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Polymerwissenschaften Cellulose: faszinierendes Biopolymer und nachhaltiger Rohstoff Dieter Klemm,* Brigitte Heublein, Hans-Peter Fink* und Andreas Bohn Angewandte Chemie StichwɆrter: Cellulosechemie · Nachhaltige Rohstoffe · Polymere Materialien · Poly- saccharide · Supramolekulare Chemie Professor Burkart Philipp gewidmet D. Klemm, H.-P. Fink et al. AufsȨtze 3422 # 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ange.200460587 Angew. Chem. 2005, 117, 3422 – 3458

Cellulose: faszinierendes Biopolymer und nachhaltiger Rohstoff

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Polymerwissenschaften

Cellulose: faszinierendes Biopolymer undnachhaltiger RohstoffDieter Klemm,* Brigitte Heublein, Hans-Peter Fink* und Andreas Bohn

AngewandteChemie

Stichw�rter:Cellulosechemie · Nachhaltige Rohstoffe ·Polymere Materialien · Poly-saccharide · SupramolekulareChemie

Professor Burkart Philipp gewidmet

D. Klemm, H.-P. Fink et al.Aufs�tze

3422 � 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ange.200460587 Angew. Chem. 2005, 117, 3422 – 3458

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1. Einleitung

Im Jahre 1838 beschrieb der franz�sische ChemikerAnselme Payen erstmals einen resistenten faserigen Feststoff,der bei der Behandlung unterschiedlicher Pflanzengewebemit S�uren und Ammoniak sowie nachfolgender Extraktionmit Wasser, Alkohol und Ether zur�ckbleibt.[1] Er ermittelteelementaranalytisch die Molek�lformel C6H10O5 und erkann-te die Isomerie zur St�rke. Der Name „Cellulose“ f�r diesenPflanzeninhaltsstoff findet sich erstmals 1839 in einem Be-richt der franz�sischen Akademie �ber die ArbeitenPayens.[2]

Bereits Tausende von Jahren vor der Entdeckung des„Zuckers der pflanzlichen Zellwand“ wurde Cellulose inForm von Holz, Baumwolle und anderen Pflanzenfasern zurEnergiegewinnung, als Baumaterial und zur Herstellung vonKleidung genutzt. Seit den �gyptischen Papyri pr�gten cellu-losische Materialien auch einen betr�chtlichen Teil dermenschlichen Kultur.

Als chemischer Rohstoff findet Cellulose seit etwa150 Jahren Verwendung. Die Herstellung von Cellulosenitratdurch Umsetzung mit Salpeters�ure[3] und die sich darausentwickelnde technische Synthese des ersten thermoplasti-schen Polymermaterials Celluloid (Weichmacher Campher)durch die Hyatt Manufacturing Company 1870 machte deut-lich, dass durch chemische Ver�nderung des BiopolymersCellulose neue Werkstoffe im industriellen Maßstab herge-stellt werden k�nnen.[4] Mit dieser Erkenntnis wurden aufdem Gebiet cellulosischer Fasern f�r Textilien und technischeErzeugnisse neben nativen auch zunehmend Chemiefasern(man-made fibers) auf der Basis von Holzzellstoffen verwen-det. Hier ist das erste Beispiel die Herstellung von Regenerat-Cellulosefilamenten durch Verspinnen einer L�sung vonCellulose im Gemisch von Kupfer(ii)-hydroxid und w�ssrigemAmmoniak, in der als l�sungsaktiver Komplex Tetrammin-

kupfer(ii)-hydroxid (Cuprammoniumhydroxid) [Cu(NH3)4]-(OH)2 entsteht,[5] gefolgt vom bis heute wichtigsten großtech-nischen Prozess der Faserproduktion, dem Viskoseverfah-ren.[6] Dabei wird Cellulose in Cellulosexanthogenat (sieheSchema 16 und Abbildung 18) umgewandelt und dessenL�sung in Natronlauge (Viskose) versponnen.

Aus heutiger Sicht ist Cellulose mit einem Anteil von etwa1.5 Billionen Tonnen an der j�hrlichen Bildung von Biomassedas h�ufigste organische Polymer und eine nahezu uner-sch�pfliche Rohstoffquelle f�r den steigenden Bedarf anumweltgerechten und biokompatiblen Materialien.[7] Dabeisind aus Holz gewonnene Zellstoffe nach wie vor die wich-tigste Rohstoffquelle f�r die technische Verarbeitung derCellulose, wobei die Hauptmenge bisher noch zur Herstel-lung von Papier und Pappe verwendet wird. Etwa 2% (ca.3.2 Mio t im Jahr 2003) dienen der Gewinnung von Cellulo-seregeneratfasern und -folien sowie der Synthese einer Viel-

[*] Prof. Dr. D. Klemm, Dr. B. HeubleinInstitut f�r Organische Chemie und Makromolekulare ChemieFriedrich-Schiller-Universit�t Jena07743 Jena (Deutschland)Fax: (+ 49)3641-948202E-mail: [email protected]

Dr. habil. H.-P. Fink, Dr. A. BohnFraunhofer-Institut f�r Angewandte Polymerforschung14476 Potsdam-Golm (Deutschland)Fax: (+ 49)331-568-3815E-mail: [email protected]

Als wichtigster Ger�stbildner der Pflanzenwelt ist das PolysaccharidCellulose ein nahezu unersch�pflicher polymerer Rohstoff mit einemfaszinierenden Struktur- und Eigenschaftspotenzial. Durch regul�reVerkn�pfung von d-Glucose-Bausteinen gebildet, zeichnet sich dashochfunktionalisierte lineare und kettensteife Homopolymer Cellulosedurch Hydrophilie, Chiralit�t, Bioabbaubarkeit, breite chemischeModifizierbarkeit und den Aufbau vielf�ltiger teilkristalliner Faser-morphologien aus. Mit Blick auf die weltweit stark expandierendeinterdisziplin�re Celluloseforschung und Produktentwicklung derletzten Dekade verkn�pft dieser Aufsatz den aktuellen Wissensstandzu Struktur und Chemie der Cellulose mit der Entwicklung innovati-ver Celluloseester und -ether f�r Beschichtungen, Filme, Membranen,Baustoffe, Bohrtechnologien, Pharmaka und Nahrungsmittel. Mitumweltfreundlichen Cellulosefaser-Technologien, Bakteriencellulose-Biomaterialien und In-vitro-Synthesen der Cellulose sind Wege insNeuland einbezogen, ebenso Aussagen zu den weiteren Zielen, Stra-tegien und Perspektiven der Celluloseforschung und -applikation.

Aus dem Inhalt

1. Einleitung 3423

2. Struktur und Eigenschaften derCelluloseim Festk�rper und inL�sung 3426

3. Cellulosechemie: neueSynthesen, Produkte undsupramolekulare Architekturen 3430

4. Innovative kommerzielle Esterund Etherder Cellulose 3440

5. Regenerierte Cellulose:umweltfreundlicheTechnologien auf demVormarsch 3442

6. Bakteriencellulose alsModellsubstanz undHochleistungsmaterial 3447

7. In-vitro-Synthesen: Wege insNeuland 3451

8. Zusammenfassung undAusblick 3453

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3423Angew. Chem. 2005, 117, 3422 – 3458 DOI: 10.1002/ange.200460587 � 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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zahl von Estern und Ethern der Cellulose. Diese im industri-ellen Maßstab produzierten Cellulosederivate (sieheSchema 16 und 17 in Abschnitt 4) werden f�r Beschichtun-gen, Laminate, optische Filme und Sorptionsmedien sowie f�reigenschaftsbestimmende Additive in Baustoffen, Pharmaka,Nahrungsmitteln und Kosmetika verwendet. Auf dem Faser-gebiet hat als umweltfreundliche Alternative zum Viskose-verfahren der Lyocell-Prozess den industriellen Durchbrucherreicht, bei dem Cellulose aus einer L�sung in N-Methyl-morpholin-N-oxid(NMMO)-Monohydrat versponnen wird(Abschnitt 5). Zahlreiche neuere Anwendungen der Cellulo-se nutzen vor allem ihre Biokompatibilit�t und Chiralit�t,z. B. zur Immobilisierung von Proteinen,[8] Antik�rpern[9] undHeparin,[10] zur Trennung enantiomerer Molek�le[11] sowiezum Aufbau von Cellulosekompositen mit synthetischenPolymeren und Biopolymeren.[12]

Die Faszination des Biopolymers Cellulose resultiert ausder im folgenden Abschnitt ausf�hrlich beschriebenen be-sonderen Struktur. Die Verschmelzung von Kohlenhydrat-und Polymerchemie in einem regul�r aus Traubenzuckergebildeten Makromolek�l bringt �berraschende Spezifikaund eine beeindruckende Vielfalt von Architekturen, Reak-tionsweisen und Funktionen hervor. Im Unterschied zuniedermolekularen Kohlenhydraten werden Reaktionenund Eigenschaften der Cellulose durch intermolekulareWechselwirkungen bis hin zu Vernetzungsreaktionen, Ket-tenl�nge und Kettenl�ngenverteilung sowie durch die Ver-

teilung der funktionellen Gruppen innerhalb der Wiederho-lungseinheit und entlang der Polymerketten bestimmt.Anders als bei synthetischen Polymeren sind die ausgepr�gtePolyfunktionalit�t, die hohe Kettensteifigkeit und die Hy-drolyse- und Oxidationsempfindlichkeit der kettenbildendenAcetalgruppen maßgebend f�r die Chemie und Handhabungder Cellulose.

Die Aufkl�rung der Polymerstruktur der Cellulose gehtauf die bahnbrechenden Arbeiten von Hermann Staudingerin den Jahren ab 1920 zur�ck.[13] Durch Acetylierung undDesacetylierung der Cellulose erkannte er, dass derenAufbau nicht in einer bloßen Aggregation von d-Glucose-einheiten besteht. Vielmehr sind die Glucosebausteine kova-lent unter Bildung langer Molek�lketten miteinander ver-bunden. Diese – durch Staudinger auch auf andere Ketten-molek�le ausgeweitete – Entdeckung des polymeren Mole-k�lzustandes und der polymeranalogen Reaktion markiertzugleich den Ursprung der Polymerwissenschaft.

Abbildung 1 zeigt die molekulare Struktur der Cellulose,die als polymeres Kohlenhydrat aus regul�r kovalent ver-kn�pften b-d-Glucopyranose-Molek�len unter intermoleku-larer Acetalbildung zwischen der �quatorialen OH-Gruppean C-4 und dem Kohlenstoffatom C-1 entsteht (b-1,4-Glucan)und im Prinzip so auch biogenetisch aufgebaut wird. DasErgebnis ist ein weitgehend gestrecktes Kettenpolymer mitder großen Zahl von drei Hydroxygruppen in jeder Anhy-droglucose(AGU)-Einheit, die in der energetisch bevorzug-

Dieter Klemm erwarb 1964 den Diplomche-miker an der Universit�t Jena und promo-vierte 1968 bei G. Drefahl am Institut f�rOrganische Chemie �ber stereospezifischeSynthesen stickstoffhaltiger Steroide. Es folg-ten Arbeiten zur organischen Chemie vonPolymeren bei H.-H. H�rhold und 1977 dieHabilitation. Nach einer Forschungst�tigkeitin der pharmazeutischen Industrie undBeginn der Arbeiten �ber Polysaccharide alsHochschuldozent wurde er 1987 zum Profes-sor an der Universit�t Jena berufen. Er istMitherausgeber der Fachzeitschrift Cellulose

und Kolumnist der Polymer News. Im Jahre 2004 erhielt er den AnselmePayen Award der American Chemical Society f�r seine Beitr�ge zur Ent-wicklung neuer Cellulosematerialien.

Hans-Peter Fink studierte Physik an der Uni-versit�t Rostock, wo er bei G. Becherer �berR�ntgenbeugungsuntersuchungen an Gl�sernund Glaskeramiken 1973 diplomierte und1977 promovierte. Von 1975 bis 1992 arbei-tete er am Institut f�r Polymerenchemie derAdW der DDR in Teltow-Seehof, wobeiStrukturuntersuchungen an Cellulosemate-rialien im Mittelpunkt standen, die auch dasThema seiner Habilitation waren (1991,Universit�t Rostock). Am Fraunhofer-Institutf�r Angewandte Polymerforschung leitet erden Forschungsbereich Native Polymere. F�r

seine Arbeiten auf dem Cellulosegebiet wurde er mehrfach ausgezeichnet,zuletzt 2002 mit dem Jisuke Hayashi Award der Cellulose Society of Japan.

Brigitte Heublein studierte Chemie an derFriedrich-Schiller-Universit�t Jena underwarb 1969 ihr Diplom mit einer Arbeit zurkationischen Polymerisation von Vinylmono-meren. 1974 promovierte sie am dortigenInstitut f�r Organische Chemie und Makro-molekulare Chemie �ber die Reaktionssteue-rung bei der kationischen Polymerisation vonVinylmonomeren bei Prof. G. Heublein,dessen Arbeitsgruppe sie bis 1989 angeh�rte.Seit 1990 arbeitet sie in der Gruppe Natur-stoffchemie/Polysaccharide unter Leitungvon Prof. D. Klemm.

Andreas Bohn studierte Mineralogie inM�nster und Berlin, wo er 1994 am Hahn-Meitner-Institut �ber R�ntgen- und Neutro-nenbeugungsuntersuchungen an Protonenlei-tern diplomierte. Seit 1995 besch�ftigt ersich in der Abteilung Strukturcharakterisie-rung des Fraunhofer-Institutes f�r Ange-wandte Polymerforschung in Teltow undPotsdam-Golm mit r�ntgenographischenUntersuchungen der �berstrukturen nativerPolymere. 2000 promovierte er �ber R�nt-genbeugungsuntersuchungen zur Strukturund Orientierung von Bakteriencellulose und

Celluloseregeneratfolien und leitet seitdem die Arbeitsgruppe R�ntgenstruk-turcharakterisierung des Institutes.

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ten 4C1-Konformation vorliegt. Um die Bindungswinkel derAcetal-O-Br�cken zu gew�hrleisten, ist jeder zweite AGU-Ring um 1808 durch die Ebene gedreht, sodass zwei benach-barte Struktureinheiten auf das Disaccharid Cellobiose zu-r�ckgehen.

Die Kettenl�nge der Cellulose – ausgedr�ckt in der Zahlder AGU-Wiederholungseinheiten (DP, degree of polymeri-zation) – variiert je nach Herkunft und Behandlung desRohstoffs. Bei Holzzellstoffen liegen die Werte zwischen 300und 1700, bei Baumwoll- und anderen Pflanzenfasern je nachBehandlung im Bereich von 800 bis 10000, die auch vonBakteriencellulose erreicht werden k�nnen. Regeneratfasernaus Cellulose weisen 250–500 Wiederholungseinheiten in derKette auf. Durch s�ure- und cellulasekatalysierte Hydrolysekann Cellulose quantitativ zu d-Glucose abgebaut werden,partieller Kettenabbau f�hrt zu pulvrigen Cellulosesubstratenvom Typ mikrokristalliner Cellulosen[14] (z. B. Avicel) mit DP-Werten zwischen 150 und 300. Ab 20 bis 30 Wiederholungs-einheiten besitzt ein b(1!4)-verkn�pftes Glucan alle Eigen-schaften von Cellulose.[15]

Die Kettenenden der Cellulose tragen jeweils eine d-Glucoseeinheit mit origin�rer 4-OH-Gruppe (nichtreduzie-rendes Ende) und einen im Gleichgewicht mit der Aldehyd-struktur stehenden Baustein (reduzierendes Ende). Techni-sche Cellulosen, wie gebleichte Holzzellstoffe, enthaltenzus�tzlich Carbonyl- und Carboxygruppen als Ergebnis derIsolierungs- und Reinigungsprozesse, die beider Weiterverwendung der Zellstoffe eine be-tr�chtliche Rolle spielen.[16]

Die molekulare Struktur bewirkt das cha-rakteristische Eigenschaftsbild der Cellulose:Hydrophilie, Chiralit�t, Abbaubarkeit undbreite chemische Variierbarkeit durch die aus-gepr�gte Donor-Reaktivit�t der OH-Gruppen(Abschnitt 3). Sie ist auch die Basis f�r diecellulosetypischen Wasserstoffbr�cken-Netz-werke, die zu einer Vielzahl von teilkristallinenFaserstrukturen und -morphologien f�hren(Abschnitt 2). Durch diese hierarchisch aufge-baute supramolekulare Struktur werden dieEigenschaften der Cellulose entscheidend mit-bestimmt.

Schema 1 zeigt die vier prinzipiell unter-schiedlichen Wege, auf denen Cellulose heutezug�nglich ist, wobei die Cellulosegewinnungaus Pflanzen – wie bereits beschrieben – beiweitem dominiert. W�hrend sie in den Samen-haaren der Baumwolle in nahezu reiner Formvorliegt, bildet Cellulose im Holz ein nat�rli-ches Kompositmaterial mit Lignin und anderenPolysacchariden (Hemicellulosen), aus dem sie

durch großtechnische chemische Auf-schluss-, Trenn- und Reinigungsver-fahren isoliert wird.

Neben Pflanzen bilden auch be-stimmte Bakterien, Algen und PilzeCellulose, die aufgrund ihrer beson-deren supramolekularen Strukturh�ufig als Modellsubstanz zur weite-

ren Erforschung der Cellulosestruktur, -kristallinit�t und-reaktivit�t sowie zur Entwicklung neuer Werkstoffe undBiomaterialien dient (Abschnitt 6). Auf dieser Basis wurdeauch der biogene Aufbau der Cellulose in den vergangenenJahrzehnten sehr ausf�hrlich untersucht.[17] Dabei wurde u.a.erkannt, dass die Biosynthese der Cellulose auf der Erde seit�ber 3.5 Milliarden Jahren Bestandteil des Lebenszyklus vonCyanobakterien ist.[18]

Als weitere bedeutsame Entwicklungsschritte sind die inden letzten Jahren gelungenen In-vitro-Synthesen der Cellu-lose hervorzuheben.[15] Der erste cellulasekatalysierte Cellu-loseaufbau geht von Cellobiosylfluorid aus,[19] die erste Che-mosynthese erfolgte durch Ring�ffnungspolymerisation vonsubstituierten d-Glucosepivalaten mit nachfolgender Ent-sch�tzung (Abschnitt 7).[20]

Die weltweit zunehmende Bedeutung nachwachsenderRohstoffe und umweltgerechter Materialien hat in denvergangenen 10 Jahren zu einer starken Aktivierung vonWissenschaft und Technologie auf dem Cellulosegebiet ge-f�hrt. Aufbauend auf dem in Monographien, Buchkapitelnund �bersichtsartikeln[21] beschriebenen Erkenntnisstandwerden im vorliegenden Aufsatz ausgew�hlte Schwerpunktedieser aktuellen Entwicklung dargestellt und die weiterenZiele, Strategien und Perspektiven auf dem Cellulosegebietdiskutiert. Die Auswahl basiert auf der aktuellen Bedeutungeiner Entwicklung f�r den Erkenntnisfortschritt und den

Abbildung 1. Molekulare Struktur der Cellulose; n =Polymerisationsgrad DP (degree of polymeriza-tion).

