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CALORIMETRISCHE ANALYSE ORGANISCHER SYSTEME. Erste Mitteilung. Apparatur und Anwendungsmoglichkeiten. VON J. STRAUB UND R. N. M. A. MALOTAUX. In unter der allgemeinen Bezeichnung ,,Calorimetrische Ana- lyse" zusammengebrachten Abhandlungen sollen Erhitzungs- und Abkiihlungskurven organischer Systeme besprochen werden, die un- ter genauer Beachtung der bei jeder Temperaturzunahnie iibertrage- nen Warmemengen erhaltrn worderl sind. Es wird sich in den Bei- spielen zeigen, dass jede Einzelheit der Temperatur-calorien-Kurve in praziser, vielfach quantitativer, Beziehung zu physikalischen Aende- rungen im untersuchten System gebracht werden kann. Kurze Notizen iiber unsere Arbeiten sind bis jetzt erschienen in den Jahresberichten unseres Laboratoriums uber 1928 u.ff. 1). Die Litel ratur sol1 bei der Besprechung der einzelnen Anwendungen de? Methode in spater zu verof fentlichen Mitteilungen beriicksichtigt we?- den. Besondere Erwahnung miissen aber hier die Arbeiten von Spaght, Thomas and Parkerz) finden, die nach genau demselbeh Grundgedanken rnit einer verwickelten elektrischen Apparatur ii anorganischen Systemen bei hoher Temperatur arbeiten. Sie nennen ihren Apparat ,.Strahlungscalorimeter" obwohl es, wie unseres, ini Grunde genommen ein ,,Transmissions"-Calorimeter ist. Die fur die calorimetrische Analyse zu verwendende Apparatur isr im Prinzip der fur Schmelz- und Erstarrungslinien ahnlich. Fur unseren Zweck muss sie noch den folgenden, ziemlich schwer zu ver- einigenden Forderungen geniigen, damit quantitative und physika- lisch verwertbare Resultate erhalten werden: 1. 2. Die Temperatur muss iiberall im Gefass die gleiche sein. Die zu untersuchende Substanz muss beim Versuch gleichmassig verteilt bleiben: Krystalle diirfen nicht zu Boden sinken. Ver- schiedene Phasen mussen immer mit einander im Gleichgewicht sein. _...I.-.__ . I) Chem. Weekblad 26, 212 (1929). z, J. Phys. Chem. 35. 2091 (1931). 36, 882-88 11932); vd. auch die Arbeitenvon W. P. White. ibid. 24, 393 (1920) und L. E. Steiner 8 J. Johnston, ibid. 32, 912 (1928), die wir in unserer nachsten Mitteilung : ..Priifung organischer Substanzen auf Reinheit" besprechen werden.

Calorimetrische Analyse Organischer Systeme. Erste Mitteilung. Apparatur und Anwendungsmöglichkeiten

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CALORIMETRISCHE ANALYSE ORGANISCHER SYSTEME.

Erste Mitteilung. Apparatur und Anwendungsmoglichkeiten. VON

J. STRAUB UND R. N. M. A. MALOTAUX.

In unter der allgemeinen Bezeichnung ,,Calorimetrische Ana- lyse" zusammengebrachten Abhandlungen sollen Erhitzungs- und Abkiihlungskurven organischer Systeme besprochen werden, die un- ter genauer Beachtung der bei jeder Temperaturzunahnie iibertrage- nen Warmemengen erhaltrn worderl sind. Es wird sich in den Bei- spielen zeigen, dass jede Einzelheit der Temperatur-calorien-Kurve in praziser, vielfach quantitativer, Beziehung zu physikalischen Aende- rungen im untersuchten System gebracht werden kann.

