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www.wirlernenmitmanz.at WissenPlus | Sprachsensibler Unterricht Schreiben im Fach II Überarbeitung von fachspezifischen Textproduktionen 1. Zum Thema Dieser Beitrag ist die Fortsetzung zum Artikel „Schreiben im Fach – Planen und Formulieren von fachbezogenen Schreibaufträgen. Erklärt und aufgezeigt anhand des Mahnschreibens und des Protokolls “ (November 2018). Im Fokus steht nunmehr die dritte und letzte Phase des Schreibprozesses – das Überarbeiten. Diese Phase soll Schüler/innen mit Hilfe gezielter Strategien dabei unterstützen, ihre Texte zu überarbeiten. Aus sprachsensibler Perspektive umfasst dieser Teilprozess nicht nur die Reflexion von Rechtschreibung, Grammatik und Ausdruck, sondern auch die Adressatenorientierung, den Inhalt und die Form des verfassten Textes (Günther et. al. 2013: 53). Die Überarbeitungsphase nimmt in sprachsensibler Hinsicht insofern eine zentrale Rolle ein, als dass die Lernenden dadurch angehalten werden, ihre Textprodukte zu reflektieren. Im Idealfall sollte die Überarbeitung ein Weiterlernen sowohl in sprachlicher als auch in fachlicher Hinsicht ermöglichen (Neugebauer/Nodari 2014: 73). Gerade aus diesem Grund zeichnet sich ein sprachsensibler Fachunterricht auch dadurch aus, dass der Überarbeitung von selbst produzierten Fachtexten ausreichend Zeit und Raum gegeben wird (Günther et. al. 2013: 60). Im Folgenden werden vier Strategien der Textüberarbeitung im Fachunterricht skizziert. 1.1. Überarbeitung mit Hilfe von Vorlagen Insbesondere für schreibungewohnte Schüler/innen bzw. Klassen eignet es sich, im Zuge der Überarbeitung ein gut gelungenes Textbeispiel zur Verfügung zu stellen. Dadurch soll den Lernenden konkret vermittelt werden, in welcher Art und Weise der Fachtext realisiert werden sollte. Durch den Vergleich des eigenen Textes mit einem Mustertext erhalten die Lernenden Feedback, in welchen Bereichen sie sich noch verbessern können (Günther et. al. 2013: 61). 1.2. Überarbeitung textsortenbezogener Fehler Jänner 2019 © MANZ Verlag Schulbuch | Autorinnen: Petra GRIESHOFER, B.Ed.Univ.; Simone Diana KALCHGRUBER, B.Ed.Univ. -1-

BUCHFÜHRUNGSPFLICHT GEMÄSS …  · Web viewDie Druckversion des allgemeinen Kriterienkatalogs befindet sich im beigefügten Word-Dokument „wissenplus_sprache-im-unterricht_Kriterienkatalog_allgemein“

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Schreiben im Fach IIÜberarbeitung von fachspezifischen Textproduktionen

1. Zum Thema Dieser Beitrag ist die Fortsetzung zum Artikel „Schreiben im Fach – Planen und Formulieren von fachbezogenen Schreibaufträgen. Erklärt und aufgezeigt anhand des Mahnschreibens und des Protokolls“ (November 2018). Im Fokus steht nunmehr die dritte und letzte Phase des Schreibprozesses – das Überarbeiten. Diese Phase soll Schüler/innen mit Hilfe gezielter Strategien dabei unterstützen, ihre Texte zu überarbeiten. Aus sprachsensibler Perspektive umfasst dieser Teilprozess nicht nur die Reflexion von Rechtschreibung, Grammatik und Ausdruck, sondern auch die Adressatenorientierung, den Inhalt und die Form des verfassten Textes (Günther et. al. 2013: 53). Die Überarbeitungsphase nimmt in sprachsensibler Hinsicht insofern eine zentrale Rolle ein, als dass die Lernenden dadurch angehalten werden, ihre Textprodukte zu reflektieren. Im Idealfall sollte die Überarbeitung ein Weiterlernen sowohl in sprachlicher als auch in fachlicher Hinsicht ermöglichen (Neugebauer/Nodari 2014: 73). Gerade aus diesem Grund zeichnet sich ein sprachsensibler Fachunterricht auch dadurch aus, dass der Überarbeitung von selbst produzierten Fachtexten ausreichend Zeit und Raum gegeben wird (Günther et. al. 2013: 60). Im Folgenden werden vier Strategien der Textüberarbeitung im Fachunterricht skizziert.

