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Ruth Sauerwein Elischa

BZAW 465 Elischa Eine Redaktions Und Religionsgeschichtliche Studie

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  • Ruth SauerweinElischa

  • Beihefte zur Zeitschriftfr die alttestamentlicheWissenschaft

    Herausgegeben vonJohn Barton, Ronald Hendel,Reinhard G. Kratz und Markus Witte

    Band 465

  • Ruth Sauerwein

    Elischa

    Eine redaktions- und religionsgeschichtliche Studie

    DE GRUYTER

  • ISBN 978-3-11-035129-3e-ISBN 978-3-11-035294-8ISSN 0934-2575

    Library of Congress Cataloging-in-Publication DataA CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress.

    Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internetber http://dnb.dnb.de abrufbar.

    2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/BostonDruck und Bindung: CPI books GmbH, Leck Gedruckt auf surefreiem PapierPrinted in Germany

    www.degruyter.com

  • Vorwort

    Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 2013 von der Theologischen Fakultt derGeorg-August-Universitt als Dissertation angenommen und fr den Druck ge-ringfgig berarbeitet.

    Mein herzlicher Dank gilt zuerst meinem Doktorvater und Erstgutachter Prof.Dr. Reinhard G. Kratz, der die Arbeit anregte, in vorbildlicher Weise begleitete undfrderte. Fr die bernahme des Zweitgutachtens danke ich Prof. Dr. Dr. h.c.Hermann Spieckermann. Die Bearbeitung der altorientalischen Quellen begleiteteProf. Dr. Annette Zgoll. Ihr sei fr ihre hilfreiche und freundliche Begleitung derArbeit und die Mitgliedschaft in der Prfungskommission gedankt. Dem Her-ausgeberkreis der BZAWgilt mein Dank fr die Aufnahme der Dissertation in dieReihe. Fr die Betreuung der Drucklegung danke ich Dr. Albrecht Dhnert, SabinaDabrowski und Sophie Wagenhofer. Meiner Landeskirche, der EvangelischenKirche in Hessen und Nassau, danke ich fr die Erteilung eines Druckkostenzu-schusses.

    Weiterhin gilt mein Dank den Mitgliedern des Gttinger Graduiertenkollegs896 Gtterbilder Gottesbilder Weltbilder und des nordeuropischen For-schernetzwerkes OTSEM Old Testament Studies. Epistomologies and Methods.Die Mitgliedschaft in beiden Gruppen ermglichte mir einen befruchtendenAustausch mit Forschern aus verschiedenen nationalen und internationalenFachkontexten. Hierbei sei besonders der freundschaftlich-anregende Diskurs mitProf. Dr. Martti Nissinen genannt.

    Die Promotion wurde durch ein Stipendium der Studienstiftung des Deut-schen Volkes finanziert, die mir dankenswerterweise auchviele damit verbundeneForschungs- und Kongressreisen ermglichte.

    Weiterhin danke ich allen, die mit Rat und Tat zum Gelingen der Arbeit bei-getragen haben. An erster Stelle seien meine Doktorgeschwister Dr. HaraldSamuel und Sonja Ammann genannt, denen ich fr ihre Freundschaft, die an-regenden Gesprche und alle Hilfe danke. Fr die Korrekturen am Manuskriptdanke ich meinen Freunden Dr. Harald Samuel, Andrei Popescu, Gsta Gabrielund Tanja Karbach. Ein umfassender Dank gilt weiterhin meinen Eltern, die michvon Kindesbeinen an begleitet und gefrdert haben.

    Der abschlieende Dank gebhrt meinem EhemannMarkus Sauerwein fr dieliebevolle und ermutigende Begleitung dieses gesamten Unternehmens, seineHilfe bei den Korrekturen und vor allem seinen unerschtterlichen Glauben anmich. Ihm und unserer Tochter Johanna sei dieses Buch in Liebe gewidmet.

    Emmerichenhain im Dezember 2013 Ruth Sauerwein

  • Inhalt

    Einleitung 1. Ziel und Methodik 1. Die Elischa-Erzhlungen als Teil des sogenannten Deuteronomi-

    stischen Geschichtswerkes 6. Forschungsgeschichtlicher berblick 9

    Literarkritische Analyse 13. Literarkritik 1Kn 19,15 f.1921 13. Literarkritik 2Kn 2 16.. 2Kn 2,118: Die Himmelfahrt Elias 16... Exkurs zu den Sukzessionstexten 25.. 2Kn 2,1922: Die Heilung einer Quelle 28.. 2Kn 2,2325: Strafe fr die spottenden Knaben 31. Literarkritik 2Kn 3 34.. 2Kn 3,13: Joram von Israel 35.. 2Kn 3,427: Jorams Feldzug gegen Moab 36. Literarkritik 2Kn 4 46.. 2Kn 4,17: lmehrung 47.. 2Kn 4,837: Elischa und die Schunemiterin 48.. 2Kn 4,3841: Der Tod ist im Topf 53.. 2Kn 4,4244: Brotmehrung 54. Literarkritik 2Kn 5: Naamans Heilung vom Aussatz 55. Literarkritik 2Kn 6 64.. 2Kn 6,17: Das schwimmende Eisen 65.. 2Kn 6,823: Die Irrefhrung der Aramer 66. Literarkritik 2Kn 6,247,20: Die Belagerung Samarias 71. Literarkritik 2Kn 8 79.. 2Kn 8,16: Die Schunemiterin erhlt ihren Besitz zurck 79.. 2Kn 8,715: Der Tod Ben-Hadads 81.. 2Kn 8,1624: Joram von Juda 84.. 2Kn 8,2527: Ahasja von Juda 84. Literarkritik 2Kn 8,2810,17: Die Jehu-Revolution 85. Literarkritik 2Kn 13,1421 94.. 2Kn 13,1419: Elischa, Joasch und die Pfeile 95.. 2Kn 13,20 f: Elischas Tod 97

    Redaktionsgeschichtliche Rekonstruktion 100. Deuteronomistische Rahmennotizen 107

  • . Wunderepisoden 109.. Exkurs zu den Prophetenjngern 113. Elischa-Biograph und der Einbau der Elischa-Erzhlungen in

    Kn 116. Theologisierende Redaktion 122.. Exkurs zu den Titeln fr Elischa 126. Phoboumenos-Bearbeitung in 2Kn 5 130. Moralisierende Bearbeitung 131. Juda-Joschafat-Bearbeitung 134. Steigerungsbearbeitung 136

    Religionsgeschichtliche Untersuchung 138. Terminologische Klrungen 139.. Elischa als Prophet und Gottesmann 139.. Prophetie im Alten Testament und im Alten Orient 142.. Elischa als Magier und Wundertter 144. Altorientalische Texte 147.. Texte aus Mari 148.. Babylonische Texte 152.. Texte aus Ugarit 153.. Hethitische Texte 155.. gyptische Texte 157... Der Reisebericht des Wenamun/Unamun 157... Magie in gyptischen Texten 159.. Neuassyrische Texte 160... Neuassyrische Texte zur Prophetie 160... Neuassyrische Texte ber Magier und Heiler 163.. Persische Texte ber Magier 167. Texte aus dem syrisch-palstinischen Kulturraum 169.. Die Bileam-Inschrift aus Tell Deir Alla 169.. Die Inschrift des Zakkur von Hamath 171.. Die Lachisch-Ostraka 172.. Qumran 173. Texte aus Antike, Sptantike und frhrabbinischer Zeit 175.. Eine Fabel sops 176.. Delphi 177.. Theios-Aner-Literatur 178... Apollonius von Tyana 181.. Josephus 184.. Magier der Sassanidenzeit 188

    VIII Inhalt

  • .. Frhrabbinische Wundertter 189... Choni der Kreiszieher 190... Chanina ben Dosa 194. Neutestamentliche Wirkungsgeschichte 200.. Johannes der Tufer 200.. Jesuswunder 201.. Weitere neutestamentliche Parallelen 207. Religionsphnomenologische Analogien 209.. Sufismus und islamische Derwische 210. Religionsgeschichtliche Erkenntnisse 215

    Fazit 223. Ergebnisse 223. Datierungsfragen 228. Theologische Aussagekraft 230

    Literaturverzeichnis 234

    Anhang 259

    Sachregister 323

    Stellenregister 325

    Inhalt IX

  • 1 Einleitung

    1.1 Ziel und Methodik

    Die Knigebcher bilden einen erheblichen Teil des Kanonabschnittes, den diejdische Tradition als Vordere Propheten bezeichnet. In der christlichen Traditionsind sie Teil der sogenannten Geschichtsbcher des Alten Testaments. DieseEinteilung verdankt sich dem Umstand, dass in ihnen Ereignisse aus der Ge-schichte Israels inmehr oder weniger chronologischer Abfolge dargestellt werden.

    Die Knigebcher erzhlen dabei im Besonderen von der Regierungszeit derKnige Israels und Judas vom Ende der Regierungszeit Davids bis zur Begnadi-gung Jojachins durch den babylonischen Knig Amel-Marduk, den das Alte Tes-tament mit Ewil-Merodach bezeichnet. Sie stellen die Geschicke der einzelnenKnige und Dynastien des Nord- und des Sdreiches dar und versehen diese mitBeurteilungen und kurzen Notizen zu besonderen Ereignissen whrend der Re-gentschaft eines jeweiligen Knigs. Dabei verstehen sie sich als Urkunde derGeschichte des Knigtums in Israel und Juda.

    An einigen Stellen innerhalb der Knigebcher finden sich allerdings Er-zhlungen ber Propheten und andere Figuren, die aus dem Rahmen fallen. DieseErzhlungen unterscheiden sich sowohl im Umfang als auch in der Thematikdeutlich von den Notizen ber die Knige. Whrend ber die meisten Knige Is-raels und Judas zumeist nur wenige Verse verzeichnet werden, sind einige derErzhlungen ber Prophetengestalten mehrere Kapitel lang und zeichnen sichdurch lange Spannungsbgen aus.

    Die beiden Prophetenfiguren, welche die grten zusammenhngendenTextteile innerhalb der Knigebcher beanspruchen, sind Elia und Elischa. Bereitsdie hnlichkeit der Namen indiziert einen Zusammenhang der beiden. Innerhalbder Knigebcher werden sie als Meister und Schler bzw. Vorlufer und Nach-folger dargestellt. Eine grundlegende Gemeinsamkeit beider Figuren ist, dass sieWunder tun.

    Diese Arbeit mchte sich der Figur des Nachfolgers Elischa als primremUntersuchungsgegenstand widmen und die Entstehungsgeschichte der Elischa-Erzhlungen innerhalb der Knigebcher untersuchen. Eliawird dabei nur an den

    In der vorliegenden Arbeit wird das generische Maskulinum fr verallgemeinernde, Gattungs-oder Gruppenbezeichnungen verwendet und schliet insofern, wenn der Kontext dies nahelegt,die weibliche Form mit ein. Vgl. Ahia von Schilo in 1Kn 11,2939; namenloser Prophet in Bet-El in 1Kn 13; namenloserProphet unter Ahab in 1Kn 20; Micha ben Jimla in 1Kn 22; Elia in 1Kn 17 19; 21; 2Kn 1;Elischa in 1Kn 19,1521; 2Kn 29; 13,1421; Jesaja in 2Kn 1820.

  • Stellen in den Fokus der Betrachtung treten,wo er in direktem Zusammenspiel mitElischa oder unter literarhistorischen Gesichtspunkten von Bedeutung ist.

    Elischa, der Sohn Schafats aus Abel-Mehola, begegnet dem Leser im AltenTestament zum erstenMal in 1Kn 19 und letztmalig in 2Kn 13. Dazwischen findensich viele kleine Episoden und grere Erzhlungen ber Elischa, die in ihrerThematik, ihrem Umfang und ihrer Aussageintention uerst disparat wirken. Soformuliert Wesley Bergen vielleicht sogar noch zu milde: coherence is elusive in2Kings.

    In dem Textkomplex von 1Kn 192Kn 13 gibt es allerdings auch einigeKapitel, in denen Elischa gar nicht vorkommt und in denen es um andere Pro-tagonisten geht. Diese werden nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein.

    Darber hinaus bietet das Alte Testament keine weiteren Erwhnungen Eli-schas. Whrend Elia innerhalb der Chronik eine kurze Erwhnung im Zusam-menhang mit Joram von Israel findet, schweigt die Chronik zu Elischa gnzlich.

    Im Bereich der zwischentestamentlichen Literatur nennt nur Ben Sira 48,1214 im Lob der Vter Israels den Propheten Elischa als Nachfolger Elias undWundertter.

    Anders als etwa fr die Analyse der Schriftpropheten findet sich in denSchriften von Qumran leider kaum etwas, was fr die Rekonstruktion der bibli-schen ElischaErzhlungen erhellend wre. Die uerst sprlichen und schwierigzu rekonstruierenden Fragmente der Knigebcher, die in Qumran gefundenwurden, datiert Baillet auf die 2. Hlfte des 2. Jahrhunderts v.Chr. Soweit dieRekonstruktion zeigt, bieten sie keinerlei bedeutsame textkritische Varianten,geschweige denn theologische Eigenheiten, die fr die Rekonstruktion der Eli-

    Bergen, Alternative, 129. Vgl. dazu weiterfhrend Begg, Chronicler, 7 11. Bemerkenswert ist hierbei v.a. die Deutung des griechischen bersetzers von Ben Sira, derprophetisch Handeln und Wunder tun offenbar synonym gebraucht, vgl. Sir 48,13 fLXX: , , (Nichts war ihm zu schwer und als ertot war, wirkte sein Leichnam prophetische Zeichen. In seinem Leben tat er Wunder und in seinemTod vollbrachte er wundervolle Taten). Vgl. 6Q4, Baillet, DJD III, 107; vgl. dazu weiterfhrend Trebolle, Qumran, 25 f. Im Vergleichmit den Schriftpropheten zeigt sich, welche rezeptionsgeschichtlichen und textgeschichtlichenEinblicke sich etwa gewinnen lieen, gbe es unter den Schriften in Qumran so etwas wie einen

    zu den Knigebchern. Stattdessen sind aus einer Abschrift der Knigebcher nur 88winzige Fragmente erhalten, von denen die meisten kleiner als eine Briefmarke sind und kaummehr als fnf Buchstaben enthalten, vgl. 6Q4, Baillet, DJD III.Plates, XXXXII; Ulrich,Qumran, 328 f. Zu den wenigen relevanten auerbiblischen Schriften aus Qumran vgl. Kapi-tel 4.3.4. dieser Arbeit.

