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450 33. Merops philippinus L. Ceylon. Sehr gemein in den sum- pfigen Niederungen der Umgebung. 34. Treron vernans (L.) Singapore. Sehr hiiufig. Morgens und Abends auf den hOehsten Zweigen der Biiume. 35. Turtur chinensis (Stop.) Grosse Fluge dieser Tauben pas- sirten als das Sehiff in der Mtindung des Yang-tsi-Kiangflusses war. 36. Coturnix coromandelica Gin. Macao. 37. Francolinus perlatus Gm. China. 38. Ardea cinerea L. In Reisfeldern auf den Loo-ehoo-Inseln. 39. Ardea leucoptera (Bodd.) Ceylon. Iris gelb. 40. Gallinula chloropus L. Loo-ehoo-Inseln. Iris gelb. Stirn- sehild etwas kleiner als bei europ~iisehen Exemplaren. 41. Charadrius pluvialis L. Macao. Canton. 42. Squatarola helvetica L. Macao. 43. Hiaticula atrifrons Wagl. Am Flusse Padang aufSingapore. Iris braun. 44. Totanus glottis L. Macao. 45. Actitis hypoleuca (L.) Singapore. 46. Rhynchaea chinensis (Bodd.) Macao. 47. Recurvirostra occidentalis Vig. Benieia. 48. Tadorna vulpanser Flem. Macao. 49. Larus occidentalis Audub. Benieia. 50. Sterna minuta L. Loo-choo-Inseln. A uf den Korallenriffen u m den Hafen Napha. Briefliche littheilun en und Feuilleton. Bruehstiioke einiger Briefe. Von Dr. Garl Bolle. An Herrn Lieutenant Alexander yon Homeyer zu Frankfurt a. A~I. Berlin, im Februar 1858. ..... Beim Dorfe SplUgen, wo die Postkaravane zwischen Zollge- b~iuden ,lnd Fraehtwagen Mittag maeht~ trennen sieh die Wege: links windet sieh die eigentliehe Spl/igenstrasse einen steilen Berg aufw~irts, Chia- venna und dem Comersee entgegen, rechts verfolgt die Bernhardin- strasse noch stundenlang das Hinter-Rheinthal, den ewigen Gletsehern

Bruchstücke einiger Briefe

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33. Merops philippinus L. Ceylon. Sehr gemein in den sum- pfigen Niederungen der Umgebung.

34. Treron vernans (L.) Singapore. Sehr hiiufig. Morgens und Abends auf den hOehsten Zweigen der Biiume.

35. Turtur chinensis (Stop.) Grosse Fluge dieser Tauben pas- sirten als das Sehiff in der Mtindung des Yang-tsi-Kiangflusses war.

36. Coturnix coromandelica Gin. Macao. 37. Francolinus perlatus Gm. China. 38. Ardea cinerea L. In Reisfeldern auf den Loo-ehoo-Inseln. 39. Ardea leucoptera (Bodd.) Ceylon. Iris gelb. 40. Gallinula chloropus L. Loo-ehoo-Inseln. Iris gelb. Stirn-

sehild etwas kleiner als bei europ~iisehen Exemplaren. 41. Charadrius pluvialis L. Macao. Canton. 42. Squatarola helvetica L. Macao. 43. Hiaticula atrifrons Wagl. Am Flusse Padang aufSingapore.

Iris braun. 44. Totanus glottis L. Macao. 45. Actitis hypoleuca (L.) Singapore. 46. Rhynchaea chinensis (Bodd.) Macao. 47. Recurvirostra occidentalis Vig. Benieia. 48. Tadorna vulpanser Flem. Macao. 49. Larus occidentalis Audub. Benieia. 50. Sterna minuta L. Loo-choo-Inseln. A uf den Korallenriffen

u m den Hafen Napha.

B r i e f l i c h e littheilun en u n d F e u i l l e t o n .

Bruehstiioke einiger Briefe. V o n

Dr. Garl Bolle. An Herrn Lieutenant Alexander yon Homeyer zu Frankfurt a. A~I. Berlin, im Februar 1858.

. . . . . Beim Dorfe SplUgen, wo die Postkaravane zwischen Zollge- b~iuden ,lnd Fraehtwagen Mittag maeht~ trennen sieh die Wege: links windet sieh die eigentliehe Spl/igenstrasse einen steilen Berg aufw~irts, Chia- venna und dem Comersee entgegen, rechts verfolgt die Bernhardin- strasse noch stundenlang das Hinter-Rheinthal, den ewigen Gletsehern

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zugewandt, aus denen die 5stllche Hauptquelle des sch~nsten aller deut- schen Stri~me hervorbrieht. Hier ist er nut ein weissblaues, seh~iu- mendes Bergwasser, da~ ein riistiger Mann auf seinen Alpenstock ge- stiitzt, wohl iiberspringen mag. Die Ufer kahl; nut bin und wieder yon einer Gruppe Berg-Ellern (Alnus incana L) beschattet. Das Thai hat meist flaehen Boden und ziemlieh sanfte Gehange. Im Sommer mag es lieblich genug sein; jetzt war der Graswuchs vergilbt und emsige Landleute warfen DUnger fiber die Wiesen. An den Gipfeln hingen die Herbstnebel. Die Hauser, nach Graubiindner Sitte aus Stein gebaut, warm und fest, wie es sich ftir ein kaltes Land ziemt, zeigten auch nieht den mindesten Anklang an die gef'allige Holz-Architectur der Ur- kantone und des Berner Oberlands.

So kamen wit naeh dem Di~rfchen Hinterrhein. Yon hier l~iuft die Heerstrasse, sich rasch links wendend, in Zickzack-Linien das Joeh hinan, das mit seinem Rticken den vielbetretenen Pass des Bernhardin, 46-t0' hoch bildet. Unten wuchert noeh, was bald aufhtiren sollte, dichtes Gestriipp yon grUnen Erlen (Alnns viridis) tiber das sich bin und wieder eine im Wuchs zurtickgebliebene Edeltanne erhob. Da bemerkte ieh, wahrend wit langsam zwischen l~ingst verbltihten Rhododondren hin- fuhren, einen, zwei - - bald mehre - - Schw~irme kleiner Fringillen, die einen eigenthtimlichen Lockton ausstossend, tiber alas Diekicht hin- strichen oder auf den Zapfenbtiumen ausruhten, ohne lange an einer Stelle zu verweilen; vielleicht, weil Peitschenknallen und Wagengerassel sie bald wieder aufschreckte. Deutlich unterschied ich die gelbgrtin und aschgraue Farbung der Thierchen und ihre von tier des Zeisigs so abweichende Stimme. Es war nicht daran zu zweifeln - - und dieAus- sagen tier einheimischen Mitreisenden bestatigten - - class es de r in Hohenrh~itien h~iufig genug vorkommende Citronfink sei. Die Samen- Katzehen tier granen Erle, die dicht an den Zweigen hingen, mochten ihn so zahlreich hieher geloekt haben. - - Ieh weiss nieht, ob Sie Kenntniss davon haben, dass ganz neuerdings mehre dieser Finken im Oberharz gefangen und nach Hannover zum Verkauf gebraeht worden sind; sie mithin ihren Aufenthalt bisweilen, wenn aueh immerhin sehr einzeln, in der subalpinen Region Norddeutschlands nehmen. Ueber- haupt scheint es mir ein gewaltiger Irrthum, diesen Vogel, indem man ihn fiir einen stidlichen erkl~irt, einer warmeren Zone, als die unsre ist, zuzurechnen; ihn der in den Wiesenthalern der Hochalpen auf echt nordischen Nadelb~iumen nistet und wie alle neueren Sehriftsteller be- zeugen, der Fauna Italiens fast fremd i s t . - - I c h war sehr erfreut den Citrinlis hier zu begegnen. Vielen passirts, dass sie fiber die Alpen

