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I-I. Schmid: Chemische Kinetik und Carcinogenese. IV 167 Chemische Kinetik und Carcinogenese IV ~ (Kurze Mit~eilung) Von Hermann Schmid Aus dem Institut fiir Physikalisehe Chemie der Technischen Hochsehule Wien (Eingegangen am 24. Januar 1958) Nach den kinetisehen UntersuehungEn des VerfassErs auf dem Gebiete der Diazotierung 2 kann dutch die leichte PolarisiErbarkEit der aromati- schen Amine bei Ann~iherung einer positiv geladenen ReaktionsstElle Eine so hohe E1Ektronendichte am AminostiEkstoff dieser Amine erreicht werdEn, da[t der Sticksto~f des aromatischEn Amins eine caneErogen aktive StElle wird. Diese Theorie des Verfassers gibt in Verkniipfung mit den experimEntellen Ergebnissen nachstehender Forscher eine Erkl~rungsmSglichkeit fiir die Entstehung des Leber- und Darmkrebses. Die Abhandlung beschrgnkt sich auf die Wiedergabe der VErsuchs- resultate, soweit sie hier yon IntEresse sind. Tr. Baumgi~rtel und D. Zahn a zeigten, daI~ Inkubation der Fols~ure mit BaktErien, die aus dem Darminhalt des Menschen isoliert wurden, zur Bildung eines diazotierbaren Amins ftihrt. Nach J. S. Dinning, J. T. Sims, Ph. S. Work, B. Allen und P. L. Day 4 entsteht durch Zugabe der Folsaure zu LeberschnittEn des Kaninchens ein diazotierbares Amin. D[ese Reaktion wird dutch Aminopterin voll- Nachstehende VerSffentlichungen, die die chemische Kinetik und Carcinogenese zum Gegenstande haben, sind als Ibis III zu betrachten: I. H. Schmid, 1Kechanismus der Diazotierung und Wirkungsweise krebs- erregender Stoffe. Mh. Chem. 88, 161 (1957); II. H. Schmid, Polarisierende Wirkung krebshemmender Stoffe auf carcinogene Substanzen. Mh. Chem. 88~ 344 (1957); III. H. Schmid, Chemische Kine~ik und Carcinogenese. Chem.- Ztg. 81, 603 (1957). I. H. Schmid und G. Muhr, Ber. d~sch, chem. Ges. 70, 421 (1937); II. H. Schmid, Z. Elektroehem. 43, 626 (1937); III. H. Schmid, A$ti X Congr. in$ernat. Chim. l~oma 2, 484 (1938); IV. H. Schmid und A. Wopp- mann, Mh. Chem. 83, 346 (1952); V. und VI. H. Schmid und R. P]ei]er, ~Mh. Chem. 84, 829, 842 (1953); VII. H. Schmid, Mh. Chem. 85, 424 (1954). Zusammenfassender Bericht H. Schmid, Chem.-Ztg. 78, 565, 683 (1954). VIII. H. Schmid, M~. Chem. 86, 668 (1955) ; IX. H. Schmid und A. •. Sami, Mh. Chem. 86, 904 (1955); X. H. Schmid und E. Hallaba, Mh. Chem. 87, 560 (1956); XI. H. Schmid und A. Woppmann, M_h. Chem. 88, All (1957); XII. H. Schmid und M. G. Fouad, Mh. Chem. 88, 631 (1957); XIII. H. Schmid und Ch. Essler, ~r Chem. 88, 1110 (1957); H. Schmid, r Patent 191399, :Kl. 12 e2, 6. 1957. Tr. Baumgartel und D. Zahn, Klin. Wsehr. 80, 565 (1952). 4 j.S. Dinning, J.T. Sime, Ph.S. Work, B. Allen und P.L. Day, Arch. Biochem. Biophysics 66, 114 (1957).

Chemische Kinetik und Carcinogenese IV1

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I-I. Schmid: Chemische Kinetik und Carcinogenese. IV 167

Chemische Kinetik und Carcinogenese IV ~

(Kurze Mit~eilung)

Von

Hermann Schmid

Aus dem Institut fiir Physikalisehe Chemie der Technischen Hochsehule Wien

(Eingegangen am 24. Januar 1958)

Nach den kinetisehen UntersuehungEn des VerfassErs auf dem Gebiete der Diazotierung 2 kann dutch die leichte PolarisiErbarkEit der aromati- schen Amine bei Ann~iherung einer positiv geladenen ReaktionsstElle Eine so hohe E1Ektronendichte am AminostiEkstoff dieser Amine erreicht werdEn, da[t der Sticksto~f des aromatischEn Amins eine caneErogen aktive StElle wird. Diese Theorie des Verfassers gibt in Verkniipfung mit den experimEntellen Ergebnissen nachstehender Forscher eine Erkl~rungsmSglichkeit fiir die Entstehung des Leber- und Darmkrebses. Die Abhandlung beschrgnkt sich auf die Wiedergabe der VErsuchs- resultate, soweit sie hier yon IntEresse sind.

