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Hintergrund: Großbritannien Nr. 35 / Juni 2015 | 1 Brexit vermeiden – Diktat aus London oder endlich EU der verschiedenen Geschwindigkeiten? Julie Cantalou Entgegen der Erwartungen erzielten die Konservativen bei den Parlamentswahlen mit 331 Sitzen die absolute Mehrheit; die Kampagnen für den Verbleib bzw. den Austritt haben offiziell begonnen und Premier David Cameron startete seine eigenen Kampagne, um seine Reformvorschläge für die EU vo- ranzutreiben. Er suchte bereits das Gespräch mit Frankreich, Deutschland und Polen – Unterstützung erhofft er sich insbesondere von den Niederlanden. Bisher waren die Chancen auf umfangreiche Vertragsänderungen eher gering. Doch bei Camerons Ber- lin-Besuch vom 29. Mai öffnete die Bundeskanzlerin die Tür für einen möglichen Konvent. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ – eine mehrdeutige, aber auch viel sagende Ansage. Die Bundesregierung eröffnet somit den Weg für einen Europäischen Konvent und langersehnte Vertragsänderungen, insbe- sondere für die Steuerung der Eurozone. Sigmar Gabriel und sein französischer Amtskollege, Emmanuel Macron, verliehen der Idee einer Ver- tragsreform weiteren Schwung, indem sie am 3. Juni in einem Artikel in „The Guardian“ ihre Vorstel- Hintergrund: Großbritannien Nr. 35 / 11. Juni 2015 Zusammenfassung Egal wie überraschend das Resultat der britischen Parlamentswahlen vom 7. Mai ausfiel, sie haben das bestätigt, was viele befürchteten: spätestens Ende 2017 werden die Briten über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU abstimmen. So hatte es Premierminister David Cameron bereits 2014 verspro- chen und so war es auch im Wahlprogramm der Tories verankert. 40 Jahre nach dem ersten Referendum über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens stellt sich folgende Frage: Wie will und wie kann die EU den Forderungen der britischen Regierung entgegenkommen, ohne die Grundpfeiler der Union zu verraten?

Brexit vermeiden – Diktat aus London oder endlich EU der verschiedenen Geschwindigkeiten?

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"Soll das Vereinigte Königreich Mitglied der Europäischen Union bleiben?" - so soll die Frage lauten, die den Briten spätestens Ende 2017, wenn nicht schon früher, zur Beantwortung vorgelegt werden soll. Das Gesetz über das geplante EU-Referendum in Großbritannien hat am 9. Juni im britischen Parlament seine erste Hürde genommen.

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  • Hintergrund: Grobritannien Nr. 35 / Juni 2015 | 1

    Brexit vermeiden Diktat aus London oder endlich

    EU der verschiedenen Geschwindigkeiten? Julie Cantalou

    Entgegen der Erwartungen erzielten die Konservativen bei den Parlamentswahlen mit 331 Sitzen die

    absolute Mehrheit; die Kampagnen fr den Verbleib bzw. den Austritt haben offiziell begonnen und

    Premier David Cameron startete seine eigenen Kampagne, um seine Reformvorschlge fr die EU vo-

    ranzutreiben. Er suchte bereits das Gesprch mit Frankreich, Deutschland und Polen Untersttzung erhofft er sich insbesondere von den Niederlanden.

    Bisher waren die Chancen auf umfangreiche Vertragsnderungen eher gering. Doch bei Camerons Ber-

    lin-Besuch vom 29. Mai ffnete die Bundeskanzlerin die Tr fr einen mglichen Konvent. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg eine mehrdeutige, aber auch viel sagende Ansage. Die Bundesregierung erffnet somit den Weg fr einen Europischen Konvent und langersehnte Vertragsnderungen, insbe-

    sondere fr die Steuerung der Eurozone.

    Sigmar Gabriel und sein franzsischer Amtskollege, Emmanuel Macron, verliehen der Idee einer Ver-

    tragsreform weiteren Schwung, indem sie am 3. Juni in einem Artikel in The Guardian ihre Vorstel-

    Hintergrund:

    Grobritannien

    Nr. 35 / 11. Juni 2015

    Zusammenfassung

    Egal wie berraschend das Resultat der britischen Parlamentswahlen vom 7.