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gehen, ohne auch nur einen einzigen alpinen Vogel am Wege zu er- blicken. Man kann sehon zufl'ieden sein, wenn man aufeinem Felsblock am Giessbach einen Wasserstaar oder ein P~irchen gelber Bachstelzen sitzen sieht und in einem Dutzend schw~irzlicher Fittiche, die in der Wolkenregion, grade noch sichtbar, um eine Bergkuppe kreisen, Pgr- rhocorax alpinus mehr ahnt als erkennt. Wet mehr schauen will vos dem was uns Beide am meisten interessirt, der muss den Alpenstock zur Hand nehmen, die schweren, eisenbeschlagenen Bergschuhe anziehen und yon dem dutch den Fuss der Touristen glatt getretenen Pfade ab- b i e g e n . - - I c h sollte wenigstens ertr~igliches GlUck haben. Als die h0chste Stelle des Cols, ein ziemlich sanfter Uebergang neben einem, zumal rechts, sich emporthUrmenden Labyrinth yon Schneegebirgen erreicht war, gewahrte ich auf den Granitplatten des schon winterlichen Moorbodens, mehre, wie es schien, ziemlich dreiste FliihevOgel (Accen- tot alpinus). Das sogenannte Rettungshaus, welches oben in der kalten SteinwUste steht, mUsste eine gute Station abgeben, um im Herbst und Frtihling den Zug der WandervOgel zu beoDachten, was auf diesem niedr.igsten, folglich gUnstigsten aller schweizerischen Alpen- p~isse, soviel ich weiss, noch yon Niemandem geschehen ist. Uns hielt es hier nicht. Unter HOrnerklang und Peitschengeknall rasselte der schwere Wagen im Galopp die Schlangenwindungen des Weges bergab: vor uns die Felsenwilduisse der italienischen Schweiz, deren ferne Schnee-l(etten, yon der untergehenden Sonne angestrahlt, roth am Ho- rizont gltihten. Auf dieser Seite des Berges w~ichst etwas Knieholz. Im Dorfe Bernhardino, welches eine haupts~chlich yon Italienern be- suchte Heilquelle besitzt, erquickte uns eine Tasse warmen Kaffees. Dort kaufte der C~nducteur zwei, frischgeschossene Birkh~ihner, M~inn- chen und Weibchen, urn sic mit nach Mailand zu nehmen, wo sie hoch im Preise stehen. Ich erfuhr bei der Gelegenheit, dass Birkwild in dieseu Aipen noch h~iufig genug; die Jagd auf dasselbe, des unendlich coupirten Terrains wegen, aber recht mt~hselig sei.

Der Vogel, den man in und bei Genua am h~ufigsten erblickt, ist Passer cisalpinus. Dieser rothk0pfige Bursche hat etwas ungemein Auf- fallendes in seiner Erscheinung, die lebhaft an unsern, nut kleineren Feldsperling erinnert. Die Kopff'~irbung ist nicht kastanienbraun, wie man wohl in Biichern liest, sondern genau was man bei uns in der Volkssprache ,,tornisterblond ~ nennt. Den rechne wer will zu P. dome- sticus: ich thue es sicher nicht und mit mir, wer auch nur einmal diesen Spatz auf den flachen D~ichern seiner cisalpinischen Heimath s a h . - - An einem Vogelstande, dem einzigen~ den ich bei mehrt~igigem Aufent-

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halte in Genova la superba, und zwar in einer Verl/Jngerung der Strasse, welehe beim Theater Carlo-Feliee vorbeifiihrt, entdeekte, fiel mir auf, dass alle V6gel in Rohl:k~ifigen sassen, ganz wie die, deren man sieh auf den doeh so entfernten eanarisehen Inseln bedient. Mit Ausnahme einer Menge yon Canarienv6geln und andern gemeineren Arten, land ieh viele gefangene Steinsperlinge, die mithin im ligurisehen Kiisten- lande h~iufig sein mtissen. Unter den Dompfaffen eine Anzahl Junger in ihrem mir neuen Nestkleide, mit braunem Kopfe. Diese waren, wie mir versiehert wurde, in den nahen Seealpen und dem daran stos- senden Apennin ausgebrUtet worden.

Yon Exoten bin ieh, ausser einigen Individuen des grauen und griinen Cardinals (Paroaria cucullata Bonap. und Lophocorythus Guber- natrix Gray), die yon Buenos-Ayres und Montevideo, wohin jetzt haupt- s~iehlieh der genuesisehe Handel geht, stamrnten und einer kleinen Anzahl Papageien, in dieser Seestadt niehts gewahr gewcrden . . . . . .

Florenz besitzt in seinem ]I/luseo di Fisiea e Storia naturale einen wtirdigen und reich ansgestatteten Mittelpunet naturwissensehaftlieher Bestrebungen In gewisse botanisehe Studien yon fast absorbirendem Interesse ftir mieh vertieft, besuehte ieh dasselbe w~ihrend mehrer Mo- nate t~iglieh, hatte abet wenig Zeit, der ornithologisehen Ahtheilung Aufmerksamkeit zu sehenken. Ueberdies stand dieselbe verwaist, da der bisherige Director Passerini vor I(urzem gestorben und seine Stelle noeh nieht wieder besetzt war. Es blieben mir daher die Sehr~inke versehlossen und so htibseh aueh Museheln und Inseeten in aufreehten l(~isten an den W~inden der far sie bestimmten R~iume aufgestellt sein mOgen, so wenig tibersiehtlieh pr~isentiren sieh daselbst die VOgel, in zwei his drei Reihen hinter einander verpaekt, so dass man selten die Namen der hintersten lesen kann. Und doeh haben alle der Ornitho- logie gewidmete nieht grosse Zimmer, mit Ausnahme eines einzigen, dureh fi jour l]eleuehtung pr~iehtiges Lieht. Ieh kann nur sagen, dass es ein sehr gutes Kabinet etwa dritten Ranges ist, welches tiber die Totalit~it europ~iiseher und exotiseher Vogelspeeies einen gentigenden Ueherbliek darbietet, ohne in Betreff einer besonderen Fauna oder Familie dem Kenner yon speeiellerer Wiehtigkeit zu sein. Hin und wieder stehen neben den untadelhaft gestopften V6geln ihre Skelette, was grade keinen erfi'euliehen Eindruek maeht: so neben dem jetzt, wie es seheint, in Museen unvermeidlieh gewordenen Apteryx australis das Seinige. Paradiesv0gel u. a. sehOne Exoten erg0tzten das Publi- kum, w~ihrend ein Steatornis an unseren aueh bier so gefeierten Hum- boldt erinnerte. -l~laiver Weise hat man einen Austernfiseher auf einem

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St~inder sitzend dargestellt! Vortheilhaft f~llt in der Mitte eines Saales die herrliche Gestalt eines Seeadlers (Aquila albicilla) auf, der in der Natur abge]auschter Stellung tiber einem getOdteten Hahn.triumphirt" eine unsers Martin w~rdige Gruppe. Europ~ische, selbst italienisehe VOgel sind selten durch mehr als ein Exemplar vertreten. Mieh zogen von Letzteren besonders zwei Frankoline aus Toscana an~ die beweisen, dass dies jetzt nur noch als sieiliseh und eypriseh bekannte wunder- seh~ne Federwild, welches die Medicis in ihrem Lande naturalisirt hatten, auch jetzt aus dem Grossherzogthume noeh nicht ganz versehwunden ist. Ausserdem eine FringiHa incerta (olivacea Raf.) ebenfalls aus Tos- cana" der ganze Vogel dunkelolivenbraun, unten heller; am Baueh weisslieh. Die Gestalt gleicht allerdings der yon F. erythrina, mit der ieh eine Vergleichung anste]lte; doch halte ich, aus GrUnden, die Aeten hinsichtlich der jtingst behaupteten Identit~it Beider fur noeh lange nieht gesehlossen.

