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12.2 Zum Einstieg Prof. Dr.-Ing. Alfons Goris I Bemessungskonzept nach Eurocode 2 Die Bemessung der tragenden Konstruktion eines Bauwerks muss sicherstellen, dass ein Tragwerk mit angemessener Zuverlässigkeit den Einwirkungen während der Nutzung standhält, mit annehmbarer Wahrscheinlichkeit die geforderte Gebrauchstauglichkeit behält, eine angemessene Dauerhaftigkeit aufweist. Diese grundlegenden Forderungen werden durch Nachweise in Grenzzuständen erfüllt; damit werden Zustände beschrieben, bei denen ein Tragwerk die Entwurfsanforderungen gerade noch erfüllt. Zu unter- scheiden sind Grenzzustände der Tragfähigkeit, der Gebrauchstauglichkeit und der Dauerhaftigkeit. Korrosion der Bewehrung, Betonabplatzungen Erläuterung der Grenzzustände an Beispielen Grenzzustände Beispiele Grenzzustände der Tragfähigkeit Biegung und Längskraft Querkraft, Torsion, Durchstanzen Verformungsbeeinflusste Grenzzu- stände der Tragfähigkeit (Knicken) Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit Spannungsbegrenzung Begrenzung der Rissbreiten Begrenzung der Verformungen Dauerhaftigkeit, z. B. Betonzusammensetzung Betonverarbeitung Betondeckung der Bewehrung (Biegebruch/Schubbruch bei zu schwacher Bewehrung und/oder zu gering dimensioniertem Betonquerschnitt) Durchbiegungsschäden (z. B. an leichten Trennwänden) Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit (s. Kap. C, Abschn. 2.1.3) Unter einer festgelegten Einwirkungskombination (charakteristische Werte der Eigenlasten G k und ei- nem Anteil der veränderlichen Lasten ψ i · Q k ) ist nachzuweisen, dass der Nennwert einer Bauteileigen- schaft (zulässige Durchbiegung, Rissbreite u. a.) nicht überschritten wird. Dauerhaftigkeit (s. Kap. C, Abschn. 2.1.4) Eine ausreichende Dauerhaftigkeit wird in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen durch geeignete Baustoffe (s. Kap. A) und eine entsprechende bauliche Durchbildung (Betondeckung etc.) nachgewiesen. Grenzzustände der Tragfähigkeit (s. Kap. C, Abschn. 2.1.2) Der Bemessungswert einer Beanspruchung E d darf den einer Beanspruchbarkeit R d nicht überschreiten: E d R d E d = f (γ F · E k ) R d = f (X k / γ M ) Die Beanspruchung E d erhält man durch Multiplikation von charakteristischen Werten E k (Lasten, Schnittgrößen etc.) mit lastartabhängigen Teilsicherheitsbeiwerten γ F . Die Tragfähigkeit R d ergibt sich durch Verminderung der cha- rakteristischen Baustofffestigkeiten X k um material- abhängige Teilsicherheitsbeiwerte γ M . BTA_2012_12.indb 2 31.01.2012 23:30:24

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Stahlbeton

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12.2

Zum EinstiegProf. Dr.-Ing. Alfons Goris

I Bemessungskonzept nach Eurocode 2Die Bemessung der tragenden Konstruktion eines Bauwerks muss sicherstellen, dass ein Tragwerk – mit angemessener Zuverlässigkeit den Einwirkungen während der Nutzung standhält, – mit annehmbarer Wahrscheinlichkeit die geforderte Gebrauchstauglichkeit behält, – eine angemessene Dauerhaftigkeit aufweist.Diese grundlegenden Forderungen werden durch Nachweise in Grenzzuständen erfüllt; damit werdenZustände beschrieben, bei denen ein Tragwerk die Entwurfsanforderungen gerade noch erfüllt. Zu unter-scheiden sind Grenzzustände der Tragfähigkeit, der Gebrauchstauglichkeit und der Dauerhaftigkeit.

Korrosion der Bewehrung, Betonabplatzungen

Erläuterung der Grenzzustände an BeispielenGrenzzustände Beispiele

� Grenzzustände der Tragfähigkeit– Biegung und Längskraft– Querkraft, Torsion, Durchstanzen– Verformungsbeeinflusste Grenzzu-

stände der Tragfähigkeit (Knicken)

� Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit– Spannungsbegrenzung– Begrenzung der Rissbreiten– Begrenzung der Verformungen

� Dauerhaftigkeit, z. B.– Betonzusammensetzung– Betonverarbeitung– Betondeckung der Bewehrung

(Biegebruch/Schubbruch bei zu schwacher Bewehrungund/oder zu gering dimensioniertem Betonquerschnitt)

Durchbiegungsschäden (z. B. an leichten Trennwänden)

Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit (s. Kap. C, Abschn. 2.1.3)

Unter einer festgelegten Einwirkungskombination (charakteristische Werte der Eigenlasten Gk und ei-nem Anteil der veränderlichen Lasten ψi · Qk) ist nachzuweisen, dass der Nennwert einer Bauteileigen-schaft (zulässige Durchbiegung, Rissbreite u. a.) nicht überschritten wird.