    Mai ausfiel, sie haben das besttigt, was viele befrchteten: sptestens Ende

    2017 werden die Briten ber den Verbleib des Vereinigten Knigreichs in der EU

    abstimmen. So hatte es Premierminister David Cameron bereits 2014 verspro-

    chen und so war es auch im Wahlprogramm der Tories verankert. 40 Jahre nach

    dem ersten Referendum ber die EU-Mitgliedschaft Grobritanniens stellt sich

    folgende Frage: Wie will und wie kann die EU den Forderungen der britischen

    Regierung entgegenkommen, ohne die Grundpfeiler der Union zu verraten?

  • Hintergrund: Grobritannien Nr. 35 / Juni 2015 | 2

    lungen zur Reform der EU-Vertrge prsentierten. Die beiden Finanzminister appellieren an die EU-

    Mitgliedsstaaten, insbesondere die Integration der Eurozone weiter voranzutreiben. Wrden einerseits

    die britischen Forderungen zu einer schlankeren Union und weiteren opt-outs Untersttzung finden und andererseits die Eurozone sich unter dem franzsisch-deutschen Tandem weiter vereinen, wrde

    sich der europische Integrationsprozess grundstzlich verndern. Ein Europa der verschiedenen Ge-

    schwindigkeiten bekme eine ganz neue Bedeutung.

    Britische Innenpolitik mit Europischer Tragweite

    Die definitive Liste britischer Reformvorschlge will Premier Cameron erst whrend des nchsten Eu-

    ropischen Rats am 25. Juni in Brssel prsentieren, einige Kernforderungen sind jedoch schon lnger

    bekannt:

    Brokratieabbau;

    kleineres EU-Budget und Reform der Agrar- und Strukturpolitik;

    keine weiteren EU-Beitritte in den nchsten Jahren und strengere Regeln fr die Personenfrei-zgigkeit aus Beitrittslndern;

    kein Eingriff in nationale Politik durch EU-Institutionen (inkl. EUGH) und ein Vetorecht fr na-tionale Parlamente;

    keine Einwanderung in die Sozialsysteme;

    Rckfhrung von EU-Kompetenzen an die Mitgliedsstaaten.

    Vor allem will Cameron aber dem grundlie-

    genden Prinzip des europischen Integrati-

    onsprozesses hin zu einer immer engeren Union, an der alle Mitgliedsstaaten gleicher-maen teilhaben sollen, wie es in der Pram-

    bel des EU-Vertrags festgelegt ist, ein Ende

    setzen. Die britische Regierung mchte aber

    auch auf konstruktive Weise an der weiteren

    Ausgestaltung der Union beitragen: mehr

    Freihandel, mehr Binnenmarkt und auch mehr

    Zusammenarbeit in der gemeinsamen Auen-

    und Verteidigungspolitik.

    Welche dieser Forderungen knnten in Brssel und vor allem in den anderen europischen Hauptstd-

    ten auf taube Ohren fallen? Welche sind realistisch? Die von Gabriel und Macron skizzierten Vertrags-

    nderungen machen auch Platz fr die britischen Forderungen: Insbesondere mehr Subsidiaritt, eine

    straffere politische Steuerung der EU und der Eurozone, und der Ausbau des Binnenmarktes ein-

    schlielich neuer Sektoren wie Energie und Digitales.

    Bei nherer Betrachtung fllt auf, dass die neue Kommission, insbesondere unter Fhrung ihres 1. Vi-

    zeprsidenten Frans Timmermans, bereits einige dieser Forderungen in ihr Arbeitsprogramm fr die

    nchsten fnf Jahre aufgenommen hat: so zum Beispiel den Brokratieabbau und die bessere Rechts-

    setzung. Bereits im November 2014 verkndete Kommissionsprsident Jean-Claude Juncker, es wrde

    Britisches Parlament. Foto: Renett Stowe_flickr

  • Hintergrund: Grobritannien Nr. 35 / Juni 2015 | 3

    in dieser Amtszeit keine weiteren EU-Beitritte geben. Richtet sich ein groer Teil von Camerons Forde-

    rungen also eher an das britische Publikum?

    Die wrtliche Formulierung in der Prambel EU-Vertrags lautet: zu einer immer engeren Union der Vlker Europas. Dies muss nicht zwangslufig zu einem fderalen Superstaat fhren, wird jedoch von Eurokritikern gerne als eine Gefahr angeprangert.