Der }Iarkt yon Florenz ist, wie der yon Pisa und Venedig, tiber- reich mit getOdteten kleinen V6geln versehen. Was Federn hat~ ab- wfirts bis zur Blaumeise, wird gebraten und mit Polenta verspeist. Kaum schiitzt den Zeisig die Magerkeit seines K~rperehens, Gesang, Buntheit und Zutrauliehkeit. Im Sp~itherbst und Winter sind die in Toscana nieht mehr wandernden, daselbst ungemein h~ufigen Rothkehlehen, ver- sehiedene Lerehen und Drosseln, mehre Ammerarten, von denen Em- beriz~a citrinella und ¢ia nur als G~iste der rauhen Jahrcszeit erschei- nen, die zahlreichsten Opfer; aber auch l(ernbeisser, Buehfinken, I(ohl- meisen u. a. m. waren stets massenweis vorhanden. Die Thierehen werden zwar meist befiedert zur Stadt gebraeht; allein w~ihrend der Marktstunden sieht man die Leute fortw~ihrend mit Rupfen beseh~ifligt, wodureh maneh seltner Vogel fiir den Sammler unkenntlieh oder un- brauehbar werden mag. Von lebenden einheimisehen StubenvOgeln lernte ieh nur ein V.erkaufs-Lokal kennen.

Es befand sieh am Fisehmarkte und war mit dem Laden eines 1Rehlhiindlers verbunden. Zaunammern (Zigolo nero), in seltneren Fal- len Zippammern, Stein- und eisalpinisehe Sperlinge waren, nebst vielen Girlitzen, t'tir mieh das weniger Gewtihnliche. Neben ihnen thronte un - wandelbar auf ihrer at~freehten, oben mit einem Polslerehen als Sitz versehenen Stange Minervens I(~i.uzlein, Civetta genannt, die strafbare Mitsehuldige der welsehen VOgel-]Rol'dlust. Auf Commando springen diese gut dressirten Eulehen aug und nieder; auf Commando maehen sie ihre fratzenhaften Verbeugungen. In den Vorstadten sieht mart ihrer vide vor den Laden der Handwerker~ deren Sonntagserho!ung die

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Vogeljagd bildet: stels abet ist es die bewegliche noctua; nicht, wie man in Deutschland wohl glaubt, die Zwerg-Ohreule Scops, welche der herrsche,denLeidenschaft dient. ,,Tendere ~', Vogelstellen, ist ein Wort, welches unendlich viele Floreatiner electrisirt. Dass auf einen Sper- ling, wie man s agt, zwei J~iger kommen, erscheint in der Ordnung. Sie werden mit mir welt entfernt davon sein, die schtidliche Seite dieses Hanges zu verkenne, und zu beklage,: allein sie hat auch ihre weniger dunklen. In diesem Lande uralter Civilisation ftthrt sie den Menschen in Busch und Wald, zurtick an die Brust der bona Dea, tier grossen, milden, unerschOpflich reichen :Natur. Die Sitten der V/~gel, ihre Lock- stimmen, die Unterschiede ihres Gefieders lernt schon der Knabe ken- nen, wenn er mit seinen Spielgenossen oder mit ~ilteren Freunden an Son,- und Festtagen iibers Feld und in die Berge hinein schweift. Die errungene Beute wird dann an einem Bivouakfeuer unter griinen B~iumen am Spiess gebraten und froh verzehrt. So m0gen, mit Wenigem zu- frieden, die Faunen des Alterthums geschmaust haben! Das Land abet, in dem, mit Platen zu reden:

,,Der Htigel kahlster yon Wein und Oel lrieft" wird dadurch so leicht nicht entvt}lkert, wie Deutschland Jahrhunderte durch nicht entvOlkert worden ist, durch den yon unsern Vorfahren ganz ~ihnlich und zu demselben prosaische, aber lebcnsfrohen Zweck des Essens betriebenen ¥ogelfang; sondern erst durch die allgewaltig" um sich greifende Kultur, durch Entholzung und andere Umgestaltungen des Terrains. An de, Ufern des Arno liegen weite Strecken fel- sigen Bodens, rait dichtem Gebiisch bedeckt, ~iiste; attf den Aeckern aber stehe, in langen Reihen Maulbeer- und Oell)~iume, dttrch Reben- Geranke, das yon Krone zu Krone zieht, verbunden, gebeugt tiber Saaten und strotzende Gemiisepflanzungen. Das tippige Aufschiessen und Samenreifen von Gras uud Kraut, das Schwirren von Myriaden, Insecten, die ewiggriine Belaubung so vieler B~iume, die in ihren Kronen und in den H0hlungen yon Stature und Zweigen bequeme Brut- pl~itze darbieten, ~ das Alles begtinstigt den Aufenthalt und die Ver- mehrung der VOgel und l~isst sie, trotz aller Verfolgungen, sich zahl- reich erhalten. Und nun erst die Maremmen, jene winterlosen :Niede- rungen am tyrrhenischen Meer entlang in welter Ausdehnung" sich hinerstreckend, yon denen die Miasmen tier Fieberluft den Menschen fern halten, den Naturkraften aber desto freieres Spiel gestatten; in diesen iiberwintern Kiebitze, Staare, Lerchen und unendlich viele andere Zugv0gel hngesttirt in u'bergrosser Menge und far beerenfressende Arten, auch far viele Standv0gel, sind ihre Macchien oder immergrtinen Busch-

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w~lder, die der Lorbeer- und Erdbeerbaum tiberragt, far aadere Spe- cies wieder die hohen Ger0hrichte, erst reeht ein Paradies. Kurz Ita- lien wird~ glaube ich, mit Unrecht fiir ein durch die Schuld seiner Be- wohner g~inzlich vogelleer gewordenes Land verschrieen.

Das in Toscana am meisten gebr~iuchliche Vogelfutter fiir EOrner- fresser liefert Panic'urn germanicum. Die K~ifiehe werden nicht aus Rohr, sondern aus Holz und Drathgeflecht zusammengesetzt.

Als eine echt italienisehe, wirklich originelle Fangmethode ist mir die des Frugnuolo beschrieben worden. Man geht, meist zu Zweien, in finsteren N~ichten mit einer Blendlaterne ins Freie und beleuehtet vorsiehtig mit ihr die Heeken und Gebiisehe. Die VOgel, welehe man sehlafend iiberraseht, werden entweder mit einer Leimruthe beriihrt uud herabgezogen oder yon dem Begleiter des Laternentl'~igers mit dem Blas- rohr gesehossen.

