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C 4 PAPYROLOGIE C 4 PAPYROLOGIE Papyrologie ist die Bezeichnung für die Erfassung, Bearbeitung und Analyse der auf Papy- rus überlieferten Schriftquellen. Papyrus wurde aus der Papyrusstaude, einem Riedgras (Cy- perus Papyrus L), gewonnen, dessen Mark in Streifen geschnitten, fugenlos aneinander gefügt und im Verbundsystem zweilagig gepreßt wurde. Der Beschreibstoff war zunächst weiß bis gelblich, die typische Farbe der überlieferten Papyri entsteht durch Nachdunkelung. Erhebli- che Qualitätsunterschiede sind belegt; Plinius, Nat. Hist. 13, 74ff., berichtet von sieben Quali- tätsstufen. In der Kaiserzeit lassen sich Durchschnittsgrößen von 30 - 40 cm für die Höhe und 11 – 24 cm für die Breite eines Blattes errechnen. Die typische Form, in der die Blätter in den Handel kamen, war die Rolle, zu der die einzelnen Blätter zusammengeklebt wurden. Die Standardrolle scheint aus zwanzig Blatt bestanden zu haben. Die Pflanze und der Beschreib- stoff werden Papyrus oder b…blov (biblos) genannt. B…blov, bibl…on (biblion) o.ä. Worte verweisen auf das Buch, aber auch eine einzelne Urkunde; sie können auch eine Rolle be- zeichnen (lat.: volumen). Die im Handel angebotene Rolle heißt oft c£rthv (chartes). Be- schriftet wurden Papyri mit einem Schreibrohr (Kalamos) und meist schwarzer Tinte, die aus einem Gemisch von Gummi, Ruß und Wasser erzeugt wurde. In der gesamten Mittelmeerwelt wurde Papyrus als Beschreibstoff verwendet. Gefunden wurden Papyri in Mesopotamien, Dura-Europos und Palästina sowie verkohlt in Herculaneum und Derveni (bei Thessaloniki). Aber die Masse der heute bekannten Texte stammt aus Ägyp- ten. Ägypten war das größte Anbaugebiet (die Herstellung des Beschreibstoffes ist nur hier belegt). Zudem hatte Papyrus wegen der Empfindlichkeit des Riedgrases gegen Feuchtigkeit nur in heißem, trockenem Klima eine Überlebenschance. Aus diesem Grunde gibt es auch kaum Texte aus der Hauptstadt des griechisch-römischen Niltales, des im Nildelta gelegenen Alexandria. Die geschilderte Überlieferungssituation bedingt, daß die Papyrologie ihren Schwerpunkt in der Beschäftigung mit der antiken Überlieferung aus Ägypten hat. Aus die- sem Grunde werden auch andere Überlieferungsträger in der papyrologischen Forschung in- tegrierend mitbehandelt, wenn sie aus Ägypten stammen oder Licht auf ägyptische Phänome- ne werfen. Dazu gehören die vielfach als Beschreibstoff verwendeten Tonscherben (Ostraka), Holz, Pergamente (vor allem seit dem 3./4. Jh. in Gebrauch) oder Leinen. Auch die Steinin- schriften Ägyptens werden von den Papyrologen weniger als eigene Quellengattung, sondern eher als Teil dieses Konglomerates von Schriftträgern behandelt (und damit der Leitquelle Papyrus untergeordnet). Papyri sind u.a. in griechischer, lateinischer, aramäischer, persischer und arabischer Spra- che, und natürlich in Ägyptisch in seinen verschiedenen Schriftstufen, nämlich Hieroglyphen (in Gebrauch vom 30. Jh. v. Chr. bis zum 4. Jh. n. Chr.; zum ältesten beschrifteten Papyrus siehe unten), hieratisch (eine Buchschrift, besonders 2. Jahrtausend v. Chr.), demotisch (die demotische Schrift tritt ab dem 7. Jh. v. Chr. in nichtreligiösem Kontext an die Stelle der hie- ratischen Schrift) oder koptisch (die Sprache und Schriftstufe der Spätzeit) beschrieben wor- den. Eckpunkte der Überlieferung aus dem Niltal markieren Funde aus der Zeit um 2700 v. Chr. (P. Berl. 11301) und 1378 n. Chr. (SB XIV 11942). Seit dem elften Jahrhundert domi- niert in Ägypten das Papier; im Westen war der Papyrus als Beschreibstoff schon länger durch Pergament ersetzt worden. Vereinzelt, etwa in der päpstlichen Kanzlei, wurde Papyrus aber auch im Westen bis in das 11. Jh. verwandt. Die Einführungsseminare in Alter Geschich-

