerodynamische Dämp-fung; siehe dazu z. B. [8]. Bei schwachgedämpften Systemen wird eine dyna-mische, frequenzabhängige Last in derNähe der Eigenfrequenz des Systems zueiner dynamisch erhöhten Beanspruchungführen. Aus diesem Grund ist die Betrach-tung der Eigenfrequenz einer WEA-Struk-tur ein wichtiger Bestandteil der Analyse.Für eine allgemeine Betrachtung ist vorallem die Abhängigkeit der Eigenfrequenzvon weiteren Parametern interessant, umunterschiedliche Strukturen zu bewerten.

Im Rahmen des GIGAWIND-Projekteswurden daher am Institut für Stahlbauunter anderem Parameterstudien zu denEinflüssen auf die Eigenfrequenzen vonMonopile-Gründungen und sogenanntenTripod-Gründungen (Abb. 4 links) unter-sucht. In Abb. 6 wird beispielhaft dieAbhängigkeit der ersten beiden Eigen-frequenzen eines Tripod-Fundamentesvon der angesetzten vertikalen Boden-feder dargestellt. Die horizontalen Bo-deneigenschaften wirken sich in einemsehr viel geringeren Maße aus, ebenfallshaben die Steifigkeiten der Tripod-Beinegegenüber der Steifigkeit des Tragturmes

Abb. 5: Abmessungen der WEA im DänischenHorns Rev, www.hornsrev.dk

Abb. 6: Einfluss der vertikalen Bodenfeder auf dieersten Eigenfrequenzen einer Tripod-Gründung[14], Darstellung der zugehörigen Eigenformen

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einen untergeordneten Einfluss. Die dar-gestellten Untersuchungen basieren aufeiner Vorstudie für eine 5-MW- Anlagein einer Wassertiefe von etwa 30 m. Ange-setzt sind die Umweltbedingungen, die amStandort des Windparks „Borkum-West“zu erwarten sind.

3.3 Ermüdungsfestigkeit

Die Frage der ausreichenden Betriebsfes-tigkeit ist verbunden mit den beiden Teil-fragen, welche Beanspruchungen wäh-rend der Lebensdauer der Windenergie-anlage auftreten und wie für diese Be-anspruchung die Ermüdung der einzelnenDetails der Konstruktion zu bewerten ist.Die Beanspruchungen im Zeitverlauf er-geben sich aus der unregelmäßigen Ein-wirkung aus dem Wind auf den Rotor, dieüber den maschinentechnischen Teil derAnlage an den Turm weitergegeben wird,und den Wellenlasten. Die Lasten aus demAnlagenbetrieb werden maßgeblich durchdie Steuerung der Anlage beeinflusst, diez. B. die Rotorblätter ausrichtet, um einebessere Windausnutzung zu erreichen.Ebenfalls ist das Verhältnis der Drehzahlzu der Turmeigenfrequenz entscheidend.Ein Betrieb der Anlage ist nach [2] nichtzulässig, wenn die Eigenfrequenz des Tur-mes im Bereich der Frequenz der Rotor-drehzahl oder in der Blattdurchgangsfre-quenz liegt. Untersuchungen zu den ein-zelnen Einflüssen werden z. B. von Lange[10] diskutiert. Ein Schwerpunkt desGIGAWIND-Projektes an der UniversitätHannover ist die Bestimmung der Ermü-dungsbeanspruchung aus den Wellen-lasten [15]. Dazu sind aus ortsbezogenenWellenstatistiken über geeignete Wellen-theorien mit dem Morison-Ansatz die Be-anspruchungen der Tragstruktur zu ermit-teln. Die Stochastik der Wellenbeanspru-chung wird aus Einwirkungs-Zeitreihen inBeanspruchungskollektive der Tragstruk-tur überführt. Für die Berechnung der me-chanischen Struktur selbst wird Standard-software (ANSYS) verwendet, wobei dieEinwirkungen über speziell entwickelteInterfaces zugeordnet werden.