Tr. Baumgi~rtel und D. Zahn a zeigten, daI~ Inkubation der Fols~ure mit BaktErien, die aus dem Darminhalt des Menschen isoliert wurden, zur Bildung eines diazotierbaren Amins ftihrt.

Nach J . S. Dinning, J . T . Sims, Ph. S. Work, B. Al len und P. L. D a y 4 entsteht durch Zugabe der Folsaure zu LeberschnittEn des Kaninchens ein diazotierbares Amin. D[ese Reaktion wird dutch Aminopterin voll-

Nachstehende VerSffentlichungen, die die chemische Kinetik und Carcinogenese zum Gegenstande haben, sind als I b i s I I I zu betrachten: I. H. Schmid, 1Kechanismus der Diazotierung und Wirkungsweise krebs- erregender Stoffe. Mh. Chem. 88, 161 (1957); II. H. Schmid, Polarisierende Wirkung krebshemmender Stoffe auf carcinogene Substanzen. Mh. Chem. 88~ 344 (1957); III . H. Schmid, Chemische Kine~ik und Carcinogenese. Chem.- Ztg. 81, 603 (1957).

I. H. Schmid und G. Muhr, Ber. d~sch, chem. Ges. 70, 421 (1937); I I . H. Schmid, Z. Elektroehem. 43, 626 (1937); I I I . H. Schmid, A$ti X Congr. in$ernat. Chim. l~oma 2, 484 (1938); IV. H. Schmid und A. Wopp- mann, Mh. Chem. 83, 346 (1952); V. und VI. H. Schmid und R. P]ei]er, ~Mh. Chem. 84, 829, 842 (1953); VII. H. Schmid, Mh. Chem. 85, 424 (1954). Zusammenfassender Bericht H. Schmid, Chem.-Ztg. 78, 565, 683 (1954). VIII. H. Schmid, M~. Chem. 86, 668 (1955) ; IX. H. Schmid und A. •. Sami, Mh. Chem. 86, 904 (1955); X. H. Schmid und E. Hallaba, Mh. Chem. 87, 560 (1956); XI. H. Schmid und A. Woppmann, M_h. Chem. 88, All (1957); XII. H. Schmid und M. G. Fouad, Mh. Chem. 88, 631 (1957); XIII . H. Schmid und Ch. Essler, ~r Chem. 88, 1110 (1957); H. Schmid, r Patent 191399, :Kl. 12 e2, 6. 1957.

Tr. Baumgartel und D. Zahn, Klin. Wsehr. 80, 565 (1952). 4 j . S . Dinning, J . T . Sime, P h . S . Work, B. Allen und P . L . Day,

Arch. Biochem. Biophysics 66, 114 (1957).

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st~ndig verhindert. Bei der Inkubation der Fols~ure mit Leber- homogenisaten kommt es hingegen zu keiner Aminbildung. Hingegen gibt der synthetische Citrovorumfaktor Leukovorin (CF) mit ~Leber- homogenisaten dutch einen enzymatisehen Prozel~ ein diazotierbares Amin. Diese Reaktion wird durch gminopterin nieht beeinfluBt.

C. A . Nichol und A. D. Welch 5 fanden, dab Leberschnitten Fols~ure in CF verwandeln und dab diese Reaktion durch Aminopterin gehemmt wird.

Im Einklang mit dem Vorhergesagten nehmen J. S. Dinning, J , T.

Sime, Ph. S. Work, B. Allen und P. L. Day 4 an, dab Fols~ure mit Leber- sehnitten fiber CI~ das diazotierbare Amin gibt. Die Umwandlung des CF zum diazotierbaren Amin ist nach ihren bisherigen Untersuehungen nut ftir die Leber charakteristisch; es wurden dabei Leberschnitten yon Kaninchen, Tanben, ~unden, Rat ten und ~r angewendet. Sie Ianden welters, daI~ die Leber-CF-Reak~ion zum diazotierbaren Amin dutch Ascorbins~ure in vitro stark gehemmt wird. Bei ihren Ratten- versuchen war die Ausscheidung des diazotierbaren Amins dureh den H a m proportional der Dosis der injizierten Fols~ure bzw. des CF. Bei den CF-Injektionen fiberstieg die Menge des ausgesehiedenen Amins die des ausgesehiedenen CF erheblich.

