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Z. Krebsforsch. 76, 167--180 (1971) by Springer-Verlag 1971 Charakterisierung der durch Dimethylnitrosamin in vivo alkylierten RNS-Fraktionen der Leber* W. HENNIG, W. KUNZ, K. PETERSEN, B. SCHNIEDERS und F. W. KRUGER Institut fiir Pharmakologie und Toxikologie der Universit~t Marburg (Direktor: Prof. Dr. W. Schmid) Institut fiir Toxikologie und experimentelle Chemotherapie am Deutschen Krebsforschungs- zentrum Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. D. Schmi~hl) Eingegangen am 1. April 1971, angenommen am 14. Juni 1971 Characterisation of Liver Ribonucleic Acid Methylated by Dimethylnitrosamine in Vivo Summary. Liver RNA was extracted from NMRI-mice 12 hours after i.p. applikation of 14C-dimethylnitrosamine. Column chromatography and density gradient centrifugation was used for the isolation and characterization of the different RNA species. The RNA fractions methylated by 14C-dimethylnitrosamine were not identical to the methylated RNA species naturally occurring which are only slightly labelled. The highest incorporation of label is found in high-molecular RNA fractions. The radioactivity profile of these fractions corresponds to that of highly labelled RNA pulse labelled with 14C-orotic acid. Thus newly synthesized D-RNA and R-RNA are mainly alkylated. The methylation of all R)IA species mainly that of the newly synthesized R•A, is due mostly to the formation of 7-methylguanin. The incorporation through the C 1-pool plays only a secondary role. The methylation of the guanine of the m-RNA leads to a disaggregation of polysomes and is surely the basis of the cytotoxic effects of nitrosamines. The causal relationship to the carcinogenic action is discussed. Zusammen]assung. Bei NMRI-M~usen wurde 12 Std nach tip. Applikation yon 14C- Dimethylnitrosamin die Leber-RNS extrahiert. Die Isolierung und Charakterisierung der RNS- l~ormen erfolgte durch S~ulenchromatographie und Dichtegradientenzentrifugation. Es wurde gefunden, dal] die durch ~dC-Dimethylnitrosamin methylierten RNS-Fraktionen nicht identisch mit den physiologisch methylierten RNS-Formen sind. Diese sind zwar auch geringffigig markiert, einen wesentlich st~rkeren 14C-Einbau zeigen jedoch h6hermolekulare RNS-Fraktionen; ihr Aktivit~tsprofil entspricht dem der schnellmarkierten R:NS nach Kurz- zeitpulsmarkierung mit 14C-Orotsiiure. Demnach werden vorwiegend neusynthetisierte D-RNS und R-RNS-Formen alkyliert. Die Methylierung aller RNS-Arten, vor allem der neusyntheti- sierten, beruht zum fiberwiegenden Anteil auf der Bildung von 7-Methylguanin. Die Inkorpora- tion fiber den C 1-pool spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Guanin-Methylierung der m-RNS ffihrt zur Desaggregation der Polysomen und ist sicher Grundlage der cytotoxischen Wirkung der Nitrosamine. Die )'rage, ob eine kausale Beziehung zur carcinogenen Wirksamkeit besteht, wird diskutiert. Einleitung Mit der Feststellung von Magee, Farber und Hultin, dab bei Applikation von Dimethylnitrosamin Proteine, DNS und RNS der Targetorgane methyliert werden (Magee et al., 1962a, Magee et al., 1962b), wurde erstmals die direkte ~bertragung der Alcylgruppe eines Carcinogen-Molekfils auf das genetische Material in vivo * Mit Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Charakterisierung der durch Dimethylnitrosamin in vivo alkylierten RNS-Fraktionen der Leber

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Z. Krebsforsch. 76, 167--180 (1971) �9 by Springer-Verlag 1971

Charakterisierung der durch Dimethylnitrosamin in vivo alkylierten RNS-Fraktionen der Leber*

W. HENNIG, W. KUNZ, K. PETERSEN, B. SCHNIEDERS und F. W. KRUGER

Institut fiir Pharmakologie und Toxikologie der Universit~t Marburg (Direktor: Prof. Dr. W. Schmid)

Institut fiir Toxikologie und experimentelle Chemotherapie am Deutschen Krebsforschungs- zentrum Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. D. Schmi~hl)

Eingegangen am 1. April 1971, angenommen am 14. Juni 1971

Charac te r i sa t ion of Liver Ribonucle ic Acid M e thy l a t e d b y Dime thy ln i t ro samine in Vivo

Summary. Liver RNA was extracted from NMRI-mice 12 hours after i.p. applikation of 14C-dimethylnitrosamine. Column chromatography and density gradient centrifugation was used for the isolation and characterization of the different RNA species.

The RNA fractions methylated by 14C-dimethylnitrosamine were not identical to the methylated RNA species naturally occurring which are only slightly labelled. The highest incorporation of label is found in high-molecular RNA fractions. The radioactivity profile of these fractions corresponds to that of highly labelled RNA pulse labelled with 14C-orotic acid. Thus newly synthesized D-RNA and R-RNA are mainly alkylated. The methylation of all R)IA species mainly that of the newly synthesized R•A, is due mostly to the formation of 7-methylguanin. The incorporation through the C 1-pool plays only a secondary role. The methylation of the guanine of the m-RNA leads to a disaggregation of polysomes and is surely the basis of the cytotoxic effects of nitrosamines. The causal relationship to the carcinogenic action is discussed.

Zusammen]assung. Bei NMRI-M~usen wurde 12 Std nach tip. Applikation yon 14C- Dimethylnitrosamin die Leber-RNS extrahiert. Die Isolierung und Charakterisierung der RNS- l~ormen erfolgte durch S~ulenchromatographie und Dichtegradientenzentrifugation.