Bei einem kurzen Besueh, den ieh in Pisa machte, genoss ieh den Vorzug, die Briider Savi, Paolo und Pietro, kennen zu lernen und yon diesen wahrhaft liebenswtirdigen Naturforsehern mit der grtissten Freund- liehkeit empfangen zu werden. Der ~iltere yon Beiden, Paolo Savi~ Ver- fasser der geseh~itzten Ornithologia toseana, u. a. der erste genaue Be- schreiber der ~istweise yon Sylvia cislicola, ist ein Mann an oder in den Fiinfzigen~ yon hoher, sehlanker Gestalt, dem der vertrauteste Ver- kehr mit der Natur aus den wettergebr~iunten Ziigen leuchtet. Leider ist fiir ihn, seit der Vollendung seines Haup'twerkes die Ornithologie etwas in den Hintergrund getreten und die Geologie seine Lieblings- Besch~iftigung geworden. Dennoeh darf jene immer noeh auf sein leb- haftes Interesse reehnen, um so mehr, da er die Zoologie in doppelter Eigensehaft~ als Director des Museums und als Professor an der Uni- versit~it zu vertreten hat. Er ist auch Meister im Ausstopfen, worin er yon Wenigen tibertroffen wird~ wohl abet was Stellungen und Grup- pirung betrifft, alien jetzt Lebenden, der Zeit naeh, vorangegangen sein diirfte. Seine Gruppen, deren er eine Menge eigenh~indig aufgestellt hat~ reissen dureh Naturwahrheit und tiefempfundene Autt'assung hin. Ieh nenne yon ihnen nur folgende: Waehteln mit ihren Jungen. Ein Rebhuhnpaar yon einem Wiesel angefallen. Viele Staare auf einem beginnender Verwesung verfallnem Bockskopfe. Pirole und Rosenstaare (Pastor roseus). Nestgruppe yon zwei seltenen, nahe an der Erde brUtenden RohrvOgelr~: Emberiza palnstris und Parus biarmicus. Sumpfseene mit Fri~sehen und Baehstelzen. Ein vom Speer durehbohr.- ter Eber, der einem Hunde den Baueh aufgesehlitzt hat. Der Hund aus den Abruzzen: einen Wolf erwtirgend. Spielende~ junge FUchse etc.

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,rich sah das Alles im Freien," sagte mir Paolo Savi mit der an- spruehslosesten Miene yon der Welt. c' ,,Ja, mein Bruder arbeitet gut,

fUgte Pietro, der Botan.iker~ hinzu und was er sehreibt, sehreibt er mit dem Herzen."

Das Museum yon Pisa ist wichtig fi]r europaische Ornithologie und dutch Saris unausgesetzte Bemtihungen namentlieh mit italienischen Arten

reich ausgestattet. In seinem Arbeitszimmer, wo eben seltene B~ilge aus

Passerinis Nachlass ausgepackt wurden, sah ieh ganz frisch einen in den Maremmen erlegten herrlichen Flamingo; ausserdem aber noeh, was das Merkwtirdigste, zwei ebenfalls in diesem Herbst erst gesehossene

VOgel, welche die 0rnis Europas um ebensoviel neue Arten bereichern. Sie standen noeh unbestimmt da. In dem einen erkannte ich augenblicklieh das Jugendkleid yon Porphyrio Alleni Thoms., w~ihrend sich der andre yon dem ieh eine genaue Beschreibung und dieMaasse nahm, bei mei- ner Rtickkehr nach Berlin als Cuculus erythrophthalmus Wils. heraus- stellte. Also ein tropisch afrikanischer und ein nordamerikanischer Vogel" beide 1857 bei Lucca erlegt und an Savi im Fleische einge- sandt! Der Kuekuk ein Seitenstiick zu dem mehrfach auf den britischen lnseln vorgekommene Cuculus americanus; Aliens Sultanshuhn wohl dazu geeignet das sehon yon Vernon-Harcourt behauptete, seitdem aber

bezweifelte Vorkommen der gleichen Art auf Madeira zu besttitigen ~').

In Florenz, Genua u. a. italienischen Stadten bemerkte ich im Herbst und Winter schlagende Finken (F. coelebs) die in Ktifigen vor den Fenstern hingen. Es sind arme Geblendete, die nun die Jahres zeiten nicht mehr zu unterscheiden wissen.

Von Savi erfuhr ich, es befinde sich in Pisa eine, seit ftinfJahren gefangen gehaltene. Ft. inter/a, die in der F~irbung mehrfach variirt habe, seit der letzten Mauser aber unten ganz schwarz geworden sei. Leider konnte ich, wegen zeitweiliger Entfernung des Besitzers, den seltnen ,,Ungewissen" nicht zu Gesicht bekommen, was mir tiusserst erwtinscht gewesen ware. A!s ich Savi die neuerdings aufgestellte Ansicht Jau-

berts Betreffs des Einerleiseins von incerta und erythrina mittheilte,

die ihm neu war, ~prach er sich augenblicklich, fast mit Heftigkeit, dagegen aus.

Im botanischen Garten yon Pisa, den, nebst sehr vielem anderem Merkwtirdigen im freien Lande, zwei riesenhafte B~iume, eine Ceder vom Libanon und eine Magnolia grandiflora, beide in demselben Jahr~

*) Auf Povphgrio .4l/eni in nicht ausgef~irbtem Kleide bin ich jetzt auch geneigt, die Angahe yon einem ~iusserst langzehigen unbel~a,~nten Wasserhuhn zu beziehen~ welches in Teneriffa lebend gefangen worden ist,

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ich glaube 1780, geflanzt, zieren und in den der .weltberiihmte schiefe Thurm hineinschaut, sah ich ~ ein wirklich iiberraschendes Schauspiei - - purpurbriistige Dompfaffen, die im Winter yore Appennin in die Ebnen hinabzusteigen pflegen, dutch gleichfalls rothblilhende Camelien- gebiische schliipfen. Aus der Ferne blieb unentschieden, was Blume, was Vogel sei. Auch beobachtete ich daselbst mehre Beutelmeisen, die innerhalb des Gartens allj~ihrlich nisten. Im Pisaner Museum hatte ich unmittelbar vorher drei Nester dieses kunstfertigen Thierchens gesehen, yon welchen jedes, je nach den Umst/iuden, aus verschiedenen Stolt'en m Wolle, Pappelwolle, Nesselfasern - - einzig und allein gewebt war.

Die Herren Savi hatten die Freundlichkeit, - - obwohl Signor Paolo noch Reconvalescent yon einem kaum beseitigten Augenleiden war, --- mir eine gemeinschaftlich zu unternehmende botanisch-ornithologische Exkursion vorzuschlagen. Leider vereitelte anhaltendes Regenwetter diesen far reich vielversprechenden Plan. Ich war gen0thigt per Eisen- bahn nach Florenz zuriickzukehren.

I(urze Zeit darauf, sah ich, auf dem Heimwege begriffen, Pisas Rivalin, die alte Universit~itsstadt Bologna, wo ich den Nestor der ita- lienischen Pflanzenkunde, den mehr als 80j~ihrigen, immer noch hochst riistigen Bertoloni kennen lernte. In Abwesenheit des Zooiogen, Herrn Bianconi, machte mir Professor Giuseppe Bertoloni, des Obengenannten Sohn, mit der h0chsten Zuvorkommenheit und anerkennenswerther Sach- kenntniss die Honneurs des zoologischen Museums. Dasselbe ist wtch- rig durch eine schOne und in ihrer Art einzige Sammlung yon Mozam- bik-Vi]geln, fiber welche Herr Professor Bianconi eine Schrift ver- Offentlicht hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Am Tage vor Weihnachten 1~157 war ich wieder in Berlin.