Schema 1. Prinzipielle Wege des Aufbaus von Cellulose.

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damit erzielten Innovationsschub sowie auf den Erfahrungender Autoren. So resultiert ein Geb�ude der aktuellen Cellu-loseforschung und -entwicklung, das die Bausteine Struktur,Synthese, innovative Produkte und Wege ins Neuland zu-sammenf�hrt und in den Literaturstand einf�gt.

2. Struktur und Eigenschaften der Celluloseim Festk�rper und in L�sung

Die �ber Wasserstoffbr�cken der Hydroxygruppen hie-rarchisch aufgebaute Struktur der Cellulose ist seit mehr als100 Jahren Gegenstand intensiver Untersuchungen mit oft-mals kontrovers diskutierten Ergebnissen und immer wiederneuen Erkenntnissen.[22] Fortschritte waren dabei von Beginnan eng verbunden mit der Einf�hrung und Weiterentwicklungvon strukturanalytischen Untersuchungsmethoden, wie derR�ntgenbeugungsanalyse, der Elektronenmikroskopie, derhochaufl�senden 13C-Festk�rper-NMR-Spektroskopie undder Neutronenbeugungsanalyse. Die detaillierte Aufkl�rungund Modellierung der unterschiedlichen Strukturniveaus derCellulose ist sowohl f�r die Reaktionsf�hrung bei Synthesenals auch f�r die gesteuerten Strukturbildungsvorg�nge unddie Eigenschaften von cellulosischen Chemieprodukten(man-made cellulosics) essenziell.

2.1. Festk�rperstrukturen nativer Cellulose

Entsprechend der in Abbildung 1 dargestellten moleku-laren Struktur sind die Hydroxygruppen des b-1,4-GlucansCellulose in den Positionen C-2 und C-3 (sekund�r, �quato-rial) sowie C-6 (prim�r) angeordnet, wobei die CH2OH-Seitengruppe in trans-gauche(tg)-Position bezogen auf die O-5/C-5- und die C-4/C-5-Bindungen vorliegt. Durch die supra-molekulare Strukturierung der Cellulose entstehen im Fest-k�rper hochgeordnete kristalline und wenig geordnete (amor-phe) Bereiche.

2.1.1. Kristallstruktur

Die durch R�ntgenbeugung bestimmte Kristallstrukturder nativen Cellulose (Cellulose I) kann in erster N�herungdurch eine monokline Elementarzelle (Raumgruppe P21)beschrieben werden, die zwei parallel gerichtete Cellulose-ketten mit zweiz�hliger Schraubenachse enth�lt.[23] Mit 13C-CP/MAS-NMR-Spektroskopie wurde in den 80er Jahrenerstmals gefunden, dass in nativen Cellulosen zwei unter-schiedliche kristalline Modifikationen der Cellulose I (Ia undIb) nebeneinander auftreten k�nnen, wobei die Anteilsver-h�ltnisse abh�ngig von der Herkunft der Cellulose sind.[24]

Untersuchungen mit Elektronenmikrostrahlbeugung[25] sowiekombinierter R�ntgen- und Neutronenbeugung[26] liefertenk�rzlich die dazugeh�rigen Kristallstrukturen mit einer tri-klinen (Ia) und einer monoklinen (Ib) Elementarzelle. Abbil-dung 2 zeigt eine schematische Darstellung der Ib-Kristall-struktur, wobei in der Seitenansicht (b) der Zentralketteneiner Elementarzelle zwei intramolekulare, kettenversteifen-de Wasserstoffbr�cken deutlich werden. Bemerkenswert ist,

dass in einer der neuesten Arbeiten zur Ib-Struktur[27] unter-schiedliche Kettenkonformationen benachbarter Ketten undunterschiedliche H-Br�ckensysteme innerhalb benachbarterMolek�lschichten ermittelt wurden.

Neben der thermodynamisch weniger stabilen Modifika-tion I kann Cellulose in weiteren Kristallstrukturen auftreten(Cellulose II, III, IV),[21] wobei Cellulose II (Abbildung 2) diestabilste Struktur mit technischer Relevanz ist. Sie bildet sichaus Cellulose I durch Behandlung mit Natronlauge (Merce-risierung) oder durch Aufl�sen der Cellulose und Ausf�llen/Regenerieren, z. B. bei der Faser- und Filmbildung. Diesemonokline Kristallstruktur[28] mit zwei antiparallelen Kettenin der Elementarzelle zeichnet sich durch die spezifischeElementarzellengeometrie und ein ver�ndertes H-Br�cken-system aus. Die Alkalisierung der Cellulose ist f�r diegroßtechnische Cellulosechemie als Mittel der Reaktivit�ts-erh�hung (Aktivierung) f�r nachfolgende Reaktionen sowiebei der Mercerisierung von Baumwolle von großer Bedeu-tung. Aus Cellulose I k�nnen sich dabei in Abh�ngigkeit vonLaugenkonzentration, Temperatur und mechanischer Belas-tung zun�chst kristalline Alkalicellulosen mit unterschiedli-chen Kristallstrukturen und variablem NaOH- und Wasser-gehalt bilden,[29] aus denen beim Auswaschen kristalline„Hydratcellulose“ (Wassercellulose) und beim TrocknenCellulose II entsteht (Abbildung 3). Als bisher noch unver-standen gilt der �bergang der parallelen Kettenanordnung inCellulose I zur antiparallelen Ausrichtung in Cellulose II, derabl�uft, ohne dass zwischenzeitlich die Cellulosemolek�lemolekulardispers gel�st vorliegen.

Zur Struktur der nichtkristallinen, ungeordneten Cellu-losesegmente gibt es bisher nur wenige Arbeiten.[30] Wegender Bedeutung dieser Strukturelemente f�r Zug�nglichkeitund Reaktivit�t der Cellulose sowie f�r die Eigenschaftsbe-einflussung von cellulosischen Chemiefasern sind hier weitereErkenntnisse erforderlich.

2.1.2. Morphologie

Die biologische Funktion und zahlreiche Applikationender Cellulose beruhen auf ihrer ausgepr�gten Fasermorpho-logie. In der morphologischen Hierarchie wird zwischenElementarfibrillen, Mikrofibrillen und Mikrofibrillarb�ndernunterschieden.[31] In entsprechender Reihenfolge liegen dielateralen Abmessungen dieser Bausteine bei 1.5–3.5 nm,zwischen 10 und 30 nm sowie im Bereich von 100 nm. DieL�nge der Mikrofibrillen liegt bei mehreren 100 nm. Abbil-dung 4 zeigt die im Elektronenmikroskop aufgel�ste Fibril-larstruktur von Proben unterschiedlicher Herkunft, einStrukturmodell der initialfeuchten Bakteriencellulose ist inAbbildung 28 (Abschnitt 6.1) dargestellt.

Zur Beschreibung des Aufbaus der Mikrofibrillen und derpartiell-kristallinen Struktur der Cellulose im Zusammen-hang mit der Reaktivit�t dieses Polymers hat sich dasFransenfibrillarmodell mit kristallinen Bereichen unter-schiedlicher Abmessungen (Kristallite) und ungeordnetenBereichen bew�hrt (Abbildung 5).[29c]

Umfangreiche Untersuchungen liegen zum Kristallini-t�tsgrad der Cellulose und den Abmessungen der Kristallitevor,[33] einige Ergebnisse von R�ntgenbeugungsuntersuchun-

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gen an nativen Cellulosen sind in Tabelle 1 zusammengestelltworden. Entsprechende Werte von regenerierter Cellulose inForm von F�den und Folien finden sich in Tabelle 4 (Ab-schnitt 5.5.1).

Bemerkenswert ist, dass die lateralen Kristallitabmessun-gen der Cellulose im Fall der Regenerate (Cellulose II)unabh�ngig vom Herstellungsverfahren zwischen 4 und 5 nmliegen (Tabelle 4), w�hrend bei nativen Cellulosen Werte mit

Abbildung 2. Kristallstrukturen von Cellulose Ib und Cellulose II: a) Projektion der Elementarzelle auf die a-b-Ebene; b) Projektion der Elementarzel-le parallel zur (100)-Netzebene (Cellulose I) bzw. zur (010)-Netzebene (Cellulose II).[22c]

Abbildung 3. R�ntgenweitwinkelkurven der Cellulosemodifikationen,die sich beim Alkalisieren und Regenerieren bilden.[29c] Irel = relativeIntensit�t, 2q= Beugungswinkel.

Abbildung 4. Elektronenmikroskopische Aufnahmen cellulosischer Mi-krofibrillen unterschiedlichen Ursprungs.[32] Links: Valonia(Algen)-Cellu-lose, Mitte: Baumwoll-Linters, rechts: Fichtensulfit-Chemiezellstoff.

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bis zu 20 nm beobachtet wurden. Die Ursachen der Ausbil-dung von nahezu einheitlichen Querschnittsdimensionendieser Kristallite aus unterschiedlichen Strukturbildungspro-zessen bed�rfen noch der Kl�rung.

Als Pendant zur Fibrillarmorphologie der Cellulose kannihre Hohlraumstruktur aufgefasst werden, die f�r die Zu-g�nglichkeit bei chemischen Reaktionen und beim enzyma-tischen Abbau von großer Bedeutung ist.[34] Die Variationdieser Hohlraumstruktur erm�glicht die Herstellung vonCelluloseprodukten mit einem breiten Anwendungspoten-zial, das von hochspezialisierten Trenn- und Tr�germateria-lien bis hin zu Gebrauchsartikeln wie Nonwovens[35] mitausgezeichneten Saugeigenschaften reicht.

2.1.3. Wachstumsarchitekturen und Materialdesign

Als Ger�stsubstanz aller Pflanzen ist Cellulose in einerzellularen hierarchischen Struktur organisiert, die in Verbin-dung mit den Begleitstoffen Hemicellulosen, Lignin oderPektin zu den außergew�hnlichen Eigenschaften von nativenVerbundmaterialien wie Holz, Flachs und Hanf f�hrt. InAbbildung 6 sind die Zellw�nde von Baumwolle und Holz mitden unterschiedlich strukturierten Schichten schematisch

dargestellt, wobei die Sekund�rwand S2 die Hauptmengeder Cellulose enth�lt.

Die in den Zellw�nden in Form von Mikrofibrillenorganisierten Cellulosemolek�le weisen charakteristischeOrientierungen auf (Spiralwinkel), die sich in den Zellwand-schichten einerseits und je nach Pflanzenart andererseitsunterscheiden. Abbildung 7 zeigt R�ntgenfilmaufnahmenvon Baumwolle und von Bastfasern (Flachs, Hanf, Jute), diedie unterschiedliche mittlere Orientierung der kristallinenBereiche dieser Naturfasern widerspiegeln.

Die geringere Orientierung der Cellulosemikrofibrillen inBaumwollfasern (Spiralwinkel um 188) hat einen kleineren E-

Abbildung 5. Modelle der supramolekularen Struktur von Cellulose-Mikrofibrillen.[29c]

Tabelle 1: Kristallinit�tsgrade xc und Kristallitgr�ßen D(hkl) sowie lateraleAbmessungen der Mikrofibrillen d von nativen Cellulosen.

Celluloseart xc [%] D(hkl) [nm] d [nm]D(11̄0) D(110) D(020)

Valonia >80 10.1 9.7 8.9 10–35Bakteriencellulose 65–79 5.3 6.5 5.7 4–7Baumwoll-Linters 56–65 4.7 5.4 6.0 7–9Ramie 44–47 4.6 5.0 3–12Flachs 44 (56[a]) 4–5 4–5 4–5 3–18Hanf 44 (59[a]) 3–5 3–5 3–5 3–18Chemiezellstoff 43–56 4.1–4.7 10–30

[a] Auf Cellulose bezogener Kristallinit�tsgrad.

Abbildung 6. Struktureller Aufbau der pflanzlichen Zellwand am Bei-spiel von a) Baumwoll- und b) Holzfasern:[21b] C = Cuticulaschicht,L = Lumen, ML= Mittellamelle, P = Prim�rwand, R = Umkehrstelle,S1 = Sekund�rwand, S2 = Sekund�rwand 2, T = Terti�rwand, W =War-zenschicht.

Abbildung 7. R�ntgenfaserdiagramme unterschiedlicher cellulosischerNaturfasern.[36]

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Modul und eine h�here Bruchdehnung im Vergleich zu denBastfasern mit sehr viel h�herer Orientierung (Spiralwinkelvon 4–58) und Faserfestigkeit zur Folge. Die Anpassung dermechanischen Eigenschaften von Holz an die umweltbeding-ten Anforderungen �ber entsprechende Spiralwinkel istfaszinierend und in dieser Form bei technischen Verbundma-terialien bisher unerreicht.[37] Es gelingt jedoch bereits, dieParameter von cellulosischen Chemiefasern �ber eine geziel-te Beeinflussung der Orientierung (hier insbesondere auchder nichtkristallinen Kettensegmente) an die Anforderungender Nutzer anzupassen, sodass baumwoll�hnliche Typen mitgeringer Orientierung (hohe Dehnung) und technische Re-generatfasern mit hoher Orientierung und hohem E-Modul,vergleichbar den Bastfasern, entwickelt werden konnten.

2.2. Strukturen von Cellulose und Cellulosederivaten in L�sung

Kenntnisse �ber die Struktur von Cellulose und Cellulo-sederivaten in L�sung sind nicht nur von wissenschaftlichemInteresse, sondern haben große praktische Bedeutung. Bei-spiele sind die Verformung von Cellulose aus Spinnl�sun-gen,[38] die Modifizierung der Synthese von Cellulosederiva-ten (Abschnitt 3) und die l�sungsstrukturbestimmten Eigen-schaften von wasserl�slichen Celluloseethern (Abschnitt 4).Fragen zur Cellulosestruktur in L�sung sind daher seitJahrzehnten Gegenstand intensiver Forschung und Diskussi-on. Nach Schurz[38a] wird zun�chst zwischen molekulardisper-sen und Netzwerkl�sungen unterschieden, zu denen noch einAnteil von Gelpartikeln hinzukommen kann. Abbildung 8zeigt Modellvorstellungen der L�sungszust�nde von Cellulo-sederivaten, die in Abh�ngigkeit von L�sungsmittel, Poly-

merkonzentration, Kettenl�ngenverteilung und Substitution(Art, Muster, Substitutionsgrad DS) zutreffen k�nnen.

Cellulosederivate mit freien OH-Gruppen sind in derRegel nicht molekulardispers l�slich. Untersuchungen anteilsubstituierten Cellulosecarbanilaten und -benzoaten erga-ben jedoch, dass durch spezifische Polymer-L�sungsmittel-Wechselwirkungen (z. B. in DMF) aggregationsfreie L�sun-gen entstehen k�nnen.[39] Andererseits wurde beobachtet,dass vollst�ndig substituierte Produkte (z.B. Cellulosetricarb-anilate) molekular l�slich sind oder aber durch starke inter-molekulare Wechselwirkungen unl�slich werden (z. B. Tri-methylsilylcellulose mit DS 3.0).

W�hrend f�r Grundlagenuntersuchungen zur L�sungs-struktur hochverd�nnte L�sungen herangezogen werden,liegen in der Praxis (z.B. im Viskoseprozess) konzentrierteSysteme mit Polymergehalten von 8 bis 12 % vor, dieentsprechend den Modellvorstellungen als Netzwerkl�sungenmit Gelpartikelanteil zu beschreiben sind.[38b,c] Daher wirdneben rheologischen Untersuchungen in der Regel auch eineGelteilchencharakterisierung zur Bestimmung der Qualit�tder Spinnl�sung vorgenommen.[38]

In den letzten Jahren sind insbesondere in der Arbeits-gruppe von Burchard weitergehende Grundlagenuntersu-chungen zur Struktur von Cellulose und Cellulosederivatenin L�sung mit statischer und dynamischer Lichtstreuungdurchgef�hrt worden.[40] Unter Verwendung regioselektivmodifizierter Celluloseether ergaben sich dabei auch neueErkenntnisse zum Entropieeffekt bei der Aufl�sung vonCellulosederivaten (Abschnitt 3.2.3).[39,40]

Erste Forschungsergebnisse zum L�sungszustand derCellulose in NMMO-Monohydrat als einem technisch rele-vanten System (Abschnitt 5) belegen, dass bimodale Mole-k�laggregationen mit bis zu 1000 Ketten auftreten, die aufnicht v�llig aufgel�ste Kristallstrukturen der Ausgangscellu-lose zur�ckgef�hrt werden.[41] Die mittlere Molek�lzahl derkleineren Aggregate entspricht dabei in erster N�herung dervon Kristalliten (50–100), w�hrend die der gr�ßeren Aggre-gate mit der Molek�lzahl einer Mikrofibrille (250–1000)korreliert.[42] In einem tern�ren L�sungsmittelsystem ausNMMO, Wasser und Diethylentriamin ist Cellulose im Tem-peraturbereich von 25 bis 60 8C molekulardispers l�slich,sodass auf diesem Weg mit Lichtstreuung die mittlere Mol-masse und weitere Eigenschaften der gel�sten Molek�lebestimmt werden k�nnen.[43]

2.3. Fl�ssigkristalline Cellulosestrukturen

Aufgrund ihrer Kettensteifheit k�nnen Cellulose undbestimmte Cellulosederivate in h�herkonzentrierten L�sun-gen cholesterische (chiral-nematische) Strukturen bilden. Seitder Entdeckung des lyotropen fl�ssigkristallinen Zustandesvon Hydroxypropylcellulose in Wasser[44] wurde eine Vielzahlvon Cellulosederivaten gefunden, die lyotrope oder thermo-trope fl�ssigkristalline Phasen ergeben.[45]

Aus den L�sungen lassen sich chiral-nematische Filmeund Gele bilden. Es wurden der Einfluss des L�sungsmittelsund der Kettensteifigkeit auf die Gangh�he und H�ndigkeitder chiral-nematischen Strukturen untersucht.[46]Abbildung 8. Schema m�glicher L�sungszust�nde von Cellulose.[38a]

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Regioselektiv substituierte (Positionen 2, 3 oder 6 derAGU) Cellulosephenylurethane mit F-, Cl- oder CH3-Grup-pen im Phenylring bilden in hochkonzentrierten L�sungenlyotrope fl�ssigkristalline Mesophasen, deren Struktur undoptische Eigenschaften stark vom Ort der Substitution sowievon der Konzentration und Temperatur der L�sung abh�n-gen.[46] Cellulose-(3-chlorphenyl)urethane im Gemisch mitAcrylatmonomeren ergeben durch Photovernetzung semiin-terpenetrierende Polymernetzwerke, die durch Kompressionihre selektive Reflexion ver�ndern.[47] Celluloseurethane mitAzofarbstoff-Substituenten und Acrylate von Hydroxypro-pylcellulose sind weitere gut untersuchte lyotrope fl�ssigkris-talline Celluloseprodukte. Letztere bilden durch Photover-netzung in Wasser Gele, deren Farbe vom Wassergehaltgesteuert wird.[47]

Die �ber die Gangh�he cholesterischer Phasen regulier-baren optischen Eigenschaften er�ffnen wichtige Anwen-dungsfelder, z.B. als Farbpigmente in Autolacken oder alsKopierschutzfarbe f�r Dokumentenpapier.