    2 1 Einleitung

  • scha-Erzhlungen fruchtbar gemacht werden knnten, auch in Schreib- undSprachstil sind kaum Besonderheiten zu verzeichnen.

    Auch der Blick ins Neue Testament ergibt zunchst einen sprlichen Befund.Elischa wird nur an einer Stelle, in der Rede Jesu ber den Propheten im eigenenLand in Lk 4,27, namentlich erwhnt. Wie die Analyse der einzelnen Kapitel derElischa-berlieferung allerdings zeigen wird, haben die neutestamentlichen Au-toren dennoch an verschiedenen Stellen erzhlerische Anleihen an die Elischa-Geschichten im Alten Testament verwendet. Diese werden fr die Frage nach derWirkungsgeschichte und der Typologie eines wunderttigen Gottesmannes vonBedeutung sein.

    An dieser Stelle sollte zunchst noch ein Blick auf die Kategorisierung ge-worfen werden,welche die alttestamentliche Exegese stets vorgenommen hat undnach wie vor vornimmt. Bei Elischa und Elia handelt es sich, ebenso wie bei denanderen Prophetenfiguren innerhalb der Vorderen Propheten, um sogenannteVorschriftpropheten. Diese sind kategorial unterschieden von den Schriftprophe-ten im Kanonteil Hintere Propheten der Hebrischen Bibel. So wird den Vor-schriftpropheten kein eigenes Buch zugeschrieben. Zudem sind es weniger dieSprche und Ansagen des Propheten, die im Zentrum der Darstellung stehen, dadie Gattung der Prophetenerzhlungen in der Regel berhaupt nur sehr wenigeProphetenaussprche enthlt.

    Das hat in der Exegese dieser Bcher auch Auswirkungen auf die Frage nachden historischen Haftpunkten. Whrend die ltere Exegese der Schriftprophetenstets an der ipsissima vox des Propheten und seiner Botschaft interessiert war,stand bei der Vorschriftprophetie jeweils die historische Verortung an einemKnigshof oder die Verwicklung in eine historisch identifizierbare Situation oderAuseinandersetzung im Fokus. Die neuere Exegese wendet ihren Blick nun vondiesen historisch orientierten Fragen ab und nimmt die Prophetenbcher undProphetenerzhlungen verstrkt als literarische Phnomene wahr. In dieserEntwicklungslinie mchte sich auch die vorliegende Untersuchung verstandenwissen. Das Interesse am historischen Elischa wird deutlich untergeordnet zu-gunsten der Frage nach der literarischen Funktion Elischas fr die Knigebcherund deren Genese ebenso wie fr die literarische Wirkungsgeschichte.

    Die literarische Funktion Elischas wird dabei sowohl am Endtext als auch anseinen rekonstruierbaren Vorstufen, wie sie mittels einer literarkritischen Unter-suchung rekonstruiert werden knnen, untersucht.

    Vgl. 6Q4, Baillet, DJD III.Plates, XXXXII; Ulrich, Qumran, 328 f; Stipp, Elischa, 44f. Vgl. 2Kn 5. Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 48.

    1.1 Ziel und Methodik 3

  • Methodisch wird die vorliegende Untersuchung daher in einem ersten Schrittdie Spannungen und Brche in den Einzeltexten beschreiben und ausgehend vomkanonischen Endtext mittels eines Subtraktionsverfahrens versuchen, sekundreZustze und Bearbeitungen abzuheben. Die Prsentation der Einzeltexte ge-schieht dabei in der Reihenfolge der biblischen Erzhlung. Die Aufteilung folgtdem biblischen Kapitelschema, sofern dieses mit den Erzhlbgen korreliert undweicht an jenen Stellen davon ab, an denen die jeweiligen Erzhlbgen dies na-helegen.

    Freilich werden in die literarkritische Analyse zuweilen auch methodischandere Beobachtungen aus dem Bereich der Textkritik, Form-, Sozial- oder Tra-ditions- und Motivgeschichte eingewoben, insofern sie fr die Fragestellunghilfreich sind oder zustzliche Argumente fr literarkritische Urteile liefern kn-nen.

    Jene Kapitel, in denen Elischa nicht Bestandteil der Erzhlung ist,werden nurdann im Hinblick auf ihre entstehungsgeschichtliche Position untersucht werden,wenn sie eine Relevanz fr die Gesamtfragestellung der Arbeit haben. Am Endeeines jeden Kapitels bzw. der jeweiligen Perikope werden daraufhin redaktions-geschichtliche Vorannahmen fr das einzelne Kapitel formuliert. Diese Voran-nahmen beinhalten Aussagen zur relativen Chronologie innerhalb des Kapitelsbzw. der Perikope.

    Auf der Grundlage der literar- und redaktionsgeschichtlichen Analysen bietetder Anhang im hinteren Teil des Buches sowohl eine Perikopenbersicht als auchden gesamten hebrischen Text sowie eine bersetzung mit grafischer Darstel-lung des rekonstruierten literarischen Wachstums.

    Gruppiert man die Elischa-Erzhlungen in ihrer biblischen Endgestalt the-matisch, ergibt sich bereits ein Grobberblick ber das Material in 1Kn 192Kn13. Demnach finden sich innerhalb der Elischa-Erzhlungen:a) Elia-Elischa-Nachfolgeerzhlungen, in denen es um die Weitergabe des pro-

    phetischen Amtes von Elia auf Elischa geht (1Kn 19,15 18.1921; 2Kn 2,118).

    b) Kriegs- und Knigserzhlungen, die Elischas Einwirken in die Kriege zwischenIsrael und Moab/Aram-Damaskus und seine Einflussnahme auf den israeli-tischen Hof sowie den Putsch Jehus bzw. Hasals erzhlen (2Kn 3; 5; 6,823;6,247,20; 8,7 15; 9,1 15a; 13,14 19).

    c) Wundererzhlungen, die Elischa vornehmlich als mantisch und magischbegabten Wundertter darstellen (2Kn 2,1925; 4; 5; 6,17; 13,20 f).

    Vgl. bspw. Schmitt, Elisa, 15 18. Ein solcher Versuch einer Gattungseinteilung kommt nichtohne Grauzonen aus, was sich bereits an einer berschneidung zwischen den unter b) und c)

    4 1 Einleitung

  • Die thematische Gruppierung der Erzhlungen hat in den Arbeiten zu Elischaaus dem 20. Jahrhundert auch stets eine Rolle bei der Rekonstruktion der Genesegespielt. Dieser Konnex von Gattung, Thema und Entstehungsgeschichte soll inder vorliegenden Untersuchung daher auf den Prfstand gestellt werden.

    In einem zweiten Schritt werden die literarkritischen Erkenntnisse redakti-onsgeschichtlich ausgewertet und das Textwachstum daraufhin fr die Gesamt-erzhlung rekonstruiert. Dabei sollen die einzelnen relativen Zwischenergebnisseaus der Betrachtung der Einzelkapitel korreliert und systematisiert werden, umden Versuch einer absoluten Chronologie zu unternehmen. Ein solcher muss inAnbetracht des sprlichen historisch auswertbaren Materials innerhalb der Eli-scha-Erzhlungen jedoch stets unter Vorbehalt stehen. Die Erkenntnisse der re-daktionsgeschichtlichen Arbeit werden dann jeweils in einer Charakterisierungder einzelnen entstehungsgeschichtlichen Schichten gebndelt. Dabei soll vorallem die Aussageintention der einzelnen Redaktionen oder Bearbeitungen pro-filiert und theologisch ausgedeutet werden.

    In einem letzten Schritt wird ein Ausblick in die Umwelt des Alten Testamentesunternommen, der hnlichkeiten zwischen der Typologie des Elischa und andererprophetischer Figuren undWundertter in den Blick nehmenwird. Dadurch sollenweitere Erkenntnisse zur geschichtlichen und sozialen Herkunft der Elischa-Ty-pologie sowie deren Wirkung gewonnen werden, die mglicherweise Rck-schlsse auf die Entstehung der Elischa-Erzhlungen erleichtern.

    Es wird zunchst der historische und geographische Groraum Mesopota-miens, besonders die Prophetentexte aus Mari und Ninive, in den Blick genom-men. Diese Texte haben sich fr die Frage nach Prophetie im Alten Testament inden letzten Jahren immer wieder als eine wichtige Referenzgre erwiesen.

    Weiterhin soll ein Blick in die geographisch nherliegenden, relevanten Texte ausdem syrisch-palstinischen Kulturraum des 1. Jahrtausends vor Christus geworfenwerden.

    Im Anschluss daran soll dann auch eine Betrachtung anderer, in der Fragenach der Prophetie bisher weniger gngiger Texte erfolgen, die zum Teil zeitgleichoder deutlich nach der mutmalichen Entstehung der Elischa-Traditionen datiertwerden. Von diesem Vorgehen erhofft sich die vorliegende Untersuchung einenAufschluss ber wirkungsgeschichtliche Vorgnge ebenso wie typologischehnlichkeiten und Muster, auch und besonders im Blick auf die sehr eigentm-

    subsummierten Erzhlungen deutlich zeigt. Ebenso knnte 1Kn 19,15 18 sowohl Gruppe a) alsauch Gruppe b) zugeordnet werden. Vgl. Schmitt, Elisa; Wrthwein, Knige II, 273321; Stipp, Elischa; Otto, Jehu, 247266. Vgl. Weippert, Aspekte; Nissinen, Relevanz; Ders., References; Ders., Prophets; u. v. m.

    1.1 Ziel und Methodik 5

  • liche Gestalt eines wunderttigen Gottesmannes, die das Alte Testament nur in-nerhalb der Knigebcher kennt.

    Ein Exkurs im Verlauf der Arbeit wird die Prophetenjnger zum Thema habenund ihre Funktion in den Texten ebenso errtern wie die Frage, wo sie in derEntstehungsgeschichte der Elischa-Erzhlungen ihren Platz haben.

    Ein weiterer Exkurs wird sich den fr Elischa gebrauchten Titeln widmen.Dabei soll untersucht werden, wie die Bezeichnungen Gottesmann und Pro-phet in der Entstehungsgeschichte der Elischa-berlieferung verwendet wurdenund ob sie als Indikatoren fr die entstehungsgeschichtliche Fragestellung ver-wendet werden knnen.

    Das Verhltnis zu den Elia-Erzhlungen und der Figur Elias wird nur in derUntersuchung der Sukzessionstexte und der redaktionsgeschichtlichen Zusam-menschau nher betrachtet werden knnen.

    Vornehmlich fhlt sich die vorliegende Untersuchung der Frage nach derEntstehungs- und Fortschreibungsgeschichte der Elischa-Erzhlungen in denKnigebchern und der Frage nach der Typologie der Elischa-Gestalt verpflichtet.

    1.2 Die Elischa-Erzhlungen als Teil des sogenanntenDeuteronomistischen Geschichtswerkes

    Durch ihren Ort innerhalb der Knigebcher ist die Frage nach der Entste-hungsgeschichte der Elischa-Erzhlungen eingebunden in die Diskussion um dieEntstehungsgeschichte des gesamten Textkorpus von Dtn bis 2Kn,welches in derForschung im Anschluss an Martin Noth als Deuteronomistisches Geschichtswerk(fortan DtrG) bezeichnet wird.

    Anlass zu der vorliegenden Arbeit gab u.a. die Beobachtung, dass sich in derBetrachtung des DtrG seit dem Ende des 20. und dem Beginn des 21. Jahrhundertsviele Paradigmen mageblich gendert haben. Die entstehungsgeschichtlichenModelle zum DtrG,wie sie auf der Grundlage Alfred Jepsens und Martin Nothsim 20. Jahrhundert formuliert wurden, scheinen sich in einem Auflsungsprozess

    Ein hnliches methodisches Vorgehen im Blick auf die griechische berlieferung findet sichbislang nur vereinzelt im Blick auf Phnomene der Prophetie, etwa bei Hagedorn, Foreigners;Huffmon, Process. Vgl. Schmitt, Elisa, 8589.127 129. Vgl. Noth, Studien, 1110. Vgl. Jepsen, Quellen, 30 106; bereits Jepsen rekonstruierte ein Schichtenmodell, in dem ereinen Nebiistischen Bearbeiter ausmachte, vgl. v.a. 76 101. Vgl. Noth, Studien, 1110.

    6 1 Einleitung

  • zu befinden.Viele neuere Arbeiten deuten an, dass sich die Entstehungsprozesseder einzelnen Textkomplexe viel diffiziler darstellen, als die lteren Modelle zutragen in der Lage sind. Dabei spielt gerade die Beurteilung der prophetischenTexte innerhalb des DtrG eine ganz entscheidende Rolle.