    Da David Cameron sich nun nicht mehr auf einen Koa-

    litionspartner berufen kann, wird er nach seinem

    Wahlsieg vermehrt den rechten, EU-kritischen Flgel

    seiner Partei einbeziehen und zufrieden stellen ms-

    sen. Dieser will durch unrealistische Forderungen die

    Verhandlungen mit den europischen Partnern zum

    Scheitern bringen. Einwanderung ist hier der Knack-

    punkt, denn in Sachen Personenfreizgigkeit werden

    die Regierungen der anderen Mitgliedsstaaten nicht

    mitmachen.

    Auch wenn die Umfragen derzeit eher an einen Ver-

    bleib in der EU glauben lassen, wird Premier David

    Cameron bei dem rechten Flgel der Konservativen fr

    das "In" werben mssen. Dies wird mit einer relativ kleinen Parlamentsmehrheit eine schwierige Grat-

    wanderung sein. Aus innenpolitischer Sicht ist die Rolle Schottlands in diesem Kontext spannend.

    Nach dem erdrutschartigen Sieg der Scottish National Party (SNP) wird David Cameron auf die Forde-

    rungen von Parteichefin Nicola Sturgeon eingehen mssen, um weitere Unabhngigkeitsbestrebungen

    Schottlands einzuschrnken. David Cameron versprach, die geplante bertragung von Befugnissen an

    Wales und Schottland schnell voranzutreiben. Gleichzeitig hat die SNP in Aussicht gestellt, im Falle

    eines EU-Austritts Grobritanniens, erneut ber den Verbleib im Vereinigten Knigreich abzustimmen.

    Auch aus liberaler Sicht zeichnet sich ein ambivalentes Bild. Alexander Graf Lambsdorff MdEP, Vize-

    prsident des Europischen Parlaments, sieht positive Aspekte in Camerons Forderungen, beispielswei-

    se die Forderung nach einem Binnenmarkt fr Energie, aber auch negative: Eine Einschrnkung der Freizgigkeit in der EU oder gar Diskriminierung am Arbeitsplatz zwischen EU-Brgern wird es mit uns

    allerdings nicht geben.

    Was spricht fr den Verbleib in der EU?

    Die Argumente fr den Verbleib Grobritanniens in der EU lassen sich in drei Kategorien zusammen-

    fassen: Wirtschaft, Wirtschaft und Wirtschaft. In geringerem Mae spielen darber hinaus die Bedeu-

    tung Grobritanniens in der Welt sowie negative Auswirkungen auf britische Staatsangehrige auer-

    halb Grobritanniens eine Rolle.

    Aus britischer Sicht sprechen fr einen Verbleib des Vereinigten Knigreichs in der EU:

    Unsicherheit ber zuknftige Beziehungen zur EU: eine sogenannte freundliche Scheidung

    (amicable divorce), wie diese von der United Kingdom Independence Party (UKIP) und einigen

    Grobritannien ist ein wesentlicher Protagonist in der EU

    Foto: Paul_flickr

  • Hintergrund: Grobritannien Nr. 35 / Juni 2015 | 4

    Tories angestrebt wird, ist nicht garantiert. In einer Studie der Bertelsmann Stiftung und des

    ifo Instituts werden drei unterschiedliche Szenarien skizziert: soft exit wrde dem Vereinig-ten Knigreich einen hnlichen Status wie der Schweiz oder Norwegen verleihen; deep cut ohne Teilnahme am Binnenmarkt; und das worst-case Szenario: Isolierung. Die Konsequenzen

    fr die britische Wirtschaft und Bevlkerung hngen stark vom Ausgang dieses ungewissen

    Prozesses ab.

    Keinen Einfluss mehr auf EU-Gesetzgebung: im Falle eines EU-Austritts she sich das Verei-

    nigte Knigreich gezwungen weiterhin viele EU-Richtlinien und Standards einzuhalten, ohne

    mitentscheiden zu knnen. Sogar David Cameron meinte 2014: "If we weren't in there helping

    write the rules they would be writ-

    ten without us - the biggest sup-

    porter of open markets and free

    trade - and we wouldn't like the

    outcome.