Fl�ssigkristalline Zust�nde der unsubstituierten Cellulosesind insbesondere im Hinblick auf neue Spinnverfahren unddie Herstellung von Hochleistungsfasern von Bedeutung. AlsL�sungsmittel eignen sich hierbei NMMO, eine Mischungvon Trifluoressigs�ure und chlorierten Alkanen, DMA/LiCl,Ammoniumrhodanid in fl�ssigem Ammoniak[48] und konzen-trierte Phosphors�ure. Allerdings hat sich bisher noch keinSpinnverfahren auf der Grundlage dieser fl�ssigkristallinenSysteme industriell durchgesetzt. Die beim Lyocell-Verfahrenin NMMO verwendeten Cellulosekonzentrationen liegenunterhalb des fl�ssigkristallinen Phasenbereiches (Ab-schnitt 5).

Neuere Entwicklungen zeichnen sich in Zusammenhangmit der M�glichkeit ab, chiral-nematische Suspensionen vonCellulosekristalliten oder Mikrofibrillen herzustellen.[46a]

3. Cellulosechemie: neue Synthesen, Produkte undsupramolekulare Architekturen

3.1. Spezifik der Reaktionen an Cellulose

Die durch die supramolekulare Struktur bedingte Unl�s-lichkeit der Cellulose in Wasser und in den meisten organi-schen L�sungsmitteln ist der Grund daf�r, dass bisher allekommerziell erh�ltlichen Produkte durch Reaktionen derCellulose im festen und mehr oder weniger gequollenenZustand hergestellt werden (heterogene Reaktionen).[49] Daje Wiederholungseinheit der Cellulose grunds�tzlich dreiHydroxygruppen f�r Reaktionen zur Verf�gung stehen unddie Stabilit�t der kettenbildenden Acetalgruppen gegenReagentien, Sauerstoff sowie mechanische und thermischeBeanspruchung begrenzt ist, ergeben sich zus�tzlich Fragennach der Substituentenverteilung im Produkt und nach demKettenabbau w�hrend der Synthesen.

Bei der heterogenen Reaktionsf�hrung werden Zug�ng-lichkeit (Accessibilit�t) und Reaktivit�t der OH-Gruppendeutlich durch wasserstoffbr�ckenbrechende Aktivierungs-schritte (z. B. mit Basen wie NaOH, Abschnitt 2.1.1)[50] unddie Wechselwirkung mit den Reaktionsmedien (z. B. Quel-

lung)[51] bestimmt. Es ist also nicht ohne weiteres m�glich,typische Reaktionen der organischen Chemie „linear“ auf dieCellulose zu �bertragen. Durch Beherrschen der Cellulose-aktivierung und der heterogenen Reaktionsweise gelingt esjedoch, Celluloseprodukte mit erw�nschten Umsatzgraden,reproduzierbarem Substituentenmuster und angestrebtemEigenschaftsbild im Labor und großtechnisch effektiv zusynthetisieren. Nach wie vor sind aber wichtige Synthese-aspekte nur zum Teil verstanden, sodass noch immer vielErfahrung und das richtige „feeling“ erforderlich sind.

Durch L�sen der Cellulose in spezifischen Cellulosel�-sungsmitteln,[21a] die die Wasserstoffbr�cken aufheben unddie dabei gebildeten Addukte solvatisieren, wird der Einflussder supramolekularen Struktur auf den Reaktionsverlaufweitgehend ausgeschaltet. In diesem Sinne ist eine L�sungvon LiCl in DMA (DMA/LiCl) eines der wichtigsten L�-sungsmittelsysteme f�r Cellulose, sowohl f�r organischeSynthesen[52] als auch f�r analytische Zwecke.[53] Die Strukturdieses bin�ren Mediums, der Aufl�semechanismus und derEinfluss von Wasser auf L�sewirkung und L�sungszustandder Cellulose sind ausf�hrlich untersucht worden.[40,54]

In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass Tetra-butylammoniumfluorid-Trihydrat in DMSO (DMSO/TBAF)Cellulose effektiv aufl�st und f�r homogene Synthesen sehrgut nutzbar ist.[55] Auch auf dem klassischen Gebiet metall-haltiger Cellulosel�sungsmittel (Cuprammoniumhydroxid)sind grunds�tzliche Fortschritte erzielt worden.[56] Dabeikonnte die L�sungsstruktur der Cellulose in diesem kupfer-haltigen Medium gekl�rt werden (Schema 2).[53]

Unter Nutzung der Cellulosel�sungsmittel sind auf derEbene von Laborsynthesen in den letzten 20 Jahren umfang-reiche pr�parative Arbeiten durchgef�hrt worden. Dabeigelang es, neue Typen von Cellulosederivaten herzustellenund vertiefte Kenntnisse zu Reaktionsmechanismen, Reak-tionssteuerung, Struktur-Eigenschafts-Beziehungen (L�slich-keit, Filmbildung, Stabilit�t) und Strukturaufkl�rung zu er-

Schema 2. Komplexbildung der Cellulose in Cuprammonium-hydroxid.[53]

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zielen.[57] Einer �bertragung der homogenen Reaktionen inden technischen Maßstab steht bislang die Handhabung deraprotisch-dipolaren Medien und der Salzkomponenten ent-gegen.

Partiell substituierte l�sliche Cellulosederivate sind na-turgem�ß ebenfalls gute Substrate f�r Reaktionen unterhomogenen Bedingungen (siehe auch Abschnitte 3.2.1 und3.2.4).[58] Vor allem Celluloseether haben sich dabei alsn�tzliche Intermediate und regioselektiv einf�hrbare Schutz-gruppen erwiesen. Typische Beispiele sind Trityl-,[59] meth-oxysubstituierte Trityl-,[60, 61] großvolumige Silyl- (Ab-schnitt 3.2.3) sowie Allyl- und Benzylether.[62] Tabelle 2 ent-h�lt exemplarisch Angaben f�r Tritylschutzgruppen.[60]

Ein begrenzter Kettenabbau kann bei den meisten Reak-tionen der Cellulose ohne Eigenschaftsminderung der Pro-dukte hingenommen werden, sofern nicht Kettenl�ngenaußerhalb des Konvergenzbereiches der Stoffparameter er-reicht werden. Ohne Kettenabbau verlaufen z. B. die Umset-zung mit Phenylisocyanat (Carbanilierung) und die Silylie-rung (Abschnitt 3.2.3) der Cellulose.[58]

3.2. Neue Celluloseprodukte, selektive Synthesen

Das breite Spektrum pr�parativer und strukturanalyti-scher Untersuchungen der letzten 10 Jahre umfasst die Cha-rakterisierung der Donor-Acceptor-Eigenschaften von Cel-lulosesubstraten und -derivaten mittels solvatochromer Elek-tronen-Donor-Acceptor(EDA)-Komplexe,[63] Arbeiten �berCellulosethiosulfate und selbstorganisierende Derivate,[64]

Untersuchungen zu Cellulosen verringerter Funktionalit�t(an O-2 und O-3 als Ether gesch�tzte Substrate f�r Folgere-aktionen an den C-6-OH-Gruppen)[61] sowie Cellulosepro-dukte mit kovalent gebundenen Farbstoffen (z. B. Azulencar-bons�ureester) und ihre optoelektronischen Eigenschaften(Schema 3).[65]

Einbezogen in die aktuellen Arbeiten sind gezielt modi-fizierte Cellulosederivate f�r Anwendungen in der enantio-selektiven Chromatographie[66] und als Biomaterialien,[67]

ebenso durch Acylyse und „Retrosynthese“ hergestellteneuartige Celluloseprodukte.[68] Gegenstand der Forschungenwaren auch die Strukturwandlung und Modifizierung derCellulose in Niedertemperatur-Salzschmelzen/ionischen L�-

sungsmitteln,[69] die Strukturanalytik von Cellulose und sub-stituierten Cellulosederivaten,[70] die Bestimmung der Poly-merdynamik von Cellulosederivaten in L�sung mit Dielek-trischer Relaxationsspektroskopie[71] sowie Untersuchungender viskoelastischen und rheooptischen Eigenschaften vonwasserl�slichen Cellulosederivaten und deren Ultraschallab-bau zu kleineren Einheiten mit definierten Molmassen.[72]

Eine besondere Herausforderung der synthetischen Ar-beiten ist die selektive Umsetzung der zahlreichen OH-Gruppen der Cellulose innerhalb der Wiederholungseinhei-ten und entlang der Polymerketten – ein bei Polysaccharidennaturgem�ß auftretendes Problem. Richtungsweisende Ar-beiten hierzu stammen von Horton und Yalpani.[73] Aussagenzur Regiochemie der Cellulose finden sich ebenfalls in�bersichtsartikeln.[74]

Prinzipiell werden zur selektiven Umsetzung der Cellu-lose die Reaktivit�tsunterschiede der prim�ren Hydroxy-gruppe an C-6 (am besten zug�nglich) und der zur Acetal-funktion benachbarten (am st�rksten aciden) sekund�renHydroxygruppe an C-2 genutzt, die jedoch durch die imAbschnitt 2 beschriebenen Wasserstoffbr�cken-Netzwerke�berlagert sind. Dar�ber hinaus k�nnen AGU-Einheitenentlang der Celluloseketten so aktiviert werden, dass dieUmsetzungen selektiv an bestimmten Kettensegmenten be-vorzugt stattfinden („reaktive Mikrostrukturen“). In derLaborpraxis gelingen regioselektive Synthesen von Cellulo-seprodukten vor allem durch die Anwendung von Schutz-gruppentechniken und die selektive Einbindung von OH-Gruppen in diskrete Solvatations- und Aktivierungszust�nde,durch gezielte Folgereaktionen und enzymatische Umsetzun-gen von reaktiven Cellulosederivaten sowie durch Chemo-synthese aus funktionalisierten Glucosen.

Struktureinheitliche Cellulosederivate sind nicht nur f�rden Vergleich mit statistisch modifizierten Cellulosen, son-dern vor allem als Produkte mit neuen Eigenschaften undAnwendungsfeldern, zur Kl�rung bisher offener Fragen zuL�sungsstrukturen und zum Aufbau supramolekularer Ar-chitekturen (Abschnitt 3.3) von Bedeutung. Typische Bei-spiele sind 6-O- und 2,3-Di-O-acetyl-6-O-triphenylmethylcel-lulose,[75] 2,6-Di-O-thexyldimethylsilyl- und daraus hergestell-

Tabelle 2: Trityl- und Methoxytritylether als 6-O-selektive Schutzgruppen.

Polymer t [h] DSR 6 3 2 �

H 48 0.96 0.01 0.13 1.10OCH3 4 0.97 0.00 0.06 1.03OCH3 48 0.96 0.00 0.10 1.06

Schema 3. 2,3-Methylether als ortsselektive Steuerelemente beimAufbau von Cellulosen mit optoelektronischen Eigenschaften.

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te 3-O-Alkylcellulosen[76] sowie regioselektiv mit fluoreszie-renden Benzylether-Gruppen modifizierte Methylether.[77]

3.2.1. Fortschritte bei der Synthese von Celluloseestern

Cellulosesulfate sind in den letzten Jahrzehnten intensivuntersucht worden,[21a] da ihre wasserl�slichen Natriumsalzeausgezeichnete rheologische und gelbildende Eigenschaftenhaben, wodurch sie als Filmbildner, anionische Polyelektro-lyte und biologisch aktive Polymere zunehmend an Bedeu-tung gewinnen. Aufgrund dieses anwendungstechnischenPotenzials werden die Cellulosesulfate im Schema 16, Ab-schnitt 4, mit genannt, obwohl sie bisher nicht in gr�ßeremUmfang technisch genutzt werden. Ein Arbeitsschwerpunktwar auch hier die Synthese von Cellulosesulfaten mit regio-selektiver Substituentenverteilung, die durch Sulfatierungvon Celluloseester- und Celluloseether-Intermediaten ein-schließlich der Anwendung von Schutzgruppen gelingt.[21a,78]

Schema 4 zeigt daf�r typische Beispiele. Im Falle derCellulosenitrite und Trimethylsilylether erfolgt die Sulfatie-rung durch Substitution dieser Reste, bei Acetat, Trifluorace-tat und Tritylether durch Umsetzung der freien OH-Gruppen.Der Acetatweg f�hrt �ber die selektive Diamin-katalysierteHydrolyse von Cellulosetriacetat zum bevorzugt gebildeten6-Acetat-Intermediat. Die in Schema 4 idealisiert angegebe-nen Regioselektivit�ten sind in der Literatur[21a] durch DS-Angaben belegt. W�hrend die direkte Sulfatierung der Cel-lulose durch die Reversibilit�t der Reaktion zu einer statis-tischen Verteilung in der Polymerkette f�hrt, gelingen regio-selektive Sulfatierungen �ber partiell gesch�tzte Vorstufen,die irreversible Vorgaben machen und selbst das Ergebniskinetisch kontrollierter Reaktionen sind, oder aber �berreaktive Intermediate.

Celluloseester langkettiger Carbons�uren wurden mitBlick auf thermoplastisches Verhalten und Selbstorganisationsystematisch bearbeitet.[79] Dabei spielen Komposite undNanokomposite von Cellulose und ihren Derivaten mitLignin sowie supramolekulare Architekturen in Analogiezum nat�rlichen Kompositmaterial Holz eine wichtigeRolle.[79] Celluloseester aliphatischer, aromatischer, großvo-lumiger und funktionalisierter Carbons�uren sind durch In-situ-Aktivierung der freien S�uren mit Tosylchlorid, N,N’-Carbonyldiimidazol und Iminiumchlorid in homogener Acy-lierung in DMA/LiCl oder DMSO/TBAF mit breit variier-baren Substitutionsgraden, unterschiedlicher Verteilung derSubstituenten und interessanten Eigenschaftsbildern (ther-misches und L�slichkeitsverhalten, Bioaktivit�t) erh�ltlich(Schema 5).[80]

In j�ngster Zeit ist es gelungen, Celluloseacetate (CAs)durch Acetylesterasen gezielt zu desacetylieren.[81] Regiose-lektiv an C-6 substituierte CAs mit niedrigem Substitutions-grad entstehen mit Enzymen der Kohlenhydratesterase(CE)-Familie 1. Esterasen der CE5-Familie f�hren zu regioselektiv3,6-di-O-acetylierten CAs, w�hrend die regioselektive Modi-fizierung in der 3-Position mit Enzymen der CE4-Familiegelingt. In systematischen Untersuchungen konnte gezeigtwerden, dass die Verteilung der Acetatgruppen innerhalb derAGU und entlang der Celluloseketten der Ausgangsacetatedie Wirkung der Enzyme beeinflusst; insbesondere die Ace-tatgruppen in Position 2 sind dabei wirksam. Unter Verwen-dung von Acetylase aus Aspergillus niger ergab sich eineDesacetylierung von CA zu einem entlang der Polymerkettebevorzugt an C-6 acetylierten Produkt.[81a,82]

3.2.2. Celluloseether mit nichtstatistischer Substituentenvertei-lung entlang der Ketten

Blockartig aufgebauteCarboxymethylcellulosen(CMCs)[83] lassen sich mitdem Konzept der reaktivenStrukturfraktionen[84] her-stellen. Dieser Begriffwurde f�r aktivierte nicht-kristalline Bereiche der Cel-lulose gepr�gt, die durchBehandlung mit gering kon-zentrierter Natronlaugeeinen selektiven Angriffauf das Alkylierungsrea-gens erm�glichen. Hierbeiwird die Tatsache genutzt,dass die Aktivierung derCellulose mit Natronlaugevon der Laugenkonzentrati-on und den lateralen Di-mensionen der geordnetenBereiche abh�ngt, sodassdurch Anwendung entspre-chend konzentrierter Na-tronlaugen gezielt nichtkris-talline KettensegmenteSchema 4. Synthesewege f�r Cellulosesulfate mit regioselektiver Verteilung der ionischen Gruppen.

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blockartig umgesetzt werden k�nnen. Eine weitere M�glich-keit zur Synthese von CMCs mit unkonventioneller Substi-tuentenverteilung bietet das Konzept der Cellulosederivati-sierung in reaktiven Mikrostrukturen, die durch induziertePhasenseparation gebildet werden.[80a] Hierbei wird die zurAktivierung verwendete NaOH in Form von wasserfreienPartikeln einer L�sung von Cellulose in DMA/LiCl zugesetztund dabei eine Phasentrennung unter Gelbildung initiiert. Ander Grenzfl�che L�sung-Partikel wird in den dort befindli-chen Kettensegmenten aktive Cellulose regeneriert (reaktiveMikrostrukturen), die mit Natriummonochloracetat in einemReaktionsschritt zu CMCs mit DS-Werten bis zu 2.2 reagiert.Die Strukturanalytik dieser CMCs ergab, dass eine deutlichvon der Statistik abweichende Substituentenverteilung vor-liegt.[80a]

Das Phasenseparationsprinzip l�sst sich auch auf andereL�sungsmittelsysteme (DMSO, TBAF, NMMO), verschiede-ne Celluloseintermediate (CA, TMSC) (Abbildung 9) sowieandere Celluloseether-Synthesen (Abbildung 10) ausdehnen.In allen F�llen ergeben sich block�hnliche Funktionalit�ts-muster und dadurch Produkte mit neuen Eigenschaftsbildern.Die in den Abbildungen dargestellten Kurven entsprechenden Stoffmengenanteilen, die mit einem vereinfachten statis-tischen Modell nach Spurlin[80e] berechnet wurden, das vonder Annahme gleicher Reaktivit�t der OH-Gruppen an C-2,C-3 und C-6 ausgeht, unabh�ngig vom bereits erzielten DS-Wert. W�hrend die Stoffmengenanteile von heterogen syn-thetisierten Celluloseethern gut mit den berechneten Werten�bereinstimmen,[80f] weichen die Anteile der durch induziertePhasenseparation hergestellten Proben von diesem Modell

ab. Dabei ist der Anteil an unsubstituierten und trisubstitu-ierten AGUs unverh�ltnism�ßig hoch. Das daraus abgeleiteteblockartige Funktionalit�tsmuster wird auch durch die neuenEigenschaftsbilder dieser Produkte charakterisiert. Die par-tiellen DS-Werte an den Positionen 2, 3 und 6 der Carboxy-methylcellulosen lassen sich aus den 1H-NMR-Spektren derdurch Kettenabbau erhaltenen Carboxymethylglucosen be-rechnen.[80f]

Abbildung 9. Stoffmengenanteile c von Glucose (*), Mono-O-carboxy-methylglucosen (&), Di-O-carboxymethylglucosen (~) und 2,3,6-Tri-O-carboxymethylglucose (!) in hydrolysierten Carboxymethylcellulose-Proben als Funktion des mit HPLC ermittelten Substitutionsgrades(DS). Die Polymere wurden durch induzierte Phasenseparation ausge-hend von Celluloseacetat (CA), Trimethylsilylcellulose (TMSC), Cellulo-setrifluoracetat (CTFA), Celluloseformiat (CF) und Cellulose gel�st inDMA/LiCl synthetisiert.[80a]

Schema 5. Veresterung von Cellulose unter In-situ-Aktivierung der Carbons�uren durch Tosylchlorid (1), N,N’-Carbonyldiimidazol (2)und Iminiumchlorid (3).