    Ebenso brachten viele exegetische Untersuchungen der letzten Jahre dieAnnahme Noths ins Wanken, bei der Buchgrenze zwischen Dtn 34 und Jos 1handele es sich zugleich um eine entstehungsgeschichtliche Zsur. Fr die K-nigebcher ging etwa das Gttinger Dreischichtenmodell in Weiterentwicklungder Nothschen These davon aus, zunchst habe ein historisch orientierter Re-daktor eine synchronistische Liste der Knige des Nord- und Sdreiches mitdeuteronomistischen Beurteilungen ber ihr Handeln zusammengestellt. DieseGeschichtsdarstellung des DtrH(istorikers) habe den Zweck erfllt, anhand derVerste der Knige gegen die Gesetze des Deuteronomiums zu zeigen, wie esunweigerlich zum Zusammenbruch des Nord- und spter des Sdreiches kommenmusste. Ein an der Prophetie orientierter Redaktor (DtrP) habe daraufhin die Tatendiverser Propheten in diese Vorlage eingetragen,um seinerseits zu zeigen, dass diePropheten den Knigen Israels und Judas aufgezeigt hatten, was an ihrem Han-deln nicht im Einklang mit dem Willen Jahwes stand. Ein dritter, am Gesetz ori-entierter Redaktor (DtrN), habe dann berarbeitungen vorgenommen, die imEinzelnen auf die Verste gegen das Gesetz fokussiert waren.

    In Bezug auf die Elia- und Elischa-Erzhlungen war bereits in der lterenForschung deutlich und unumstritten, dass die Erzhlungen nicht ursprnglicherBestandteil der Knigebcher waren, sondern in dieses Werk eingefgt wurden.Sie heben sich in ihrer Gattung, ihrem Erzhlstil und der Thematik deutlich vonvielem ab, was wir sonst in den Knigebchern finden.

    Wichtig wurde dann im Verlauf der Forschungsgeschichte die Frage, wanngenau der Einbau der Erzhlungen stattgefunden habe.Whrend sowohl ltere alsauch einige wenige neuere Arbeiten davon ausgehen, dass die Elia-/Elischa-Er-zhlungen bereits vor-deuteronomistisch in Kn eingearbeitet wurden, rechnetdie Mehrzahl neuerer Arbeiten mit einem nach-deuteronomistischen Einbau der

    Vgl. Veijola, Erben, 192240; Kratz, Ort, 101 120; Kratz, Hexateuch, 295323; Kratz,Komposition, 9 13.314330; Becker, Richterzeit, 300306; Pakkala, Monolatry, 212223;Weippert, Geschichtswerk; Rmer, History, 3841.163 f; Noll, Book, 4972. Vgl. Smend, Gesetz, 494509; Dietrich, Prophetie, 134 148; Veijola, Dynastie, 127142. ImGegenber dazu entwickelte F. M. Cross ein Blockmodell, welches verkrzt dargestellt voneiner vorexilisch vorliegenden Ausgabe des DtrG ausgeht, in welche exilische berlieferungs-blcke eingearbeitet wurden, vgl. Cross, Myth, 217289, vgl. dazu kritisch Aurelius, Zukunft,3957. Vgl. Wellhausen, Composition, 278.287 f; Jepsen, Quellen, 77 f; Noth, Studien, 7887. Vgl. Noth, Studien, 83; Rehm, Knige 2, 26.

    1.2 Die Elischa-Erzhlungen 7

  • Erzhlungen. Ebenso erschien die Zuweisung auf einen deuteronomistischenRedaktor (DtrP) aufgrund der Vielzahl der unterschiedlichen theologischen Ten-denzen problematisch.

    Die vorliegende Arbeit wird versuchen, die Neuorientierung in der Erfor-schung des Textkomplexes, der zuvor als DtrG umschrieben wurde, auch fr dieElischa-Erzhlungen zu berprfen und die Rekonstruktion der Texte in 1Kn192Kn 13 zunchst ohne die Vorannahmen eines redaktionsgeschichtlichenModells zum DtrG zu vollziehen.Grundannahme der Arbeit ist allerdings, dass derEinbau der Elia- und Elischa-Erzhlungen in die Knigebcher in einem nach-deuteronomistischen Stadium der Knigebcher geschehen ist. Der Begriff nach-deuteronomistisch hngt in diesem Fall stark vom Verstndnis des Begriffesdeuteronomistisch ab, der sich in den letzten Jahren ebenfalls stark gewandelthat. So gehen viele neuere Arbeiten davon aus, dass man lediglich von einereinzigen deuteronomistischen Redaktion sprechen kann, die in den Knigebcherndas Rahmenschema der Knige Israels und Judas mit ihren Beurteilungen ver-sehen hat. Diese Beurteilungen tragen die Handschrift der Untergangserfahrungund beurteilen die Knige und ihre Regierungsjahre je auf demHintergrund dieserErfahrung. Dieser Grundannahme, die zugleich einen Minimalkonsens in Bezugauf den Begriff deuteronomistisch darstellt, schliet sich die vorliegende Arbeit anund verwendet die Begriffe deuteronomistisch und nach-deuteronomistisch oderpost-deuteronomistisch in der diesem Minimalkonsens entsprechenden Weise.

    Dabei muss eine Unterscheidung in Bezug auf den deuteronomistischenCharakter der Rahmennotizen getroffen werden.Whrend der Deuteronomismusder Rahmennotizen in seinem Grundbestand vor allem an der Frage der Kult-einheit und damit verbunden auch Reichseinheit interessiert ist, scheint die Fragedes Ausschlielichkeitsanspruches Jahwes erst sekundr hinzuzutreten.

    Durch die Beschrnkung auf diesen Minimalkonsens im Verstndnis desBegriffes deuteronomistisch soll die literarkritische Rekonstruktion die Mglich-keit behalten, alle Bearbeitungsschritte zunchst nur zu beobachten und sie in

    Vgl. Wrthwein, Knige II, 366368; Kratz, Komposition, 169171. Einen Mittelweg, dersich zumeist an der Einordnung von 2Kn 9f entscheidet, beschreiten Lehnart, Prophet, 416420; Stipp, Elischa, 464; Otto, Jehu, 114117. So etwa bei Wrthwein, Studien, 5 f. Eine anschauliche Sammlung der Grnde fr den Umbruch im Verstndnis des Wortesdeuteronomistisch sowie eine Darstellung des sich in den letzten Jahren konstituierenden Mi-nimalkonsenses bietet Otto, Composition, 487491. Eine weiterfhrende Darstellung der For-schungsgeschichte redaktionsgeschichtlicher Arbeiten im Bereich der Knigebcher bietenKnoppers, Theories, 6988; Halpern/Lemaire, Composition, 123 153. Vgl. Levin, Joschija, 352 f; Kratz, Komposition, 155 193; Wrthwein, Studien, 36.10 f;Pakkala, Entwicklung, 239248, Frevel, Deuteronomisten, 249277, v.a. 254.

    8 1 Einleitung

  • ihrer Intention den Einzeltext betreffend zu beschreiben, ohne sie gleich in einebestimmte theologische oder ideologische Linie stellen zu mssen. Sollten sichdennoch inhaltliche oder sprachliche Schnittmengen zwischen rekonstruiertenBearbeitungen verschiedener Kapitel ergeben, werden diese erst in der redakti-onsgeschichtlichen Rekonstruktion in ein Verhltnis zueinander gesetzt.

    1.3 Forschungsgeschichtlicher berblick

    Der berblick ber die zugrundeliegende Forschungsgeschichte beschrnkt sichdarauf, lediglich die einschlgigen Arbeiten ab der zweiten Hlfte des 20. Jahr-hunderts in der gebotenen Krze darzustellen. Er kann sich auf die umfnglichenforschungsgeschichtlichen Darstellungen sttzen, die in den letzten drei Unter-suchungen zu diesem Textkomplex geboten wurden und auch die ltere For-schungsgeschichte mit einschlieen.

    Unter den neueren Arbeiten sei zunchst die Monografie von Hans-Chri-stoph Schmitt aus dem Jahre 1972 genannt. Hierin entwirft Schmitt ein ent-stehungsgeschichtliches Bild der Elischa-Erzhlungen, an dessen Anfang zu-nchst die Jehu-Erzhlung in 2Kn 9 f steht. An diese deuteronomistischbearbeitete Erzhlung lagerten sich nach Ansicht Schmitts drei Sammlungen an,die ursprnglich selbstndig tradiert worden waren. Die lteste unter ihnen isteine Sammlung von Kriegserzhlungen (2Kn 3,427; 6,247,20). Daran an-schlieend rekonstruiert er einige eher lose Aramererzhlungen (in 2Kn 5,127;8,7 15; 13,14 19.20 f), die jedoch keine eigene Sammlung darstellten. Es folgte dieEinarbeitung der ehedem selbstndigen Wundergeschichtensammlung (2Kn4,17.837.3841.4244; 6,17; 8,16) und zuletzt die sogenannte Sukzessoren-sammlung (1Kn 19,1921; 2Kn 2,1 18.1924). Grundlegend fr Schmitts Re-konstruktion ist die Herausarbeitung einer Gottesmann-Bearbeitung, auf welcheer die nach-deuteronomistische Einarbeitung der Kriegs- und Aramererzhlun-gen ebenso wie der Wunder- und Sukzessionssammlung in die Knigebcherzurckfhrt. Diese Bearbeitung fgt an vielen Stellen den Titel Gottesmann indie Erzhlungen ein, streicht ihn hingegen an anderen zugunsten des Eigenna-mens Elischa. Hierin liegt eine Schwierigkeit der Rekonstruktion. Die Grnde frdie rckwrtige nderung sind nicht ohne weiteres ersichtlich und der Begriff des

    Vgl. Otto, Jehu, 1128; Lehnart, Prophet, 8 12.177189.364373; Schmitt, Magie, 212219. Vgl. Schmitt, Elisa. hnlich Blum, Nabotberlieferungen, 370. Vgl. Schmitt, Elisa, 8589.127 f.

    1.3 Forschungsgeschichtlicher berblick 9

  • Gottesmannes findet sich zudem bereits in der dem Bearbeiter vorliegendenSammlung von Wundergeschichten. Es ist daher nicht eindeutig zu erkennen,welche Aussageintention ein solcher Gottesmann-Bearbeiter in welchem Fall je-weils gehabt htte.

    Der von Ernst Wrthwein vorgelegte Kommentar aus dem Jahr 1984 be-schreitet nur zum Teil einen anderen Weg.Whrend Wrthwein in Bezug auf dieElia-berlieferung einen Entstehungsprozess annimmt, der von vor-deuterono-mistischen Vorlagen bis zu nach-deuteronomistischen Bearbeitungen reicht,hnelt seine Rekonstruktion der Elischa-Erzhlungen in vielen Punkten derSchmitts. Seine Rekonstruktion arbeitet weitgehend auf Grundlage des GttingerDreischichtenmodells und enthlt ebenfalls eine Gottesmann-Redaktion. Diesezeichnet bei Wrthwein allerdings nur fr die Bearbeitung in 2Kn 5,15 19*,8,11b13a und 13,18 f verantwortlich.Weiterhin sind nach Wrthweins Ansicht dieKriegserzhlungen der letzte der ehedem selbstndigen Teile der Elischa-ber-lieferung, die Eingang in die Knigebcher gefunden haben. Komplex wird dieRekonstruktion Wrthweins zudem durch das Festhalten am deuteronomisti-schen Schichtenmodell unter gleichzeitiger Annahme mehrerer zustzlicherEinzelbearbeiter, die fr punktuelle Erweiterungen verantwortlich sind.

    Hermann-Josef Stipp widmet sich in seiner 1987 erschienenen Monografiehingegen zunchst detailliert der Textgeschichte, bevor er der Literarkritik seineAufmerksamkeit schenkt, u.a. mit dem Ziel der berprfung einiger ThesenSchmitts. Stipps Durchsicht der Handschriften fhrt zu einem eher disparatenBild bei der Verwendung des Gottesmann-Titels in den unterschiedlichen Text-traditionen. So kommt Stipp zu dem Schluss, dass die griechische Textberlie-ferung vor Origenes ein im Gegenber zum masoretischen Text primres Text-stadium bewahrt hat, welches im masoretischen Text durch Ersetzungen desNamens durch den Titel oder umgekehrt mehrfach korrumpiert wurde. Die re-daktionsgeschichtliche Fragestellung steht nicht im Vordergrund von Stipps Be-mhungen, was die Formulierung eines eigenen entstehungsgeschichtlichenberblicks Stipps schwierig macht. Dennoch zeigt der disparate textgeschichtli-che Befund bei Stipp in Bezug auf den Titel Gottesmann, dass Schmitts Rekon-struktion eine magebliche methodische Schwche besitzt, wenn sie sich in derLiterarkritik in so hohem Mae auf diesen Titel verlsst.

    Die Monographie von Susanne Otto aus dem Jahr 2001 rekonstruiert hnlichder Arbeit von Schmitt drei ehedem selbstndige Sammlungen von Elischa-Er-

    Vgl. Wrthwein, Knige II. Vgl. Wrthwein, Knige II, 366368. Vgl. Stipp, Elischa. Vgl. Stipp, Elischa, 463480.

    10 1 Einleitung

  • zhlungen. Am Anfang steht eine von den Prophetenjngern tradierte Samm-lung von unpolitischen Wundererzhlungen (2Kn 2,1922.23b24; 4,17.837*.3841.4244; 6,17), gefolgt von einer Sammlung politischer Wunderge-schichten (2Kn 5,1 19*; 6,823*; 13,1421) aus Kreisen der nordisraelitischenHofprophetie. Diese beiden Sammlungen wurden nach Otto im Zusammenhangmit dem Untergang des Nordreiches zu einer Elisa-Biografie zusammengearbei-tet. In exilischer Zeit wurde diese dann mit einer ebenfalls noch aus demNordreich stammenden Kriegserzhlungssammlung zusammengefgt.

    Die Einarbeitung dieser in den Zusammenhang der Knigebcher geschahdann erst in exilischer Zeit durch einen Bearbeiter (BK), gefolgt von der Einar-beitung der Elia-Erzhlungen durch den Bearbeiter BE1 und schlielich die Ein-arbeitung der Elischa-Biographie durch den Bearbeiter BE2.

