8
Prozessüberwachung in Echtzeit Chemische Sensoren in der Bioprozessanalytik C ASPAR DEMUTH duktionsanlagen effizienter arbeiten und optimal verfügbar sein müssen. Um eine reproduzierbar hohe Produktqualität zu erreichen, müssen Produktionsprozesse präziser und nä- her am Optimum gefahren werden. Dazu sind Verfahren der Mess- und Automatisierungstechnik notwendig. Mit Sen- soren sind die Automatisierung von Prozessen und das ef- fiziente Betreiben von Anlagen überhaupt erst möglich. Sen- soren liefern somit einen wichtigen Beitrag zur Qualität und Produktivität in industriellen Prozessen. Auch in biotechnologischen Verfahren sind Sensoren unentbehrlich zur Überwachung und Steuerung von Pro- zessen [1]. Eine wichtige Rolle spielen dabei Sensoren für physikalische Parameter wie Druck, Temperatur oder Füll- stand. Für das Verständnis der komplexen Vorgänge in ei- nem biotechnologischen Prozess ist die Messung von che- mischen und biologischen Parametern entscheidend. Wäh- rend der Kultivierung verbrauchen Mikroorgansimen oder Zellen Substrate, und sie bilden Metaboliten und Produkte. Schon mit der online-Messung des pH-Werts und des gelösten Sauerstoffs sind Rückschlüsse auf den zellulären Stoffwech- sel möglich. Aus diesem Grund sind Senso- ren für die „einfachen“ chemischen Parame- ter (pH, O 2 , oder CO 2 ) nach wie vor eine wichtige Grundlage für die online-Analytik in Bioprozessen. Chemische Sensoren müssen in der Lage sein, eine chemische Größe in ein physikali- sches Signal zu übersetzen. Dazu enthalten sie meist bestimmte Erkennungskomponen- ten (Rezeptoren), die in einer sensitiven Schicht immobilisiert sind. Die Wechselwir- kung zwischen diesen (chemischen oder bio- logischen) Rezeptoren und den Analytmole- külen muss dann durch einen Transducer in ein messbares Signal umgewandelt werden. In vielen industriellen Prozessen wer- den routinemäßig online-Messtechniken ein- gesetzt, welche z.B. auf der NIR-, IR-, Fluores- zenz- oder Ramanspektroskopie basieren. In Kom- bination mit chemometrischen Methoden können diese Verfahren wichtige Informationen über den Prozess in Echtzeit liefern [2]. Im Unterschied zu Sensoren nehmen in der Steuerung und Überwachung von biotechnologischen Prozessen eine Schlüsselrolle ein. Zu den wichtigsten Größen, die mit chemischen Sensoren in biologi- schen Systemen erfasst werden, zählen der pH-Wert und die Konzentration des gelösten Sauerstoffs. Die richtige Messung dieser chemischen Parameter in Echtzeit ist eine Grund- voraussetzung dafür, dass Mikroorganismen und Zellen Produkte in hoher Ausbeute und Qualität herstellen. B einahe unbemerkt von vielen Anwendern hat sich die Sensortechnik in diesem Bereich in den letzten Jahren stark gewandelt. Optische Messverfahren wurden ent- scheidend weiterentwickelt, sodass sie die elektrochemi- schen Methoden, die während Jahrzehnten im Einsatz wa- ren, abzulösen beginnen. Neue biotechnologische Produktionsverfahren wurden eingeführt, welche nach alternativen Messprinzipien und spezifi- schen Sensorlösungen verlangen. Die Einfüh- rung von „intelligenten“ Prozesssensoren zielte schließlich darauf ab, die Einfachheit von Sensorsystemen und die Rückverfolg- barkeit der Messungen zu verbessern – Kri- terien, die in der Prozessanalytik mit höchs- ter Priorität behandelt werden. Unentbehrlich in der Prozessanalytik Die Bedeutung der online-Sensortechnik hat in den letzten Jahren in vielen Produktions- prozessen zugenommen. Ein immer här- terer Wettbewerb führt dazu, dass Pro- DOI: 10.1002/ciuz.201300609 www.chiuz.de 60 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 60 – 67 Abb. 1 Potentiometrische pH-Elektroden beruhen auf der Messung der Potentialdifferenz, die sich zwischen Messelektrode (blau) und Referenzelektrode (rot) einstellt. Die Referenzelektrode liefert dabei ein von der Messlösung unabhängiges Potential E Ref , während das Potential der Messelektrode E Mess nur vom pH-Wert der Messlösung abhängt. (1: Referenzelement, 2: Referenzelektrolyt, 3: Diaphragma, 4: Innenpuffer, 5: Ableitelektrode, 6: Glasmembran)

