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46 Alexander yon H o m e y e r: Briefe vom Kriegsschauplatze 1866.*) Vola Alexander yon Homeyer, Hauptmann im Schlesischen Ffisilier-Regiment No. 38. An Herrn Dr. Carl Bolle. 1. Frankenstein in Schlesien, den 16. Marl Zu Pfingsten wollten wit Beide ja immer eine Partie in die Bfhmisch-Schlesischen Grenzgebirge machen; ich bin richtig dazu gekommen, wenn auch aufandere Weise, wie ich anfanglieh glaubte. Der Krieg bringt mich dazu. Gestern siedelte meia Regiment auf drei Extraz~gen yon Glogau nach Frankenstein tiber. Ich bin F~ihrer dei,/nobilen 2. Compagnie und -- frischauf, und taunter. -- Ich will der Zukunft getrost entgegensehen. Wir 0fficiere sind alle ruhig und ernst, also fern yon jeder Prahlerei, doch wir Alle hoffen auf Sieg. Ich wfirde Dich bitten, reich in dem romantisch- gelegenen Frankenstein zu besuchen, doch i~hlt es mir an Zeit, wenigstens bin ich nie HelT meiner Zeit. Schreibe mir daher recht bald, und theile mh" aus dem Gebiet der 0rnithologie m(~glichst viel mit, denn seit dem 11. April erfahre ich nichts. 2. Frankenstein, den 20. Mai 1~66. Vielleicht wird man todtgeschossen. 0rnithologie kann ich eigentlich nicht treiben, aber b e o b a c h t e t wird doch ; Notizen aber mache ich nicht; das Gesehene werde ich Dir brieflich zukommen lassen. Vielleicht, -- doch wollen wir alas nicht fitrchten, stellstDu spater die Beobachtungen ftir das Journal als meine letzte ornitho- logische Th~tigkeit zusammen, oder -- ich thue es nach gltiek- licher Rackkehr selbst. Zur Sache also: Fri~Tgr serious ist hier uberall ziemlich h~ufig, jedes Doff hat 1--3 Piirchen. In dem benachbarten Dol~'e Tarnau ist bei dem dortigen Gastwirth eine sehr nette VSgelsammlung. In ihr steht Strr ~octua und dasy~n~s fin einem Glaskasten. Der Wirth, der die meisten VSgel selbst ausgestopft hat, und dieselben auch leid- lich kennt, nennt den St. dasypus zum Unterschiede von St. noctua ,,den Waldkauz" und meint, dass derselbe hier im Walde kaum seltener, als noctua in den D6rfern sei.- Eme Cali&'is arenaria *) Meist ornithologischen Inhalts enthalten die Briefe auch milit~rische Beigaben~ welche ich nicht ffut trennen kcnnte. Nehme man mit Aliem so fiirlieb und denke daran: unter welchen Vertdiltnissen diese Briefe ge- schrieben wurden. --

Briefe vom Kriegsschauplatze 1866

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Page 1: Briefe vom Kriegsschauplatze 1866

46 Alexander yon H o m e y e r:

Briefe vom Kriegsschauplatze 1866.*) Vola

Alexander yon Homeyer, Hauptmann im Schlesischen Ffisilier-Regiment No. 38.

An Herrn Dr. Carl Bolle. 1. F r a n k e n s t e i n in S c h l e s i e n , d e n 16. Marl

Zu Pfingsten wollten wit Beide ja immer eine Partie in die Bfhmisch-Schlesischen Grenzgebirge machen; ich bin richtig dazu gekommen, wenn auch aufandere Weise, wie ich anfanglieh glaubte. Der Krieg bringt mich dazu. Gestern siedelte meia Regiment auf drei Extraz~gen yon Glogau nach Frankenstein tiber. Ich bin F~ihrer dei,/nobilen 2. Compagnie und - - frischauf, und taunter. - - Ich will der Zukunft getrost entgegensehen. Wir 0fficiere sind alle ruhig und ernst, also fern yon jeder Prahlerei, doch wir Alle hoffen auf Sieg. Ich wfirde Dich bitten, reich in dem romantisch- gelegenen Frankenstein zu besuchen, doch i~hlt es mir an Zeit, wenigstens bin ich nie HelT meiner Zeit. Schreibe mir daher recht bald, und theile mh" aus dem Gebiet der 0rnithologie m(~glichst viel mit, denn seit dem 11. April erfahre ich nichts.