    Trotz der Unterschiede in der Methodik besteht in den Entwrfen Schmitts,Stipps und Ottos Einigkeit darber, dass Elischas erste Erwhnung in 2Kn 9f* zufinden sei und von diesem literarischen Haftpunkt aus die Einarbeitung derweiteren Elischa-berlieferungen in Kn ihren Verlauf genommen habe.

    Die Monographie von Bernhard Lehnart aus dem Jahr 2003 geht von einerbereits vor-deuteronomistischen Elisa-Komposition in 2Kn 2,1 15.1925a; 4,144*; 5,1 14; 6,17.823; 8,16.7 15; 13,1421 aus, die schon im 8. Jahrhundertvorlag und von den Prophetenjngern im Nordreich zusammengestellt und tra-diert wurde. Die Einarbeitung dieser Komposition geht auf eine zweite deute-ronomistische Redaktion (Dtr II) in exilisch-nachexilischer Zeit zurck. Diese fandbereits ein von Dtr I redigiertes Geschichtswerk vor, in dem sowohl die Drre-Karmel-Komposition (DKK) in 1Kn 17,1 18,45*; 19*; 2Kn 1* als auch die Jehu-Revolution in 2Kn 9f* sowie eine Isebel-feindliche Bearbeitung enthalten war.Dass sowohl diese grorumigen redaktionellen Teile ebenso wie die Mehrheitaller Elischa-Erzhlungen jeweils auf nur einen Redaktorenkreis zurckgehen,ist in Anbetracht des disparaten Materials eine der Schwchen in Lehnarts Re-konstruktion und bleibt unerlutert.

    Die englischsprachigen Untersuchungen von Coote (1992) und Bergen(1999) sind strker an der Sozialgeschichte der Elischa-Erzhlungen interessiert

    Vgl. Otto, Jehu. Vgl. Otto, Jehu, 249252. Vgl. Otto, Jehu, 373. Vgl. Lehnart, Prophet. Vgl. Lehnart, Prophet, 273283. Vgl. Lehnart, Prophet, 420439. Vgl. Lehnart, Prophet, 364367.411420. Vgl. Coote, Elijah; Bergen, Elisha.

    1.3 Forschungsgeschichtlicher berblick 11

  • und treffen ihrerseits kaum entstehungsgeschichtliche Aussagen,werden also nurinsofern in die vorliegende Untersuchung einbezogen als sie von Relevanz inBezug auf Einzeltexte sind.

    hnlich verhlt es sich mit der jngst erschienenen Untersuchung von Bod-ner (2013). Sie liefert ausschlielich narratologische Analysen der Texte undtrifft keinerlei entstehungsgeschichtliche Aussagen zu den Elischa-Erzhlungen.

    Die bereits in einzelnen Lieferungen vorliegende Kommentierung der Kni-gebcher vonWinfried Thiel ist noch nicht bis in den Textbereich ber Elischavorgedrungen. Aus den literar- und redaktionsgeschichtlichen Rekonstruktionender Elia-berlieferung sowie einigen anderen Publikationen Thiels ist jedoch zuentnehmen, dass Thiel mit einer vor-deuteronomistischen Einarbeitung der Eli-scha-berlieferung und einem nur geringen Ma an redaktionellen Eingriffenrechnet.

    Zuletzt sei auf die bislang ausschlielich online publizierte Dissertation vonGerhard Karner (2009) hingewiesen. Karner bezeichnet seinen Ansatz alsreligionsgeschichtlich und literarisch ausgerichtet. Literargeschichtlich orien-tiert sich Karners Untersuchung im Groben an dem dreischrittigen DtrG-Modellvon Thomas Rmer, macht aber selbst keinerlei literar- und redaktionskritischeBeobachtungen zu den Einzeltexten der Elia- und Elischa-Erzhlungen und gehtin seiner religionsgeschichtlichen Fragestellung stets vom kanonischen Endtextder Erzhlungen in ihrem jeweiligen kanonischen Zusammenhang aus. Bei derreligionsgeschichtlichen Untersuchung konzentriert sich Karner auf die Frage-stellung, inwieweit die magischen Rituale und rituellen Handlungselemente in-nerhalb der Elia- und Elischa-Erzhlungen ein Vorbild in der keilschriftlichenLiteratur Mesopotamiens haben. Hierbei handelt es sich m.E. um eine unglck-liche Engfhrung des phnomenologischen Ansatzes Karners, die wahrscheinlichihrerseits auf einer ungenannten Vorentscheidung in Bezug auf die literarischeGenese der Elia- und Elischa-Erzhlungen beruht.

    Vgl. Bodner, Profile. Vgl. Thiel, Knige II. Vgl. bspw. Thiel, Jahwe, 102. Ebenso etwa auch Schmitt, Magie, 290f.383 f. Vgl. Karner, Elemente. Vgl. Karner, Elemente, 3. Vgl. Karner, Elemente, 122125; Rmer, History, 104 106.149 177. Vgl. Karner, Elemente, 126.

    12 1 Einleitung

  • 2 Literarkritische Analyse

    2.1 Literarkritik 1Kn 19,15 f.1921

    In 1Kn 19 begegnet dem Leser die Figur des Elischa zum allererstenMal innerhalbdes Alten Testaments. Nachdem Kapitel 19 grundstzlich Bestandteil der Elia-berlieferung zunchst recht breit von Elias Wallfahrt zum Horeb erzhlt hatte,werden Elia in 19,15 f im Zusammenhang der Jahwe-Theophanie drei Befehle zurSalbung gegeben.Ohne vorherige Einfhrungwird Elischa in dem Salbungsbefehlin 19,15 f genannt. Erst in der Berufungserzhlung in 19,1921 wird Elischa ein-gefhrt und demLeser vorgestellt. Diese beiden Stellen in 1Kn 19 ebensowie dieErzhlung in 2Kn 2,1 18 bringen Elia und Elischa gemeinsam in einen Er-zhlzusammenhang, in dem es stets um die Frage des Nachfolgeverhltnisses derbeiden Figuren geht.

    Erwartet htte der Leser sicherlich, dass diese neue Figur zunchst eingefhrtwird. Bereits hierin deutet sich eine literarische Spannung zwischen 1Kn 19,15 fund 19,1921 an.

    Beginnt man die Untersuchung dennoch in der Reihenfolge des Endtextes, sonennt innerhalb des dreigliedrigen Salbungsbefehls in 19,15 f der letzte AuftragElischa, den Elia zum Propheten an seiner statt salben soll.

    Diese beiden Verse 1Kn 19,15 f weisen zwar in sich keinerlei Spannungen oderBrche auf, streng genommen fhrt Elia im Verlauf der weiteren Kapitel allerdingskeinen dieser drei Auftrge in derWeise aus,wie es ihm in 1Kn 19,15 f aufgetragenworden war. Es bestehen also sehr wohl Spannungen zwischen diesen Beauf-tragungen und den Ausfhrungen, wie etwa zu den Versen 19,1921.

    Wie sich imweiteren Verlauf der Erzhlungen zeigt,wird Hasal nicht von Eliazum Knig ber Aram gesalbt, sondern usurpiert den Thron (nach Ansage Eli-schas) durch den Mord an seinem Vorgnger Ben-Hadad (vgl. 2Kn 8,7 15). DesWeiterenwird Jehu nicht von Elia, sondernvon einemProphetenjnger des ElischazumKnigber Israel gesalbt und schlielichwird auch Elischa selbst nicht durchSalbung zumNachfolger Elias erhoben. Dennochwird deutlich, dass dieser Vers ingewisserWeise Kenntnis von den Erzhlzusammenhngen zwischen Elia, Elischa,Jehu und Hasal in 2Kn 2 13 zu haben scheint.

    Vgl. Schmitt, Elisa, 102107.180f. Schmitt weist die Texte daher einer Sukzessorsammlungzu. Zwar halte ich die thematische Gruppierung der Sukzessionstexte fr sinnvoll, m.E. knnenaus den thematischen bereinstimmungen allein allerdings noch keine entstehungsgeschicht-lichen Schlussfolgerungen gezogen werden. Vgl. ANET, 280b; Wrthwein, Knige II, 319.

  • Es knnte sich in dem dreifachen Befehl 1Kn 19,15 18 daher mglichweiseum eine redaktionelle Einfgung handeln, deren Zweck es war, die folgenden,literarisch ehedem unabhngigen Erzhlungen unter einem gemeinsamen theo-logischen Vorzeichen zusammenzufassen. Dennoch bleibt die Frage unbeant-wortet,weshalb ein Redaktor die Spannungen zu den folgenden Kapiteln bewussthingenommen htte. Meines Erachtens knnten diese Spannungen der redak-tionellen Intention geschuldet sein, sowohl die Nachfolge Elias durch Elischa alsauch die Thronusurpation Hasals und den Putsch Jehus auf den Willen Jahweshin geschehen zu lassen. Diese Komponente gttlicher Beauftragung wird durchden Salbungsbegriff in besonderer Weise zum Ausdruck gebracht. Die Beauftra-gungen in 19,15 f wrden somit auf der Grundlage der bereits vorliegenden Epi-soden zu Ereignissen aus der Geschichte Israels (Aramerkriege, Jehu-Revolution)bzw. der Literatur Israels (Elischa-Figur) als vaticinium ex eventu formuliert.Zweck der Voranstellung von 1Kn 19,15 f vor die nachfolgenden Erzhlungenwrees demnach, die berlieferungen unterschiedlicher Herkunft enger miteinanderzu verzahnen und sie gleichzeitig unter ein gemeinsames theologisches Vorzei-chen zu stellen.

    Somit kann als Vorannahme formuliert werden, dass es sich bei 1Kn 19,15 18um eines der jngsten redaktionellen Stcke innerhalb der Elia-Elischa-Erzh-lungen handeln muss. Ein umgekehrter Rekonstruktionsversuch birgt in gleicherWeise die Schwierigkeit, die Inkonsistenz der beiden Berufungsvorstellungennicht erklren zu knnen. Da 1Kn 19,15 18 jedoch eine deutlich strkere theo-logische Motivation erkennen lsst als 1Kn 19,1921, kann ein besonderesInteresse an der Salbungsthematik eine plausible Erklrung fr die sptere Ein-fgung von 19,15 18 und die dadurch entstehende Unstimmigkeit in der Beru-fungsvorstellung liefern.

    Aus Sicht jenes Bearbeiters, der 1Kn 19,15 18 den brigen Erzhlungenvoranstellte,waren das Ende der Omriden-Dynastie und die Verluste Israels in denAuseinandersetzungen mit den Aramern Jahwes unausweichliche Strafe fr Is-raels (v.a. Ahabs und Isebels) Dienst an Baal. Unter diesem theologischen Vor-zeichen verbinden 1Kn 19,15 f die Elia- und die Elischa-berlieferung fest mit-einander und schaffen einen bergreifenden Bogen, der von 1Kn 17 bis 2Kn 13reicht und ein durchweg schlechtes Bild der betreffenden Nordreichsknige ent-wirft.

    Vgl. Hugo, Text, 33. Vgl. Fritz, 1. Knige, 177. Vgl. Fritz, 1. Knige, 178. Hierin liegt ein stark deuteronomistischer Zug. Wie in der Charak-terisierung der einzelnen Bearbeitungen jedoch zu zeigen sein wird, mssen genaue Unter-

    14 2 Literarkritische Analyse

  • Wie bereits erwhnt, besteht sich zwischen dem Befehl in 1Kn 19,16 und denVersen 19,1921 eine Spannung. In 1Kn 19,16 dominiert eine gnzlich andereBerufungsvorstellung als in 19,1921. Elia soll Elischa zum Nachfolger salben(Wurzel in 19,16).Von einem Mantel wie in 19,1921 ist an dieser Stelle nichtdie Rede. Die letzten drei Verse des Kapitels erzhlen hingegen vom ersten Zu-sammentreffen zwischen Elia und Elischa auf dem Feld und fhren Elischaerstmals als handelnde Person ein. Elia findet Elischa in V. 19 beim Pflgen desFeldes mit Ochsengespannen vor. Von einer Salbung ist hier nicht die Rede.

    Die drei Verse lassen sich durch den Orts- und Personenwechsel gut vomersten Teil des Kapitels abgrenzen undwerden in V. 19 durch die Formulierung

    nur lose an das vorher Erzhlte angeschlossen. Diese lose Anbindung findetsich auch in 2Kn 2,25 als Einsatz einer neuen Episode sowie in 2Kn 2,23 (mit derWurzel ) und 2Kn 10,15, hier ebenfalls gefolgt von der gleichen Verbform .Es ist davon auszugehen, dass es sich um eine redaktionelle Formulierung han-delt, die den Einbau dieser Erzhlung an dieser Stelle ermglichte.

    Abgesehen von der lose verbundenen Einleitung, finden sich keinerleiSpannungen oder Brche innerhalb der Erzhlung. Die Indienstnahme Elischasgeschieht auf dessen Feld. Elischa wird von seinem Tagwerk weg berufen unddurch die Handlung des Mantelwurfs von Elia in Dienst genommen. Obwohl dieseBerufung gnzlich anders verluft als die Berufung aller anderen alttestamentli-chen Propheten und sich Elia Elischa nicht einmal vorstellt, ist diesem die Be-deutung des Mantelwurfs offenbar sofort einsichtig. Ebenso muss auch der Leserverstanden haben, was diese Geste bedeuten soll, da keinerlei Erklrungen er-folgen. Trotz der nicht nher erluterten Geste, wird deutlich, dass es Ziel derErzhlung ist, die beiden Figuren Elia und Elischa in ein Verhltnis der Nachfolgezueinander zu bringen, in welchem sie ursprnglich vielleicht gar nicht standen.