Chemische Sensoren in der Bioprozessanalytik

  • Upload
    caspar

  • View
    213

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Prozessüberwachung in Echtzeit

Chemische Sensoren in der BioprozessanalytikCASPAR DEMUTH

duktionsanlagen effizienter arbeiten und optimal verfügbarsein müssen. Um eine reproduzierbar hohe Produktqualitätzu erreichen, müssen Produktionsprozesse präziser und nä-her am Optimum gefahren werden. Dazu sind Verfahrender Mess- und Automatisierungstechnik notwendig. Mit Sen-soren sind die Automatisierung von Prozessen und das ef-fiziente Betreiben von Anlagen überhaupt erst möglich. Sen-soren liefern somit einen wichtigen Beitrag zur Qualität undProduktivität in industriellen Prozessen.

Auch in biotechnologischen Verfahren sind Sensorenunentbehrlich zur Überwachung und Steuerung von Pro-zessen [1]. Eine wichtige Rolle spielen dabei Sensoren fürphysikalische Parameter wie Druck, Temperatur oder Füll-stand. Für das Verständnis der komplexen Vorgänge in ei-nem biotechnologischen Prozess ist die Messung von che-mischen und biologischen Parametern entscheidend. Wäh-rend der Kultivierung verbrauchen Mikroorgansimen oder

Zellen Substrate, und sie bilden Metaboliten undProdukte. Schon mit der online-Messung despH-Werts und des gelösten Sauerstoffs sindRückschlüsse auf den zellulären Stoffwech-sel möglich. Aus diesem Grund sind Senso-ren für die „einfachen“ chemischen Parame-ter (pH, O2, oder CO2) nach wie vor einewichtige Grundlage für die online-Analytikin Bioprozessen.

Chemische Sensoren müssen in der Lagesein, eine chemische Größe in ein physikali-sches Signal zu übersetzen. Dazu enthaltensie meist bestimmte Erkennungskomponen-ten (Rezeptoren), die in einer sensitivenSchicht immobilisiert sind. Die Wechselwir-kung zwischen diesen (chemischen oder bio-logischen) Rezeptoren und den Analytmole-külen muss dann durch einen Transducer inein messbares Signal umgewandelt werden.

In vielen industriellen Prozessen wer-den routinemäßig online-Messtechniken ein-

gesetzt, welche z.B. auf der NIR-, IR-, Fluores-zenz- oder Ramanspektroskopie basieren. In Kom -

bination mit chemometrischen Methoden könnendiese Verfahren wichtige Informationen über denProzess in Echtzeit liefern [2]. Im Unterschied zu

Sensoren nehmen in der Steuerung und Überwachung vonbiotechnologischen Prozessen eine Schlüsselrolle ein. Zu denwichtigsten Größen, die mit chemischen Sensoren in biologi-schen Systemen erfasst werden, zählen der pH-Wert und dieKonzentration des gelösten Sauerstoffs. Die richtige Messungdieser chemischen Parameter in Echtzeit ist eine Grund -voraussetzung dafür, dass Mikroorganismen und Zellen Produkte in hoher Ausbeute und Qualität herstellen.

Beinahe unbemerkt von vielen Anwendern hat sich dieSensortechnik in diesem Bereich in den letzten Jahren

stark gewandelt. Optische Messverfahren wurden ent-scheidend weiterentwickelt, sodass sie die elektrochemi-schen Methoden, die während Jahrzehnten im Einsatz wa-ren, abzulösen beginnen. Neue biotechnologischeProduktionsverfahren wurden eingeführt, welchenach alternativen Messprinzipien und spezifi-schen Sensorlösungen verlangen. Die Einfüh-rung von „intelligenten“ Prozesssensorenzielte schließlich darauf ab, die Einfachheitvon Sensorsystemen und die Rückverfolg-barkeit der Messungen zu verbessern – Kri-terien, die in der Prozessanalytik mit höchs-ter Priorität behandelt werden.

