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Zurück im Leben. Kurt Felix am Weiher in Wil SG. Paola, 52, wich in den letzten Monaten nicht von seiner Seite. Sie sagt: «Ich fühlte mich hilflos. Kurt tat mir so Leid. Unendlich Leid.» Vier Chemotherapien, zweimal den Brustkorb geöffnet – Kurt Felix, 62, hat die schlimmsten Monate seines Lebens hinter sich. Jetzt redet der TV-Profi zum ersten Mal über seinen Kampf gegen den Krebs. Es ist sein wohl eindrücklichstes Interview. «Es zog mir den B oden total weg» Kurt Felix über seinen Kampf gegen den Krebs. Das Exklusiv-Interview «Es zog mir den B oden total weg» Vier Chemotherapien, zweimal den Brustkorb geöffnet – Kurt Felix, 62, hat die schlimmsten Monate seines Lebens hinter sich. Jetzt redet der TV-Profi zum ersten Mal über seinen Kampf gegen den Krebs. Es ist sein wohl eindrücklichstes Interview.

Brustkorb geöffnet – Kurt Felix, 62, schlimmsten Monate ... · Zurück im Leben. Kurt Felix am Weiher in Wil SG. Paola, 52, wich in den letzten Monaten nicht von seiner Seite

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Page 1: Brustkorb geöffnet – Kurt Felix, 62, schlimmsten Monate ... · Zurück im Leben. Kurt Felix am Weiher in Wil SG. Paola, 52, wich in den letzten Monaten nicht von seiner Seite

Zurück im Leben. KurtFelix am Weiher in Wil SG. Paola, 52, wich in den letztenMonaten nicht von seiner Seite. Sie sagt:«Ich fühlte mich hilflos.Kurt tat mir so Leid.Unendlich Leid.»

Vier Chemotherapien, zweimal denBrustkorb geöffnet – Kurt Felix, 62,hat die schlimmsten Monate seinesLebens hinter sich. Jetzt redet der TV-Profi zum ersten Mal über seinenKampf gegen den Krebs. Es ist sein wohl eindrücklichstes Interview.

«Es zog mir den B oden total weg»Kurt Felix über seinen Kampf gegen den Krebs. Das Exklusiv-Interview

«Es zog mir den B oden total weg»

Vier Chemotherapien, zweimal denBrustkorb geöffnet – Kurt Felix, 62,hat die schlimmsten Monate seinesLebens hinter sich. Jetzt redet der TV-Profi zum ersten Mal über seinenKampf gegen den Krebs. Es ist sein wohl eindrücklichstes Interview.

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SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 1918 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE

24. Januar: DerHausarzt entdeckt perZufall den tennisball-grossen Tumor. EinThymom. Noch istunklar, ob es sich umKrebs handelt.11. Februar: ErsteOperation. Thorax-öffnung und Gewebe-probe-Entnahme durchProf. Dr. Walter Wederam Unispital Zürich.Diagnose: Der Tumorist bösartig, im fortge-schrittenen Stadium.5. März bis 7. Mai.Chemotherapien imKantonsspital St. Gal-len durch Prof. Dr.Thomas Cerny. Alledrei Wochen ein The-rapie-Zyklus à dreiTage. Insgesamt sindes vier Zyklen. 16. April: CT (Compu-ter-Tomografie). ErsterErfolg: Der Tumor hatsich nach zwei Chemo-therapien um 50 Pro-zent zurückgebildet. 21. Mai: Wieder CT.Nach der vierten Che-motherapie hat sichder Tumor um 75 Pro-zent zurückgebildet. 5. Juni: Zweite Ope-ration. In einer fünf-stündigen Operationwird der noch golfball-grosse Tumor entfernt.

SECHSMONATEKAMPF UMSÜBERLEBEN

«Es besteht das Risiko,dass mich der Krebswieder einholt»

Dankbarkeit.

Kurt Felix: «In Wilwurde ich gebo-ren. Hier werdeich jetzt wieder-geboren.» Für diegrauen, kurzenHaare bekommter viele Kompli-mente. Kurt: «Ichwerde die neueFrisur behalten.»