Türme von Windenergieanlagen werdenin den meisten Fällen als Stahlrohrtürmehergestellt. Diese Rohrtürme werden ineinzelnen Abschnitten im Werk vorgefer-tigt, auf die Baustelle gebracht und dortmontiert. Zur Herstellung dieser Montage-

verbindung werden üblicherweise Ring-flanschverbindungen mit innenliegendenFlanschen eingesetzt. Die Ermüdungsbean-spruchung in den Schrauben dieser Ring-flanschverbindungen ist in den letztenJahren Gegenstand intensiver Forschungs-arbeiten (s. dazu [13], [16] und [17]).

In den üblichen Berechnungsansätzenwird der Ringflansch auf ein Segmentreduziert (Abb. 7). Die weiteren Unter-suchungen werden an diesem Segmentdurchgeführt. Die Biegebeanspruchungim Turm erzeugt wechselnde Zug-/Druck-beanspruchung an dem am Flanschseg-ment angeschlossenen Blech. Die Bean-spruchung in der Schraube ist von derHöhe der Beanspruchung im Blech abhän-gig. Der Zusammenhang ist nichtlinear, dader Druckkontakt zwischen den Flansch-flächen mit zunehmender Zugkraft imBlech abgebaut wird und die Verbindungzu klaffen beginnt. Die geometrischenVerhältnisse des Flansches und die in derSchraube vorhandene Vorspannkraft wir-ken sich auf den Verlauf aus.

Zur Untersuchung dieser Zusammen-hänge wurde am Institut für Stahlbau einForschungsprojekt durchgeführt, bei demsowohl Versuche an Segmenten im Labordurchgeführt als auch mit Dehnungsmess-streifen versehene Messschrauben in Tür-me von Windenergieanlagen eingebautworden sind. Die gemessenen Ergebnissewurden mit Ergebnissen von FE-Berech-nungen verglichen [18]. Auf Grundlageder Untersuchungen wurde von Seidel einanalytisches Berechnungsverfahren fürRingflanschverbindungen entwickelt, dasin [17] beschrieben ist.

In einem Forschungsvorhaben an derUniversität Essen wurden großmaßstäb-liche Versuche an vollständigen Ring-flanschen durchgeführt. Schmidt undJakubowski haben besonders den Einflussder Imperfektionen auf die Ermüdungs-beanspruchungen untersucht und festge-stellt, dass sich besonders ungünstig rohr-seitige Klaffungen auswirken, die nur aufeinem begrenzten Teil des Umfangs imZugbereich der Rohrbiegung vorhandensind, siehe [14].

Die großen Beanspruchungen, die beiden neu entwickelten WEA auftreten undweiterhin für die Entwicklungen der Off-shore-WEA zu erwarten sind, führen zuFlanschdicken über 100 mm verbundenmit hochfesten Schrauben bis M42; grö-ßere Schrauben werden diskutiert. DieErmüdungsfestigkeit derart massiver Flan-sche in Verbindung mit Schrauben in derangegebenen Größenordnung ist Gegen-stand zukünftiger Forschungsaktivitäten.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Die Windenergie ist für den deutschenStahlbau in den letzten Jahren ein bedeu-tender Markt geworden, der sich gegen-wärtig auf wachsende Nachfrage vorbe-reitet und sich im Gegensatz zu vielen an-deren Baubereichen auch noch in einerbefriedigenden Preissituation befindet.Die Optionen der Offshore-Windenergiein der deutschen Nord- und Ostsee bietenein verheißungsvolles Zukunftsszenario.