Unentbehrlich in der Prozessanalytik

Die Bedeutung der online-Sensortechnik hatin den letzten Jahren in vielen Produktions-prozessen zugenommen. Ein immer här-terer Wettbewerb führt dazu, dass Pro-

DOI: 10.1002/ciuz.201300609www.chiuz.de

60 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 60 – 67

Abb. 1 Potentiometrische pH-Elektroden beruhen auf der Messungder Potentialdifferenz, die sich zwischen Messelektrode (blau) undReferenzelektrode (rot) einstellt. Die Referenzelektrode liefert dabei einvon der Messlösung unabhängiges Potential ERef, während das Poten tialder Messelektrode EMess nur vom pH-Wert der Messlösung abhängt. (1: Referenzelement, 2: Referenzelektrolyt, 3: Diaphragma, 4: Innenpuffer,5: Ableitelektrode, 6: Glasmembran)

chemischen Sensoren beruhen diese Messverfahren meistnicht auf einer selektiven Wechselwirkung einer sensitivenSchicht mit den Analyten und werden daher in diesem Ar-tikel nicht vertieft behandelt.

Vor einigen Jahren hat die Arzneimittelzulassungsbe-hörde der USA (Food and Drug Administration, FDA) diePAT-Initiative lanciert [3]. PAT (Process Analytical Techno-logy) ist eine Empfehlung an die Prozessindustrie, die da-rauf abzielt, die Qualität des Endprodukts in einem Her-stellprozess sicherzustellen. Dies soll nicht durch aufwän-dige Kontrollen im Anschluss an den Prozess geschehen,sondern vielmehr bereits mit der Messung und Steuerungvon kritischen Parametern (z.B. Rohstoffen, Zwischenpro-dukten und Verfahren) während der Verarbeitung. Mit PATkann so die Produktqualität in Echtzeit verfolgt und das Ver-ständnis des Herstellprozesses verbessert werden. Nebenden oben erwähnten spektroskopischen Methoden leistenphysikalische und chemische Sensoren dazu einen ganz ent-scheidenden Beitrag.

Ob sich ein Sensor für einen industriellen Prozess eig-net, hängt von seinen technischen Spezifikationen wieMessbereich, Ansprechzeit oder Selektivität ab. Aus derSicht der Anwender in der Prozessindustrie sind neben dentechnischen Anforderungen aber weitere Eigenschaften vonInteresse [4]. Dazu gehören die Gesamtkosten des Sensor-systems, wozu nicht nur der Aufwand für die Anschaffung,sondern auch für Installation, Wartung und Kalibrierung zuzählen sind. Ein geringer Instandhaltungsbedarf und einehohe Robustheit gehören zu den entscheidenden Faktoren,die über die Eignung eines Sensors in Prozessanwendungenentscheiden. Im Unterschied zu Geräten in der Laborana-lytik müssen Prozesssensoren ferner oft von Personal mit ge-ringem analytisch-chemischen Grundwissen bedient wer-den. Robustheit bedeutet somit auch, dass richtige und zu-verlässige Messwerte mit einer fehlertoleranten, einfachenund intuitiven Bedienung zu erzielen sind.

pH- und Sauerstoffmessung: Bewährte Sensortechnik mit Limitationen

Der pH-Wert und der Partialdruck des gelösten Sauerstoffs(pO2) gehören zu den wichtigsten chemischen Parametern,die in Bioprozessen mit chemischen Sensoren gemessenwerden. Für diese beiden Messgrößen sind schon seit Jahr-zehnten bewährte elektrochemische Sensoren im Einsatz.Potentiometrische pH-Sensoren messen ein Gleichge-wichtspotential, das sich zwischen einer Messelektrode mitGlasmembran und einer Referenzelektrode einstellt (Abbil-dung 1). Die gemessene Potentialdifferenz zwischen diesenbeiden Halbzellen verhält sich linear zum Logarithmus derAktivität der Wasserstoffionen (bzw. zum pH-Wert) undsinkt um ca. 59 mV, wenn der pH-Wert um eine Einheit an-steigt.