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C 4 PAPYROLOGIE

C 4 PAPYROLOGIE Papyrologie ist die Bezeichnung für die Erfassung, Bearbeitung und Analyse der auf Papy-

rus überlieferten Schriftquellen. Papyrus wurde aus der Papyrusstaude, einem Riedgras (Cy-perus Papyrus L), gewonnen, dessen Mark in Streifen geschnitten, fugenlos aneinander gefügt und im Verbundsystem zweilagig gepreßt wurde. Der Beschreibstoff war zunächst weiß bis gelblich, die typische Farbe der überlieferten Papyri entsteht durch Nachdunkelung. Erhebli-che Qualitätsunterschiede sind belegt; Plinius, Nat. Hist. 13, 74ff., berichtet von sieben Quali-tätsstufen. In der Kaiserzeit lassen sich Durchschnittsgrößen von 30 - 40 cm für die Höhe und 11 – 24 cm für die Breite eines Blattes errechnen. Die typische Form, in der die Blätter in den Handel kamen, war die Rolle, zu der die einzelnen Blätter zusammengeklebt wurden. Die Standardrolle scheint aus zwanzig Blatt bestanden zu haben. Die Pflanze und der Beschreib-stoff werden Papyrus oder b…blov (biblos) genannt. B…blov, bibl…on (biblion) o.ä. Worte verweisen auf das Buch, aber auch eine einzelne Urkunde; sie können auch eine Rolle be-zeichnen (lat.: volumen). Die im Handel angebotene Rolle heißt oft c£rthv (chartes). Be-schriftet wurden Papyri mit einem Schreibrohr (Kalamos) und meist schwarzer Tinte, die aus einem Gemisch von Gummi, Ruß und Wasser erzeugt wurde.

In der gesamten Mittelmeerwelt wurde Papyrus als Beschreibstoff verwendet. Gefunden wurden Papyri in Mesopotamien, Dura-Europos und Palästina sowie verkohlt in Herculaneum und Derveni (bei Thessaloniki). Aber die Masse der heute bekannten Texte stammt aus Ägyp-ten. Ägypten war das größte Anbaugebiet (die Herstellung des Beschreibstoffes ist nur hier belegt). Zudem hatte Papyrus wegen der Empfindlichkeit des Riedgrases gegen Feuchtigkeit nur in heißem, trockenem Klima eine Überlebenschance. Aus diesem Grunde gibt es auch kaum Texte aus der Hauptstadt des griechisch-römischen Niltales, des im Nildelta gelegenen Alexandria. Die geschilderte Überlieferungssituation bedingt, daß die Papyrologie ihren Schwerpunkt in der Beschäftigung mit der antiken Überlieferung aus Ägypten hat. Aus die-sem Grunde werden auch andere Überlieferungsträger in der papyrologischen Forschung in-tegrierend mitbehandelt, wenn sie aus Ägypten stammen oder Licht auf ägyptische Phänome-ne werfen. Dazu gehören die vielfach als Beschreibstoff verwendeten Tonscherben (Ostraka), Holz, Pergamente (vor allem seit dem 3./4. Jh. in Gebrauch) oder Leinen. Auch die Steinin-schriften Ägyptens werden von den Papyrologen weniger als eigene Quellengattung, sondern eher als Teil dieses Konglomerates von Schriftträgern behandelt (und damit der Leitquelle Papyrus untergeordnet).

Papyri sind u.a. in griechischer, lateinischer, aramäischer, persischer und arabischer Spra-che, und natürlich in Ägyptisch in seinen verschiedenen Schriftstufen, nämlich Hieroglyphen (in Gebrauch vom 30. Jh. v. Chr. bis zum 4. Jh. n. Chr.; zum ältesten beschrifteten Papyrus siehe unten), hieratisch (eine Buchschrift, besonders 2. Jahrtausend v. Chr.), demotisch (die demotische Schrift tritt ab dem 7. Jh. v. Chr. in nichtreligiösem Kontext an die Stelle der hie-ratischen Schrift) oder koptisch (die Sprache und Schriftstufe der Spätzeit) beschrieben wor-den. Eckpunkte der Überlieferung aus dem Niltal markieren Funde aus der Zeit um 2700 v. Chr. (P. Berl. 11301) und 1378 n. Chr. (SB XIV 11942). Seit dem elften Jahrhundert domi-niert in Ägypten das Papier; im Westen war der Papyrus als Beschreibstoff schon länger durch Pergament ersetzt worden. Vereinzelt, etwa in der päpstlichen Kanzlei, wurde Papyrus aber auch im Westen bis in das 11. Jh. verwandt. Die Einführungsseminare in Alter Geschich-