1.1. Überarbeitung mit Hilfe von VorlagenInsbesondere für schreibungewohnte Schüler/innen bzw. Klassen eignet es sich, im Zuge der Überarbeitung ein gut gelungenes Textbeispiel zur Verfügung zu stellen. Dadurch soll den Lernenden konkret vermittelt werden, in welcher Art und Weise der Fachtext realisiert werden sollte. Durch den Vergleich des eigenen Textes mit einem Mustertext erhalten die Lernenden Feedback, in welchen Bereichen sie sich noch verbessern können (Günther et. al. 2013: 61).

1.2. Überarbeitung textsortenbezogener FehlerObwohl sich die Überarbeitungsphase, wie eingangs bereits ausgeführt, keineswegs ausschließlich auf sprachliche Aspekte bezieht, kann es gerade für die oben beschriebenen Schüler/innen von Nutzen sein, diesen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Aufgabe der Lehrperson ist es dabei, typische und häufige Fehlerkategorien der Textsorte auszumachen, beispielsweise das Vorgangspassiv in Beschreibungen oder auch (Versuchs-)Protokollen. In weiterer Folge sollen die Lernenden dazu angehalten werden, ihre Texte auf diese typischen Fehler hin zu untersuchen und zu überarbeiten (Günther et. al. 2013: 61).

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1.3. Überarbeitung nach KategorienSind Schüler/innen in ihrer Schreibentwicklung schon fortgeschrittener, kann die Überarbeitung mittels eines Kriterienkatalogs erfolgen. Dieser sollte den Lernenden bereits im Rahmen des Schreibauftrags zur Verfügung gestellt werden. Neugebauer und Nodari schlagen die folgenden Merkmale vor, die jeder qualitativ hochwertige (Fach-)Text allgemeinhin aufweisen sollte:

Erfüllung des geforderten Inhalts erkennbare textsortentypische Merkmale adressatenorientierte Textstruktur differenzierter Wortgebrauch korrekter Satzbau und korrekte Interpunktion korrekte Formenbildung (Verben, Nomen, Pronomen) korrekte Rechtschreibung (2014: 74).

Für spezifische Textsorten im Fachunterricht kann es an mancher Stelle notwendig sein, diese allgemein gehaltenen Kriterien zu differenzieren bzw. auch zu adaptieren. Im Zuge der Rückmeldung sollte jedes der angeführten Kriterien für sich behandelt werden. Dies kann durch ein kurzes schriftliches Feedback erfolgen oder auch durch die Festlegung auf Kategorien (etwa „erfüllt“, „teilweise erfüllt“ und „nicht erfüllt“, oder „ja“ und „nein“), die in weiterer Folge angekreuzt werden. Ungeachtet der Wahl der Rückmeldung ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler durch das Feedback einen klaren Eindruck davon bekommen, in welchen Bereichen sie sich noch verbessern müssen (Neugebauer/Nodari 2014: 73).

1.4. Überarbeitung durch SelbststeuerungWährend sich die drei vorhergehenden Strategien der Überarbeitung stark an einem gewünschten Textendprodukt orientieren, kann und sollte den Schüler/innen streckenweise auch die Möglichkeit gegeben werden, ihre Texte durch Selbststeuerung zu überarbeiten. Der Fokus liegt dabei weniger auf dem Erreichen eines vordefinierten Lernziels, sondern viel mehr auf einem Verständnis und Bewusstsein für die Überarbeitung von eigenen Texten. Unter dem Sammelbegriff “Selbststeuerung” können viele verschiedene Zugänge realisiert werden, etwa das laute Vorlesen der Texte, Randnotizen für persönliche Änderungsvorschläge oder auch das Sammeln von Reaktionen und Bewertungen der Mitschüler/innen (Beese et. al. 2014: 56).