Es wurde gefunden, dal] die durch ~dC-Dimethylnitrosamin methylierten RNS-Fraktionen nicht identisch mit den physiologisch methylierten RNS-Formen sind. Diese sind zwar auch geringffigig markiert, einen wesentlich st~rkeren 14C-Einbau zeigen jedoch h6hermolekulare RNS-Fraktionen; ihr Aktivit~tsprofil entspricht dem der schnellmarkierten R:NS nach Kurz- zeitpulsmarkierung mit 14C-Orotsiiure. Demnach werden vorwiegend neusynthetisierte D-RNS und R-RNS-Formen alkyliert. Die Methylierung aller RNS-Arten, vor allem der neusyntheti- sierten, beruht zum fiberwiegenden Anteil auf der Bildung von 7-Methylguanin. Die Inkorpora- tion fiber den C 1-pool spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Die Guanin-Methylierung der m-RNS ffihrt zur Desaggregation der Polysomen und ist sicher Grundlage der cytotoxischen Wirkung der Nitrosamine. Die )'rage, ob eine kausale Beziehung zur carcinogenen Wirksamkeit besteht, wird diskutiert.

Einleitung Mit der Fes t s te l lung von Magee, F a r b e r und Hul t in , dab bei App l ika t ion von

D ime thy ln i t r o samin Prote ine , DNS und R N S der Targe to rgane me thy l i e r t werden (Magee et al., 1962a, Magee et al. , 1962b), wurde e rs tmals die d i rek te ~ b e r t r a g u n g der Alcy lgruppe eines Carcinogen-Molekfils auf das genetische Mater ia l in vivo

* Mit Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

168 W. Hennig, W. Kunz, K. Petersen, B. Schnieders und F. W. Kriiger:

nachgewiesen. Da bei Mammacarcinomen, bei Ratten- und M/~usehepatomen sowie bei Leuki~mien (Park et al., 1962 ; Tsutsui et al., 1966 ; Hancock, 1967) eine erhShte Urinausscheidung methylierter Purine gefunden worden war, wurde vor ahem die nach DMNA-Einwirkung besonders ausgepr~gte Bildung von 7-Methylguanin in urs~chliche Verbindung mit der carcinogenen Wirkung gebracht (Magee et al., 1967; Druckrey et al., 1967). Als Reaktionsweg der Guaninalkylierung wurde der yon Rose (1958), Schoenthal (1960) und Heath (1961) postulierte Diazoalkan- mechanismus angenommen. Aus neueren Untersuchungen mit deuteriertem DMNA ist jedoch zu schlieBen, dab die Methylierung nicht nach diesem Reaktionsprinzip verliiuft, sondern als Transmethylierung aufzufassen ist (Lijinsky et al., 1968).

Eine Ubertragung yon Methylgruppen auf RNS ist eine physiologisch vor- kommende Reaktion. 1959 konnten Smith und Dunn (Smith et al., 1959; Dunn, 1959) nachweisen, dab methylierte Purin- und Pyrimidinbasen normale Bestand- teile der t-RNS sind. Die Methylierung des Guanins erfolgt an der bereits polymeri- sierten 5 s-t-RNS-Vorstufe durch eine l~NS-Methylase fiber Adenosylmethionin als CH3-Donator (Fleissner et al., 1962). Bei in vitro-Versuchen mit Hefe- und E. Coli-RNS konnte die Spezifiti~t der l~bertragung auf t-RNS gesichert werden (Svensson et al., 1963; Starr, 1963). Andere RNS-Arten waren in enzymatischen Ans~tzen nicht in der Lage, als Methylacceptoren zu fungieren. Eine weitere physiologische Methylierung erfolgt an der hochpo]ymeren R-RNS wi~hrend der Reifungsphase vor Ausschleusung in das Cytoplasma (Muramatsu, 1968).

In der vorliegenden Arbeit wurde deshalb untersucht, ob die RNS-Methylie- rung durch DMNA nur auf diese physiologisch methylierten RNS-Formen be- schri~nkt ist, ob andere spezifische RNS-Klassen alkyliert werden oder ob eine generelle Reaktion mit allen Nucleins/turen der Zelle erfolgt.

Von dem Ergebnis dieser Untersuchungen waren weitere Hinweise auf das Bestehen eines urs~chlichen Zusammenhanges zwischen RNS-Alkylierung und carcinogener Wirkung sowie gegebenenfalls auf die verbindende Kausalkette zu erwarten. Bislang bestehen hieriiber nut weitgehend hypothetische Vorstellungen (Craddock, 1970).

Material und Methoden Tiermaterial Ftir die Untersuchungen verwandten wir 35--40 g schwere m~nnliche Albinom~,use des

Reinzuchtstammes :NMRI (Versuchstierzucht Ivanovas, Kisslegg/Allg~u). Die Tiere wurden in Gruppen yon maximal 10 M~usen in durchsichtigen Makrolonk~figen in einem klimatisierten Tierstall (22 ~ C Raumtemperatur, 55--60O/o rel. Luftfeuchtigkeit) mit kiinstlichem Hell/Dun- kelrhythmus (12 Std) gehalten. Sie erhielten Sniff-Trockenfutter der Fa. Plange (Soest) und Wasser aus Saugflaschen ad libitum.

Chemikalien 14C-Dimethylnitrosamin mit einer spezifischen Aktivitat yon 0,96 ~C/mg wurde aus 14C-

Dimethylaminhydrochlorid nach der Vorschrift yon Dutton und Heath (1956) synthetisiert. Polyvinylsulfat, Bentonit und Dodecylsulfat-Natrium erhielten wir von der Fa. Serva, Heidel- berg, Rinderserum-Albumin (fraction V, grade B) yon Calbiochem. Los Angeles, Calif., USA und Hyflo-Supercel (Kieselgur) yon Johns Manville, Lompoc, Calif., USA. Die iibrigen Chemikalien waren "pro analysi" - - Pr~parate der Fa. Merck, Darmstadt.

