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Chancen und Risiken der embryonalen Stammzellforschung „Pro“-Position Vortrag am 5. Juli 2005 in der Universität Würzburg

Chancen und Risiken der embryonalen Stammzellforschung Pro-Position Vortrag am 5. Juli 2005 in der Universität Würzburg

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Chancen und Risiken der embryonalen Stammzellforschung

„Pro“-Position

Vortrag am 5. Juli 2005in der Universität Würzburg

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

16. Juni 2005 (dpa): Südkoreanische Forscher wollen in zwei Jahren erste klinische Tests mit embryonalen Stammzellen am Menschen durchführen. Sie planen, aus den embryonalen Stammzellen sog. Inselzellen der Bauspeicheldrüse wachsen zu lassen, die ein Diabetiker für die Produktion von körpereigenem Insulin braucht. Fast wöchentlich hören wir von Teilerfolgen in der Forschung mit embryonalen Stammzellen, sei es aus Singapur, Südkorea, Großbritannien oder Israel.

Deutschland nimmt am Aufbruch in diesem innovativen Feld der Forschung kaum teil.

Millionen Menschen leiden unter schweren, bislang unheilbaren und oft auch nicht therapierbaren Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Multiple Sklerose oder eben auch Diabetes.

Die Kranken erwarten von Politik und Wissenschaft Handlungen zugunsten der Leidenden.

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

Forschungsfreiheit

Grundgesetz, Artikel 5: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“

Es muss das Prinzip gelten: Nicht der Wissenschaftler muss sich rechtfertigen, wenn er etwas erforschen möchte, sondern der Staat muss eine stichhaltige Begründung dafür liefern, wenn er die Forschungsfreiheit einschränken will.

Das gilt auch für die Forschung an embryonalen Stammzellen. Eine Einschränkung der Forschung muss ihre Begründung in der Verfassung finden.

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

These 1: Die Forschung an embryonalen Stammzellen ist ethisch geboten

Ethik des Heilens

„Ich möchte nicht einem kranken Kind mit einer genetisch bedingten Krankheit sagen

müssen, wirtun nicht alles, um ihm zu helfen.“

Roman Herzog

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

These 2: Die Forschung an embryonalen Stammzellen ist nicht durch die Forschung an adulten Stammzellen ersetzbar

Embryonale Stammzellen sind für die Forschung deshalb interessant, weil sie über die Fähigkeit verfügen, sich unter den entsprechenden Bedingungen in nahezu alle verschiedenen Typen von Körperzellen entwickeln zu können.

Embryonale Stammzellen werden als Vergleich zu adulten Stammzellen benötigt.

Adulte Stammzellen verfügen nach Aussage der meisten Wissenschaftler nicht über das Entwicklungspotenzial wie embryonale Stammzellen.

Adulte Stammzellen bringen allerdings nicht die ethischen Abwägungsprobleme mit sich.

Beide Formen der Stammzellenforschung sollen gefördert werden!

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

These 3: Die FDP will die Forschung an solchen Stammzellen ermöglichen, die auch heute faktisch keine Chance haben, sich zu einem Menschen zu entwickeln

2002 wurde in 87.000 Fällen eine künstliche Befruchtung durchgeführt. In bis zu drei Versuchen werden drei befruchtete Eizellen in den Mutterleib eingepflanzt.

Schon heute werden mehr als drei Eizellen befruchtet, aber ihre Entwicklung wird durch Einfrieren aufgehalten – sog. Vorkernstadien.

Diese Vorkernstadien werden nach erfolgreicher künstl. Befruchtung nicht mehr benötigt, dürfen aber laut. Embryonenschutzgesetz nicht für andere Zwecke als zur Herbeiführung einer Schwangerschaft verwendet werden (keine Adoption, keine Forschung, keine Vernichtung).

Ihr Schicksal ist die dauerhafte Konservierung im Gefrierschrank.

Diese „überzähligen“ Vorkernstadien wollen wir für die Forschung nutzen !

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

These 4: Deutsche Forscher haben schlechtere Bedingungen als ihre Kollegen

Embryonenschutzgesetz verbietet Nutzung „überzähliger“ Embryonen;

Arzneimittelgesetz verbietet klinische Studien mit embryonalen Stammzellen, die nicht zur Herbeiführung einer Schwangerschaft entstanden sind;

Stammzellimportgesetz verbietet Import embryonaler Stammzellen die nach dem 1.1.2002 entstanden sind.

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

„Die Stammzellen, die vor Januar 2002 produziert worden sind, sind für die Therapie nicht nutzbar.

Deshalb bräuchte man eine gesetzliche Regelung,

die die Nutzung und Verwendung von Stammzelllinien zulässt, die nach dem Januar 2002

entwickelt worden sind.“

Ministerin Bulmahn

(dpa, 15. Juni 2005)

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

Neben dem fehlenden Zugang sind deutsche Forscher von Kriminalisierung bedroht, wenn sie an Forschungsprojekten im Ausland mitwirken, bei denen embryonale Stammzellen verwendet werden, die in Deutschland nicht zulässig sind.

Was bedeutet „Mitwirkung“? (DFG-Gutachten) Austausch von Wissenschaftlern? Austausch von Literatur? Telefonisches Gespräch unter Kollegen?

