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862 Termine / Persönliches Stahlbau 76 (2007), Heft 11 „Charles-Massonnet-Auszeichnung 2007“ für Jean-Baptiste Schleich Anlässlich der jährlichen Zusammen- kunft der Europäischen Konvention für Stahlbau E.K.S. am 13. September 2007 wurde Prof. Dipl.-Ing. Jean-Baptiste Schleich die „Charles-Massonnet-Aus- zeichnung 2007“ übergeben. Im Jahre 1998 hat die E.K.S. diese Aus- zeichnung ins Leben gerufen, um hier- mit das Wirken eines ausgezeichneten Wissenschaftlers anzuerkennen, welcher sowohl auf theoretische als auf techni- sche und praktische Weise den Stahl- bau gefördert hat. Diese Auszeichnung wurde nach Professor Charles Masson- net (1914–1996) benannt, um dessen An- denken zu bewahren. Professor Charles Massonnet war ein weltweit anerkannter Experte im Bauwesen, der durch sein akademisches Wirken, seine Lehrtätig- keit im Bereich der Stabilität, insbeson- dere des Knickens und Beulens, auf dem Gebiet der plastischen Traglastermittlung wie auch in Bezug auf Materialfestigkeit im Allgemeinen, den Stahlbau hervorra- gend weiterentwickelt hat. Professor Jean-Baptiste Schleich wurde die „Charles-Massonnet-Aus- zeichnung 2007“ zuerkannt, da er aus- schlaggebende Entwicklungen des Stahl- baus initiiert oder begleitet hat, sowohl für Kalt- als auch Warmbemessung. Zu- erst hat er während den 1980er und 1990er Jahre dazu beigetragen, den Stahl- und Verbundbau wirtschaftlicher zu gestalten, und zwar durch zahlreiche und erfolgreiche Forschungsprojekte, welche alle als EUR-Berichte zur Verfü- gung stehen. Jedoch ist sein Einfluss be- sonders auf dem Gebiet der Brandsicher- heit von Gebäuden maßgebend gewesen. Es ist das Verdienst Professor Schleichs, dass die Aspekte des Natur- brandes sowie die Mitwirkung von akti- ven Brandsicherheitsmaßnahmen im Rahmen von ausführlichen, europäi- schen Forschungsprojekten untersucht wurden. Eine einmalige Bemessungs- methode wurde erstellt, basierend auf Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen so- Persönliches

“Charles-Massonnet-Auszeichnung 2007” für Jean-Baptiste Schleich

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Termine / Persönliches

Stahlbau 76 (2007), Heft 11

„Charles-Massonnet-Auszeichnung2007“ für Jean-Baptiste Schleich

Anlässlich der jährlichen Zusammen-kunft der Europäischen Konvention fürStahlbau E.K.S. am 13. September 2007wurde Prof. Dipl.-Ing. Jean-BaptisteSchleich die „Charles-Massonnet-Aus-zeichnung 2007“ übergeben.

Im Jahre 1998 hat die E.K.S. diese Aus-zeichnung ins Leben gerufen, um hier-mit das Wirken eines ausgezeichnetenWissenschaftlers anzuerkennen, welchersowohl auf theoretische als auf techni-sche und praktische Weise den Stahl-bau gefördert hat. Diese Auszeichnungwurde nach Professor Charles Masson-net (1914–1996) benannt, um dessen An-denken zu bewahren. Professor CharlesMassonnet war ein weltweit anerkannterExperte im Bauwesen, der durch seinakademisches Wirken, seine Lehrtätig-keit im Bereich der Stabilität, insbeson-dere des Knickens und Beulens, auf demGebiet der plastischen Traglastermittlungwie auch in Bezug auf Materialfestigkeitim Allgemeinen, den Stahlbau hervorra-gend weiterentwickelt hat.

Professor Jean-Baptiste Schleichwurde die „Charles-Massonnet-Aus-zeichnung 2007“ zuerkannt, da er aus-schlaggebende Entwicklungen des Stahl-baus initiiert oder begleitet hat, sowohlfür Kalt- als auch Warmbemessung. Zu-erst hat er während den 1980er und1990er Jahre dazu beigetragen, denStahl- und Verbundbau wirtschaftlicherzu gestalten, und zwar durch zahlreicheund erfolgreiche Forschungsprojekte,welche alle als EUR-Berichte zur Verfü-gung stehen. Jedoch ist sein Einfluss be-sonders auf dem Gebiet der Brandsicher-heit von Gebäuden maßgebend gewesen.

Es ist das Verdienst ProfessorSchleichs, dass die Aspekte des Natur-brandes sowie die Mitwirkung von akti-ven Brandsicherheitsmaßnahmen imRahmen von ausführlichen, europäi-schen Forschungsprojekten untersuchtwurden. Eine einmalige Bemessungs-methode wurde erstellt, basierend aufWahrscheinlichkeitsbetrachtungen so-

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Persönliches

wie auf statistischen Werten von reellenBränden.

Grundsächlich wird durch dieses so-genannte „Natürliche Brandsicherheits-konzept“ zum ersten Mal die Korrela-tion zwischen der Versagenswahrschein-lichkeit eines Bauwerks im Brandfallsowie der Wahrscheinlichkeit eines Voll-brandes während der Lebensdauer die-ses Bauwerkes erstellt. Infolgedessenkann die aktive Brandlast für die Be-messung abgemindert werden, wenn dieWirksamkeit der aktiven Brandsicher-heitsmaßnahmen gegeben ist.