Methoden I~C-DMNA wurde den Mausen in waBriger LSsung in Dosen yon 25 mg/kg oder 50 mg/kg

intraperitoneal injiziert. 12 Std nach der Applikation wurden die Tiere durch Dekapitation getStet und die Lebern entnommen. Die Gewinnung der RNS aus der Mguseleber erfolgte

Durch Dimethylnitrosamin in vivo alkylierte RNS-Fraktionen der Leber 169

nach der temperaturabh~tngigen Phenolextraktionsmethode yon Georgiev und Mantieva (1962) bei 20 o und 65 ~ C. Folgende Methoden wurden zur Charakterisierung der extrahierten RNS herangezogen:

a) Dichtegradientenzentri/ugation Bentonit-gewaschene Saccharose wurde in Konzentrationen yon 5O/o und 35~o (w/w) in

0,01 M Natriumazetatpuffer (pH 5,0) mit Zusatz yon 0,1 M 5;aC1 und 0,001 M Athylendiamin- tetraessigs~ure gelSst. In einem aus diesen beiden L6sungen hergestellten linear ansteigenden Gradienten wurden jeweils 200--300 [zg R:NS durch 14sttindige Zentrifugation bei 120000 g in einem 3 • 20 ml Ausschwingrotor mit der MSE-Superspeed 50 aufgetrennt. Das Sedimen- tationsprofil bei 260 m[~ wurde durch kontinuierliche Messung in einem Zeiss-PMQ II-Spektro- photometer (MikrodurchfluBktivette mit 1 cm Schichtl~nge) und gleichzeitiger Aufzeichnung mit einem Schreiber der Fa. Beckmann erhalten. In den gesammelten 0,6 ml Einzelfraktionen wurden die RNS- und 14C-Radioaktivit~tsgehalte bestimmt.

b) Sdulenchromatographie Die Preparation der Methylalbumin-Kieselgurs~ulen erfolgte nach der yon Mandell und

Hershey (1960) angegebenen Methode. Wie bereits frfiher beschrieben (Kunz et al., 1970), wurden Nucleotide und Oligonucleotide mit 0,05 M NaC1 in Phosphatpuffer (0,05 M, pH 6,8) ausgewaschen, die Nucleins~uren mit einem lineraen Kochsalzgradienten 0,1--2,0 M in Phosphatpuffer (0,05 M, pH 6,8) eluiert und festgebundene RNS durch Nachwaschen mit 1 N NH40H gewonnen.

Die yon Tiselius et al. (1956) beschriebene Hydroxylapatits~ule wurde nach der yon Hennig (1971) modifizierten Methode pr~pariert. :Nach Vorwaschen mit 0,005 M Phosphatpuffer (10H 6,8) erfolgte die Elution mit einem lineraren Gradienten steigender Phosphatkonzentra- tion (0,005~0,35 M).

Bei den s~ulenchromatographischen Trennungen wurden die Absorption des UV-Lichtes bei 254 m~z durch das Eluat in einem LKB Uvicord fortlaufend gemessen und yon dem ange- schlossenen LKB-Schreiber als Transmission aufgezeichnet. In den gesammelten Einzelfrak- tionen wurden die R:NS- und 14C-Aktivit~tsgehalte bestimmt.

c) Basenanalyse Zur B/qS-Charakterisierung nach ihrer Basenzusammensetzung muI3te die Kombination

zweier Verfahren zur Trennung von Hydrolysaten fiber Ionenaustauschers~ulen angewendet werden. Nach saurer tIydrolyse (Vischer et al., 1948) wurden die Basen mit 0,5 N bzw.2,0 N HC1, wie yon Magee et al. (1962b) angegeben, yon der S~ule (Dowex 50 WX 2,200--400 mesh) eluiert.

Das alkalische Hydrolysat der RNS (0,3 N KOH, 18 Std, 32 ~ C) wurde nach der Methode yon Blattner u. Erickson (1967) mit 0,25 M Ammoniumformiatpuffer (pH 4,1) auf einer Dowex 50 WX 4 (--400 mesh)-S~ule getrennt.

Die S~uleneluate wurden auf Grund ihrer kontinuierlich gemessenen und registrierten UV- Absorptionen {260 mfz) in peaks zusammengefaBt, ihre BasenzugehSrigkeit anhand der spezi- fisehen Absorptionsspektren ermittelt und der Gehalt an 14C-Aktiviti~t festgestellt.

d) Bestimmung der Radioaktivitdt 1 ml jeder Fraktion wurde zu 10 ml Brayscher LSsung (Bray, 1960) gegeben und die

Radioaktivit~t der Probe im Fltissigkeitsscintillationszahler Mark I (Nuclear, Chicago) ge- messen. Die Quenehkorrektur wurde mittels externem Standard nach der Kanalverh~ltnis- methode vorgenommen.

e) Isolierung und Fraktionierung der Ribosomen Die Isolierung und Fraktionierung der Ribosomen erfolgte nach der yon Wettstein et al.

(1963) beschriebenen Methode.

Ergebnisse I. Chara]cterisierung der durch 14C-Dimethylnitrosamin methylierten RNS-Fralctionen

1. Beeinflussung der RNS-Gehalte der Georgiev-Fraktionen durch Dimethyl- nitrosamin

Bei der yon uns angewandten t empera tu rabh~ngigen E x t r a k t i o n der Nuclein-

si~uren aus dem Lebergewebe werden zwei F rak t ionen gewonnen : die bei Zimmer-

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temperatur extrahierte Fraktion enthiil$ vorwiegend eytoplasmatische RNS, die nachfolgende 65 ~ C-Fraktion erfal~t im wesentlichen RNS des nucleo-chromosoma- len Apparates. Die prozentuale Vertei]ung der RNS-Gehalte auf die 20 ~ und 65 ~ Fraktionen der Leberextrakte unbehandelter und DMNA-behandelter Tiere sowie die Verteilung der aus laC-DMNA stammenden Aktivit~t ist aus Tab. 1 ersichtlich. In der normalen Leber werden etwa 72 % der RS[S bei Zimmertemperatur und 28 % bei 65 ~ extrahiert. Dieses Verh~ltnis bleibt bei den mit 25 mg/kg DMNA behandelten Tieren etwa erhalten; w~ihrend nach Applikation yon 50 mg/kg DMNA das Verh/iltnis etwa 82 % zu 18 % betr/~gt. Es tritt also eine dosisabh/ingige Ver- sehiebung der RNS yon den lest gebundenen zu den leichter extrahierbaren For- men auf.

Tabelle 1. Verteilung der R N S au] die 20 ~ C- und 65 ~ C-Extralr nach Georgiev. Die RNS-Gehalte sind ausgedri2ckt in mg/g Leber/euchtgewicht. Die Anteile der 20 ~ C und der 65 ~ C-

Fralction wurden prozentual au/ den Gesamtgehalt an R N S bezogen

Gesamt-Extrakt. 20 ~ C-Extrakt. 65 ~ C-Extrakt.