Von Marc Walder und

Susanne Timm mit Fotos von

Kurt Reichenbach

Seine Haare sind noch kurz.Und grau meliert. Aber dieFarbe ist zurück in seinemGesicht. Und die rundenBäckchen, die diesen ty-pischen Kurt-Felix-Schalkausmachen, sind auch wie-

der da. Trotzdem wirkt er verän-dert. Ist es der Ausdruck in seinenAugen?

«Kurt Felix hat Krebs!» DieseNachricht schockiert am 28. Febru-ar die Schweiz. Bei einer Routine-untersuchung entdeckt sein Haus-arzt einen tennisballgrossen Tumorim Brustkorb. Zwischen Herz undLunge. Ein Thymom. «Es kam ausheiterem Himmel. Ich ging als ver-meintlich gesunder Mann zur Un-tersuchung – und ich kehrte als tod-kranker Mann wieder heim», sagteKurt Felix damals.

Es wird still um ihn. Sechs langeMonate. Es sind sechs Monate, indenen Kurt Felix um sein Lebenkämpft.

Zwei hochkomplizierte Opera-tionen und vier Chemotherapienliegen hinter ihm. Jetzt meldet sichder TV-Profi zurück! Er hat sichentschlossen, sein erstes Interviewüber die schlimmste Zeit seinesLebens der Schweizer Illustriertenzu geben. Beim Treffen in Wil SGsagt Kurt Felix zur Begrüssung:«Hier in Wil wurde ich vor 62 Jah-ren geboren. Hier werde ich jetztwiedergeboren.»

Kurt Felix, Sie haben die schwersteZeit Ihres Lebens hinter sich. Wie geht es Ihnen?Hervorragend, danke. Es ist, als obich nie etwas gehabt hätte. Ich füh-le mich mental und körperlich wie-der fit und gesund. Mein Arzt hatmir gesagt: «Wenn Sie sich gesundfühlen, sind Sie auch gesund. DennGesundheit bedeutet nicht die Ab-wesenheit von Krankheit.» Ich binüber den Berg.Sie haben den Krebs also besiegt?Mit dieser Formulierung bin ichsehr vorsichtig. Kein Mensch be-siegt den Krebs! Wenn überhauptjemand den Krebs besiegt, dannsind es die Ärzte. Ich sage es so: Ichbin wieder da. Ich habe es vorerstüberstanden.Wie meinen Sie das: vorerst überstanden?

Die Behandlung ist abgeschlossen.Es bleibt das Risiko, von dieser nochnicht sehr erforschten Krebsart wie-der eingeholt zu werden. Sind noch Krebszellen in Ihrem Körper?Eine einzige Krebszelle genügt, umwieder einen Tumor zu bilden. Mitanderen Worten: Es kann sein, dassich bei dieser individuell verlau-fenden Krankheit in drei Monaten wieder eine Chemotherapie brau-che – oder nie mehr im Leben.

Sie haben sich entschlossen, nurganz wenige Interviews zu geben …Jetzt, da ich wieder ins normale Leben zurückgekehrt bin, muss ichmit vielen Medien-Anfragen rech-nen. Ich will aber kein Handelsrei-sender werden, der in allen Talk-shows und mit jeder Zeitschriftüber seine Krankheit spricht. Beider Schweizer Illustrierten wird erstens seriös gearbeitet, zweitenswird sie von sehr vielen Menschengelesen. Und drittens ist die SI mein

Arbeitgeber, der mich immer fairbehandelt hat. Auch in dieserschweren Zeit.

Zurück zu dem Tag, an dem das Unheil begann. 24. Januar. KurtFelix hat einen Termin bei seinemHausarzt Dr. Rudolf Gonzenbach in St. Gallen. Routinekontrolle. Wiealle zwei Jahre. Diesmal wollte KurtFelix schon absagen. Es geht ihmprächtig, warum also dem Arzt dieZeit stehlen? Doch Paola besteht

darauf. Blutkontrolle, Röntgenbild– der Check dauert eine Stunde.