If. Bregenz, im Aug,,.~t 18.~8.

Statt unsres beabsichtigten Taunus-Ausfluges theilhaftig zu werden oder mit lhnen und unsrem Mainzer Weltumsegler den Lennaberg zu besteigen, sitze ich nun, ganz unerwartet, seit einer halben Woche in Bregenz und hOre das ,,Meer yon Schwaben" zu meinen Fiissen pldt- schern. Schwerlich giebt's irgendwo in unserm Vate,'lande einen lieb- licheren Erdwinkel als die Umgegend dieses schmucken St~idtchens, das der Bodensee besptilt, dem die Appenzeller Aipen ins Fenster schauen. Die werde ich leider in diesem Sommer nicht besteigen] auch nicht den ,,Bregenzer Wald" durchwandern, der, an manchen Stellen fast undurchdringlich, noch Quadratmeilen gross den Riicken des Vorarlberger

Hochgebirgs bedecken soil. Ich begniige mich mit kleinen Spazier-

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g~ingen ringsum die Stadt. Wenn ich den Gebhardsberff, die Fluh und den Berg Isel nenne, so spreche ich Namen aus, die Jedem der die Orte betrat, eine unaasl5schliche Erinnerung hinterlassen mUssen. Was VOgel betrifft, erkundigte ich mich bei dem Lohnbedienten im sehr zu empfehlenden ~,0estreicher Hof" nach einem Manne, der sich mit der- gleichen abgebe. Dieser wies reich an JosefAnton lsely, Regenschirm- macher yon Profession, Kirchgasse :Nr. 294, einen sehr eifrigen Vogel- ztichter und F~inger~ dessen Adresse ich hersetze, well Sie ihn auf- suchen miissen, sobald Sie einmal nach Bregenz kommen. Ich verdanke ihm einige Aufschltisse aber in der 6egend vorkommende Arten. Im Winter sollen WasservOgel genug, darunter seltene Nordlandsg/iste, auf dem See liegen. Weil sie sich jedoch meist welt vom Ufer ab halten, werden sie wenig beunruhigt. Desto eifriger wird, da die Jagderlaub- niss leicht und billig zu erhalten ist, auf dem Lande weggeschossen, namentlich, was den in Bregenz in Garnison liegenden Tyroler J~igern yon V0geln vor den Stutzen kommt. Im Bregenzer Walde und an seinen R~indern lebt das Haselhuhn ziemlich h~iufig. Ich babe selbst ein dort Geschossenes gekauft; were danach verlangt, der kann yon diesem ausserordentlich feinen Wildpret Viele bekommen. Das herrliche Rhein- thai und die hOchst bus chreichen Ufer der Bregenzer Ach, eines reis- senden Bergstroms, sind zur Zugzeit ungemein vogelreich. Sie scheinen eine der grossen Heerstrassen deutscher WandervOgel, dem Siiden zu und aus demselben zuriick zu bilden. Hier h0rt]man im Friihling manch- real die Nachtigall, die um Bregenz nicht briitet. Der Girlitz ist eine durchaus nicht ungew~hnliche Erscheinung; der Citronfink aber zeigt sich erst yore Oktober an, den Winter hindurch, in Menge und wird viel gefangen. Vor fiinf bis sechs Jahren sind zum letzten Male die Kreuzschn~ibel schaarenweis in den Tannenw~ildern Vorarlbergs gewesen. Das Seltsamste abet ist, dass sich in strengen Wintern yon Zeit zu Zeit ein Vogel sehen lassen soil, dessen Schilderung ich auf keinen der mir

~Bekannten zu deuten weiss- ein Fink, yon der GrOsse des Buchfinks etwa, gran am ganzen If0rper mit vier weissen Federn in jedem FlUgel. Man soil ihn an den kiesigen Ufern der B~iche antreffen.

Ich bin nicht sanguinisch genug, auf diese rage Angabe eines schlichten, aber~ wie ich glaube, wahrheitliebendenMannes, mehr als die Vermuthung zu griinden, es kOnnten vielleicht die Alpen (Tyrol ist wenig durchforscht) oder der hohe Norden uns noch unbekannte VOgel vor- e n t h a l t e n . - ? - -

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Ill. Mailafld, i,n August 1858.

Wer kennt nicht, set es auch nur aus Beschreibungen, die Borro- m~iischen Inseln im sch6nen Lago-Maggiore? Nicht Viele aber werden wissen, dass daselbst die Naturalisation eines Europa urspriinglich frem- den Vogels zur vollendeten Thatsache geworden ist. Als-ich den Palast des Ftirsten durchschritten und an all den wunderlichen Bildwerken der Terrassen, welche die Zei t geschw~irzt und zum Theil verstiimmelt, siimmtlich aber ins Reich des Ungeschmacks geworfen hat, voriiber, durch die tausend bliihenden Gewlichse gleichsam eines Treibhauses im Freien, auf die untere Plattform des Gartens trat, we kolossale Wey- mouthskiefern ihren Schatten werfen, schlugen unerwartet die wohlbe- kannten T0nen der Lachtaube, vielstimmig, an mein Ohr. Ich frug nach der Voliere. Der mich begleitende Giirtner deutete nach oben und bald sah ich die Tiiubchen in yeller Ungebundenheit sich yon Zweig zu Zweig schwingen oder raschen Flugs zwischen den Stfimmen hingleiten. Man kann sich einen Park nicht freundlicher belebt denken, als durch (iiese zierlichen isabellgrauen Tauben mit dem schwarzen Halsband' und dem bald ziirtlich girrenden, bald koboldartig lachenden Rule. Um sie an den err zu fesseln, wirft man ihaen tfiglich ein Paar Hfinde veil Futter hin. Noch viel hfiufiger, in wirklich grosset Menge vorhanden, sind sie auf der benachbarten Isola Madre, die, im Gegensatz zu der mehr ge- kiinstelten Isola Bella, einen unbeschreiblich anmuthigen und tippigen, wilden Park immergrtiner Biiume und Striiucher bildet. Ich sah sie deft zu zwanzigen und mehren auf den Araukarien und andern fremden Coniferen ganz still sitzen und sich eines warmen Staubregens in den zierlichsten Gruppen erfi'euen. Die Lachtauben bauen ihre Nester meist auf Nadelbiiume, stud sehr zahm und zutraulich~ obgleich sie sich, das ganze Jahr durch unter freiem Himmel bleibeud, vollkommen so n~ihren, und ganz so leben, wie es wilde VOgel thun. Ich bin iiberzeugt, dass .sie sich -- bet geh6rigem Schutz gegen die Winterkiilte - - auch bet uns mit Leichtigkeit in grosse Gfirten gewijhnen ]iessen; eine reizende Staffage ftir dieselben abgeben und darin unendlich mehr Vergniigen, als eingesperrt, wie man sie zu halten pfiegt~ gewiihren wi~rden.

Man trifft iibrigens in Ilalien, bis Triest, bin .und wieder auch die weisse Spielart yon Columba risoria, die in Deutschland so ungemein selten i s t . - Die Isola Madre ist ausserdem noch yon ether Menge Fasanen (Colchicus) bev/Jlkert: daneben yon Perlhtihnern und Cochin- chinas. Ungewiihnlich grosse Tauben sah ich daselbst in offenen, grot-

teniihnlichen Rfiumen~ die dem F edervieh bet schlechter Witterung Schutz

gewiihren, am Boden briiten.

