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Charles Darwin: Die Entstehung der Arten - Buch.de · Charles Darwin: Die Entstehung der Arten Kommentierte und illustrierte Ausgabe Herausgegeben von Paul Wrede und Saskia Wrede

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Herausgegeben vonPaul Wrede und Saskia Wrede

Charles Darwin: Die Entstehung der Arten

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Charles Darwin: Die Entstehung der Arten

Kommentierte und illustrierte Ausgabe

Herausgegeben von

Paul Wrede und Saskia Wrede

WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA

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Herausgeber

Prof. Dr. Paul WredeCharité-Universitätsmedizin BerlinMolekularbiologie und BioinformatikArnimallee 2214195 Berlin (Dahlem)

Saskia WredeSüdwestkorso 8 A12161 Berlin

Cover

Vorderer Umschlag: Charles Darwinentwickelte seine Theorie von der Entstehungder Arten u.a. aufgrund seiner Beobachtungenals Taubenzüchter. Die Bilder zeigen imUhrzeigersinn von oben links Rotkappen-Taube(© Thumer Hof), Rost-Täubchen (© DarioSanches, São Paulo, Brasilien), Kronen-Taube(© Eric Isselée/Fotolia.com), Guinea-Taube(© Thumer Hof) und Felsen-Taube(© soleg/Fotolia.com).

Hinterer Umschlag und Rücken:Portrait von Alfred Russel Wallace (© PhotoResarchers/Ag. Focus) und Portrait von CharlesRobert Darwin (© SPL/Ag. Focus).

Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältigerarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren,Herausgeber und Verlag in keinem Fall,einschließlich des vorliegenden Werkes, für dieRichtigkeit von Angaben, Hinweisen undRatschlägen sowie für eventuelle Druckfehlerirgendeine Haftung

Bibliografische Information der DeutschenNationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnetdiese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.

© 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co.KGaA, Boschstr. 12, 69469 Weinheim, Germany

Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzungin andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teildieses Buches darf ohne schriftlicheGenehmigung des Verlages in irgendeinerForm – durch Photokopie, Mikroverfilmungoder irgendein anderes Verfahren –reproduziert oder in eine von Maschinen,insbesondere von Datenverarbeitungs-maschinen, verwendbare Sprache übertragenoder übersetzt werden. Die Wiedergabe vonWarenbezeichnungen, Handelsnamen odersonstigen Kennzeichen in diesem Buchberechtigt nicht zu der Annahme, dass diesevon jedermann frei benutzt werden dürfen.Vielmehr kann es sich auch dann umeingetragene Warenzeichen oder sonstigegesetzlich geschützte Kennzeichen handeln,wenn sie nicht eigens als solche markiert sind.

Umschlaggestaltung Formgeber, EppelheimSatz le-tex publishing services GmbH, LeipzigDruck und Bindung Markono Print Media PteLtd, Singapur

Gedruckt auf säurefreiem Papier

ISBN Hardcover 978-3-527-33360-8ISBN Softcover 978-3-527-33256-4

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V

Zum Geleit: Von Darwin zur Molekularbiologie

Mit dem Einzug molekularbiologischer Methoden in diedamals noch weitgehend zoologisch-botanisch ausgerichte-ten Life Sciences der 1970er Jahre setzte eine neue Ära derEvolutionsforschung ein, die uns unerwartet tiefe Einblickein die Verwandtschaftsverhältnisse der heute lebenden, denrezenten, Organismen erbracht hat. Diese „Molekularisie-rung“ der Biologie kann rückblickend als eine „Wissensre-volution von innen heraus“ interpretiert werden. Währenddie drei Urväter der klassischen Evolutionswissenschaften,Jean-Baptiste Lamarck (1744–1829), Charles Darwin (1809–1882) und Ernst Haeckel (1834–1919) die Tiere und Pflan-zen von außen, also morphologisch einerseits und ande-rerseits auf Grundlage ihres Körpergerüsts, anatomisch ver-gleichend studiert haben, konnten mit dem Methodenarse-nal der Molekularbiologie, vor allem der Protein- und Nu-kleinsäure (RNA, DNA)-Sequenzanalytik, die verschlüssel-ten, erblichen Organismenbaupläne entziffert werden. Indie Sprache der modernen, 1942 vor allem durch Theodo-sius Dobzhansky (1900–1975) und Ernst Mayr (1904–2005)in den USA gegründeten Wissenschaftsdisziplin Evolutions-biologie übersetzt, war hiermit der Schritt von der Untersu-chung der Phänotypen, den Erscheinungsformen, auf dieEbene der Genotypen ausgewählter Lebewesen durch dievielfältigen DNA-Analysen des Erbgutes vollzogen.

Die beschreibende Evolutionsforschung stützt sich heutedemgemäß im Wesentlichen auf zwei methodische Ansätze.Zum einen werden altersdatierte Fossilreihen analysiert undzur Rekonstruktion der Stammesentwicklung, der Phyloge-nese, entsprechender Organismengruppen herangezogen,die als paläontologische Verfahren bezeichnet werden. Aufder anderen Seite sind vergleichende DNA-Sequenzanalysenkorrekt bestimmter rezenter Organismen und die daraufbasierende Methodik der molekularen und damit evolutio-nären Stammbaum-Rekonstruktion, auch Phylogenetik ge-nannt, die wichtigsten Methoden zur Erforschung der biolo-gischen Evolution, der als neontologischer Ansatz bezeich-net wird.