Kurt Felix hat die Türklinkeschon in der Hand, als ihn der Arztnoch einmal in sein Sprechzimmerruft. Da sei etwas auf dem Rönt-genbild zu sehen. Zur Abklärungmüsse auch von der Seite geröntgtwerden. Felix denkt sich: «Wahr-scheinlich hat das Gerät nicht richtig funktioniert.» Dann fährt ernach Hause. Paola hat das Mittag-essen bereits auf dem Tisch, als das

Telefon klingelt: Dr. Gonzenbach.Er bittet Kurt Felix und Paola, wie-der in die Praxis zu kommen. So-fort. Er habe keine gute Nachricht.

Was ging in Ihnen vor, als der Arztdie Diagnose Tumor stellte?Es war ein Schock. Und das ist gelin-de ausgedrückt. Es zog mir den Bo-den total weg. Ich war wie gelähmt.Wissen Sie noch, was Paola undSie auf der Heimfahrtim Auto gesprochen haben?

«Es besteht das Risiko,dass mich der Krebswieder einholt»

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SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 2120 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE

Ich glaube, wir haben keine Wortegefunden. Glücklicherweise sindviele Erinnerungen ausgelöscht.Der Körper ist gnädig und macht ei-nen vieles vergessen. Aber so vielweiss ich: Diese Tage waren dieschlimmsten meines Lebens. Paola, wie haben Sie diese Momente in Erinnerung?Ich fühlte mich hilflos. In einer Sekunde ist das Wort Krebs aus-gesprochen, und ebenso schnellwurde unser Leben auf den Kopfgestellt. Kurt tat mir so Leid. Un-endlich Leid. Wenn ich gekonnthätte, hätte ich ihm am liebsten alles abgenommen – die Krankheit,die Operation, alles.

Wo fanden Sie Halt, Kurt?Ich beschaffte mir Informationen.Ich wollte alles wissen. Noch unterSchock fuhr ich ins Zürcher Unispi-tal zu Professor Dr. Walter Weder.Er leitet die Thoraxchirurgie undoperierte mich später. Er sagte:«Herr Felix, wenn Sie mit dem Autonach St. Gallen zurückfahren, istdas Risiko, dass Ihnen etwas pas-siert, grösser als bei dieser Opera-tion.» Dieser Satz war so stark – ichüberwand den Schock.Der Tumor war in einem fortgeschrittenen Stadium. Gross wie ein Tennisball. Haben Sie wirklich überhauptnichts gespürt?

Null und nichts. Auch nicht, alsdie Diagnose klar war. Sie sagten von Anfang an: «Ich bin guten Mutes – ich will mich nicht aufgeben.» Woher kam diese Zuversicht?Wenn man in so einem Zustand ist, gibt es natürlich Stimmungs-schwankungen. Ich wusste ja nicht,was die Zukunft bringt. Überlebeich das? Oder nicht? Vor allem dieZeit, in der man nicht wusste, obdie lebensrettende Chemotherapieanschlägt, war sehr belastend.Aber ich fügte mich in mein Schick-sal. Ich vertraute meinen ausge-zeichneten Ärzten.

Der Kampf um das Leben von KurtFelix war dramatisch: Zweimalmussten die Ärzte seinen Brustkorböffnen. Der Tumor lag zwischenHerz und Lunge. Eine heikle Stelle.Hier verlaufen die Nerven für dasZwerchfell, hier liegen Luftröhre,Aorta und die Zugänge für Lungeund Herz. Zwischen den beidenOperationen musste sich Felix vierChemotherapien unterziehen.

Wie stark litten Sie unter Neben-wirkungen der Chemotherapie?Die Broschüren der SchweizerKrebsliga haben mir sehr geholfen.Ich war auf alles vorbereitet. DieHaare sind mir ausgefallen. Das