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Der Vogelmarkt yon Mailand gruppirt sich um eine Faqade des weltberUkmten Domes. Dort findet man 6 - - 7 reich besetzte St~inde, die keinen tiblen Bliek in die Ornis der Lombardei gestatten. Was ich urn die jetzige Jahreszeit antraf, waren- sehr viele Ortolane, Steindros- seln, eine junge Blaudrossel, yon Grasmiicken unsre n0rdlichen, zumal die ihres Gesanges wegen iiberall am meisten geschiitzten: atricapilla und hortensis, Naehtigallen und vieles Andre. Aueh hier sehmetterten blinde Finken ihr Lied, als w/ire es Frtihling: ein Genuss, den ieh doch uila den Preis der Grausamkeit nicht erkaufen m0chte. Gefesselt und mit der Gefangensehaft versOhnt, sass das i(iiuzchen auf seiner Stange; neben ihm, ebenfalls gebunden, stand auf den Bauern andrer VOgel bunt- . farbiges Gefliigel: Pfauen, Perlhtihner u. s. w. In kleinenDrathkiifichen sassen gleichfalls gebler, dete eisalpinisehe Sperlinge: wohl Lockv0gel. Die Exoten waren dureh Papageien, durch den getiegerten Bengalisten und den BIuthals vertreten. Als Beweis aber, dass hier die Vogellieb- haberei denselben hohen Grad wie in Berlin erreicht habe und eben- falls Absonderliches seine Kfiufer finde~ prlisentirte sich mit eingezoge- nero Halse auf einer Sprosse kauernd eine Rohrdommel der kleinen Art (Ardea minuta).

IV. Prag , lien I 1. September 1858.

Sie werden mit Reeht sagen, ich sei~ wie der Rabbi Benjamin von Tudela, der auf seinen Reisen nur Juden und Judengenossen erbliekte; so sehe ieh nur VOgel und rede yon niehts Anderem.

Die Sehuld liegt an lhnen. Man finder for ornithologisehe Kleinig- keiten weder alle Tage einen so liebenswiirdigen und geduldigen H;3rer, noch einen der dureh eignes Wissen die Ltieken besser auszutiillen verst~inde.

Erinnern Sie sieh des Gespr~ichs, welches wir in Frankfurt mit ihrem Freunde, dem jungen Milit~ir batten, der Tags darauf naeh BOhmen ab- reisen wollte? Monate lang hatte er auf dem Lido in Garnison gelegen und, wie einem Verbannten auf jener Sandinsel, war ibm yon der Herr- liehkeit der Lagunenstadt wenig zu Gesicht gekommen. Dieser junge Ornithologe erz~ihlte ja aueh damals yon einem Vogelstande, auf dem Markte hinter Rialto, dem einzigen, den er in Venedig kennen gelernt. Dieser Stand, den ich frtiher scbon einmal gesehen, ist noeh vorhanden. Ihnen zu Nutz und Frommen, will ieh den Ort n~iher bezeiehnen: Campo delle Beeearie, am Eingange der Gefliigel-Halle. Ein anderer Verkauf existirt an der Fundamenta dell' Osmarino. An beiden Stellen sah ieh niehts Auffallendes. Wohl aber sieht man bisweilen auf dem

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Marcusplatze, wo mit Allem nur M0glichen gehandelt wird, seltene VOgel ambulirend feiibieten, z B. junge Blaudrosseln (Passere solitarieS) yon Friauler Bauern umhergetragen und zu sechs Zwanzigern das Stuck verkauft.

Man muss den Venetianern die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass sie grosse Liebhaber yon Stubenv0geln sind und dieselben trefflich zu behandeln wissen. Von der Natur wie abgeschnitten, zwischen Mar- mor und Wasser lebend, gefallen sie sich darin, ihre Fenster und Bal- kons mit all den lieblichen S~ngern anzuffillen, die im grossen Concert von Wald und Flur eine Rolle spielen. Als Griechenland und die Inseln des Mittelmeeres noch der Republik gehorchten, mag die Biilbiil des Orients in den Paliisten der Nobili gefl0tet haben; jetzt werden, ausser dem in ganz Italien beliebten Canarienvogel, der Staar, die Amsel, die Steindrossel, Lerche und Nachtigall am h~ufigsten gepflegt; die Nachtigall zumal, welche der vogelliebenden Georges Sand in ihren Lettres d'un voyageur ein Paar schOne Zeilen eingegeben hat:

~,Du hast keine Ahnung davon, Freund, was Venedig ist! Es ~rug noch Wintertrauer, als Du seine alien Pfeiler yon griechischem Marmor sahst und ihre Form und Farbe mit bleichenden Gebeinen verglichst. Jetzt hat der Friihling es wie mit smaragdenem Staube angeweht. Die Grundvesten der Pal~iste, an denen die Austern zwischen den Algen kleben, bedecken sich mit hellgr~inem Seemoos, und die Gondeln gleiten wie zwischen zwei Teppichen yon grUnem Sammet hin, in denen das Pl~tschern der Fluth, zugleich mit dem Schaum des Kielwassers ver- klingt und erstirbt. Alle Balkons stehen roller Blumenvasen und die Blumen Venedigs, aus warmem Schlamm hervorgewachsen, im feuchten Lufthauche erbltiht, besitzen eine Frische, einen Schmelz der Ke]che, man mOchte sagen so schmachtende Attitiiden, dass sie den Frauen dieses Himmelstrichs gleichen, deren Sch0nheit eb~n so glfinzend und voriiberg'ehend wie die ihrige ist. Gefiillte Brombeerranken klettern an den S~iulen empor und hfingen Guirlanden kleiner weisser Rosen- blfithen an die geschwiirzten Arabesken der Balkons. Die vanilleduf- tende Schwertlilie, die persische Tulpe, deren so rein weiss und roth gestreifte Blumenblfitter aus dem Stoff gewebt scheinen, in den sich die alten Venetianer kleideten, die Rosen Griechenlands und ganze Py- ramiden gigantischer Campanulas entsteigen den das Gel~inder schmiik- kenden T0pfen. Bisweilen iJberdacht eine Lanbe granatfarbigen Capri- foliums einen Balkon und zwei oder drei grfine Bauer, im Laub ver- steckt, beherbergen Nachtigallen, welche Tag und Nacht wie im Freien schlagen. Diese grosse Anzahl zahmer Nachtigallen ist ein Venedig

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eigenthiimlicher Luxus. Die Damen besitzen ein besonderes Talent, die Erziehung dieser gefangenen S~inger zu leiten, sic wissen durch alle nur erdenklichen Leckerbissen und gute Pflege ihnen die Lange- weile des K~figs zu versiissen. Nachts locken und antworten die Nach- tigallen einander fiber die Can~ile hinweg. Wenn eine Serenade vor- iibergleitet~ so schweigen sic und horchen. Ist sic vorbei, so beginnen sic aut's Neue mit ihrem Schlage und scheinen bemiiht zu sein, die vernommenen Melodien noch zu fibertreffen."