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3.2.3. Silylcellulosen

Die Silylierung polar-protischer Gruppen wie -OH mitChlorsilanen oder Silazanen f�hrt zu Silylethern, die sichdurch deutlich erh�hte thermische Stabilit�t, Lipophilie unddas Aufheben von Wasserstoffbr�cken auszeichnen. Auf-grund der leichten Spaltbarkeit der Silylether mit S�uren oderNucleophilen dienen sie als selektive Schutzgruppen in derorganischen Synthese.[85] Das Einf�hren von Silylgruppen unddie Eigenschaften von Silylethern sind daher in der Kohlen-hydrat- und Polysaccharidchemie sehr attraktiv.

Die Silylierung von Cellulose ist seit etwa 50 Jahrenbekannt.[86] Sie erwies sich als geeigneter Weg, um Silylcel-lulosen zum Aufbau supramolekularer Strukturen herzustel-len (Abschnitt 3.3.1) und um bei regioselektiven Synthesenmit siliciumhaltigen Schutzgruppen zwischen den drei OH-Gruppen der AGU zu differenzieren.[87,88]

Wie Schema 6 zeigt, ergibt die Trimethylsilylierung mitHexamethyldisilazan (HMDS) in fl�ssigem Ammoniak einevollst�ndige Umsetzung aller Hydroxygruppen unter Bildungvon 2,3,6-Tri-O-trimethylsilylcellulose mit einem DS-Wertvon 3.0.[89] Die Aktivierung der Cellulose mit fl�ssigem

Ammoniak erfordert etwa 30 min. Dabei erreicht die Zu-g�nglichkeit der OH-Gruppen ein solches Ausmaß, dass dieGeschwindigkeit der Silylierung (mit Saccharin als Katalysa-tor)[88b,c] bis zu Ums�tzen von 50 % einer Kinetik 1. Ordnungfolgt, obwohl die Reaktion an der suspendierten Celluloseheterogen abl�uft. W�hrend der Silylierung und auch der imFolgenden beschriebenen Desilylierungsreaktionen erfolgtkein Abbau der Cellulosekette.[88]

Werden die OH-Gruppen durch L�sen des Polymers inDMA/LiCl zug�nglich gemacht (homogene Reaktion), undwird in Gegenwart von Imidazol gearbeitet, so f�hrt dasgroßvolumige Silylierungsmittel Thexyldimethylchlorsilan(TDSCl) zu vollst�ndiger 6-O- und 2-O-Silylierung (DS-Wert 2.0), d.h., die prim�re und die reaktivste sekund�re OH-Gruppe werden umgesetzt.[90] Startet die Silyletherbildungmit dem gleichen Reagens in einer Cellulosesuspension inaprotisch-dipolaren Medien (z. B. in N-Methylpyrrolidon,NMP), die gasf�rmiges Ammoniak enthalten, dann wirdunter Silylierung aller prim�ren 6-OH-Gruppen und nachVerdampfen des Ammoniaks bei etwa 40 8C ein L�sungszu-stand dieser Silylcellulose erreicht, der auch bei großemReagens�berschuss, erh�hter Temperatur und sehr langenReaktionszeiten keine weitere Umsetzung an den sekund�-ren Hydroxygruppen zul�sst.[88a]

Die Strukturaufkl�rung der regioselektiv substituiertenSilylcellulosen gelingt vor allem durch zweidimensionaleNMR-Spektroskopie nach Methylierung aller freien OH-Gruppen, kompletter Desilylierung und Acetylierung allerdabei gebildeten OH-Funktionen (Schema 7)[88a] oder in

vereinfachter Weise durch nachtr�gliche Acetylierung derbei der Silylierung nicht umgesetzten Hydroxygruppen.

Durch diese aufw�ndige Probenvorbereitung wird einedeutlich verbesserte Aufl�sung der Spektren erreicht. Aufdiese Weise konnte die Struktur von 2,6-Di-O-TDS-cellulosedurch NMR-Spektroskopie von 2,6-Di-O-acetyl-3-O-methyl-cellulose ermittelt werden, und die von 6-O-TDS-cellulose�ber 2,3-Di-O-acetyl-6-O-TDS-cellulose. Eine exakte Korre-lation zwischen den Signalen und den Protonen der AGUergibt sich mithilfe der Crosspeaks. Die Tieffeldverschiebun-gen der Signale von H-2 (4.94 ppm) und H-3 (4.58 ppm)

Abbildung 10. Stoffmengenanteile c von Glucose (*), Mono-O-methyl-glucosen (&), Di-O-methylglucosen (~) und 2,3,6-Tri-O-methylglucose(!) in hydrolysierten Methylcellulose(MC)-Proben als Funktion desmit HPLC ermittelten Substitutionsgrades (DS).[80a]

Schema 6. Differenzierte Reaktivit�t der Hydroxygruppen von Cellulosebei der Silylierung.

Schema 7. Synthese von 3-O-Ethern der Cellulose �ber 2,6-Di-O-thexyldimethylsilylcellulose.

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belegen die nachfolgende Acetylierung der sekund�ren OH-Gruppen. Die Methylenprotonen der AGU zeigen einetypische Hochfeldverschiebung von H-6a (3.64 ppm) und H-6b (3.14 ppm) als Ergebnis der 6-O-Silylierung.[88a]

Parallel dazu wurde eine Permethylierungsanalyse unterKettenabbau der methylierten Proben mit w�ssriger Triflu-oressigs�ure und HPLC-Analytik der Methylglucosen vorge-nommen.[91] Als sehr n�tzlich und zuverl�ssig hat es sichdar�ber hinaus erwiesen, den Siliciumgehalt klassisch durchElementaranalyse in Form von SiO2 zu bestimmen.

Durch Desilylierung der Cellulosesilylether entstehenentweder vollst�ndig desilylierte Regenerat-Cellulosen(Filme, Partikel, F�den), partiell silylierte Cellulosen mitalternativer Verteilung der Silylgruppen[89b,c] oder regioselek-tiv aufgebaute Cellulosederivate bei Anwendung der Schutz-gruppentechnik.[90] Typische Beispiele sind die Synthese von3- und 2,3-Alkylethern der Cellulose (Schema 7 und 8).

Die Struktur dieser regioselektiv funktionalisierten Cel-lulosen l�sst sich durch 13C-NMR-Spektroskopie (Abbil-dung 11), zweidimensionale 1H/1H- und 1H/13C-Techniken(Abbildung 12) und COSY-DQF-Spektren (Abbildung 13)aufkl�ren. F�r die 1H-NMR-Spektroskopie ist es erforderlich,die freien OH-Gruppen zu acylieren.

Regul�r selektiv funktionalisierte Cellulosen sind f�rneue Erkenntnisse zur L�slichkeit und zur L�sungsstrukturvon Cellulosederivaten von Bedeutung. Anhand aliphatischer3-O-Celluloseether mit unterschiedlicher L�nge der Alkyl-reste konnte gezeigt werden, dass kurze Alkylreste (z. B.

Pentyl) am kettensteifen Celluloser�ckgrat zu Unl�slichkeitf�hren, lange Alkylreste (z.B. Dodecyl) dagegen molekularl�sliche Produkte ergeben. Zusammen mit weiteren Befun-den sprechen diese Resultate daf�r, dass entropische Effektedie L�slichkeit weit st�rker bestimmen als die bei derbisherigen Interpretation der Solvatation betrachteten en-thalpischen Wirkungen.[39,40, 76]

3.2.4. Cellulosesulfonate

Die Synthese von Organosulfons�ureestern (Sulfonaten)durch einfache Veresterung der OH-Gruppen der Cellulosemit den entsprechenden Sulfons�urechloriden oder -anhydri-den ist ein effektiver Weg, um, im Unterschied zu allenbisherigen wichtigen Cellulosederivaten, nucleofuge Grup-pen an der Cellulose anzubringen. Die Cellulosesulfonatemachen so ein breites Spektrum von substituierten Produktenzug�nglich, das mit den Methoden der �blichen „O-Chemie“der Cellulose (Angriff des O-Donors der OH-Gruppen aufElektrophile) nicht erreichbar ist. Dar�ber hinaus zeigen sie

Schema 8. Synthese von 2,3-Di-O-alkylcellulosen unter Anwendungvon Schutzgruppentechniken.

Abbildung 11. 13C-NMR-Spektrum von 3-O-Allylcellulose in [D6]DMSObei 60 8C.[90]

Abbildung 12. a) 1H/1H-NMR-Spektrum und b) 1H/13C-HMQC-Spek-trum von 3-O-Allyl-2,6-di-O-acetylcellulose in CDCl3 bei 40 8C.[90]

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selbst interessante Polymer- und Materialeigenschaften, dieneue Anwendungsfelder er�ffnen.[92]

Die am h�ufigsten hergestellten und verwendeten Cellu-losesulfonate sind die p-Toluolsulfonate (Tosylate) gefolgtvon Methansulfonaten (Mesylaten), p-Brombenzolsulfonaten(Brosylaten) und Trifluormethansulfonaten (Triflaten). Deraktuelle Kenntnisstand zu Synthese, Eigenschaften und Fol-gereaktionen der Cellulosesulfonate ist Gegenstand einer�bersicht.[93]

Die Synthese von Cel-lulosesulfonaten (Sche-ma 9) erfolgte zun�chstin Suspension (hetero-gen). In L�sungen derCellulose in DMA/LiClgelingt die homogene Ver-esterung. Dabei kann dieHerstellung von Cellulo-setosylat so optimiertwerden, dass der DS-Wert gesteuert und vonNebenprodukten freiePolymere entstehen. BeiTemperaturen von +7 8Cl�sst sich z.B. mit Tosyl-chlorid in Gegenwart vonTriethylamin ein Cellulo-setosylat mit einem DS-Wert von maximal 2.3synthetisieren, der �berdas Molverh�ltnis Tosyl-chlorid/AGU der Cellulo-se auch gesteuert werdenkann. Beispiele f�r wich-

tige Folgereaktionen vonCellulosetosylat zeigtSchema 10.

3.2.5. Aminocellulosen

Unter dem BegriffAminocellulosen werdenim Folgenden Aminodes-oxyderivate verstanden,die im Unterschied zu denbekannten aminogruppen-haltigen Celluloseesternund -ethern[21a] die Stick-stoff-Funktion direkt amCelluloseskelett tragen. Ty-pische Ausgangsstoffe f�rdie Synthese der Amino-desoxycellulosen sind dieentsprechenden Halogen-derivate und Sulfonate.

Cellulosederivate mitAmino-Ankergruppen zurImmobilisierung von Enzy-men und anderen Protei-

nen wurden durch ein gezieltes Strukturdesign ausgehend vonCellulosetosylaten erhalten. In einem typischen Beispielwurde dazu Cellulosetosylat (DS 2.3) mit 1,4-Phenylendiamin(PDA) in DMSO bei 100 8C in Gegenwart von TEA umge-setzt (Schema 11).[94]

Um in homogener L�sung die SN2-Alkylierung nur einerder Aminogruppen des PDA zu gew�hrleisten und so farbloseProdukte zu erhalten, wurde mit einem Molverh�ltnis PDA/

Abbildung 13. COSY-DQF-Spektrum von 3-O-Isopentyl-2,6-di-O-propionylcellulose in CDCl3 bei 40 8C.

Schema 9. Synthesewege f�r Cellulosesulfonate.[93]

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AGU von 9:1 gearbeitet, wobei PDA-Cellulose mit DSPDA

0.75 und DSTosylat 1.30 entsteht. Durch 13C-NMR-Spektrosko-pie ergibt sich, dass die Umsetzung am 6-Tosylat des Aus-gangspolymers erfolgt. Die verbleibenden sekund�ren Tosy-latreste beg�nstigen die L�slichkeit und Filmbildung desProduktes.

Die PDA-Cellulosen sind geeignete polymere Tr�ger zurImmobilisierung von Enzymen, z. B. durch Glutaraldehyd,Diazokupplung oder Ascorbins�ure, und zurkombinierten Fixierung von redoxaktiven Farb-stoffen durch oxidative Kupplung (Abbil-dung 14). Das Potenzial von PDA-Cellulosefil-men wurde anhand der Immobilisierung vonOxidoreduktasen wie Glucoseoxidase, Peroxi-dase und Lactatoxidase untersucht. Hohe En-zymaktivit�ten von 206 mUcm�2 konnten z.B.bei der Immobilisierung von Peroxidase mitGlutaraldehyd erzielt werden.[95] Diese Eigen-schaften der PDA-Cellulosen haben umfassendeUntersuchungen zur ihrer Verwendung als poly-mere Tr�germaterialien in faseroptischen Bio-sensoren ausgel�st.[96]

Auf vergleichbare Weise k�nnen durch SN2-Reaktion von Cellulosetosylat-Derivaten (2,3-Benzoat, 2,3-Carbanilat, 2,3-Methylether) mitDiaminoalkanen H2N(CH2)nNH2 (n = 2, 4, 8, 12)aliphatische Diaminreste in Cellulose eingef�hrt

werden (Schema 12).[97]

Aminocellulose-Carbani-late aus 1,2-Diamino-ethan und 1,4-Diamino-butan mit DSAmin-Werten< 0.4 sind z. B. in DMAund DMSO, die entspre-chenden 2,3-Methoxyde-rivate in Wasser, Ethanolund DMSO l�slich. Ab-bildung 15 zeigt ein typi-sches 13C-NMR-Spek-trum von 6-(4-Aminobu-tyl)-6-desoxy-2,3-di-O-methyl-aminocellulose inD2O unter (b) im Ver-gleich zum Spektrum desAusgangstosylats unter(a).

Die aus diesen L�-sungen gebildeten Filme

sind zur Enzymimmobilisierung geeignet. So wird Glucose-oxidase an ein Aminocellulose-Carbanilat (DSAminobutyl 0.49,DSCarbanilat 0.58, DSTosylat 0.08) mit einer Aktivit�t von205 mUcm�2 immobilisiert, wobei Benzochinon als Immobi-lisierungsreagens fungiert.[97] Aminocellulosen araliphati-

Schema 10. Folgereaktionen von Cellulosetosylat.[93]

Schema 11. Synthese von PDA-Cellulose durch Reaktion von Cellulose-tosylat mit 1,4-Phenylendiamin (PDA).

Abbildung 14. Bauprinzip eines Enzymsensors und Strukturelemente des Aminocellulose-Tr�gerpolymers.

Schema 12. Aminocellulosen aus aliphatischen Diaminen und Cellulo-setosylat.

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scher Diamine wurden ebenfalls als Tr�ger zur Immobilisie-rung von Enzymen verwendet.[98]

Die Synthese von Aminocellulosen ausgehend von ali-phatischen Monoaminen ist – wie die folgenden Beispielezeigen – seit l�ngerem bekannt. Nach ersten Arbeiten imZeitraum von 1978–1980[99a,b] wurde die Umsetzung vonCellulosetosylaten mit Monoaminen systematisch unter-sucht.[99c–e] Fragestellungen waren vor allem das Vermeidenvon Vernetzungsreaktionen durch mehrfache Umsetzung amAmin, der Umfang von Aminolysereaktionen am Toluolsul-fons�ureester unter R�ckbildung von OH-Gruppen sowie derselektive Umsatz von prim�ren und sekund�ren Tosylatgrup-pen. Unter homogenen Reaktionsbedingungen hergestellteTosylcellulose mit DS-Werten von 0.1–1.1 wurde mit Methyl-amin zu entsprechender Methylaminocellulose mit vergleich-baren Substitutionsgraden umgesetzt. Diese Cellulosederiva-te sollen als Adsorbentien f�r die extrakorporale Blutreini-gung dienen.[99f] Langkettige aliphatische Amine lassen sichgleichfalls auf diesem Wege einf�hren (Schema 13).[100]

3.3. Supramolekulare Architekturen

Die letzten 10 Jahre der Celluloseforschung waren auchdurch expandierende Aktivit�ten zum supramolekularenStrukturdesign von Cellulosederivaten gepr�gt. Als moleku-lare Basis spielen dabei regioselektiv funktionalisierte Cellu-losen eine wichtige Rolle. Pr�parativ und applikativ orien-tierte Arbeiten f�hrten z. B. zu kolloidalen �berstrukturendurch Anwendung selektiv topochemischer Reaktionen anKristalliten aus s�urekatalysiert-hydrolytisch abgebauter Cel-lulose[101] sowie zu ultrad�nnen Schichten phosphorylierterCellulosederivate auf Metalloberfl�chen.[102] Die folgendenBeispiele sollen weitere Wege zum Aufbau supramolekularerCellulosearchitekturen und deren Eigenschaften veranschau-lichen.