Unser enormer, im Wesentlichen auf molekularphyloge-netischen Befunden basierender Wissenszuwachs in derEvolutionsforschung hat jedoch einen gravierenden Nachteilmit sich gebracht: Studierende der Biologie müssen heute

derart viele Fakten und Labormethoden erlernen, dass kaumnoch Zeit bleibt, die historischen Grundlagen der Evoluti-onsbiologie, vor allem auf dem Gebiete der Life Sciences wieSystematik, Physiologie, Biochemie und Molekularbiologie,zu erlernen. So muss ich nach über 20 Dienstjahren alsunabhängiger Wissenschaftler und Hochschullehrer an denUniversitäten Freiburg, Bonn, Kassel, Michigan State undStanford (USA) die ernüchternde Schlussfolgerung ziehen,dass die Werke von Lamarck, Darwin und Haeckel von derMehrzahl unserer Nachwuchs-Biologen nicht mehr gelesenwerden. Dies ist bedauerlich, weil man Wissenschaftsdiszi-plinen nur verstehen kann, wenn man deren historische Ent-wicklungen zumindest in groben Zügen kennt: Der kumu-lative, sich selbst regulierende Wissenszuwachs in der Biolo-gie, mit all seinen Irr- und Umwegen, kann erst nach derar-tigen Studien überblickt und verstanden werden.

Bezüglich der Bedeutung ihres Lebenswerks sind die dreieingangs genannten Giganten der klassischen Biologie – La-marck, Darwin und Haeckel – in etwa gleichwertig. Dennochist Charles Darwin unter den drei Altmeistern der mit Ab-stand Bekannteste und sicherlich der Einflussreichste: DerBegriff „Darwinismus“ wurde ab 1860 populär und ist nochheute außerhalb der international ausgerichteten Evoluti-onsforschung im Gebrauch, während nur selten vom „La-marckismus“ und überhaupt nicht vom „Haeckelismus“ ge-sprochen wird.

Warum ist Darwin weltweit so berühmt geworden? ZweiHauptgründe sind hier zu nennen. Zum einen war CharlesDarwin ein wohlhabender, zurückgezogen lebender Privat-gelehrter, der sich ganz auf die Forschung und das Verfas-sen von Fachbüchern und Zeitschriftenartikeln konzentrie-ren konnte, während Lamarck in Paris und Haeckel in Jenaals Professoren den täglichen Universitätsbetrieb mit Vor-lesungen und vielen anderen Pflichten bestreiten mussten.Darwin hat geschickt und pragmatisch ein Netzwerk führen-der Gelehrter in Europa und den USA um sich herum ge-spannt und seine Werke, insbesondere das 1859 erschienene„Artenbuch“ (On the Origin of Species), beworben. Nur weni-ge Tage vor dem Erscheinen der Erstauflage (19. November1859) hatte z. B. der Verleger John Murray III (1808–1892)einen Aufsatz eines Theologen publizieren lassen, in dem in

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VI Zum Geleit: Von Darwin zur Molekularbiologie

polemischer Weise das „gottlose Buch“ kritisiert wurde. Die-ser Darwin-kritische Essay weckte breites Interesse an derumfassend angekündigten Neuerscheinung. Als dann am22. November das „Artenbuch“ in die Buchhandlungen kam,war die Erstauflage (1250 Exemplare, darunter 1192 zumVerkauf vorgesehen) am ersten Tag vergriffen. Die zweiteAuflage (3000 Exemplare) ist kurz darauf, am 26. Dezem-ber 1859 (mit der Jahreszahl 1860), erschienen. Diese Versi-on wurde dann im Schnellverfahren von dem HeidelbergerPaläontologen Heinrich Georg Bronn (1800–1862) ins Deut-sche übersetzt und in unserem Land verbreitet.

Der zweite und wichtigere Grund für Darwins hohen Be-kanntheitsgrad liegt jedoch in der Breite und Tiefe, also demUmfang und der Originalität seiner wissenschaftlichen Wer-ke begründet. Noch im „Darwin-Jahr 2009“ war es außerhalbder Kreise unserer Wissenschaftshistoriker weitgehend un-bekannt, dass Charles Darwin neben seinem „Artenbuch“15 weitere wissenschaftliche Werke hinterlassen hat, wobeier nahezu alle Teilgebiete der Biologie und Geologie sei-ner Zeit bearbeitete. In einem populären Sachbuch habeich demgemäß den Evolutionsforscher Charles Darwin alsGeologen, Biogenese-Theoretiker, Tier-Systematiker, Blüten-biologen, Pflanzenphysiologen, Tierpsychologen und Boden(Regenwurm)-Biologen beschrieben und seine Leistungenauf all diesen Gebieten unter Verweis auf die Originalquel-len gewürdigt1).

Trotz dieser Vielfalt an Forschungsschwerpunkten undFachpublikationen hat Darwin das „Artenbuch“ als seinenwichtigsten Beitrag zur Naturkunde seiner Zeit angesehen.Dies führte der Autor zum einen auf die Breite der in derOrigin of Species zusammengetragenen Fakten und anderer-seits auf die dort vorgestellten weitreichenden Schlussfol-gerungen bzw. Interpretationen, das bedeutet Theorien, zu-rück. Neben der Übersetzung der zweiten Auflage durchBronn, die heute in einer von Thomas Junker herausgege-benen Faksimile-Ausgabe vorliegt2), ist die Übersetzung derletzten (6.), am 19. Februar 1872 erschienenen Endfassungvon Bedeutung. Diese im Jahr 1876 von dem Leipziger Zoo-logen Julius Victor Carus (1823–1903) vorgenommene Über-setzung ins Deutsche ist hier abgedruckt. Der klassische Textwurde durch Kurz-Biografien und Artikel ergänzt und durchdie Beigabe zahlreicher Bilder illustriert.