    In welchem Verhltnis diese Texte in 1Kn 19 zu der Erzhlung in 2Kn 2,1 15stehen, wird im Anschluss an die Analyse des Kapitels 2Kn 2 nher beleuchtetwerden. Auch die relative Chronologie dieser Texte, die alle das Thema derProphetensukzession behandeln, wird dabei untersucht werden.

    scheidungen getroffen werden, was genau unter dem Begriff der deuteronomistischen Theologiezu verstehen ist; vgl. Kapitel 1.2. sowie 3.4. in dieser Arbeit. Vgl. Schmitt, Elisa, 102; Wrthwein, Knige II, 232; Otto, Jehu, 193. Zwar wird der Mantel als das Gewand des Propheten auch bei Ahija von Schilo erwhnt(vgl. 1Kn 11,29), dort allerdings mit dem hebrischen Terminus . Der Begriff fr denMantel eines Propheten findet sich nur hier, in 2Kn 2,8.13.14 und an einer weiteren Stelle inSach 13,4. Vgl. Wrthwein, Knige II, 233.

    2.1 Literarkritik 1Kn 19,15 f.19 21 15

  • 2.2 Literarkritik 2Kn 2

    Das Kapitel 2Kn 2 steht zwischen dem Rahmenschema des Knigs Ahasja vonIsrael (1Kn 22,5254; 2Kn 1,1718*) und der Anfangsnotiz fr Joramvon Israel in2Kn 3,1. Die Abschlussnotiz fr Joram von Israel fehlt es ist zu vermuten, dasssie wegfiel als die Erzhlung ber die Revolution Jehus in die Knigebcheraufgenommen wurde. Erst in 2Kn 8,2529 wird der sogenannte deuteronomis-tische Faden der Knigsnotizen wieder aufgegriffen und mit dem Rahmenschemafr Joram von Juda und danach fr Ahasja von Juda fortgefhrt.

    Das Kapitel 2Kn 2 lsst sich grob in drei Erzhleinheiten gliedern, die durchOrts- und Personenwechsel jeweils klar voneinander abgegrenzt sind.

    In 2Kn 2,118 wird die sogenannte Himmelfahrt Elias erzhlt. Elia und Eli-scha befinden sich gemeinsam auf dem Weg und besuchen nacheinander zweiProphetenjnger-Gemeinschaften in Bet-El und Jericho bevor sie, gefolgt von einerSchar von Prophetenjngern, an den Jordan kommen. Dort teilt Elia mit seinemMantel den Fluss und zieht alleinmit Elischa trockenen Fues auf die andere Seite.Nach einer Unterredung der beiden, bei der es um die bertragungdes Geistes vonElia auf Elischa geht,wird Elia, begleitet von allerlei bernatrlichen Ereignissen,vor Elischas Augen entrckt. Elischa kehrt an den Jordan zurck und teilt, wiezuvor Elia, den Fluss mithilfe von Elias Mantel. Nach der Anerkennung derGeistbertragung auf Elischa durch die Prophetenjnger schliet sich von denProphetenjngern initiiert eine Suche nach Elia an, die nur das Ergebnis erbringt,Elia sei nicht mehr auffindbar.

    In 2Kn 2,1922 wird erzhlt, wie Elischa durch eine magische Handlung mitSalz eine Quelle heilt, die bei den Frauen einer Stadt Fehlgeburten verursacht.

    Einen anderen Ton trgt die Erzhlung in 2Kn 2,2325. Darin wird Elischavon den Kindern einer Stadt verspottet. Elischa erzrnt ber die Beleidigung bestraft die Kinder mit dem Tode durch zwei Brinnen. Diese drei Erzhlungensollen im Folgenden einzeln literarkritisch untersucht werden.

    2.2.1 2Kn 2,1 18: Die Himmelfahrt Elias

    Die Erzhlung in 2Kn 2,1 18 wird durch die berschrift in 2Kn 2,1 am Beginnund den Abschluss des Spannungsbogens in 2,18 sowie den Einsatz einer neuen

    Somit steht 2Kn 2 auerhalb des Rahmenschemas der Knigebcher. Das ist sonst nur nochbei 2Kn 13,1421 der Fall, vgl. die Kapitel 2.3.1. und 2.10. dieser Arbeit. Vgl. in Ex 23,26; vgl. weiterfhrend Art. , HALAT IV, 1382f.

    16 2 Literarkritische Analyse

  • Handlung (markiert durch einen Orts- und Personenwechsel) in 2,19 deutlichabgegrenzt.

    V. 1a fasst dem Leser bereits den Inhalt der Gesamterzhlung in einemHalbsatz zusammen: Eliawird in dieser Erzhlung in denHimmel auffahren. DieseEinleitung in V. 1 ist eine fr das Alte Testament ungewhnliche, zusammenfas-sende berschrift, die bereits den Hhepunkt der folgenden Erzhlung vorweg-nimmt. Sie erffnet einen Spannungsbogen, der erst in V. 18 zu einem Endekommt.

    Bereits dieser erste Vers steht in einer literarischen Spannung zum Fortgangder Erzhlung.Whrend in V. 11 die Entrckung Elias durch den feurigen Wagen,die feurigen Rosse und den Sturmwind ohne ausdrckliches Zutun Jahwes ge-schieht, nennt V. 1 zunchst Jahwe als das Subjekt der Entrckung und allein denSturmwind ohne feurigen Wagen und feurige Rosse als bernatrliches Ge-schehen. Der Sturmwind ist in V. 1 zudem determiniert und damit als bekanntvorausgesetzt, obwohl er hier erstmals in der Erzhlung und im gesamten Text-komplex der Knigebcher auftaucht.

    Die berschrift in V. 1 macht daher den Eindruck, als sei sie eine sptereHinzufgung zur Himmelfahrtserzhlungmit dem Zweck, diese in den Kontext derElischa-Erzhlungen einzubinden. Dabei wurde die Vorstellung von der Him-melfahrt im Sturmwind wohl aus V. 11b von jenem Bearbeiter aufgegriffen, der dieEinleitung in V. 1a formulierte. Da die Vorstellung von der Auffahrt Elias durch denSturmwind in V. 11b noch ohne Jahwe auskommt, scheint V. 1a diesen Vorgangmitder Nennung Jahwes theologisieren zu wollen. Entsprechend unterscheidet sichauch die Verwendung der Wurzel in beiden Versen, was ebenso als Indiz frunterschiedliche Verfasserschaften gewertet werden kann. Whrend V. 1a einenInfinitiv Hifil (Kausativ, transitiv) verwendet, dessen Subjekt Jahwe ist, ist Elischain V. 11b selbst das Subjekt der finiten Verbform im Qal (intransitiv). Durch denEinbau Jahwes als Subjekt der Handlung wird der wundersamen Auffahrt in denHimmel eine theologische Dimension verliehen.

    Vgl. Schmitt, Elisa, 102. Nicht eindeutig zu beantworten ist die Frage, weshalb ein spterer Bearbeiter zwar am Sturmwindein besonderes Interesse zeigt, nicht aber an den feurigen Pferden. Zu vgl. 2Kn 6,1517; vgl. Lehnart, Prophet, 375; Schmitt, Entrckung, 9397 und weiterhin Ps 68,18; Jes 66,15;Ez 1,1521; Hab 3,8; Sach 14,5; 2Kn 23,11. Zu vgl. Hi 38,1; 40,6; Ps 107,25.29; 148,8; Jes 29,6;40,24; 41,16; Jer 23,19; 30,23; Ez 1,4; 13,11.13; Sach 9,14. Auffllig ist, dass es sich um eine andereTheophanie-Vorstellung handelt als in Ex 19 und vor allem in 1Kn 19. Whrend 1Kn 19,12 vonJahwe in einem erzhlt, wird hier mit dem Wort eine vllig andere Vorstellunggewhlt. Dass es sich dabei um eine bewusste Gegenkonzeption handelt, will m.E. jedoch auchnicht recht einleuchten, hierfr wrde man eher die aus 1Kn 19,11 erwarten. Zu

    2.2 Literarkritik 2Kn 2 17

  • Die Formulierung in V. 1b ist insofern bemerkenswert,als zuvor vonGilgal in der Gesamtheit der Knigebcher noch nicht die Redewar.

    Eine weitere Spannung findet sich bezglich der Vorstellung, wie genau dieEntrckung vonstattengeht. In den Versen 9 10 beschreibt die Wurzel imPassiv die Hinwegnahme Elias von Elischa ( / ). Es wird nichtausgesagt, wer der Hinwegnehmende ist. In den Versen 3 und 5 wird hingegenJahwe als Subjekt des Hinwegnehmens genannt ( im Aktiv). Nach dieserVorstellung geschieht die Hinwegnahme Elias ber den Kopf Elischas hinweg(zweimal ). In V. 1 und 11 wiederumwird der Vorgangmitder Wurzel formuliert (V. 1 im Hifil, dessen Subjekt Jahwe ist, in V. 11 im Qal,dessen Subjekt Elischa ist).

    Nachdem Elia und Elischa in V. 12 durch den feurigen Wagen und die Pferdegetrennt werden, wird festgestellt, dass Elischa dies sieht. Im gleichen Vers wirdkurz darauf festgehalten, dass Elischa Elia nicht mehr sehen kann. Durch dieEinfgung der Partikel wird zwar auf der Ebene des Endtextes der Anscheinerweckt, Elischa habe Elia zunchst noch (dieses noch hat kein quivalent imhebrischen Text und wird vom Leser unbewusst eingefgt) gesehen, ihn spteraber nicht mehr ( ) sehen knnen. Der Leser wrde nicht ohne weiteres eineNotiz darber erwarten, dass Elischa den Vorgang der Trennung und Aufnahme inden Himmel sah, auer es wurde vorher besonderes Gewicht auf den Vorgang desSehens gelegt, wie in V. 10. Die Notiz, dass Elischa Elia nicht mehr sieht in V. 12a,wirkt hingegenvllig natrlich undwrde sich organisch an denAkt der Trennungder beiden in V. 11 anschlieen.

    Noch ein weiteres Indiz unterstreicht die Vermutung, dass es sich bei denVersen 11 und 12 um eine redaktionelle Nahtstelle handelt.Whrend in V. 11 von

    (Pferde) die Rede ist, enthlt der Ausspruch in V. 12a eine andere Wurzel (Gespann), obwohl doch im Endtext der Eindruck entsteht, der Anblick der feu-rigen Pferde habe Elischa zu demAusruf in V. 12amotiviert. Dies knnte ein Indizdafr sein, dass der Ehrentitel fr Elia an dieser Stelle sekundr verwendet wurdeund seinen Ursprung in der Elischa-berlieferung hat. Er knnte dem Bearbeiterdieser Stelle als redaktionelle Klammer dienen, um die Elia- und die Elischa-berlieferung miteinander zu verbinden. Der Ausspruch, der in 2Kn 13,14 den

    Vorstellungen von Wind oder Sturm im Zusammenhang mit Theophanien vgl. weiterhin Ps 18,11;50,3; Nah 1,3; Sach 9,14. Erst im weiteren Verlauf der Elischa-Erzhlungen wird Gilgal in 4,38 als der Ort der Pro-phetenschule des Elischa erwhnt. Obgleich die andere Erzhlung ber den Ort der Prophe-tenschule in 6,17 unlokalisiert bleibt, widersprechen die Umschreibungen in 6,1 f (Nhe zumJordan) nicht einer Lokalisation in Gilgal. Vgl. Levine, Spirit, 3846.

    18 2 Literarkritische Analyse

  • Tod Elischas markiert, wird auch an das Ende Elias platziert und verklammert sodie beiden berlieferungen miteinander. Da sich der Ausspruch aufgrund derSemantik nicht nahtlos in den Kontext von 2Kn 2,12 einfgt und eher der Cha-rakteristik Elischas als der des Elia entspricht, gehe ich vorlufig davon aus, dasser in 2Kn 13,14 seinen ursprnglichen Ort hat und in 2Kn 2,12 sekundr ist.

    Besonders schwierig gestaltet sich weiterhin das Verstndnis der Bege-benheiten unmittelbar vor der Entrckung. Die Abschiedsreise, die Elia undElischa in 2Kn 2,26 zu den verschiedenen Prophetenjngerschaften in Bet-Elund Jericho fhrt, wirkt auf den Leser befremdlich. Auffllig ist die formelhafteSprache, die prima facie wie eine Ansammlung schlichter Dubletten wirkt(zweimal: ; dreimal: ).Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass es fr die Schwurformel noch eineweitere Parallele auerhalb der Himmelfahrtserzhlung gibt (

    in 2Kn 2,2.4.6 und 2Kn 4,30). Zudem findet sich im Vergleich zu denumliegenden Versen in V. 26 eine auffllige Hufung des Jahwe-Namens(achtmal in fnf Versen).

    Aufgrund der beobachteten Spannungen und der auergewhnlichen Spra-che in V. 26 unterscheiden sich diese Verse deutlich vom umgebenden Text undes liegt nahe, dass es sich um eine sekundre Erweiterung handelt. V. 7 wrdesomit anschlieen an die ursprngliche Einleitung in V. 1b. Der Grund fr diesekundre Nennung der Prophetenjngerschaften aus Bet-El und Jericho knntein einer besonderen Wichtigkeit dieser Gruppen bzw. der Orte und ihrer religisenRelevanz liegen.

    Im Verlauf des Kapitels finden sich weitere Spannungen und Dubletten, wieetwa inV. 14, in demder Schlag auf dasWasser durch Elischa zweimal erzhltwird.Ebenso stellen V. 13a und V. 14a bis auf das einleitende Verb eine Dublette dar.Zwischen den beiden Erwhnungen des Schlages findet sich der Ruf nach Jahwe,dem Gott Elias. Durch das Voranstellen des Rufes vor den Schlag auf das Wasserwird diese Handlung in Zusammenhang mit Jahwes Macht gestellt. Meines Er-achtens weist V. 14a eine hnlich theologisierende Tendenz auf wie V. 26. Zudemarbeitet auch diese Erweiterung mit einer rhetorischen Frage ( )

    Vgl.Wrthwein, Knige II, 275.365; Schmitt, Elisa, 103 f; Hentschel, 2Knige, 10; Galling,Ehrenname, 129 f u.a. Die Herkunft und genaue Bedeutung dieses Ehrentitels wird daher bei derAnalyse von 2Kn 13,14 untersucht werden. Vgl. Kapitel 2.4. dieser Arbeit. Vgl.Wrthwein, Knige II, 274. Mglicherweise wurde der Eifer des Petrus in Mt 26,33 unddas dreifache Gebet Jesu in Mt 26,3845 in Anlehnung an das Schema von Rede und Gegenredein 2Kn 2,26 formuliert; vgl. Wiseman, Kings, 207.