Kontrolle 8,95 mg/g 6,43 mg/g 2,52 mg/g 100% 71,8% 28,2%

Dimethylnitrosamin 8,95 mg/g 6,44 mg/g 2,51 mg/g 25 mg/kg 100 % 72,0 % 28,0 %

Dimethylnitrosamin 9,32 mg/g 7,66 mg/g 1,66 mg/g 50 mg/kg 100 % 82,2 % 17,8 %

319763 dpm/g 256104 dpm/g 68334 dpm/g 100% 78,6% 21,4%

2. Ana ly se der markierten R N S - F r a k t i o n e n durch Dichtegradientenzentri /ugation

Das Sedimentationsverhalten der RNS bei der Dichtegradientenzentrifugation zeigt, dal~ diese Verschiebung mit einer Abnahme der h6hermolekularen und einer reziproken Zunahme der niedermolekularen RNS-Bestandteile einhergeht. Die Sedimentationsprofile und die aus 14C-Dimethylnitrosamin stammenden Aktivi- t/itsanteile der Gesamt-RNS nach Applikation yon 50 mg/kg Dimethylnitrosamin sind in Abb. 1 dargestellt.

Optisehe peaks finden sieh in den Sedimentationsbereichen 4 s, 4 - 1 2 s, 12 -20 s, 2 0 - 3 2 s, 35 s und 45 s. A1]e peaks der Gesamt-RNS enthalten 14C-Aktiviti~t aus Dimethylnitrosamin in unterschiedlichem Ausmafi. Nach getrennten Analysen der bei 25 ~ und 65 ~ gewonnenen RNS-Extrakte stammt dabei der Hauptanteil der Aktivit/~t in der Gesamt-RNS aus der 20~ Die 65 ~ C-Fraktion zeigt geringere Aktivit/~tsantei]e im nieder- (4 -12 s) und h6hermolekularen (>30 s)- Bereich. Die ffir unsere Fragestellung wesentliche Feststellung ist, dab sieh Aktivi- t/~t nieht nur im 4 - 5 s-Bereich, also dem Bereich der physiologisch methylierten RNS und deren Vorstufen finder, sondern zum fiberwiegenden Anteil an h6her molekulare Fraktionen mit Maxima bei 10---20 s, um 28 s, 35 s, 45 s und gr6Ber gebunden ist.

Die quantitativen Daten, die aus f/inf vergleichbaren Versuchen gemittelt wur- den, gehen aus der Tab. 2 hervor. Sie gibt die mittlere prozentuale Verteilung der

Durch Dimethylnitrosamin in vivo alkylierte RNS-Fraktionen der Leber 171

Gesamt-RNS u n d ihrer aus t4C-Dimethylni trosamin s t ammenden Akt iv i t s auf die einzelnen Sedimentat ionsbereiche un te r verschieden hoher Dimethyln i t rosamin- dosierung (25 mg/kg und 50 mg/kg) wieder.

oo I 2.5-~

2,0

1.5- ir

~.o ~- oo I] F ~ 18~ I I I t . . : i l

1 5 10 15

Dpm ~1 o -500 5%Saccharose - - " ~ ~ 3 5 YoSaccharose

i ~Z,C_DMNA(50 mg/kg )

4 0 ~ OD 260 m,u J~

3 0 0 - - Dpm/Fraktion II

35s 45s -T -9

/

20 25 Frakt Nr <as I/,s-12s t 12s-20s ]20s-32s[ >32s S-Wert

Abb. 1. Sedimentationsprofil und Aktivit&tsverteilung der Gesamt-RNS bei der Dichtegrudien- tenzentrifugation

Tabelle 2. Mittlere prozentuale Verteilung der Gesamt-RNS (a) und der aus 14C-Dimethylnitros- amin stammenden Aktivitdt (b) au/ die einzelnen Sedimentationsbereiche im Dichtegradienten. Es wurden die Absolutgehalte in y R N S (a) und die Aktivitdten in dpm (b) der Einzel/raktionen ge~nessen und entsprechend der angegebenen Bereiche addiert. Angegeben ist die so erhaltene

mittlere prozentuale Verteilung aus 5 Versuchen

a) RN S A B C D E ~ 4 s 4--12 s 12--20 s 20 32 s >32 s in % in ~ in % in ~ in ~o

Kontrolle 10,0 18,5 29,5 20,5 21,5 D M N A 25 mg/kg 10,0 18,5 29,5 20,5 21,5 D M N A 50 mg/kg 15,0 23,0 30,5 21,3 10,2

b) 14C-Aktivitdit A B C D E --4 s 4--12 s 12--20 s 20--32 s >32 s in ~ in ~ in % in % in %

D M N A 25 mg/kg 7,4 24,3 45,4 9,7 13,2 D M N A 50 mg/kg 15,5 26,4 38,0 l l ,6 8,5

Unte r h6herer Dosierung wird der Antefl der h6her molekularen RNS geringer, der niedermolekulare Anteil steigt an. Die Aktivit&tsvertei lung zeigt ein analoges Verhalten.

Diese Ergebnisse k6nnen aus dem Sedimenta t ionsverhal ten im Dichtegradien- ten alleine n icht in terpre t ier t werden. Hier wird die RNS aussch]ieBlich nach Molek/ilgr6•en getrennt . Eine Auf t r ennung der funkt ionel len RNS-Formen ist dabei nu r teilweise zu erreichen. I m 4 5 s-Bereich k a n n z. B. nicht nicht zwischen

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Oligonuc]eotiden und Transfer-RNS unterschicden werden, m-RNS und deren Abbaustufen sind wcder im 4 s-Bereich noch im 12 -18 s-Bereich abzutrennen, und ihre hochmolekularen zwischen 30 s und 70 s sedimetierenden Vorstufen kSnnen ebenfalls nicht sicher differenziert werden. Eine besscre Separierung der Gesamt- RNS in funktionclle Fraktionen ist durch S/~ulenchromatographie an Hydroxyl- apati t und Methylalbuminkieselgur zu erreichen.