Kurze Notizen iiber unsere Arbeiten sind bis jetzt erschienen in den Jahresberichten unseres Laboratoriums uber 1928 u.ff. 1). Die Litel ratur sol1 bei der Besprechung der einzelnen Anwendungen de? Methode in spater zu verof fentlichen Mitteilungen beriicksichtigt we?- den. Besondere Erwahnung miissen aber hier die Arbeiten von Spaght, Thomas and Parkerz) finden, die nach genau demselbeh Grundgedanken rnit einer verwickelten elektrischen Apparatur ii anorganischen Systemen bei hoher Temperatur arbeiten. Sie nennen ihren Apparat ,.Strahlungscalorimeter" obwohl es, wie unseres, ini Grunde genommen ein ,,Transmissions"-Calorimeter ist.

Die fur die calorimetrische Analyse zu verwendende Apparatur isr im Prinzip der fur Schmelz- und Erstarrungslinien ahnlich. Fur unseren Zweck muss sie noch den folgenden, ziemlich schwer zu ver- einigenden Forderungen geniigen, damit quantitative und physika- lisch verwertbare Resultate erhalten werden: 1. 2.

Die Temperatur muss iiberall im Gefass die gleiche sein. Die zu untersuchende Substanz muss beim Versuch gleichmassig verteilt bleiben: Krystalle diirfen nicht zu Boden sinken. Ver- schiedene Phasen mussen immer mit einander im Gleichgewicht sein.

_...I.-.__ .

I ) Chem. Weekblad 26, 212 (1929). z, J. Phys. Chem. 35. 2091 (1931). 36, 882-88 11932); vd. auch die Arbeitenvon

W. P. White . ibid. 24, 393 (1920) und L. E. Steiner 8 J . Johnston, ibid. 32, 912 (1928), die wir in unserer nachsten Mitteilung : ..Priifung organischer Substanzen auf Reinheit" besprechen werden.

3. Zugefiihrte oder abgefiihrte Warmemengen miissen genau be- kannt sein.

4. Die Temperatur muss schnell und genau gemessen werden k" onnen.

Den Bedingungen 1 und 2 wird ein kleines Gefass besser als ein grosses geniigen. Man nimmt das Gefass darum so klein, wie es die Bedingungen 3 und 4 noch eben erlauben. Urspriinglich wurde ver- sucht den Bedingungen 1 und 2 durch intensives Riihren zu geniigen. Dabei wurde aber Bedingung 3 durch Reibungswarme gefahrdet;

Fig. la . Fig. lb . Faltung der Metallgaze im Calorimeter (Durchmesser 2 cm).

auch konnte niemals eine Substanz bis zum volligen Erstarren unter- sucht werden.

W i r entschlossen uns deshalb zur Anbringung einer porosen Fiillung von gut warmeleitendem Material im Gefass. Diese besorgt eine gehorige Verteilung der Warme durch die schlecht leitende arganische Substanz, und verhindert zugleich das Herabsinken von spezifisch schwereren Teilchen ( Bedingung 1 und 2 ) .

Aus diesen Erwagungen ist fur den Gebrauch zwischen 0" und 60" C. der folgende Apparat entstanden.

Ein zylindrisches Gefass, 2 cm Durchmesser, 2 cm hoch, mit Deckel, aus vergoldetem Feinsilber hergestellt, wird mit feinster Kupfer- (spater Feinsilber Gaze gefiillt. Die Gaze ist nach Fig. 1 gefaltet. Das Quecksilbergefass des Thermometers wird genau zentral darin gestellt. Der freie Raum unter dem Thermometergefass wird mit einem Rollchsn Kupfergaze gefiillt. Auf die Feinheit der Gaze und die volkommen gleichmassige, liickenlose, Fiillung des Silbergefasses mit Gaze kommt es sehr genau an. Faltung nach b ist besser als nach a.