2. F r a n k e n s t e i n , d e n 20. M a i 1~66. Vielleicht wird man todtgeschossen. 0rnithologie kann ich

eigentlich nicht treiben, aber b e o b a c h t e t wird doch ; Notizen aber mache ich nicht; das Gesehene werde ich Dir brieflich zukommen lassen. Vielleicht, - - doch wollen wir alas nicht fitrchten, stellstDu spater die Beobachtungen ftir das Journal als meine letzte ornitho- logische Th~tigkeit zusammen, oder - - ich thue es nach gltiek- licher Rackkehr selbst.

Zur Sache also: Fri~Tgr serious ist hier uberall ziemlich h~ufig, jedes Doff

hat 1--3 Piirchen. In dem benachbarten Dol~'e Tarnau ist bei dem dortigen Gastwirth eine sehr nette VSgelsammlung. In ihr steht Strr ~octua und dasy~n~s fin einem Glaskasten. Der Wirth, der die meisten VSgel selbst ausgestopft hat, und dieselben auch leid- lich kennt, nennt den St. dasypus zum Unterschiede von St. noctua ,,den Waldkauz" und meint, dass derselbe hier im Walde kaum seltener, als noctua in den D6rfern s e i . - Eme Cali&'is arenaria

*) Meist ornithologischen Inhalts enthalten die Briefe auch milit~rische Beigaben~ welche ich nicht ffut trennen kcnnte. Nehme man mit Aliem so fiirlieb und denke daran: unter welchen Vertdiltnissen diese Briefe ge- schrieben wurden. --

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Briefe yore Kriegsschauplatze. 47

im Winterkleide und bei Frankenstein erlegt, dfirfte als besondere Zierde der kleinen Sammlung gelten.

Calamoherlge pcdustris*) wurde auch hier yon mir beobachtet. Die JEmSeriza hortulana sah ich noch nicht, sehr oft aber E. miliaria. Alauda cristata ist h~tufig, Cypselus apus und Corvus monedula zahlreich am Stadtthurm. - -

Zwei Meilen yon bier in ReindOrfel bei Miinsterberg wohnt der Herr yon Bodemeyer. Seine ornithologische Sammlung ist ja als gut bekannt. Mittwochs kommt der Herr gewOhnlich in d ie Stadt. ttoffentlich lerne ich ihn kennen, denn Vorkehrungen des Zusammenkommens sind getroffen. Ich bin iibrigens neugierig, die Sammlung zu sehen.

3. F r a n k e n s t e i n , den 26. Mai 1866,

Wir sind heut nicht kliiger wie vor 14 Tagen. Wer weiss, wie die Sache kommt, die Truppen sind bereit zu schlagen.

Ich habe so viele Zeit ert~brigt, dass ich das eine Meile yon hier gelegene Schloss Camenz besuchen konnte. Ft. serio nus war daselbst wohl in 10--15 Paaren, w~ihrend ich Sylvia luscinia nur einmal singen hSrte. Falco su55uteo kreiste paar- weise tiber dem Park. - - Bei Peterwitz traf ich in einem sch6nen Rothbuchenhain ein einzeln nistendes Wachholderdrossel-Paar (Tur- dus pilaris) a n . -

Gestern, als mein Bataillon zum Exerciren ausrfickte, verfolgte ein Falco suSbuteo eine Alanda arvensis. Der Falk stiess iifters fehl, die Lerche ermattete und fiel, bei uns Zuflucht suchend, acht Schritt vor uns auf die Chaussee. Der Falk schoss dicht an unse- ren KOpfen vorbei. - - Die anderen Hauptleute machten reich auf den Fall aufmerksam, - - nicht wissend, dass ich schon 1Ltngst stiller Beobachter gewesen war. - - In selbigem Augenblicke ent- floh einem Chausseebaum eine •mSeriza ~niliaria. Der Falk glaubte, dass dies s e in e Lerche sei, und vedolgte den Ammer, w~thrend die Lerehe in den Graben taumelte. Der Ammer entfloh schrLtg nach Oben und so rapide mit fi'ischen Krii~en, dass der Falk yon der Verfolgung abstand und sich auf eine Ackerscholle niederliess.