passiert nicht auf einmal, sondernnach und nach. Aber das war mir soegal wie überhaupt nur etwas. EinMann kann damit gut leben. FürFrauen ist das sicherlich schlimmer.Was war für Sie am schlimmsten?Diese totale Appetitlosigkeit. Mirwar permanent ein bisschenschlecht. Ich esse gerne gut. Undnicht essen zu dürfen, wenn manwill, ist verdammt schwer. Abernoch schlimmer ist es, wenn manetwas zu sich nehmen muss undnicht mag. Ich habe mit Todesver-achtung gegessen.Was haben Sie gegessen?Ich konnte erst eine halbe Stundevorher sagen, was ich gerne essenmöchte. Ich hatte komische Gelüs-te. Wie eine Schwangere. Etwa aufKartoffelstock mit Gulasch. OderGehacktes mit Hörnli. Das hatte ichzuletzt im Militärdienst gegessen.Paola hat dann sofort gekocht, wasich mir gewünscht habe, und ichhätte nichts anderes hinunterge-bracht als genau das.Gab es einen Moment, in dem Siedachten: Ich schaffe es nicht!?Nein. Ich habe mir immer gesagt:Ich will die Wolken weiterhin vonder Erde aus anschauen und nichtvom Himmel.Wie haben Ihre Freunde reagiert?Ich bekam fast täglich E-Mails oderAnrufe. Dazu kamen Hunderte vonBriefen – auch von Fremden. AdolfOgi rief an. Arthur Cohn schicktejeden Monat eine Uhr. Silvia undChristoph Blocher standen einesTages einfach vor der Tür. UndFrank Elstner hat mir den grösstenBlumenstrauss geschickt, den ich jein meinem Leben bekommen habe. Was hat Ihnen die Kraft gegebendurchzuhalten?Coping! Ein englischer Ausdruckfür «mit einer Sache fertig werden».Und was genau ist Coping?Ich habe mich aktiv mit der Krank-heit auseinander gesetzt. Fakteneingeholt, Fragen gestellt. Ganzwichtig ist Optimismus und dasVertrauen in die Ärzte. Ich habemich immer selbst angefeuert. Mirgesagt: Da musst du durch. Dannbist du wieder an Bord.Paola, wie haben Sie versucht, Kurt beizustehen?Paola: Wir haben im Krankenhausim selben Zimmer geschlafen. Ichwar 24 Stunden am Tag bei ihm.Wir waren eine Leidensgemein-schaft. Für mich ist es, als wäreauch ich krank gewesen.

Kurt: Du hast mir jeden Wunschvon den Augen abgelesen, Paola.Ich habe mich an die Worte desPfarrers erinnert, der uns getrauthat: «Eine Ehe heisst, Freud undLeid miteinander zu teilen.» Seit1980 hatten wir fast nur Freudenmiteinander geteilt. Jetzt war esdas Leid.Paola, haben Sie sich mit einemmöglichen Leben ohne Kurt auseinander gesetzt?Es gab diesen einen Moment …

Paolas Stimme versagt. Sie schlägtdie Hände vors Gesicht und fängtan zu weinen. Die Erinnerung anden 16. April ist immer noch so le-bendig. Der Moment, als Kurt nachder zweiten Chemotherapie zurComputer-Tomografie musste. Die-se Minuten, als ihr Mann in derRöhre lag und klar war: Gleich ent-scheidet sich, ob die Chemo ange-schlagen hat. – Todesurteil oderweiterleben.

Die Nachricht war positiv. DieChemo hatte tatsächlich gewirkt.Kurt: An diesem Abend haben wirgefeiert. Ich hätte nicht gedurft –aber wir haben ein Glas Barolo ge-trunken. Hat euch das Erlebte noch mehrzusammengeschweisst?Kurt: Das klingt immer so schön.Aber wir konnten gar nicht näherzusammen sein, als wir es sowiesoschon immer waren. Wir sind aberauch keinen Millimeter auseinan-der gerückt in dieser Zeit. Knapp einen Monat nach Ent-deckung des Tumors feierten SieIhren 62. Geburtstag …… es war der traurigste Geburtstagmeines Lebens. Ich habe gedacht,es ist vielleicht der letzte. Das warzu der Zeit, als man noch nichtwusste, ob die Chemo anschlägt.Wie haben Sie diesen Tag verbracht?Mit Paola, meiner Schwägerin Eli-sabeth und den Schwiegereltern.Aber ich war nicht fähig zu feiern.Ich war zu schwach. Haben Sie sich gefragt: Wieso ausgerechnet ich?Jeder stellt sich diese Frage. Manweiss in meinem Fall die Ursachenicht. Das ist beängstigend. Jederdritte Mensch bekommt Krebs. Esist einfach Pech, dass ich dazu-gehöre.Was machen Sie jetzt anders alsvorher?

Gemeinschaft in

Freud und Leid.