3.3.1. Hair-Rod-Nanokomposite

Ultrad�nne Mono- und Multischichtsysteme hoher Ord-nung lassen sich durch Langmuir-Blodgett-Technik aus Iso-pentylcellulose (DS 2.9), [5-(9-Anthrylmethoxy)pentyl]iso-pentylcellulose (DSIsopentyl 2.8, DSAnthryl 0.1), Fumarat-modifi-zierter Isopentylcellulose oder Trimethylsilylcellulosen (DS> 2.5) aufbauen (Abbildung 16).[103]

Die Architektur dieser Schichten ist am besten durch dieEinbettung von molekularen St�bchen – hier des Cellulose-Polymerr�ckgrats – in die Matrix der Seitengruppensegmente(Ethersubstituenten) zu beschreiben (Hair-Rod-Polymere).Durch Folgereaktionen (Photovernetzung, Cycloaddition)oder Bildung von Regeneratcellulose durch saure Hydrolyseder TMS-Cellulose-Schichten entstehen dreidimensionaleNetzwerke bzw. ultrad�nne Celluloseschichten.[104] Letzteresind als unl�sliche und stabile hydrophile Filme zur Adsorp-tion von Farbstoffen sowie von synthetischen und biogenenPolymeren von Bedeutung. Durch nachtr�gliche Einf�hrungvon Succinat-Gruppen in die Cellulosefilme l�sst sich dieses

Abbildung 15. 13C-NMR-Spektren von a) 2,3-Di-O-methyl-6-O-tosylcellu-lose in [D7]DMF und b) von 6-(4-Aminobutyl)-6-desoxy-2,3-di-O-methyl-aminocellulose in D2O.[97]

Schema 13. Synthese von 6-(N-Octadecylamino)-6-desoxy-cellulose-tosylat.

Abbildung 16. Typische Hair-Rod-Celluloseether zum Aufbau von nano-strukturierten Schichten.

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Verhalten weiter verst�rken.[105] Ultrad�nne Celluloseschich-ten werden damit zu sehr guten Substraten f�r diagnostischeund analytische Zwecke. Entsprechende zweidimensionaleCellulosearchitekturen dienen zum gezielten Aufbau struk-turierter ultrad�nner Peptidschichten mit Verwendung inneurophysiologischen Wachstumsstudien.[106]

3.3.2. NTA-Cellulosefilme zur Proteinfixierung

Bei Untersuchungen zur Wechselwirkung von Celluloseund Cellulosederivaten mit Proteinen gelang es, Nitrilotries-sigs�ure(NTA)-Gruppen kovalent an Cellulose zu bin-den.[107a] Die NTA-Cellulose bildet aus DMSO-L�sungend�nne Filme auf Glastr�gern, die bei Inkubation mit w�ssri-ger NiSO4-L�sung eine 1:1-Bindung des Nickels am NTA-Substituenten erm�glichen. Werden diese Filme mit L�sun-gen eines histidin- und fluoreszenzmarkierten Modellproteinsversetzt und nicht gebundene Proteine ausgewaschen, so l�sstsich durch inverse Mikroskopie belegen, dass das Proteinspezifisch an die Ni-NTA-Gruppen der Cellulose fixiert wird.Es ist durch Behandlung mit 1m Imidazol-L�sung wiederabspaltbar.

Abbildung 17 zeigt das Aufbauprinzip des Cellulose-Pro-tein-Komplexes, bei dem zwei Histidin-Struktureinheiten mitdem NTA-modifizierten Cellulosefilm �ber ein Ni2+-Ion

verbunden sind. Zur Synthese des Cellulosetr�gers wurdeCellulose (DP 800) in DMA/LiCl gel�st und mit Tosylchloridin Gegenwart von Triethylamin tosyliert (DS 1.2–2.0). ZurEinf�hrung der NTA-Gruppen konnte ein entsprechendesH2N-terminales Derivat aufgebaut werden. Ausgehend vonNe-Benzyloxycarbonyl-l-lysin wurde Na-dicarboxymethy-liert, die Ne-Schutzgruppe entfernt und mit Trimethylchlorsi-lan in Toluol in Gegenwart von Triethylamin persilyliert(Abtrennung von Nebenprodukten, Verbesserung der fol-genden SN2-Reaktion). Durch Umsetzung mit dem Cellulo-setosylat in einer DMSO/Toluol-Mischung entstand bei 90 8Cin 24 h das Nitrilotriessigs�ure-Derivat (Schema 14).

Das His6- (sechs Histidineinheiten) und fluoreszenzmar-kierte Modellprotein wurde entsprechend synthetisiert.[107b]

3.3.3. Monoschichten reaktiver Cellulosederivate

Durch Addition von Tetrathionat an 6-O-(3-Allyloxy-2-hydroxy)propylcellulose entstehen wasserl�sliche Thiosulfateder Cellulose, die auf Goldoberfl�chen durch Chemisorptiondichte Monoschichten der Dicke 4� 1 nm bilden.[108] Diesewurden unter anderem mittels Ellipsometrie, AFM, FTIR-und R�ntgenphotoelektronenspektroskopie sowie Kontakt-winkelmessungen untersucht. Dabei ergab sich, dass dieThiosulfatgruppen homolytisch gespalten und �ber die Thio-radikale stabile Goldthiolat-Ankergruppen gebildet werden.Die Wechselwirkung der so an Goldoberfl�chen immobili-sierten Cellulosederivate mit Proteinen wurde untersucht. Indiesen Arbeiten ließen sich auch Cellulosethiosulfate wasser-l�slicher Carboxymethylcellulosen einbeziehen (Schema 15).

Abbildung 17. Prinzip der Immobilisierung von histidin- und fluores-zenzmarkierten Proteinen an Nitrilotriessigs�ure-modifizierte Amino-cellulose-Filme �ber Metallkomplexe (M= Ni, S= Steuergruppe f�rL�slichkeit und Filmbildung).

Schema 14. Synthese von Nitrilotriessigs�ure(NTA)-modifizierter Ami-nocellulose.

Schema 15. Synthese von Thiosulfaten der Carboxymethylcellulose (CMC).

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Insgesamt wurde gezeigt, dass selbstorganisierte Mono-schichten (self-assembled monolayers, SAMs) von Cellulose-derivaten mit reaktiven Gruppen schnell und in einheitlicherQualit�t herstellbar sind und mit nur geringem Anteil anunspezifischen Wechselwirkungen direkt und mit kontrollier-ter Dichte Biomolek�le binden. Damit sind sie eine geeignetePlattform zum Studium von molekularer Erkennung anOberfl�chen und zum Aufbau von Biosensoren.

4. Innovative kommerzielle Ester und Etherder Cellulose

Celluloseester anorganischer und organischer S�uren(Schema 16) sowie Celluloseether (Schema 17) waren dieWegbereiter der Cellulosechemie und sind bis heute die

wichtigsten technischen Derivate der Cellulose.[4,21a,d,109]

Dabei ist die gegenw�rtige Entwicklung auf ein vertieftesVerst�ndnis der Struktur-Eigenschafts-Beziehungen, die bes-sere Anpassung dieser Celluloseprodukte an spezifische undneue Anwendungen sowie aus �konomischer und �kologi-scher Sicht auf die Verminderung des Einsatzes von Chemi-

kalien gerichtet. Kontinuierliche Investitionen in die Verbes-serung der technischen Synthesen (Pilot- und Produktions-anlagen), in eine anspruchsvolle Analytik und in verbessertePr�fverfahren bestimmen diese Entwicklung.

4.1. Fortschritte bei der Entwicklung und Anwendung vonCelluloseestern[110a]

4.1.1. Beschichtungen und Systeme f�r kontrollierte Freisetzung

Materialien wie Metall, Kunststoff, Holz, Papier undLeder werden zum Schutz und zur Eigenschaftsverbesserungh�ufig mit Polymeren beschichtet (coating). Die wichtigstenklassischen und l�sungsmittelbasierten Celluloseester derCoating-Industrie sind Celluloseacetat (CA), Celluloseace-tatpropionat (CAP) und Celluloseacetatbutyrat (CAB).

Um den Anteil organischer L�sungsmittel in den Be-schichtungssystemen zu verringern, wurden in den letztenJahren zunehmend Coatings mit hohem Feststoffanteil, was-serbasierte Coatings, Pulverbeschichtungen und lichth�rten-de Polymere als Schl�sselelemente neuer Technologien ent-wickelt, die jetzt auch den Anforderungen an kommerzielleProdukte gen�gen. Angesichts der Richtlinie der EU f�rfl�chtige organische Verbindungen (volatile organic comp-ounds, VOCs) geraten l�sungsmittelbasierte Lacke unter be-sonderen Druck. Am Beispiel der Nitrocellulose(NC)-Lackewird darauf gesetzt, durch Erarbeitung eines L�sungsmittel-managements die L�sungsmittellackierung auch mit der EU-Verordnung als leistungsf�hige Alternative zu erhalten.[111a]

Zur Entwicklung der wasserbasierten Celluloseester-Coa-tings wurden unterschiedliche Konzepte verfolgt. Zu nennensind das Verwenden konventioneller sowie ausgepr�gt hy-droxygruppenhaltiger Ester in Wasser und das Einf�hren von

Carboxygruppen durch radikalische Pfropf-copolymerisation,[112] Acylieren mit Dicar-bons�ureanhydriden und Verestern vonCarboxymethylcellulose (Tabelle 3). Da diekomplexen Strukturen dieser kommerziellenProdukte h�ufig nicht vollst�ndig aufzukl�-ren sind, werden die funktionellen Gruppenohne Angabe der Verteilung am Polymeraufgef�hrt. Zur Produktbeschreibung dienendie DS-Werte der verschiedenen Reste. EinCelluloseacetatbutyratsuccinat wird so z. B.durch DSAcetat 0.09, DSButyrat 1.94, DSOH 0.58und DSSuccinat 0.38 charakterisiert. Lichth�r-tende Coatings entstehen aus den klassischenCelluloseestern durch Einf�hrung polymeri-sationsf�higer und vernetzbarer Gruppen(Tabelle 3).

Im Bereich von Systemen zur kontrollier-ten Freisetzung (controlled release systems)nehmen Celluloseester wegen ihrer etablier-

ten Prozess- und Applikationssicherheit, chemischen Modi-fizierbarkeit und guten Handhabbarkeit eine herausragendePosition ein.[110a] Auf der Grundlage solcher Materialienwurden neue Systeme als darml�sliche Coatings, hydrophobeMatrices und semipermeable Membranen f�r Anwendungenin der Pharmazie, Landwirtschaft und Kosmetik entwickelt.

Schema 16. Typische technische Celluloseester.

Schema 17. Beispiele f�r kommerzielle Celluloseether.

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4.1.2. Komposite, Filme, Membranen

Die seit der Herstellung und kommerziellen Anwendungvon Celluloid klassische Applikation von Celluloseestern alsthermoplastische Kunststoffe wird gegenw�rtig intensiv zurSchaffung von Hochleistungsmaterialien auf der Basis nach-wachsender Rohstoffe vorangetrieben.[110a] Schwerpunktedabei sind die Herstellung langkettiger Celluloseester undder Aufbau von Blends mit anderen Polymeren. BreiteApplikation finden Celluloseester in Kompositen und Lami-naten als Binder, F�ller oder Laminatschichten. In Kombi-nation mit Naturfasern k�nnen sie als Komposite aus nach-haltigen Rohstoffen mit z.T. guter Bioabbaubarkeit dienen.

Celluloseester-Filme werden seit langem auch in großemUmfang als optische Medien genutzt, da sie bei leichterZug�nglichkeit sehr gute mechanische und optische Eigen-schaften aufweisen.[110a] Obwohl inzwischen andere Produktemit g�nstigem Kosten/Nutzen-Verh�ltnis Teile der Cellulo-seester auf diesem Gebiet verdr�ngt haben, gilt vor allemCelluloseacetat wegen seiner exzellenten Eigenschaften nachwie vor als ausgezeichnetes Material f�r photographischeFilme. Die Entwicklung der Fl�ssigkristalldisplays (LCDs)hat ebenfalls zu Innovationen auf diesem Gebiet gef�hrt.

Eine weitere Dom�ne der Celluloseester sind Membra-nen und andere Trennmedien.[110a] Cellulosenitrat und Cellu-loseacetat waren die ersten Materialien, aus denen brauch-bare Membranen erzeugt werden konnten. Heute findenCelluloseester Anwendung in allen Techniken der Stofftren-nung. Die Applikationsfelder umfassen die Wasserversor-gung, die Lebensmittel- und Getr�nkeherstellung sowie An-wendungen in der Medizin und der biowissenschaftlichenForschung. Sie �berstreichen das gesamte Filtrationsspek-trum von der Partikel-, Mikro- und Ultrafiltration bis hin zurNano- und Hyperfiltration (Umkehrosmose).

Als Sorptionsmedien im weitesten Sinne gelten auch dieSuperabsorber, die sich bei Unl�slichkeit (erzielt durchVernetzung) durch hohe Quell- und Wasserr�ckhaltewerteauszeichnen.[110b]

4.2. Entwicklungen auf dem Gebiet der Celluloseether[111]

Die Synthese von Celluloseethern ist ein wichtiges Feldder kommerziellen Cellulosederivatisierung. Zum ersten Malwurde im Jahre 1905 die Herstellung von Methylcellulose(MC) beschrieben, gefolgt von weiteren nichtionischen Al-kylethern der Cellulose 1912 und von Carboxymethylcellulo-se (CMC) und Hydroxyethylcellulose (HEC) ab 1920.Danach setzte auch die industrielle Produktion dieser bisheute wichtigsten Celluloseether ein.

Ihre herausragenden Eigenschaften sind gute L�slichkeit,hohe chemische Stabilit�t und toxische Unbedenklichkeit.Die besonders wichtige Wasserl�slichkeit kann in weitenGrenzen �ber die Konstitution und die Kombination derEtherreste sowie �ber den Substitutionsgrad und die Substi-tuentenverteilung gesteuert werden. Angewendet werdenCelluloseether in gel�stem oder hochgequollenem Zustand.Sie sind die dominanten Polymere auf zahlreichen Gebietenindustrieller Nutzung und in Produkten des t�glichen Lebens,wenn es um die Konsistenz w�ssriger Medien und wasserhal-tiger Systeme geht.

Die technische Veretherung von Cellulose erfolgt inw�ssrig-alkalischen Medien, wo sie in hochgequollenemZustand vorliegt. Dominant ist die O-Alkylierung mit Ha-logenalkanen nach Williamson, gefolgt von der Addition vonEpoxiden und der Michael-Addition von Reagentien mitaktivierten Doppelbindungen. Schema 17 zeigt typische Bei-spiele.

Tabelle 3: Beispiele f�r wasserbasierte und lichth�rtende Celluloseester-Coatings.

Substrat Reagens Produkt, R in Cell-OR

Celluloseacetatpropionat (CAP) H H3CCO H3CCH2CO

Celluloseacetatbutyrat (CAB) H H3CCO H3CCH2CH2CO OCCH2CH2COOH

Celluloseacetat (CA) H H3CCO

Carboxymethylcellulose (CMC) (H3CCO)2O,(CH3CH2CH2CO)2O

H H3CCO H3CCH2CH2CO H2CCOO�Na+

Cellulosebutyratsuccinat (CB-SU) H H3CCH2CH2CO OCCH2CH2C(O)OCH2CH(OH)CH2OC(O)CH=CH2

Celluloseacetatpropionat (CAP) H H3CCO H3CCH2CO

Celluloseacetatpropionat (CAP) H H3CCO H3CCH2CO OCCH=CHCOOH

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Im Unterschied zu Methylcellulose, Carboxymethylcellu-lose und Hydroxyalkylcellulosen ist die kommerzielle Be-deutung von Cyanethylcellulose auf wenige spezielle Anwen-dungen beschr�nkt (Additiv in der Papier- und Textilindust-rie, Herstellung von Membranen).

4.2.1. Celluloseether f�r Bohrtechnologien und Baustoffe[111a]

Von großer Bedeutung ist der Zusatz von konsistenzre-gelnden Celluloseethern zu den Bohrfl�ssigkeiten der Erd�l-,Erdgas- und Brunnenbohrungen. Mit Celluloseethern ver-setzte Bohrfl�ssigkeiten halten das Gesteinsmehl in derSchwebe, K�hlen den Bohrkopf und stabilisieren das Bohr-loch.

Ein weiteres bedeutendes Kerngesch�ft der Cellulose-ether betrifft den Baustoffmarkt, wo eine Vielzahl maßge-schneiderter Typen von Methylhydroxyethyl(MHEC)- undMethylhydroxypropylcellulosen (MHPC) die Rheologie unddie Verarbeitbarkeit von Putzsystemen steuern. Als Additive,die dem M�rtel in 0.02–0.70 Gew.-% zugesetzt werden,bestreiten sie einen Marktanteil von etwa 90 %. Die Cellu-loseether erm�glichen den Silotransport und die maschinelleVerarbeitbarkeit von Trockenm�rteln ebenso wie die effek-tive Handhabung von Gipshandputzen und -spachtelmassensowie von Fliesenklebern und Fugenf�llern. Dabei bestim-men sie den Wasseranspruch, das Wasserr�ckhalteverm�genund die Konsistenzentwicklung der Putzsysteme.

4.2.2. Pharma-, Kosmetik- und Lebensmittelmarkt[111a]

In diesem anspruchsvollen Anwendungsgebiet spieltneben Carboxymethylcellulose vor allem hochreine Hydro-xypropylmethylcellulose (HPMC) eine Rolle. HPMC bindetWasser, zeichnet sich durch gute Frost/Tau-Stabilit�t aus,kontrolliert die Viskosit�t von Fl�ssigkeiten und ist geruchs-und geschmacksneutral. Bei Produkten dieser Art spielenReinheit und dauerhafte Qualit�t eine �berragende Rolle, dieHerstellung muss GMP-Standards entsprechen.

Carboxymethylcellulose wird Getr�nken als Stabilisatorzugesetzt. Bei Milcherzeugnissen sorgt sie daf�r, dass Kon-sistenz, Textur und Haltbarkeit verbessert und zugesetzteFeststoffe in der Schwebe gehalten werden. Ebenso dient siezur Stabilisierung von Getr�nken auf der Basis von Molke.

5. Regenerierte Cellulose: umweltfreundlicheTechnologien auf dem Vormarsch

5.1. Gegenw�rtige Situation

Das mengenm�ßig bedeutendste Segment der chemisch-technischen Verarbeitung der Cellulose bilden Produkte ausregenerierter Cellulose (man-made cellulosics), zu denen inerster Linie Regeneratfasern, aber auch Folien, Membranenund Schw�mme geh�ren. Als Produktionsverfahren domi-niert heute noch mit einer Weltjahresproduktion von etwa2.2 Mio t (2002) das mehr als 100 Jahre alte Viskoseverfah-ren,[113] bei dem Chemiezellstoff mit CS2 zu Cellulosexantho-genat als einem metastabilen Zwischenprodukt umgesetzt

wird. Das Xanthogenat ist in Natronlauge l�slich und kann alsviskose L�sung („Viskose“) in einem Nassverfahren verformtwerden. Nach der F�llung des Verformungsproduktes wirdder Substituent abgespalten und weitgehend reine Celluloseregeneriert. Viskosefasern (Rayon) weisen ausgezeichneteEigenschaften in einem breiten Produktspektrum von nass-festen, baumwoll�hnlichen Textilfasern (Modalfasern) bis zutechnischen Fasern in Form von Reifencord f�r Hochleis-tungsreifen auf. Mithilfe der Viskosetechnologie werdenheute auch noch Folien (Cellophan) produziert, insbesonderef�r Lebensmittelh�llen.