3. Analyse der markierten RNS-Fraktionen durch Siiulenchromatographie i2ber Hydroxylapatit

Bei der Auftrennung der Gesamt-RNS fiber die Hydroxylapatits/~ule erschcinen regelm/~l~ig 5 peaks. Nach vorausgegangenen Ana]ysen enth/ilt der erste Gipfel Nucleotide und Oligonucleotide. Der erste Anteil von peak 2 ist ATP- und UTP- reich, der zweite GTP- und CTP-reich. Neben den Triphosphaten werden in diesem Elutionsbereich jedoch auch heterodispcrse RNS-Formen eluiert, die cytoplasma- tisch lokalisiert sind. Peak 3 besteht aus transfer-RNS und deren 5 s-Vorstufen. Peak 4 enth/flt ribosomale RNS und die hochmolekulare RNS des Kerns (D-RNS und R-RNS). Das durch Nachclution mit konzentrierterem Puffer im peak 5 ge- wonnene Material besteht aus DNS, Phospholipiden und festgcbundener Rest- RNS.

Vorangegangene Kurzzeit-Puls-Markierungsversuche rail Orots/~ure haben gezeigt, dab die schnell markicrte hochmolekulare RNS des Kerns (R-RNS und D-RNS) im wesentlichen im peak 4 lokalisiert ist, die daraus metabolisch ent- standenen niedrigermolekularen Stufen wurden im Bereich des peaks 2 eluiert.

Dpm 200 I

150 I

100

50

r~ I I I I I t

I o, n I I I a It / / I /^~ /~ / It

10 20 3'0 4=0 510 gO 75 8'0 Frakt. Nr: L-RNS r-RNS

Abb. 2. Elutionsprofil und Aktivit/~tsverteilungskurve der mit 25 mg/kg 14C-DMNA vor- behandelten Gesamt-Leber-RNS nach s&ulenchromatographischer Auftrennung fiber Hydroxyl- apatit. Durchgezogene Linie: OD, geschrieben in Transmission. Gestrichtelte Linie: aus I~C-DMI~A stammende Aktivit/tt, angegeben in Dpm. N&here Angaben im methodischen Teil

In Abb. 2 sind Elutionsdiagramm und Aktivit/itsverteilungskurve einer an Hydroxylapat i t chromatographierten Leber-Gesamt-RNS nach in vivo-Einwir- kung von 25 mg/kg 14C-DMNA dargestellt. Die qualitative Verteflung der RNS auf

Durch Dimethylnitrosamin in vivo alkylierte RNS-Fraktionen der Leber 173

die einzelnen Fraktionen ist die gleiche wie bei unbehandelten Kontrollen. Aueh nach Applikation yon 50 mg/kg 14C-DMNA finden sieh qualitativ identisehe Elu- tionsprofile von RNS-Gehalten und 14C-Aktivit~t. Es bestehen jedoch quantitative Untersehiede (Tab. 3). Die bereits erw~hnte dosisabhi~ngige Verschiebung (Abb. l, Tab. 2) yon h6hermolekularer RNS zu niedrigermolekularem Material lie[3 sich durch die Si~ulenchromatographie dahingehend pr/tzisieren, dal3 der Anstieg von Nucleotiden und niedermolekularer RNS (P 1 und P 2) auf der reziproken Ab- nahme der hochmolekularen RNS des peak 4 beruht, w~hrend der t-l~NS-Gehalt

Tabelle 3. Mittlere prozentuale Verteilung der Gesamt-RNS und der aus z4C-DMNA stammenden Aktivitdit im Chromatogramm der Hydroxylapatit-Sdule. Nach Bestimmung der RNS-Gehalte und der Dpm der Einzel/raktionen wurde entsprechend der optischen peaks und der Aktivitditsverteilung gepoolt. Das Zwischensti~ck Z zwischen peak I und peak 2 wurde peak I zugeordnet. Die TabeUe

gibt die aus 5 Versuchen gemittelte prozentuale Verteilung wieder

Nucleotide u. Nuclein- Anteile der Gipfel Oligo- sauren nucleotide peak 1 peak 2~4 peak 2 peak 3

t-RNS

in % in % in % in %

peak 4 r-RNS, R-RNS, D-RNS in ~o

a) RNS Kontrolle 5,8 94,2 1,1 7,3 91,6 DM:NA 25 mg/kg 16,5 83,5 4,2 7,9 87,9 DMNA 50 mg/kg 24,8 72,5 8,4 7,1 84,5

b) 14C-Aktivitdt DMNA 25 mg/kg 26,0 74,0 11,3 ll,0 77,7 DM:NA 50 mg/kg 33,7 66,3 12,7 13,1 74,2

nahezu unverKndert bleibt. Die aus 14C-DMNA stammende Aktivit~t verteilt sich auf alle Nuc]eins/~urefraktionen. Das Maximum liegt bei beiden DMNA-Dosen fiber dem peak 4. Die ffir unsere Fragestellung besonders interessierende transfer- RNS und ihre Vorstufen sind demgegenfiber vergleichsweise gering markiert. Der mit fast 90 % welt fiberwiegende Anteil der aus DMNA stammenden 14C-Aktivitiit entf/~llt also auf die Bereiche, die auch bei der Kurzzeit-Pulsmarkierung mit Orot- s/~ure Aktivitiitsmaxima besitzen. Das sind die neusynthetisierten RNS-Anteile in peak 4 und peak 2.

Bei der Hydroxylapatits~ule ist es nicht m6glich, im peak 4-Bereich zwischen priiformierter ribosomaler und neusynthetisierter D- und R-RNS zu unterscheiden. Eine weitergehende Differenzierung kann jedoch durch Trennung fiber die Methyl- albuminkieselgurs~ule erreieht werden.

d. Analyse der markierten RNS-Frak t ionen dutch Sdulenchromatographie iiber M ethylalbuminkieselgur

Bei der Auftrennung der RNS fiber die Methylalbuminkieselgurs~ule (MAK) erscheinen optisch zun~chst Nucleotide und Oligonucleotide. Nach Anschliel3en des auf 2,0 M ansteigenden NaC1-Elutionsgradienten folgen voneinander getrennt

12'

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transfer-RNS, 5 s-RNS, DNS-RNS-Hybride, ribosomale RNS, D-RNS und R- RNS; bei der Nachelution mit Ammoniak werden hochmolekulare D-RNS, R-RNS und DNS, die fester an das S&ulenmaterial gebunden sind, gewonnen (Ku~z et al., 1970).