Obschon zahlreiche alternative Messtechniken bekanntsind, beherrschen potentiometrische Glaselektroden im La-bor, aber auch in der online-Prozessmesstechnik die pH-Messung. Die konventionelle pH-Glaselektrode ist den meis-

ten anderen Sensoren bezüglich Messbereich, Selektivität,Stabilität und Robustheit oft deutlich überlegen. Die loga-rithmische pH-Skala lässt zuweilen die erstaunlichen Leis-tungen einer pH-Elektrode vergessen. Nur wenige analyti-sche Instrumente dürften über einen ähnlich großen Mess-bereich verfügen und in der Lage sein, in SekundenschnelleIonen zu bestimmen, deren Konzentrationen sich um Fak-toren von 1012 oder mehr unterscheiden. Unerreicht istauch die Selektivität von pH-Glaselektroden: In einer ver-dünnten NaOH-Lösung mit einem pH-Wert von 12 ist einerichtige pH-Messung möglich, obwohl die Natriumionengegenüber den Wasserstoffionen in 1010fachem Überschussvorliegen. Diese Messung ist „vergleichbar“ mit dem kor-rekten Auffinden einer einzelnen Person innerhalb der ge-samten Weltbevölkerung (ca. 7·109 Menschen).

Als Referenzelektroden für pH-Sensoren werden heutezumeist Ag/AgCl-Halbzellen eingesetzt. In diesen Elektro-den steht ein mit AgCl beschichteter Silberdraht in einemkonzentrierten KCl-Elektrolyt. Es handelt sich dabei um ei-ne „Elektrode zweiter Art“, bei der die Aktivität der poten-tialbestimmenden Ionen (Ag+) über die Bildung einesschwerlöslichen Salzes (AgCl) kontrolliert wird. Im Idealfallliefert die Referenzelektrode ein konstantes, von der Zu-sammensetzung der Messlösung unabhängiges Potential.Der Kontakt des KCl-Elektrolyten zur Messlösung wird überein Diaphragma, beispielsweise aus poröser Keramik, her-gestellt.

Bei Anwendungen in Bioprozessen ist das Diaphragmaeine der wichtigsten Ursachen für Fehler in der pH-Mes-sung. Wenn sich Proteine oder Zellen dort festsetzen, kön-nen die Diffusionspotentiale am Diaphragma beeinflusstwerden. Diese gehen direkt in die pH-Messung ein – eineAbweichung des Diaphragmapotentials um nur 10 mV be-deutet bereits einen Messfehler von 0,15 pH-Einheiten. Ob-wohl durchaus Vorschläge für neuartige Referenzelektro-den gemacht wurden, haben sich in den letzten Jahren In-novationen kaum durchsetzen können [5].

A N A LY T I K S E N S O R E Nwww.chiuz.de

Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 60 – 67 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 61

G LOSSA R

PotentiometrieStromlose Messung eines konzentrationsabhängigen Potentials, das sich zwischenzwei Elektroden (Mess- und Referenzelektrode) einstellt.

Voltammetrie und AmperometrieBei diesen elektroanalytischen Methoden wird eine Spannung an eine elektrochemi-sche Zelle angelegt, um an einer Arbeitselektrode eine Redox-Reaktion zu verursachen.Der dabei resultierende, gewöhnlich durch Diffusion limitierte Strom dient als analyti-sches Signal. Während amperometrische Zellen bei einer konstanten Spannung betrie-ben werden, wird die Spannung bei der voltammetrischen Messung gezielt verändertund ein Strom-Spannungs-Diagramm aufgenommen.

TransduktionUmwandlung einer chemischen Information (z.B. Konzentration eines Analyten imMessmedium) in ein messbares physikalisches (meist elektrisches) Signal.

Auch für die Messung von gelöstem Sauerstoff existiertein jahrzehntelang in der Sensortechnik bewährtes Mess-prinzip. Es geht auf Entwicklungen von L. C. Clark zurückund beruht auf der Reduktion von elementarem Sauerstoffan einer Platin- oder Goldkathode bei einer konstanten Po-larisationsspannung [6]. Gleichzeitig wird an der Anode ele-mentares Silber zu Ag+ oxidiert. Der dabei fließende Stromist proportional zum Sauerstoff-Partialdruck.