Das Silbergefass wird nach Fig. 2 an dem Thermometer in der Mitte eines Glaskolbens aufgehangt. Der Glaskolben wird in ein Becher- glas mit Wasser untergetaucht, in dem sich ein Riihrer dreht. In dem

3, G. Siehert. Platinschmelze, Hanau a. M. Vertreter H . A. Groskamp. Amsterdam), liefert ein sehr hrauchbares Goldmantelnickeigewebe, mit Masr henweite 1024 p. cm2 aus Draht 0.06 mm (vor dem Umfalten ausg.uhen). Die Fabrik stellt auch die Silbergefasse fur uns her.

-

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Wasser steht ein zweites Thermometer. das dem ersten volkommen gleich hergestellt ist. Durch regelmassige Erhitzung und Abkiihlung des Wassers wird dem Gefass Warme zugefiihrt oder entzogen, deren Menge im Blind-Versuch bestimmt werden kann, wie weiter unten genau beschrieben wird. Der Kolben kann evakuiert werden, was sich aber als unerwiinscht envies.

Das Thermometer (von -30° zu + 80° in 1/50) hat ein kleines Gefass, damit es Temperaturanderungen schnell annimmt, und einen langen Unterteil, damit das Gefass geniigend tief in das Wasserbad

4

Fig. 2. Aufstellung des Calorimeters.

eintauchen kann um von allen Seiten gleichmassig Warme aufzu- nehmen oder abzugeben. Es wird dadurch zwar die Fadenklsrrektion des Thermometers etwas unsicher, es handelt sich aber bei der Deutung der Resultate nicht um Absolutwerte der Temperatur, sondern hauptsachlich um Temperaturanderungen, die vie1 weniger beeinflusst werden.

Zur Arbeitsweise ist folgendes zu bemerken. Die Geschwindigkeit des Erwarmens oder Abkiihlens darf weder zu gross noch zu klein sein. 1st sie zu gross, so sind die Bedingungen 1 und 2 nicht erfiillt. Eine sehr kleine Geschwindigkeit erfordert einen so niedrigen Tem-

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peraturunterschied zwischen Innen- und Aussenraum, dass dieser sich nicht mehr geniigend genau beherrschen laicst. Bei unseren Versuchen dauert jede Erhitzung oder Abkiihlung uber 30° bis 60°, 11/, bis 3 Stunden, je nach der Art der untersuchten Substanz. Ablesungen des Innen- und Aussenthermometers werden jede Minute vorge- nommen.

Zur spateren Durchrechnung der Resultate ist es am einfachsten, wenn die Erwarmung konstant ist, das heisst, wenn jede Minute die gleiche Anzahl Calorien ubertragen wird. Es hat sich nun glucklicher- weise gezeigt, dass sich dies sehr einfach errelchen lasst, indem man den Kolben nicht evakuiert und einen konstanten Temperaturunter- schied zwischen den beiden Thermometern dauernd aufrecht erhalt. Allerdings braucht man hierzu ziemliche Uebung und grosse Geduld.

Unter diesen Umstanden erhalt man fur das leere Gefass eine vol- kommen gleichmassige Temperaturzunahme. Ebenfalls fur ein mit organischer Substanz gefulltes Gefass, so lange hierin keine physi- kalische Aenderungen auftreten.

Die Apparatur hat den grossen Vorteil sich gieich gut fur Unter- suchungen bei steigender wie bei sinkender Temperatur verwenden zu lassen. Die Beherrschung der Abkuhlung des Aussenraumes ge- schieht durch Einwurf von kleinen Stiickchen Eis, oder sogar von Eis und Salz. Die also geschaffene Moglichkeit sich von der Reversi- bilitat oder Irreversibilitat der Erscheinungen zu iiberzeugen, liess uns von der anfanglich angewendeten elektrischen Erhitzung der Sub- stanz mittels Widerstandsdrahtes Abstand nehmen, obwohl auch diese gewisse Vorteile hat.