    Desastrse Konsequenzen fr die

    britische Wirtschaft: im Falle eines

    vollstndigen Austritts aus der EU

    knnten insbesondere exportorien-

    tierte Branchen unter neuen, bzw.

    wiedereingefhrten Handelshemm-

    nissen (tarifre und nicht-tarifre

    Hrden) leiden. Eine weitere Teil-

    nahme am Binnenmarkt wrde vom Ausgang der Verhandlungen mit der EU abhngen. Das ifo

    Institut errechnet in der Bertelsmann Studie fr das Jahr 2030 direkte Verluste in Pro-Kopf-

    Einkommen von 0,6% bis 3%, je nach Szenario.

    Indirekt htte dies auch Konsequenzen auf Unternehmen und Arbeitnehmer, einerseits

    durch steigende Produktionskosten fr Unternehmer, andererseits durch Standortwechsel glo-

    baler Unternehmen und stark an die EU gekoppelte Branchen (z.B. Airbus). Die EU ist Grobri-

    tanniens grter Handelspartner (52% aller Exporte) mit einem Gesamtwert von ca. 550 Mrd.

    Euro. Ein EU-Austritt wrde auch bedeuten, dass Grobritannien aus allen 46 vorhandenen

    EU-Handelsabkommen austreten msste ein Desaster fr die britische exportorientierte Wirtschaft. Das ifo Institut schtzt, dass der britische Staat bis 2030 durch indirekte Konse-

    quenzen auf Innovation und Investitionen sogar bis zu 14% des BIPs einben knnte.

    Schwindende Rolle Grobritanniens in der Welt: der Einfluss Grobritanniens in der globalen

    Arena wrde durch einen EU-Austritt sehr wahrscheinlich weiter abnehmen. Als Mitglied des

    grten Handelsblocks ergibt sich weitaus grere Hebelwirkung in den internationalen Be-

    ziehungen denn als alleinstehender Staat. Auch im Rahmen von Verhandlungen ber interna-

    tionale Handelsabkommen ist das Vereinigte Knigreich als EU-Mitglied besser positioniert.

    Indirekt knnte ein EU-Austritt auch das transatlantische Bndnis mit den USA schwchen.

    Einschrnkung der Personenfreizgigkeit: Briten knnten sicherlich weiter ohne Visum in EU-

    Mitgliedsstaaten reisen. Schwieriger knnte es bei einem Umzug und der Beantragung einer

    52% aller Exporte Grobritanniens gehen an die EU.

    Foto: stalkERR_flickr

  • Hintergrund: Grobritannien Nr. 35 / Juni 2015 | 5

    Arbeitserlaubnis in anderen EU-Mitgliedsstaaten werden. Auch dieser Aspekt wrde vom Aus-

    gang der Austrittsverhandlungen abhngen. Derzeit leben ber 2,2 Mio. Briten in anderen EU-

    Lndern.

    Auch Deutschland und die EU sollten ein vitales Interesse am Verbleib Grobritanniens in der EU ha-

    ben:

    Schrumpfende Rolle der EU auf globaler Ebene: Mit einem EU-Austritt wrde ein zentraler

    Akteur der europischen Auen- und Sicherheitspolitik wegfallen. Das Vereinigte Knigreich

    ist nicht nur stndiges Mitglied des

    UN Sicherheitsrates und treibende

    Kraft in der NATO, sondern auch be-

    kannt fr eine effiziente Diplomatie,

    wesentlicher Partner in der Frde-

    rung von Demokratie und Men-

    schenrechten weltweit und einer

    der wichtigsten Akteure, die das

    transatlantische Bndnis aufrecht-

    erhalten und strken. Auch die Ver-

    handlungsstrke Europas fr zu-

    knftige Handelsabkommen wre

    durch einen EU-Austritt Grobri-

    tanniens geschwcht.

    Weniger liberale und marktwirtschaftliche Impulse in der EU: Der weitere Ausbau des Bin-

    nenmarkts (z.B. Dienstleistungen und Finanzprodukte) wrde ohne die treibende Kraft auf der

    anderen Seite des rmelkanals langsamer vorankommen als erhofft. Auch der erwnschte B-

    rokratieabbau wrde ohne die Briten sicher mit geringerem Nachdruck vorangetrieben als ge-

    wnscht. Wie Alexander Graf Lambsdorff betonte, wnscht sich die FDP einen Verbleib Gro-

    britanniens in der EU als marktwirtschaftlicher, toleranter und demokratischer Partner.