    2.2 Literarkritik 2Kn 2 19

  • hnlich wie V. 3.5 und geht aus diesen Grnden wahrscheinlich auf den gleichenBearbeiter zurck.

    Die Verse 13 und 14a drcken die Aufnahme des Mantels zudem mit unter-schiedlichen Verben aus.Whrend V. 13 dieWurzel verwendet, gebraucht V. 14adieWurzel undgreift damit offenbar V. 8a auf,um die Tat Elischasmit der Eliaszu parallelisieren. Die Parallelitt von V. 13b.14a zu V. 7b.8 stellt wahrscheinlicheine durch redaktionelle Arbeit geschaffene exakte Parallelisierung Elischas undElias dar, mit der verdeutlicht werden soll, dass der Geist des Elia tatschlich aufElischa ruht und diesen zu den gleichen Wundertaten befhigt.

    Dass durch die Einfgung von V. 14a eine so augenscheinliche Dopplung desSchlagens entsteht, scheint der Redaktor bewusst hinzunehmen und erzeugtdadurch den Anschein, der Erfolg des zweiten Schlages verdanke sich dem ZutunJahwes, der, durch Elischa in V. 14a herbeigerufen, nun selbst bei der Teilung desJordan wirke.

    Schwierig zu verstehen und deshalb in den Verdacht geraten, ebenfalls se-kundr zu sein, ist die Phrase in V. 14b. Siehtman in V. 14a,wie geschehen,eine sekundre Erweiterung, erschliet sich der Sinn dieser Formulierung jedochdeutlich besser. Im Anschluss an V. 13 betont das , dass nun auch Elischa,wie zuvor Elia in V. 8, auf das Wasser schlagen und es auf diese Weise teilen kann.Bereits diese Formulierung der Grundschicht lsst den Leser zu der Erkenntnisgelangen, dass der Geist Elias nun auch auf Elischa ruht.

    Auch zwischen V. 15 und V. 16 scheint eine redaktionelle Nahtstelle zu liegen,wie die folgenden Beobachtungen zeigen werden.Whrend die Prophetenjngerin V. 3 und V. 5 wissen, dass Elia im Folgenden entrckt werden wird, scheinen siein den V. 16 18 berhaupt nicht im Bilde zu sein,was mit Elia geschehen ist, undvermuten, er befinde sich noch in der nheren Umgebung. Im gleichen Wider-spruch stehen die Machtanerkennung Elischas in V. 15 und die Bitte um die Suchenach Elia in V. 16.

    Vgl. Schmitt, Entrckung, 4953, der versucht, diese Schwierigkeiten textkritisch zu er-klren. M. E. geben die Hinweise auf die griechische Textberlieferung in diesem Fall allerdingskeinerlei Aufschluss ber den ursprnglichen hebrischen Text, sondern zeigen allein, wie sichdie bersetzer des Textes sichtlich schwer taten, diese Dublette und das zu verstehen undwiederzugeben, statt die Stelle einfach dem griechischen Sprachempfinden anzupassen und zugltten. Diese Einschtzung deckt sich mit dem Urteil Wevers ber die gesamte bersetzung derSeptuaginta fr den Textbereich von 1Kn 222Kn 25: [] this is a wooden translation andalmost slavish word-for-word rendering of the Hebrew. Wevers, Principles, 55.

    20 2 Literarkritische Analyse

  • Obwohl es nach V. 7 insgesamt fnfzig Prophetenjnger sind, die Elia undElischa an den Jordan begleiten, nennt V. 16 fnfzig starke Mnner unter denProphetenjngern, was auf eine grere Gesamtzahl schlieen lsst.

    Ebenso unterscheidet sich die Verwendung des Begriffes . Whrend in V.9.15 vom Geist Elias ( fem.) die Rede ist, spricht V. 16 vom Geist Jahwes ( mask.), der den Propheten weggetragen haben knnte.

    In 2Kn 2,15 wird sodann ein Spannungsbogen, der in V. 1.3.5.9 erffnet undentwickelt wurde, mit der Besttigung abgeschlossen, dass der Geist Elias aufElischa ruht.Vers 16 erffnet dann einen neuen Spannungsbogen, der sich um dieFrage nach dem Verbleib des Elia dreht. Diese Beobachtungen legen den Schlussnahe, dass es sich bei den Versen 16 18 um eine nachtrgliche Erweiterung derursprnglichen Himmelfahrtserzhlung handelt. Diese Erweiterung ist allerWahrscheinlichkeit nach unabhngig von der Bearbeitung in V. 26 und spteranzusetzen, da die Prophetenjnger in V. 26 um die Entrckung Elias wissen. Sienimmt die Spannung zwischen Wissen und Nichtwissen der Prophetenjnger-schaft offenbar bewusst hin, um die Widerstnde und Vermutungen der Leseraufzugreifen, es knne sich bei dem eben erzhlten Geschehen doch um etwasanderes als eine Himmelfahrt handeln. In dieser Erweiterung steckt eine mora-lische Tendenz, welche den Kleinglauben der Prophetenjnger und ihr man-gelndes Verstndnis fr das Geschehene desavouieren soll. Hierin liegt eine ge-wisse thematische Nhe zur Bearbeitung ber die Habgier Gehasis in 2Kn 5.

    Gleichzeitig soll durch diese Szene dem Leser der Zweifel an der Entrckung Eliasgenommen werden. Der Nachtrag legt besonderen Wert darauf, dass Elia wirklichentrckt ist, also nicht mehr auf Erden zu finden ist.

    Bemerkenswert ist weiterhin die Vorstellung in Bezug auf den Geist Jahwes,der jemanden hinwegtragen kann. So ist interessant, dass sich diese ebenso,wennauch nur theoretisch, zum einen bei Elia in 1Kn 18,12a und zum anderen in derneutestamentlichen Erzhlung von Philippus und dem Kmmerer aus thiopienin Act 8,2740 findet, an letzterer Stelle mit erstaunlichen Analogien zu 2Kn 2(vgl. Act 8,39a: ,

    Vgl. V. 16a: . Vgl. die sprachliche Verwandtschaft zu Num 11,25 und Jes 11,2. Die Geistvorstellung in 2Kn2,15 hat inhaltlich aber auch eine Nhe zur Geistvorstellung bei den Rettergestalten im Rich-terbuch vgl. Lehnart, Prophet, 376 f. Vgl.Wrthwein, Knige II, 274.276; Schmitt, Elisa, 105 f; Fritz, 2. Knige, 1214; Schmitt,Entrckung, 66 f.70 f; Stipp, Elischa, 45; anders urteilt bspw. Rof, Stories, 47. Vgl. Kapitel 2.5. dieser Arbeit; Schmitt, Elisa, 129 f. Es ist denkbar, dass in dieser Bearbeitung bereits eine gewisse Elia-Frmmigkeit ihrenNiederschlag gefunden hat oder zumindest entscheidend zu einer Ausbildung einer solchenElia-Frmmigkeit beigetragen hat.

    2.2 Literarkritik 2Kn 2 21

  • ). In Act 8 gibt es also auch dieVerbindung von Hinwegnahme durch den Geist mit der Bemerkung, dass derHinweggenommene nicht mehr gesehen wird. Dies ist ein deutliches Indiz dafr,dass der Autor dieses Verses 2Kn 2,12 als Vorlage fr seine Erzhlung verwen-dete.

    Gruppiert man also die vorliegenden Textbeobachtungen, so wird erkennbar,dass die Verse 1a.26.10 viele verbindende Elemente beinhalten. Neben derhufigen Nennung des Gottesnamens und der wiederkehrenden Formulierung

    verbindet das Thema des Sehens die Verse10 und 12a miteinander. Bei der Dublette zwischen V. 13 und 14a ist V. 14a auf-grund des Gebetes zu Jahwe als sekundr und auf einer Ebene mit V. 26 zubeurteilen. Die Verse 16 18 scheinen auf einer anderen Ebene zu liegen, wie dieunterschiedliche Verwendung des Begriffes und die Unterscheidung in Bezugauf den Vorgang der Hinwegnahme gezeigt haben. Diese Verse schreiben dieErzhlung fort und scheinen sekundr zu V. 1a.26.10.14a zu sein, da sie trotzunterschiedlicher Terminologie dennoch Bezug auf die Erwhnung der Hin-wegnahme Elias aus V. 1a.26 nehmen.

    Die Verse 1a.26.10.14a sind wiederum zum umliegenden Text sekundr, dasie fr sich genommen keinen sinnvollen Erzhlfaden bilden. So muss die Bitte inV. 9 erst vorgelegen haben, um in V. 10 eine Beurteilung durch Elia erhalten zuknnen.

    Die Grundschicht der Himmelfahrtserzhlung findet sich somit in den Versen2Kn 2,1b.79.11a.12a13.14b15 im Folgenden mit 2Kn 2,1 15* bezeichnet und schliet mit der Anerkennung der Macht Elischas durch die Prophetenjnger.Dabei fungiert die Gruppe der Prophetenjnger hnlich dem Chor in der grie-chischen Tragdie und erlutert und deutet dem Leser das Geschehene in einemabschlieenden exodos.

    Interessant ist, dass der Zielpunkt einer Erzhlung im Elia-Elischa-Zyklusmehrfach markiert wird, indem am Geschehen beteiligte Personen analog zumexodos in der griechischen Tragdie am Ende der Erzhlung die theologischeZentralbotschaft (stellvertretend fr den Leser) aussprechen. Man vergleiche etwaden Ausspruch der Witwe, deren Sohn Elia geheilt hat in 1Kn 17,24 (Nun weiich, dass Du ein Gottesmann bist); den Ausspruch Naamans in 2Kn 5,15 (Nunwei ich, dass es keinen Gott gibt, auer in Israel); den Ausruf des Volkes in 1Kn18,39 (Jahwe ist Gott, Jahwe ist Gott); die Akklamation Jehus zum Knig durchseine Freunde (Jehu ist Knig) in 2Kn 9,13. In diesem Fall wird die Teilung des

    Vgl. hierzu Kapitel 4.5.3. dieser Arbeit sowie weiterfhrend Ez 3,12.14; 8,3; 11,1.24; 43,5.

    22 2 Literarkritische Analyse

  • Jordan durch Elischa als Beweis dafr gedeutet, dass der Geist des Elia nun aufElischa ruht.

    Die Himmelfahrtserzhlung hat insgesamt das Ziel, Elischa als den recht-migen und wirkmchtigen Nachfolger Elias auszuweisen und erreicht ihrenZielpunkt daher in V. 15. Bereits V.9 bereitet diesen Zielpunkt vor, indem der Anteilam Geist Elias als Wunsch formuliert wird.

    Die ursprngliche Himmelfahrtserzhlung erfuhr eine zweistufige berar-beitung. Zunchst fgte ein Redaktor die Verse 1a.26.10.11b12a.14a ein.Wie inden nchsten Kapiteln zu sehen sein wird, finden sich im gesamten Kontext derElischa-Erzhlungen Spuren dieses Redaktors, der zumeist Jahwe als Urheber derWundertaten in den Kontext des Elischa-Zyklus einfgt, indem er beispielsweisedas Gebet Elischas an Jahwe vor die Wundertat schaltet. Diese Redaktion hat eintheologisierendes Interesse, die Wundertaten Elischas weniger als reine Magie,sondern vielmehr als Wunderwirken Jahwes durch Elischa darzustellen.

    In Kapitel 2 kommt noch ein weiteres Interesse dieser Redaktion zum Vor-schein. Sie verwendet in 12a den Ehrentitel ( ) aus 2Kn13,14 und fgt ihn hier ein, um den Elia- und den Elischa-Zyklus strker mitein-ander zu verbinden. Durch diese Einfgung werden die Enden der beiden Er-zhlzyklen ber Elia und Elischa einander angeglichen.

    ImAnschluss an diesen Redaktor fgt eine sptere Redaktion die Episode in V.16 18 an die Himmelfahrtserzhlung an. Diese Redaktion scheint einemoralischeTendenz und ein besonderes Interesse an den Prophetenjngern zu haben. DieErweiterung arbeitet den Unglauben der Jngerschaft in Bezug auf Elias Him-melfahrt heraus und thematisiert damit auch gleichsam den Unglauben der Le-serschaft. In dieser moralischen Intention der Redaktion liegt eine Parallele zurErweiterung der Naaman-Erzhlung in 2Kn 5,15b17a.19b27, die die HabgierGehasis zum Thema macht. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass beide Erwei-terungen vom gleichen Bearbeiter stammen.

    Die Analyse der Himmelfahrtserzhlungund ihrer Charaktere zeigt, dass 2Kn2 vornehmlich Teil der Elischa-berlieferung ist, da hier Elischa und nicht Elia imMittelpunkt der Erzhlung steht.

    Vgl. 2Kn 4,1a.27b.30a.33.43b.44b; 2Kn 5,48.11 13.15a; 2Kn 6,15b18 (einzelne Ein-fgungen) etc. Ein weiteres Beispiel fr die redaktionelle Einschaltung Jahwes findet sich in derFormulierung in 2Kn 13,17b; vgl. Ott, Analogiehandlungen, 41. Vgl. weiterhin die ausfhrlichere Analyse des Titels in Kapitel 2.10. dieser Arbeit. Zum Konzept des Geistes Jahwes, der Menschen hinweg trgt vgl. 1Kn 18,12; vgl. weiterhinEz 3,12.14; 8,3; 11,1.24; 43,5. Anders als in 1Kn 19,1921. Viele der oben genannten Bezge und wrtlichen berein-stimmungen mit anderen Stellen der Elischa-berlieferung sttzen diese Beobachtung. Vgl.