Paola: «Für michist es, als wäreauch ich krankgewesen.» InZukunft wollenbeide nochbewusster leben.

«Ich hätte Kurtam liebsten allesabgenommen»

«Ich hätte Kurtam liebsten allesabgenommen»

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SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 2322 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE

Ein Thymom ist ein Tumor desThymus, der hin-ter dem Brustbeinliegt. Wie vieleFälle gibt es proJahr in derSchweiz?Im Jahr werden10 bis 20 Thymo-me neu diagnosti-ziert. Aber nur 25 Prozent derThymome verhal-ten sich bösartigwie bei Kurt Felix.Gibt es Faktoren,die diese Art von Tumor be-günstigen? Keine bekannten.Ein Thymom istSchicksal. KurtFelix fühlte sichkerngesund – da-bei war sein Tu-mor schon sehrfortgeschritten. Erstaunt Sie das?

Nur rund die Hälf-te der Patientenhat gleichzeitigeine so genannteMyasthenia gravis.Das ist eine spezi-elle Form vonMuskelschwäche.Der Betroffenekann dann bei-spielsweise plötz-lich die Augenlidernicht mehr richtigheben. Wer dieseSymptome nichthat – wie KurtFelix –, bei demwird der Tumorleider spät undoft nur durch Zufall entdeckt. Welche Massnah-men gibt es zurFrüherkennung?In diesem spe-ziellen Fall leiderkeine. Welche Fortschrit-te wurden imBereich der Chemotherapie in jüngster Zeitgemacht?Es gibt wichtigeFortschritte. Im-mer mehr Patien-ten können mitt-lerweile geheiltwerden. Insbeson-dere Patienten mitBrust-, Lymph-drüsen- und Dick-darmkrebs. Waswir aber immerwieder feststellen:Raucher reagierenschlechter auf

Chemotherapie alsNichtraucher. Das heisst: Rau-cher haben einegeringere Hei-lungschance? Bei Rauchern istder Organismusdaran gewöhnt,täglich gegen dasTeergift des inha-lierten Rauches zukämpfen. Deshalbwirkt auch dasGift der Chemobei ihnen nichtmehr so gut. Chemotherapienwerden vor allemwegen ihrer star-ken Nebenwirkun-gen gefürchtet.Gibt es auch indieser HinsichtFortschritte?Ja, Kurt Felix istein gutes Beispieldafür. Er hat einestarke Chemothe-rapie gut vertra-gen. Dank der un-terstützenden Me-dikamente habenNebenwirkungenwie Übelkeit undInfektionsgefahrjetzt stark abge-nommen. Wann gibt es dieSpritze gegenKrebs? Die wird es nie geben! JederKrebs ist anders.Es gibt so vieleverschiedene Fehl-leistungen in der

Zelle, die zu Krebsführen können.ImmunologischeTherapien mit sogenannten Anti-körpern und tu-morspezifischeImpfverfahrensind die wichtigs-ten Hoffnungsträ-ger, ebenso wiemassgeschneiderteneue Medikamen-te, welche dieFehlleistungen derTumorzellen kom-pensieren. Dasfunktioniert vor-erst nur als The-rapie, noch nichtals Prophylaxe.Was raten Sie zurKrebsvorsorge?Benutzen Sie die Vorsorge-untersuchungennach EmpfehlungIhres Hausarztes!Bewegen Sie sich regelmässig undessen Sie täglichGemüse undFrüchte. Und das Allerwichtigs-te: Hören Sie auf zu rauchen! Erhält die Krebs-forschung aus-reichend Mittelvom Bund? Nein, ganz im Gegenteil. DieSchweiz rutschtins Mittelmass,wenn hier nichtbald etwas passiert!

«Ein Thymom ist Schicksal»

Er behandelte

Kurt Felix mit

Chemotherapie:

Prof. Dr. ThomasCerny, 51, Chefarztder Onkologie amKantonsspital St.Gallen. Kurt Felix:«Zu ihm hatte ichvolles Vertrauen.»