Dauerhaftigkeit (s. Kap. C, Abschn. 2.1.4)Eine ausreichende Dauerhaftigkeit wird in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen durch geeigneteBaustoffe (s. Kap. A) und eine entsprechende bauliche Durchbildung (Betondeckung etc.) nachgewiesen.

Grenzzustände der Tragfähigkeit (s. Kap. C, Abschn. 2.1.2)

Der Bemessungswert einer Beanspruchung Ed darf den einer Beanspruchbarkeit Rd nicht überschreiten:Ed ≤≤≤≤≤ Rd Ed = f (γF · Ek)

Rd = f (Xk / γM)Die Beanspruchung Ed erhält man durch Multiplikationvon charakteristischen Werten Ek (Lasten, Schnittgrößenetc.) mit lastartabhängigen Teilsicherheitsbeiwerten γF. DieTragfähigkeit Rd ergibt sich durch Verminderung der cha-rakteristischen Baustofffestigkeiten Xk um material-abhängige Teilsicherheitsbeiwerte γM .

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Zum Einstieg 12.3

II Bemessungsbeispiel

1 TragwerksbeschreibungDie dargestellte Decke mit Unterzug einer Warenhauserweiterung ist zu bemessen, es liegt die Expositions-klasse XC 1 vor (s. Kap. C, 4.1). Im Rahmen des Beispiels werden die Nachweise für eine Biege- undQuerkraftbeanspruchung in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit gezeigt; Nach-weise zur Dauerhaftigkeit und zur Bewehrungsführung sind zusätzlich zu führen und hier nicht dargestellt.

Baustoffe: Beton: C20/25Betonstahl: B 500 A

Belastung: Eigenlast gk1Zusatzeigenlast gk2 = 1,25 kN/m2

Nutzlast qk = 5,00 kN/m2

2 Bemessung und Konstruktion der Platte (Decke)2.1 Tragwerksidealisierung

(vgl. Kap. C, 3.4 und 5.1.1.1)Die Platte kann wegen überwiegender Lastab-tragung in einer Richtung als einachsig, in Rich-tung der kürzeren Stützweite gespannt, gerech-net werden. Als Ersatzsystem wird dabei einPlattenstreifen mit einer Breite von einem Me-ter angenommen. Die Stützweite wird ermitteltals Abstand der Auflagermitten, max. jedoch lich-te Weite zzgl. je 0,5h (vgl. Kap. C, 3.4.3): lx = 4,05 + 2 · 0,20/ 2 = 4,25 m

BelastungKonstruktionseigenlast: 0,20 · 25,0 = 5,00 kN/m2 gk1 = 5,00 kN/m2

Zusatzeigenlast (Estrich, Belag, Putz ...): gk2 = 1,25 kN/m2———————

Σ ständige Lasten: gk = 6,25 kN/m2

Nutzlast in Warenhäusern (EC 1): Σ veränderliche Lasten: qk = 5,00 kN/m2

2.2 Tragfähigkeitsnachweise für die Platte (s. Kap. C, Abschn. 5.1.2)

SchnittgrößenBemessungslast: rd = (γG · gk + γQ · qk)

= 1,35 · 6,25 + 1,50 · 5,00= 15,93 kN/m2

Biegemoment: MEd = 0,125 · rd · lx2

= 0,125 · 15,93 · 4,252

= 36,0 kNm/mQuerkraft: VEd = 0,5 · rd · lx = 0,5 · 15,93 · 4,25

= 33,85 kN/m

BiegebemessungNutzhöhe d = 17 cmBemessungsmoment MEd = 36,0 kNm/mBewehrung as = 5,21 cm2/m

(s. Tafel 12.55b; vgl. a. [12.53])gew.: R 524 A (= 5,24 cm2/m > 5,21 cm2/m)

4,05

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12.4 Beton- und Stahlbetonbau

Bemessung für QuerkraftOhne Schubbewehrung aufnehmbare Querkraft (s. Kap. C, Abschn. 5.1.2.2 und 5.1.5):as = 5,21 cm2/m (d. h. Bewehrung nicht gestaffelt) | VRd,c = 75,3 kN/m (Tafel 12.56b)d = 17 cm; C20/25 |VRd,c > VEd = 33,85 kN/m → keine Schubbewehrung erforderlich!

