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06 10 Mitteilungsblatt der Ärztekammer Bremen und der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen 63. Jahrgang, Juni 2010 BREMER ÄRZTE BREMER ÄRZTE J O U R N A L Zerreißprobe Ernährung und Lebensstil Stoffwechselrisiken

Bremer Ärzte · den GBA 2009 die Beeinflussung der für kardiovaskuläre Erkrankungen besonders relevanten Lipidstoffwechselrisiken? Die Ausnahmen von der hier verfügten Ver-ordnungsbeschränkung

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  • 0610

    Mitteilungsblatt der Ärztekammer Bremen und derKassenärztlichen Vereinigung Bremen

    63. Jahrgang, Juni 2010

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    ZerreißprobeErnährung undLebensstil

    Stoffwechselrisiken

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    ALIA_Aerzte_210x297_BremerAerztejournal_39L 1 02.02.2010 11:11:44 Uhr

  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10 B r e M e r S t A n D P U n k t

    Es ist der erklärte Wille der Bundesregierung, in dieser Legisla-

    turperiode ein Patientenrechtegesetz auf den Weg zu bringen.

    Begründet wird der gesetzgeberische Vorstoß mit der Zersplitte-

    rung der Rechtsnormen, die für die Patienten relevant sind. Au-

    ßerdem, so der Beauftragte für Patientenrechte, Wolfgang Zöl-

    ler, sei es für Patienten oft schwierig, ihre Ansprüche auch

    durchzusetzen – man denke allein an das Recht der Patienten,

    ihre Dokumente vom Arzt oder Krankenhaus ausgehändigt zu

    bekommen. Im Fokus des Gesetzgebers stehen also unter ande-

    rem die individuellen Patientenrechte, aber auch die Rechte der

    Patienten im Falle eines ärztlichen Behandlungsfehlers.

    So weit – so gut. Niemand kann ernsthafte Einwände dagegen

    erheben, dass Patienten ihre Rechte kennen und durchsetzen

    können. Gleichwohl besteht die Gefahr, dass die Politik das Pa-

    tientenrechtegesetz nutzt, um einen Zugewinn an Rechtssicher-

    heit vorzuspiegeln, den es in der Realität nicht geben wird.

    Schon die Prämisse des Gesetzgebers, dass die Rechte der

    Patienten nur punktuell und „zersplittert“ geregelt seien, ent-

    spricht nur teilweise der Realität. Denn zahlreiche individuelle

    Rechtspositionen der Patientinnen und Patienten sind seit Jahr-

    zehnten in den Berufsordnungen für Ärztinnen und Ärzte klar

    geregelt, und zwar korrespondierend zu den entsprechenden

    Pflichten der Ärztinnen und Ärzte. Anknüpfend an die ärztlichen

    Pflichten kennen alle Berufsordnungen das Recht der Patienten

    auf angemessene Behandlung, das Recht auf Aufklärung, das

    Recht auf Dokumentation, das Recht auf Herausgabe der Unter-

    lagen und das Recht auf Verschwiegenheit – um nur einige

    schwergewichtige Patientenrechte zu nennen. Eine zusätzliche

    gesetzliche Regelung dieser Rechtspositionen bringt Patienten

    keinen Zugewinn an Rechtssicherheit. Im Gegenteil: Man muss

    sich vor überzogenen Erwartungen an eine weitere gesetzliche

    Regelung hüten, da bundesgesetzlich geregelte Patientenrechte

    mit Hilfe der staatlichen Instanzen – das heißt vor den Zivilge-

    richten – durchgesetzt werden müssen. Ein solcher Prozess ist

    häufig zeitaufwendig, immer aber teuer. Dagegen ist die Unter-

    stützung, die die Ärztekammern den Patienten bei ihrer Rechts-

    durchsetzung schon heute bieten, zeitnah, unbürokratisch und

    vor allem für die Patienten kostenfrei.

    Mit Sorge betrachte ich zudem Bestrebungen, die geltende Be-

    weislast im Haftungsrecht zulasten der Ärztinnen und Ärzte zu

    verändern. Problematisch sind diese Bestrebungen vor allem

    deshalb, weil die haftungsrechtlichen Anforderungen immer

    weniger im Einklang stehen mit dem Korsett, das das Sozial-

    recht um die ärztliche Behandlung schnürt. Die zunehmende

    Kluft zwischen dem haftungsrechtlich Gebotenen einerseits und

    dem sozialrechtlich Machbaren andererseits zeigt, dass es nicht

    ausreicht, nur die Rechte des Patienten gegenüber dem Arzt zu

    kodifizieren. Ebenso wichtig ist es, die – realisierbaren! – Ansprüche

    des Einzelnen an Staat und Gesellschaft mit in den Blick zu neh-

    men. Bereits heute kann der im Sozialgesetzbuch verbriefte

    Anspruch der Patienten auf eine angemessene und zweckmä-

    ßige – und ich möchte ergänzen: zeitnahe – Versorgung nicht

    mehr durchgängig realisiert werden. Ein Patientenrechtegesetz

    muss dem Patienten ehrlich und wahrhaftig aufzeigen, welche

    Ansprüche er gegenüber dem Gesundheitssystem hat und wel-

    che nicht. Dies setzt voraus, dass nicht nur das Recht auf eine

    angemessene Behandlung verbrieft wird, sondern auch die Vo-

    raussetzungen, um dieses zu leisten: dies sind die ärztliche The-

    rapiefreiheit, aber auch die Bereitstellung der notwendigen

    Mittel für die Behandlung, um der voranschreitenden stillen Ra-

    tionierung Einhalt zu gebieten. Ein Gesetz, das diese Aussagen

    verweigert und den Patienten unrealistische Ansprüche vorgau-

    kelt, verdient den Namen Patientenrechtegesetz nicht.

    Dr. Klaus-Dieter Wurche,

    Präsident der Ärztekammer Bremen

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    wohlmeinende Gesetzeslyrik

  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10

    t i t e l t h e M A Prof. Dr. Gerald Klose 5 Stoffwechselrisiken Prof. Dr. Gerald Klose 6 Risiko Lipidstoffwechselstörung: Unterbehandlung vermeiden

    Dr. Alexander Starke 9 Extrakorporale LDL-Senkung bei extrem hohem Stoffwechselrisiko

    Dr. Wolfgang Marg 11 Therapie von angeborenen Störungen bei Neugeborenen

    Prof. Dr. Hans Uwe Janka 13 Nutzen intensivierter Diabetestherapien im Alter

    i n t e r n 16 Sondersitzung der Vertreterversammlung der KV Bremen: Wer macht das Duo komplett?

    A k t U e l l e S 18 113. Deutscher Ärztetag: Vertrauen durch Dialog 19 Nachwuchsmangel in der Chirurgie 20 Beobachtungsstudien: Ethikkommission erstellt Grundsätze

    r U B r i k e n 3 Bremer Standpunkt 15 Akademie 22 Anzeigenbörse 23 Impressum

    11 16 20

    Angeborene Stoffwechsel-störungen können bei neu-geborenen und Säuglingen tödlich sein. laborparameter, eine schnelle Diagnostik und therapeutische Grundsätze retten leben.

    in der Sondersitzung der Vertreterversammlung der kV Bremen haben die Mitglieder beschlossen, im September den neuen Vorstandsvorsitzenden zu wählen.

    Beobachtungsstudien von Medikamenten stehen oft in der öffentlichen und fachlichen kritik. Die ethik-kommission der Ärzte-kammer Bremen hat dazu Grundsätze erstellt.

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  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10

    Meilensteine in der Erkenntnis von Stoff-wechselrisiken waren einmal das Postu-lat Archibald E. Garrods, dass angebore-nen Stoffwechselerkrankungen ein gene-tischer Defekt zugrunde liegen muss, und zum anderen etwa die Erkenntnis von Charles-Joseph Bouchard, dass Ernährung bei stoffwechselbedingten Erkrankungen, wie zum Beispiel Gicht oder Diabetes, entscheidenden Einfluss hat. Grundlagen-wissenschaftliche Fortschritte führen zu immer rascheren therapeutischen Um-setzungen bei Stoffwechselkrankheiten. Das Beispiel der Enzymersatztherapie bei Morbus Gaucher ist auch unter gesund-heitsökonomischen Aspekten interessant, wenn mit für die Zelldifferenzierung un-erlässlichen Transkriptionsfaktoren, z. B. des für die Entwicklung endokriner Pan-kreaszellen erforderlichen Rfx6, spezifi-sche Formen neonataler Diabetes erfolg-reich behandelt werden können. Dies wurde jüngst im New England Journal of Medicine in der Rubrik Clinical Implica-tions of Basic Research beschrieben. Mit dem Beitrag von Dr. Wolfgang Marg in diesem Heft liegt eine aktuelle Synopsis zu Diagnostik und Therapie einiger ange-borener Stoffwechselstörungen im Neu-geborenen- und Säuglingsalter vor. Sie ist Ausgangspunkt für die Stellungnahme zum Neugeborenenscreening. Für die pä-diatrische Praxis wird auf das Vorgehen bei Stoffwechselerkrankungen mit akuter Manifestation eingegangen. Am Erfolg der Prävention kardiovaskulä-rer Erkrankungen durch Vermeidung oder Korrektur häufiger stoffwechselbedingter Risiken hat ein großer Teil der Ärzte in

    Praxis und Klinik einen Anteil. Trotz zahl-reicher Aktivitäten ist das Problembe-wusstsein in der Bevölkerung allerdings wohl nur unzureichend vorhanden. Dies gilt insbesondere für Personen im jünge-ren und mittleren Lebensalter, die oft nur bei akuten gesundheitlichen Problemen einen Arzt aufsuchen und so nur schwer einer adäquaten Risikoprophylaxe zu-gänglich sind. Aktuelle Dresdner Untersu-chungen (vgl. Diabetes aktuell 2009) zeigten, dass bereits bei 62,4 Prozent der unter 35-jährigen Arbeitnehmer und bei 54,9 Prozent der unter 35-jährigen Ar-beitnehmerinnen in Betrieben mindes-tens eine Facette des in der Publikation sogenannten Metabolisch-vaskulären Syn-droms (MVS) zu finden war. Die Debatte über optimale Behandlungsziele bei Typ-2-Diabetes-mellitus nach negativem Aus-gang der ACCORD- oder ADVANCE-Studie ist noch nicht abgeschlossen. Sicher sind, wie Prof. Dr. Hans Uwe Jankas Beitrag zu Stoffwechselrisiken durch Diabetes melli-tus und über erstrebenswerte HbA1C-Werte bei Älteren begründet, Pauschali-sierungen eine Gefahr mancher Rück-schlüsse zu Evidenz basierter Medizin, durch sachgerechte Individualisierung der Therapie zu vermeiden. Erschwert die Neu-fassung der Arzneimittel-Richtlinie durch den GBA 2009 die Beeinflussung der für kardiovaskuläre Erkrankungen besonders relevanten Lipidstoffwechselrisiken? Die Ausnahmen von der hier verfügten Ver-ordnungsbeschränkung beinhalten ein hohes kardiovaskuläres Risiko. Auch be-stimmte Formen oder Ausprägungen von Fettstoffwechselstörungen können eine

    die Verordnung von Lipidsenkern rechtfer-tigende Abweichung sein, ohne dass sich ihr Risiko zum Beispiel bei jüngeren Be-troffenen mit familiärer Hypercholeste-rinämie in den angeführten Algorithmen abbilden ließe. Bei diesem Beispiel eines extrem hohen Stoffwechselrisikos kann eine aufwendige Therapie, nämlich die extrakorporale LDL-Senkung, erforderlich sein. Die im Beitrag von Dr. Alexander Starke abgehandelten selektiven Verfah-ren sind gegenüber Lebertransplantatio-nen oder portokavalem Shunt bei homo-zygoten Kindern als ultima ratio in der Vergangenheit, ein erheblicher Fortschritt. Ein Bei spiel völlig neuer pharmakologi-scher Möglichkeiten bei entsprechenden Stoffwechselrisiken ist die Anwendung von Antisense-Oligonukleotiden nach Raal F.J. et al, die, wie durch Mipomersen, die Apoprotein-B-Transkription und damit die Synthese des Haupt-Apoproteins der LDL unterbrechen. Stoffwechselrisiken auf Be-völkerungsebene zu begegnen, braucht Erkenntnisse zu Risiken und neue Strate-gien. Hierzu gehören, wie beispielsweise als Komponenten in der Anti-Adipositas „Let’s Move Campaign“ der First Lady Mi-chelle Obama, Zugang zu gesünderen Le-bensmitteln und Ermutigung körperlicher Aktivität.