Ich habe nie geraucht. Ich war nieübergewichtig. Ich hatte keinenStress, mein Leben ist harmonischund meine Lebenseinstellung posi-tiv. Was also soll ich jetzt andersmachen? Ich esse immer noch dasFleisch von heute, das Brot von ges-tern und trinke den Wein von voreinem Jahr.Wie haben Sie die Tage zwischenden Chemotherapien verbracht?Ich habe schon vorher viel fernge-sehen. Aber in dieser Zeit habe ichalles geschaut. Das war eine wun-derbare Ablenkung. Ich ging oft andie frische Luft, und ich habe vielgelesen. Eines der köstlichstenBücher war das von Dieter Bohlen.

Ich habe mich darüber kaputtge-lacht – obwohl es mir so mies ging. Bei einem Ihrer Spaziergänge wurden Sie von einem Paparazzo erwischt. Die «Bild»-Zeitung und viele deutsche Zeitschriften veröffentlichten die Fotos …Dass man jemanden fotografierenkann, ohne dass derjenige es merkt,ist für mich nichts Neues. Ich habeja selbst oft mit der versteckten Kamera gearbeitet. Wie haben Sie auf die «Abschüsse»reagiert?Ich wollte klagen. Aber alle Verlagesind einem drohenden Prozess aus-gewichen und haben sofort ausser-gerichtlich bezahlt. Laut Pressege-

setz ist es strikt verboten, Bilder ei-nes kranken Menschen ohne seineEinwilligung zu veröffentlichen.Die Bussgelder haben Sie der Kinderkrebshilfe gestiftet …… eine hohe fünfstellige Summe.Hut ab vor den Schweizer Medien.Sie haben bei dieser Schweinereinicht mitgemacht. Sie haben viel durchgemacht. Wiehaben Sie es geschafft, so schnellwieder so fit zu werden?Ich ging erst bis zum Briefkasten,am nächsten Tag bis zur Bäckerei.Dann wurden die Spaziergänge im-mer länger. Auch der Appetit kamzurück. Ich habe bereits wiederzwei Kilo zu viel (lacht).

Der Appetit ist

wieder da! Appe-tit und Lust aufdas Leben mitPaola, auf dieNatur, gutesEssen und Wein.Kurt Felix:«Während derChemo habe ichmit Todesverach-tung gegessen.»

Physisch ist also wieder alles wiefrüher. Was ist mit Ihrer Seele? Da hat sich etwas verändert: meineSelbstwahrnehmung. Früher habeich mich immer in der Mitte des Lebens gefühlt. Wie blöd – mit 62!Jetzt habe ich mir eingestanden:Ich bin im letzten Drittel des Lebensangelangt.

Und was ziehen Sie aus dieserErkenntnis für Konsequenzen?Ich habe alle TV-Beraterverträgeaufgelöst! Das Einzige, was ichnoch machen werde, ist die Kolum-ne für die Schweizer Illustrierte.Sie wollen sich also mehr Zeit fürsich und Paola nehmen?So ist es. Wir wollen noch mehr rei-sen als früher. Mehrtägige Radtou-ren machen. Im Frühling planenwir eine zweimonatige Reise nachKanada. Für solche Pläne brauchtman Zeit.Zu Beginn unseres Interviews sagten Sie: «Es kann sein, dass derKrebs mich wieder einholt.» Wieleben Sie mit dieser Angst?

«Ich fürchte nichtden Tod, sonderndas Leiden»

Eindrückliches

Gespräch über

die schlimmen

Monate: Kurt undPaola Felix mit SI-ChefredaktorMarc Walder und RedaktorinSusanne Timm (r.).

Es kann auch sein, dass ich vormeinem Haus überfahren werde.Wer das Risiko auf sich nimmt, geboren zu werden, muss auch dasRisiko auf sich nehmen zu sterben.Haben Sie Angst vor dem Tod?Eigentlich muss man sich nicht vordem Tod fürchten, sondern vor demLeiden.Sind Sie dankbar?Und wie! Den drei Ärzten und mei-ner Frau bin ich unglaublich dank-bar. Auch meinen Freunden, Nach-barn und den vielen Unbekannten,die mir in dieser Zeit geschriebenhaben. Und natürlich dem Pflege-personal in den Kliniken. Dank alldenen darf ich weiterleben. p

«Ich fürchte nichtden Tod, sonderndas Leiden»