2. Didaktische Tipps und HinweiseDie praktische Realisierung einer Überarbeitungsphase muss nicht zwingenderweise lehrpersonenzentriert erfolgen. Beispielsweise eignet sich die aus dem Deutschunterricht stammende Methode „Schreibwerkstatt“ gut für einen derartigen Zweck. Dabei lesen, bewerten und reflektieren die Lernenden selbst die Texte ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler (Schäfer 22012: 60). Sicherlich bringt dieser Zugang einen erhöhten zeitlichen Aufwand mit sich, gleichzeitig steigert sich durch das gegenseitige Überarbeiten aber auch die Chance auf eine vertiefte Auseinandersetzung auf Seiten der Schülerinnen und Schüler.

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3. SchulbuchbezugPolitische Bildung und Zeitgeschichte HAS 2/3

Politische Bildung und ZeitgeschichteGeschichte – Gesellschaft – PolitikSB-Nr.: 180984ISBN: 978-3-70685-784-0Auflage 2015 320 Seiten, broschiert, vierfärbig

4. Übungen zum Thema

4.1. Praxisbeispiel 1: Mustertext einer Rekonstruktion im GeschichtsunterrichtIn Kapitel 1 wurden Mustertexte als eine Möglichkeit der Überarbeitung vorgestellt, die sich besonders dann anbietet, wenn die Schülerinnen und Schüler noch wenig Erfahrung mit den fachspezifischen Textsorten haben. Anhand der unten stehenden Aufgabenstellung aus dem Lehrbuch „Politische Bildung und Zeitgeschichte HAS 2/3“ (2015, S. 5) soll ein derartiger Mustertext für eine Rekonstruktion im Geschichtsunterricht vorgestellt werden. Bei diesem Schreibauftrag werden sechs verschiedene Textquellen präsentiert, die über die Fußballweltmeisterschaft 1934 berichten. Die Aufgabe diesbezüglich lautet:

Abb. 1: Rekonstruktionsaufgabe im Geschichtsunterricht

Neben der Aufgabenstellung werden die folgenden Aspekte als Leitfragen angeführt, die bei der Erstellung der geschichtlichen Rekonstruktion berücksichtigt werden sollen:

Abb. 2: Leitfragen einer Rekonstruktion

Im Folgenden sollen die einzelnen Abschnitte des konzipierten Mustertextes vorgestellt werden.1 Wird ein Mustertext erstmalig in den Fachunterricht integriert, erscheint es aus

1 Der gesamte Text findet sich im Zusatzdokument „Mustertext_Rekonstruktion“.

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didaktisch-pädagogischen Gründen sinnvoll, auch die Überarbeitung in Abschnitte zu gliedern, um im Detail auf die einzelnen Textpassagen und deren Funktion im Textzusammenhang eingehen zu können.

Die musterhafte Rekonstruktion beginnt, wie in der Abbildung ersichtlich, mit einer Einleitung, die die Leserinnen und Leser mit dem Thema vertraut macht. Im Sinne der Adressatenorientierung bietet es sich an, gleich an dieser Stelle auf die Frage- bzw. Problemstellung einzugehen, die den roten Faden durch die Quellenkritik bilden wird. Unter der Annahme, dass diese Art der Überarbeitung vor allem ungeübten Schülerinnen und Schüler helfen soll, wurde die gesamte Rekonstruktion mit Randmarginalien versehen, die den Textaufbau visualisieren sollen.