    Literatur beim Verfasser

    Prof. Dr. Gerald Klose,

    Ärztlicher Geschäftsführer und

    Direktor der Klinik für Innere Medizin,

    Klinikum Links der Weser,

    Bremen

    Das inhaltliche Spektrum der Beiträge

    erstreckt sich von selteneren

    angeborenen zu häufigen verhaltens-

    assoziierten Stoffwechselrisiken.

    Neben Fortschritten in Therapie und Diagnostik

    müssen auch Strategien entwickelt werden,

    um in der Bevölkerung ein Problembewusstsein

    zu schaffen.

    Stoffwechselrisiken

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    risiko lipidstoffwechselstörung: Unterbehandlung vermeiden

    Die Neufassung der Arzneimittelrichtlinie des

    Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)

    beschränkt die Verordnung von Lipidsenkern auf

    bestimmte Risikokonstellationen. Die Ausnahmen

    der Richtlinie beinhalten ein hohes kardiovaskuläres

    Risiko, das auch bei bestimmten Fettstoffwechsel-

    störungen besteht.

    Gegen die Grundintention des gemein-samen Bundesausschusses (G-BA), mit der Neufassung der Arzneimittelrichtlinie die Verordnung von Lipidsenkern auf bestimmte Risikokonstellationen zu be-schränken, bräuchte es keine Einwände zu geben. Während sich für die soge-nannte sekundär-präventive Indikation praktisch nichts ändert, ergeben sich aber Fragen aus der für die Primärprävention vorgegebene Ausnahme „hohes kardio-vaskuläres Risiko“ (> 20 Prozent Ereignis-rate pro zehn Jahre auf der Basis der zur Verfügung stehenden Risikokalkulato-ren). Die adäquate Risikoeinschätzung mit diesen Instrumenten hat mehrere Grenzen. Dem Lebenszeitrisiko z. B. jün-gerer Patienten mit Hochrisiko-Konstella-tionen wird nicht Rechnung getragen. Die Risikofaktoren-Gewichtung kann dazu führen, dass z. B. Rauchen zu einer be-handlungsbedürftigen Kategorie beiträgt, die man durch Abstinenz verändern könnte. Besonders wichtig sind die im Einzelfall richtigen, aber noch nicht in Prävalenz-Inzidenzstudien berücksichtig-ten Risikomerkmale wie Albuminurie, Lp(a), Intima-Media-Dicke (IMT), Koro-narkalk oder Knöchel-Arm-Index als Indi-kator subklinischer peripherer arterieller Verschlusskrankheit. Ziel dieses Beitrags ist, durch Darstellung der Therapierele-vanz bestimmter Fettstoffwechselstörun-gen hier eine Unterbehandlung zu ver-meiden.

    Klassifikation von Fettstoffwechselstörungen Die Fredrickson-Typisierung berücksich-tigte die elektrophoretisch mögliche Er-fassung der Vermehrung einer oder meh-rerer Lipoproteine. Immer noch Bedeu-tung hat die mit der Verwendung dieser Klassifikation verbundene Empfehlung, das über Nacht im Kühlschrank aufbe-wahrte Serum auf die Vermehrung, bzw. auf die Art der Vermehrung von triglyze-ridreichen Lipoproteinen zu untersuchen.

    Die mit Feststellung eines rahmigen Überstandes auf dem Serum mögliche Zuordnung zum Typ I (sehr selten!) weist auf Chylomikronämie-Syndrome hin, die in Zusammenarbeit mit spezialisierten Zentren behandelt werden sollen. Sie kann aber auch, wie kürzlich bei uns in der Lipidsprechstunde erlebt, einen Wi-derspruch zwischen im Routinelabor er-fasster massiver „Hypertriglyzeridämie“ und völlig klarem Serum erkennen las-sen. Bei diesem Patienten lag eine

    Präventivmedizinische Bewertungskriterien für Cholesterin, LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin (NCEP)

    Tab. 1

    Kategorie mg/dL mmol/L

    Cholesterin < 150 < 1,7

    Wünschenswert 150-199 1,7-2,2

    Grenzwertig hoch 200-499 2,3-5,63

    Hoch > 500 > 5,64

    LDL-Cholesterin (erstes Ziel der Therapie)

    Optimal < 100 < 2,6

    Annähernd optimal 100-129 2,6-3,3

    Grenzwertig hoch 130-159 3,4-4,11

    Hoch 160-189 4,12-4,89

    Sehr hoch > 190 > 4,9

    HDL-Cholesterin

    Niedrig < 40 < 1,0

    Hoch > 60 > 1,6

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  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10 S t o f f w e c h S e l r i S i k e n

    Pseudohypertriglyzeridämie auf dem Bo-den eines Glyzerinkinase-Mangels vor. Die sehr gebräuchlichen Bewertungskri-terien für Cholesterin, LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin, die in der amerika-nischen Behandlungsleitlinie (NCEP-ATP III) aufgeführt sind, basieren auf präven-tivmedizinischen Überlegungen (vgl. Tab. 1 und Tab. 2). Eine ätiologische Klassi-fikation von Fettstoffwechselstörungen grenzt pri märe von sekundären Manifes-tationen ab. Bei der Einteilung primärer Fettstoffwechselstörungen wird meist deren Pathogenese berücksichtigt.

    Therapierelevante Fettstoffwechselstörungen Unter therapierelevanten Fettstoffwech-selstörungen werden diejenigen verstan-den, die mit einem deutlich höheren Er-krankungsrisiko verbunden sind. Das schließt nicht automatisch sekundäre Fettstoffwechselstörungen aus, wenn bei - spielsweise deren Normalisierung mit der Grundkrankheit nicht möglich ist. Hierzu gehören an triglyzeridbetonten sekundären Dyslypidämien das metaboli-sche Syndrom oder die Dyslipidämie bei Typ-2-Diabetes-mellitus und zu einem gewissen Grad die Dyslipidämie bei chro-nischer Niereninsuffizienz. Therapierele-vante sekundäre cholesterinbetonte Dys-lipidämie ist die Hypercholesterinämie bei nephrotischem Syndrom. Therapie-relevante primäre Hochrisiko-Dyslipopro-teinämien sind die familiäre Hypercho-lesterinämie, manche Formen polygener Hypercholesterinämie, die fami liäre Dys-beta- oder Typ-III-Hyperlipo proteinämie, kombinierte Hyperlipoproteinämien und Hypertriglyzeridämie-Syndrome.

    Familiäre Hypercholesterinämie Die Merkmale der familiären Hypercho-lesterinämie begründeten schon frühzei-tig die Auffassungen zum Stellenwert von Cholesterin an der Entwicklung vor-zeitiger Atherosklerose wie die klassische Veröffentlichung von Carl Müller „Angina

    pectoris in heriditary xanthomatosis“ zeigt. Die Entdeckung des der familiären Hypercholesterinämie zu Grunde liegen-den LDL-Rezeptor-Defektes begründete die Verleihung des Medizinnobelpreises an Michal S. Brown und Joseph L. Gold-stein 1985. Eine familiäre Hypercholeste-rinämie kann in heterozygoter und ho-mozygoter Merkmalsform auftreten. Die Prävalenz für die heterozygote familiäre Hypercholersterinämie liegt bei 1:500 und für die homozygote Merkmalsform bei 1:1.000.000. Immer noch wird die fa-miliäre Hypercholesterinämie oft erst nach Manifestation atherosklerotischer Komplikationen erkannt. Es ist deswegen vorgeschlagen worden, weitere gefähr-dete Patienten durch Familienuntersu-chungen eines Betroffenen zu suchen. Die definitive Diagnose einer familiären Hypercholesterinämie erfordert (Simon Broome-Register) ein Gesamtcholesterin > 290 oder eine LDL-Cholesterinkonzen-tration > 190 plus das Vorliegen tendinö-ser Xanthome bei Patienten oder einem Verwandten 1. Grades oder eine DNA-basierte Evidenz für LDL-Rezeptormuta-tion oder familiäre Defekte des Apolipo-protein B-100. Bei einer Untersuchung auf das Vorliegen von Fettstoffwechsel-störungen (vgl. Wiesbauer et al.) bei jun-gen Myokardinfarkt-Überlebenden ist der Phänotyp einer famliären kombinierten Hyper lipidämie ein herausragendes Merk - mal mit einer Odds Ratio von 24 (!) gewe-sen. In einer weiteren, das Risiko primärer Dyslipidämien beschreibenden Un ter suchung (vgl. Genest, Jacques et al.) zeigte sich, dass in den Familien junger Infarkt-kranker in 55 Prozent eine genetische Dyslipidämie beobachtet werden kann.

    Familiär kombinierte Hyperlipidämie Primär ist sie eine autosomale durch Überproduktion von VLDL-assoziertem Apo- protein B-100 charakterisierte Lipidstoff-wechselstörung. Die klinischen Charakte-ristika umfassen Cholesterin und/oder

    Tri glyzeriderhöhungen bei wenigstens zwei Familienangehörigen, Manifestation im Erwachsenenalter, hohe intraindividuelle und intrafamiliäre Variabilität des Phäno-typs. Es wird von einer Prävalenz zwi-schen 0,5 Prozent und 2 Prozent in der Allgemeinbevölkerung ausgegangen. Sie ist die wahrscheinlich häufigste vorkom-mende Dyslipidämie bei KHK, nämlich 10 bis 30 Prozent. Als ein wichtiger Grund für das hohe Risiko familiärer kombinier-ter Hyperlipidämien gilt das Auftreten bestimmter triglyzeridreicher Lipoprote-ine, Remnant-Partikel.

    Polygene Hypercholesterinämie Die polygene Hypercholesterinämie ist die häufigste Konstellation (80 Prozent) einer Hypercholesterinämie. Ihre Zuord-nung beruht auf Ausschlussdiagnostik, familiärer Konstellation und ist durch ein variables kardiovaskuläres Risiko charak-terisiert. Zu diesem tragen weitere Risi-kofaktoren bei, wahrscheinlich in erster Linie auch eine bezüglich der Lipide un-gesunde Ernährung.

    Familiäre Dysbeta- oder Typ-III-HyperlipoproteinämieIm Gegensatz zur familiären kombinier-ten Hyperlipidämie ist die Apoprotein- E-2/2-Homozygotie ein genetischer Mar-ker. Die Erkrankung ist seltener, ange-nommen wird eine Inzidenz von 1:10.000 bis 1:15.000. Sie ist durch gleichsinnige Cholesterin- und Triglyzeriderhöhung cha - rak terisiert. Für eine definitive Typ-III-Dyslipidämie ist hoch signifikant nach Paul N. Hopkins eine Odds Ratio von > 8 für das Auftreten vorzeitiger koronarer Herzerkrankung ermittelt worden.

    Hypertriglyzeridämie-Syndrome In spezialisierten Zentren sind ausge-prägte Hypertriglyzeridämien ein häufiger Überweisungsgrund. Im Einzelfall kann die diagnostische Bewertung sehr schwie-rig sein, die prognostische Bewertung ist oft nicht möglich. Als Faustregel gilt, dass isolierte Hypertriglyzeridämien, also das Fehlen gleichzeitiger LDL-Cholesteriner-höhungen, ein Merkmal familiärer Hyper-triglyzeridämien ohne erhöhtes kar- diovaskuläres Risiko sein können. In der Praxis wird gelegentlich eine solche aus-geprägtere Hypertriglyzeridämie ohne ir-gendwelche klinischen Komplikationen beobachtet. Nicht selten werden massive Hypertriglyzeridämien bei einem hetero-genen genetischen Hintergrund durch Um-gebungsumstände wie Alkohol, manche

    Präventivmedizinische (klinische) Bewertungskriterien für Triglyceride (NCEP)

    Tab. 2

    Kategorie mg/dL mmol/L

    Normal < 150 < 1,7

    Grenzwertig hoch 150-199 1,7-2,2

    Hoch 200-499 2,3-5,63

    Sehr hoch > 500 > 5,64

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    Diagnose Demenz: Was dann? Wenn im Alter Vergesslichkeit und Verwirrung zunehmen, stellen sich Betroffene

    und Angehörige schnell die quälende Frage: Ist das normal – oder sind das schon die ersten Anzeichen von Alzheimer? Demenz zählt zu den häufigsten Altersleiden und ist Sammelbegriff für etwa 50 verschiedene Krankheiten, darunter auch das so gefürchtete Alzheimer. In der Reihe „KVHB: Hautnah – Eine Veranstaltung für Patienten und deren Angehörige“ werden Ärzte und Vertreter der Selbsthilfe am Mittwoch, 16. Juni, über Risikofaktoren, Ursachen, Krankheitsverlauf und Therapie informieren.