Vergleichen wir die erste, 1859 erschienene mit der letz-ten (definitiven) Auflage, so fällt auf, dass Darwin zahlrei-che Zusätze und Änderungen vorgenommen hat. So wurdez. B. das Wort „Evolution“ in der Erstauflage kein einzigesMal erwähnt: Darwin spricht von seiner „Theorie der De-szendenz mit Modifikation“. Erst in späteren Auflagen ver-wendete er gelegentlich das von dem Philosophen HerbertSpencer (1820–1903) in die Biologie eingeführte Wort „Evo-lution“ als Synonym für sein Konzept der „Abstammung mitAbänderung“.

Trotz dieser und anderer stetiger Verbesserungen und Er-gänzungen des Urtextes sind die fünf Hauptaussagen des„Darwinismus“ – ein veraltetes Synonym für den Inhalt derOrigin of Species – bis zur 1872 erschienenen letzten Auflagedieselben geblieben:

1. Die Tier- und Pflanzenarten haben sich im Verlauf derErdgeschichte gemäß dem Prinzip der Deszendenz mitModifikation (Abstammung mit Abänderung) gewan-delt. Evolution wurde somit von Darwin, wie bereits 50Jahre zuvor von J.-B. Lamarck, in vorsichtigen Wortenals realhistorischer Prozess umschrieben und dem da-mals noch populären Glauben an „unabhängige Einzel-Erschaffungen der Lebewesen“ entgegengesetzt. Es soll-te hervorgehoben werden, dass Darwin auf durchschnitt-lich jeder vierten Seite seines Hauptwerks vom „Schöp-fer“ spricht, aber das Wort „Bibel“ nicht erwähnt.

2. Alle Lebewesen der Erde stammen von gemeinsamenUrformen ab, die vor langer Zeit existiert haben.

3. Die stetigen Arten-Transformationen verliefen in kleinenSchritten (graduell) und nicht sprunghaft.

4. Im Verlauf der Jahrmillionen kam es zu einer Vervielfa-chung der Arten, u. a. durch geographische Aufspaltungder Tier- und Pflanzenpopulationen.

5. Die natürliche (und sexuelle) Selektion ist als eine wichti-ge, aber nicht die einzige „Antriebskraft“ des Artenwan-dels zu interpretieren.

Wie Ernst Haeckel hervorgehoben hat, sollte man die be-schreibenden Teil-Theorien von Charles Darwin, also diezeitlichen und räumlichen Aspekte der Evolution, Konzep-te 1. bis 4., als „Abstammungslehre“ bezeichnen und nurdie Selektionstheorie (5.) mit dem Wort „Darwinismus“gleichsetzen. Diese Terminologie ist inzwischen überholt.Heute sprechen wir vom „Darwin-Wallace-Prinzip der na-türlichen Selektion“, um den Mit-Entdecker des Auslese-Mechanismus in der Natur, Alfred Russel Wallace (1823–1913), seinen Leistungen entsprechend zu würdigen.

Es wird auch heute noch immer wieder gefragt, ob Dar-win mit seinen „Artenbuch-Theorien“ Recht gehabt hät-te. Diese Frage kann mit einem „Im Prinzip ja, im De-tail nein“ beantwortet werden. Die wesentlichen Aussa-gen von Darwin wurden durch die moderne Evolutions-forschung, insbesondere unter Einsatz paläontologischerund molekularbiologischer Methoden, in vollem Umfangbestätigt. Allerdings sind zahlreiche neue Fakten, Prin-zipien und Theorien hinzugekommen, von denen Dar-win nichts wissen konnte, wie Vererbung über Gametenund die Keimbahn/Soma-Differenzierung; Endosymbioseals Triebkraft der Zell-Evolution; die Erdplatten-Dynamikmit der Konsequenz einer kontinuierlichen Umgestaltungder Lebensräume des Planeten und viele andere Erkennt-nisse der Biologie und Geologie3). Unser stetig wachsendes

1) Kutschera, U. (2009) Tatsache Evolution. Was Darwin nicht wissen konnte, dtv, München.2) Darwin, C., Junker, T. (Hrsg.) (2008) Über die Entstehung der Arten im Thier- und Pflanzen-Reich durch natürliche Züchtung, Wissenschaftl.

Buchgesellschaft, Darmstadt.3) Kutschera, U. (2008) Evolutionsbiologie, 3. Aufl., Ulmer, Stuttgart.

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Zum Geleit: Von Darwin zur Molekularbiologie VII

„Theoriensystem Evolutionsbiologie“ hat sich daher soweit von den ursprünglichen Thesen aus dem 19.Jahrhundert entfernt, dass Charles Darwin heute kei-ne Prüfung im Fachgebiet der Evolutionswissenschaf-ten bestehen könnte. Grundbegriffe wie Phänotyp, Ge-notyp, DNA-Sequenzen oder molekulare Phylogenetik wa-ren dem Urvater dieser Wissenschaftsdisziplin unbekannt.

Dennoch ist die hier in einer Neuausgabe vorliegen-de 6. Auflage der Origin of Species (1872) keineswegs ver-altet. Beim Lesen dieses großartigen Werkes wird deut-lich, welche Geistesleistung sich hinter Darwins fünf Basis-Theorien zur Evolution der Organismen verbirgt. Eine der-art umfassende Ansammlung empirischer Tatsachen („Fak-ten“, ein von Darwin immer wieder gebrauchtes Wort) ha-ben wenige Naturforscher jemals in einem Buch zusam-mengetragen, um eine Kern-Aussage, bei Darwin lautet die-se: „Die Lebewesen haben sich aus gemeinsamen Urfor-men über natürliche Ausleseprozesse, dem Daseinswettbe-werb in der Natur, zur heutigen Artenvielfalt entwickelt“, zubegründen.