Die Tauben von S. Marco darf ich nicht mit Stillschweigen iiber- gehen. Wie ein 0brig gebliebenes Symbol vergangener GriJsse bevOl- kern sic noch jetzt den Marcusplatz, die Piazetta und die Riva dei Schiavoni; geringer an Zahl, auch manche Theile der inneren Stadt, namentlich die Nachbarschaft der Rialtobriicke. Obwohl Jahrhunderte lang in unangetasteter Freiheit lebend, ist es doch nicht der Urtypus tier wilden Taul)e, welchen die von S. Marco, das gehiitschelte Schooss- kind des alten Venedigs, uns darbietet. Die Felsentaube Livia kann nicht urspriinglich auf den Schlammbiinken der Lagunen gewohnt haben; der Mensch musste erst den Marmor zu felsiihnlichen Pal~isten aufthiir- men, ehe ein schon an ihn gewt}hntes Geschlecht seinen Einzug halten konnte. Die jetzt vorherrschende Farbe ist ein mattes Schieferschwarz, das keine dunkleren Querbinden der FliJgel sichtbar werden I~isst, an Schwingen und Schwanz aber am meisten zu eigentlichem Schwarz wird. Die Unterseite ist heligrau, die Deckfedern der Fliigel aschgrau und schw~irzlich melirt; der Biirzel, statt rein weiss zu sein, ist bl~iulich- aschgrau und zeigt nur hoch obeu, wo er an den Rticken grenzt, bei einer gewissen Anzahl yon hldividuen einen kleinen weissen Fleck, der allein bei entfalteten Flt~geln sichtbar wird.'~) Weisse Tauben sah ich nicht darunter, wohl aber eine kleine Zahl hellkupferfarbener, die mit schiefergrauen gepaart mitunler ein aus beiden Farben gemischtes Fe- derkleid erzeugen.

Es ist nicht historisch begriindet, dass der heilige Marcus, obwohl er ihnen jetzt seine Kirche zur Hauptresidenz tiberl~isst, selbst Tauben- liebhaber gewesen. Der Ursprung dieser gefiedcrten Giiste Venedigs ist der Sage nach ein viel sp~iterer. Als im 13. Jahrhundert der Doge Dandolo eine Feste in Creta belagerte, an deren Besitz der Republik

~) Die ]ichtgraue Farbe des Biirzels ntihert die Taube yon S. Marco der egyptischen Felstaube (C. glaueonotus A. Brehm~) yon welcher ihre kandioti- schen Voreltern nicht allzufern gelebt haben; andererseits stimmt sic durch eben dies Merkmal in etwas rail dem Piccion torrajolo, dem Feldflfichter Toscana's iiberein, dessen Abstammung yon der ~ichten weissriickigen Li'via Savi bezweife|t.

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viel gelegen war, ward endlieh die Uebergabe dureh zwisehen Stadt und Lager hin und herfliegende Brieftauben bewerkstelligt. Diese sehiekte der triumphirende Feldherr naeh Venedig und der - - aueh gegen Thiere - - dankbare Senat, besehloss, sie in Freiheit zu setzen und ihren Nachkommen Schutz und Sicherheit, so wie eine jiihrliche Summe zum Unterhalt zu gewiihren.

Sie haben seitdem viel Grosses und viel Tragisehes gesehen! Jetzt werden sie nur noch aus Privatwohlthiitigkeit geftittert; aus

alter Liebe und yon der 0ffentliehen Meinung gesehiitzt. Diese war aueh Ursaehe, dass sie die drangsalsvolle, mit Hungersnoth gepaarte Zeit der letzten Belagerung der Stadt nach 1848 iiberdauerten. Jeden Naehmittag zur festgesetzten Stunde rausehen noch heute ihre Fittige fiber den Mareusplatz, wie draussen auf dem atlantischen Meere die Sturmtaucher fiber eine Deserta-Insel. Sie umhiillen dann die gerade Spazierenden gleieh einer Wolke und fliegen ihnen dicht am Gesicht vortiber, um sich am Ftitterungsplatze zu einer Art Kntiuel zusam- menzuballen. Wer will, kann sie Ubrigens zu jeder Stunde des Tages zahlreich um sieh versammeln. Die Kinder kehren ihre Tasehen fiir sie urn. Meine Mutter und ich - - und das thun viele Forasti oder Fremde - - wir standen nie vom Tisch auf, ohne Brod ftir die Tauben einzustecl<en. Uebrigens hat die Nothwendigkeit sie omnivor gemacht. Die Giardini publiei sind der einzige Oft, wo sie im Griinen nach na- turgemiissem Futter suchen k0nnen. Sonst verschlucken sie, was sie Geniessbares auf dem Trottoir finden: Brodkrumen, die yon ziemlicher Gri~sse hinuntergewtirgt werden, Obst, selbst animalische l(ost, wie Rudera yon Wtirsten etc., vorztiglieh abet kleine Sehalenstiieke der im Herbst so allgemein genossenen Wassermelonen. Zum Trinken sind ftir sie, da die Lagunen salzig sind, im Hof des Dogenpalastes am Fusse der zwei Bronze-Cisternen, welehe dessen Mitte einnehmen, runde H6hlungen in die Marmorquadern gehauen, welche regelmfissig yon den Wassertr~igerinnen gefiillt werden und zu denen die Tauben fliegen, um ihren Durst zu lOschen und sich zu baden. Wenn die Morgensonne zur Winterszeit die Eiszapfen des Marcusplatzes schmilzt, baden sie sieh auch wohl mit gestr~iubtem Gefieder in den dadurch entstehenden Wasseransammlungen. Sie nisten in den Nischen der Geb~iude, Vom Piepen der Jungen geleitet land ich eine Menge Nester auf den Vor- sprfingen der Capittiler unter den Procuratien. Viele Geb~iude, vor- ziiglich die vergitterten Fenster der Geftingnisse neben dem Dogenpalast sind mit Taubenguano fusshoeh inerustirt. Die Mareusl<irehe wiirde

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~ihnlich aussehen, wenn nicht dazu bestellte Leute t~iglich mit langen Besen alles Erreichbare reinfegten.

Das Benehmen dieser Tauben ist eine merkwiirdige Mischung yon Zahmheit und Schtichternheit. Ueberall sp~ihen sie naeh Futter umher. Es ist zum Lachen, wenn man vor einem Kaffcehause, sein Glas Eis schliirfend, mit einem Zeitungsblatt in der Hand sitzt und auf einmal die Gardine, die vor den Stuhlreihen auf das Strassenpflaster niederwallt, von einem Taubenk~pfchen leise bei Seite gesehoben wird. Findet dies die Sitze nicht stark frequentivt, so sind bald eine oder mehrere Tauben unter den Tischen mit Fouragiren besch~iftigt. Sogar dem Vet- deck vor Anker liegender Sehiffe statten sie ' derartigen Besuch ab.

Alles zerstob; doch nisten die Tauben des heiligen Marcus Wie in des Freistaats Zeit fiber dem Dogenpalast, Picken vom Platz ihr Futter, wie sonst, um die Stunde des Mittags Wandeln, wie sonst, furehtlos zwisehen den S~iulen umber. Zwar es ern/ihrt sie der S/aat nieht mehr; doch milde Besehiitzer N~ihren sie jetzt und es diinkt ihnen Venedig wie sonst!