Die Perspektive der Offshore-Windener-gienutzung, die sich zur Zeit entwickeltund in den nächsten Jahren verstärkenkann, stellt neben dem sogenannten„Repowering“, das bedeutet das Ersetzen

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Offshore-Windenergie – eine neue Herausforderung für den Stahlbau

Abb. 7: FE-Modell und Flanschsegment

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BAUEN MIT STAHL

von älteren leistungsschwächerenAnlagen durch Anlagen der aktuellenLeistungsgrößen, ein bedeutendes Po-tenzial dar. Nach einer Prognose desDEWI [1] (Abb. 8), kann nach einer Ab-schwächungsphase zwischen 2005 und2010 mit einer jährlich neu installiertenLeistung zwischen 2.000 und 3.000 MWbis 2030 gerechnet werden. Mit den An-gaben aus Abb. 3 lässt sich für Onshore-Anlagen eine erforderliche Stahlmengevon ca. 80 t/ MW als untere Grenze er-mitteln. Für die Tragstrukturen der WEAam Offshore-Standort „Hornsrev“ mit160 MW wurden 180 t/MW oder insge-samt fast 30.000 t Stahlkonstruktionverbaut. Das belegt, dass Offshore-Tür-me im Vergleich zu Onshore-WEA mehrals die doppelte Menge an Stahlkonstruk-tion pro MW erfordern. Bei diesen Be-trachtungen sind die stählernen Unter-konstruktionen des Maschinenhausesund weitere sekundäre Ausstattungsele-mente noch nicht mit angesetzt worden.

Das Stahlgewicht der Tragstrukturen fürOffshore-WEA ist von vielen Faktoren, wieder Wassertiefe, den Bodeneigenschaften,der Anlagengröße und -höhe abhängig.Für Offshore-WEA in größeren Wasser-tiefen ist mit im Verhältnis zur Anlagen-leistung höheren Konstruktionsgewichtenzu rechnen. Für den Stahlbau ergibt sichdadurch eine große Perspektive für diekommenden Jahre. Voraussetzung für einesolche Entwicklung ist, dass die ehrgeizi-gen Offshore-Pläne in den nächsten Jah-ren tatsächlich umgesetzt werden unddass der deutsche Stahlbau sich in diesem

Markt behauptet. Dazu sind bereits heutedie Vorbereitungen zu treffen, denn an-ders als z. B. in Dänemark verfügen deut-sche Stahlbauer nicht über Erfahrungenbei der Umsetzung der Offshore-Projekte.

Die technischen Herausforderungen aufdiesem Gebiet sind vielfältig. Einige spe-zielle Themen, die Entwurf und Bemes-sung betreffen, werden zurzeit in ver-schiedenen Forschungsvorhaben unter-sucht. Weitere Themen, wie neue Ferti-gungstechnologien zur rationellen Her-stellung von Rohrknoten und die Ent-wicklung ausreichender küstennaher Fer-tigungskapazitäten seien hier angeführt.Um den sich öffnenden Markt für denStahlbau zu erschließen, sind allerdingsnoch weitere Anstrengungen erforderlich,um die zu erwartenden Anforderungenim Hinblick auf die internationale Kon-kurrenzsituation erfüllen zu können.

5 Literatur

[1] DEWI [Hrsg.]: WindEnergy-Studie 2002. Studie verfügbar unter: http://www.hamburg-messe.de/ wind.

[2] DIBt [Hrsg.]: Richtlinie für Windkraftanlagen – Einwirkungen und Standsicherheits-nachweise für Turm und Gründung.1993 Berlin.

[3] DIN 18800 „Stahlbauten – Bemessung und Konstruktion“, Ausgabe November 1990.

[4] DIN V ENV 61400-1: Windenergieanlagen - Teil 1: Sicherheitsanforderungen (IEC 61400-1:1994). Juli 1996.

[5] Ender, C.: Windenergienutzung in der Bundesrepu-blik Deutschland - Stand 31.12.2001.DEWI-Magazin 20. Februar 2002, S. 13-27.

[6] Germanischer Lloyd [Hrsg.]: Richtlinie für die Zertifizierung vonWindenergieanlagen. 1999 Hamburg.

[7] Johnsen, B.: Windkraftanlagenmarkt 2002. Hannover: Sun Media 2002.

[8] Kaiser, K.:Luftkraftverursachte Steifigkeits- undDämpfungsmatrizen von Windturbinenund ihr Einfluss auf das Stabilitätsver-halten. Diss. TU Berlin.Fortschr.-Ber. VDI Reihe 11 Nr. 294.Düsseldorf: VDI Verlag 2000.