Kommen wir nun auf die Frage nach den Konsequenzenaus Darwins „Artenbuch-Thesen“ bezüglich der christlich-religiösen Glaubenslehre zu sprechen. Alle drei Evolutions-forscher, Lamarck, Darwin und Haeckel, sind mit der Bi-bel auf dem Nachttisch erzogen worden. Daher waren die-se drei großen Biologen während ihrer Jugend noch gläu-bige Christen. Interessanterweise sind aber Lamarck, Dar-win und Haeckel durch die intensive Beschäftigung als Na-turforscher diese eingeimpften religiösen Glaubensinhaltemit der Zeit immer fragwürdiger geworden, mit dem Re-sultat, dass sich alle drei Wissenschaftler in späteren Jah-ren ganz vom christlichen Bibel-Glauben gelöst haben. Dermehr oder weniger verdeckte „Atheismus“ der drei Biologenhat ihnen viele Angriffe und nutzlose Debatten eingebracht.So hat Charles Darwin aus Angst vor öffentlichen Anfein-dungen und möglicherweise auch aus Rücksicht seiner reli-giös geprägten Ehefrau gegenüber ab der 1860 erschienenen2. Auflage des „Artenbuchs“ am Ende des Textes ein Zuge-ständnis an die Theologen seiner Zeit eingearbeitet, das bisheute Nachwirkungen zeigt. Die in der Erstfassung (1859)geäußerte Theorie (2.), den ersten Ur-Formen sei „das Lebeneingehaucht worden“ (eine Referenz des studierten Theolo-gen Darwin an ein Bibelzitat), wurde ab der 2. bis zur 6. Auf-lage mit dem Zusatz „durch den Schöpfer“ versehen. Ob-wohl Darwin in privaten Briefen immer wieder betont hatte,dass unter „Schöpfung“ der Satz „wir wissen es nicht“ zuverstehen sei, wurde dieser kleine Zusatz von Generationenvon Theologen immer wieder zitiert, um die angebliche Ver-einbarkeit christlich-religiöser Glaubensinhalte, die auf bib-lischen Wundern basieren, mit den Erkenntnissen der Evo-lutionsforschung, die auf empirischen Fakten aufbauen, zubegründen.

Liest man Darwins „Artenbuch“ in seiner hier vorliegen-den 6. Auflage jedoch als Ganzes, so wird deutlich, dassder Autor in diesem Werk eine strikte Trennung von religi-ösem Glauben und empirischen Fakten vollzogen hat. Die-ses Prinzip habe ich an anderer Stelle als „Darwins Philo-sophischen Imperativ“ bezeichnet. Wir müssen daher dieSchlussfolgerung ziehen, dass Charles Darwin die damalsnoch junge Biologie von christlich-religiösen Dogmen be-freit hat und somit als einer der Ersten die „Gottlosen“,streng logisch-rational ausgerichteten Life Sciences mit be-gründete. Dies war meiner Ansicht nach eine der größtenLeistungen von Charles Darwin, dem „Newton der Biologie“(A.R. Wallace), da nur unter strikter Einhaltung des Prinzipsdes methodischen Naturalismus echte Naturforschung unddarauf aufbauende wissenschaftliche Theorienbildung mög-lich ist. Vor Darwin (1859 bzw. 1872) haben die meisten Bio-logen noch übernatürliche biblische Wundergeschichten inihren Fachbüchern erwähnt bzw. diskutiert – der psycholo-gische Druck, den die christlichen Kirchen auf die Bevöl-kerung ausgeübt hatten, war Anfang des 19. Jahrhundertsnoch übermächtig.

Nach dem Erscheinen dieses hier abgedruckten wohlwichtigsten Werkes der gesamten Biologiegeschichte setz-te nach 1859 rasch eine „Befreiung“ der Evolutionsfor-schung von christlich-religiösen Glaubensinhalten ein. Die-se, aus den klassischen Werken von Lamarck, Darwin undHaeckel hervorgegangene naturalistische Wissenschaftsdis-ziplin konnte sich in den letzten Jahrzehnten zu jenem gi-gantischen, prächtigen Theoriensystem entwickeln, das heu-te unter dem Begriff Evolutionsbiologie weltweit anerkannt istund stetig durch neue Erkenntnisse ausgebaut und vertieftwird.

Der eingangs erwähnte Zoologe und Wissenschaftstheo-retiker Theodosius Dobzhansky hat den berühmten Satz for-muliert „Nichts in der Biologie ergibt einen Sinn, außer imLichte der Evolution“. Dieser Ausspruch sollte allen Studi-enanfängern der Biowissenschaften mit auf den Weg gege-ben und wie folgt begründet werden. Ohne das übergeordne-te organisierende Darwinsche Prinzip der „Deszendenz mitModifikation“, kombiniert mit der heute vielfach bestätigtenErkenntnis von der „Gemeinsamen Abstammung aller Orga-nismen der Erde“ wäre die Biologie noch immer eine chao-tische Sammlung zusammenhangloser Fakten. Diese Ein-zeltatsachen ergaben erst ein sich gegenseitig ergänzendesGesamtbild, nachdem 1859/1872 Charles Darwins Origin ofSpecies erschienen war. Dieses, hier in einem illustriertenNachdruck vorliegende Buch hat somit die Biologie von ei-ner „Käfer-Sammelkunst“ in den Rang einer systematischenNaturwissenschaft erhoben. Darwins Origin of Species solltedaher, gerade im so genannten „Zeitalter der Molekularbio-logie“, als Basis-Werk der Life Sciences immer wieder studiertwerden.