Bei Kurzzeitmarkierung mit Orots~iure (Abb. 3) werden die tiberwiegenden Aktivit~tsanteile im Bereieh des abfallenden ribosomMen peaks und mit der Nach- elution gewonnen. Die ammoniakaliseh eluierbare Fraktion enth/~lt vorwiegend neusynthetisierte hochmolekulare D-RNS und R-RNS des Kerns. Im postriboso- malen Gipfel liegen die aus diesen im Verlauf der Umwandlung zu funktionellen RNS-Einheiten entstehenden niedrigermolekularen Vorstufen. In Abb. 3 ist ein Elutions- und Aktivit/itsprofil yon Gesamt-Leber-RNS nach Applikation yon 50 mg/kg 14C-DMNA zusammen mit der Aktivit~tsverteilungskurve yon Gesamt- RNS nach Kurzzeitmarkierung mit aH-Orotsi~ure dargestellt, aH-Orots~ure und laC-DMNA ergeben auch bei der MAK-Chromatographie nahezu identische Aktivi- ti~tsprofile.

3000- -3,o I !

" I - - Ex t ink t ion [ I - - - - Dpm/F rak t i on

2000-2 .01 ~ I 50mg/kgDMNA_Cll .

I I (100 jJ Ci/mg) / ~

- I I l i~ io I I II I

looo ' I I i]/ I / I . ~ _ / /J

~, #tf

I I I I I I I I Frakt. 10 20 30 40 50 00 70

QO5n 0.1n NaCI ~ ~

Nukleotide + DNS.RNS-18s+28s ,~_ D-RNS Oligonukleotide t-RNS 5sRNSHybrid e r-RNS D-RNS§ S DNS

~"I~ A :11= B "] C }"1-~ D r.~ E ~11= F-~

Abb. 3. ElutiollsprofiI und Aktivit&bsverteilungskurve yon Leber-Gesamt-RNS nach Vor- behandlung mit 50 mg/kg ~4C-DMNA und s&ulenchromatographischer Auftrennung fiber MethylMbuminkieselgur. - - -- Extinktion bei 260 nm, - . . . . . Dpm/Fraktion ~4C aus ~4C-DMNA 12 Std . . . . . . . . . . . Dpm/Fraktion 3H aus 3H-Orotat 15 rain. N~here Angaben

im methodischen Teil

i~ IL

I~0 9i0 100 110 1210 13~) 140 150

Die beiden peaks, die naeh Kurzzeitmarkierung mit Orots~ure die h6chste Aktivit~t aufweisen, sind auch nach 14C-Dimethylnitrosamingabe am stiirksten markiert. Das bedeutet, da6 durch 14C-Dimethy]nitrosamin fiberwiegend neu- synthetisierte hochmolekulare RNS-Formen markiert werden. Transfer-RNS und ihre physiologisch als Methylacceptor fungierenden 5 s-Vorstufen sind nur gering markiert. Auch die physiologisch methylierten ribosomMen Vorstufen, die bei der MAK-Chromatographie vorwiegend im Bereich Eim Anschlu6 an den ribosomalen peak eluiert werden, tragen vergleichsweise geringe Aktivit&tsanteile.

Durch Dimethylnitrosamin in vivo alkylierte RNS-Fraktionen der Leber 175

I I . Analyse der durch 14C-Dimethylnitrosamin markierten Nucleobase~t

Die Markierung der Gesamt-RNS dutch 14C-Dimethylnitrosamin beruht nach Magee (Magee et al., 1962a; Magee et al., 1962b) zum gr6~ten Teil auf der Bildung von 7-Methylguanin, daneben ist eine geringe Inkorporation fiber den Cl-pool nachweisbar.

Es war zu prfifen, ob die von uns beobachtete ~4C-Markierung der differenten RNS-Fraktionen in gleichem Ausma~ auf 7-Methylguaninbildung beruht oder ob daffir Alkylierung und Inkorporation in unterschiedlichem Mal~e verantwortlich sind. Die RNS-Fraktionen der MAK-S~ule wurden dazu jeweils sauer und alkalisch hydrolysiert und nach den beiden im methodischen Teil angegebenen Verfahren an Ionenaustauschern chromatographiert. Die vollstitndige Trennung und Identi- fizierung von normalen und methylierten Basen zur Bestimmung ihrer 14C-Aktivi- ta t machte die Kombination beider Verfahren erforderlich. Wahrend z. B. bei der Trennung der alkalischen Hydro]ysate mit Ammoniumformiat 7-Methylguanin zusammen mit UMP eluiert wird, liegt es bei der Trennung der sauren Hydrolysate nach Magee als scharfer peak zwischen Guanin und Adenin. Umgekehrt lassen sich durch Chromatographie nach alkalischer Hydrolyse 5-Methylcytosin und Methy]adenin abtrennen, wi~hrend sie sich bei der Chromatographie nach saurer Hydrolyse nicht von den unmethylierten Basen abheben. Die durch Kombination beider Methoden ermittelten Werte sind in Tab. 4 zusammengestellt. Es zeigte

Tabelle 4. Mittlere prozentuale Verteilung der Gesamt-RNS und der aus 14C-DMNA stammenden Aktivitiit im Chromatogramm der MAK-Sdule. Nach Bestimmung der RNS-Gehalte und der Dpm der Einzel/raktionen wurde entsprechend der optischen peaks und der Aktivitdtsverteilung

gepoolt. Die Tabelle gibt die aus 5 Versuchen gemittelte prozentuale Verteilung wieder