    Datum: Mittwoch, 16. Juni 2010

    Uhrzeit: 16.00 bis ca. 17.30 Uhr

    Ort: Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVHB)

    Gebühr: Kostenlos

    Referenten: Carmen Cecilia Groninga (Fachärztin für Allgemeinmedizin) Ulrich Dölle (Facharzt für Nervenheilkunde) Peter Niemeyer (Alzheimer Selbsthilfegruppe) Dr. Thomas Liebsch (KV Bremen)

    KVHB: Hautnah – Eine Veranstaltung für Patienten und deren Angehörige

    www.kvhb.de/ termine/hautnah.php

    Medikamente oder weitere Grundkrank-heiten wie z. B. schlecht eingestellter Diabetes mellitus beobachtet. Ein her-vorstechendes Risiko massiver Hyper tri-glyzeri d ämien sind Pankreatitiden. Kürz-lich wurde im New England Journal of Medicine vorgeschlagen, in die Thera-pierelevanz von Hypertriglyzeridämien die Kenntnis erhöhten Apoprotein-B’s eingehen zu lassen.

    Familiäre Hypercholesterinämie (LDL-Rezeptor-Defekt, kardiovaskuläre Komplikationen in früher Kindheit (homozygot) meist (80 Prozent) im 3. Lebensjahrzehtnt (heterozygote Männer) oder 4. Lebensjahrzehnt (heterozygote Frauen))

    Polygene Hypercholesterinämie (häufigste Konstellation (80 Prozent) einer Hypercholesterinämie, Ausschluss-diagnostik, familiäre Konstellation, kardiovaskuläres Risiko variabel, beeinflusst von weiteren Risikofaktoren)

    kombinierte Hyperlipidämie (familiäre und sekundäre Manifestation von Cholesterin-und Triglyceriderhöhun-gen, Ausschlussdiagnostik, Überschneidung mit anderen genetischen oder erworbenen Syndromen (Insulinresistenz Diabetes mellitus, Metabolisches Syndrom )

    Hypertriglyceridämie-Syndrome (heterogene Risiken)

    Hochrisiko-Dyslipoproteinämien

    Tab. 3

    Erkrankungen auf einen BlickFür die Praxis besonders bedeutsame Hochrisiko-Dyslipoproteinämien sind die familiäre Hypercholesterinämie (LDL-Re-zeptordefekt, kardiovaskuläre Komplika-tionen in früher Kindheit bei homozygo-ter Merkmalsform, meist bei 80 Prozent im dritten Lebensjahrzehnt (heterozygote Männer) oder vierten Lebensjahrzehnt (heterozygote Frauen) (vgl. Tab. 3). Die

    polygene Hypercholesterinämie ist am häufigsten, in ihrer Relevanz beeinflusst von weiteren, zum Teil auch Lebensstil-faktoren. Familiäre Dysbeta- oder Typ-III-Hyperlipoproteinämie (ApoE-2/2-Homo-zygotie, gleichsinnige Cholesterin- und Triglyzerid-Erhöhungen). Die kombinierte Hyperlipidämie kommt familiär und in sekundärer Manifestation vor, häufig Aus - schlussdiagnostik, Überschneidung mit anderen genetischen oder erworbenen Syndromen (Insulinresistenz Diabetes mellitus, Metabolisches Syndrom). Sie ist die häufigste Dyslipidämie bei jungen In-farktpatienten.

    Literatur beim Verfasser

    Prof. Dr. Gerald Klose,

    Ärztlicher Geschäftsführer und

    Direktor der Klinik für Innere Medizin,

    Klinikum Links der Weser,

    Bremen

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  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10 S t o f f w e c h S e l r i S i k e n

    ämie (ARH) sprechen gut auf eine medi-kamentöse Therapie an. Eine weitere Therapieindikation besteht bei schwerer Hypercholesterinämie (LDL-Cholesterin > 190 mg/dl; heterozygote FH Inzidenz 1:500, familiär defektes ApoB100 Inzi-denz 1:700, polygene Hypercholesterinä-mien 1:20) mit progredienter Atheroskle-rose und nicht Erreichen der Lipidziel-werte trotz maximaler tolerierter konser-vativer Therapie > 1 Jahr und/oder Vor liegen von Medikamentenunverträglich-keiten (vgl. Statine). Die Evidenz für diese Indikation ist geringer als für die homo-zygote Form. Durch langjährige Behand-lung kommt es zu einer signifikanten Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse bis 70 Prozent ohne signifikante Mortalitäts-reduktion. Die vorliegenden Daten stam-men vor allem aus unkontrollierten Stu-dien ohne Kontrollgruppen mit Surrogat-parametern (z. B. Reduktion des LDL-Cho-lesterins, Intima-Media-Dicke, MACE (major-adverse-coronary-events)) als End - punkte. Eine individuelle Behandlungsin-dikation besteht bei Patienten mit einer Lp(a)-Erhöhung. Vorraussetzung ist eine progrediente Atherosklerose trotz opti-mal eingestellter LDL-Cholesterin-Werte (< 100 mg/dl) und einem Lp(a) > 60 mg/dl. 2008 hat der gemeinsame Bundesaus-schuss beschlossen, dass bei o.g. Pa -

    Bei der Großzahl der Patienten mit Hy-percholesterinämie und erhöhtem kar-diovaskulären Risiko genügt eine Lebens-stiländerung in Kombination mit einer medikamentösen Mono- oder Kombi-nation s therapie, um empfohlene indivi-duelle Lipidzielwerte zu erreichen. Bei einer kleinen Minderheit von Patienten mit schwerer Hypercholesterinämie wer-den die Zielwerte (LDL < 130 mg/dl) nicht erreicht, und es müssen sekundärpräven-tiv alternative lipidsenkende Verfahren, wie die Lipidapherese eingesetzt werden.

    Indikationen für eine LDL-ApheresetherapieDie aktuellste Leitlinie zu Therapieindika-tionen, ist die der britischen Gesund-heitsorganisation (NICE) aus dem Jahr 2008. Für Deutschland liegen 2008 aktu-alisierte Empfehlungen des gemeinsa-men Bundesausschuss (BUB Richtlinien) von 2003 vor. Klare Evidenz gibt es für Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie (FH, Inzidenz 1:1 Millionen). Der Therapiebeginn soll vor dem 7. Lebensjahr erfolgen und mit einer maximal tolerierten lipidsenkenden Kom-binationstherapie einhergehen (Statin plus Cholesterinresorptionshemmer). Pa-tienten mit der seltenen homozygoten autosomal rezessiven Hypercholesterin-

    tienten die Kosten für die LDL-Apherese von der GKV wieder übernommen wer-den. Die Behandlung dieser Patienten soll in Studien erfolgen (befindet sich ak-tuell in Planung).

    TherapieverfahrenIn Deutschland kommen fünf verschie-dene Aphereseverfahren zur Anwendung, welche in Bezug auf LDL-Cholesterin- und Lp(a)-Absenkung vergleichbar sind. Un-terschiede bestehen in der Selektivität der eliminierten Lipoproteine, der Elimi-nation anderer Makromoleküle und im behandelbaren Plasmavolumen. Mit ein- bis zweiwöchentlicher Therapie können LDL-Cholesterin und Lp(a) um durch-schnittlich 60 bis 80 Prozent abgesenkt werden, das HDL-Cholesterin steigt leicht an. Bei den verschiedenen LDL-Choleste-rin-Eliminationsverfahren erfolgt ein veno-venöser Plasmatausch (verfah-rensabhängig 2 bis 6 Liter umgesetztes Plasmavolumen). Die Therapiedauer be-trägt im Mittel 2 bis 3 Stunden. Die Thera-pieverträglichkeit ist sehr gut. Nebenwir-kungen sind vor allem durch passagere Volumenverschiebungen bedingt (schwere Nebenwirkungen < 1 Prozent, drop out Rate 1 Prozent). Fibrinogen wird durch einmalige Behandlung, insbesondere mit dem HELP- und dem DFPP-Verfahren,

    Bei Patienten mit schwerer

    Hypercholesterinämie müssen

    sekundärpräventiv alternative

    lipidsenkende Verfahren

    eingesetzt werden, um die

    Lipidzielwerte zu erreichen.

    Aufwendige Therapien,

    wie die extrakorporale LDL-

    Senkung, können erforderlich

    sein.

    extrakorporale lDl-Senkung bei extrem hohem Stoffwechselrisiko

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    um 60 Prozent reduziert und die endo-theliale NO-Produktion signifikant gestei-gert. Folge ist eine signifikante Verbesse-rung der Hämorheologie (Plasmaviskosi-tät um 20 Prozent, Thrombozyten- und Erythrozytenaggregationsfähigkeit um > 60 Prozent vermindert). Die Therapie-kosten liegen in Deutschland aktuell bei ca. 1.200 Euro pro Sitzung, bei zweiwö-chentlicher Therapie entstehen Kosten von ca. 30.000 Euro pro Jahr.

    Situation am Klinikum LdWIn der LDL-Apherese-Einheit des Klini-kums Links der Weser (LdW) werden ak-tuell acht Patienten regelmäßig mit zwei verschiedenen Therapieverfahren (HELP-Therapie, DFPP (Kaskadenfiltration)) be-handelt. Sechs Patienten sind kardiovas-kuläre Hochrisikopatienten mit hetero-zygoter FH oder polygener Hyper cho- les terinämie und nicht konservativ zu erreichenden Lipidzielwerte oder Medi-kamentenunverträglichkeiten. Ein Patient hat eine isolierte Lp(a)-Erhöhung und eine Patientin ein Refsum-Syndrom (aut. rez. Phytansäurespeichererkrankung, he-reditäre motorisch-sensible Neuropathie Typ IV, mit LDL-Apherese wird auch die Phytansäure im Serum gesenkt). Zur indi-

    viduellen Therapieevaluation- und pla-nung steht unsere wöchentliche endokri-nologisch/lipidologische Sprechstunde zur Verfügung.

    Alternative IndikationenNeben hämatologischen, rheumatologi-schen und neurologischen Erkrankungen bestehen individuelle Behandlungsindi-kationen für die Plasmapharese für das diabetische Fußsyndrom, den akuten Hörsturz und die altersabhängige Maku-ladegeneration. Massive Hypertriglyzeri-dämien (TG > 1000 mg/dl) sind in bis zu 10 Prozent Ursache der schweren Pankre-atitis. Durch einmalige LDL-Apherese werden Triglyzeride um 70 Prozent ge-senkt (Evidenzgrad 4 für diese Indika-tion).

    Neue Daten zur LDL-AphereseCa. 1 Prozent aller KHK Patienten erfüllen die Kriterien für die LDL-Apherese. Dies sind 34 von 100.000 Patienten, aktuell behandelt werden 1,7 von 100.000 Pa-tienten. Die Detect-Studie zeigte, dass 8 Prozent von 55.518 Patienten mit Hyper-lipoproteinämie den empfohlenen LDL-Zielwert erreichen. In einer longitudina-len Kohortenstudie wurde sekundärprä-

    ventiv bei kardiovaskulär erkrankten Pa-tienten mit stark erhöhtem Lp(a) durch Kombination von Apherese und lipidsen-kender im Vergleich zu lipidsenkender Therapie allein über 5,5 Jahre die MACE (major-adverse-coronary-events) Rate um 86 Prozent gesenkt. Eine Mortalitäts-senkung fand sich nicht. Die Studiener-gebnisse erfüllen, unter anderem wegen des Fehlens einer Kontrollgruppe, noch nicht den Anspruch ausreichender Evi-denz. Hohes LDL-Cholesterin und Fibrino-gen sind mit einer reduzierten Durchblu-tung der cochleären Endstrombahn und einer erniedrigten Motilität der äußeren Haarzellmembran assoziiert. Eine ein-malige Apherese-Therapie ist beim aku-ten Hörsturz der Standardtherapie mit Prednisolon/Plasmaexpander nicht un-terlegen. Signifikante Vorteile bestehen bei Patienten mit einer LDL-Cholesterin- (> 134 mg/dl) und Fibrinogen- (> 30 mg/dl) Erhöhung. Es werden in mehreren pros-pektiv randomisierten Studien bis zu 84-prozentige Erfolgsraten beschrieben. In einer aktuellen Studie von Klingel wer-den diese Ergebnisse in der Zweitlinien-therapie bestätigt. Das therapeutische Fenster beträt sechs Wochen. In der ge-rade in Überarbeitung befindlichen Leitli-nie Hörsturz wird die LDL-Apherese als Therapieverfahren bei pantonaler IOS mit Fibrinogen- und LDL-Cholesterinerhöhung empfohlen. Bei Patienten mit ungeklär-ter dilativer Kardiomyopathie wird eine ätiologische Ursache und eine kardiode-pressive Funktion kardialer Autoantikör-per (u.a. ß1-Rezeptor, kardiales Myosin) diskutiert. Durch Immunapheresen konn te in der Akut- und Langzeittherapie (1 Jahr) eine Verbesserung der linksventikulären Funktion und klinischer Symptome ge-zeigt werden. Die notwendige Validie-rung dieser Pilotergebnisse erfolgt zurzeit in einer randomisiert kontrollierten Mul-ticenter-Studie.