Abb. 3: Einleitung der Rekonstruktion

Den Hauptteil der Rekonstruktion bildet die auf den Leitfragen basierende Quellenanalyse und -kritik der sechs Texte. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht exemplarisch die Ausführung zu den Textquellen 1 und 2. Im Rahmen der Überarbeitung sollte der Fokus vor allem auf drei Aspekten liegen. Erstens sollte auf die Textstruktur einer Quellenanalyse geachtet werden, die, wie es auch die Leitfragen nahelegen, immer beinhaltet, woher die Quelle stammt, wann und warum sie entstand und welche Perspektive sie einnimmt. Zweitens soll den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden, dass fehlende Angaben, beispielsweise zur Autorschaft oder dem Entstehungskontext, wichtig für die Interpretation sind und dementsprechend auch im Text angeführt sein müssen. Drittens erweist es sich als zentral, den Schreibstil einer Quellenanalyse zu verstehen. Wie im Mustertext an allen Beispiel ausgeführt, muss dieser ein neutraler, beschreibender und beobachtender sein. Zu diesem Zweck bietet es sich an, im Rahmen der Analyse die Quelle auch tatsächlich nur zu beschreiben und die Interpretation erst im Anschluss zu realisieren.

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Abb. 4: Analyse der Quellen 1 und 2

Nach der Analyse jedes Quellentextes folgt im Mustertext ein Vergleich. Wichtig für historische Fragestellungen ist dabei, nicht nur den Inhalt der Textquellen zu vergleichen, sondern auch deren Entstehungsbedingungen, die wiederum entscheidend für die Interpretation der Quellen sind. Idealerweise ist dieser Textabschnitt jener, dem die Interpretation vorbehalten ist. Diese muss nachvollziehbar und logisch sein.

Abb. 5: Vergleich der Quellentexte

Die Rekonstruktion endet schließlich mit einer zusammenfassenden Passage. Im Mittelpunkt soll dabei die zentrale Erkenntnis auf die Fragestellung stehen, die im Rahmen der Einleitung definiert wurde. Wichtig für das historische Denken und Arbeiten ist es dabei, den Bezug zwischen der gewonnenen Erkenntnis und den vorliegenden Quellen deutlich zu machen.

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Abb. 6: Fazit der Rekonstruktion

4.2. Praxisbeispiel 2: Allgemeiner KriterienkatalogWie bereits zuvor erläutert, gibt es unabhängig vom jeweiligen Fach oder der Textsorte allgemeine Kriterien, die anzeigen, ob ein Text den gestellten Anforderungen entspricht. Im ersten Schritt soll daher zuerst ein fachunabhängiger Kriterienkatalog im Sinne eines „Gerüstes“ vorgestellt werden, der sich an Neugebauer und Nodari (2014: 73) und dem Beurteilungsraster für die schriftliche standardisierte Reifeprüfung im Fach Deutsch2

orientiert. Im Weiteren soll die fachspezifische Adaption an einem Beispiel aus dem Geschichtsunterricht demonstriert werden.

Ein Kriterienkatalog kann für jeden Text in vier gleichwertige Bereiche gegliedert werden:1. Inhalt2. Struktur3. Formulierung4. Sprachliche Richtigkeit

Je nach Fach mag die Schwerpunktsetzung innerhalb der einzelnen Bereiche unterschiedlich ausfallen; für den folgenden Kriterienkatalog wurden Aspekte ausgewählt, die für viele Texte relevant sind.3

Abb. 7: Kriterienkatalog allgemein

Wie im Beispiel sichtbar, kann bei jedem Bereich angekreuzt werden, wie gut dieser, basierend auf den einzelnen Aspekten, umgesetzt wurde. Erkenntlich wird hier, dass es durchaus möglich ist, dass ein Text den inhaltlichen und strukturellen Anforderungen 2 Verfügbar unter https://www.phst.at/fileadmin/Redakteure/Dokumente/Zulassungsverfahren/Studienberechtigungspruefung/srdp_us_beurteilungsraster_2016_12-06__003_.pdf (Stand 3.1.2019).3 Die Druckversion des allgemeinen Kriterienkatalogs befindet sich im beigefügten Word-Dokument „wissenplus_sprache-im-unterricht_Kriterienkatalog_allgemein“.