Nach Beendigung eines Versuches werden auf Millimeterpapier die Ablesungen zu einem Diagramm vereinigt, in dem vertikal die Temperatur, horizontal die Zeit abgesetzt ist. Die Zeit-Ordinate ist aber bei unserer Arbeitsweise zugleich Calorien-Ordinate. Die auf- gezeichnete Kurve stellt also die Temperatur in Abhangigkeit der zu- oder abgefuhrten Warmemenge dar. Die in der Minute ubertragene Warmemenge ist zum besseren Vergleich aller Diagramme bei alleii Versuchen genau gleich genommen, und zwar hat sie iinmer 2,l Calorien in der Minute betragen, wozu ein Temperaturunterschied von 10.5O notwendig war. Der Zusammenhang der verschiede- nen Konstanten dcs Apparates, der Arbeitsweise und der unter- suchten Substanz ist durch die folgenden einfachen Formeln gegeben.

Fur die Erwarmung des leeren (mit Gaze gefiillten) Silbergefasses gilt, wenn:

K die Warme Kapazitat, a die in der Minute ubertragene Warmemenge in Calorien, m die Zeit in Minuten, t , und t, Anfangs- und Endtemperatur,

a m = K ( t 2 - t l ) . . . . . . . . ( I ) Fur den Temperaturanstieg in der Minute A t folgt hieraus

a K - m n t. tz - tl - - - ~ . _ _ -

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Fur die Erwarmung des mit Substanz gefullten Gefassses gilt, wenn p das Gewicht der Substanz in Gramm, c die spezifische Warme dieser Substanz (Temperaturunab-

hangig ). und wenn keine physikalische Aenderungen der Substanz in dem

a m = ( K + pc) ( t 2 - t l ) , . . . . . . (2) Temperaturintervalle platzgreif en.

Fiir den Temperaturanstieg in der Minute A t folgt: a - - A t .

K + pc Fur das Schmelzen einer reinen Substanz bei konstanter Tempera-

tur gilt, wenn Q Schmelzwarme fur 1 Gramm Substanz, m die Zeitdauer des Schmelzens,

Totale, beim Schmelzpunkt iibertragene Warmenienge:

Die Eichung des Apparates umfasst die Bestimmung der Warme- kapazitat K des Silbergefasses, und der in der Minute iibertragenen

. . . . . . . . a m .= pQ (3)

Fig. 3. Die geraden Erwarmungslinien fur den Apparat, leer, bezw. mit 4.4 g Wasser.

Warmemenge a. Z u dieser Eichung werden mit dem Apparat auf- genommen:

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1. 2, 3. 4, Die Schmelzlinie von Benzophenon.

Die letzten beiden Linien dienen zugleich um die Genauigkeit des Ver Eahrens zu erproben.

Figur 3 zeigt die Linien fur das leere Gefass und fur das Gefass mit einer Fuilung von 4.40 Gramm Wasser. Wie man sieht, sind die Linien ganz gerade, es ist die erwunschte gleichmassige Calorien- ubertragung uber den ganzen Interval1 erreicht worden. Nach den Formeln ( 1 ) und ( 2 ) berechnet sich:

Die Erwarmungslinie des leeren Silbergefasses. Die Erwarmungslinie des Gefasses mit Wasserfullung. Die Erwarmungs( Schmelz- )linie von Eis.

Warmekapazitat des Gefasses K 1.44 Calorien. Warme-ubertragung in der Minute a = 2.11 Calorien. Fur K berechnet sich aus den bekannten spezif:sche Warmezahlen

der verwendeten Metallen (4.47 Gramm Feinsilber, 9.1 1 Gramm Bronze- gaze und 0.28 cm3 Volumen des Quecksilbergefasses) 1.36 Ca.

