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Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen

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Mit Baudelaires revolutionären Gedichten beginnt die literarische Moderne in Europa. Die Blumen des Bösen sind der wohl am weitesten verbreitete und einflussreichste moderne Gedichtband überhaupt.

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Inhalt

TRÜBSINNUND

VERGEISTIGUNG

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PARISER BILDER

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DER WEIN

131

BLUMEN DES BÖSEN

139

AUFRUHR

153

DER TOD

157

anhang

Alphabetisches Verzeichnis der Titel

und Gedichtanfänge

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TRÜBSINN

UND

VERGEISTIGUNG

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SEGEN

Wenn nach den allerhöchsten urteilsprüchenDer dichter auf die trübe erde steigtSo schaudert seine mutter und mit flüchenBedroht sie Gott der selber mitleid zeigt:

– Ach! was gebar ich nicht ein nest von schlangenEh ich ernährte solch ein zwitterding!Verwünscht die nacht mit flüchtigem verlangenIn der mein leib die sühne mit empfing!

Was hast du mich erwählt aus allen frauenDem blöden mann der vor mir abscheu hat ·Weshalb kann ich den flammen nicht vertrauenDie missgeburt wie ein verfänglich blatt?

Den hass der mich erdrückt will drum ich lenkenAufs grause werkzeug deiner schadensucht ·So gut will diesen schlechten stamm ich renkenDass nie er zeitigt die verseuchte frucht. –

So würgt sie nieder ihres grolles eiterMit keiner ahnung von des himmels ratUnd türmt sich in der hölle selbst die scheiter ·Den lohn für mütterliche greueltat.

Doch unter eines engels sicherm schutzeHaucht der Enterbte froh im sonnenscheinUnd was er isst und trinkt ist ihm zu nutzeWie götterbrot und roter götterwein.

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Er spielt mit winden · spricht mit wolkenflügen ·Berauscht sich an der kreuzweg-lieder laut.Der geist · sein führer auf den pilgerzügen ·Weint da er ihn so frisch und heiter schaut.

Die er zu lieben brennt vor ihm erschrecken ·Und andre die sein friede kühn gemachtVersuchen eifrig klagen ihm zu weckenErprobend was die roheit ausgedacht.

In wein und brot eh er zum mund es führteVermischten eklen speichel sie und russ.Sie werfen heuchelnd weg was er berührteUnd fluchen · ging durch seine bahn ihr fuss.

Sein weib schreit auf dem öffentlichen platze:– Da er mich liebenswert erklärt und holdTreib ich das handwerk einer götterfratze:Stets lass ich schmücken mich mit frischem gold.

Betrinken will ich mich an weihrauch mirren ·An kniefall tief im staub · an fleisch und wein.Im sinn den meine reizungen verwirrenNehm ich mit lachen Gottes stelle ein.

Und macht mir diese lästerposse müheSo fasst mein starker schwacher arm ihn anUnd meine nägel · nägel der harpye ·Verfolgen bis zu seinem herz die bahn.

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Dem jungen vogel gleich der zuckt und schüttertDies herz ganz rot reiss ich aus seiner brust.Auf dass mein lieblings-tier sich daran füttertWerf ich zu boden es mit kalter lust. –

Am himmel strahlen reiche königsitze ·Der dichter heiter hebt den frommen armUnd seines lichten geistes weite blitzeVerhüllen ihm der völker wilden schwarm.

– Preis dir o Gott der uns zur drangsal leitet ·Uns die wir unrein sind zum heilungs-fluss ·Zum klaren filter der uns vorbereitet ·Die starken auf den heiligen genuss!

Ich weiss: der dichter hat der sitze bestenMit seliger legionen schar gemein ·Ich weiss du lädst ihn zu den ewigen festenDer Kräfte Mächte und der Thronen ein.

Ich weiss: vom adel ist der Schmerz der echteDen erde nie und hölle niederwarfUnd dass wenn ich mein göttlich stirnband flechteIch aller weltenkreise zins bedarf.

Doch schätze lang verschütteter PalmyrenVerborgen gold und perlen in dem meerVon dir emporgeholt dürft ich nicht kürenZu dieser krone sonnenhell und hehr.

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Denn sie wird nur geprägt aus reinem lichteDas ich vom heilgen Strahlenherd erlasDem aller glanz der menschlichen gesichteNichts ist als armes trübes spiegelglas. –

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DER ALBATROS

Oft kommt es dass das schiffsvolk zum vergnügenDie albatros · die grossen vögel · fängtDie sorglos folgen wenn auf seinen zügenDas schiff sich durch die schlimmen klippen zwängt.