    Dr. Alexander Starke,

    Facharzt für Innere Medizin,

    Klinik für Innere Medizin,

    Klinikum Links der Weser, Bremen

    Individuelle Therapieindikationen zur LDL-Apherese(vlg. Food and Drug Association (FDA), National Health Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) und den BUB Richtlinien)

    Tab. 1

    Patientengruppe LDL Cholesteringrenze

    Homozygote FH Patienten > 350 - 500 mg/dl

    Heterozygote FH Patienten oder schwere Hypercholesterinämie ohne KHK oder Äquivalente

    > 190 - 300 mg/dl

    Heterozygote FH Patienten oder schwere Hypercholesterinämie mit KHK oder Äquivalente

    > 130 - 190 mg/dl

    Patienten mit progredienter KHK und LP (a) Erhöhung und +/- schwere Hypercholesterinämie

    Lp(a) > 60 mg/dlLDL > 130 – 190 mg/dl

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    therapie von angeborenen Störungen bei neugeborenen

    Es gibt rund 3.000 angeborene Stoffwechselkrankheiten. Einige führen im Neugeborenen-

    und Säuglingsalter zu plötzlichen klinischen Auffälligkeiten und können tödlich enden.

    Diagnostiktechniken und therapeutische Grundsätze helfen, die Krankheit zu erkennen und

    zu behandeln.

    Meist sind die angeborenen Stoffwechselkrankheiten autoso-mal rezessiv, wie auch die Galaktosämie, werden also klinisch nur dann auffällig, wenn der Mensch homozygot ist. In dem dargestellten Fallbeispiel also das Kind von beiden Eltern, die klinisch gesund sind und welches die krankmachende Anlage geerbt hat.

    NeugeborenenscreeningIn der Bundesrepublik ist es üblich, bei Geburt, am besten zwi-schen 2. und 3. Lebenstag, das Neugeborenenscreening durch-zuführen, mit welchem eine Reihe von Krankheiten entdeckt werden können, die zu diesem Zeitpunkt meist noch keine Symp-tome haben. Aktuell im Neugeborenenscreening erfasste Erkrankungen:n Endokrinologische Erkrankungen:

    Hypothyreose, Adrenogenitales Syndromn Stoffwechselerkrankungen:

    Biotinidase-Mangel, Galaktosämien Aminosäurestoffwechselstörungen (Phenylketonurie,

    Ahornsirup-Krankheit)n Fettsäureoxidationsstörungen (MCAD, LCHAD, VLCAD)n Carnitinzyklusdefekte (CPT1- und 2-Mangel, Carnitinacyl-,

    Carnitintranslokasemangel)n Organoazidurien (Glutarazidurie Typ 1, Isovalerianazidämie)

    Das Neugeborenenscreening unterliegt nach Inkrafttreten des Gendiagnostikgesetzes zum 01.02.10 verschärften datenschutz-rechtlichen Bestimmungen, deren Umsetzung noch in der Dis-kussion ist. Die meisten entdeckten Erkrankungen sind nicht klinisch auffällig zum Zeitpunkt der Blutentnahme, was auch Sinn des Screenings ist, da es darum geht, die Krankheiten vor Manifestation zu entdecken und sie vorher zu behandeln. Die Auswahl der im Screening zu entdeckenden Krankheiten richtet sich danach, dass es einerseits ökonomisch sinnvoll ist und dass es sich andererseits um behandelbare Krankheiten handelt und damit eine deutliche Morbidität- und Mortalitätssenkung erzielt werden kann. Die klassische Galaktosämie kann schon sehr früh, nach Gabe laktosehaltiger Milch, was Muttermilch ja ist, klinisch manifest werden, so dass zum Zeitpunkt des Screenings das Kind bereits erkrankt sein kann. Deshalb sollte bei jedem Ikterus praecox und gravis der Urin auf reduzierende Substanzen und Glukose untersucht werden. Wenn reduzierende Substan-zen positiv sind und Glukose negativ, ist davon auszugehen,

    dass es sich um eine Galaktosämie handelt und laktosehaltige Fütterung sollte unterbleiben noch bevor das Ergebnis des Screenings vorliegt. Unabhängig von der Proteinzufuhr in der Ernährung ist ein technisch sicheres Screening für alle Zieler-krankungen nach der 36. Lebensstunde möglich, auch bei Früh-geborenen, die älter als 32 Wochen sind und bei kranken Neu-geborenen. Bei vorzeitiger Entlassung, Transfusion, Steroid- oder Dopamin-Behandlung vor 36 Stunden Lebensalter sollte zusätz-lich zu dem 1. Screening ein 2. Screening durchgeführt werden, ebenso bei Frühgeborenen unter der 32. Woche. Diese Notwen-digkeit zum 2. Screening muss im Vorsorgeheft vermerkt wer-den, bei Zweifel an der Durchführung sollte das Screening wie-derholt werden. Die Eltern sind hierüber aufzuklären. Der Pro-benversand soll am Entnahmetag erfolgen.

    Stoffwechselerkrankungen mit akuter ManifestationDiese Krankheiten können durch Zeichen der Intoxikation, des Substratmangels und eines Energiemangels auffallen. Zu den Krankheiten mit Zeichen der Intoxikation gehören Harnstoff-

    Fallbeispiel

    Das zweite Kind gesunder Eltern, wird in der 41. SSW entbunden und am 2. LT vollgestillt nach Abnahme des Guthrietestes nach Hause entlassen. Es zeigt einen Neugeboren en ikterus, aus Sicht der Mutter „ziemlich“ gelb. Am 7. LT wird ein Galaktosewert von 179 mg/dl aus dem Screeningzentrum gemeldet bei nicht nach-weisbarer Gal-1-P UDT Einweisung in die Klinik unter dringendem Verdacht auf eine klassi -sche Galaktosämie. Bilirubin 33mg/dl, Hepatomegalie, Quickwerterniedrigung auf 8 Prozent, Transaminasenerhöhung über 300 U/l sowie Hypoglykämie bestätigen den Verdacht. Unter Weglassen von Galaktose, das heißt hier Lactose, also Muttermilch, und Wechsel auf Sojamilch bei kurzfristiger parenteraler Ernährung mit Glukose tritt eine Besserung ein. Lactosefreiheit bleibt auch die einzige Therapie bei dem sich gut entwickeln-den Kind.

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    zyklusdefekte, Organoazidopathien, Aminoazidopathien, Fett-säureoxidationsstörung, Galaktosämie und hereditäre Frukto-seintoleranz. Zu den Krankheiten mit Zeichen des Substratsman-gels gehören die Glykogenosen (Typ 1 und 3), Störungen der Glukoneogenese, Fettsäureoxidationsstörung (kurzkettig), Stö-rungen der Ketogenese und der Ketolyse, der Hyperinsulinismus neonatal. Energiestoffwechselstörungen werden beobachtet bei Atmungskettendefekten und Pyruvatdehydrokinasemangel. Das Manifestationsalter ist bei Intoxikation und Substratmangel häufig die erste Lebenswoche und dann wieder das Ende des 1. Lebensjahres, bei Energiestoffwechselstörung häufig der Zeit-punkt der Geburt. Die klinische Symptomatik ist unspezifisch, Leitsymptome können sein: Encephalopathie: Lethargie, Trink-schwäche, Erbrechen, muskuläre Hypotonie, Irritabilität, Apnoen, Krampfanfälle bis hin zum Koma. Hepatopathie mit Hepatome-galie und Störung der Syntheseleistung, Cardiomyopathie mit Herzinsuffizienz und Rhythmusstörungen. Das sofortige Routi-nelabor umfasst hierbei die Bestimmung von Ammoniak, Glu-kose, Lactat, Blutgasanalyse und Ketonstix im Urin. In Abhängig-keit von den Ergebnissen kann anhand typischer Konstellationen der Verdacht auf einen Harnstoffzyklusdefekt (Ammoniak hoch, Lactat mäßig hoch, pH-Wert alkalotisch oder azidotisch) oder Organoazidopathien mit ausgeprägter Ketonurie, einem stark erniedrigten pH-Wert und Erhöhung des Ammoniaks und des Lactates oder weiter Fettsäureoxidationsstörung mit stark er-niedrigter Glukose und verminderter Ketonurie oder Atmungs-kettendefekten mit extrem erhöhtem Lactat bei niedrigem pH-Wert geschlossen werden. Bei den Hyperamonämien können neonatale gegenüber spät einsetzenden Auffälligkeiten unter-schieden werden, wobei die neonatalen bereits nach 24 Stun-den durch Trinkschwäche, Erbrechen, Verlust der Neugebore-nenreflexe, Hypothermie, Apnoen, Krampfanfälle und Koma auffällig werden können.Bei der Hypoglykämie ist es geschickt, auf die Dauer der voran-gegangenen Nüchternphase zu achten bzw. zu prüfen, ob direkt eine Mahlzeit vorausgegangen ist, und zu versuchen eine Keto-nurie oder Ketonämie auszuschließen bzw. zu belegen und gleichzeitig mit einer kritischen Blutentnahme andere Parame-ter wie Lactat, freie Fettsäuren, Cortisol, organische Säuren und Aminosäuren im Serum und Urin zu bestimmen (kritische Blut-entnahme) und sich so der Diagnose zu nähern. Diese Blutent-nahme sollte erfolgen, bevor Glukose substituiert wird. Die gleichzeitige Entnahme von Insulin hilft bei neonatalem Hyper-insulinismus (Nesidioblastose) bzw. einem vorangegangenen Gestationsdiabetes (Makrosomie des Neugeborenen, Hypoglyk-ämie, relativer Hyperinsulinismus) in der Diagnosestellung. Auch bei Nachweis einer metabolischen Azidose ist der Beleg des Vorhandenseins einer Ketose über den Algorhythmus ja/nein zur Hypoglykämie bzw. Hyperlactatämie wegführend. Bei Lac-tat-Erhöhung wird der Urin auf organische Säuren untersucht,

    das Verhältnis von Lactat zu Pyruvat untersucht und an der Kon-stellation der anderen Metabolite entlang in Richtung Fettsäure-oxidationsdefekt, Mitochrondropathien, Glukoneogenesestörun-gen gedacht.

    NotfalltherapieAls Notfalltherapie gilt allgemein die Substitution von Glukose als Energieträger, um Katabolismus zu vermeiden, in der akuten Situation in der Regel immer parenteral mit Gabe ausreichender Flüssigkeitszufuhr. Alle anderen Maßnahmen sollten unter stati-onären Bedingungen in einer Einrichtung der Maximalversor-gung mit guten Laboranbindungen täglich und über 24 Stunden durchgeführt werden. Es kommen verschiedene Medikamente wie Carnitin, Riboflavin, Natriumbenzoat, Argininhydrochlorid, Thiamin und weitere Substanzen zum Einsatz, dies ganz in Ab-hängigkeit von der vermuteten Diagnose und den nachgewie-senen auffälligen Metaboliten aus der Sofortdiagnostik als auch im Verlauf. Insbesondere bei angeborenen Erkrankungen des Aminosäurestoffwechsels und der Organoazidurien werden spe-zielle Nahrungen eingesetzt. Alle Spezialnahrungen werden in der Professor-Hess-Kinderklinik vorgehalten und sind rund um die Uhr täglich verfügbar. Der adäquate Einsatz sowohl der Me-dikamente als auch insbesondere dieser speziellen Nahrungen erfolgt in Absprache mit unserem Stoffwechselteam. Wird im Guthrie-Test in der Neugeborenenperiode z. B. eine Phenylketo-nurie diagnostiziert, kann sie sofort adäquat behandelt werden und es kommt zu keinem Krankheitssymptom. Mittlerweile er-folgt die Behandlung lebenslang, mindestens aber bis zur voll-endeten Pubertät und bei Mädchen und Frauen kontinuierlich, bis kein Kinderwunsch mehr besteht. Es war aufgefallen, dass Patienten mit einer Phenylketonurie, die nicht adäquat behan-delt wurden, im Rahmen einer Schwangerschaft zu hohe Phe-nylanilinspiegel hatten und hiermit ihre ungeborenen Kinder sozusagen vergifteten. Die Zeichen der Intoxikation waren Herz-fehler, Mikrocephalie und schwere Gedeihstörung. Die Frauen selbst sind klinisch unauffällig, haben zu hohe Phenylanilinspie-gel in der Schwangerschaft und die Kinder werden im Sinne ei-ner Intoxikation durch diese hohen Spiegel ähnlich krank, wie Kinder bei einer Alkoholembryopathie.