    2.2 Literarkritik 2Kn 2 23

  • Ein weiteres Detail innerhalb der Erzhlung untersttzt zustzlich diese An-nahme. Die schwierige Phrase in V. 9b hat zu zahlreichenErklrungsversuchen gefhrt. Viele Untersuchungen verweisen auf die Regelungin Dtn 21,17, nach der zwei Drittel des Erbes fr den Erstgeborenen vorgesehensind.

    Mglicherweise spielt der Autor von 2Kn 2 aber auch bewusst mit derZweideutigkeit des Begriffes und hat gleichzeitig auch den doppeltenAnteil im Sinn. Er geht davon aus, dass die Beziehung von Elischa zu Elia dereines Vaters zu seinem Erstgeborenen hnlich ist, ist sich zugleich aber auchbewusst, dass die Wundertaten des Elischa die des Elia im Folgenden berragen.Es ist davon auszugehen, dass dem Autor der Himmelfahrtserzhlung die Wun-derepisoden des Elischa bereits vorlagen und somit auch die Tatsache, dass diesesowohl in Zahl als auch Wirkung die des Elia berschreiten. So scheint derBegriff diese inhaltliche Verlegenheit abfedern zu wollen.

    Offensichtlich verstand auch der antike Leser die Phrase in 2Kn 2,9 in dieserWeise, wie aus der Erluterung in Manuskript B des Hebrischen Sira abgelesenwerden kann.

    Sir 48,12 (MS B):

    [ ] [ ][] [ ]

    Auf literarhistorischer Ebene untersttzt diese Interpretation die Gesamtannahmeder Untersuchung ebenso wie die zahlreicher anderer Arbeiten der vergangenenJahrzehnte, dass die Wundererzhlungen zum ltesten Kern der Elischa-berlie-ferung, die Sukzessionserzhlungen hingegen zum jngsten Bestand der Elia-Elischa-Erzhlungen zhlen.

    Schmitt, Entrckung, 131 f; Gunkel, Geschichten, 15; anders: Conrad, Elija-Geschichte, 263271. Vgl. Noth, Ursprnge, 20; Wrthwein, Knige II, 275. Vgl. ebenso Levine, Spirit, 2546; Bodner, Profile, 162 f; Feldman, Studies, 341; Zimmer-mann, Kompendium, 645 und die dort jeweils zitierten Midrasch-Auslegungen, die auf einedoppelte Anzahl von Wundern hinweisen. Vgl. Vattioni, Ecclesiastico, 263. Dieses Bicolon (48,12cd) findet sich zwar nicht in G, wohlaber in Syr. Vgl. Einheitsbersetzung: Elija ist im Wirbelsturm entschwunden, Elischa wurdemit seinem Geist erfllt. Doppelt so viele Zeichen wirkte er, zu Wundern wurden alle Worte ausseinem Mund. Solange er lebte, hat er vor niemand gezittert, kein Sterblicher hatte Macht berseinen Geist. Anders interpretiert wird Sir 48,12cd von Skehan/Di Lella, Wisdom, 534. Vgl. Schmitt, Elischa, 107; Wrthwein, Knige II, 273 f; Otto, Jehu, 261 f.

    24 2 Literarkritische Analyse

  • Mit der Forderung nach einem zweifachen Anteil vom Geiste Elias knnte derAutor versucht haben, das Ungleichgewicht an Fhigkeiten zwischen Meister undSchler auszugleichen. Zu jenem Ungleichgewicht ist es gekommen, da Elia undElischa zu einem bestimmten Zeitpunkt im Prozess der redaktionellen Arbeit anden Knigebchern in das Verhltnis von Meister und Schler bzw. Vorgngerund Nachfolger gestellt wurden, in dem sie nicht ursprnglich standen.

    Ein weiteres Problem in der Analyse stellen die geografischen Informationenin 2Kn 2,16 (Gilgal, Bet-El, Jericho, Jordan) dar. In 2Kn 2 wird dem Leser wedereine Erklrung fr die spezifische Anordnung von Ortschaften gegeben, noch istaus dem Kontext ersichtlich, weshalb Elischa diese Orte berhaupt aufsucht. Dieeinzige augenscheinliche Gemeinsamkeit, die diese Orte haben, liegt darin, dasssie alle in den Wundertaten Elischas in den folgenden Kapiteln auftauchen wer-den.

    Basierend auf den berlegungen zur Genese des gesamten Elischa-Zyklus istes m.E. wahrscheinlich, dass das Itinerar in 2Kn 2 vorausweisend eine Art Karteder Wundertaten des Elischa zeichnet.

    2.2.1.1 Exkurs zu den SukzessionstextenBetrachtet man zusammenfassend die bis hierhin analysierten Texte, die allesamtdie Thematik der Nachfolge behandeln, zeigen sich einige interessante Diver-genzen. Dass sich alle drei dem gleichen Bearbeiter verdanken, ist bereits auf-grund der verschiedenen thematischen und theologischen Storichtungen derTexte eher unwahrscheinlich.

    In Bezug auf die Berufung Elischas erscheinen die beiden Texte in 1Kn 19,1921 und 2Kn 2,1 15* zunchst wie eine Dublette. Beide Episoden erzhlen, wieElischa zum Nachfolger Elias wurde. Beide sind allein durch das Schlsselwort

    miteinander verbunden, verweisen sonst aber nicht aufeinander.Greift man die von Schmitt aufgeworfene Frage nach der entstehungsge-

    schichtlichen Abfolge der drei Sukzessionstexte auf, mssen aufgrund der

    Eine nhere Analyse des Sukzessionsverhltnisses wird in Kapitel 2.2.1.1. der vorliegendenArbeit geboten. Gilgal in 2Kn 4,38; Bet-El in 2Kn 2,23; Jordan in 2Kn 6,2.4; Jericho rekonstruiert in 2Kn2,1922.Vgl. Schmitt, Entrckung, 75.139. Fr weitere Beobachtungen zum Itinerar s.u. zu 2Kn2,25. Anders urteilen Cogan/Tadmor, II Kings, 34. Vgl. Gray, Kings, 472. Vgl. Schmitt, Elisa, 180 187.

    2.2 Literarkritik 2Kn 2 25

  • sprlichen literarkritischen Indizien auch inhaltliche Fragen in die berlegungeinbezogen werden.

    Zunchst ist deutlich, dass von 1Kn 19,1518 eine Reihe anderer Erzhlungenim Bereich von 1Kn 192Kn 13 (Jehu-Revolution, Putsch Hasals, Verbindungvon Elia- und Elischa-Erzhlungen) vorausgesetzt werden. Daher ist anzunehmen,dass es sich bei 1Kn 19,15 18 um einen der jngsten Texte innerhalb des Elischa-Zyklus und insofern auch um den jngsten der Sukzessionstexte handelt. DieTatsache, dass ein spter Redaktor die Spannung zu den anderen Sukzessions-vorstellungen hingenommen hat, knnte wie oben bereits angedeutet in einembesonderen theologischen Interesse an dem Salbungsbegriff begrndet sein.

    Zwischen 1Kn 19,1921 und 2Kn 2,1 15* stellt, wie oben bemerkt, dasSchlsselwort die einzige augenscheinliche Verbindung her. In 1Kn 19,1921 erfllt der Mantel dabei keine magische Funktion, sondern markiert offenbarlediglich eine Indienstnahme des Elischa durch Elia. In 2Kn 2,1 15* hingegen istder Mantel magisch funktionalisiert.

    Die Himmelfahrtserzhlung wirkt auch in anderen Belangen in weitaus gr-erem Mae theologisch aufgeladen als 1Kn 19,1921.

    So enthlt die vorliegende Erzhlung von der Himmelfahrt Elias einige au-genfllige Analogien zur Nachfolge vonMose und Josuaund scheint die Nachfolgevon Elia und Elischa in Analogie dazu gestalten zu wollen. Die Teilung des Jordanzunchst durch Elia, dann durch seinen Nachfolger Elischa erinnert den Leserunweigerlich an die Teilung des RotenMeeres durchMose in Ex 14 und die Teilungdes Jordan durch Josua in Jos 3.

    Elia verschwindet zudem stlich des Jordan vom Angesicht der Erde analogzum Tod des Mose im Ostjordanland. Die antiken Autoren bzw. Redaktorenplatzierten bewusst diese und weitere Referenzen und Anspielungen in dieKomposition von 2Kn 2.

    Drei weitere bemerkenswerte Beispiele von Intertextualitt sollen in diesemZusammenhang nicht ungenannt bleiben. Die Teilung des Jordan und derDurchzug der von zwlf Priestern getragenen Bundeslade in Jos 3,7 17 fhrt zurAufstellungder zwlf Steine (vgl. Jos 4,15,1), die sodann den Steinkreis von Gilgal

    Der magische Anstrich der Berufungserzhlung in 1Kn 19,1921 und der Sukzessionser-zhlung in 2Kn 2 unterscheidet die Berufung Elischas deutlich von den ProphetenberufungenJesajas, Jeremias und Ezechiels, bei denen neben allen anderen Unterschieden Jahwe erheblichstrker im Vordergrund steht als bei Elischa. Viele Exegeten gehen aufgrund dessen davon aus, dass es sich bei 1Kn 19,1921 um denlteren dieser beide Texte handelt, vgl. Schmitt, Elisa, 102; Wrthwein, Knige II, 366368;Otto, Jehu, 191 193.220223. Vgl. Blenkinsopp, History, 76.

    26 2 Literarkritische Analyse

  • bilden. Weiterhin spielt das Land, welches unfruchtbar macht in 2Kn 2,19, aufden Fluch des Josua aus Jos 6,26 an, der in 1Kn 16,34 seine Wirkung entfaltet. InNum 27,1823 schlielich wird auch Mose um einen Anteil an seiner Gabe (indiesem Fall seiner Autoritt ,V. 20) fr seinen Nachfolger Josua gebeten. Auchhierin liegt eine Parallele zur bergabe des Amtes auf den Nachfolger, wie siezwischen Elia und Elischa in 2Kn 2,9 dargestellt ist.

    Betrachtet man 1Kn 19,1921 genauer, so fllt auf, dass auch in dieser kurzenErzhlung einige Andeutungen enthalten sind, die von einem hohen theologi-schen Reflexionsniveau zeugen. Zunchst sei die Erwhnung der Zwlferzahlgenannt. Ebenfalls nur in Andeutung scheint 1Kn 19,21 auch bereits das Nach-folgeverhltnis von Mose und Josua vor Augen zu haben, indem das Dienen Eli-schas mit dem Verb ausgedrckt wird.

    Diese Analogien zwischen Mose/Josua und Elia/Elischa sind zwar in 2Kn2,1 15* wesentlich strker ausgeprgt, doch baut 2Kn 2,1 15* die Andeutung aus1Kn 19,1921 vielleicht bewusst aus und stellt insofern keine Dublette, sonderneine Einheit mit ihr dar.

    Die Himmelfahrtserzhlung bietet ber 1Kn 19,1921 hinaus eine Erklrungdafr, warum Elia nach 2Kn 2 nicht mehr auftaucht; 1Kn 19,1921 lie dieseFrage offen.Weiterhin liefert die Himmelfahrtserzhlung in 2Kn 2 eine schlssigeHerleitung, weshalb der Bauer Elischa fortan in der Lage ist, groe Wunder zuvollbringen. Whrend er in 1Kn 19,1921 nur zum Diener Elias berufen wurde,wird er mit 2Kn 2,115* durch dessen Geist zu ebenso groen (oder gar greren)Taten bevollmchtigt. Man kann daher 2Kn 2,1 15* gut als Fortsetzung von 1Kn19,1921 verstehen; umgekehrt ist dies nicht mglich. Ob es sich tatschlich umeine Fortsetzung aus einer Hand oder um eine Fortschreibung eines anderenBearbeiters handelt, wird in der redaktionsgeschichtlichen Rekonstruktion noch-mals zu prfen sein.

    Vgl. 2Kn 2,1; 4,38. Vgl. weiterhin Num 11,25. Vgl. Ex 17,8ff; 24,13; 33,1 sowie die Bezeichnung Josuas als Diener Moses mit dem Partizip Piel

    in Num 11,28; Ex 33,11; Jos 1,1 (hier im Unterschied zu Mose, der genannt wird). Zur Parallelitt zwischen Mose und Elia vgl. etwa 1Kn 18,2040 und Ex 7,820; 1Kn 19,8und Ex 3,1ff; vgl. weiterhin Schmitt, Entrckung, 134 137; Fohrer, Elia, 5557; Feldt, Fan-tastic, 203206; Carroll, Sagas, 6065; Levine, Spirit, 3537.

    2.2 Literarkritik 2Kn 2 27

  • 2.2.2 2Kn 2,1922: Die Heilung einer Quelle

    In dieser kurzen Erzhlung findenwir erstmals dasMotivder persnlichenNot, diean Elischa herangetragenwird. DieMnner der Stadt wenden sich in demGlaubenan ihn, er knne mithilfe seiner besonderen Fhigkeiten Abhilfe fr die krank-machende Quelle schaffen und so das zuknftige Leben in der Stadt ermglichen.

    Formal hnelt die Erzhlung in ihrem Aufbau und ihrer Lnge den kurzenWunderepisoden aus 2Kn 4 (zum Beispiel 4,3841) und 2Kn 6 (zum Beispiel6,17*). Die Episode besteht aus nur vier Versen und kommt mit wenigen Per-sonen aus, die bis auf Elischa unbenannt und unerlutert bleiben. Die Mnnerder Stadt bleiben anonym und werden nur in ihrer Funktion fr die Erzhlungeingefhrt. Der Spannungsbogen wird durch ein Problem erffnet, welches zumEnde der Erzhlung durch Elischas bernatrliches Eingreifen gelst wird.