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entspricht, obwohl er eventuell sprachlich mangelhaft erscheinen mag. Zwar zeichnet sich ein gelungener Text dadurch aus, dass er in allen Bereichen stimmig ist, doch ist es nicht immer zwingend notwendig, beispielsweise sehr gute Formulierung zu finden, damit ein Text seinen „Zweck“ erfüllen kann. Dies soll auch eine Entlastung für „Nicht-Sprachenfächer“ bedeuten, denn allzu oft verbindet man mit dem Verfassen und Korrigieren von Texten lediglich den Aspekt der Rechtschreibung. Dieser nimmt jedoch nur einen kleinen Teil der vier Bereiche ein.

4.3. Praxisbeispiel 3: Kriteriengeleitete Überarbeitung einer Rekonstruktion Unter Bezugnahme der Aufgabenstellung, die bereits im Rahmen des Mustertextes eingeführt wurde (vgl. Abb. 1), soll nunmehr eine kriteriengeleitete Überarbeitung einer Rekonstruktion im Geschichtsunterricht vorgestellt werden. Wie bereits in Kapitel 1 erwähnt, eignet sich der Zugang eines Kritierienkatalogs eher für geübtere Schülerinnen und Schüler.

Auf Basis des bereits vorgestellten allgemeinen Kriterienkatalogs kann man gezielt Änderungen in den Bereichen „Inhalt“ und „Struktur“ vornehmen, um einen textspezifischen Kriterienkatalog zu erstellen. Dabei gilt es zu bedenken, welche Merkmale besonders bedeutsam für Rekonstruktionen sind. Grundsätzlich handelt es sich bei Rekonstruktionen im Geschichtsunterricht um eine adressatenorientierte Analyse und Interpretation mit dem Ziel, Geschichte darzustellen. Dementsprechend wird von den Schülerinnen und Schülern erwartet, dass sie Textquellen kritisch reflektieren können und über eine hohe kognitive Eigenständigkeit verfügen. Beide Aspekte sollen von den Lernenden schließlich im Zuge des Schreibprozesses in eine sprachlich und stilistisch angemessene Form gebracht werden.

Folgende Aspekte wurden bei der textsortenspezifischen Adaption für eine geschichtliche Rekonstruktion berücksichtigt:

Die quellenkritische Vorgehensweise bildet die „Essenz“ des Textes und sollte als solche inhaltlich deutlich im Text erkennbar sein.

Die Bezugnahme auf die Quellentexte soll auch strukturell gut sichtbar sein. Zudem sollen Leitfragen, die entweder vorgegeben sind oder zumindest beim

Prozess des Planens auftauchen, gestaltend auf den Inhalt einwirken. Insofern sollte auch ein „roter Faden“ strukturell erkennbar sein. Die Bereiche „Formulierung“ und „Sprachliche Norm“ sollten bei diesem Text auf

dieselbe Art berücksichtigt werden, wie auch bei anderen Texten. Daher wurden hier keine Adaptionen vorgenommen.

Anhand dieser Überlegungen könnte sich ein Kriterienkatalog für Rekonstruktionen im Geschichtsunterricht4 folgendermaßen gestalten:

4Die Druckversion des Kriterienkatalogs für Rekonstruktionen im Geschichtsunterricht befindet sich im beigefügten Word-Dokument „wissenplus_sprache-im-unterricht_Kriterienkatalog-Rekonstruktion“.

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Abb. 8: Kriterienkatalog für Rekonstruktionen im Geschichtsunterricht

Verwendung im Unterricht Der Kriterienkatalog kann auf verschiedene Weisen genutzt werden.5 Wir stellen hier drei mögliche Varianten vor:

1. Überarbeitung auf Basis eines „Peer“-Feedbacks2. Überarbeitung auf Basis der Rückmeldung der Lehrperson3. Kombination aus Selbst- und Fremdeinschätzung

Wie schon in Kapitel 1 erläutert, soll der Kriterienkatalog, unabhängig von der Wahl der praktischen Umsetzung, bereits in der Planungsphase vorgestellt oder ausgeteilt worden sein. So wissen die Schülerinnen und Schüler schon im Vorhinein, auf welche Aspekte sie sich fokussieren sollten, was auch die Schreibarbeit erleichtert.