Diese Bemessungsmethode kann di-rekt vom Bauingenieur angewendet wer-den, da die betreffenden Parameter in denEurocodes eingebaut sind, und zwar imBrandteil des Eurocode 1, EN 1991-1-2.Letztgenanntes Dokument wurde im Juli2002 einstimmig von den zwanzig CEN-Nationalen Normeninstituten angenom-men und ist seit dem 20. November 2002verfügbar. Die Bedeutung dieses Doku-mentes besteht darin, dass Bemessungs-regeln jetzt gegeben werden für den Na-turbrand, d. h. einen realistischen Brand,und zwar als Alternative zum ISO-Brand.

Die Anwendung von realistischenBränden ist gerechtfertigt, dies dankder hervorragenden europäischen For-schungsprojekte der letzten zwanzigJahre. Zusätzlich bringt diese neue Be-messungsmethode reelle Personensicher-heit, was bei weitem nicht der Fall istmit den rigiden ISO-Brandregeln:– Diese Vorgehensweise berücksichtigtrealistische Brandszenarios und führtzur Anwendung von aktivem Brand-schutz wie Rauchmelder, sichere Flucht-wege, Brandabschnitte, Sprinkler usw.– Somit werden Maßnahmen eingebaut,welche vorrangig der Personensicherheitdienen, jedoch gleichzeitig den Brand-widerstand fördern.

Das realistischere Bemessungsverfah-ren unter Naturbrandbedingungen verbes-sert ebenfalls die Wirtschaftlichkeit vomStahlbau allgemein. So wurden bereitsmehrere ungeschützte Stahlbauten aufder Basis dieses natürlichen Brandsicher-heitskonzeptes errichtet, z. B. das 2006fertiggestellte 75 m hohe DEXIA-BIL-Bürohaus in Esch-sur-Alzette, Luxemburg.

Folgende bahnbrechende Dokumentesind durch oder mit Hilfe von ProfessorJean-Baptiste Schleich entstanden: – Technisches Dokument N°55 derE.K.S.: Bemessung des Brandwiderstan-des von zentrisch belasteten Verbund-stützen unter ISO-Beanspruchung, da-tiert 1988, mit 129 Seiten– Technisches Dokument N°75 derE.K.S.: Brandsicherheit in offenen Park-ings, datiert 1993, mit 110 Seiten– Internationale Brandsicherheits-bemessung von Stahlbauten des IISI,datiert 1993, mit 163 Seiten

– Technisches Dokument N°111 derE.K.S.: Modellvorschriften über Brand-sicherheit, datiert 2001, mit 220 Seiten– Brandbemessung in Gebäuden.Handbuch 5 des Leonardo-da-Vinci-Pilotprojektes CZ etc, datiert 2005, mit250 Seiten

Die Verleihung der „Charles-Masson-net-Auszeichnung 2007“ an Prof. Dipl.-Ing. Jean-Baptiste Schleich, zugleichWürdigung seines Lebenswerkes, ist An-lass zu einem kurzen Rückblick auf seinvielfältiges und umfangreiches Wirken.

Jean-Baptiste Schleich wurde 1942 in Luxemburg als Sohn von AntoineSchleich, welcher am 2. Februar 1945 imK.Z. Sachsenhausen ermordet wurde,geboren. Er besuchte auch in Luxem-burg das Großherzogliche Athenäumund legte im Jahre 1962 seine Abitur-prüfung ab. Im selben Jahr nahm er dasStudium des Bauingenieurwesens an derUniversität Lüttich auf, das er 1967 alsDipl.-Bauingenieur abschloss. Praktischtätig war er zwölf Jahre bei Stahlbau P.WURTH; dort war er verantwortlich fürStatik und Design im Brücken- undHochbau. Von 1984 bis 2002 war er Lei-ter der Forschung und EntwicklungStahlbau bei Profil ARBED in Luxem-burg.

In den Jahren 1984/85 und 1993/94war er Präsident der Europäischen Kon-vention für Stahlbau E.K.S. Von 1997 bis2003 leitete er das „Promotions Mana-gement Board“ derselben Konvention.

Er ist Träger der „Auszeichnung desdeutschen Stahlbaus“, welche ihm imOktober 1996 in Bremen überreichtwurde.

Seit 1992 hält er Vorlesungen überVerbundbauten an der Universität Lüt-tich, Lehrstuhl „Brücken- und Hoch-bau“ von Prof. Dr. Raymond Baus. ImOktober 1998 wurde Jean-BaptisteSchleich an derselben Universität zumProfessor für Tragwerkslehre ernannt.Von Mai bis Juli 2005 und von April bisAugust 2007 hielt er Vorlesungen an derRWTH Aachen über „Brandsicherheitim Hochbau“.

Darüber hinaus gab er auch eine voll-ständige Vortragsreihe über „Brandsi-cherheit im Hochbau“ an der Universitätvon Ljubljana vom 23. bis 25. Oktober2006.

Schließlich war Professor SchleichVorsitzender für die Endfassung ver-schiedener europäischer Normen, u. a.EN 1993-1-1, EN 1993-1-8, EN 1993-1-9,EN 1993-1-10 betreffend Stahlbau,EN 1991-1-2, Brandeinwirkungen aufTragwerke sowie EN 1994-1-2, Bemes-sung von Verbundtragwerken für denBrandfall.

Die Redaktion von STAHLBAU gra-tuliert ihrem Mitglied des Redaktions-beirates zu dieser Ehrung.

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