    Der Erzhlung fehlt allerdings eine eigenstndige Einleitung. Sie setzt ein mitder Rede der Mnner aus einer nicht nher spezifizierten Stadt (Einleitung imNarrativ). Allein die Stellung der Erzhlung im Kontext des Kapitels impliziert,dass es sich umdie Stadt Jericho handelnmuss. In derenNhe hatte sich in V. 1 18die Entrckung Elias abgespielt.

    Wrthwein schliet daraus, dass die ursprngliche Einleitung der kleinenWunderperikope beim Einbau der Entrckungserzhlung in dieselbe eingear-beitet wurde und vor 2Kn 2,19 einst V. 18a gestanden und die Einleitung gebildethabe.

    Im vorliegenden Beginn der Erzhlung in V. 19 ist die Redeeinleitung derMnner im Plural formuliert ( ). Das Possessivsuffix im ange-schlossenen Nachsatz ( ) hingegen ist im Singular formuliert. DiesesSuffix der 1.Person Singular knnte implizit auf einen bestimmten Sprecher ge-deutet werden, der durch die Redeeinleitung jedoch nicht hervorgehoben wurde.

    Lose eingefgt ist in V. 21 die Botenspruchformel. Die Redeeinleitungmit und die nach der Botenspruchformel folgende Verbform in der 1. Person Singular

    deuten an, dass es sich ursprnglich um eine Elischa-Rede gehandelt habenknnte. Die Form kommt als Redeeinleitung zur Botenspruchformel nur insehr wenigen Fllen im Alten Testament vor; bis auf eine wortgleiche Formulie-rung der Chronik finden sich alle in den Knigebchern. Zudem wird in V. 22Rckschau auf das vollbrachte Wunder gehalten und Rekurs auf die Worte Eli-schas und nicht Jahwes genommen. Diese Spannung und die lose Einbindungder Botenspruchformel implizieren, dass es sich bei der Botenspruchformel aller

    Vgl. Wrthwein, Knige II, 277. Vgl. 1Kn 20,13 f.28; 22,11; 2Kn 2,21; 3,16 und 2Chr 18,10//1Kn 22,11.

    28 2 Literarkritische Analyse

  • Wahrscheinlichkeit nach um eine theologisierende Erweiterung handelt.Ohne dieBotenspruchformel erscheint der Heilungsbefehl ganz organisch als Elischa-Redeund nicht als Jahwewort.

    In dermehrfach diskutierten Frage,wie die Verbform in V. 21 zu lesen ist,lsst der Konsonantenbestand m.E. nur die Deutung des Verbs (heilen) zu. Obdie grammatisch unkorrekte Punktation in V. 21, wie auch in der Rckschau in V.22, mglicherweise sogar midrasch-artig auf das Verb (weich machen) hin-weist, ist m.E. nicht eindeutig zu entscheiden.

    Die magische Handlung des Salzstreuens aus einer neuen Schale in V. 20 fwird von der Sekundrliteratur nicht erschpfend erklrt. Fritz beobachtet indieser Erzhlung eine Verbindung eines wirkmchtigenWortes mit einem Zeichenund schliet daraus, dass es sich nicht um einenmagischen Akt handelt. Dass essich um einen magischen Akt handelt, ist jedoch aufgrund des Erzhlverlaufeskaum zu bestreiten.

    Die Wendung bis zu diesem Tag in V. 22 mutet zunchst wie eine tiologiean. Da allerdings auf die Quelle und den genauen Ort kein Bezug genommen wirdund auch keine Neubenennung der Quelle erfolgt, handelt es sich nicht um einetiologie im engeren Sinne.

    Vgl. Lehnart, Prophet, 379; anders votiert Wrthwein, Knige II, 277, der trotz der Span-nung zu dem Schluss gelangt, auch V. 22b sei sekundr, diese Entscheidung jedoch unbegrndetlsst. Vgl. dazu 2Kn 4,17; 5,14; 6,18; 8,2. Vgl. Sperber, Waters, 114116. Sperber glaubt, dass diese durch Punktation angedeuteteVerbform den Vorgang der gleichzeitigen Entsalzung des Wassers implizieren mchte. Obwohl an dieser Stelle die Perfektform gebraucht wird, ist eine prsentische bersetzungan dieser Stelle angebracht, da das Perfekt m.E. verwendet wurde, um auszudrcken, dass mitdem Gebrauch des Wortes gleichzeitig der Abschluss der Handlung verbunden ist; vgl. Ehrlich,Randglossen, 282. Der Begriff in V. 20 ist ein Hapax Legomenon im Alten Testament. Nach Beobach-tungen Rendsburgs ist der alttestamentlich gebruchlichere Begriff fr Schale (vgl. 2Kn21,13; 2Chr 35,13; Prov 19,24; 26,15), wohingegen vor allem in tannaitischen Texten vor-kommt; vgl. Rendsburg, Israelian Hebrew, 82f. Meines Erachtens sitzt Fritz hier einem christlich-theologischen Verstndnis einer Sakra-mentshandlung auf. Gerade die literarkritisch rekonstruierte sekundre Hinzufgung der Bo-tenspruchformel scheint diese Abwehr eines zu magischen Verstndnisses zu intendieren.Ebenso wird in der Geschichte von der Wiederbelebung des Sohnes der Schunemiterin in 2Kn4,1837 durch die Hinzufgung eines sekundren Gebetes zu Jahwe in 4,33 die magischeHandlung in 4,34 theologisiert. Aufgrund dieser sekundren Hinzufgungen ist es nichtschlssig, den Begriff der Magie zugunsten einer wortinduzierten Zeichenhandlung auszu-schlieen, wie von Fritz vorgeschlagen, vgl. Fritz, 2. Knige, 15. Vgl. Fritz, 2. Knige, 15. Geoghegan (Redaction, 114 116) sieht in der Formulierung bis zudiesem Tag die Handschrift des deuteronomistischen Historikers, der hier wie auch in 2Kn 8,22und an anderen Stellen innerhalb der Knigebcher diese Formulierung einfgte. Ebenso wie

    2.2 Literarkritik 2Kn 2 29

  • Weniger offensichtlich als die Parallelen zu Mose innerhalb der Himmel-fahrtserzhlung, aber ebenfalls bemerkenswert ist die Tatsache, dass auch dieAnordnung der Elischa-Erzhlungen in 2Kn 2 bewusst die Abfolge der Exodus-Erzhlung nachzubilden scheint. Das erste Wunder, das von Elischa nach derTeilung des Jordan erzhlt wird, ist die Heilung der krankmachenden Quelle,indem er Salz in das Wasser der Quelle wirft. Ebenso ist auch das erste Wunder,welches Mose nach dem Durchzug durch das Schilfmeer fr die murrenden Is-raeliten wirken muss, die Heilung einer Quelle, der Quelle von Mara in Ex 15.

    Der Bearbeiter von 2Kn 2 scheint die Abfolge der Episoden bewusst an dieAbfolge der Exoduserzhlung angeglichen zu haben und in diesem Zuge dieHimmelfahrtserzhlung in 2Kn 2,115* vor 2Kn 2,1922 gestellt zu haben.Wahrscheinlich entnahm dieser Bearbeiter 2Kn 2,1922 und 2,2325 einer l-teren Sammlung kurzer Elischa-Wunderepisoden und platzierte sie an ihren ge-genwrtigen Ort und in der gegenwrtigen Abfolge hinter die von ihm erstellteHimmelfahrtserzhlung. Diese Abfolge sollte auerdem dazu dienen, dem Lesernun Beweise dafr zu liefern, dass Elias Geist wirklich auf Elischa ruht und diesemdie Fhigkeit verleiht,Wunder zu wirken.

    Ausgehend von diesen Beobachtungen scheint es offensichtlich, dass derAutor von 2Kn 2 Elia der Figur des Mose dem Ideal aller Propheten nach-gestalten wollte und daraus resultierend Elischa als den Typus Nachfolger an-gelehnt an Josua gestaltete. Wahrscheinlich grndet sich die Intention diesesAutors auf der Botschaft von Dtn 18,18.

    die Annahme, hinter den Bearbeitungen des deuteronomistischen Historikers stecke (aus demNordreich stammende, nach 722 v.Chr. in Jerusalem ansssige) levitische Theologie, was man anden Verweisen auf Mose-Tora und Bundeslade erkennen knne, erscheint mir dieser Schlussjedoch zu vorschnell und zu optimistisch in Bezug auf die Mglichkeit, aus literarischen Ten-denzen unmittelbar auf historische Sachverhalte schlieen zu knnen (wie etwa die JosianischeReform, vgl. hierzu Geoghegan, Redaction, 118). Vgl. hierzu weiterhin Num 20,211; vgl. Culley, Studies, 78 f. Zustzlich zu den inhaltlichen Analogien finden sich auch semantische Entsprechungenzum Vorgang des Werfens (in 2Kn 2,21 und Ex 15,25) und zum gleichen Gebrauch derWurzel in 2Kn 2,21 und Ex 15,26. Vgl. Long, 2 Kings, 21. Vgl. Schmitt, Entrckung, 134 137; Carroll, Sagas, 56 f. Vgl. Kratz, Propheten, 30; Carroll, Sagas, 57 f.

    30 2 Literarkritische Analyse

  • 2.2.3 2Kn 2,2325: Strafe fr die spottenden Knaben

    Bei dieser Geschichte handelt es sich erneut um eine kurze, episodische Wun-dererzhlung, die von einem Strafwunder Elischas erzhlt und einen strkermoralischen als erbaulichen Charakter hat.

    Die Einleitung in V. 23 schliet verhltnismig lose an die vorherige Er-zhlung an, indem siemit von sich aus offen lsst,woElischasWeg seinenAnfang nahm. Der Ort des Geschehens wird hingegen mit Bet-El klar lokalisiert.Nachdem Elischa von den Jungen der Stadt wegen seiner Kahlkpfigkeit ver-spottet wird, verflucht er sie. Die Ausrufung des Fluches im Namen Jahwes in V.24a ist nach allem, was wir in der vorhergehenden Episode gesehen haben,mglicherweise wieder die Einfgung eines spteren Bearbeiters mit einer theo-logisierenden Intention. Die Zahl 42 erscheint in V. 24 erstmals in der kurzenEpisode und hat keinerlei Verbindung zu dem vorher Erzhlten, sodass davonauszugehen ist, dass diese Zahl in Analogie zu anderen alttestamentlichen Textengewhlt wurde, in denen 42 als Todeszahl erscheint.

    Eine kontroverse Diskussion ist um das Itinerar in 2Kn 2,25 entstanden,ebenso wie um die Stationen in 2Kn 2,26. Bereits die grundlose Erwhnungeines Umweges ber den Karmel in 2,25, die erzhlerisch ohne Folgen bleibt,verwundert. Einige Ausleger deuten die genannten Orte Karmel und Samaria alsgespiegelte Stationen des Weges Elias in 1Kn 17 19. Diese Erklrungen erweisensich allerdings nur dann als hinreichend,wenn man mit redaktionellen Eingriffenrechnet, fr die es keine Belege gibt. Elischas Rckkehr nach Samaria etwa (in

    Dass die Kahlkpfigkeit, wie in der Sekundrliteratur hufig diskutiert, auf eine Art Tonsurhindeutet, lsst sich nicht aus dem Text belegen. Im Alten Testament findet sich kein Beleg freine prophetische Tonsur. Lev 13,40f beschreibt vielmehr einen vllig normalen Haarausfall beiMnnern, ohne andere Grnde fr Glatzkpfigkeit zu nennen. Als Zeichen eines Asketentums isthingegen eher das Tragen langen Haares bekannt, vgl. Num 6,121; Ri 13,125. Meines Erachtenszeigt die kurze und kommentarlose Erwhnung Glatzkopf, dass der Grund des Spottes ehereine erzhlerische Funktion erfllt und als Exposition fr die Verfluchung dient, als dass sieeine besondere inhaltliche Aussage treffen mchte. Anders urteilt Wrthwein, Knige II, 278. Vgl.Wrthwein, Knige II, 278. Der Akt der Verfluchung erscheint zwar auf den ersten Blickmoralisch verwerflich, steht aber in Kongruenz mit dem deuteronomischen Gesetz, vgl. Dtn 7,10;18,18 f. Zur Bedeutung der Todeszahl 42 vgl. Herrmann, Zahl, 150 152 sowie Levin, Atalja, 87;vgl. weiterfhrend Ri 12,6; 2Kn 10,12 14; Esr 2,24//Neh 7,28. Die Zahl 42 im Alten Testamentspielt nach Ansicht Herrmanns auf die Zahl der Richtergtter aus dem gyptischen Totenbuchan, vor denen der Verstorbene beim Totengericht Rechenschaft ablegt. Vgl. Hlscher, Geschichtsschreibung, 175; Burnett, Bethel, 281297; Wrthwein, KnigeII, 278; Schmitt, Elisa, 77; Stipp, Elischa, 351; Lehnart, Prophet, 380. Vgl. Lundbom, Ride, 3950, v.a. 41 f.; Stipp, Elischa, 56 f.

    2.2 Literarkritik 2Kn 2 31

  • den vorangegangenen Kapiteln ist er dort noch gar nicht gewesen) passt nicht indas Bild des gespiegelten Weges aus 1Kn 17 19.

    Stattdessen erzeugt V. 25b eine Verbindung zu 2Kn 3,1, whrend V. 25awiederum 2Kn 4,8ff vorzubereiten scheint. Die verschiedenen Orte in 2Kn2,26 deuten ebenso auf verschiedene Orte im fo