Das Viskoseverfahren ist allerdings technologisch auf-w�ndig (siehe Verfahrensschema Abbildung 18), stellt hoheAnspr�che an den eingesetzten Chemiezellstoff und f�hrt zuproblematischen Umweltbelastungen wegen des Einsatzesvon CS2 und von Schwermetallverbindungen (im F�llprozess)und der daraus resultierenden Abprodukte. Zur Verringerungder Emissionen und zur Einhaltung der Umweltstandardsbieten sich verschiedene Wege an.

Die unspektakul�re erste Variante besteht in der Verbes-serung der existierenden Viskoseproduktion durch Optimie-rung des Chemikalieneinsatzes, insbesondere der Verminde-rung des CS2-Verbrauches,[114] sowie der Nachr�stung vonAbgas- und Abwasserreinigungsanlagen. Sie ist insbesonderevon der westeurop�ischen Viskoseindustrie kontinuierlichrealisiert worden, wobei heute die Emissionen den Grenz-werten entsprechen oder sie sogar unterschreiten.[115] Vorteil-haft ist hierbei, dass die existierenden Fabriken weiter genutztwerden k�nnen und dass hochentwickelte Fasertypen produ-ziert werden, die am Markt eingef�hrt sind. Nachteilig ist dermit der Abgas- und Abwasserreinigung verbundene erh�hteAufwand der Viskosetechnologie, der insbesondere bei derInstallation neuer Verarbeitungskapazit�ten gegen�ber denProduktvorteilen abgewogen werden muss.

Alternative Verarbeitungstechnologien sollen einfachersein als das Viskoseverfahren und umweltsch�dliche Stoffe

Abbildung 18. Verfahrensprinzipien der Regenerierung von Chemiezell-stoffen (links: Derivatverfahren; rechts: Direktverfahren).

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oder Nebenprodukte generell vermeiden (Abbildung 18). Einbis zur �berf�hrungsreife entwickeltes alternatives Derivat-verfahren unter Ausschluss von schwefelhaltigen Verbindun-gen und Beibehaltung der Viskosespinntechnologie ist dasCarbaCell-Verfahren,[116] bei dem in einer neuen Reaktions-variante Cellulose mit Harnstoff zu Cellulosecarbamat um-gesetzt wird, das anschließend auf existierenden Viskose-spinnanlagen verarbeitet werden kann.

Eine direkte L�sung und Verformung von Cellulose ohneDerivatisierung ist mit der heute ebenfalls aus Umweltgr�n-den kaum noch eingesetzten Kupfer-Ammoniak-Technolo-gie[117] m�glich (Cupro-Seide, Cuprophan). Vorgeschlagenwurden u.a. die L�sung und Verformung von Cellulose mitDMA/LiCl oder Zinkchlorid, die L�sung von Cellulose inNaOH (CELSOL-Verfahren)[118] und die Verwendung vonPhosphors�ure als Direktl�sungsmittel zum Erspinnen vonhochfesten Cellulosefilamenten.[119] Die umfangreichste Ent-wicklung seit Beginn der 80er Jahre erfuhr allerdings einVerfahren auf der Grundlage des L�sungsmittelsystemsNMMO-Monohydrat, das bis zur Produktionsreife gef�hrtwurde und heute als Lyocell-Verfahren den industriellenDurchbruch geschafft hat.[120] Dieses Verfahren bietet dasPotenzial f�r eine revolutionierende Entwicklung der Cellu-loseverarbeitung, weil es vergleichsweise einfach ist (Abbil-dung 18) und infolge der nahezu vollst�ndigen R�ckgewin-nung des L�sungsmittels praktisch emissionsfrei arbeitet.

5.2. Das CarbaCell-Verfahren

Ausgangspunkt bei der Entwicklung des CarbaCell-Ver-fahrens waren fr�he Arbeiten[121] zur Umsetzung von Cellu-lose mit Harnstoff (nach Harnstoffzersetzung) unter Bildungvon Cellulosecarbamat (Schema 18), das in Natronlaugel�slich und verformbar ist.

Die gesch�tzte CarbaCell-Technologie geht von einerSynthese des Cellulosecarbamats in Xylol als �bertragungs-medium aus.[116] Der technologische Ablauf �hnelt dem desViskoseverfahrens (Abbildung 18). Der Ausgangszellstoffwird zun�chst alkalisiert und vorgereift (teilweiser Kettenab-bau), in der Synthesestufe derivatisiert und anschließend inNatronlauge gel�st. Die Spinnl�sung wird filtriert und ent-l�ftet, bevor die Nassverspinnung in ein saures F�llbaderfolgt, dem sich ein salzhaltiges, alkalisches Zersetzungsbadzur Hydrolyse der Carbamatgruppen bei erh�hter Tempera-tur anschließt. Die Strukturver�nderungen der Cellulose imVerarbeitungsweg werden in Abbildung 19 anhand von 13C-CP/MAS-Festk�rperspektren deutlich gemacht.

Die Umsetzung der Alkalicellulose mit Harnstoff f�hrt inAbh�ngigkeit vom Syntheseverfahren zu Strukturen, die den

Cellulosemodifikationen II oder IV �hneln und blockartigeoder statistische Verteilungen der Substituenten entlang derCellulosekette aufweisen.[38e] Neben dem Einsatz des unbe-denklichen Harnstoffs anstelle des toxischen CS2 bestehtbeim Carbamatverfahren der Vorteil, dass Cellulosecarbamatbei Raumtemperatur relativ stabil ist. Es gestattet Lagerzei-ten von mehr als einem Jahr ohne Qualit�tsverlust. Damitk�nnte Cellulosecarbamat zentral in großem Maßstab syn-thetisiert und dann zu dezentralen Verarbeitungseinheiten(z. B. Spinnfabriken) geliefert werden. In Industrieversuchenwurde gezeigt, dass Cellulosecarbamat problemlos auf Vis-kosespinnmaschinen zu verarbeiten ist. Trotz der aufgezeig-ten Vorteile des Carbamatverfahrens, zu denen noch dieM�glichkeit der Herstellung weiterer Produkte hinzukommt(u.a. hoch absorbierende Spinnvliese, Hohlfasern, Schw�m-me, Teppichreiniger), gibt es bis heute keine industrielleCellulosecarbamatproduktion.

5.3. Das NMMO(Lyocell)-Verfahren

Wegen seines starken N-O-Dipols ist N-Methylmorpho-lin-N-oxid (NMMO) in Verbindung mit Wasser in der Lage,Cellulose ohne vorherige Aktivierung oder Derivatisierungaufzul�sen. In technischer Hinsicht als L�sungsmittel bedeu-tungsvoll ist NMMO-Monohydrat mit einem Wasseranteilvon 13.3 Gew.-% und einem gegen�ber reinem NMMOabgesenkten Schmelzpunkt von etwa 74 8C. Den Durchbruchdieses Systems f�r technische Anwendungen brachte dieEinf�hrung von Stabilisatoren wie Propylgallat, die denradikalischen Abbau des NMMO und die Kettenspaltungender Cellulose bei den erforderlichen Verarbeitungstempera-turen unterdr�cken.[123] L�sungen mit bis zu 23 % Cellulosek�nnen in der Weise erzeugt werden, dass man herk�mmli-chen Zellstoff in NMMO mit hohem Wasseranteil (z.B. 50%)dispergiert und danach die Suspension bei erh�hter Tempe-ratur bis zum Erreichen der NMMO-Monohydrat-Zusam-mensetzung einengt, wobei die Cellulose in L�sung geht. Imtern�ren Phasendiagramm (Abbildung 20) k�nnen der Wegder Cellulose bei der L�sungsherstellung und die technolo-

Abbildung 19. Strukturver�nderungen von Cellulose im Carbamatver-fahren anhand der 13C-CP/MAS-NMR-Spektren.[122]

Schema 18. Bildung von Cellulosecarbamat durch Umsetzung vonCellulose mit Harnstoff.

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gischen Stufen des NMMO-Verfahrens (vgl. Abbildung 18)zugeordnet werden.

Die Verformung der Cellulose-NMMO-Wasser-L�sungzu Fasern erfolgt bei Temperaturen von 80 bis 120 8C, wobeidickfl�ssige Systeme (dope) mit einem Cellulosegehalt von 8bis 23% aus der D�se �ber einen Luftspalt mit einer L�ngevon 10 bis 250 mm in ein w�ssriges F�llbad extrudiert werden,in dem die Cellulose nahezu schlagartig ausf�llt. Aus demF�llbad wird das NMMO in einem Kreislauf durch Aufkon-zentration und Reinigung �ber Ionentauscher industriell zu99.6–99.7% zur�ckgewonnen. Bei dem hier verwirklichtenTrocken-Nass(dry jet-wet)-Spinnprozess hat die Verformungim Bereich der D�se und der sich anschließenden Luftstreckeeinen wesentlichen Einfluss auf die Strukturbildung (insbe-sondere auf den Orientierungszustand) des Fadens und diesich daraus ergebenden Eigenschaften. Grundlagen der Kris-tallisation und Strukturbildung der Cellulose infolge Ausf�l-len aus NMMO-L�sungen wurden zuerst von Chanzy et al.[125]

und Dub� et al.[126] untersucht; eine Zusammenstellung derinzwischen umfangreichen Literatur zur Strukturbildung vonCelluloseregeneratmaterialien aus NMMO-L�sungen ist inLit. [42] gegeben.

Die heutige Generation der aus NMMO-L�sung erspon-nenen kommerziellen Lyocell-Fasern weist im Vergleich zukonventionellen Viskosefasern teilweise �berragende Eigen-schaften auf (z.B. Nass- und Trockenfestigkeit, E-Modul,Sorptionsverhalten, Trageeigenschaften, Glanz und Griff).Nach wie vor ist aber vor allem das ausgepr�gte Nass-Fibrillierverhalten nachteilig, dessen Unterdr�ckung gegen-w�rtig zus�tzliche Verfahrensschritte, z.B. Nachvernetzung,erfordert (Abschnitt 5.5).

Der Befund, dass die Cellulose-NMMO-Wasser-L�sungin der D�se und im Luftspalt �hnlich einer Schmelze verformtwerden kann, er�ffnete die M�glichkeit, erstmals Cellulose-folien nach dem Blasextrusionsverfahren[127] herzustellen(Prinzipskizze in Abbildung 21) und auch Spinnvliese (melt-blown Nonwovens)[128] analog den aus der Schmelze verform-ten synthetischen Polymeren (Polyethylen, Polypropylen,Polyethylenterephthalat) zu produzieren. Der Blasfolienpro-zess gestattet dabei zum einen die bei Cellulosefolien bisherin dieser Form nicht m�gliche Einstellung von L�ngs- undQuereigenschaften �ber entsprechende Orientierungszust�n-de. Zum anderen erm�glicht er die Beeinflussung der Mor-phologie und Hohlraumstruktur der Folie �ber den anschlie-

ßenden F�llprozess, wie er bei schmelzextrudierten Folien aussynthetischen Polymeren so nicht m�glich ist. Damit ergebensich vielf�ltige Anwendungsm�glichkeiten der Blasfolien ausCellulose, die von Verpackungsmaterialien, Lebensmittelh�l-len bis zu Dialysemembranen reichen. Insbesondere dieTechnologie der Herstellung von Lebensmittelh�llen ausNMMO-L�sung ist an verschiedenen Stellen in den USAund in Europa bis zur �berf�hrungsreife vorangetriebenworden.

Ein weiterer Vorteil des NMMO-Verfahrens bestehtdarin, dass kosteng�nstigere Zellstoffe geringerer Reinheit(h�herer Hemicelluloseanteil) eingesetzt werden k�nnen, einTrend, der insbesondere f�r die Entwicklung und Produktionvon Spinnvliesen von Bedeutung sein wird.[128] Die bahnbre-chende Bedeutung des Systems Cellulose-NMMO-Wasserwird auch dadurch deutlich, dass neben den klassischenFasern und Folien zahlreiche neue Produkte hergestelltwerden k�nnen, die dem nachhaltigen polymeren RohstoffCellulose ein riesiges Anwendungsfeld er�ffnen und sichgegenw�rtig in Entwicklung befinden. Hierzu geh�ren Lyo-phanmembranen f�r die Wasserreinigung,[124b] Precursorf�-den f�r Carbonfasern[129] und cellulosebasierte Funktionsma-terialien[130] wie leitf�hige und piezoelektrische Fasern, Kera-mik-Hohlfasern, Perlcellulose-Tr�germaterialien und hoch-por�se Materialien f�r unterschiedliche Anwendungen.

Besonders hervorzuheben ist auch, dass mit dem indust-riell angewendeten Lyocellfaser-Verfahren und der indiesem Zusammenhang entwickelten emissionsfreien techni-schen NMMO-Kreislauff�hrung ein wesentlicher Nachteilbisheriger Cellulosetechnologien beseitigt wurde, was u.a.durch den der �sterreichischen Lenzing AG f�r das Lyocell-Verfahren zuerkannten EU-Umweltpreis 2000 gew�rdigtwird.

Abbildung 20. Phasendiagramm Cellulose-NMMO-Wasser.[124a]

Abbildung 21. Prinzipskizze zur Blasextrusion von Cellulosefolien ausNMMO-L�sung.

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5.4. Die Chemie des Systems NMMO/Cellulose

NMMO ist wie alle Amin-N-oxide in der organischenChemie als Oxidationsmittel bekannt, und seine Anwendungin einem großtechnischen Prozess ist demnach nicht unpro-blematisch. Vor diesem Hintergrund wurde die Chemie desNMMO in einer Serie von Arbeiten systematisch und aus-f�hrlich untersucht.[131a]

Alle homolytischen Reaktionen des NMMO beginnenmit einer Spaltung der N-O-Bindung unter Bildung vonAminium(Aminyl)-Radikalen (Schema 19). Bei Abwesen-heit von Sauerstoff disproportionieren diese Radikale oderreagieren in Redoxprozessen, wobei schließlich N-Methyl-morpholin, Morpholin und Formaldehyd entstehen(Schema 20, oben). Diese Prozesse werden durch �bergangs-metallionen beschleunigt. In Anwesenheit von Sauerstoffreagieren die Radikale mit diesem (Schema 20, unten).

Die heterolytischen Reaktionen in der NMMO-L�sungverlaufen entweder als reduktive Desoxygenierung vonNMMO unter Bildung von N-Methylmorpholin bei gleich-zeitiger Oxidation von reduzierenden Stoffen, z.B. auch vonCellulose, oder es werden in intramolekularen Redoxprozes-sen durch Polonowski-Reaktionen Morpholin und Formalde-hyd gebildet (Schema 21). Ein dritter Weg, der als autokata-lytischer Prozess durch Carbeniumiminium-Ionen ausgel�stwird, kann zur quantitativen Zersetzung von NMMO f�hren.

Der jetzt erreichte Kenntnisstand �ber m�gliche Reak-tionen im System Cellulose-NMMO-Wasser ist f�r die sichereund �konomisch effektive Produktion von Cellulosefasernnach dem Aminoxid-Verfahren von großer Bedeutung. Dabeisind der strikte Ausschluss von Schwermetallen wie Kupferauch in kleinsten Konzentrationen sowie eine hochgradigkontrollierte Temperaturf�hrung sicherheitstechnischeGrundvoraussetzungen.

5.5. Strukturen und Eigenschaften von Celluloseregeneratfasernund -folien

Der hohe Entwicklungsstand und das umfangreiche Ty-penspektrum heutiger Viskoseprodukte geht auf jahrzehnte-lange Forschungsanstrengungen zur�ck. Grundlage ist einweitgehend empirisches (nicht immer publiziertes) Wissen�ber die komplizierten Strukturbildungsvorg�nge der Cellu-losederivate aus L�sung, das wohl nur noch von wenigenSpezialisten in der Industrie und in Forschungsinstitutenbeherrscht wird. Neue, nach M�glichkeit �berlegene und mitumweltvertr�glichen Technologien herstellbare Produktelassen sich aber nur �ber ein vergleichsweise hohes Verst�nd-nis der Strukturbildungsvorg�nge und der Zusammenh�ngezwischen Herstellungsbedingungen, Strukturen und Eigen-schaften entwickeln. Im Folgenden werden die auf denunterschiedlichen Strukturbildungsbedingungen beruhendenUnterschiede zwischen Viskose-, Carbamat- und Lyocellfa-sern beschrieben, aus denen sich die Zielrichtungen derStruktur- und Eigenschaftsbeziehungen neuer Produkte ab-leiten lassen.

5.5.1. Celluloseregeneratfasern

Elektronenmikroskopische Aufnahmen von Ultrad�nn-schnitten der unterschiedlichen Regeneratfasern zeigen, dasstextile Viskosefasern einen gelappten Querschnitt und mor-phologisch eine Kern-H�lle-Struktur aufweisen. Die rundenbis ovalen Querschnittsformen und die homogenen Morpho-

Schema 19. Homolytische und heterolytische Bindungsspaltung inNMMO.[131a]

Schema 20. Reaktionen im System NMMO/Cellulose ausgehend vonAminyl-Radikalen. Produkte von Redoxprozessen in Abwesenheit (1)und in Anwesenheit (2) von Sauerstoff.[131a]

Schema 21. Reduktive Desoxygenierung und Bildung von Carbenium-iminium-Ionen im System NMMO/Cellulose.[131a]

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logien von Carbamat- und Lyocellfasern weichen deutlichdavon ab und sind miteinander vergleichbar (Abbildung 22).Im letzteren Fall erfolgt offensichtlich eine schnelle „harte“

F�llung ohne Abspaltung der Substituenten (Carbamat),w�hrend die F�llbedingungen der Viskose „weicher“ sindund F�llung, Abspaltung des Substituenten sowie der Trans-port der Reaktionsprodukte bei der Regenerierung als kon-kurrierende Prozesse ablaufen. Aus Tabelle 4 wird deutlich,

dass die Kristallinit�tsgrade (WAXS, Ruland-Vonk-Metho-de)[132] der Carbamat- und Lyocellfasern zwischen 35 und40% liegen und damit oberhalb der weniger kristallinenViskosefasern (ca. 30%) einzuordnen sind. Ein Vergleich derebenfalls r�ntgenographisch bestimmten Kristallitabmessun-gen in Tabelle 4 zeigt allerdings, dass bei der Lyocellfaserschmalere und insbesondere l�ngere Kristallite (in Faserrich-tung) vorliegen.