    Einfache Laborparameter helfen schnell weiterWenn auch jede einzelne Stoffwechselkrankheit in der Regel selten ist, so ist doch eine akute Krankheitssituation durch eine Stoffwechselverschlechterung einer der zugrundeliegenden Er-krankung nicht selten. Einfache Laborparameter wie Lactat, Glu-kose, Ammoniak und Ketokörper im Urin können, im Rahmen einer akuten metabolischen Entgleisung, rasch diagnostisch weiterhelfen. Die intravenöse Therapie zur Verhinderung von Katabolismus insbesondere durch hoch dosierte Glukose kann lebensrettend sein. Der regelmäßige Qualitätszirkel unserer Kli-nik und der Kinderkliniken in der GeNo gemeinsam mit den Screening- und Stoffwechselzentren Hamburg und Hannover si-chern einen guten Standard in seinem sehr komplexen Spezial-gebiet der Kinderheilkunde.

    Dr. Wolfgang Marg,

    Leitender Oberarzt,

    Prof. Hess Kinderklinik,

    Klinikum Bremen-Mitte

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    nutzen intensivierter Diabetes therapien im Alter

    Nach den Statistiken des Center of Disease Control in Atlanta aus dem Jahr 2007 ist die

    Mehrzahl der Diabetiker in Industriestaaten über 60 Jahre alt. Die Behandlung älterer

    Diabetiker ist jedoch oft ungenügend. Die Prognose der Typ-2-Diabetes mellitus kann

    verbessert werden.

    Bei älteren Diabetikern setzen weder die aktuellen, Evidenz-basierten Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft noch andere internationale Leitlinien spezielle Zielwerte einer guten Diabeteseinstel-lung. Auch im höheren Lebensalter wird in Deutschland der Zielwert für das HbA1c mit 6,5 Prozent angegeben. Im gemein-samen Konsensus-Statement von ADA und EASD (New English Journal of Medi-cine) heißt es lediglich, dass potentieller Nutzen und mögliches Risiko einer inten-sivierten Diabetestherapie bedacht und Faktoren wie Lebenserwartung, Hypogly-kämie-Risiko und die Präsenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen berücksichtigt wer- den sollten.

    Relevante Fragen zur intensivierten Blutzucker-EinstellungEdwin Gale, renommierter Editor der Zeit-schrift Diabetologia, hat kürzlich zu Nut-zen und Zielwerten einer guten Diabetes-einstellung bei älteren Diabetikern eine pointierte Stellung bezogen (vgl. Tab. 1). Seiner im Tenor nihilistischen Einstellung muss allerdings aus guten Gründen wider-

    sprochen werden. Edwin Gales Schluss-folgerungen werden durch die von ihm vorgestellten Studien nur teilweise ge-stützt. In der mehrfach zitierten UKPDS beispielsweise war das mediane Alter der Patienten bei Studienbeginn 54 Jahre. Erst nach längerer Diabetesdauer erreich-ten sie den Status des „älteren“ Diabeti-kers und wiesen dann auch ganz andere

    als die zitierten Ergebnisse auf. Im Allge-meinen werden drei Ziele in der Diabe-testherapie des älteren Typ-2-Diabetikers genannt: n Behandlung hyperglykämischer Symp-

    tome, n Prävention akuter Komplikationenn Vermeidung von Folgeschäden.

    Verbesserung der LebensqualitätZur „symptomfreien Einstellung“ gehören nicht nur die Vermeidung der klassischen Symptome wie Durst, Polyurie und Mü-digkeit, sondern auch die Verbesserung der geminderten Merk-, Lern-, Konzent-rations- und Reaktionsfähigkeit. Viele Pa-tienten gewinnen dadurch ihr Wohlbefin-den und die Initiative zurück, die für den Erhalt der Fähigkeit, sich möglichst lange selbständig zu versorgen, von großer Be-deutung sind. In Edwin Gales eigener Zeitschrift Diabe-tologia wurde kürzlich gezeigt, dass der schlecht eingestellte Diabetes das Risiko für Alzheimer und vaskuläre Demenz

    n Keine Verbesserung der Lebensqualität

    n Keine Reduktion der Mortalität

    n Keine Reduktion der kardiovaskulären Endpunkte (mit Ausnahme des Herzinfarkts)

    n Marginale Verbesserung der mikrovaskulären Komplikationen

    n Nicht Kosten-effektiv

    n Nachteile sind die erhöhte Rate an Hypoglykämien, Gefühle des Versagens

    n Lenkt ab von anderen Prioritäten (Bewegung, Blutdruck-Einstellung etc.)

    Edwin Gales Schlussfolgerungen hinsichtlich einer Senkung der HbA1c-Werte von 8 Prozent auf 7 Prozent bei Diabetes-Patienten über 65 Jahre

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  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10S t o f f w e c h S e l r i S i k e n

    erhöht (vgl. Xu WL et al., Diabetologia 2009). Lebensqualität und Wohlbefinden werden bei älteren Patienten nicht selten durch die Hyperglykämie-induzierten Missempfindungen und Schmerzen in den Beinen massiv beeinträchtigt. Sie sind Folge der sensomotorischen diabeti-schen Neuropathie, die eine häufig un-terschätzte und für die älteren Patienten oftmals sehr unangenehme Komplikation darstellt. An den unteren Extremitäten trägt sie wesentlich zur Entwicklung von dumpfen, schwer zu lokalisierenden und nachtsbetonten Schmerzen bei. Viele die-ser Patienten werden dadurch regelmä-ßig um den Schlaf gebracht und sie profi-tieren dann von normnahen Blutzucker-werten.

    Prävention akuter KomplikationenDie klinische Erfahrung hat gezeigt, dass Diabetiker bei schlechter diabetischer Stoffwechsellage zu bakteriellen und zu Pilz-Infektionen neigen. Besonders häu-fig werden Infektionen der Haut, der Harnwege, der Gallenwege, und natür-lich des Fußes angetroffen. Trotz großer Fortschritte auf dem Gebiet der Antibioti-katherapie zählen schwere Infektionen auch weiterhin zu den Haupttodesursa-chen bei Diabetikern. Nach den Statisti-ken der Joslin Clinic wurde bei 12 Prozent der autopsierten Diabetiker eine Infek-tion als Todesursache gefunden. Pneu-monien und komplizierte Harnwegsin-fektionen lagen dabei an erster Stelle. Zwischen der Hyperglykämie und der In-fektion besteht ein klassischer circulus vitiosus. Die Infektion führt zu Insulinre-

    sistenz und lässt die Blutzuckerwerte weiter ansteigen. Die Hyperglykämie för-dert das Keimwachstum durch eine Reihe von Mechanismen der gestörten Infekt- abwehr, insbesondere durch eine Funk- tionsstörung der Granulozyten. Sie ist bei schlechter Stoffwechseleinstellung auch für die gestörte Wundheilung verant-wortlich. Besteht längerfristig eine Hy-perglykämie, so ist die Insulinresistenz durch die sogenannte Glukotoxidität ver-stärkt. Dann bedarf es nur eines kleinen Anlasses (z. B. Harnwegsinfekts), und der ältere Patient rutscht in eine schwere Stoffwechselentgleisung. Leben diese Patienten allein, was nicht selten der Fall ist, kann diese gefürchtete Komplikation durch zu späte Intervention fatale Folgen haben. Im Übrigen haben schlecht einge-stellte Diabetiker bei den häufig im Alter auftretenden Herz-Kreislauf-Komplikatio-nen (Herzinfarkt, Schlaganfall) eine ein-deutig schlechtere Prognose als Patien-ten mit normnahen Blutzuckerwerten.

    Vermeidung von FolgeschädenWiederholt wurde die Meinung geäußert, dass der ältere Typ-2-Diabetiker die Ent-wicklung einer bedrohlichen Retinopa-thie nicht erlebe und deshalb erhöhte Blutglukosewerte nicht zu behandeln seien. Abgesehen von der Unrichtigkeit des Statements hinsichtlich der Augener-krankung (in den Erblindungsregistern sind die meisten Diabetiker in der Alters-gruppe über 70 Jahre), werden alle For-men der Mikroangiopathie durch die Be-handlung der Hyperglykämie günstig be-einflusst. Es liegt nahe, die kürzlich publi-

    zierten, negativen Studienergebnisse von ACCORD, ADVANCE und VADT als Beweis für den fehlenden Effekt der Blutzucker-Einstellung auf Herz-Kreislauf-Komplikati-onen bei Typ-2-Diabetikern anzuführen. Es sei aber angemerkt, dass die Studien-populationen nicht speziell „ältere“ Dia-betiker waren, darüber hinaus in ACCORD mit der unüblich intensivierten medika-mentösen Therapie (hohe Insulindosen, multiple Antidiabetika-Kombinationen) mehr Schaden als Nutzen erreicht wurde. Darüber hinaus war die Dauer der ge-nannten Studien mit fünf Jahren viel zu kurz, um den günstigen Effekt der Blutzu-ckersenkung darzustellen. In der DCCT-Studie und in der UKPDS waren die posi-tiven Effekte erst nach zehn Jahren nach-weisbar. Dann war übrigens auch die Mortalität durch intensivierte Diabetes- therapie reduziert. Mit dem zitierten Statement von Prof. Panzram stimmen wir aber mit Edwin Gale überein: „Derzeit tun wir zu wenig, zu spät. Die mögliche Verbesserung der Prognose des Typ-2-Diabetes gelingt nur durch umfassende Maßnahmen gegen-über dem gesamten Komplex der be-kannten metabolischen und vaskulären Risikofaktoren“. Dazu gehört auch die gute Blutzucker-Einstellung, und davon profitieren auch die älteren Personen mit Diabetes mellitus.

    Prof. Dr. Hans Uwe Janka,

    Facharzt für Innere Medizin,

    Angiologie, Endokrinologie,

    München

    rote liste erscheint zum 50. MalSeit Jahrzehnten gibt die Rote Liste Ärzten und Apothekern Auskunft über Arzneimit-tel. Jetzt ist die 50. Ausgabe des Kompen-diums erschienen. Die Rote Liste enthält

    Beschreibungen zu rund 8.500 Präparaten auf dem deutschen Arzneimittelmarkt. Das dicke rote Buch wiegt mittlerweile fast drei Kilogramm. Seit über 70 Jahren

    ist die Rote Liste verfügbar, im Jahres-rhythmus erscheint sie seit 1979. Die Liste liefert rechtliche und medizinische Hin-weise zu Betäubungsmitteln, nennt Dar-reichungsformen und Verschreibungs-höchstmengen. 285.000 Exemplare der Jubiläumsausgabe wurden gedruckt. Der weitaus größte Teil geht an niedergelas-sene Ärzte (142.500 Ausgaben) und an Klinikärzte (116.850 Ausgaben). 25.650 Bücher gehen an Apotheker. Seit 1998 ist die Rote Liste auch als Internet-Ausgabe verfügbar unter www.rote-liste.de. Von hier aus führt eine direkte Verlinkung zu den ausführlichen Fachinformationen, die es zu den Präparaten gibt.