Ulrich KutscheraUniversität Kassel/Stanford (USA),

im Juli 2012

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IX

Inhaltsverzeichnis

Zum Geleit: Von Darwin zur Molekularbiologie VUlrich Kutschera

Vorwort – Warum dieses Buch? XI

Danksagungen XV

Autorenverzeichnis XVII

Einführung der Herausgeber XIX

Teil A Die übersetzten Originalwerke von Charles Darwin und Alfred Russel Wallace 1

Teil A.1 Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl von Charles Darwin 1

Historische Skizze der Fortschritte in den Ansichten über den Ursprung der Arten(bis zum Erscheinen der ersten Auflage dieses Werkes) 3

Einleitung 9

1 Abänderung im Zustand der Domestikation 13

2 Abänderung im Naturzustand 39

3 Der Kampf ums Dasein 57

4 Natürliche Selektion oder Überleben des Passendsten 69

5 Gesetze der Abänderung 107

6 Schwierigkeiten der Theorie 133

7 Verschiedene Einwände gegen die Theorie der natürlichen Selektion 167

8 Instinkte 201

9 Bastardbildung 223

10 Unvollständigkeit der geologischen Urkunden 247

11 Geologische Aufeinanderfolge organischer Wesen 269

12 Geografische Verbreitung 291

13 Geografische Verbreitung (Fortsetzung) 317

14 Gegenseitige Verwandtschaft organischer Wesen; Morphologie; Embryologie; Rudimentäre Organe 339

15 Allgemeine Wiederholung und Schluss 379

Teil A.2 Beiträge von Alfred Russel Wallace 395

16 Brief an die Linnean Society 1858; Sarawak Essay 1855; Ternate Essay 1858 397

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X Inhaltsverzeichnis

Teil B Heutige Sicht auf die Evolutionstheorie nach Darwin und Wallace – Themen aus Molekularbiologie, Ethologie,Immunologie und Ökologie 413

17 Gen- und Genomorganisation 415Paul Wrede

18 Ursprung des Lebens und Prinzipien der Evolution 429Peter Schuster

19 Die Rolle der Entwicklungsbiologie für die Evolution 445Ralf J. Sommer

20 Die Honigbiene – vom „intellektuellen Bienenstachel Darwins“ zum Musterfall der Evolutionsforschung 455Jürgen Tautz

21 Der Bau von Hügelnestern bei Waldameisen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen Besiedlungvon Waldbiotopen 461Walter Kirchner

22 Evolution und Immunität 469Peter Walden

23 Darwin und die Bryozoa: Porträt einer folgenreichen Beziehung 483Joachim Scholz und Mary E. Spencer Jones

24 Die K/T-Grenze und das große Sauriersterben 499Jörg Fritz und Paul Wrede

25 Angewandte Evolutionstheorie – Perspektive für den medizinischen Fortschritt 503Gisbert Schneider

Teil C Zur Geschichte der handelnden Wissenschaftler 512

26 Biografie Charles Robert Darwin 513Saskia Wrede

27 Alfred Russel Wallace – Bescheidener Entdecker der Evolutionstheorie 523Saskia Wrede

28 Die wissenschaftshistorische Bedeutung von Charles Darwin und Alfred Russel Wallace. Eine Notiz 531Hans-Jörg Rheinberger

Teil D Nachspann 538

29 Ausblick: Darwins Erbe für die Zukunft 539Reinhold Leinfelder

Weiterführende Literatur 547

Glossar 553

Abbildungsnachweis 563

Personenverzeichnis 567

Sachverzeichnis 569

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XI

Vorwort – Warum dieses Buch?

Was bleibt übrig von den vielen Veranstaltungen und Pu-blikationen der vergangenen Jubiläumstage zur Veröffent-lichung des epochalen Werkes Über die Entstehung der Ar-ten durch natürliche Zuchtwahl1) am 24. November 1859? Ei-ne ganze Menge an neuer Literatur, hauptsächlich zum Le-ben des außergewöhnlichen Naturforschers, der das welt-weite Denken in der Biologie seit diesem Tage grundlegendverändert hat. Das jetzt vorliegende Buch befasst sich mitder Art einer Würdigung der Origins of Species, wie sie bis-her so noch nicht erfolgte: Aufsätze namhafter Evolutions-biologen, die auf Darwins unübersehbaren Einfluss in deraktuellen Forschung einiger unterschiedlicher biologischerDisziplinen eingehen. Aussagekräftige Abbildungen und Er-läuterungen zu den einzelnen Kapiteln, dazu etliche Hin-weise zu historisch bedeutsamen zeitgenössischen Natur-forschern, tragen zum leichteren Verständnis des Darwin-Textes bei. Natürlich musste auch auf den weiteren Protago-nisten der Entdeckung der neuartigen Evolutionsprinzipien,den englischen Naturforscher Alfred Russel Wallace, einge-gangen werden. Das geschieht durch die Vorstellung seinerbeiden prägnanten Essays: dem Ternate und Sarawak Essay.

Für die biologischen Wissenschaften ist die Evolutions-theorie Darwins immer noch das grundlegende Konzept zurErklärung der Artenvielfalt, des Wechselspiels zwischen Va-riation der Organismen, hervorgerufen durch Mutationen,und der Selektion, der Auswahl der am besten an die jewei-ligen Umwelt Angepassten.