Die EmSerisa hortulana beobachtete ich bis jetzt dreimal. Be- sonders h~ufig ist Crex pratenMs. Perdix cinerea l~uft tiberall

a) Siehe Streifereien dutch die Biihmisch-Schlesischen Grenzgebirge. Journal t~r Ornithologie 1865.

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48 Alexander v o n H o m e y e r:

deux herum. Die kalte Witterung hat jedenfalls die Eier der Brut zerst(irt. - - Saxicola rubicola wurde noch nicht beobachtet.

4. S a l z b r u n n , den 30. Mai 1866.

Am Sonnabend Abend kam der Befehl, Frankenstein zu ver- lassen, und tiber Reichenbach, Wtiste Waltersdorf, Charlottenbrunn nach dem 12 Meilen entfernten und westlich gelegenen Salzbrunn zu marschiren. Sonntag Morgen fiinf Uhr erfolgte der Ausmarsch, und gestern Mittag, d. h. nach 4 Tagen, langte ich in Nieder-Salz- brunn an. Ob wir bier liingere Zeit bleiben, oder nicht, weiss ich nicht. Ich wohne bier bei einem alten Veteranen yon 1806-15, dem Oberstlieutenant a. D. yon Frankenberg, 1/2 Stunde yore Ftir- stenstein.

Vor der Hausthiir steht ein 15 Fuss hoher Lebensbaum (Juni- perus), worin sich ein Nest von Serinus luteolus befindet. Es sind kleine Junge darin. Nach der Aussage des HelTn yon Frankenberg sass vor drei Jahren ein Girlitznest ganz auf derselben Stelle. Der Girlitz ist nach ihm in manchen Jahren sehr zahlreich und in an- deren sehr sparsam bei Salzbrunn. 1866 ist er ~tusserst hiiufig da- selbst, und ich taxire sein Vorkommen wohl auf 150 Paare. - - In Peterswaldau, einem Dorfe am Fuss der ,,Eule", war er ebenfalls sehr zahlreich, abet in Charlottenbrunn und Waltersdol"f, also in der ,,Eule" selbst, sparsamer. Auf dem Marsch ,,yore Pferde herab" sah ich auf den Chausseeb~iumen das Girlitznest zu wiederholten Malen; unter ?~nderem besonders auf Birken, welche in einer ttShe yon 15 Fuss gekSpft und dann wieder ausgeschlagen waren. Das Nest sass immer auf dem Kopf, getragen durch die neuen Reiser.

5. S a l z b r u n n den 3. J u n i 1866.

Silvia atricapilla ist recht selten bier; auf dem Marsch bier- her hSrte ich sie nut einmal bei Wtiste Waltersdorf. Sylvia ho~- tensis, mehr aber noch hypolais sind ~tusserst zahlreich. Sylvia nisoria nistet bier in mehreren Faaren.

Fri~gilla serinus zeigt auch bier seine Vorliebe fttr das Nadel- holz. Die acht aufgefundenen Nester sitzen auf der Rothtanne, dem Lebensbaum und der Liirche, alles Biiume, die in G~rteu stehen und somit vor 0bstbaumen den Vorzug erhielten. - -

1861 und 62 verkehrte in Glogau vielfach ein Ingenieur-Of- fieier mit mir, ein Lieutenant Walter, der als Liebhaber der Stuben- vSgel sich vielfach Rath yon mir bolte. Jetzt treffe ich hier zu- f'~.llig mit ihm zusammen. - -

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Briefe yore Kriegsschauplatze. 49