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Papyrologie Einführende Hinweise

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te haben jedoch primär die griechisch-römische Antike zum Inhalt. Die Papyrologie als (Hilfs-)Wissenschaft behandelt im Rahmen dieser Seminare also primär den Zeitraum von 332 v. Chr. (Eroberung Ägyptens durch Alexander) bis 641 (Eroberung Ägyptens durch die Araber). Sprachlich stehen die griechischen und lateinischen Texte im Mittelpunkt der Diszi-plin. Eine entsprechende Definition von „Papyruskunde“ hat sich in den letzten Jahrzehnten auch generell in den Altertumswissenschaften immer stärker durchgesetzt.

Papyri werden in sehr unterschiedlichen Kontexten gefunden. Typisch sind etwa Funde in Abfallhaufen außerhalb des eigentlichen Siedlungsraumes, in Tonkrügen, die zur Konser-vierung von Urkunden verwendet wurden, oder auch in Mumienkartonagen. Gemeinsam ist fast allen Funden aber, daß die Texte Beschädigungen diverser Art ausgesetzt waren und meist fragmentiert sind. Vor einer Entzifferung der Schrift und eventuellen Zuordnungen zu anderen Fragmenten sind also bereits mehrere Arbeitsgänge wie die Säuberung von Schmutz, die Aufspaltung von Lagen oder auch eine Glättung notwendig. Auch die Konservierung ist ein komplexer Vorgang. Zum Arsenal der Papyrologen gehören ebensogut Wasser- und Dampfbäder wie das Besprühen mit flüssiger Zellulose. Als besonders geeignet hat sich die Verwahrung in säure- und holzfreien Papierumschlägen oder zwischen Glasplatten erwiesen.

Ungefähr 40000 Papyri sind bereits publiziert, die Zahl steigt ständig weiter an. Die hohe Zahl der Texte und die Besonderheiten der Auffindung und Publikation lassen die systemati-sche Erfassung von Papyri oftmals als schwierig und langwierig erscheinen. Auch weicht die Sprache dieser Texte von den in den literarischen Quellen Verwendung findenden Idiomen in vielfacher Hinsicht ab. Die Beschäftigung mit der Disziplin Papyrologie erfordert also eine Reihe spezieller Hilfsmittel. Solche Hilfsmittel und eine Anzahl wichtiger Publikationsmedi-en bietet die folgende Aufstellung.

Einführungen: E.G. Turner, Greek Papyri, Oxford ²1980 (gut lesbare Einführung in die Forschungsgeschichte und die Arbeits-methoden der papyrologischen Forschung; exemplarische Darstellung ihrer Bedeutung für verschiedene Ar-beitsgebiete der Altertumswissenschaft). O. Montevecchi, La Papirologia, Turin 1973 (Handbuchartige Einführung: ausführlicher Überblick über Papy-ruseditionen [Editionsreihen und Corpora]; systematischer Überblick über Textgattungen des Überlieferungsbe-standes [nichtliterarisch] mit Sekundärliteratur). P.W. Pestman, The new papyrological Primer, Leiden u.a. 1990 H.-A. Rupprecht, Kleine Einführung in die Papyruskunde, (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) Darmstadt 1994 Als Einführungen geeignet sind die Textsammlungen von: A.S. Hunt/C.C. Edgar, Select Papyri (LCL), 2 Bde. London 1927 J. Hengstl, Griechische Papyri aus Ägypten (Tusculum Bücherei), München 1978 (mit Siglenverzeichnis der wichtigsten Editionsreihen)

Beide Textsammlungen vermitteln einen Einblick in die Vielfalt der Genera nichtliterari-

scher Papyri (amtliche Anordnungen, privater und amtlicher Schriftverkehr, magische Papyri etc.). Die einzelnen Texte sind übersetzt und mit einem für den Anfänger gedachten Kom-mentar versehen.