Anfang 1970 fand das Konzept der Evolution als effizien-tes, erfolgreiches Optimierungsverfahren auch Eingang indie Ingenieurwissenschaften. Das als Evolutionsstrategie2)

entwickelte Verfahren, mit seinen verschiedensten Anwen-dungen in der Strömungslehre wie z. B. dem Bau von Flug-zeugflügeln oder der Optimierung der Unterwasserformenbei Schiffen, kann als ein beeindruckendes Simulationsex-periment aufgefasst und überzeugendes Indiz für die Er-klärungskraft der Selektionstheorie nach Darwin angesehenwerden.

Trotz ihrer Erfolge wird die biologische Evolutionstheorievor allem in Amerika durch die Gruppe der Kreationistenheftig angegriffen. Für sie ist die biblische Schöpfungsge-

schichte die einzige gültige Aussage zur Entstehung des Le-bens und der Arten auf der Erde. Zum Glück hat sich inEuropa dieser nicht wissenschaftliche Ansatz zur Evolutionnoch nicht verbreitet, aber es ist sicherlich gut, sich mit fun-diertem Wissen gegen diese rückständigen und überholtenVorstellungen zu wappnen. In Darwins bekanntestem WerkÜber die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl wer-den die vielen bereits zur damaligen Zeit erhobenen theo-logischen Einwände gegen die Evolutionstheorie, die heuteunverändert wieder in die Öffentlichkeit getragen werden,aus naturwissenschaftlicher Sicht gründlich und überzeu-gend widerlegt. Aber nur wenige Biologen, geschweige denndie breite Öffentlichkeit, haben das gesamte Buch Über dieEntstehung der Arten gelesen. Das Wissen um die Evolutions-theorie tritt in der Allgemeinheit oft nur stark eingeengt auf,mit Formulierungen wie Der Kampf ums Dasein (Kapitel 3)oder das Überleben des Tüchtigsten.

Aber wie lässt sich die umfangreiche Theorie zur Ent-stehung der Arten in einer gut verständlichen Form ver-breiten, so dass die wertvollen Gedanken und Vorstellun-gen Darwins in einem sinnvollen biologischen Zusammen-hang gesehen und damit von jedem Einzelnen in der Gesell-schaft gewinnbringend wahrgenommen werden können?Wir denken dabei an die Entwicklung von Konzepten zur Er-haltung der Artenvielfalt, schonenden landwirtschaftlichenNutzung, zum sorgsamen Umgang mit den Ressourcen desMeeres bis hin zu Programmen für die medizinische For-schung oder eines tragfähigen Gesundheitssystems. VieleVorgänge in der Natur lassen sich im Lichte der Evoluti-onstheorie überzeugend erklären. Doch die Lektüre des Ori-ginals, auch in ihrer deutschen Übersetzung, ist für vieleauch in der heutigen Zeit schwer zu lesen. Dies ist vor al-lem der Fülle an detaillierten Daten und des Fehlens jeg-licher Abbildungen, außer einer abstrakten, baumartigenDarstellung des Prinzips der Artenentwicklung durch Va-riation und Selektion geschuldet. Paradoxerweise hat Dar-win besonderen Wert auf eine allgemeine Verständlichkeitseines grundlegenden Buches gelegt und bewusst auf ei-ne wissenschaftliche Fachsprache verzichtet. Wegen der Ver-wendung der lateinischen Bezeichnungen der vielen er-

1) Darwin, C. (1963) Die Entstehung der Arten, Reclam, Stuttgart.2) Rechenberg, I. (1973) Evolutionsstrategie, Fromann-Holzboog, Stuttgart.

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XII Vorwort – Warum dieses Buch?

wähnten Organismen fällt jedoch den meisten heutigen Le-sern die Lektüre des Buches recht schwer, vor allem, wennsie nicht in den biologischen Wissenschaften ausgebildetsind.

Darwin pflegte einen recht umfangreichen Kontakt zu denzeitgenösssischen Wissenschaftlern, aber auch zu den zahl-reichen englischen „Liebhaber-Biologen“. Es werden mehrals 270 Persönlichkeiten in seinem Buche erwähnt. Wir be-schränken uns in der Vorstellung der Biographien allerdingsauf einige der wichtigsten aus den unterschiedlichen Be-reichen der Wissenschaft. Eine umfangreiche Aufstellungvon 270 Biographien befindet sich auf der Webseite: http://www.wiley-vch.de/home/darwin

Darwin war nicht nur Wegbereiter für die Evolutionsbio-logie, sondern auch für weitere wichtige Gebiete in der Bio-logie, wie der Verhaltensforschung, Ökologie, Paläontologieund Biogeographie. Ebenso kann Alfred Russel Wallace zuden Pionieren, vor allem der Biogeographie, gezählt werden.

So liefert Darwin überzeugende Erklärungen für die Ent-stehung einer Fülle ungewöhnlicher Verhaltensmuster beiTieren und der gegenseitigen Anpassung, beispielsweisevon Insekten und „ihren“ Blüten. Vor allem die gleichzeiti-ge Anpassung an viele unterschiedliche Faktoren beschreibtDarwin an einer großen Zahl von Beispielen aus weiten Tei-len der Welt. Um einige der von Darwin besprochenen Bei-spiele herauszugreifen: Wie verlief die Evolution des Brutpa-rasitismus beim Kuckuck oder wie kam es zur komplizier-ten Gestaltung der Wasserfalle einer Orchideenblüte, die äu-ßerst sinnvoll für die Bestäubung der Pflanze ist?

