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Die entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn wird oft zu spät erkannt. Ein neuer Test könnte das Problem lösen – ohne Darmspiegelung. Von Felicitas Witte
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Die entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn wird oft zu spät erkannt. Ein neuer Test könnte das Problem lösen – ohne Darmspiegelung. Von Felicitas Witte
Die Ursache von chronischen entzündlichen Darmerkrankungen (IBD oder inflammatory bowel
disease) ist bis heute ungeklärt. Man vermutet, dass genetische Faktoren und Umweltbedingungen
gleichermassen eine Rolle spielen. Letzteres bestätigt jetzt eine Studie von Wissenschaftern der
Harvard Medical School in Boston. Demnach leiden Menschen in nördlichen Gliedstaaten der USA
deutlich häufiger an IBD als in den Südstaaten. Möglicherweise führt die im Süden höhere
Sonneneinstrahlung und die damit verbundene Produktion von Vitamin D zu einem Schutz vor der
Erkrankung. Für diesen Einfluss des Klimas sprechen ähnliche Beobachtungen aus dem Norden
Europas.
Zu den am schwierigsten zu erkennenden entzündlichen Darmerkrankungen gehört Morbus
Crohn. Oft vergehen zwischen einem viertel und zwei Jahren vom Beginn der Symptome bis zur
Diagnose, manchmal sogar Jahrzehnte. Das zeigen neue Ergebnisse der Schweizerischen Ibd-
kohortenstudie. In dieser Langzeitstudie werden seit dem Jahr 2006 über 2000 Menschen mit
chronisch entzündlichen Darmkrankheiten fortlaufend untersucht, um so viel wie möglich über den
Verlauf der Krankheit und die beste Therapie herauszufinden. Für die jetzige Analyse werteten
Studienleiter Stephan Vavricka vom Unispital Zürich / Stadtspital Triemli und das IBD-
KOhortenteam Daten von 1591 Patienten aus. «Bei manchen Krankheiten wie Eierstockkrebs oder
schwarzem Hautkrebs kennen wir solche Verzögerungen», sagt Vavricka. «Dass es bei Morbus
Crohn auch so ist, haben wir zwar von Patientenberichten vermutet, belegt wurde das aber bisher
nicht.»
Bei der Analyse fand er noch etwas anderes heraus: Bei der anderen Form von IBD, nämlich
Colitis ulcerosa, stellen die Ärzte die Diagnose viel schneller, meist innerhalb eines Jahres. «Das
liegt an den eindrucksvolleren Symptomen», erklärt Jürgen Stein, Leiter des Crohn Colitis
Centrums in Frankfurt am Main. Eine Colitis äussert sich typischerweise durch häufigen flüssigen
Durchfall mit starken Blutbeimengungen. «Morbus Crohn löst dagegen Beschwerden aus, die auch
bei vielen anderen Krankheiten vorkommen.» Das sind etwa Bauchschmerzen, Müdigkeit,
Abgeschlagenheit oder leichtere Durchfälle. Dabei denkt der Arzt möglicherweise zuerst an ein
Reizdarm-syndrom, Verdauungsprobleme oder einen Infekt.
Morbus Crohn bricht typischerweise zwischen 20 und 40 Jahren aus, aber auch Kinder können
erkranken. Stein erinnert sich an ein Mädchen, das immer weniger ass und viel Gewicht verlor.
Man diagnostizierte eine Magersucht und empfahl Psychotherapie. Erst viel später stellte sich
heraus, dass das Mädchen Morbus Crohn hatte und wegen der ständigen Bauchschmerzen nichts
mehr ass.
Leider gibt es noch keine Bluttests, mit denen man IBD einfach feststellen kann. Bei Verdacht
schaut sich der Arzt Magen und Darm mit einer Spiegelung an und nimmt Gewebeproben, die im
Labor untersucht werden. «Spiegelungen können unangenehm Die Darmerkrankung Morbus Crohn
kann den gesamten Verdauungstrakt vom Mund bis zum Anus betreffen. Eine Heilung existiert
nicht. Ziel der Behandlung ist es, die schubweise auftretenden Symptome hinauszuzögern und zu
mildern. Dazu werden entzündungshemmende Medikamente (z. B. Antibiotika) und
Immunsuppressiva eingesetzt. In schweren Fällen müssen betroffene Darmbereiche entfernt
werden. gelung notwendig gewesen», sagt Vavricka. Habe jemand länger als vier Wochen Durchfall
oder immer wieder Bauchschmerzen, könne jeder Hausarzt den einfachen und preiswerten Test
durchführen und, wenn er positiv ist, den Patienten an einen Gastroenterologen zur Spiegelung
überweisen.
«Je eher man eine IBD feststellt, desto besser», sagt Gastroenterologe Stein. «Aus Studien
wissen wir nämlich, dass eine frühe und intensive Therapie die Entzündung bremsen und
dauerhafte Schäden am Darm verhindern kann.»