Figur 4 zeigt die Schmeizlinie fur 2.90 g destilliertes Wasser. Bei A hat die Linie nicht ganz den scharfen Winkel, den die Theorie er-

B

I f - i Fig. 4. Die Schrnelzlinie bestirnmt an 2.9 g Eis.

fordert, das Thermometer bleibt etwas (0.3O) zuriick, nach 3 Minuten ist dieses Zuriickbleiben nachgeholt. Bei B ist die Abrundung der Ecke etwas grosser. Das Thermometer steigt hier schon, bevor die letzte Spur Eis geschmolzen ist. Diese Abweichungen der theore- tischen Linie, die sich aus drei geraden Stiicken, von denen das mittlere horizontal ist, zusammensetzen muss, geben ein Bild von des erreich- ten Genauigkeit der Aufnahme. Als haupsachlichste Ursachen der Abrundungen lassen sich angeben: Das Nachlaufen des Thermo- meters und der fur die Warmetransmission unbedingt notwendige Tern- peraturgradient (-+ 0.2). Fur die Abrundung B kommt hinzu die im- mer etwas zufallige Stelle im Gefass, wo sich der letzte Rest der festen Substanz befindet.

Indem man in dem Diagramrn die geraden Teile der Linien sich schneiden lasst, kann man die Dauer des Schmelzens genau abmes- sen, und findet daraus und aus der bekannten Schmelzwarme des Wassers, fur a:

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Warmeubertragung in der Minute a = 2,13 Calorien. Aus dem dritten geraden Teil der Figur, der die Erwarmung des

Wassers vorstellt, ergibt sich ein W e r t fur die Kapazitat des Gefas- ses K = 1.73. Aus dem ersten geraden Teil, der die Erwarmung des Eisss bedeutet, em ungefahrer W e r t fur die spezifische Warme des Eises, bei dieser Temperatur 0,49 Calorien in ungefahrer Ueberein- stemmung mit Zahlen in der Litzratur.

Figur 5 zeigt die Schmelzlinie eines vielfach umkrystallisierten sehr reinen Benzophenons. Aus !den geraden Teilen der Linie werden die folgenden Wer te fur die Konstanten der Apparatur abgeleitet.

Aus Au s Aus

Fig 5 Schrnelzliriir b e m m m t a n 5.0 g reinem Uenzophenon.

dem Schmelztrajekt a = 2.1 1. der Erwarmung der festen Substanz K = 1.94. der Erwarmung der Schmelze K =: 1.86.

Die Zahlen grunden sich auf Werten fur Schmelzwarme, Q = 23.5 spez. Warme fest c, = 0,3051 und spez. Warme flussig CL = 0,3825 von 13enzophenon aus Landolts physikalisch-chemischen ‘Tabellen.

Nach al!en bisher erhaltenen Zahlen ist fur die Beurteilung von Schmelzwiirmen in unserer Apparatur mit einer Reproduzierbarkeit innerhalb 5 5:) zu rechnen. Fur spezifische Warmen werden weniger genaue Zahlen erhalten, weil sie immer als kleine Differenzen grosser Zahlen in den Formeln erscheinen.

Es sollen jetzt die quantitativen Verhaitnisse innerhalb einer etwas komplizierteren Schmelzlinie, wie sie Gemische zeigen, abgeleitet wer- den. Fig. 6 stellt eine solche Linie vor. Der Beginn des Schmelzens ist nicht beohachtet, das heisst, der Stoff war bei der Anfangstempe- ratur schon teilweise flussig. Bei D ist alles geschmolzen. DE stellt die Erwarmung der geschmolzenen Substanz dar. Bei B ist etwas mehr feste Substanz anwesend als bei C.

Die Warmemenge, die zugefuhrt werden muss um von B nach C zu gelangen, wird dargestellt durch BG, und setzt sich zusammen

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aus Betragen, die dem Erwarmungs- und solchen die dem Schmelz- vorgange dienen. Diese Betrage konnen sowohl rechnerisch als auch graphisch getrennt werden.

Vorlaufig geniigt es diese Trennung unter einer stark verein- fachenden Annahme durchzufuhren. Es sol1 der Unterschied der spezifischen Warmen der festen und der fliissigen Substanz ver- nachlassigt werden. Es ist das neben den immer grossen Werten fur Schmelzwarmen in ersten Annaherung gestattet, zumal die in

Fig. 6 . Aufteilung der zugefuhrten Calorien in Losungswarme and Erhitzungswarme.