Um die Attraktivität dieses wissenschaftlich herausragen-den Werkes zu erhöhen und die Lesbarkeit zu erleichtern,fügen wir zu fast allen erwähnten Beispielen, meistens han-delt es sich um solche aus der Tier- und Pflanzenwelt, mög-lichst aussagekräftige Abbildungen und Graphiken in Farbeein, die in einer begleitenden Legende ausführlich beschrie-ben werden. Die Abbildung bezieht sich genau auf das imText genannte Beispiel, wobei die Legende erklärt, woraufes in der Darstellung im Zusammenhang mit dem Text an-kommt. Wo es erforderlich ist, gibt es auf der Webseite zu-sätzliche Erläuterungen, die auf die heutigen Erkenntnisseaus der Molekularbiologie, Genetik, Zoologie, Botanik oderEthologie eingehen. Des Weiteren werden grundsätzlicheFragen der Evolution aus heutiger Sicht im Abschnitt B vonnamhaften Wissenschaftlern behandelt und bewertet.

Das Buch verfolgt daher ein doppeltes Ziel: Darwins „Ent-stehung der Arten“ durch Abbildungen anschaulicher zu ge-stalten und zugleich mit dem heutigen Forschungsstand ab-zugleichen.

Während der Vorbereitung zu diesem Buch kamen wirnicht umhin, uns auch mit Alfred Russel Wallace (8. Januar1823–7. November 1913) zu beschäftigen. Wallace kam un-abhängig von Darwin auf fast die gleichen Aussagen zur Evo-

lutionstheorie. Dies ist vielleicht nicht verwunderlich, dennbeide waren leidenschaftliche Naturforscher (engl.: Natura-list) und Insektensammler, und vor allem haben sie beideauch die Arbeiten zur Populationsentwicklung und zum Po-pulationsverhalten von Thomas Malthus gelesen, der dasFehlen eines unbegrenzten Wachstums als Gleichgewichtmit den begrenzten Ressourcen erklärte. Ein weiteres fürbeide sehr prägendes Buch war Charles Lyells Principles ofGeology, in dem er allein den Aktualismus als Theorie derEntwicklung der Erdoberfläche gelten lässt. Danach verlau-fen die Veränderungen auf der Erdoberfläche langsam undwurden durch die gleichen Kräfte in der Vergangenheit ver-ursacht, wie sie auch heute noch ständig am Werke und demaufmerksamen Beobachter nicht entgehen.

Beide, Darwin und Wallace, haben mehrjährige For-schungsreisen unternommen. Darwin auf der HMS Bea-gle, mit der er rund um den Globus nahezu fünf Jahre(27. Dezember 1831–2. Oktober 1836) unterwegs war, da-von fast drei Jahre allein für Landgänge verwenden konn-te, und Wallace, der zwei große Reisen unternahm, einmal1848 nach Südamerika in die Urwälder des Amazonasge-bietes und zum anderen für acht Jahre von 1854–1862 inden Malaiischen Archipel. Dort, auf einer kleinen Insel derMolukken –wahrscheinlich Ternate – verfasste Wallace imFieberrausch im Februar 1858 innerhalb einer Woche einenEssay mit der knappen Beschreibung einer Evolutionstheo-rie, die sich mit der von Darwin in allen wesentlichen Punk-ten deckte. Dieser Aufsatz wird zusammen mit einem zwei-ten von Wallace verfassten Aufsatz, dem Sarawak Essay, imvorliegenden Buch ebenfalls vorgestellt.3)

Die aus Darwins Sicht anfänglich durch Konkurrenz be-drohte Beziehung zu Wallace wandelte sich in einen gegen-seitigen, aufrichtigen Respekt und in eine hohe Achtung derwissenschaftlichen Arbeiten. Unabhängig davon wie manden Prioritätenstreit entscheiden oder bewerten mag, Eng-land kann sich glücklich schätzen, gleich zwei herausragen-de geniale Forscher zur selben Zeit hervorgebracht zu ha-ben. Beide beeinflussen bis zum heutigen Tage nachhaltigdas Denken auf der gesamten Welt, Darwin sicherlich nochetwas mehr und konsequenter als Wallace.

Darwin scheute zwar die Öffentlichkeit und verließ Dow-ne fast nie, dennoch hatte er zu vielen Wissenschaftlern sei-ner Zeit regen brieflichen Kontakt. Im Register sind über270 Namen an Wissenschaftlern, aber auch Züchtern undbekannten Naturinteressierten aufgeführt, zum Verständnisdes wissenschaftlichen Hintergrundes stellen wir davon et-wa 30 in kurzen Biographien vor.

Es mangelt bisher an einer umfassenden Darstellung zurGeschichte der vielen Übersetzungen und Übersetzer desOn the Origin of Species. Dies kann hier nicht nachgeholt wer-den, daher sei nur ganz kurz auf das Wesentliche eingegan-gen. Insgesamt hat Darwin sechs Auflagen seines wichtigen

3) Wallace, A.R. (1870) Über das Gesetz, welches das Entstehen neuer Arten regulirt hat, in Charles Darwin und Alfred Russel Wallace. Ihre erstenPublicationen über die „Entstehung der Arten“ nebst einer Skizze ihres Lebens und einem Verzeichniß ihrer Schriften (Hrsg. A.B. Meyer), Verlag EduardBesold, Erlangen, S. 14–38.Wallace, A.R. (1858) Über die Tendenz der Varietäten unbegrenzt von dem Originaltypus abzuweichen. ebenda S. 39–56.