Deutliche Unterschiede zwischen den Faserarten zeigensich auch in ihrem Orientierungszustand, der von entschei-dender Bedeutung f�r die mechanischen Eigenschaften ist. InAbbildung 23 sind die Gesamtorientierung ft (aus Doppel-brechungsmessungen), die Orientierung der kristallinen Be-reiche fc (R�ntgenbeugung) sowie die hieraus berechnetenOrientierungsfaktoren der nichtkristallinen Kettensegmentefa f�r kommerzielle Fasern und eine Reihe von Entwick-lungsmustern aus dem Carbamat-Programm gegen�berge-stellt.

Es wird deutlich, dass das steife, fibrillierende Verhaltender Lyocellfasern auf ihre hohe – technischen Fasern �hnliche– Orientierung der nichtkristallinen Bereiche zur�ckzuf�hrenist, deren Verminderung in Verbindung mit einer Verringe-rung des Kristallinit�tsgrades eine zentrale Aufgabe bei derWeiterentwicklung der Lyocellfasern war und ist. Bei derCarbamatfaser-Entwicklung stellte sich hingegen das Pro-blem, die zun�chst viel zu geringe Orientierung der nicht-

kristallinen Kettensegmente zu erh�hen. Das ist inzwischengelungen, sodass heute Carbamatfasern mit einem Orientie-rungszustand und Eigenschaftsprofil herstellbar sind, dienahezu denen von Viskose entsprechen.

Eine M�glichkeit der Verminderung von Kristallinit�tund Orientierung der Lyocellfasern ist durch eine „weichere“F�llung in alkoholischen B�dern gegeben. Fasern mit einemfesten, hochorientierten Kern und einer weichen, nichtfibril-lierenden H�lle k�nnen durch Zweistufenf�llung in Alkoholund Wasser erzeugt werden (Abbildung 24).[133]

Dieses Beispiel soll vor allem exemplarisch belegen, dassKenntnisse �ber Faserstrukturen und Vorstellungen �berStrukturbildungsprozesse eine wesentliche Voraussetzung f�rdie Entwicklung von Produkten mit gew�nschten Eigen-schaften sind. Umfangreiche weitere M�glichkeiten der Be-einflussung von Struktur und Eigenschaften im Prozess, zudenen auch die Nachvernetzung der Molek�le in der Faser

Abbildung 22. TEM-Aufnahmen von Querschnitten cellulosischerFasern.

Tabelle 4: Kristallinit�tsgrade xc und Kristallitabmessungen D vonCelluloseregeneratfasern.

Faserart xc [%] D11̄0 [nm] D110 [nm] D004 [nm]

Viskose 27–31technisches Garn 6.6 3.9 9.7Textilgarn 5.1 4.5 9.8

Lyocell Filament 35 4.4 3.3 17.5Carbamat Filament 34–43 3.6–4.1 4.1–5.3 10.0–12.4

Abbildung 23. Orientierungsparameter unterschiedlicher Celluloserege-neratfasern:[122] Orientierungsfaktor f0, Gesamtorientierung ft (&),Orientierung der kristallinen Bereiche fc (*), Orientierungsfaktoren dernichtkristallinen Kettensegmente fa (~). Faserarten: Lyocell L,CordEnka CE, EnkaViskose EV, Carbamate C1–C6.

Abbildung 24. Prinzipskizze der Zweibadf�llung f�r Lyocellfasern mitKern-H�lle-Struktur.

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geh�rt, sind in der Patentliteratur zu finden. Das Potenzial anEinflussm�glichkeiten d�rfte allerdings heute bei weitemnoch nicht ausgesch�pft sein, sodass weitere vertiefte Kennt-nisse dieser Strukturbildungsvorg�nge dringend erforderlichsind.

5.5.2. Blasfolien aus Cellulose

Ebenso wie bei den Lyocellfasern bietet der F�llprozess,hier mit innerem und �ußerem F�llbad (siehe Prinzipskizze,Abbildung 21), große M�glichkeiten, die Morphologie undPorenstruktur der Folien zu beeinflussen. Problemlos lassensich symmetrische (gleiches F�llbad innen und außen) undasymmetrische (unterschiedliche F�llb�der innen und außen)Folienstrukturen erzeugen (Abbildung 25). Gegen�ber denam Markt befindlichen Cellophan- und Cuprophanfolienweisen die Blasfolien nach dem Lyocell-Verfahren mit ca.40% etwas niedrigere Kristallinit�tsgrade und nur geringf�-gig kleinere laterale Kristallitabmessungen auf.

Ein nunmehr auch auf Cellulosefolien �bertragbarerVorteil des Blasextrusionsverfahrens ist die M�glichkeit,Orientierungen in Maschinenrichtung und transversal dazuproblemlos �ber das Abzugs- und Aufblasverh�ltnis zusteuern. Abbildung 26 zeigt anhand von Polfiguren der(11̄0)-Interferenz, dass eine bez�glich dieser Netzebenen-schar uniplanare Orientierung vorliegt, wobei sich durchgeeignet gew�hlte Abzugs- und Aufblasverh�ltnisse[127] un-terschiedliche Orientierungszust�nde bis hin zu nahezu aus-balancierten Folien herstellen lassen (vergleiche in Abbil-dung 26 angegebene L�ngs- und Querfestigkeiten).

Die Orientierung der Kristallitl�ngsachsenverteilung inder Filmebene kann ann�hernd mithilfe der (110)-Polfigurenermittelt werden. Abbildung 27 zeigt entsprechende Vertei-lungsfunktionen der Kettenl�ngsachsen von unterschiedlichhergestellten Blasfolien (BF7, 10 und 13) im Vergleich zukommerziellem Cellophan und Cuprophan, die die dargeleg-ten Steuerm�glichkeiten belegen. Betont werden soll auch,dass die mechanischen Eigenschaften der Blasfolien denen

herk�mmlicher Produkte �berlegen sind und die auf derPorenstruktur beruhenden Trenneigenschaften von Lyocell-basierten Folien, wie z.B. Dialyseleistung und Flussrate,�berragend sind.[124a]

6. Bakteriencellulose als Modellsubstanz undHochleistungsmaterial

6.1. Bildung und Struktur

Die Biosynthese von Cellulose erfolgt nicht nur in Pflan-zen, sondern – wie schon im Abschnitt 1 dargestellt – auchdurch Bakterien (z. B. Acetobacter, Acanthamoeba, Achro-

Abbildung 25. TEM-Aufnahmen symmetrischer und asymmetrischerStrukturen von Blasfolien.

Abbildung 26. (11̄0)-Polfiguren und mechanische Eigenschaften vonunterschiedlich hergestellten Celluloseblasfolien. a) Abzug in Maschi-nenrichtung gr�ßer als quer dazu (BF7); b) Abzug l�ngs und quer aus-balanciert (BF13).

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mobacter), Algen (Valonia-, Chaetamorpha-Spezies) undPilze.[134] Die Cellulosebildung durch Bakterienkulturen imeigenen Labor ist f�r den Naturstoff- und Polymerchemikerein attraktiver Zugang zu reiner Cellulose. Durch die Wahlder Substrate, der Kultivierungsbedingungen, verschiedenar-tiger Additive und nicht zuletzt des Bakterienstammes ist esdar�ber hinaus m�glich, Molmasse und Molmassenverteilungsowie den supramolekularen Aufbau und damit wichtigeEigenschaften der Cellulose, aber auch den Verlauf derBiosynthese (Kinetik, Ausbeute, weitere Stoffwechselpro-dukte) zu steuern.

Unter den cellulosebildenden Bakterien sind Acetobacter-St�mme (reklassifiziert in Gluconacetobacter) f�r die Gewin-nung und Untersuchung der Cellulose besonders geeignet.Diese Gram-negativen und streng aeroben Bakterien bildenellipsoidale, gerade oder schwach gekr�mmte St�bchen ineiner Gr�ße von 0.6–0.8 � 1.0–4.0 mm aus. Sie sind nichtpathogen und in der Natur auf Fr�chten und daraus gewon-nenen Produkten weit verbreitet. Vor allem Vertreter derSpezies Acetobacter xylinus sind in der Lage, die gebildeteCellulose extrazellul�r und in gut isolierbarer Form alsFasermaterial abzuscheiden. Unter statischen emersen Kul-turbedingungen entsteht dabei ein Biofilm unterschiedlicherDicke (Vlies), der den Bakterien hilft, die Kolonisationherbeizuf�hren, die sauerstoffreiche Oberfl�che zu besetzenund sich vor Austrocknung, nat�rlichen Feinden und Strah-lung zu sch�tzen.

Die Stoffwechselprodukte von Bakterien der GattungAcetobacter xylinus wurden erstmals im Jahre 1886 durchA. J. Brown beschrieben.[135] Er identifizierte eine gallertar-tige Masse, die bei der Essigfermentation auf der Kulturl�-sung entsteht, als Cellulose. Durch systematische und umfas-sende Arbeiten der letzten Jahrzehnte[17] gibt es heute einensehr guten Kenntnisstand hinsichtlich Bildung und Strukturder Bakteriencellulose. Dar�ber hinaus sind diese Arbeitenein wichtiger Bestandteil von Forschungsvorhaben zur Inte-gration biotechnologischer Syntheseverfahren in die Polysac-charidchemie und zum Aufbau von Celluloseprodukten mitneuen Eigenschaften und Anwendungspotenzialen.

Die Synthese der Bakteriencellulose erfolgt zwischen der�ußeren Membran und der Cytoplasmamembran der Bakte-

rienzelle durch einen cellulosesynthetisierenden Komplex(terminal complex) ausgehend von Uridindiphosphat-Gluco-se (UDP-Glucose).[136] Dieser Komplex ist mit je einer der ander Oberfl�che des Bakteriums angeordneten Poren miteinem Durchmesser von etwa 3.5 nm verbunden. Durch dasEnzym Cellulosesynthase wird UDP-Glucose an das Endeder wachsenden Cellulosekette addiert, die das Bakterium alsElementarfibrille verl�sst und sich mit weiteren Elementar-fibrillen �ber Mikrofibrillen und daraus entstehende B�nderzu einem dreidimensionalen Netzwerk verbindet.[136] Kristal-lisation und Polymerisation der Elementarfibrillen sind dabeieng verbunden. Eine einzelne Bakterienzelle kann mehr als100 Glucosemolek�le pro Stunde in Cellulose umwandeln.Da sich im Kulturmedium Millionen von Bakterien befinden,wird das Polymer praktisch „vor den Augen“ synthetisiert.Die Details der cellulosesynthasekatalysierten Polymerisati-on werden noch kontrovers diskutiert.[137] J�ngste Studienlassen darauf schließen, dass die b-(1!4)-Verkn�pfung mitder Bildung von Cellobiose als Zwischenprodukt an einerdualen UDP-Glucose-Bindungsstelle einsetzt.

Eine detaillierte Modellvorstellung zur Struktur (Abbil-dung 28) der Bakteriencellulose von Acetobacter xylinus(Stamm NCIB 8034) im nie getrockneten Zustand wurde

aus Beugungsexperimenten (R�ntgensynchrotronstrahlung)und elektronenmikroskopischen Untersuchungen abgelei-tet.[138] Wasserfreie Grundbaueinheiten (Nanofibrillen) mitQuerschnittsabmessungen im nm-Bereich erscheinen alsGanzes hydratisiert und sind zu flachen Mikrofibrillen miteiner Breite von 70 bis 145 nm zusammengelagert. DiesesModell konnte durch R�ntgenkleinwinkel-Untersuchungenim Wesentlichen best�tigt und dahingehend erweitertwerden, dass eine H�lle von nichtkristallinen Celluloseketten

Abbildung 27. Orientierung der Celluloseketten in der Folienebene(f-Scan der (110)-Polfigur bei c =858).

Abbildung 28. SEM-Aufnahme von getrockneter Bakteriencellulose(oben) und Modell einer initialfeuchten Bakteriencellulose-Mikrofibrille(unten).

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um angrenzende Mikrofibrillen zur Bildung eines Mikrofi-brillarbandes mit einer Breite von etwa 500 nm f�hrt.[139]

Nach Trocknung entsteht aus dem initialfeuchten und hoch-gequollenen Cellulosevlies eine uniplanar orientierte Foliemit partiell um die L�ngsachse verdrillten Mikrofibrillen(Abbildung 28), die zu etwa 80 % aus Ia-Cellulose bestehen.

6.2. Eigenschaften und Anwendungen

Trotz identischer Molek�lformeln unterscheidet sich Bak-teriencellulose deutlich von Cellulose pflanzlichen Ur-sprungs. Der Polymerisationsgrad liegt mit 2000–8000 sehrhoch, ebenso die Kristallinit�t mit Werten von 60–90 %.Bakteriencellulose zeichnet sich durch eine hohe Reinheit(keine Vergesellschaftung mit Begleitstoffen wie Hemicellu-losen, Lignin oder Pektin) und durch einen extrem hohenWasseranteil von 90 % und mehr aus. Wird das Wasser durchTrocknen an der Luft vollst�ndig entfernt, erreicht Bakteri-encellulose bei erneuter Befeuchtung nur die niedrigenWassergehalte typischer Pflanzencellulosen von etwa 6%.Nach schonender Gefriertrocknung nimmt sie jedoch durcherneutes Quellen Wasser bis zu 70 % des urspr�nglichenGehaltes wieder auf.[140a] Durch einen schrittweisen Aus-tausch des Wassers gegen andere L�sungsmittel gelingt es,z. B. Methanol, Aceton oder auch n-Hexan unter Aufrecht-erhaltung der Hohlraum- und Netzwerkstruktur in der glei-chen Gr�ßenordnung wie Wasser in die Bakteriencelluloseeinzulagern.[140a]

Die durch Wasser hochgequollene Bakteriencelluloseliefert mit herk�mmlichen Techniken (CP/MAS) der Fest-k�rper-NMR-Spektroskopie ohne weitere Vorbehandlunggut aufgel�ste 13C-NMR-Spektren.[138,140a,d,e] Abbildung 29zeigt ein typisches Beispiel. Unter Verwendung von 13C-markierter d-Glucose erfolgten detaillierte NMR-spektro-skopische Untersuchungen der Bakteriencellulose und desBiosyntheseweges.[141a]

Aufgrund ihrer kristallinen Nano- und Mikrofibrillar-Struktur weist Bakteriencellulose �berragende mechanischeEigenschaften auf (Tabelle 5).[142] Dadurch ist sie schon bei

kleinen Zusatzmengen von 5% als Verst�rkungsmedium f�rPapier und Faserstoffe aus Glas, Kohlenstoff, Phenolharz undSilicium hervorragend geeignet. Ihr hoher E-Modul in Ver-bindung mit einem großen inneren Verlustfaktor macht siedar�ber hinaus zu einem �berlegenen Material f�r Kopfh�-rer- und Lautsprechermembranen (Sony Corp.).

In den letzten Jahren ist ein weiter zunehmendes Interessean kommerziellen Applikationen von Bakteriencellulose zuerkennen. Wichtige Beispiele sind Tr�germaterialien f�rProteine, Zellkulturen und Mikroorganismen, Produkte f�reinen tempor�ren Haut- und Gewebeersatz (Biofill, Biopro-cess, Gengiflex), kalorienfreie Nahrungsmittel wie Coco deNata sowie Zus�tze bei der Herstellung von Latices undPapier.

Diese Aktivit�ten gehen einher mit der Isolierung neuerBakterienst�mme bzw. ihrer gentechnischen Ver�nderungund einer breiten Variation aller Kultivierungsparameter.[143]

6.3. Biotechnologische Synthese von Blutgef�ßen ausTraubenzucker

F�r die im Folgenden beschriebenen Untersuchungen zurHerstellung, Charakterisierung und Applikation innovativerBiomaterialien f�r die Chirurgie[140] wurde als besondersgeeignete „Cellulosefabrik im Labor“ der leistungsf�higeStamm Acetobacter xylinus AX5 verwendet.[140a] Wie Abbil-dung 30 zeigt, bildet er aus wasserl�slicher d-Glucose (Trau-benzucker) in einer Standkultur des herk�mmlichenSchramm-Hestrin-N�hrmediums[140a] innerhalb von 8 Tagenmit 40% Ausbeute Cellulose in Form eines hochgequollenenVlieses an der Grenzfl�che zwischen N�hrmedium und Luft.

Damit wurde gezeigt, dass sich diese Bakteriencellulosebereits w�hrend der Biosynthese in eine f�r die Anwendunggeeignete Form bringen l�sst. Mit der daf�r entwickelten undpatentierten Matrix-Reservoir-Technologie gelingt es, dieCellulose direkt im Kulturmedium und ohne Nachbehand-lung in Gestalt geformter Hohlk�rper zu synthetisieren.[144]

Abbildung 31 zeigt eine Prinzipskizze des Kultivierungsgef�-ßes. Hierbei taucht die Glasmatrix in ein gr�ßeres Volumender N�hrl�sung ein. Die tubul�r geformte Bakteriencelluloseentsteht in dem Anteil des N�hrmediums, der zwischen�ußerer und innerer Matrix eingetreten ist und �ber einezweite �ffnung zum Luftraum mit Sauerstoff versorgt wird.

Die auf diese Weise biotechnologisch aufgebauten Cellu-loser�hrchen (Markennamen BASYC, Bacterial SynthesizedCellulose) wurden im Zusammenwirken von Medizinern,Biologen und Chemikern zun�chst auf ihre Anwendbarkeitals neuartiges Biomaterial f�r die Mikrochirurgie unter-

Abbildung 29. 13C-CP/MAS-NMR-Spektrum eines gereinigten nichtge-trockneten Bakteriencellulose-Vlieses (Quellmittel Wasser).[140a,e]

Tabelle 5: Mechanische Eigenschaften von Bakteriencellulose und an-deren organischen Schichtmaterialien (nach Gilbert[142]).

Material E-Modul[GPa]

Zugfestigkeit[MPa]

Dehnung[%]

Bakteriencellulose (BC) 15–35 200–300 1.5–2.0Polypropylen (PP) 1–1.5 30–40 100–600Polyethylenterephthalat (PET) 3–4 50–70 50–300Cellophan 2–3 20–100 15–40

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sucht.[140c] Dazu werden tubul�re Implantate mit einemInnendurchmesser von weniger als 3 mm verwendet (Abbil-dung 30, Pfeil in f). Diese Schwerpunktbildung ergibt sich ausder Aufgabenstellung der Mikrochirurgie, bei der unterAnwendung optischer Hilfsmittel Nerven und Blutgef�ßeim sehr kleinen Durchmesserbereich durch Naht verbundenwerden. Die aus der Chirurgie großer Gef�ße bekannten undverwendeten Interponate aus Polytetrafluorethylen, Poly-ethylenterephthalat, Polyethylen oder Polyurethan k�nnendie mikrochirurgischen Anforderungen bisher nur unzurei-chend erf�llen, insbesondere treten Thrombosen auf.