Fig. 7. Schmelzlinie bestimmt an 4.1 7 g Benzophenon, Handelsqualitat.

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Betracht konimenden Teinperaturtrajekte nicht gross sind. Zugleich scheidet damit die Ternperaturabhangigkeit der Schmelzwarme aus.

Unter dieser vereinfachenden' Annahmc wird:

BG = (tc --- tb) (K -t pc) - i - (ps, - CSJ Q . , . . (4) t, und t b Teinperatur in p ~ , und psb Mengen feste Substanz in C und B.

und B

In der Forniel ( 4 ) ist ( K + pc) als eine Konstante anzusehn und aus dem Teil DE der Kurve zu findea, wo die Formel ( 2 ) gilt, also:

Ziehen wir jetzt CF//ED, so wird

( tc - t b ) (K -1- PC) 2.- FG. Das heisst, in der Figur 6 stellt FG den Teil der Warme BG vor, der bei der Aenderung des Systems von B nach C zur reinen Erwar- mung (von Substanz und Gefass) gedient hat. BG -- F G := BF stellt die Warmemenge vor, die angewandt wurde um den Teil der Sub- stanz zu schrnelzen, der in B noch fest war, und in C nicht mehr. So stellt auch BH die Warmemenge vor, die notig ist um alle feste Substanz zu schmelzen die in B anwesend war.

Pig. 8. Schmelzlinie eines Gemisches aus 75 O/O Acetophenon und 25 '10 Benzophenon.

Diese Wiirmemengen, umgerechnet auf 1 Grarnm Substanz, kon- nen in einer neuen Figur graphisch aufgetragen werden, vertikal die Temperatur, horizontal diese Warmemengen. Zum besseren Vergleich der enstehenden Figur mit dem urspriingiichen Diagramm wird der Nullpunkt der Calorien jetzt an der rechten Seite der Abszisse ge-

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wahlt. Die so erhaltene Figur gibt fur ein Gramm Substanz an, welche Anzahl Calorien zurn Schrnelzen der bei jeder Temptratur noch an- wesenden Menge fester Substanz notig ist, allerdings nur in erster

Fig. 9. Schmelzlinien fur Rindstalg igestricht It) und fur Schmalz (gezogen). Kurven transformiert nach S . 008 Text.

Fig. 12. Sehmelz- und Erstarrungslinie von 3.82 g Cocosfett.

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1111 1zu IJO I(o 151 511 170 150 'go I /: ---' /------

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31 J@

/)

Fig. 10 Schmelzlinien aufeinander folgender Stufen der Hlrtung eines Sesamds. bei Anwendung von zwei verschiedenen Hartungsverfahren.

(Transformierte Kurven).

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Annaherung, weil der Unterschied in der spezifischen Warme fest und fliissig vernachlassigt wurde. Wo oben vom Schmelzen einer Substanz die Rede war, ist es klar, dass fur andere physikalische Um- wandlungen unter Warmeaufnahme genau dieselben Gleichungen gelten, und dieselbe Transformation der Kurve sich ausfiihren lasst.

Sowohl die urspriingliche ,,schiefe” als auch in komplizierten Fallen

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die transformierte ,,geradegestellte ' Kurve sind fur das calorische Ver- halten von organischen Verbindungen und Gemischen besondetx charakteristisch, wie aus der folgenden Zusaminenstellung von A~s- wendungsmoglichkeiten folgen diirfte, W i r schlagen daher fur unsere Untersuchungsinethode den Namen ,,Calorirnetrische Analyse" vor.

Anwendungsmoglichkeiten der Calorimetrischen Analyse

I . Kontrolle der Reinheit organischer Verbindungen. Die Fig. 7 gibt die direkt aufgenommene Kurve fur reinstes Benzophenon aus dem Handel. Die Linie eines daraus durch vielmaliges Umkrystallisieren hergestellten Praparats ist in Figur 5 dargestellt.