(Platen.) . . • • . t , • . , , • . • . . , , , , • . , • • . •

Triest, dies dem Orient zugewandle Wasserthor Deutschlands, hat seinen Vogelmarkt auf der Piazza grande unmittelbar am Hafen, wo der fremde Liebhaber wenigstens vier Stfinde finden wird und am besten thut, sich an Giuseppe Pellegrini zu wenden. Einrichtungen und Sprache sind italienisch. Es werden hi, here Preise als irgendwo gefordert, aber man l~isst mit sich handeln. Dies ist alas Land der Steindrosseln. Es sind ihrer stets eine Menge meist jung" aufgefUtterter auf dem Platze. Codirosso di montagna, Steinr0thling, ist ihr Name. Ich kaufte far 4 ft. ein wun- derbar zahmes Junges, noch im Nestkleide, das w~ihrend tier Reise bereits unermtidlich im Singen gewesen ist. Etwas seltner sind die noch mehr geschfitzten, obwohl nicht gerade besser singenden Blau- drosseln, welche Passera solitaria, einsamer Spatz, heissen. Es wur- den 15 ft. fur schOn au~gef~irbte Alte gefordert und ich glaube nicht, dass man sie unter 10 fl. losschl~igt. Einen Ortolankt~nig (Ortolano regio, Emberi~a melanocephala) zu acquiriren, verhinderte reich die schon festgesetzte Abreise, vor welcher er nicht mehr herbeigesehafft werden konnte. Drei bis vier Gulden sollte tier Preis sein. Dagegen kam ich in den Besitz eines ,bravo uecello", wie die Verk~iuferin sagte, eines Orpheuss~ingers, den sie bier Marattola nennen. Eins fehlte zuf~illig, wonach ich frug" Calanderlerehen, welche aus tier Gegend yon

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Pola in Istrien geschickt und als untibertreffliche Siinger zu dem hohen Preise yon | 5 - - 2 0 ft. verkauft werden. Man htite sich aber, etwa aus :der Ferne her in Triest ,,Calandra's ~ zu bestellen, man w0rde theuere Feldlerchen erhalten; denn nut diese gehen dort unter dem Namen. Der yon Alauda Calandra selbst ist: Calandron.---Alondra's aber, schlechtweg Lerchen, sind die Haubenlerchen, ftir die man in Triest dieselbe Liebhaberei zu haben scheint, welche in Mainz for Gartengras- m0cken herrsch~. • Sonst sieht man auf dem Triesler ¥ogehnarkt eine grosse Anzahl einheimischer VOgel, darunter sehr sch0n gelbe Girlitze, im Winter auch Dompfaffen und Kreuzschniibel in Menge; yon Ausliin- dern ausser Papageien und Reisv0geln wenig oder nichts. Der zahme Kauz darf, wie iiberall in Italien, natiirlich auch hier nie fehlen; jede welsche Vogelhiindlerin ist eine Pallas Athene, die ihn hie yon ihrer Seite liisst. Wet weiss tibrigens, ob die G0ttin der Weisheit und Ar- tillerie sich einst ihre Eule nicht zu demselben Zwecke hielt[

Ich will zum Schluss noch ,ein Paar Worte tiber eine italische Fiitterungsmethode for lnsectenfresser sagen, weft dieselbe den Trans- port zarterer VOgel ungemein erleichtert, ja ihn bei Mangel an Amei- seneiern ailein m0glich macht. Dies Futter besteht in.feingemahlenem gelhen Maismehl (Farina gialla,) welches trocken gcreicht und yon sehr vielen Arten gem gefressen wird. A uf die Liinge m0chte ich solche rein vegetabile Diiit allerdings nicht empfehlen; for unterwegs befindliche Stubenv0gel ist es jedoch eine eben so gen0gende als in einem S~ickchen leicht bei sich zu f0hrende Speise. In Triest vermischt man die Farina gialla mit ,~Bigado ~', so heisst ein Pulver aus ged0rrten Seidenraupen-Coccons, welches in kleinen T0nnchen bei den Vogelhiind- lern zum Verkauf steht. Dies fressen die Wurmv0gel leidenschaftlich gern. Es hat nur den einen Uebelstand, nicht gerade wohlriechend zu s e i n . - Ausserdem werden auf den Stiinden auch in PapiertOten ab- gez~ihlte Mehlwiirmer und grosse Kuchen ~'erkauft, die im Aussehen schwarzer Seife gleichen, aber aus Vogelleim bestehen, der, wie man versichert, in Illyrien aus der Rinde der Stechpalme bereitet wird.

Wer nach Wien kommt und Ornitholog ist, darf die Papageien- handlung des Johann Schneider in der Leopoldstadt nicht unbesucht lassen. Auch dort ist man sicher sehr sch0ne, meist yon Schaeeberg in Ober0sterreich stammende Steindrosseln zu finden.

Nicht minder verbreitet ist dieser herrliche Vogel, ein Luxus mit gel~iutertem Geschmack begabter Liebhaber, hier in B0hmens Hauptstadt, w0hin man ihn aus Ungarn bringt und zu etwa 7 ft. das StOck v e t -

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kauft. Prag hat seine Vogelliiden am Thore, welches der Pulverthurm

heisst und in der Briickengasse der Kleinseite. Morgen denke ich wieder in Berlin zu sein. - - Leben sie wohl,

werther Freund, und pfiegen sie unter dem Gerliusch der Waffen die

das Leben erheiternde Wissenschaft.

Bliittcr aus meincm ornithologischcn Tagebuche. Yon

Dr. A. E. Brehm.

(Schluss; s. S. 400--410.)

Am |8 . J a n u a r . Der Wald, in welchem ich heute jagte, hatte ganz das A ussehen eines Herbstwa]des in Deutschland, weii die Nomaden die ihn umgebende Steppe in Brand gesteckt hatten, und er durch das brennencle Gras und Unterholz sehr gelitten und fast alle Bliitter ver- loren hatte. Einzelne Striiuche bltiheten zwar bereits wieder, abet die fiiichtige Schaar seiner gefiederten Bewohner war griisstentheils ausge- wandert. Ich sah nur gewOhnliche und bekannte Sachen, ausgenommen einen grossen Adler mit dunkler Oberseite und Oberbrust und ziemlich weissem Bauche, welchen ich nicht kannte. ¢") T o mb o I d o hatte hier, zwischen dem zw01ften und dreizehnten Grade n/JrdI. Br. einen Falco peregrinus geschossen.

Auf der Nachmittagsfahrt wurden auf einer Insel so viele Rauh- und Sumpfv0gel bemerkt, dass wit an ihr landen und dort Hiitten bauen wollen. Ich schoss vergeblich auf den Gauk le r und mehrere P f a u e n - k r a n i c h e . - -

Abends erscheint eine Heerde yon P a v i a n e n am Strome um zu trinken.

Die Hiittenjagd fiel am folgenden.Tage durch T o m b o l d o ' s Un- geschick schlecht aus; es wurden blos wenige V.6gel dabei erlegt. Die Ursache der ziemlich zahlreichen Versammlung war wieder ein Bruch, welchen wir bald auffanden. Doch gab es a m Regenteiche se!bst

weniger VOgel , als am Flusse, wesshalb wit bald weiter reisen. In - terressant war es mir im Rohre einem seltneren Wintergaste zu begegnen;

der Calamoherpe turdoides.

~) Es war ein Weibchen yon Circa~'tos brachydaclylos; aber ich war durch die ungleich hiiufigere Erscheinung des Circae'losoricnlalis nob. so verw6hnt worden, dass ich den europiiischen Schlangenadler nicht mehr kannte. }lan sieht daraus wie selLen einer dieser VOgel imSudahn vorkommt.

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