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Als Standardwerk für die vertiefte Einarbeitung gilt immer noch L. Mitteis/U. Wilcken, Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde (Band I: Historischer Teil von Wil-cken; Band II: Juristischer Teil von Mitteis), Leipzig 1912

Zusammenstellung der Editionsreihen und Corpora in alphabetischer Ordnung (d.h. der

standardisierten Abkürzungen): J.F. Oates/R.S. Bagnall/W.H. Willis, Checklist of Editions of Greek Papyri and Ostraca, (Bulletin of the Ameri-can Society of Papyrologists, Suppl. 7) Atlanta, GA 41992

Wörterbücher: F. Preisigke, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden (hg. von E. Kiessling), 3 Bde., Berlin 1925ff. Ders., Namenbuch, Heidelberg 1922 D. Magie, De Romanorum iuris publici sacrique vocabulis sollemnibus in Graecum sermonem conversis, Leip-zig 1905 H.H. Mason, Greek Terms for Roman Institutions (American Studies in Papyrology 13), Toronto 1974 E. Mayser, Grammatik der griechischen Papyri aus der Ptolemäerzeit, Vol. I – II 3, Berlin u.a. 1926ff.

Verzeichnis der in den griechischen Texten verwandten Siglen: F. Bilabel, RE II A 2, (Stuttgart 1923), 2279 – 2315; S.R. Pickering, Papyrus Editions, North Ryde 1984

Verzeichnis von neuen Lesarten bereits edierter Papyri: Berichtigungsliste der griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten, Berlin 1923ff. ( = BL).

Beispiele für Corpora (Zusammenstellung von Papyri unter thematischen Gesichtspunk-ten): Rom. Mil. Rec.: Roman Military Records on Papyrus, ed. R.O. Fink (American philological Association Mono-

graph 26), Cleveland 1971 C.P. Iud.: Corpus Papyrorum Iudaicarum, 3 Bde., Cambridge, Mass. 1957ff. FIRA III: Fontes Iuris Romani Anteiustiniani, pars tertia, Negotia, ed. V. Arangio-Ruiz, Florenz ²1969 CPL: Corpus Papyrorum Latinarum, ed. R. Cavenaile, Wiesbaden 1958

Literarische Papyri: R.A. Pack, The Greek and Latin literary Texts from Graeco-Roman Egypt, Ann Arbor ²1965 Die verstreut in Monographien, Zeitschriften und Festschriften publizierten urkundlichen

Texte werden gesammelt und wieder abgedruckt in: F. Preisigke/F. Bilabel/E. Kiessling u.a., Sammelbuch griechischer Urkunden aus Ägypten ( = SB), Heidelberg, dann Wiesbaden 1915ff.

Wesentlich erleichtert wird das Arbeiten mit Papyri heute durch eine Reihe von elektroni-schen Datenbanken in Internet, die das Auffinden von Material ermöglichen. Die wichtig-sten Adressen bietet die Linksammlung der AIP: http://www.ulb.ac.be/assoc/aip/liens.htm

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Bei der Edition werden die diakritischen Zeichen des Leidener Klammersystems ver-wandt: Beispiele:

[...] Eckige Klammern: nicht erhaltene Buchstaben oder Zeilen, die ergänzt worden

sind; bei unsicherer Ergänzung setzt man ein Fragezeichen in die Klammer. [ - ca. 4 - ] Angabe der ausgefallenen Buchstaben durch Punkte; --- bei Zeilen, wenn nicht bekannt ist, wie viele Zeilen fehlen; [-----] = es fehlt eine Zeile; [---] Teil einer Zeile. Beispiel: DI//////BUS = Di[s Mani?]bus, weil auch DIS

DEABUS möglich ist, und vielleicht aus dem Kontext (Grabstele), deutlich wird, daß es Dis Manibus heißen muß.

(...) Runde Klammern: Auflösung einer Abkürzung; wenn die Auflösung nicht be-

kannt ist, setzt man: (---). Beispiel: DMS = D(is) M(anibus) s(acrum) <...> Spitze Klammern: Änderungen oder Ergänzungen durch den Herausgeber.

Beispiel: Dis Mabus = Dis Ma<ni>bus {...} Geschweifte Klammern: Tilgungen des Herausgebers; d.h. doppelte oder falsch

geschriebene Buchstaben werden zwischen geschweifte Klammern gesetzt. Beispiel: Dis Ma{ma}nibus sac{e}rum

[[...]] Doppelt eckige Klammern: Antike Rasuren, meist bei Namen von Kaisern, die der damnatio memoriae anheim gefallen sind. Beispiel: Imp. ////////// IIII et Victorino cos. = Imp(eratore) [[Commodo]] IIII et Victorino co(n)s(ulibus) ( = 183 n. Chr.)

b Punkt unter einem Buchstaben: der Buchstabe ist unvollständig erhalten, aber eindeutig als ein bestimmter Buchstabe zu identifizieren

+ = Buchstabenfragment, das sich nicht eindeutig einem bestimmten Buchstaben zuordnen läßt; Beispiel: Gerade Haste im Bruchrand kann grundsätzlich jeder Buchstabe sein, der links mit einer geraden Haste beginnt, also: BDFHIKL MNPR oder auch ein Zahlzeichen (I, II, III usw.)