2. Untersuchung binarer Gemische. Die Fig. 8 stellt die Kurve dar fur einGemisch von 25 q> Benzophenon und 75 7; Acetophenon. Bis A wird das feste Gemisch erwarmt. Dann schmelzen beide Stoffe zugleich irn Eutektikum von A bis B. Darauf schmilzt von B bis C der Rest des Acetophenons. Endlich von C an wird die Schmelze erwarmt.

3. Untersuchung von Fetten. Bestimmung der Art, durcli Ver- gleich mit authentischen Proben. Bestimmung des Gehaltes an fester Substanz (Konsistenz) bei allen Temperaturen. Die Fig. 9 stellt die transformierten Kurven fur Talg und fur Schmalz dar.

4. Studium der Fetthartung. Die Figur 10 zeigt die regelmassige Aenderung der (transformierten) Kurve fur Sesamol wahrend der Hartung, und zwar fur die Anwendung von zwei verschiedenen Hartungsverfahren.

5. Demonstration besonderer Vorgange beim Schmelzen. Fig. 1 1 zeigt die direkte Aufnahme eines Palmitodistearin-Praparates aus Schmalz (nicht ganz rein) das metastabil krystallisiert war. Kurz nach dem Anfang des Schmelzens setzt es sich schnell und ganz ir. die stabile Form um, die dann regelmassig zu schmelzen anfangt.

6. Ein Vergleich von Erhitzungs- und Abkuhlungskurven der- selben Substanzprobe hat Bedeutung fur das Studium von Ver- zogerungserscheinungen und metastabilen Modifikationen beim Er- starren von Fetten. Fig. 12 gibt beide Linien fur eine Probe Cocosfett.

7. Charakterisierung von technischen Stearinproben Fig. 13 und Handelsparaffinen Fig. 14. (Vci. die analoge Kurve Fig. l l!) .

4, Fur die Ueberlassung von Proben fur die sub 4 uncl 7 genannten Versuchen sind wir verschiedenen Kollrgen und Firmen ZU Dank verpflichtet.

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8. Calorimetrische Analyse des Schmelzens und Erstarrens von Gelatine, von der Verkleistei-ung der Starke. Es wurden kleine tlmwandlungswarmen gefunden, die sich bis jetzt noch nicht genau bestimmen liessen.

Dankend erwahnen wir die, fur Assistenz bei unseren Arbeiten erhaltene, finanzielle Unterstutzung des Hoogewerf ffonds, und die unermiidliche Ausdauer unserer Assistentin Fraulein J. Brouwers, die die vielen Aufnahmen gemacht hat. Dadurch sind wir in die Lage gekommen den Kollegen eine Ausfuhrung calorimetischer Analysen von fur sie wichtigen Substanzen anbieten zu konnen oder sonstlgen Anregungen zur Verwendung der Apparatur auf anderem Gebiet zu folgen.

Zusammenfassung .

Ini Apparat (Fig. 2 ) werden rund 4 g Substanz mit genau 2.10 Calorien in der Minute erwarmt oder abgekuhlt. Tcmperatur und Wiirmeinhalt werden in ein Diagramm eingetragen. Eventuell wird das Diagramm transformirt, das Bild vereinfacht, indem man die Warmc, die nur zur einfachen Erhitzung der Probe dient, abzieht. Die zu untersuchenden physikaiischen Umwandlungen und die spezifischen Eigenschaften technischer Proben tretcn d a m klarer hexor , wie an vielen Beispielen gezeigt wird, iiher die in spateren Mitteilungen naheres gebracht werden soll. Fur das Verfahren wird die Bezcihnung calorimetrische Analyse vorgcschlagen.

A m s t e r d a m, Keuringsdienst van Waren.

( R e p le 21 dCcembre 1932).