Unsicherheit bei deutschen Wissenschaftlern führt zu Attentismus Verlagerung des Forschungsschwerpunktes Abwanderung ins Ausland (jeder 2. Stammzellforscher

erwägt, ins Ausland zu gehen)

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

„Die Rechtsunsicherheit ist untragbar.“

Prof. Hans Schöler

(DIE ZEIT, 25. Mai 2005)

„Es kann nicht sein, dass Forscher in Deutschland mit Strafen rechnen müssen, in Belgien aber nicht.“

Minister Clement

(kna, 9. Juni 2005)

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

FDP will:

Streichung des Stichtages im Stammzellimportgesetz

Entkriminalisierung von Wissenschaftlern bei internationaler Forschungskooperation

Aber: Import allein wird nicht ausreichen.

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

FDP will daher:

Forschung an „überzähligen“ Embryonen zulassen

Die Vermehrung von Stammzellen durch sog. therapeutisches Klonen zulassen.

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

Was ist „therapeutisches Klonen“?

Um eine Abstoßung der transplantierten Gewebe durch das Immunsystem des Empfängers von vornherein auszuschließen, will man über das Klonverfahren Stammzellen herstellen, die mit den Zellkernen des Transplantatempfänger genetisch identisch sind und daher als Ausgangsmaterial für die Herstellung genetisch identischen Gewebes verwendet werden können.

Beim therapeutischen Klonen werden Embryonen durch die Übertragung des

Zellkerns einer ausdifferenzierten Körperzelle auf eine zuvor entkernte Eizelle hergestellt.

Der sich im Anschluss an die Zellkernübertragung im Labor entwickelnde Embryo ist genetisch nahezu vollständig identisch mit dem Spender des übertragenen Zellkerns. (Methode Dolly). Die auf diesem Wege erzeugten Embryonen dienen als Quelle für die Gewinnung menschlicher embryonaler Stammzellen (ES-Zellen).

Am 2. Juni 2002 meldete das US-amerikanische Unternehmen ACT (Advanced Cell Technology) den Abschluss eines entsprechenden Tierversuches, bei dem einer Kuh Herz- und Nierengewebe, das zuvor aus geklonten Stammzellen gewonnenen worden war, erfolgreich und ohne Abstoßungsreaktion implantiert

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

Klonen nach der „Dolly-Methode“

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

Therapeutisches Klonen

Quelle: Wormer, Eberhard: Stammzellen, Köln, 2003

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

Ist das „therapeutische Klonen“ ethisch vertretbar?

Abwägungsprozess zwischen den Schutzrechten der embryonalen Zellkultur und den Rechten von kranken Menschen auf Entwicklung von Therapien.

Therapeutisches Klonen ist für die Forschung notwendig, weil für die Herstellung von Medikamenten umfangreiche Testreihen mit großen Mengen an Vergleichs-Zellen notwendig sind. Es wäre ethisch nicht verantwortbar, hierzu jeweils Embryonen zu verwenden. Deshalb ist die Vermehrung identischer Zellen sowohl für die Forschung als auch ethisch der bessere Weg.

Der „Verbrauch“ von Embryonen für das therapeutische Klonen wird durch neue Forschungsmethoden geringer. Beispiel: Südkoreanische Wissenschaftler brauchten im Mai 2005 nur noch 16 Eizellen für eine neue Stammzelllinie. Prof. Schöler erwartet, dass man in Kürze mit zehn oder weniger Eizellen auskommt.

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

Eine Liberalisierung der Gesetzgebung sollte nur unter folgenden Einschränkungen erfolgen:

Forschungsarbeiten sind nur zulässig: an dafür lizenzierten Zentren; für hochrangige Forschungsvorhaben gegen schwere

genetische Krankheiten; nach einem Genehmigungsverfahren; mit positivem Votum einer Ethikkommission; unter Aufsicht staatlicher Stellen; mit einem regelmäßigen Bericht an den Bundestag analog

zum Stammzellimportgesetz.

Reproduktives Klonen muss international geächtet werden !

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

These 5: Die Entwicklung in anderen Ländern wird in wenigen Jahren den Druck auf die Politik so erhöhen, dass eine restriktive Gesetzgebung nicht mehr haltbar sein wird

Britische Wissenschaftler wollen in fünf Jahren erste Therapien mit Hilfe der embryonalen Stammzellforschung entwickeln. Singapur oder Südkorea könnten noch schneller sein.

Es wird irgendwann der Punkt kommen, an dem im Ausland Therapien und/oder Medikamente gegen eine genetisch bedingte Krankheit entwickelt worden sind.

Sollen diese Therapien/Medikamente deutschen Patienten vorenthalten werden, weil sie mit Methoden entwickelt wurden, die bei uns strafbar sind?

Ist dies rechtlich möglich? (Warenverkehrsfreiheit, Binnenmarkt)

Ist dies ethisch vertretbar? Würde dies nicht zu einem Patienten-Tourismus führen?

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

Die FDP-Position ist hier konsequent: Wir sind der Ansicht, dass das Schutzrecht des Embryos nicht über dem Recht der Patienten stehen kann.

Das Schutzrecht des Embryos ist auch in anderen Rechtsbereichen in Deutschland eingeschränkt:

- § 218- Zulassung von Nidationshemmern und

Verhütungsmitteln- Zulassung von Spätabtreibungen

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Ulrike Flach, MdBforschungspolitische Sprecherin

Die embryonale Stammzellforschung ist ein Prüfstein für Innovationsfähigkeit der

deutschen Forschungspolitik

Abwägung von Chancen und Risiken ergibt für die Liberalen eine klare „Pro“-Position.

Wissenschaftlicher Fortschritt in anderen Ländern wird unsere Position weiter stützen.

FDP wird auch in der nächsten Legislaturperiode – in Abgrenzung zu allen anderen Fraktionen – für eine Liberalisierung der embryonalen Stammzellenforschung eintreten.

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Vielen Dank.Vielen Dank.