Kaum sind sie unten auf des deckes gängenAls sie · die herrn im azur · ungeschicktDie grossen weissen flügel traurig hängenUnd an der seite schleifen wie geknickt.

Er sonst so flink ist nun der matte steife.Der lüfte könig duldet spott und schmach:Der eine neckt ihn mit der tabakspfeife ·Ein andrer ahmt den flug des armen nach.

Der dichter ist wie jener fürst der wolke ·Er haust im sturm · er lacht dem bogenstrang.Doch hindern drunten zwischen frechem volkeDie riesenhaften flügel ihn am gang.

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AUFSCHWUNG

Hoch oberhalb der weiher und der ährenDer wälder und der berge und der see ·Jenseits von wolken und von ewigem schnee ·Jenseits der grenzen der gestirnten sfären ·

Dort regst du dich in freiheit · meine brust !Und wie sich schwimmer in den wellen breitenSo ziehst du durch die unermesslichkeitenMit männlicher unsagbar grosser lust.

Flieh weit aus dieser kranken dünste giften ·In einem höhern luftraum werde reinUnd trink wie einen himmlisch echten weinDas klare feuer in den lichten triften!

Los von dem kummer von der grossen qual– Des nebeldüstern daseins lästge zügel –Wie ist der glücklich der mit starkem flügelEntschweben kann ins stille heitre tal!

Der des gedanken auf der lerche schwingeEmporgetragen werden in der früh…Er fasst die welt und deutet ohne mühDer blumen sprache und der stummen dinge.

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EINKLÄNGE

Aus der natur belebten tempelbaunOft unverständlich wirre worte weichen ·Dort geht der mensch durch einen wald von zeichenDie mit vertrauten blicken ihn beschaun.

Wie lange echo fern zusammenrauschenIn tiefer finsterer geselligkeit ·Weit wie die nacht und wie die helligkeitParfüme farben töne rede tauschen.

Parfüme gibt es frisch wie kinderwangenSüss wie hoboen grün wie eine alm –Und andre die verderbt und siegreich prangen

Mit einem hauch von unbegrenzten dingen ·Wie ambra moschus und geweihter qualmDie die verzückung unsrer seelen singen.

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Ich will die entschwundenen nackten zeiten lobenWo Phöbus die säulen mit goldenem schimmer umwoben ·Als mann und weib geniessend in leichtem zugNoch lebten ohne bedrängnis und ohne betrug ·Als die von des liebreichen himmels kosen berührtenDie volle kraft ihrer edlen leiber verspürten.Und Cybele · fruchtbar und freigebig ohne rast ·Empfand ihre söhne noch nicht als beschwerliche lastUnd gab · eine wölfin schwellend mit zärtlichen lüsten ·Der ganzen erde den trank von den braunen brüsten.Der mensch in schlanker und stolzer kraft war bestelltSich könig zu heissen über die schönheit der welt ·Die früchte rein von flecken und ohne risseMit glattem und festem fleische luden zum bisse.

Und ist in unseren tagen der dichter die prachtUrsprünglicher grösse an orten zu finden bedachtWo mann und weib in ihrer nacktheit sich zeigenSo fühlt er finsteren frost in die seele steigen.O düsteres bild das alle schrecknis vereint!O formlosigkeit die nach ihren kleidern weint!Gestalten würdig der masken · armselige stümpfe!Verdrehte aufgeschwemmte und magere rümpfe!Der Gott des nutzens in seinem grausamen scherzHat sie schon als kinder gewickelt in windeln aus erz.Ihr frauen an zernagenden wollüsten reicheUnd ach! ihr jungfrauen wie die wachskerzen bleiche!Ihr seid durch der eltern vererbte laster erschlafftUnd mahnt an die hässlichkeiten der mutterschaft.

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Wol haben wir völker die in verfall gerietenDen Alten verschlossene schönheiten auch zu bieten:Gesichter zermartert durch innerer kämpfe schlagUnd die man als sieche schönheiten preisen mag.Doch dies geschenk das die späten musen uns spendenWird niemals uns · die kränklichen rassen · verblenden.Wir bringen der jugend die tiefste huldigung dar ·Der heiligen jugend · dem wesen einfach und klar ·Dem auge heiter und sanft gleich der fliessenden quelleDie überall um sich verbreiten sorglos und helleWie vögel wie blumen wie azurne himmelsluftIhr lied ihre sanfte wärme und ihren duft.

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