[9] Koenemann, D.: Windenergie-Weltmarkt: Bilanz 2001.Sonne Wind & Wärme 06-2002, S. 100-103.

[10] Lange, H.:Ermüdungsbeanspruchung stählernerRohrtürme von Windenergieanlagen anBinnenlandstandorten. Diss. UniversitätEssen 2002.

[11] Schaumann, P.; Kleineidam, P.: Zur Konzeption der Tragkonstruktionenvon Offshore-Windenergieanlagen.Erneuerbare Energien 07/2001, S. 32-35.

Abb. 8: Entwicklung der jährlich neu installiertenLeistung von WEA bis 2001 in Deutschland und Prognose bis 2030 Quelle: DEW [1]

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[12] Schaumann, P.; Kleineidam, P: Support Structures of OWECS in a WaterDepth of about 30 m. Special Topic Con-ference, Brussels, 10-12 December 2001.

[13] Schaumann, P.; Kleineidam, P;Seidel, M.: Zur FE-Modellierung von zugbean-spruchten Schraubenverbindungen.Stahlbau 70 (2001), S. 73-84.

[14] Schaumann, P.; Kleineidam, P: Support Structures and FoundationConcepts for OWECS, World Wind EnergyConference and Exhibition, Berlin, 4-8 July 2002

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Offshore-Windenergie – eine neue Herausforderung für den Stahlbau

[15] Schaumann, P.; Kleineidam, P.:Einflüsse auf die Ermüdung der Tragstruk-tur von Offshore-WEA. SymposiumOffshore-Windenergie Bau- und um-welttechnische Aspekte (GIGAWIND),9. September 2002, Hannover

[16] Schmidt, H.; Jakubowski, A.: Ermüdungssicherheit imperfekter vorge-spannter Ringflanschstöße in windbean-spruchten turmartigen Stahlbauten. Ab-schlussbericht zum ForschungsvorhabenDIBt-Gesch.Z.: IV 12-5-16.104-912/99,Dezember 2001.

[17] Seidel, M.: Zur Bemessung geschraubter Ring-flanschverbindungen von Windenergie-anlagen. Diss. Universität Hannover, 2001.

[18] Schaumann, P.; Seidel, M.: Ermüdungsbeanspruchung geschraubterRingflanschverbindungen bei Windener-gieanlagen. Stahlbau 71 (2002), S. 204-211.

[19] Rehfeldt, K.; Gerdes, G.J.: Internationale Aktivitäten und Erfah-rungen im Bereich der Offshore-Wind-energienutzung, Bundesministerium fürUmwelt, Naturschutz und Reaktorsi-cherheit (BMU), 2002, www.bmu.de/erneuerbare-energien

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BAUEN MIT STAHL

Autorenverzeichnis

Dipl.-Ing. Gundolf DenzerDEGESZimmerstr. 5410117 Berlin

Dipl.-Ing. Thomas MenzelBaudirektor Amtsleiter WNA MagdeburgKleiner Werder 5 c39114 Magdeburg

Dr.-Ing. Michael PfeifferKrupp Stahlbau Hannover GmbHHackethalstr. 430179 Hannover

Dipl.-Ing. Dieter ReitzDonges Stahlbau GmbHMainzer Str. 5564293 Darmstadt

Prof. Dr.-Ing. Peter SchaumannDipl.-Ing. Patric KleineidamUniversität HannoverInstitut für StahlbauAppelstr. 9 a30167 Hannover

Dipl.-Ing. Victor SchmittSchmitt Stumpf Frühauf und PartnerLeopoldstr. 20880804 München

Dipl.-Ing. Wolf-Dietmar StarkeLeitender BaudirektorProjektteam EmssperrwerkZum Sperrwerk26802 Moormerland-Gandersum

Dr.-Ing. Peter WagnerBrückenbau Plauen GmbHSiemensstr. 963263 Neu-Isenburg