1) Überarbeitung auf Basis eines „Peer“-FeedbacksNach dem Verfassen des Textes lesen die Schüler und Schülerinnen in Partnerarbeit gegenseitig ihre Texte durch. Wenn zuvor noch nie mit dem Kriterienkatalog gearbeitet wurde, bietet es sich zur Erleichterung an, zuerst nur auf zwei Aspekte bei der Korrektur des Fremdtextes zu achten. Geübtere Lernende können auch den gesamten Katalog verwenden. Am Ende kann ergänzend zusätzlich eine Gesamtbewertung ausformuliert werden, die begründet, warum welches Kriterium wie bewertet wurde. Dies unterstützt die weitere Überarbeitungsphase, in welcher die Rückmeldung entsprechend beachtet werden soll. Erst dann wird der Text der Lehrperson vorgelegt.

Aufschlussreich kann es sein, wenn die Lehrperson auch die Erstfassung des Textes berücksichtigt. So erhält sie Auskunft darüber, welche Aspekte zu Beginn schwierig umzusetzen waren und wo sich Lernfortschritte zeigen.

5Als Einführung in die Schreibdidaktik und für weitere Anregungen empfehlen wir: Jürgen Baurmann (52017): Schreiben-Überarbeiten-Beurteilen. Klett Kallmeyer (ISBN: 978-3-7800-2045-1). Ingrid Böttcher & Michael Becker-Mrotzek (2003): Texte bearbeiten, bewerten und benoten: Schreibdidaktische Grundlagen. Cornelsen (ISBN-13: 978-3-58905-076-5).

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2) Überarbeitung auf Basis der Rückmeldung der LehrpersonHier verwendet die Lehrperson den Kriterienkatalog als Instrument der direkten Rückmeldung und kommentiert zusätzlich auch die Bewertung des Textes. Dies soll deutlich machen, wo die Stärken und Schwächen des Textes liegen. Anhand dieses Feedbacks überarbeiten die Schülerinnen und Schüler ihre Texte und geben sie danach erneut ab. So können Lernfortschritte sichtbar gemacht und honoriert werden.

3) Kombination aus Selbst- und FremdeinschätzungEine dritte Möglichkeit besteht darin, die eigene, kriteriengeleitete Einschätzung des Textes mit der einer Mitschülerin oder eines Mitschülers, alternativ auch der Lehrperson, zu vergleichen. So erhalten die Schülerinnen und Schüler nicht nur Einblick in die Komplexität von Beurteilungen, sondern werden auch kompetenter in ihrer Selbsteinschätzung. Ihre eigenen Stärken und Schwächen werden ihnen deutlicher bewusst und auch die Arbeit mit Kriterienkatalogen wird ihnen vertrauter. Eine Umarbeitung auf Basis des Austauschs ermöglicht zudem einen Lernzuwachs bei der Verfassung von Texten.

5. LiteraturBeese, Melanie et al. (2014): Sprachbildung in allen Fächern. München: Klett-Langenscheidt.Beurteilungsraster Deutsch, schriftliche SRDP (2016). Verfügbar unter https://www.phst.at/fileadmin/Redakteure/Dokumente/Zulassungsverfahren/Studienberechtigungspruefung/srdp_us_beurteilungsraster_2016_12-06__003_.pdf. (Stand 3.1.2019)Günther, Katrin et al. (2013): Sprachförderung im Fachunterricht an beruflichen Schulen. Berlin: Cornelsen.Neugebauer, Claudia/Claudio Nodari (2014): Förderung der Schulsprache in allen Fächern. Praxisvorschläge für Schulen in einem mehrsprachigen Umfeld. Bern: Schulverlag Plus.Schäfer, Stefan (2012): 55 Methoden Deutsch. Einfach – kreativ – motivierend. Donauwörth: Auer.

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