Er theilt mir Folgendes mit: ,,Bei Neisse ist Fringilla 8e- ,,~nus sehr h~ufig. Er nistet vielfach in den G~ten der Stadt in ,,n~chster Nahe der Hauser. In meinem Garten befanden sich ,,Obstb~ume aller Art. Ich fand das Nest mehrmals auf dem Birn- ,,baum, einmal auf dem Apfelbaum und einmal auf dem , ,Zwet - ,,s c h e n b a um". Nach Aussage eines alten Neisser u ,,der lange in der Fremdenlegion gedient und aus Mgier den~:ry- ,,thacus Moussieri ausgestopft mitgebracht hat, ist der Girlitz bei ,,Neisse schon seit dreissig Jahren. Der Vogel heisst daselbst ,,Girlitz" oder ,,wilder Kanarienvogel". m

6. T a r n a u bei M ~ i n s t e r b e r g den 14. J u n i 1866.

Am 11. Abends bekam das Regiment Befehl zum Abmarsch. Wohin ? dies erfuhren wir erst am 12. Morgens 3 Uhr: nach Neisse. Diesmal passirten wir nicht die hohe Eule, sondern gingen am Fusse derselben nach Frankenstein. Bei Peterswaldau (bei Rei- chenbach) sah ich auf einem kleinen T0rfweiher zwei Parchen Po- dicipes. P. ~tinor habe ich ganz sicher erkannt, ob aber das zweife Paar auritus war, kann ich nicht mit Sicherheit an- geben. Calamo]~erpe arundinacea war im Rohr haulig. Sylvia nisoria zahlreich in den dortigen kleinen FeldhSlzern. Die jungen Gir- litze sind fast ~iberall im Begriff, die Nester zu verlassen. In den Vorbergen der Eule h6rte ich einige ~Iale S. atricapilla, doch ist sie weit seltener als hortensis. Das Verh~ltniss ist wohl 1:50. Auf der ganzen Tour yon Salzbrunn bis Frankenstein hSrte ich auch nicht eine Sylvia luscinia.

Am 14. ~iber ReindSrfel, M~insterberg nach Tarnau. Das Ter- rain ist h~igelig und fruchtbar; 0berall schSnes Getreide. In den Thalkesseln steht 5fters ein Feldgeb~isch, durch welches in der Regel ein nasser (]raben mit wenig Wiese f~ihrt. Hier trifft man stets ein P~chen Cal. palustris an. In ReindSrfel wohnt Herr yon B0demeyer: Seine VSgelsammlung konnte ich leider n icht sehen, well mein Abkommen der Dienst nicht erlaubte. Dicht bei Rein- dSffel hSre i ch dreimal Cal. locustella. Die erste bei Klein- Schlause auf der Wiese, die beiden anderen im Getreide: Sylvia l,scinia zeigt sich hier wieder, doch immer noch vereinzelt, hSch- stens ein P~trchen pro Doff. Nicht viel h~tufiger ist bier Ft. serinus. ~ Im kleinen Eichwald Tarnau's wohl f~infzehn Paare Turdus pilaris.

Cab. Joarn, f. Or'~d&h. XV. Jahrg.. ~Io. 85, Januar 18~7.

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50 Alexander yon H o m e y e r :

Ich glaube, lieber Carl, dass wir in den n~ichsten vierzehn Tagen nicht allein Krieg, sondern auch schon eine Schlacht haben. �9 , �9 ~ ' ~ ~ * . . * ~ . . . . . . . . . �9 �9 ~ ,

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7. B i v o u a k O p p e r s d o r f be i N e i s s e , den 19. J u n i 1866.

Deinen heben Brief erupting ich gestern in meiner Strohhiitte, welche ich mit meinen vier Officieren seit drei Tagen und N~tchten bewohne. Es wohnt sich recht angenehm in so einer Hiitte, namentlich bei schSnem Wetter. Um gegen die Witterung ge- schtitzt zu sein, sind yon uns leichte Htitten gebaut. Dazu braucht man B~tume, Str~tucher un4 Stroh. Alles wurde der Nachbarschaft entnommen. Es schwanden Witlder und Getreidefelder im Laufe eines Tages. Viele tausend HSnde (20,000) waren th'~tig, und (lie fruchtbare und tippige Gegend wurde 5de, und darauf Milit~ wie Ameisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . �9 ~ �9 ~ . ~ ~ ~ ~ ~ . , * ~ ~ , �9 �9 �9 ~ ~ �9 ~ �9

Die hiesigen Thalmulden beherbergeu in ihrem Gebiisch viel- fach Sylvia nisoria. JFr. serinus ist nicht so zahlreich wie bei Salzbrunn, Sylvia luscinia ist ziemlich h~iufig hier. Ein altes Perdix cinerea liess sich auf dem Neste ergreifen. Die vielen Soldaten, welche yon allen Seiten durch das Getreide kamen und dieses ausrupften, machten es sinnesverwirrt. Man brachte mir das Huhn. Ich liess es fiiegen. Im Nest waren zw(ilf stark bebriitete Eier. Andern Tags ring man das Hahn wieder, und nun tSdtete man es.