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  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10 A k A D e M i e

    Frühintervention bei alkoholgefährdeten Patienten in der niedergelassenen Praxis – Veranstaltung im Rahmen der Suchtwoche 2010Verschiedene Studien belegen, dass die große Mehrheit der Menschen mit problematischem Alkoholkonsum von den An-geboten der professionellen Suchtkrankenhilfe nicht erreicht, sondern mit Folgeerkrankungen des Alkoholkonsums in der med. Primärversorgung behandelt wird. Modellprojekte der Früh- und Kurzintervention zeigen auf, dass alkoholgefährdete Patienten zu einer positiven Verhaltensänderung bewegt wer-den können. Dr. Rumpf (Universitätsklinikum Lübeck) wird über diese Projekte berichten.termin: 2. Juni 2010, 18.00 – 20.00 Uhrort: treffpunkt kwADrAt, wilh.-kaisen-Brücke 4, 28199 BremenDie Veranstaltung ist kostenfrei. (2 Pkt)

    Fit für den Facharzt ChirurgieChirurgie der Leber/Dr. H.-P. Wüllenwebertermin: 8. Juni 2010, 18.30 – 20.00 UhrInnere Medizin: HämatologieAnämien / Dr. S. Kauntermin: 8. Juni 2010, 19.00 – 20.30 UhrRadiologie„Neue“ interventionelle Methoden in der Tumortherapie, ins-besondere der Leber / Dr. M. Krausstermin: 15. Juni 2010, 18.00-19.30 UhrGynäkologieSchulderdystokie / R. Unkelstermin: 17. Juni 2010, 18.00 – 19.30 UhrDie Veranstaltungen sind kostenfrei. (2 Pkt)

    28. Sozialmedizinisch-gutachterliches KolloquiumInterdisziplinäre Begutachtung von Eingliederungshilfen – eine Aufgabe für Gesundheitsämtertermin: 9. Juni 2010, 17.00-19.00 Uhrort: Gesundheitsamt Bremen, Sitzungsraum neubauDie Veranstaltung ist kostenfrei. (2 Pkt)

    Behandlung türkischer Patienten der ersten, zweiten und dritten GenerationDas Seminar vermittelt Eindrücke von kultur- und generati-onsspezifischen Aspekten türkischer Patientinnen und Pati-enten im Umgang mit Krankheit, Schmerzen und anderen Symptomen. Auftretende Schwierigkeiten in der medizini-schen und psychotherapeutischen Versorgung werden the-matisiert. Die Migrationserfahrung kann zu psychischen Prob-lemen führen. Die Komplexität dieser Problematik wird an Fallbeispielen illustriert.termin: 20. – 21. August 2010, freitag 17.00 – 21.00 Uhr,Samstag 10.00 – 16.00 Uhrkosten: 195,- (13 Pkt)

    Die Veranstaltungen finden, sofern nicht anders angegeben, im fortbildungszentrum der Ärztekammer Bremen am klinikum Bremen-Mitte statt. Bei allen Veranstaltungen ist eine vorherige schriftliche Anmeldung notwendig. nähere informationen und Anmeldeunterlagen erhalten Sie bei der Akademie für fort- und weiterbildung, telefon: 0421-3404-261/-262; e-Mail: [email protected] (friederike Backhaus, Yvonne länger)

    Bremer Curriculum für Spezielle PsychotraumatherapieGrundlagen der Psychotraumatologietermin: 27. – 28. August 2010, freitag 17.00 – 20.30 Uhr, Samstag 9.30 – 15.30 Uhr kosten: 150,- (10 Pkt)Grundlagen der Traumatherapietermin: 11. September 2010, 9.30 – 15.30 Uhrkosten: 120,- (6 Pkt)Psychodynamisch-imaginative Traumatherapie (PITT)termin: 12. – 13. november 2010, 21. – 22. Januar und 25. – 26. März 2011kosten: 960,- (48 Pkt)

    16. Bremer ZytologietagThemen: Qualitätsvereinbarung Zytologie, kleinzellige Läsio-nen der Cervix uteri, Zytologie des Respirationstrakts und Dif-ferentialdiagnose, Immunzytologie und molekulare Techni-ken (Vorträge mit Workshop)termin: 18. September 2010, 9.30 – 16.00 Uhrkosten: Mikroskopierplatz 100,- euro (Arzt/Ärztin), 70,- euro (ctA/MtA); Zuhörerplatz 50,- euro (alle) (7 Pkt)Zusatztermin: 19. September 2010, 9.30 – 13.00 Uhr (nur gynäkologischer teil) kosten: Mikroskopierplatz 70,- euro (Arzt/Ärztin), 50,- euro (ctA/MtA); Zuhörerplatz 35,- euro (alle) (4 Pkt)

    Psychosomatische GrundversorgungZiel der psychosomatischen Grundversorgung ist vor allem, den Patienten leib-seelische Zusammenhänge zu erschließen und zu versuchen, mit pragmatischen Mitteln, die Beziehung zwischen Arzt und Patienten therapeutisch zu nutzen. Neben der Theorievermittlung wird in Kleingruppen das psy cho so- matische Gespräch theoretisch und praktisch eingeübt, die Bereitschaft der aktiven Mitarbeit in Gesprächsübungen wird vorausgesetzt.termine: 6 wochenenden ab 29./30. oktober 2010, jeweils freitag 17.00 – 19.30 Uhr, Samstag 10.00 – 17.00 Uhrkosten: 750,- (60 Pkt)

    Kommunikationstraining für Ärztinnen und Ärzte Kooperation mit der Bremer Krebsgesellschaft und der Uni-versität Heidelbergtermin: 25. – 27. november 2010, Donnerstag 17.30 – 21.00 Uhr, freitag 9.00 – 18.00 Uhr, Samstag 10.00 – 16.00 UhrVeranstaltungsort: Ärztekammer Bremenkosten: 180,- euro (23 Pkt)

    A k A D e M i e f ü r f o r t - U n D w e i t e r B i l D U n G

    Ve r a n s t a l t u n g s i n f o r m a t i o n e n

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  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10i n t e r n

    wer macht das Duo komplett?Nach dem Rücktritt von Dr. Till Spiro sortiert sich die KV Bremen neu. Ein Nachfolger

    soll schon im September als Vorstandsvorsitzender gewählt werden. Derweil setzen die

    Mitglieder der Vertreterversammlung auf Kontinuität bei einer anderen Personalie:

    Günter Scherer bleibt Vize.

    Bremen ist nicht Hamburg. Natürlich. So selbstverständlich war diese Tatsache in der Diskussion um die künftige Führungs-riege in der KV Bremen nicht. Denn es gab im Vorfeld der Sondersitzung der Vertre-terversammlung am 27. April durch aus einige Stimmen, die in Bremen das soge-nannte „Hamburger Modell“ einführen wollten – zwei Nichtärzte an der Spitze der KV. Ein durchaus überlegenswertes Plan-spiel, denn mit Günter Scherer ist bereits seit 2005 ein Jurist als Vizevorsitzender etabliert. Und: Das Hamburger Vorstands-duo hat die Niedergelassenen und die Po-

    litik in den vergangenen Jahren überzeugt – so überzeugt, dass die beiden Vorsitzen-den in dem Ranking der beliebtesten Ge-sundheitspolitiker, das der Ärztliche Nach-richtendienst herausgibt, als einzige KV-Vertreter auf den vorderen Plätzen gastie-ren. Eine echte Diskussion um das Hamburger Modell entfachte auf der Son-dersitzung allerdings nicht mehr. Die Be-fürworter ließen sich durch ein wesentli-ches Argument überzeugen. „In bestimm-ten Gremien der Kassenärztliche Bundes-vereinigung fehlt Nicht-Ärzten noch immer die entscheidende Akzeptanz“, berichtete

    Dr. Thomas Liebsch, Vorsitzender der Ver-treterversammlung. Politisch klug und von der Basis gewünscht wäre also eine Lö-sung mit einem Arzt bzw. einem Psycho-therapeuten an der Spitze der KV.

    Wahl des neuen VorstandsvorsitzendenWesentlich konfliktreicher waren andere Fragen: Wann wird der neue Vorstandsvor-sitzende gewählt? Durch wen? Und für wie lange? Denn der überraschende Spiro-Rückzug im März kam zu einem denkbar ungünstigen Augenblick – wenige Monate

    Die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVHB), Körperschaft des öffentlichen Rechts, sucht zum nächstmöglichen Termin eine/n

    h a u p ta m t l i c h e / n V o r s ta n d s V o r s i t z e n d e / n aus dem Kreis der niedergelassenen Mitglieder der KV Bremen. Erwartet werden

    berufspolitische Erfahrungen, umfangreiche Kenntnisse in der Gesundheitspolitik und eine überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft.

    Ihre Aufgabe besteht in der Wahrnehmung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben der KVHB, der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Verwaltung sowie in der Führung der laufenden Geschäfte. Daneben sind Sie unter anderem auch für die Erfüllung der gesetzlichen Sicherstellungs und Gewährleistungsverpflichtung zuständig.

    Der Vorstand besteht aus einer/einem hauptamtlichen Vorsitzenden und einem Stellvertreter. Der Vorstand wird vom Selbstverwaltungsorgan der KVHB, der Vertreterversammlung, bis zum 31. Dezember 2013 gewählt. Die Vorstandsmitglieder vertreten sich gegenseitig.

    Ihre Bewerbung richten Sie bitte bis spätestens zum 15. Juli 2010 an den

    Vorsitzenden der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen, postfach 104 329, 28043 Bremen

    16

  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10 i n t e r n

    vor dem turnusmäßigen Übergang von der 13. auf die 14. Legislaturperiode am 31. Dezember 2010. Sollten also die alten VV-Mitglieder den neuen Vorstandsvorsitzen-den recht zügig wählen und bestellen? Oder ist dies Aufgabe und Privileg der neuen Vertreterversammlung, die aller-dings frühestens im Januar 2011 das erste Mal zusammenkommt? Und wie wäre in diesem Fall die „führungslose“ Zeit zu überbrücken? Zwischen Konstituierung der Vertreterversammlung und Amtsantritt des neu gewählten Vorstandes können durch-aus einige Monate ins Land gehen. „Wir brauchen schnellstmöglich einen Vorstand, der gehfähig ist. Alles andere ist schlecht für die Ärzteschaft und ist auch schlecht für die neue Vertreterversammlung“, kom-mentierte Dr. Walter Peters, HNO-Arzt aus Bremerhaven. Bekräftigt wurde diese An-

    sicht durch ein Schreiben der senatorischen Behörde, die Rechtsaufsicht der KV Bremen ist. Demnach hat eine Nachbesetzung „in angemessener Frist“ zu erfolgen. Damit bliebe nach Auffassung einer großen Mehr-heit der VV-Mitglieder wenig Spielraum, um die Entscheidung in die nächste Legis-laturperiode zu verschieben. Das Gremium verständigte sich schließlich darauf, den Posten des Vorstandsvorsitzenden im Juni auszuschreiben (siehe dieses Ärztejournal), damit bereits im September gewählt wer-den kann. Idealerweise tritt der siegreiche Bewerber dann sein Amt im Dezember an. Zunächst drei Jahre soll der neue Vorsit-zende die Geschicke der KV lenken. Auch das ist ein durchaus umstrittenes Novum. Bisher waren sechs Jahre als Amtszeit üb-lich. Einige Vertreter äußerten allerdings Bedenken, die Zeitspanne sei zu knapp be-

    messen. Denn der angehende KV-Chef geht nicht nur ein hohes politisches Risiko ein, sondern durch einen De-facto-Rückzug aus seiner Praxis auch ein wirtschaftliches. Be-denken, die nicht gänzlich von der Hand zu weisen sind. Mit der einmaligen Verkür-zung verfolgt die Vertreterversammlung allerdings ein übergeordnetes Ziel: die Ent-kopplung der Amtszeit des Vorstandes von der Legislaturperiode der Vertreterver-sammlung. Durch diese Maßnahme sollen künftig Diskussionen über eine führungs-lose Zeit gar nicht aufkommen. Auch in die-ser Frage hat sich die Rechtsaufsicht klar positioniert. Eine Notwendigkeit für zeit-gleiche Amtsperioden beider Gremien gebe es nicht. Was für den ersten Vorsitzenden in spe gilt, trifft auch auf seinen Stellvertreter zu. Für drei Jahre, bis zum 31. Dezember 2013, wurde Günter Scherer von der Vertre-terversammlung in seinem Amt bestätigt. 17 von 20 Vertretern sprachen dem 52-jäh-rigen Juristen das Vertrauen aus – ein stär-keres Wahlergebnis als noch vor sechs Jah-ren. „Damit haben wir für die Kontinuität gesorgt, die wir in diesen stürmischen Zei-ten brauchen“, kommentierte der Bremer Kinderarzt Dr. Stefan Trapp. Im September will die Vertreterversammlung die Füh-rungsriege komplettieren. Keine Frage, bis dahin wird es stürmisch bleiben.

    Christoph Fox,

    KV Bremen

    Weiterbildungsassistenten: VV fordert Co-FinanzierungAn der Finanzierung von Weiterbildungsassistenten in der Allgemeinmedizin soll sich künftig auch der Hausärzteverband Bremen beteiligen. Dazu hat am 27. April die Vertreterversammlung der KV Bremen dem Vorstand mit großer Mehrheit ein Verhandlungsmandat erteilt. Die Förderung von angehenden Allgemeinmedizinern soll auch von Hausärzten geschultert werden, die sich durch die Teilnahme an Selektivverträgen der Finanzierung entziehen. Das Kontingent der geförderten Weiterbildungsstellen für das Land Bremen ist auf 18 begrenzt. Sollte es zu keiner Einigung zwischen Hausärzteverband und KV Bremen kommen, wird die Anzahl entsprechend des durch die HZV-Verträge entstehenden Bereinigungsvolumens gekappt, heißt es in dem Beschluss.