Nucleotide Nuclein- u. Oligo- s~uren nucleotide A B--F

in % in %

Anteile der Gipfel

B C D E F t-RNS DNS-RNS r-RNS D-RNS D-RNS 5s-RNS Hybride D-RNS R-RNS R-RNS in ~ in % in ~ in ~ in ~

a) RNS Kontrolle 14,6 85,4 8,2 4,3 43,1 3,0 41,4 DMNA 25 mg/kg 21,7 78,3 9,2 4,5 39,2 6,9 40,2 DM_NA 50 mg/kg 31,6 68,4 9,7 3,9 48,2 7,3 30,9

b) l~C-Aktivitdt DM_NA 25 mg/kg 33,3 66,7 17,5 6,9 24,0 34,7 17,0 DMNA 50 mg/kg 46,1 53,9 17,9 7,4 35,2 26,4 14,0

sich, dab in ~bereinst immung mit der Gesamt-RNS der Hauptantefl der aus 14C- Dimethylnitrosamin stammenden Aktivit~t aller RNS-Fraktionen auf 7-Methyl- guanin entfiillt. Die physiologisch methylierten Transfer-RNS-Fraktionen weisen dabei dureh eine anteilm~13ig hohe Inkorporat ion fiber den Cl-pool sogar den relativ geringsten Anteil an markier tem 7-Methylguanin auf. Ffir die Fragestellung hervorzuheben ist, dal~ in den neusynthetisierten hochmolekularen D-RNS-Frak- tionen des postribosomalen Bereiehs und des Ammoniakpeaks dagegen die Mar-

176 W. Hennig, W. Kunz, K. Petersen, B. Schnieders und F. W. Kriiger:

kierung nieht auf erh6hter Inkorporation, sondern auf dem besonders hohen 7-Methylguaninanteil beruht.

I I I . Beeinflussung der Funtions/dhigkeit der m-RNS dutch die Basenmethylierung

Aus der Feststellung des hohen 7-Methy]guaningehaltes der informationstiber- tragenden RNS-Formen ergab sich die Frage nach den zel]physiologischen Aus- wirkungen. Wir priiften als Parameter der l~unktionsf/~higkeit der alkylierten m-RNS ihre F/ihigkeit Polysomenaggregate zu bflden, sowie ihre Matrizenaktivit/~t in einem zellfreien proteinsynthetisierenden System. Abb. 4 zeigt, dab der Aggre- gationsgrad der Polysomen durch Dimethylnitrosamin sehr stark herabgesetzt

1,0 [ KontroUe (250yg RNS)

0,8 ~- I 2 3 4 56 7 Aggregationsgrad

o ~ 0.~

O,2

Fraktionen I 21 3141 51 61 71 81 9110111112~13114L

NS) 1,0

q8 2- 0,6

~4 a o 0,z,

0,2

Fraktionen I 2 ~3 ~ Z, ~ 5~ 6 1 7 1 81 9 I10111t121131141

--,- 5~ % w/w -,,-

Abb. 4. Aggregationszustand der Leber-:Polysomen yon Kontrolltieren (oben) und yon Tieren, die 12 Std zuvor Dimethylnitrosamin (50 mg/kg) erhielten (unten). Auftrennung im Saceharose-

gradienten nach Wettstein

Tabelle 5. Prozent- Verteilung der '4C-Aktivitdit au/ die Basen der dutch MAK-Chromatographie gewonnenen Leber-RNS-Fraktionen (12 Std in vivo-Applikation yon 50 mg/kg 14C-DMNA )

R:NS-:Fraktion Guanin Adenin Methyl- Methyl- 7-Methyl- uracil cytosia guanin

Gesamt-RNS 7,2 6,0 9,8 13,4 63,2 A1 /~ucleotide 11,0 9,3 5,9 14,4 59,6 As Oligonucleotide 7,1 3,6 8,4 10,2 70,0 B t-RNS + 5s-R~qS 7,1 5,5 13,8 18,2 55,5 C RNS-DNS-Hybride 6,6 6,4 12,9 14,5 60,1 D r-RNS + D-RNS 5,0 2,6 13,6 12,4 66,2 F D-RNS Jr R-R:NS 6,7 8,9 4,6 10,9 68,2

Durch Dimethylnitrosamin in vivo alkylierte RNS-Fraktionen der Leber 177

wird. W/~hrend in der normalen Leber der grSBte Teil der Ergosomen in Form yon Heptameren vorliegt, finden sich 12 Std nach Applikation von 50 mg/kg DMNA fast nur noch Monomere und Dimere. Auch die Matrizenaktivit/it der naeh gleicher Vorbehandlung aus der Leber extrahierten m-RNS in einem mit Leberergosomen unbehandelter Tiere komplettierten Proteinsynthesesystem nach Wettstein et al. (1963) fanden wir in Ubereinstimmung mit anderen Untersuchern erniedrigt (MIZRAH[ et al., 1964; Villa-Trevino, 1967).

Diskussion

Nachdem nachgewiesen worden war, dub die Ubertragung der Methylgruppen yon DMNA auf RNS nieht fiber den unphysiologischen Diazoalkanmeehanismus verl/~uft, sondern als Transmethylierung aufzufassen ist (Lijinsky et al., 1968), war zu prfifen, ob die Alkylierung nur an den einleitend erw/~hnten physiologiseh methylierten RNS-Formen erfolgt.

Die Untersuehungen haben als wesentliches Ergebnis gezeigt, dab die dureh DMNA alkylierten RNS-Klassen nieht mit den pbysiologisch methylierten iden- tiseh sind. Aus 14C-DMNA stammende Aktivit/~t l/~gt sich zwar in allen RNS-Arten der Zelle nachweisen; die Markierung der physiologisch methylierten RNS-Mole- kfile ist jedoch vergleichsweise gering. Wie gezeigt werden konnte, besitzen hSher- molekulare RNS-Klassen wesentlich grSBere spezifische und absolute Aktivit/iten. Der fiberwiegende Teil der 14C-Methylgruppen yon DMNA ist dabei an RNS-For- men gebunden, die als neusynthetisierte D-RNS und deren in der "processing"- Phase gebfldeten Umwandlungsstufen identifiziert werden konnten.