8. W e s e n d o r f i n de r G r a f s e h a f t G l a t z , den 26. J u n i 1866.

Am 21. Juni lag ich bei Preiland unweit Neisse im Bivouak, und sah und hSrte viele Kreuzschn~bel (Loxia curvirostra) vorfiber- streichen. Ph, asianus colchicus briitete vielfach bier, Motacilla sul- phurea watete am Kiessbach. Rfihrend waren mir folgende Ge- schichten: Eine Sylvia nisoria brfitete buchst~tblich zwischen Sol- daten Lind Gewehren, zwischen Lagerfeuer und Htitten in einem kleinen Lindenstrauch. Mir ist eine solche hnhiinglichkeit an die Brut (Eier) niemals vorgekommen. Andern Morgens waren die Kleinen ausgeschlt|pft. Ein Neugieriger verscheuchte die Mutter, doch kehrte dieselbe trotz der umstehenden Menge sofort zum Neste zurttck, um die Naekten zu deeken. - - Ein Nest der Emberiza ci-

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Briefe yore Kriegsschauplatze. 51

trinel~a mit grossen (kielstSssigen) Jungen stand 3 Schritt yon einem Bivouakfeuer. Die Alten mit Futter im Schnabel trauten sich nicht zum Feuer and zu den Soldaten herunter. Ich trug das Nest 30 Schritt davon und - - die Eltern ffitterten welter. Freilich brauchten sie 112 Stunde Zeit, um der Ver~tnderung zu trauen.

hm 26. Marsch durch die Grafschaft Glatz. Bei Wilmsdorf hSre ich in einer feuchten Thalmulde 2 singend e $ der Sylvia locu- stella. Nachmittags komme ich nach Wesendorf in's Quartier zu einem FSrster. Abends inspicire ich meine Posten und geniesse noch so recht die schiine Natur. - - Es war ein herrlicher Abend. Die Drosseln (auch. ein Turdus torquatus) und die Rothkehlchen san- gen, w~ihrend ich reich am Rande einer Waldwiese hinsetzte, um zu lauschen. Ein Reh kommt auf die Wiese. Welch' Stillleben! Ich erffeue mich noch einmal so recht des Friedens, und nehme dana ahnungsvoll Abschied yon ihm.

9. B i v o u a k G r a d e l i t z , den 1. J u l i 1866.

Ich dacht' es wohl, wit haben geschlagen, und Nachod, Ska- litz, Schweinschiidel liegen hinter u n s . - - Am 26. Abends nahm ich Abschied yore. Frieden, und schon am 27. war der Krieg da. Am 27. Morgens marschirten wir per Eilmarsch tier Grenze zu. Ich sehe ein Nest der Ft. serinus auf Hollunder. In Lewin hSren wit Kanonendonner. Um 12 Uhr riicken wir nach Nachod zur Unter- stiitzung vor, kommen jedoch zu spiit, dennoch das Gefecht sieg- reich far Preussen.

Abends rtickte alas 38. Regiment fiber Nachod in,s Bivouak, d. h. auf das Schlachtfeld. Ich musste Todte wegriiumen lassen, um Platz zu haben. Wir-brachten die kalte Naeht ohne Stroh und M~intel zu.