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Vorwort – Warum dieses Buch? XIII

Werkes selbst bearbeitet:

1. Auflage 24. November 18592. Auflage 18603. Auflage 18624. Auflage 18665. Auflage 18696. Auflage 1872

Natürlich stürmten nach der Veröffentlichung der erstenAuflage die Angebote nach Übersetzungen auf Darwin nurso ein. Er hatte bereits Erfahrungen auf diesem Gebiet mitdem Reisetagebuch The Voyage of the Beagle (veröffentlicht:1839), also Die Reise der Beagle gemacht, die übrigens vonAlexander von Humboldt (14. September 1769–6. Mai 1859)sehr gelobt wurde. Die Übersetzung der ersten Auflagedes „Reisetagebuchs“ erfolgte auf Anregung Alexander vonHumboldts und Justus von Liebigs (12. März 1803–18. April1873) durch Ernst Dieffenbach (27. Januar 1811–1. Oktober1855) und erschien 1844.

Auf Darwins Veranlassung hin wurde ein Exemplar des„Origin“ an den Heidelberger Paläontologen und ZoologenHeinrich Georg Bronn (3. März 1800–5. Juli 1862) geschickt,als Zeichen seiner aufrichtigen Hochachtung, wie er ihm dasselbst am 4. Februar 1860 schrieb. Heinrich Georg Bronnwar der erste Ordinarius für Zoologie (seit 1837) an derUniversität Heidelberg und stand auch für die Fächer Allge-meine Naturgeschichte und Forstwissenschaft, sein Schwer-punkt lag aber auf der Paläontologie, oder wie man damalssagte, der Petrefaktenkunde (der Lehre über die Versteine-rungen und Fossilien). Bronn verfasste die erste deutscheÜbersetzung. Sie erschien 1860 unter dem Titel Über dieEntstehung der Arten im Thier- und Pflanzen-Reich durch na-türliche Züchtung, oder Erhaltung der vollkommensten Rassenim Kampfe um’s Daseyn. Bronns Übersetzung enthielt jedochmehrere Veränderungen, die bekannteste ist das Weglassendes am Ende des Werkes geschriebenen prophetischen Sat-zes: „Es wird Licht fallen auf den Ursprung des Menschenund auf seine Geschichte.“

Ende des Jahres 1860 verfasste Darwin eine „historischeVorrede“, die einer amerikanischen Ausgabe vorangestellt

werden sollte, und in England erst 1862 in der dritten Aufla-ge erschien. Sie wurde allerdings schon zwei Jahre zuvor indie deutsche Übersetzung von Bronn des Jahres 1860 ein-gefügt. Der hier vorliegende Text ist die Übersetzung vonJulius Victor Carus zu der in England erschienenen 6. Auf-lage von 1872, die natürlich die Historische Skizze enthält.Die Übersetzung von Carus erschien im Jahre 1876 bei derSchweitzerbart’schen Verlagsbuchhandlung, Stuttgart4). Die-se Carus-Übersetzung gilt als die Standardübersetzung. Ei-ne weitere, spätere Übersetzung erfolgte durch Carl W. Neu-mann und ist die Grundlage des im Reclam Verlages 1963erschienen Buches: Die Entstehung der Arten5).

Julia Voss hat in ihrem Buch „Darwins Bilder: Ansich-ten der Evolutionstheorie 1837 bis 1874“6) die Entstehungs-geschichte der Evolutionstheorie recherchiert und dabei diebedeutende Rolle von Bildern aufgezeigt. Darwin hat seineIdeen anhand von zahlreichen Abbildungen entwickelt, vondenen etliche immer noch sehr gut für heutige Veröffentli-chung geeignet sind, und einige deshalb hier verwendet wur-den.

Die Herausgeber hoffen mit ihrem Konzept dazu beizu-tragen, dass Charles Darwins bedeutendes Werk einem brei-teren Publikum zugänglicher wird, sowohl im Verständnisder Evolutionsprozesse als auch in der wissenschaftshisto-rischen Bedeutung. Die Ideen Darwins entstanden nichtaus sich heraus, sondern entstammen seinem hohen Ab-straktionsvermögen in der Auswertung aller von ihm in un-ermüdlichem Fleiß zusammengetragenen Beobachtungen,der von mehreren hundert, hauptsächlich zeitgenössischenWissenschaftlern stammenden experimentellen Ergebnisseund seinen eigenen Untersuchungen.

Der Originaltext Darwins wurde wegen der besseren Les-barkeit und Verständlichkeit an die neue deutsche Recht-schreibung angepasst. Des Weiteren führten wir zur Hervor-hebung wichtiger Tatsachen im Text folgende Einfärbungenein:

Fett gedruckte Namen: Kurzbiografie im BuchBlau: Wichtige Aussagen und SchlussfolgerungenRot: Hinweis auf die biblische SchöpfungsgeschichteGrün: Aussagen zu den Galapagos Inseln.

Paul Wrede und Saskia WredeBerlin, im Juli 2012

4) Darwin, C. (1988) Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kammpfe um’s Dasein nach derletzten englischen Ausgabe wiederholt durchgesehen von J. Victor Carus Hrsg., eingeleitet und mit einer Auswahlbiographie versehen von GerhardH. Müller, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt.

5) Darwin, C. (1963) Die Entstehung der Arten, Reclam, Stuttgart.6) Voss, J. (2007) Darwins Bilder: Ansichten der Evolutionstheorie 1837–1874, Fischer, Frankfurt/M.