Diese amperometrische Sauerstoffmessung eignet sichfür Anwendungen in industriellen Prozessen, da die Senso-ren sehr robust sind und bei hohen Temperaturen sterilisiertwerden können. Allerdings müssen die Sensoren für einenfehlerfreien Betrieb richtig gewartet werden. Vor der Mes-sung ist eine mehrstündige Polarisation notwendig, d.h. einAnlegen des erforderlichen Potentials während mehrererStunden. Dieser Schritt bedeutet einen zusätzlichen Auf-wand und kann, wird er nicht korrekt ausgeführt, Mess-fehler zur Folge haben.

pH-Glas – ein idealer Werkstoff?In den meisten Labor- und Prozessanwendungen verwendetman auch heute potentiometrische pH-Elektroden mit Glas-membranen. Sie sind preisgünstig, robust und zuverlässig.Dennoch ist die Verwendung von Glas als medienberührterWerkstoff für viele Anwendungen problematisch. Wird wäh-rend eines laufenden Prozesses eine Glaselektrode beschä-digt, können Glasscherben in das Prozessmedium gelangen.Um jedes Risiko auszuschließen, muss dann unter Umstän-den ein kompletter Produktionsbatch entsorgt werden. Ausdiesem Grund werden beispielsweise in der industriellenProduktion von Joghurt keine Glaselektroden zur inline-Messung des pH-Werts eingesetzt – obwohl der pH-Wertunbestritten ein wichtiger Parameter zur Überwachung derProduktequalität von Joghurt ist.

Schon vor mehr als drei Jahrzehnten sind mit den ISFETsoder pH-FETs (ionen- oder pH-sensitive Feldeffekt-Transis-toren) glasfreie pH-Sensoren entwickelt worden, die an-stelle der Glasmembran einen Halbleiterbaustein als sen -sitives Element verwenden [7]. Ihr Funktionsprinzip ist vergleichbar mit jenem eines MOSFETs (Metalloxid-Halb-leiter-Feldeffekttransistor). MOSFETs sind elektronische Bau-elemente, die heute in integrierten Schaltkreisen milliar-denfach in Konsumgütern verbaut werden. Ein pH-FET verwendet anstelle der Steuerelektrode (Gate) eine pH-sen-sitive Schicht, z.B. aus Al2O3 oder Ta2O5. Zur Messung wirdder „Feldeffekt“ ausgenutzt, d.h. eine Änderung der Leitfä-higkeit im Kanal zwischen den beiden anderen Anschlüs-sen des Bauelements, Drain und Source. Diese ist abhängigvom Oberflächenpotential der pH-sensitiven Schicht – unddamit vom pH-Wert der Messlösung.

ISFETs lassen sich mit Herstellverfahren produzieren,die weitgehend mit den Prozessen der Halbleiterindustriekompatibel sind. Die Erwartung, dass sich ISFETs aus die-sem Grund zu sehr geringen Kosten herstellen lassen, hatsich allerdings noch nicht erfüllt. Dies liegt zum einen da-ran, dass niedrige Herstellkosten erst bei großen Stückzah-

len erreicht werden können. Solange ISFETs Nischenpro-dukte für ausgewählte Anwendungen bleiben, werden da-her die Vorteile der industriellen Massenfertigung nicht zumTragen kommen. Außerdem muss ein ISFET verkapselt wer-den, damit die elektrischen Anschlüsse des Chips vor demProzessmedium geschützt bleiben und Leckströme vermie-den werden. Für ISFETs, die bei hohen Drücken und Tem-peraturen eingesetzt werden, ist eine dichte und hygienischeinwandfreie Verkapselung zwar machbar, aber konstruktivaufwändig [8].

Obwohl in der Lebensmittelindustrie ein ausgewiese-ner Bedarf nach einer glasfreien pH-Messung besteht, konn-ten sich ISFETs gerade in diesem Bereich nicht durchsetzen.Der Grund dafür ist die mangelnde Beständigkeit dieser Sen-soren in heißen alkalischen Medien. In der Lebensmittel-und Pharmaindustrie werden stark saure und alkalischeAgenzien regelmäßig zur Anlagenreinigung im Durchlauf-verfahren verwendet („Cleaning in Place“ oder CIP-Reini-gung). Bei der CIP-Reinigung bleiben alle medienberührtenAnlagenteile – also auch Sensoren – montiert und müssenfolglich die extremen Bedingungen während der Reini-gungsprozesse unbeschadet überstehen.