Am 28. Juni sahen wir in der Frtthe aUe S~hauer eines Schlachtfeldes. Um I]210 Uhr rtickten wit vor, um I]~11 Uhr kam ich in, s Feuer, und um 1]~4 Uhr war die Schlacht bei Skalitz ge- schlagen. Unser erstes und zweites Bataillon verlor an Todten und Verwundeten 13 Offieiere und 360 Mann. Von meiner Com- pagnie fielea 44 Mann. Du siehst, lieber Carl, dass Gott reich schiitzte. - - �9 �9 , ~ �9 , ? * �9 * �9 �9 , ~ ~ �9 �9 , , �9 �9 , �9 ~

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Am 29, sah ich an der Aupa iiberall Sylvia nisoria, t)hasianus colchicus ist hier sehr zahlreich. - Am 30. regnete es furchtbar.

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52 Alexander v o n H o m e y e r:

Heute haben wir Ruhe. Die mtiden Glieder kommen wieder zu sicb. - - Seit 14 Tagen lag ich nur einmal im Bett (Wesendorf den 26. Juni), sonst immer im Freien, bald im Getreide, wie ein Feldhuhn, bald wieder im Walde, wie ein wildes Thier. Die niichste Zukunft wird auch wohl nicht reicher an Bequemliehkeiten s e i n . -

Bei Gradelitz ist so zu sagen die ganze preussische Armee vereinigt. ~ . . . . . . . o �9 * . �9 , �9 �9 ~ . o ~ o . �9 �9

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10. S c h l a c h t f e l d K S n i g g r i i t z , den 7. Ju l i 1866.

Auch in der VSlkerschlacht bei KSniggi'iitz bin ich nicht verwun- det. Gottes Gnade, welch' heisser Tag, yon Morgens 9 Uhr his Abends 1/28 Uhr im Feuer. Welch' glorreicher Sieg, welche Waffenthat! �9 �9 . . . �9 �9 . . �9 �9 �9 �9 �9 �9 �9 �9 . . �9 �9 . �9 ~

�9 �9 �9 , �9 �9 . . �9 �9 �9 . , �9 �9 �9 . . . . . . �9 ,

]ch beobachtete bei Josephstadt den Anthus campestr~ als Brutvogel. Ich griff ehl fast ganz fitigges Junge, wiihrend die al- ten VSgel trotz des HSllendonners der Kanonen mir um den Kopf stiessen. Ich hess das Kleine wieder fiiegen. Mehrfach sah ich Coracias garrula.

11. Z o s e e be i L a n d s k r o n e , den 13. Ju l i . Auf dem Marsch hierher sah ich den Anthus camlaestris zweimal.

Er muss als seltener Vogel des 5stlichen BShmens angesehen werden. - - Die Wachtel schl~tgt fast nie im dichtbestandeaea Getreide, son:

dern immer gem auf einer Lichtung, etwa in einer Furche, einem Steige oder Wege. Sie l~tuft dana wohl bei einer Stiirung in das Getreide, tritt abet zum Schlagen gern wieder heraus. Larus ridi: 5undu~ nistet h/iufig auf den Seen bei Pardubitz.

12. R a n i g s d o r f in Mi th r en , den 15. J u l i 1866.

Ich glaube, dass wir morgea zwischen Olmtttz und Brtinn eine Schlacht haben. �9 . . �9 ~ �9 �9 , �9 �9 �9 ~ �9 ~ �9 �9 ~ �9 �9 �9 �9 �9 . �9

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Auf dem Marsch tiber ttohenmauth, Chotzen, Mithrisch-Tribau und Brtinn war Se~inus luteolus sehr hiiufig Er ist so zu sagen der h'/iufigste Vogel, da Passer domestlcu~ bier nirgends zahlreich ist. Auff/illig ist mir, dass ich in den Weinbergen aiemals Pratin- cola ruSicola antraf. EmSeriza ]wrtulana wtu'de gar nieht wieder

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Brlefe vom Kriegsschaupiatze 1866. 53

gesehen, Alauda cristata hier und da. Von grSsseren Raubviigeln sah ich nur einen Bussard, yon kleineren den Falco subbuteo (ifters. Saxicola rubetra ist sparsam, oenanthe 5fter anzutreffen. Turdus saxaKlis wurde immer noch nicht gesehen. Am wilden Adlerfiuss unweit. Landsk~one ein Piirchen Cinclus aquaticus,