Die Wand der BASYC-R�hrchen besteht aus dem bereitsbeschriebenen mit 90% und mehr Wasser beladenen Nano-faser-Netzwerk der Bakteriencellulose. Durch die Hohlr�umedes BASYC-Materials werden Wasser, einwertige Ionen undkleine Molek�le, jedoch nicht Biopolymere und korpuskul�reBlutbestandteile transportiert. Das eingelagerte Wasser sta-bilisiert offensichtlich nicht nur das Cellulosenetzwerk, son-dern tr�gt auch zur Gewebe- und H�mokompatibilit�t vonBASYC bei.

Von besonderer Bedeutung f�r die BASYC-Gef�ßim-plantate ist die geringe Rauigkeit der inneren Oberfl�che vonetwa 15 nm, die mithilfe der Matrix-Reservoir-Technik erzieltwerden kann. Sie liegt in der Gr�ßenordnung typischerBlutgef�ße der Ratte. Die BASYC-R�hrchen erf�llen auchweitere wesentliche Anforderungen an einen Mikrogef�ßer-satz: Sie sind formbest�ndig, ausreichend stabil gegen innerenund �ußeren Druck, flexibel, elastisch sowie sehr gut zurErzielung der festen mikrochirurgischen Naht handhabbar.Abbildung 32 a zeigt ein Beispiel f�r die mikrochirurgischeArbeit mit dem geformten Cellulosematerial. Ergebnisseexperimenteller Untersuchungen zur Mikrochirurgie vonNerven und Gef�ßen am Versuchstier Ratte sind in Abbil-dung 32b–f dargestellt.

Wird der Nervus ischiadicus durchtrennt und mit einermikrochirurgischen Naht wieder verbunden, so verhinderteine Schutzmanschette (Cuff) von BASYC das Einwachsenvon Bindegewebe in den Nervenspalt und beg�nstigt dasZusammenwachsen der Faszikel, verbunden mit einer Fr�h-regeneration des Nervs und der schnellen R�ckkehr derMuskelfunktion. Ganz besonders hervorzuheben ist die guteInkorporation der Bakteriencellulose unter Ausbildung vonBindegewebe und neuen Blutgef�ßen auf der Oberfl�che derSchutzh�lle.

Wird die durchtrennte Halsschlagader der Ratte miteinem BASYC-R�hrchen verbunden, so l�sst sich durchhistologische Untersuchungen der Pr�parate verbunden miteinem f�r Endothelzellen spezifischen Test zeigen, dass dieinnere Oberfl�che des BASYC-Materials nach 4 WochenVerweilzeit vollst�ndig durch eine Endothelzellen-Schichtausgekleidet ist (Abbildung 32e). Im Lumen sind Blutresteerkennbar. Durch Elektronenmikroskopie kann die l�cken-lose Besiedelung der BASYC-Region mit Endothel �ber diebeiderseitigen Nahtbereiche (Abbildung 32 f) best�tigtwerden. Das BASYC-Material ist offensichtlich ein gutesSubstrat zur Verankerung k�rpereigener Zellen.

Werden in Zellkulturversuchen BASYC-Schichten l�ngsaufgetrennter R�hrchen mit Rinder-Endothelzellen belegt,so kommt es innerhalb von 24 h zum deutlichen Aussprossen

Abbildung 30. Biotechnologische Synthese von Bakteriencellulose un-terschiedlicher Formgebung. a) Substrat d-Glucose; b) Standkultur mitCellulosevlies an der Grenzfl�che zwischen Schramm-Hestrin-N�hrme-dium und Luft nach 8 Kultivierungstagen bei 28 8C; c) nie getrocknetes(oben) und vollst�ndig luftgetrocknetes Cellulosevlies (unten) in Auf-sicht; d) Kolonie eines Acetobacter-xylinus-Stammes; e) Glasmatrix zurFormgebung der Bakteriencellulose direkt im Kulturmedium mit gebil-detem Celluloser�hrchen (siehe auch Abbildung 31); f) Celluloser�hr-chen unterschiedlicher Abmessungen nach Entnahme aus der Matrixund Reinigung (Pfeil: Implantate f�r die experimentelle Mikrochirur-gie).[140a]

Abbildung 31. Matrix-Reservoir-Kultivierungstechnik zur Herstellung ge-formter Bakteriencellulose (BASYC). a) Prinzipskizze; b) Beispiel f�rdie Bausteine einer Glasmatrix: 1) Schramm-Hestrin-N�hrmedium imReservoir und innerhalb der Matrix, 2) �ußere Matrix, 3) innere Matrix,4) Kultivierungsraum zwischen �ußerer und innerer Matrix, 5) Abstand-halter, 6) �ffnung zum Reservoir, 7) �ffnung zur Luft, 8) Stopper;c) betriebsbereite Matrix.[140a]

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der zun�chst kugeligen Zellen. Die gebildeten feinen Fila-mente unterscheiden sich im elektronenmikroskopischenBild (Abbildung 33) kaum von den feinen Fasern der Bak-teriencellulose. Diese Feinstruktur beg�nstigt offenbar auchdie schnelle Endothelisierung von BASYC.

Unter Einbeziehung weiterer Untersuchungen ist festzu-stellen, dass BASYC-Mikrogef�ßimplantate sowohl in Gef�-ßen mit niedrigem als auch mit hohem Druck anwendbar sindund dass in keinem Fall Thrombosen beobachtet wurden.

6.4. Bakteriencellulose f�r Veterin�rmedizin und Kosmetik

Die supramolekulare Struktur der Bakteriencellulose istabh�ngig von der Art des Herstellungsverfahrens. Neben denbisher beschriebenen Kultivierungsmethoden in Standkulturund Matrix-Reservoir-Technik wurde eine optimierte Ober-

fl�chenkultivierung von Acetobacter xylinus entwickelt.[145]

Dieses Kultivierungssystem �berwindet die Transportbarrierean der Grenzfl�che zwischen N�hrl�sung und Luft sowohl f�rdie Zuf�hrung der notwendigen N�hrstoffe (Kohlenstoff- undStickstoffquellen, anorganische Salze, Sauerstoff) als auch f�rden Abtransport der gebildeten Produkte durch Aufspr�heneines Substrataerosols direkt auf die Oberfl�che der Emers-kultur, ohne dass eine mechanische Beeintr�chtigung derKultur erfolgt. Die so erh�ltlichen Celluloseschichten vonetwa 10 cm Dicke werden f�r veterin�rmedizinische undkosmetische Anwendungen getestet bzw. eingesetzt.[146]

7. In-vitro-Synthesen: Wege ins Neuland

Die Synthese eines Polysaccharides erfordert eine sehrh�ufig wiederholte Glycosylierung, bei der die Konfigurationam anomeren C-Atom und die Regioselektivit�t der damitreagierenden Hydroxygruppe perfekt gesteuert werdenm�ssen. Deshalb gelang es erst in den letzten Jahren,Cellulose auch synthetisch zug�nglich zu machen.

7.1. Enzymkatalysierter Celluloseaufbau

Nach vielen Versuchen, Cellulose auch außerhalb vonOrganismen zu synthetisieren, gelang Kobayashi et al.[19b]

Abbildung 32. Anwendung von Bakteriencellulose-R�hrchen (BASYC)zum Training mikrochirurgischer Techniken und in der tierexperimen-tellen Mikrochirurgie von Nerven und Gef�ßen. a) End-in-End-Verbin-dung (Anastomose) von BASYC-R�hrchen; b) Nervus ischiadicus derRatte direkt nach Operation des durchtrennten Nervs (weiße Pfeile:Anastomose, schwarzer Pfeil : Naht) mit BASYC-Schutzh�lle; c) Opera-tionsgebiet 10 Wochen nach Nervdurchtrennung (Pfeile: neues Binde-gewebe und neue Blutgef�ße); d) BASYC-Implantat in der Halsschlag-ader der Ratte direkt nach der Operation (weiße Pfeile: Anastomose,schwarze Pfeile: ungehinderter Blutfluss, sichtbar durch das Cellulose-r�hrchen); e) Querschnitt des mittleren Bereichs eines BASYC-Implan-tates aus der Halsschlagader der Ratte entsprechend nach 4 WochenVerweilzeit im K�rper als histologisches Pr�parat (siehe Text); f) Ras-terelektronenmikroskopie eines l�ngs aufgetrennten BASYC-Implantatsmit homogener Oberfl�che im Cellulose- (links) und nat�rlichen Ge-f�ßbereich (Pfeil: restliches Nahtmaterial). Vergr�ßerungen: 10fach(a, b, c), 6fach (d) und 32fach (e).[140c]

Abbildung 33. Rasterelektronenmikroskopie des Wachstums vonRinder-Endothelzellen auf einer BASYC-Oberfl�che 24 h nach der Aus-saat. a) �bersicht; b) vierfach vergr�ßerter Ausschnitt.[140c]

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1992 die enzymatische Polymerisation von b-Cellobiosylfluo-rid in Gegenwart von gereinigter Cellulase als Katalysator inAcetonitril/Puffer-L�sung bei 30 8C. Dabei entsteht Cellulosemit 54% Ausbeute und einem DP-Wert von 22. Das Polymerstimmt in den 13C- und 1H-NMR-spektroskopischen Datenmit nat�rlicher Cellulose �berein.

Schema 22 zeigt, dass dieses In-vitro-Syntheseprinzip zurHerstellung von Amylose und Chitin erweitert werdenkann.[19] In Fortsetzung der Synthesearbeiten wurde ineinem optimierten L�sungssystem und unter Verwendunggereinigter Cellulase erstmals die In-vitro-Bildung von kris-talliner Cellulose I beschrieben.[19d] Das Entstehen diesesthermodynamisch weniger stabilen Allomorphs war bis dahinnur in lebenden Zellen bekannt.

7.2. Ring�ffnungspolymerisation von Glucosederivaten

Durch schrittweisen Aufbau[147] und insbesondere durchkationische Ring�ffnungspolymerisation von Glucoseortho-estern wurde im Jahre 1996 erstmals durch Nakatsubo et al.auf rein chemischem Wege Cellulose synthetisiert.[20] Ausge-hend von 3-O-Benzyl-a-d-glucopyranose-1,2,4-orthopivala-ten mit unterschiedlichen Resten in Position 6 ist nicht nurCellulose (nach Schutzgruppenabspaltung) entsprechendSchema 23, sondern sind insbesondere regioselektiv substitu-ierte Cellulosederivate zug�nglich.

Schema 24 zeigt die entsprechende Synthese strukturein-heitlicher Methylcellulosen. Die DP-Werte der so aufgebau-ten Cellulosen liegen im Bereich von 20 bis 50. In systema-tischen Arbeiten gelang es, die Einfl�sse der Substituenten inder Glucose auf die Regio- und Stereochemie der Polymeri-

Schema 22. Enzymkatalysierte In-vitro-Synthesen von Cellulose und verwandten Polysacchariden.

Schema 23. Chemosynthese von Cellulose durch Ring�ffnungspolymerisation von 3,6-Di-O-benzyl-a-d-glucopyranose-1,2,4-orthopivalat und Ein-fluss der Substituenten in Position 2 und 3 auf den Reaktionsverlauf.

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sation, die Zug�nglichkeit der ben�tigten Glucosederivateund die Schutzgruppenabspaltung am Produkt zu kl�ren undzu optimieren.[148]

8. Zusammenfassung und Ausblick

In unserer Zeit, in der sich Wissenschaft und Techniknachwachsenden Rohstoffen und umweltfreundlichen nach-haltigen Ressourcen und Prozessen zuwenden, kommt Cel-lulose, Cellulosederivaten sowie Polysacchariden insgesamteine wachsende Bedeutung bei der Entwicklung und Anwen-dung von Polymermaterialien zu. Dies hat in den vergange-nen 10 Jahren weltweit zu einer ausgepr�gten Renaissanceder Celluloseforschung und -applikation gef�hrt. Dabeierwies es sich als essenziell, in grundlegende und anwen-dungsorientierte Arbeiten auf dem Cellulosegebiet verst�rktaktuelle Erkenntnisse der organischen und Polymerchemiesowie der Chemie niedermolekularer Kohlenhydrate undanderer Polysaccharide einzubeziehen und die interdiszipli-n�re Wechselwirkung mit Biologie, Physik, Pharmazie, Me-dizin sowie Holzwirtschaft und Verfahrenstechnik zu inten-sivieren.

Durch diese expandierende Entwicklung wurden grund-s�tzlich neue Erkenntnisse zur komplexen Struktur vonCellulose und Cellulosederivaten im Festk�rper und inL�sung, zu Reaktivit�t, Reaktionssteuerung und selektivenSynthesen, hinsichtlich Aufbau supramolekularer Strukturensowie Bio- und In-vitro-Synthese erhalten.

Einbezogen sind die rasche Entwicklung von Polysaccha-rid-orientierten Methoden der instrumentellen Analytik undein vertieftes Verst�ndnis der Beziehungen zwischen Reak-tionsbedingungen, Produktstruktur und applikativ wichtigenEigenschaften. So gelingt es z.B., neue Typen von Cellulo-

seestern und -ethern als „Polymers of theFuture“ f�r ein breites Feld hochwertigerAnwendungen im industriellen Umfang zuentwickeln und auf dem Markt zu etablie-ren. Grundlagenuntersuchungen zumSystem Cellulose-NMMO-Wasser habenzu einer neuen, umweltfreundlichen Tech-nologie (Lyocell-Verfahren) zur Herstel-lung von Celluloseregenerat-Produkten ge-f�hrt, die die Celluloseverarbeitung revo-lutioniert und bisherige Nachteile gegen-�ber den Verfahrensschritten bei der Pro-duktion synthetischer Polymere zumindestteilweise aufgehoben hat.

Alle Anzeichen sprechen daf�r, dassdiese eindrucksvolle Entwicklung auf demCellulosegebiet anh�lt, ja sich sogar weiterbeschleunigt. Der Aufbau von Kompetenz-zentren, neuen Pilot-, Verfahrens- undProduktionsanlagen, der Ausbau der groß-technischen Produkte, ein enges Zusam-menspiel von Grundlagen- und angewand-ter Forschung sowie eine effektive interna-tionale Zusammenarbeit der Wissenschaft-ler und Einrichtungen sind daf�r deutlicheBelege. Neue Erkenntnisse und Verfahren

zum Holzaufschluss, zur Holz-Gesamtverwertung, zur Cellu-losegewinnung aus anderen Pflanzen sowie zur Zellstoffpro-duktion und -analytik sichern die Qualit�t, Produktvielfaltund �kologische Akzeptanz der Ausgangsmaterialien ebensowie die konsequente �kologische Orientierung der industri-ellen Cellulosechemie.

Grunds�tzliche Ver�nderungen sind bez�glich des Zu-gangs zum Rohstoff Cellulose durch die schnell wachsendenErkenntnisse zur Cellulose-Biosynthese vorhersehbar. Hiersind die Forschungen darauf gerichtet, die Cellulose-Synthaseund die assoziierten Polypeptide zu reinigen und zu sequen-zieren, um ein reproduzierbares zellfreies System zur Her-stellung von kristalliner Cellulose zur Verf�gung zu haben.Durch Einf�hren von Genen zur Modifizierung der Cellulo-se-Biosynthese in wichtige Cellulosebildner (B�ume, Baum-wolle, Bakterien) sollte es dann m�glich sein, Cellulosetypenspezifisch f�r Zellstoffe, Papier, Baustoffe, Textilien oderandere Applikationsfelder maßzuschneidern.

Gelingt es, cellulosebildende Bakterien im großtechni-schen Maßstab zu kultivieren, k�nnte der Bedarf an Cellulosezuk�nftig allein auf diese Weise gedeckt werden.

Es war das Anliegen des Aufsatzes, den aktuellen Ent-wicklungsstand auf dem Gebiet der Celluloseforschung und-applikation an Beispielen zu veranschaulichen. Zugleichsollte gezeigt werden, dass das Naturprodukt Cellulose zu denPolymeren z�hlt, die sowohl hinsichtlich grundlegender Er-kenntnisse als auch großtechnischer Herstellung und breiterAnwendung ein beeindruckendes und zukunftweisendes Po-tenzial haben.

Schema 24. Synthese von regioselektiv substituierten Methylcellulosen ausgehend von 3-O-Benzyl-a-d-glucopyranose-1,2,4-orthopivalaten.

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Glossar

AGU AnhydroglucoseeinheitBF BlasfolieCMC CarboxymethylcelluloseCA CelluloseacetatCAB CelluloseacetatbutyratCAP CelluloseacetatpropionatCE KohlenhydratesteraseCF CelluloseformiatCTFA CellulosetrifluoracetatDCC DicyclohexylcarbodiimidDP PolymerisationsgradDS SubstitutionsgradHEC HydroxyethylcelluloseHMDS HexamethyldisilazanHPC HydroxypropylcelluloseHPMC HydroxypropylmethylcelluloseMC MethylcelluloseMs MesylNC NitrocelluloseNMMO N-Methylmorpholin-N-oxidNMP N-MethylpyrrolidonNTA Nitrilotriessigs�urePDA 1,4-PhenylendiaminPiv PivalatTDS ThexyldimethylsilylTEA TriethylaminThexyl 1,2-Dimethyl-butyl-1TMS TrimethylsilylTMSC TrimethylsilylcelluloseTr Triphenylmethyl, TritylTs TosylTf TriflylUDP Uridindiphosphat

Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft f�r dieF�rderung des Schwerpunktprogramms „Cellulose und Cel-lulosederivate – molekulares und supramolekulares Struktur-design“ im Zeitraum von 1996 bis 2002 sowie f�r die F�rde-rung durch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe und dieBundesministerien BUEL und BMBF. Im Rahmen dieserProgramme sind viele der beschriebenen Arbeiten entstanden.Der Dank gilt dabei auch der effektiven und hilfreichenKooperation mit den Kollegen dieser F�rderschwerpunktesowie dem stimulierenden Zusammenwirken mit Prof. DieterSchumann (Klinik f�r Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,Universit�t Jena), Prof. Wolfgang Glasser (Virginia Tech,Blacksburg, USA), Prof. R. Malcolm Brown (University ofTexas, Austin, USA) und Prof. Fumiaki Nakatsubo (KyotoUniversity, Kyoto, Japan). Der Wolff Cellulosics GmbH(Deutschland), den deutschen Betrieben der Acordis-Gruppe,der Lenzing AG (�sterreich) und der Eastman ChemicalsCompany (Kingsport, TN, USA) danken wir f�r die vertrau-ensvolle Zusammenarbeit und f�r vielf�ltige Informationen zukommerziellen Produkten und Verfahren.

Eingegangen am 7. Mai 2004Online ver�ffentlicht am 28. April 2005

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