    Schwierigere Exportmglichkeiten fr europische und deutsche Unternehmen: Im Jahr

    2014 berstieg der Wert deutscher Exporte nach Grobritannien 84 Mrd. Euro. Doch Export-

    mglichkeiten knnten durch wiedereingefhrte Handelshemmnisse und unterschiedliche

    Standards erheblich beeintrchtigt werden. Die grten Verluste wrde Irland einben, aber

    auch Deutschland wre betroffen, insbesondere bestimmte Sektoren wie die Automobilindust-

    rie. Die Bertelsmann Studie weist fr die gesamte EU auf einen Verlust von 0,1% bis 0,36%

    des BIP hin. Zudem mssten die verbleibenden Mitgliedsstaaten die ausfallenden Zahlungen in

    den EU-Haushalt kompensieren. Fr einen Nettozahler wie Deutschland wrde dies eine zu-

    stzliche Einzahlung von 2,5 Mrd. Euro brutto bedeuten.

    Auswirkungen auf die Personenfreizgigkeit und den Zugang zu Innovation und Wissen-

    schaft: Mehr als 2,3 Mio. EU-Brgerinnen und Brger leben im Vereinigten Knigreich. Durch

    einen EU-Austritt wrde die Personenfreizgigkeit vom Ergebnis der Austrittsverhandlungen

    mit der EU abhngig sein. Auch die Innovationskraft der EU wrde unter einem EU-Austritt

    Grobritanniens leiden. Schlielich beherbergt es Europas fhrende Universitten und wissen-

    schaftlichen Einrichtungen.

    Premierminister David Cameron und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

    Foto: Number10_flickr

  • Hintergrund: Grobritannien Nr. 35 / Juni 2015 | 6

    Fazit

    Liberale begren die Freiheit souverner Staaten, sich einer Union anzuschlieen oder sie zu verlas-

    sen. Die Mitgliedschaft in der Europischen Union basiert auch fr das Vereinigte Knigreich auf einer

    solchen Wahlfreiheit, nmlich beizutreten oder auszutreten diese grundstzliche Freiheit gilt es zu bewahren. Es ist daher fr europische Mitgliedsstaaten legitim, ber die Frage ihrer Mitgliedschaft

    Referenden abzuhalten.

    Gleichwohl ist das Vereinigte Knigreich ein wesentlicher Protagonist in der EU und eine treibende

    Kraft fr Reform und Strkung der Europischen Gemeinschaft. Gerade die Liberalen brauchen ein EU-

    Mitglied als Partner, dass dank seiner Tradition von offener Gesellschaft, Freihandel und Unterneh-

    menskultur die Entwicklung der EU mitprgt. Gerade im Kontext der fehlenden Dynamik in der euro-

    pischen Integration und wachsender Europaskepsis ist die EU auf reformorientierte Krfte wie Gro-

    britannien angewiesen.

    Natrlich kann die EU nicht auf alle Forderungen eingehen. Macht sie bei ihren vier Grundfreiheiten Arbeit, Kapital, Gter und Dienstleistungen Zugestndnisse, verrt sie ihren Wertekern. Zudem braucht London die EU mehr als umgekehrt.

    Die Perspektive eines Referendums im Vereinigten Knigreich sollte jetzt der Beginn einer konstrukti-

    ven Debatte ber die Reformmglichkeiten innerhalb der EU sein. Denn Cameron steht mit seiner Kri-

    tik an der EU nicht allein da: Die niederlndische Regierung aus Liberalen und Sozialdemokraten hat

    einen hnlichen Diskussionsprozess angestoen und ein umfassendes Reformprogramm fr die EU

    vorgelegt. Deutsche Liberale untersttzen Reformforderungen nach schlankeren und effizienteren In-

    stitutionen, mehr Subsidiaritt, weniger Brokratie und einem Europa der verschiedenen Geschwindig-

    keiten.

    Wie gelingt die Quadratur des Kreises? Die Wahlfreiheit der Briten bewahren, das Vereinigte Knig-

    reich in der EU behalten und dennoch das europische Projekt in seinem Kern erhalten? Die Perspekti-

    ve eines Referendums sollte als Chance zur Reform der EU begriffen werden. Die Zeit ist reif fr ein

    Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

    Julie Cantalou ist European Affairs Managerin im Dialog Programm Brssel der Friedrich-Naumann-

    Stiftung fr die Freiheit.

    Impressum

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit (FNF)

    Bereich Internationale Politik

    Referat fr Querschnittsaufgaben

    Karl-Marx-Strae 2

    D-14482 Potsdam