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Vor meiner Thttre hier steht ein Birnbaum, wfiJarend eine alte Steinmauer dicht vorbeifiihrt. In letzterer sitzt ein Nest der Sa- xicola oena~the mit grossen Jungen. Ich setzte mich in den Schat- ten des Birnbaums und beobachtete das FanTilienleben der Stein- schm~itzer. Die drei Jungen sitzen vor der Oeffnung und fiiegen schon den Alten entgegen, welche Insectennahruug zutragen, um dann wieder zum Schlupfloch zurttckzukehren. Ich nithere reich langsam der Brutstelle. AUe drei Jungen schliipften in die Oeffaung, und meine Hand ist zu gross, um sie hervorzuholen. Ich gehe also wieder zu- riick zum Birnbaum. Bald sind Alle (alt und jung)wieder vor der Oeffnung. Ich n~ihere reich wieder. Erst fliegen die Alteu fort, dana zwei Junge, wahrend das dritte reich auf drei Schritt heran- kommen lasst und dann in die Oeffnung schlfipft. Ich hebe einige Steine fort und erhasche den Kleinen. Naeh einigen Minuten setzo ich ihn wieder in Freiheit. Erst fliegt er auf den Birnbaum; ich bringe inzwischen die Steine wieder in Ordnung, uud - - nach ftinf Minuten ist wieder die ganze Famihe vor der MauerSffnung. Merk- wardig ist, dass das erste Mal alle drei Junge und das zweite Mal ein Junges nicht die Flueht ergriffen, sondern ihre Sicherheit vor mir in der NesthShle suchten, - - Nach einer halben Stunde war der Brutplatz verlassen und mit einer andern Mauer ver- tauscht. Ob die Alten die Stiirung der Oefinung fibelnahmen, oder ob das dritte Junge seine Gefangennahme erz~thlte, bleibt dahingestellt.

13. M a u s t r i t n k be i W i e n , den 22. J u l i 1866. Ich Iebe immer noch; bei Olmtitz ist es nicht zur Schlacht ge-

kommen. �9 ~ �9 ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ �9 . �9 ~ ~ ~ �9 * ~ ~ ~ *

�9 ~ �9 ~ ~ * ~ ~ ~ , ~ ~ ~ ~ ~ * ' . . . ~ ~ ~ ~ ~ ~ �9

In all' den schSnen Weinbergen NiederSsterreichs wurde Pra- tincola rublcola nicht gesehen, auch Petrocos~h~ s. Montlcola 8a~atiNs nicht. Bei Muschau, funf Meilen sfidiich yon Brfinn, habe ich am Taja-Fluss die Calamoherpe fluv~atzTis gehSrt. C. locustella war es entschiedeu nicht, auch I passt e m i r die Gegend nicht. Es war ein Schwirrgesang, aber nicht so rein wie bei locuste!la, son- dern weniger zusammenh~ngend und tiefer. - -

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54 Mexander yon H o m e y e r :

Bei Maustriink sind grosse Lehmberge. Das" Wasser hat hier ftirchterlich gehausst, und .tiefe Spalten und Schluchten gerissen, so dass oft 50 Fuss hohe Wiinde und ebenso breite Schluchten entstanden sind. Sieht man sich den Bruch genauer an, so findet man Schichten yon Mergel, Lehm, Kiessand und Muschelkalk. In den oberen Lehmschichten finden sich viele NisthShlen von Cotyle riTaria. Jetzt sind dieselben erweitert und yon Passer domesticus besetzt. Ich habe den Itausspatz hie so nistend gefunden. Es ist eine Colonie yon 10bis 12 Paaren. Augenblicklich sind Junge in den HShlen. �9 * o �9 �9 �9 �9 �9 . . . . . . . . �9 �9 �9 �9 �9 �9 o o

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Diesen Moment glaube ich an baldigen Frieden und an keine Schlacht mehr.