Mercurio: unterstrichene Buchstaben sind heute nicht mehr zu lesen und werden nach früheren Herausgebern, die diese Buchstaben noch sahen, wiedergegeben.

( | / ) Bei fortlaufender Schreibung des Textes, d.h., wenn die Inschrift nicht zeilen-gleich wiedergegeben ist, trennen senkrechte oder schräge Striche ( | / ) die Zeilen (alle fünf Zeilen wird oft eine hochgestellte Zahl hinzugefügt, die die Zeilenzahl angibt, also etwa |10; Worttrenner, egal ob hederae oder puncta tri-angularia, immer als Punkt auf Höhe der Buchstabenmitte wiedergeben (·).

Alleine schon die Vielzahl der überlieferten Texte macht Papyri zu einer wichtigen Quel-

lengattung. Eine vollständige typologische Ausdifferenzierung des Überlieferungsbestandes kann aufgrund der Vielfalt der Texttypen hier nicht geleistet werden. Literarische Papyri können etwa Auszüge bisher unbekannter Werke übermitteln oder auch als Kontrolle oder Ergänzung der handschriftlichen Überlieferung dienen. Solche Funde stellen jedoch eher die Ausnahme dar. Weniger spektakulär, aber ebenso wichtig sind dokumentarische Papyri, die Vorgänge überliefern, die in die literarischen Quellen nur selten und oft nur in überarbeiteter Form Eingang gefunden haben. In Einzelfällen, wie etwa Edikten der Präfekten von Ägypten, ist das historische Interesse solcher Texte unmittelbar evident. Die Masse dokumentarischer

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Papyrologie Einführende Hinweise

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Papyri, wie etwa Entscheidungen von Amtsträgern, Deklarationen der Bevölkerung vor Amtsträgern oder private Rechtsgeschäfte, sind als Einzelstücke jedoch nur in geringem Ma-ße aussagekräftig. Nur eine systematische Erfassung und Auswertung des gesamten Ma-terials erlaubt dem Papyrologen oder Historiker eine sinnvolle Kontextualisierung des Ein-zelfalles. Die relativ große Zahl von Zeugnissen ermöglicht es dann aber bezüglich Ägyptens auch auf thematischen Feldern zu Aussagen zu kommen, die sich in vielen anderen Regio-nen der Mittelmeerwelt aufgrund des Quellenmangels der Untersuchung weitgehend entzie-hen. Dazu gehören etwa: die Preisentwicklung, die Demographie, das Verhältnis von Ein-zelperson oder Sozialverband und Rechtssystem, die Alphabetisierungsrate, kommunitäre Formen des Wirtschaftslebens, die Details der Kollektion von Abgaben und viele Facetten des Alltagslebens der unteren Schichten der Bevölkerung, die in den literarischen Quellen unter-repräsentiert sind. Zu beachten ist aber stets, daß Ägypten in griechisch-römischer Zeit zu-mindest in den Makrostrukturen von seiner mediterranen Umwelt oftmals beträchtlich ab-wich: Der Transfer von Resultaten, die aus der Untersuchung ägyptischer Phänomene, Struk-turen oder Entwicklungen gewonnen wurden, auf außerägyptische Erscheinungen ist daher nicht oder jedenfalls nicht ohne analytische Zwischenschritte möglich.

Reiches Anschauungsmaterial zu den oben genannten, aber auch zahlreichen anderen

Typen von Papyri sind in der Kölner Sammlung enthalten. Texte, Bilder und Kommentare sind unter http://www.uni-koeln.de/phil-fak/ifa/NRWakademie/papyrologie/index.html ein-sehbar.

Zu verweisen ist auch auf die papyrologischen Übungen (siehe jeweils die Vorlesungsver-zeichnisse), die einen vertieften Einblick in die Arbeitsweise von Papyrologen gibt. .

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Beispiele

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Beispiele zur Papyrologie Die folgenden Texte sind entnommen aus: J. Hengstl (Hg.), Griechische Papyri aus Ägypten als Zeugnisse des öffentlichen und privaten Lebens. Griechisch und deutsch, München 1978

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Beispiele

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Beispiele

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Beispiele

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