    Quotenbringer kJP?Die neue Mindestquote für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten kann in Bremerhaven für eine bessere Ver-sorgung sorgen. Doch bisher war die Resonanz auf die Ausschreibung für 7,5 Sitze zurückhaltend. Die Psychothera-peutenkammer reibt sich derweil mit Kritik am Verfahren auf. Die KV Bremen verfolge eine Verzöge-rungstaktik und halte die Quote für Kin-der- und Jugendlichenpsychotherapeu-ten (KJP) mit ihren Rechenspielen künst-lich klein. So lautet der Vorwurf der Psy-chotherapeutenkammer Bremen, der vehement im jüngsten Psychotherapeu-tenjournal vertreten wurde. Der Autor des Beitrages kanalisiert seine Kritik auf die KV Bremen, vergisst allerdings zu er-wähnen, dass die KJP-Quote deutsch-landweit nach gleichem Muster umge-

    setzt wird. Und das betrifft sowohl den Zeitplan, als auch die Berechnung der Quote. Der Mindestanteil der Therapeu-ten, die überwiegend oder ausschließlich Kinder und Jugendliche behandeln, soll laut GBA-Beschluss in unterversorgten Ge-bieten auf 20 Prozent an der Gesamt-gruppe wachsen. Die KV Bremen bezieht – so wie jede andere KV in Deutschland – Psychotherapeuten mit einer Doppel-Zu-lassung für Psychotherapie und KJP mit dem Faktor 0,5 in die Berechnung ein. Das führt letzten Endes zu 7,5 neuen Zulas-sungsmöglichkeiten für Bremerhaven. Zu wenig, wie die Psychotherapeutenkam-mer moniert. 0,5 Sitze mehr müssten es sein. Dabei könnte sich die Diskussion an-gesichts der Rückmeldungen auf die Aus-schreibung, die im Landesrundschreiben, dem Bremer Ärztejournal und der Web-

    seite der KV veröffentlicht wurde, bald als müßig erweisen. Bis Redaktions-schluss hat nur ein Bewerber seine Un-terlagen eingereicht. Ob fünf Altbewer-ber ihr Interesse aufrecht erhalten, fragt die KV derzeit ab. Über die Bewerbun-gen auf die Bremerhavener Sitze ent-scheidet der Zulassungsausschuss vor-aussichtlich am 10. Juni. Dann wird auch festgelegt, ob in Bremen entsperrt wird. 4,5 zusätzliche Sitze für KJP könnten hier zu den 36 bestehenden geschaffen wer-den. Dies geschieht gemäß der Stufen-regelung im GBA-Beschluss allerdings erst dann, wenn in Bremerhaven min-destens vier neue Sitze besetzt sind – also der Anteil derer, die überwiegend Kinder und Jugendliche behandeln, an allen Psychotherapeuten zehn Prozent erreicht hat.

    17

  • A k t U e l l e SA k t U e l l e S

    Beim 113. Deutschen

    Ärztetag in Dresden wurden

    nicht nur die Selektiv-

    verträge diskutiert , auch

    das von der Regierung

    geplante Patientenrechte-

    gesetz wurde während des

    Kongresses thematisiert .

    Vertrauen durch Dialog, so lautete das Credo des Präsidenten der Bundesärzte-kammer, Prof. Jörg-Dietrich Hoppe, auf der Eröffnungsveranstaltung des 113. Deutschen Ärztetages. Dialogbereit hatte sich zuvor auch Bundesgesundheitsminis-ter Rösler gezeigt, indem er den Ärztin-nen und Ärzten mehr Eigenverantwortung und ein faires System versprach. Und so war die Eröffnungsveranstaltung in der Dresdner Semperoper von einer Harmo-nie geprägt, die man aus den vergange-nen Jahren nicht kannte. Die Delegierten versuchten – durchaus erfolgreich – die neue Harmonie auch in die beruf s-politische Aussprache mitzunehmen, die am 11. Mai begann. Hart in der Sache, aber verbindlich im Ton – so könnte man die Debatte umschreiben, die zwei inhalt-liche Schwerpunkte hatte: kontrovers dis-kutierten die Delegierten die Selektivver-träge nach § 73b SGB V und die verschie-

    denen Facetten der Forderung nach Kos-tenerstattung. Am 12. Mai stand das Thema Patientenrechte – Anspruch an Staat und Gesellschaft auf der Agenda des Ärztetages. Unmittelbarer Anlass für die Debatte war die Absicht der Re-gierungskoalition, noch in diesem Jahr Eckpunkte für ein Patientenrechtegesetz vorzulegen. Während Dr. Peter Liese, der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, die europäische Sicht erläuterte, vertrat der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Montgomery, die nationale Posi-tion. Er betonte, dass wichtige individu-elle Patientenrechte bereits an verschie-denen Stellen – unter anderem in den ärztlichen Berufsordnungen – geregelt sind, so dass ein weiteres Gesetz aus Sicht der Ärzteschaft nicht notwendig sei. Wich-tiger als die Frage einer eigenständigen Kodifikation sind aber die Inhalte in Form

    der Patientenrechte, von denen folgende gesetzlich gesichert sein müssen: das Recht des Patienten auf individuelle Be-handlung und auf freie Arztwahl, sein An-spruch auf Transparenz und auf Wahrung des Patientengeheimnisses, sein Recht auf eine solidarische Krankenversiche-rung und ein bürgernahes Gesundheits-wesen. Die Delegierten schlossen sich diesen Forderungen mit großer Mehrheit an. Außerdem beschäftigten sich die De-legierten mit der Evaluation der Weiter-bildung und der Änderung Weiterbil-dungsordnung. Darüber werden wir im nächsten Heft berichten.

    PD Dr. jur. Heike Delbanco,

    Hauptgeschäftsführerin der

    Ärztekammer Bremen

    Diskutierten beim 113. Deutschen Ärztetag mit: Der Vorstand der Ärztekammer Bremen (von links): Dr. Johannes Grundmann, Hubert Bakker, Dr. Heidrun Gitter, Dr. Jörg Hermann, Dr. Klaus-Dieter Wurche.

    18

    Vertrauen durch Dialog

    113. DEUTSCHER ÄRZTETAG 11. BIS 14. MAI IN DRESDEN

    dungsgrundlage für Patienten, aber auch für überweisende Ärzte. Unterstützt wer-den die Krankenhäuser bei diesem Mo-dellprojekt von der Gesundheitssenato-rin, der Techniker Krankenkasse, der hkk Erste Gesundheit, der Ärztekammer, der Unabhängigen Patientenberatung Bre-men, der Unabhängigen Patientenbera-tung Deutschland (UPD, Beratungsstelle Bremen-Nordniedersachsen) sowie der Verbraucherzentrale Bremen.

    erster Bremer krankenhausspiegel abrufbarMit dem ersten Bremer Krankenhausspie-gel wird die Behandlungsqualität an allen Krankenhäusern im Land Bremen für Laien transparenter. Alle Kliniken des Landes le-gen darin ihre medizinische Qualität zu besonders häufigen Behandlungsgebie-ten offen – mit leicht verständlichen Tex-ten und übersichtlichen Schaubildern. Der Krankenhausspiegel ist auf der Internet-seite www.bremer-krankenhausspiegel.de abrufbar. Er bietet eine wichtige Entschei-

  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10 r e c h tl e S e r B r i e f eA k t U e l l e S

    Im Bereich der Chirurgie herrscht Nachwuchsmangel. Das wurde während des Kongresses

    der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in Berlin deutlich. Verbesserte Strukturen zur

    Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie optimierte Weiterbildungsmöglichkeiten könnten

    das Problem lösen.

    Zwei Bremer Chirurginnen waren an der Gestaltung des Themas „Nachwuchsman-gel in der Chirurgie“ beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in Berlin beteiligt. Katrin Welcker, leitende Oberärztin der Klinik für Thoraxchirurgie am Klinikum Bremen-Ost, hatte nicht nur den Sitzungsvorsitz, sondern referierte auch zum Thema “Was macht die Chirur-gie für Frauen (und Männer) intere ssant?“. Die von ihr analysierten Umfragen des Berufsverbandes der Chirurgen ergaben, dass sowohl Chirurginnen als auch Chirur-gen eine bessere Vereinbarkeit von Fami-lie und Beruf wünschen. Damit macht nicht nur die steigende Zahl weiblicher Absolventinnen des Medizinstudiums auch in der Chirurgie ein besseres Ange-bot von Teilzeitstellen erforderlich. Dr. Heidrun Gitter, leitende Oberärztin der Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurolo-gie am Klinikum Bremen-Mitte ergänzte in ihrem Referat, dass überlange Arbeits-zeiten und ungeplante Überstunden oft-mals durch Organisationsmängel, Unter-besetzung und übermäßige bürokratische Tätigkeiten bedingt sind. Diese Zeiten

    bringen dann weder Vorteile für die Wei-terbildung noch für eine gute Patienten-versorgung. Diese Bewertung geben die angehenden Chirurginnen und Chirurgen sowohl in den Umfragen des Berufsver-bandes als auch in der Evaluation der Weiterbildung der Bundesärztekammer ab. Sie bemängeln auch ungenügende Lehrassistenzen und OP-Tätigkeit sowie fehlende planmäßige Rotationen. Leider werden in einem hohen Anteil auch Pflichten aus der Weiterbildungsordnung nicht eingehalten: Den Weiterzubildenden wird ein strukturiertes Weiterbildungspro-gramm nicht vorgelegt und die vorge-schriebenen Evaluationsgespräche finden nicht (ausreichend) statt. Dr. Heidrun Gitter rief die Nachwuchschirurgen aber auch dazu auf, sich aktiv an der Gestaltung von Weiterbildung und Arbeitsbedingungen zu beteiligen, indem sie sich in den Fach-gesellschaften, Berufsverbänden und in der ärztlichen Selbstverwaltung engagie-ren. Außerdem ist eine deutlich bessere Beteiligung an der Evaluation der Weiter-bildung der Ärztekammern erforderlich. Weiterbildung muss darüber hinaus auch

    für die Krankenhausträger und Geschäfts-führungen einen hohen Stellenwert be-kommen. Dr. Katrin Welcker forderte die Klinikträger dazu auf, für ausreichende Kinderbetreuungsangebote zu sorgen, die den Arbeitszeiten von Chirurginnen und Chirurgen auch entsprechen. Daran fehlt es auch in Bremen noch. Wenn dann noch berufliche Perspektiven für eine Tätigkeit am Krankenhaus weiter entwickelt wer-den, dann kann dem Nachwuchsmangel erfolgreich entgegen gewirkt werden. Denn Dr. Katrin Welcker konnte auch berichten, dass gerade Chirurginnen bei guten Arbeitsbedingungen eine sehr hohe Berufszufriedenheit angeben und damit ihrer Berufung zur Chirurgie auch treu bleiben wollen.

    Dr. Heidrun Gitter,

    Leitende Oberärztin,

    Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie,

    Klinikum Bremen-Mitte,

    Dr. Katrin Welcker,

    Leitende Oberärztin,

    Klinik für Thoraxchirurgie,

    Klinikum Bremen-Ost

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    Welche Person betreut in erster Linie Ihre praktische Weiterbildung (Eingriffe und Untersuchungen am Patienten)?

    erfahrener Assistenzarzt 8,2 27 7,1 1.238

    Facharzt 10,0 33 10,7 1.871

    Niedergelassener Arzt 5,5 18 4,6 808

    Oberarzt 59,7 197 61,3 10.763

    Chefarzt/Leitender Arzt 13,9 46 15,1 2.658

    Andere 2,7 9 1,2 207

    Mir wurde ein strukturierter Weiterbildungsplab zur Kenntnis gegeben.

    schriftlich und mündlich 18,4 61 18,0 3.180

    schriftlich 14,5 48 11,4 2.016

    mündlich 21,5 71 22,5 3.968

    gar nicht 45,6 151 48,0 8.457

    Werden konkrete Weiterbildungsziele/Lernziele schriftlich und/oder mündlich vereinbart?

    schriftlich und mündlich 25,2 83 21,1 3.706

    schriftlich 8,5 28 6,3 1.107

    mündlich 30,6 101 33,1 5.831

    gar nicht 35,8 118 39,5 6.952

    WBA-Befragung

    ergebnisse zu einzelnen ausgewählten themen

    Quelle: Bundesärztekammer

    nachwuchsmangel in der chirurgie entgegenwirken

  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10A k t U e l l e S

    Beobachtungsstudien: ethik- kommission erstellt Grundsätze

    Qualifizierte Anwendungsbeobachtungen sind ein wichtiges Standbein der Versorgungs-

    forschung. Die Ethikkommission der Ärztekammer Bremen berät Ärzte zu epidemiologischen

    Forschungen mit personenbezogenen Daten und hat zur Durchführung Grundsätze erstellt .