14. L o o s d o r f be i W i e n , den 25. J u I i 1866.

Soeben ist meine Ernennung zum Hauptmann und Compagnie- Chef angekommen. Der Friede steht vor der Thiir. - -

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J. Hoffmann will eine Vorliebe des Girlitz zum Birnbaum und auch zum Zwetschenbaum. Mit dem Bir-abaum bin ich einverstan- den, mit dem Zwetschenbaum nicht. Dass der Girlitz auf letzterem sein Nest anlegt, wurde yon mir in Frankfurt a / M. ,, n u r z w e i- ra a 1" beobachtet, wesshalb die neuliche Mittheilung des Lieutenant Walther, dass auch er bei Neisse ein Nest auf dem Zwetschenbaume gefunden, ftir reich yon Interesse war. Deshalb muss ich es auch heute far etwas Erw~ihnenswerthes halten, dass ich auch hier ein Girlitznest auf dem Zwetschenbaum fand.

Der Baum ist 30 Fuss hoch und steht in einem Dorfgarten, in welchem noch c. 20 ZwetschenbS,ume, 2 Birn- und 3 Apfelb~iume und ein Kirschbaum stehen. Bemerken muss ich noch, dass der Kirschbaum unserem Zwetschenhaum so nahe stand, dass sich die Zweige beider bertihrten. Das Nest sitzt fast 3 Fuss yon der Krone.

15. R a t c z i t z be i B r t l n n , den 5.. A u g u s t 1866.

Der Friede ist da, und wir befinden uns auf dem R~lckmarsch. �9 �9 o , �9 �9 �9 , �9 o , �9 �9 �9 �9 , �9 �9 , �9 �9 ~ , �9

�9 �9 . , �9 ~ �9 �9 o ~ o ~ �9 o , �9 �9 ~ o �9 �9 , , .

Auf dem Marsch kamen wir durch sehr romantisches Terrain, und Ratczitz selbst liegt allerliebst mitten zwischen Felshiigeh~ die

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Briefe veto Kriegsschauplatze 1866. 55

theilweise bewaldet, theilweise- entwaldet und somit kahl sind. Fels- get611 liegt ~iberall: Ich traf heute mit zwei alten Bekannten zu- sammeni die ich liingst erwartet, abet immer noch nicht gesehen hatte. Der ei~ne ~var wirklich Passer petronia, der mir sein bekann- tes ,,wl det zuschrie, und der andere die liebliche Pratincola ru- bicola, welche auf einem dicht bei Ratezitz gelegenen, kahlen und steinigen H~igel ihr Wochenbett aufgeschlagen hatte. - - U e b e r beide babe ich reich sehr gefreut, aber selten, sehr selten sind sie bier ganz gewiss.

16. ~ i g l i t z , den 26: A u g u s t 1~66. Bald werden wir die Heimath wiedersehen:

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Ich babe einen Abstecher nach Prag gemacht. Den Dr. An' ton Fritsch habe ich leider nieht kennen gelernt, indem er aufRei- sen war. Wohl aber seinen Vater und seinen jfingeren Bruder, der Naturalienhandler ist. - - Das zoologische Museum habe ich mir grossartiger vorgestellt, und babe ich namentlich bei Adlern und Edelfalken viele Lacken gesehen. Von letzteren habe ich nichts Interessantes gesehen. Bei der Etikettirung vermisste ich Details ~iber engeres Vaterland, Zei t etc. - -

Die bei Kbniggr~tz gesehenen Coracias garrula scheinen ihr Hauptquartierin den Felsen bei Pardubitz, Wildeuschwerdt etc, zu haben, we es Partien giebt, die an die: S~chsisehe Schweiz er- innern. - - *) �9 . . " . I * ~ �9 . , �9 ~ ~ . �9 ~ �9 �9 �9 �9 �9 . , �9 .

17. S c h w a n e n d o r f in P r e u s s e n ~ den 4. S e p t e m b e r 1866. Wir sind wieder in Preussen. Mit HulTah gingen wit aber

die Grenze. G0tt sei Dank! - - B r e s l a u , den 15. October 1866.

•) Durch Dr. Belle wurde Fringilla serious auf dem Sehlachtfelde yon Kbniggr~tz mehrmals angetro~en. Selbst vJon der Linde yon L i p a herab sang ein Vbgelchen. Den Freund fiihrte die traurige Pflleht hierher, den bei Lipa verwundet'en FreUnd C. Thiirr aufzusuchen. Wenngleich derselbe aueh gefunden und nach Berlin gebracht wurde, so starb er doeh bald in Belle's Armen.