2.3 Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit(s. Kap. C, Abschn. 5.1.3)

Für Platten bis 20 cm Dicke der Expositionsklasse XC 1 ohne nennenswerte Zwangsbeanspruchung isti.d.R. nur ein Nachweis zur Verformungsbegrenzung erforderlich. Der Nachweis wird mit Tafel 12.56cgeführt.

Einfeldsystem mit l = 4,25 m → derf ≈ 12 cm ≤ dvorh = 17 cmDie Biegeschlankheit (und damit die Verformungen) sind ausreichend begrenzt.

2.4 Bewehrungsführung und Bewehrungszeichnung

Auf Nachweise zur Bewehrungsführung wird verzichtet, Bewehrung entsprechend nachfolgender Skizze.

3 Unterzug3.1 Tragwerksidealisierung

(vgl. Kap. C, Abschn. 3.4)StützweiteAls Stützweite wird die um 5 % vergrößerte lichte Weite angenommen.

l = 1,05 · 3,51 ≈ 3,70 m

4,05

4,05

4,05

R 524

R 52

4

B 500 A

Δcdev =

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Zum Einstieg 12.5

3.2 Grenzzustand der Tragfähigkeit3.2.1 Biegebemessung

(s. Kap. C, Abschn. 5.2.2.1)Biegemoment MEd = 0,125 · (gd + qd) · l2 = 0,125 · 35,23 · 3,702 = 60,3 kNmMittragende Breite: beff = bw + 0,2 · l0 = 0,205 + 0,2 · 3,70 ≈ 0,95 m (s. Abschn. 3.4.2)Bemessung

Nutzhöhe: d ≈ 40,0 – 5,0 = 35 cmBemessungsmoment MEd = MEds = 60,3 kNm (wegen NEd = 0)

Eingangswert: 394950360

35[m] [kNm]

[cm]

Edsd ,

,,bMdk === (vgl. Tafel 2a, S. 12.80)

Ablesung: ks = 2,38 (ξ = 0,08 → x = 0,08 · 35 ≈ 3 cm < hf = 20 cm)

Bewehrung: erf [kNm] [cm]

[kN]43,5

2,38 60,335,0

4,10 cms sEds Ed 2A k Md

N= ⋅ + = ⋅ =

gew.: 4 ∅ 12 (= 4,52 cm2) (Stabstahl)

3.2.2 Schubbemessung(s. Kap. C, Abschn. 5.2.2.2)

Querkraft: VEd = 0,5 · (gd + qd) · l = 0,5 · 35,23 · 3,70 = 65,2 kNNachweise (näherungsweise und auf der sicheren Seite in der theoretischen Auflagerlinie)

Betondruckstrebe: VRd,max = ν1 · fcd · bw · z / (tan θ + cot θ)cot θ = 1,2; ν1 · fcd = 8,50 MN/m2 (s. S. 12.59 f. )

VRd,max = 8,50 · 0,205 · (0,9 · 0,35)/ (0,83 + 1,20) = 0,270 MN = 270 kNVEd < VRd,max → Druckstrebentragfähigkeit erfüllt

Schubbewehrung: asw = VEd / (cot θ · fywd · z)cot θ = 1,2 (s. o.)

asw = 0,0652 / (1,2 · 435 · 0,9 · 0,35) = 3,97 · 10-4 = 3,97 cm2/mgew.: ∅ 6 – 14 (= 4,04 cm2/m)Anschluss Druckgurt: Im Rahmen des Beispiels ohne Nachweis (s. hierzu S. 12.61).

3.3 Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit(s. Kap. C, Abschn. 5.2.3)

Auf entsprechende Nachweise wird im vorliegenden Fall verzichtet. Bei Balken ist jedoch häufig ein Nach-weis zur Begrenzung der Rissbreite, bei schlanken Konstruktionen ggf. auch ein Nachweis der Durch-biegung erforderlich.

3.4 Bewehrungsführung; Bewehrungszeichnung

Auf Nachweise zur Bewehrungsfüh-rung wird verzichtet, Bewehrung ent-sprechend nebenstehender Skizze.

Belastungaus Decke (s. S. 12.3): 0,5 · 15,93 · 4,25 = 33,85 kN/mKonstruktionseigenlast: 1,35 · 0,205 · 0,20 · 25,0 = 1,38 kN/m

———————Σ (gd + qd) = 35,23 kN/m

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