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    Ethikkommission der Ärztekammer Bremen war kürzlich aus ak-tuellem Anlass mit der skizzierten Problematik konfrontiert. Auslöser intensiver Diskussionen war der Antrag auf Beratung einer nicht-interventionellen Anwendungsbeobachtung zum Einsatz von FemaraR (Letrozol) in der adjuvanten Therapie bei Patientinnen mit Mammakarzinom. Den teilnehmenden Ärzten wurde pro Fall 250,- Euro vom Sponsor als Honorar angeboten.Die Ethikkommission der Ärztekammer Bremen hat sich zur Durchführung von Anwendungsbeobachtungen mit folgenden Grundsätzen positioniert: 1. Anwendungsbeobachtungen unterliegen nicht dem Arznei-

    mittelgesetz, so dass hieraus keine Verpflichtung zur Betei-ligung von Ethikkommissionen abzuleiten ist. Zu den Aufga-ben der Ethikkommission der Ärztekammer Bremen zählt jedoch die Beratung zu epidemiologischen Forschungen mit personenbezogenen Daten. Hieraus sowie aus der Bera-tungsaufgabe über berufsethische und berufsrechtliche Fra-gestellungen ergibt sich, dass Anwendungsbeobachtungen der Ethikkommission vorgelegt werden müssen (§ 15(1) Be-rufsordnung für Ärztinnen und Ärzte im Lande Bremen).

    2. Antragsberechtigt sind Ärztinnen/Ärzte aus dem Zuständig-keitsbereich der Ärztekammer Bremen. Antragsteller kön-nen zu den Sitzungen der Ethikkommission eingeladen wer-den mit der Bitte, den wissenschaftlichen Hintergrund und die Zielsetzung der -Anwendungsbeobachtung zu erläutern. Sponsoren sind nicht antragsberechtigt.

    3. Die meisten der im Rahmen einer Anwendungsbeobachtung zu erbringenden Leistungen werden „innerhalb der ärztlichen Routine“ durch die Kostenträger vergütet. Ein gesondertes

    Klinische Studien der Phase IV werden mit zugelassenen Medi-kamenten in der zugelassenen Indikation durchgeführt. Sie ha-ben das Ziel, nach der Markteinführung des Medikaments des-sen erwünschte und unerwünschte Wirkungen in einem kon- trollierten Umfeld an einer großen Zahl von Probanden/Patien-ten zu untersuchen (z. B. Nachweis/Ausschluss sehr seltener Nebenwirkungen). Hiervon abzugrenzen sind Anwendungsbe-obachtungen (Synonym: Beobachtungsstudien), von denen zwar gleichartige Erkenntnisse erwartet werden, die jedoch un-ter Verzicht auf Protokolle mit Definition des Studienrahmens (z. B. Einschluss-/Ausschlusskriterien) die Anwendung eines zu-gelassenen Arzneimittels in der zugelassenen Indikation „unter Alltagsbedingungen“ auf den Krankheitsverlauf dokumentieren. Wesentliche Vorgabe für den an einer Anwendungsbeobach-tung teilnehmenden Arzt ist der Beobachtungsplan und dessen Einhaltung. Ansonsten handelt er „wie sonst auch“ bei leitlini-enkonformen Routineeinsatz gemäß geltender Standards in der täglichen Praxis (sog. „nicht-interventionelle“ Prüfung mit epi-demiologischen Methoden). Seit Einführung in die Versorgungs-forschung ab ca. 1990 standen Anwendungsbeobachtungen unter wissenschaftlichen und berufsrechtlichen Aspekten im-mer wieder und zuletzt zunehmend in der öffentlichen sowie fachlichen Kritik. Beanstandet wird unter anderem, dass sie von pharmazeutischen Unternehmen (Sponsoren) weniger zum Er-kenntnisgewinn, sondern auch und in Einzelfällen überwiegend als Marketinginstrument benutzt werden. Ärzten wird vorge-worfen, dass sie sich durch die mit der Teilnahme verbundene Honorierung von den Arzneimittelherstellern „kaufen“ lassen und unnötige oder überteuerte Arzneimittel verschreiben. Die

  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10 A k t U e l l e S

    Beobachtungsstudien: ethik- kommission erstellt Grundsätze

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    Honorar kommt für die strukturierte Dokumentation inner-halb des Beobachtungsplans in Betracht. Seine Höhe hat sich an dem in diesem Zusammenhang erforderlichen Aufwand entsprechend der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) oder dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) zu bemessen. Einzelheiten in diesem Zusammenhang sind im Antrag an die Ethikkommission transparent darzustellen.

    4. Der Antragsteller hat zu gewährleisten, dass der Arzneimit-telhersteller (Sponsor) seinen Meldepflichten gegenüber der zuständigen Bundes oberbehörde (BfArM), dem GKV-Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereini-gung nachgekommen ist. Information und Einwilligungser-klärung von Patientinnen/Patienten über deren Teilnahme an einer Anwendungsbeobachtung sind formal nicht not-wendig, sofern die Ergebnisse mit anonymisierten Patien-tendaten ausgewertet werden. Im Sinne der Vermeidung einer Gefährdung des Vertrauensverhältnisses und zum Selbstschutz empfiehlt die Ethikkommission den teilneh-menden Ärzten jedoch in geeigneter Form Offenheit gegen-über den Patientinnen/Patienten und die entsprechende Dokumentation.

    5. Gegenüber Patientinnen/Patienten ge äußerte Empfehlungen von klinischen Einrichtungen zur Teilnahme an Anwen-dungsbeobachtungen in der poststationären Versorgung können ambulant weiterbehandelnde Ärzte unter „Zug-zwang“ setzen. Bei Antragstellung von Kliniken ist darzule-gen, ob diesbezüglich Einvernehmen mit dem niedergelas-senen Bereich (z. B. mit dem zuständigen Berufsverband) hergestellt wurde.

    Qualifizierte Anwendungsbeobachtungen können ein geeigne-tes Instrument zur Erfassung von Wirkungen und Nebenwirkun-gen beim Einsatz zugelassener Arzneimittel auf breiter Basis sein. Sie sind eine wichtiges Standbein der Versorgungsfor-schung. Voraussetzungen ihrer Durchführung sind einerseits die berechtigte Hoffnung auf die Generierung von Wissen zur Ver-besserung der Heilkunde und andererseits die Beachtung be-rufsrechtlicher Vorgaben. Antragsteller von Anwendungsbeob-achtungen, die vordergründig dem Marketing dienen und/oder für die Ärzte mit ungewöhnlich hohen bzw. nicht nachvollzieh-bar begründeten Vergütungen verbunden sind, erhalten von Ethikkommission der Ärztekammer Bremen die Beratung, an der Studie nicht teilzunehmen.

    Prof. Dr. Herbert Rasche,

    Vorsitzender der Ethikkommission,

    Ärztekammer Bremen

  • B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L 0 6 | 10A n Z e i G e n B ö r S e

    Vertragsarztsitze und Vertragspsycho therapeutensitzeDie Kassenärztliche Vereinigung Bremen schreibt gemäß §103 (4) SGB V zur Übernahme durch einen Nachfolger aus:

    Bewerbungen um die Vertrags sitze sind schriftlich innerhalb von vier Wochen nach Veröffentlichung an die Kassen ärztliche Ver einigung Bremen, Schwachhauser Heerstraße 26/28, 28209 Bremen, zu richten.

    Kassenärztliche Vereinigung Bremen

    ÄrzteFür den Planungsbereich Bremen-Stadt:

    einen hausärztlichen Vertragsarztsitz einen fachärztlich internistischen Vertragsarztsitz

    einen hälftigen fachärztlich- internistischen Vertragsarztsitz (Teilausschreibung)

    Für den Planungsbereich Bremenhaven-Stadt:

    einen anästhesiologischen Vertragsarztsitz

    Vorabinformationen können bei der KV Bremen erfragt werden bei:

    Martina Plieth Telefon: 0421-3404-336 Manfred Schober Telefon: 0421-3404-332 Kathrin Radetzky Telefon: 0421-3404-338

    PsychotherapeutenFür den Planungsbereich Bremen-Stadt:

    zwei Vertragspsychotherapeutensitze eines psychologischen Psychotherapeuten

    einen hälftigen Vertragspsycho-therapeutensitz eines psychologischen Psychotherapeuten (Teilausschreibung)

    Vorabinformationen können bei der KV Bremen erfragt werden bei:

    Kathrin Radetzky Telefon: 0421-3404-338Manfred Schober Telefon: 0421-3404-332Martina Plieth Telefon: 0421-3404-336

    Ausschreibung

    UNI-MED Verlag AktiengesellschaftDer UNI-MED Verlag ist ein international operierendes Unternehmen mit Sitz in Bremen und einer der erfolgreichsten medizinischen Fachverlage. Schwerpunkt ist die Wissenschaftsliteratur, vertreten durch die dynamisch wachsende Reihe UNI-MED Science. Markenzeichen ist die inhaltlich, formal und didaktisch hochwertige Präsentation aktueller Forschungsergebnisse in sämtlichen Disziplinen der Medizin. Zum weiteren Ausbau des deutschsprachigen und des englischsprachigen Buchprogramms suchen wir zum nächstmöglichen Termin jeweils eine/n

    Medizinlektor/-inVolontär/-in

    Voraussetzungen für die Positionen sind ein abgeschlossenes Medizinstudium und möglichst auch eine abgeschlossene Promotion. Sicherer Umgang mit der deutschen Sprache, möglichst auch gute Kenntnisse der englischen Sprache sind weitere Voraussetzungen. Außerdem sind uns Kommunika-tionsstärke, Kontaktfreudigkeit und Begeisterungsfähigkeit wichtig. Beim UNI-MED Verlag arbeiten Sie in einem motivierten, kreativen und innovativen Team mit erst-klassigem Arbeitsklima, fl achen Hierarchien und viel Pioniergeist. Sie werden von uns systematisch in alle Aufgabenbereiche der Buchproduktion eingearbeitet: Buchkonzeption, Autorenakquisition, Manuskriptgestaltung, Herstellungsprozess, Marketinginstrumente. Anschließend übernehmen Sie sukzessive eigene Lehrbuchprojekte und betreuen diese selbstständig. Wir bieten Ihnen einen siche-ren Arbeitsplatz mit großem Entwicklungspotenzial. Wir freuen uns auf Ihre aussagekräftige Bewerbung mit Lichtbild, möglichem Eintrittstermin und Gehaltsvorstellung. Willkommen in unserem Team!

    UNI-MED Verlag AG, Vorstand, Kurfürstenallee 130, 28211 Bremen www.uni-med.de

    Stellenmarkt Nette/r Kollege/in gesucht

    Wir führen eine große hausärztliche-internistische

    Gemeinschaftspraxis in Bremen und suchen langfristig eine/n dritte/n Kollegin/en für eine

    Teilzeittätigkeit. Wir bieten eine moderne Praxis mit typisch

    hausärztlicher Klientel in gutem Arbeitsumfeld.

    Für mehr Informationen rufen Sie bitte an unter

    Tel. 0178/3767736

    Dauervertretung für KV-Notdienste

    Gemeinschaftspraxis in Weyhe sucht kompetente und verlässliche Dauervertretung

    für KV-Notdienste in Notdienst-zentrale Weyhe/Stuhr/Syke,

    ca. 25 Sitzdienste, ca. 25 Fahr-dienste im Jahr bei Bedarf mehr.

    Chiffre 100602

    Allgemeinmedizin Wir suchen für unsere Praxis-gemeinschaft für Allgemein-

    medizin, zentral gelegen, eine/n Ärztin/Arzt in Teilzeit. KV-Sitz vorhanden. Durchschnittlicher

    Verdienst ca. 6000,00 Euro. Bewerbungen bitte an

    Fax 0421/9604409

    Allgemeinmedizinerin sucht in Bremen Mitarbeit, in Angestellt. Verhältnis, in Allg.

    Praxis für 15-20 Std./Wo., z.B. 3-4x ½ Tag, vorwiegend

    Vormittags. Kontakt:Tel. 0421/5976481 (AB)

    Zwei Vertragsarztsitze Chirurgie/Orthopädie-Unfallchirurgie

    Operativ ausgerichtete BAG an mehreren Standorten in Bremen sucht engagierte Kolleginnen oder Kollegen zum Einstieg in

    unser