Nach der Theorie des Verfassers fiber die eareinogene Wirksamkei~ aromatischer Amine ist die MSgliehkeit gegeben, dab das Stickstoffatom dieser diazotierbaren Amine als krebsaktive Stelle in Aktion tritt . Es w~re naeh dem Vorhergesagten denkbar, dab es bei Mangel an Aseorbin- s~ure (Vitamin C) - - durch unzureiehende Zufuhr dureh die Nahrung oder dureh Verbrauch infolge eines pathologisehen Stoffweehsels - - und bei ungenfigender Abfuhr des diazotierbaren Amins durch den t ta rn mit der Zeit zur Krebsbildung kommt.

Die C-ttyp0vitaminose, die als Folge der sehon fortgeschrittenen Krebskrankheit angesehen wird 6, bringt st~ndige Umwandlung der Fols~ure zu diazotierbarem Amin mit sich. Unter der Voraussetzung, dal] dieses diazotierbare Amin cancerogen wirksam ist, werden also dem krebskranken Organismus dauernd eareinogene Substanzen zugeffihrt, die ihrerseits wieder die C:Hypovitaminose fSrdern. Dieser st~ndige Weehsel von Ursaehe und Wirkung, der gewissermal]en einer Ketten- reaktion gleichkommt, ffihrt nach der vorliegenden Arbeitshypothese zur ,Au f schauke lung" der Krebskrankheit. Was den ~angel an

C. A. Niehol und A. D. Welch, Proc. Soc. Exp. Biol. ivied. 74, 52, 403 (1950).

Siehe K . H . Bauer, ])as Krebsproblem, S. 138. Berlin: Springer- Verlag. 1949. - - W. O. Stepp und H. Schroeder, Z. exp. 1Viedizin 98, 611 (1936). - - W. Deueher, Zentralorgan f. Chit. 99, 152 (1940). - - E. Schneider, Arch. klin. Chit. 190, 397 (1937); 192, 462 (1938).

W. Kreutz u, O. Kratky : Gestal~sbestimmung des H~moglobimnolekiils 169

Vitamin C durch ungenfigende Zufuhr durch die Nahrung betrifft, sei auf die Tatsache verwiesen, dab der Krebs bei den orientalischen VSlkern, die sich w~hrend des ganzen Jahres mit frischen Zitrusfriichten und Gemiisen ern~hren und den Mindesttagesbedarf yon 30 mg 7 ]eicht er- reichen, viel seltener auftritt als bei den VSlkern westlicher Zivilisation 8.

Nach der kinetischen Betrachtungsweise des Veffassers besteht die Rolle des Aminopterins als Antagonist der Fols~ure darin, dab Amino- pterin die Bildung des CF aus Fols~ure und damit die Entstehung des diazotierbaren carcinogenen Amins hindert.

Der Verfasser fiihlte sich verpflichtet, durch diese Abhandlung auf die mSgliche carcinogene Wirkung der durch Metabolismus entstehenden diazotierbaren Amine hinzuweisen; er ist sich bewuBt, dab die kinetische Betrachtungsweise nicht ausreicht, das 5ui~erst schwierige und viel- gestaltige Krebsproblem zu 16sen und hat daher in seinem Vortrage bei der Gesellschaft Deutscher Cherrfiker an der Technischen I-Iochschule Karlsruhe am 6. Juni 19571/HI die Errichtung yon Studiengesellschaften fiir Krebsforschung angeregt.

Es sei an dieser Stelle den Herren Prof. Dr. A. Janlce, Doz. Doktor R. Klemen und Doz. Dr. K. W. Kuchar ffir die leihweise Uberlassung biochemischer Literatur bestens gedankt.

7 Siehe L . F . t~ieser und M. 2~ieser, Lehrbuch der organischen Chemie, iibersetzt yon H. R. Hensel, S. 561. Weinheim: Verlag Chemie. 1954.

s Siehe Cancerstatistik: H. Druckrey, Strahlentherapie 93, 165 (1954). - - B. Flaschentri~ger, Alexandria ~r J. 1, 381, 402 (1955).

Gestaltsbestimmung des II~imoglobinmolekiils mittels der Riintgen- Hleinwinkelstreuung

(Kurze Mitteilung)

Von

W. Kreutz und 0. Kratky

Arts dem Institut fiir Physikalische Chemie der Universi~t Graz

(Eingegangen am 5. Februar 1958)

Kaum ein anderes Proteinmolekfil hat so viele Untersuchungen zur Ermittlung seiner Gestalt veranlaBt, wie das des ttamoglobins. Wir verweisen vor allem auf die welt ausholenden Arbeiten der Braggsehen Schule (Bragg, Perutz, Kendrew, Hovell 1) sowie yon Crick: 2 fiber die

1 L. Bragg und M . F . Perutz, Proc. Roy. Soc. London, Ser. A 225, 315 (1954) . - Vg]. ferner die Zusammenfassung : J. C. Kendrew und M. F. Perutz, Ann. Rev. Biochem. 26, 327 (1957).

2 F. H. C. Crick, Acta Crystallogr. (London) 5, 381 (1952).