Diese Befunde stehen im Einklang mit den Ergebnissen analoger Unter- suchungen mit Carbamins/iurederivaten, bei denen eine vSllig identische, auf Bfl- dung yon Cytosin-5-carboxylaten beruhende Markierung vorwiegend der neu- synthetisierten RNS-Formen beobachtet wurde, welche durch gleichzeitige Appli- kation yon Actinomycin stark gehemmt werden konnte (Boyland et al., 1969; Williams et al., 1971).

Da DMNA sehr rasch unter Bildung yon C 1-Fragmenten metabolisiert wird, schien es denkbar, dal3 die hohe Markierung der neusynthetisierten RNS nicht auf Alkylierung, sondern auf Einbau yon C 1-Anteflen bei der Purin- und Pyrimidin- biosynthese beruhe. Die Basenanalyse der RNS-Fraktionen zeigte ]edoeh, dal3 die Inkorporation fiber den C 1-Pool in die neusynthetisierten RNS-Formen gering ist; gerade diese aber enthalten unter allen RNS-Klassen den hSchsten molaren Anteil an markiertem 7-Methylguanin.

Die Feststellung, dab fiberwiegend neusynthetisierte RNS-Formen dutch DMNA alkyliert werden, war fiberraschend. Die RNS-Analysen wurden nach 12stfindiger I)MNA-Einwirkung durchgeffihrt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem Heath (1962) kein unver/~ndertes DMNA im Blut mehr nachweisen konnte. Es besteht damit, wie bei den Untersuchungen mit Urethanen (Williams et al., 1971), auch bei DMNA die Schwierigkeit, die kurze Verweildauer des unverKnderten Car- cinogens in Einklang mit der lang andauernden Alkylierung neusynthetisierter RNS zu bringen. Als Ursache mul~ diskutiert werden, ob fiber einen in der Zelle l/~nger verbleibenden Pool alkylierter Basen, bzw. deren Reutilisation ein per- manenter Einbau in RNS erfolgen kann, ob die aktiven Nitrosaminmetabolite langsam entstehen oder lunge in der Leber persistieren oder ob die alkylierten

178 W. Hennig, W. Kunz, K. Petersen, B. Schnieders und F. W. Kriiger:

RNS-Formen durch die Abwandlung des Molekfils eine erh6hte Stabilitiit gegen- fiber celiul/~ren Nucleasen besitzen. Nach allen expcrimentellen Beobachtungen und auf Grund theoretischer Erw~gungen erscheint die erste M6glichkeit urlwahr- scheinlich. Daher muI~ postuliert werden, daI~ die Alkylierung an der polymerisier- ten RNS-Kette w~hrend des Transkriptionsprozesses oder der nachfolgenden Um- wandlung in niedermolekulare Funktionseinheiten erfolgt. Es ist naheliegend an- zunehmen, da~ die RNS in den frfihen Synthese- und Proccssingstadien besonders angreifbar ffir alkylierende Agentien ist, wi~hrend die pr~formierte RNS durch ihre Bindung an Protein- und Phospholipid-Strukturcn gcschfitzt wird (Williams et al., 1971).

Die Frage, ob es sich bei der Methylierung yon neugebildeter D-RNS um einen physiologischen Vorgang handelt, der aus quantitativen Grfinden nur noch nicht nachgewiesen werden konnte oder ob eine unphysiologische, spezifische Wirkung des Carcinogens vorliegt, ist Gegenstand laufender Untersuchungen. A]le bisher vorliegenden Daten lassen jedoch auf cinen nichtphysiologischen Effekt schliei]en. Wie einleitend erwi~hnt, wurde unter normalen Bedingungen zwar eine dem Kern- Plasma-Transport vorausgehcndc Methylierung yon ribosomaler 45 s-RNS und eine vorwiegend im Cytoplasma stattfindende Mcthylierung yon t-RNS nach- gewiesen (Muramatsu, 1968) ; hingegen wurde eine meI~bare Methylierung schnell- markierter m-RNS-Vorstufen nicht gefunden. Nach Moore (1966) enth/~lt hetero- disperse m-RNS keine methylierten Basen. Ffir die Annahme des unphysiolo- gischen Charakters der m-RNS-Alkylierung spricht auch der yon uns in Uberein- stimmung mit anderen Untersuchern erhobene Befund, daI~ die Polysomen nach Einwirkung yon DMNA desaggregieren (Mizrahi et al., 1964). Analoge Beob- achtungen nach Applikation von Nitrosomorpholin (Meyer Bertenrath et al., 1967) wurden mit einer Alteration der r-RNS oder der Strukturproteine der Ribosomen gedeutet. Nach unseren Befunden ist jedoch wahrscheinlicher, dal] die guanin- alkylierte m-RNS nicht in der Lage ist, Ribosomen zu Polysomen zu verbinden. Auch Villa-Trevino (1967) ffihrt die unter Nitrosaminwirkung eintretende Hem- mung der Proteinsynthese auf die Alkylierung der m-RNS zurfick. Die Codierungs- f~higkeit yon UG-Copolymeren wird durch Guaninmethylierung m6glicherweise auf Grund sterischer Effekte der Methylgruppe in 7-Stellung, stark herabgesetzt (Wilhelm et al., 1966).

Die RNS-Alkylierung dfirfte demnach sicher Grundlage der cytotoxischen Wir- kung der Nitrosamine sein. Ob auch die alIgcmein postulierte urs/ichliche Bezie- hung zu der Carcinogenit~t besteht, kann aus den Untersuchungen nicht abgeleitet werden. Die Tatsache, dab der nicht hepatocarcinogene Nitrosomethylharnstoff in gleichem Mai]e wie Dimethylnitrosamin zur Guaninalkylierung der neusyntheti- sierten l~NS-Formen ffihrt (eigene unver6ffentlichte Befunde), stellt in Uberein- stimmung mit dem Nachweis einer Divergenz zwischen 7-Methylguanina]kylierung und Carcinogenit~t bei Forellen (Krfiger et al., 1970) zumindest die Annahme eincr einfachen kausalen Beziehung in Frage.

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Prof. Dr. W. Kunz Institut fiir Pharmakologie und Toxikologie der Universit/~t I)-3550 Marburg/L, Lahnberge

/)oz. Dr. F, W. Kriiger Institut fiir Toxikologie und experiment~lle Chemotherapie am DKFZ D-6900 Heidelberg