Abhilfe könnten hier neue Sensormaterialien schaffen,etwa Halbleiter aus Nitriden von Elementen der III. Haupt-gruppe des Periodensystems. Aus GaN/AlGaN-Strukturenlassen sich pH-sensitive Sensoren herstellen, die den pH-FETs prinzipiell ähnlich sind. Diese Sensoren stehen zwarnoch in der Entwicklung, weisen bei Messungen im Laborjedoch bereits Charakteristika auf, die mit jenen der ISFETsvergleichbar sind. Insbesondere scheint mit diesen Mate-rialien eine bessere Beständigkeit gegenüber den in der

62 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 60 – 67

A N A LY T I K S E N S O R E Nwww.chiuz.de

Stro

m

Spannung

Stro

m

Spannung

pH = 7

pH = 4

(pH = 7)

V

V

(pH = 4)

Redoxpotential pH-unabhängig

Redoxpotential pH-abhängig

A B B . 2 PR I N Z I P D E R VO LTA M M E T R I S C H E N

p H - M E S S U N G

Auf der Sensorschicht sind zwei Komponenten immobilisiert,ein Redoxpaar mit pH-abhängigem Redoxpotential (linkerPeak) und ein Redoxpaar mit pH-unabhängigen Redoxpoten-tial (rechter Peak). Aus den Strom-Spannungs-Kurven kanneine Potentialdifferenz ΔV zwischen diesen beiden Peaks er-mittelt werden. Sie nimmt mit steigendem pH-Wert zu unddient als Messgröße für den pH-Sensor.

CIP-Reinigung verwendeten alkalischen Medien möglich[9].

Ohne den Werkstoff Glas kommen auch pH-Sensorenaus, welche auf immobilisierten Redox-Paaren beruhen[10]. Bei diesen voltammetrischen Sensoren werden redox-aktive Verbindungen in die sensitive Schicht einer Arbeits-elektrode eingearbeitet. Wird an der Arbeitselektrode eineSpannung angelegt, können die immobilisierten Verbin-dungen reversibel reduziert bzw. oxidiert werden, wobeidas Potential mit maximalem Stromfluss als Messgrößedient. Werden nun redox-aktive Verbindungen verwendet,deren Reduktionspotential pH-anhängig ist (z.B. Anthra-chinone), ist die Position des Peaks mit maximalem Stromein Maß für den pH-Wert. Zusätzlich können weitere re-dox-aktive Verbindungen immobilisiert werden, deren Re-duktionspotentiale nicht vom pH-Wert der Messlösung ab-hängen (z.B. Ferrocen). Dann kann der pH-Wert aus derDifferenz der Peakpotentiale der beiden immobilisiertenVerbindungen ermittelt werden (Abbildung 2).

Ein entscheidender Vorteil dieser voltammetrischen Me-thode zur pH-Messung besteht darin, dass die Langzeitsta-bilität der gemessenen Potentiale weniger kritisch ist. Diesist insbesondere für das Potential der Referenzelektrode vonBedeutung: Für die voltammetrische Messung ist eine Re-ferenzelektrode zwar notwendig, ihr Potential geht abernicht direkt in die Bestimmung des pH-Werts ein. Im Un-terschied dazu ist ein stabiles, messgutunabhängiges Po-tential der Bezugselektrode unabdingbar für die pH-Mes-sung, wenn mit potentiometrischen (Glas-)Elektroden oderaber auch mit ISFETs gearbeitet wird.

Moderne Bioreaktoren: Neue Herausforderungen für die Sensortechnik

In klassischen biotechnologischen Verfahren werden Bio-reaktoren aus Edelstahl oder Glas verwendet, wie sie in ähn-licher Form auch aus der chemischen Verfahrenstechnikbekannt sind. Die Bereitstellung dieser Anlagen für die bio-technologische Produktion erfordert einen großen Auf-wand. Reinigung, Sterilisierung und Validierung erfordernZeit, Energie und geschultes Personal. Um aufwändige Rei-nigungsschritte und mögliche Kontaminationsrisiken zu ver-meiden, sind seit einigen Jahren vermehrt Einweg-Bioreak-toren im Einsatz [11].

Diese Reaktorsysteme bestehen aus unterschiedlich ge-formten Kunststoffbeuteln, die aus Verbundfolien gefertigtwerden. Sie werden bereits vorsterilisiert und fertig as-sembliert an den Anwender geliefert. Je nach Anwendungkommen kissenförmige Systeme zum Einsatz, welche dieDurchmischung des Nährmediums über eine Kippbewe-gung sicherstellen (Abbildung 3). Alternativ dazu könnenEinweg-Reaktortypen mit integriertem Rührwerk verwen-det werden, die den klassischen Bioreaktoren ähnlich sind.Wie alle medienberührenden Teile, müssen auch die zurProzessüberwachung notwendigen Sensoren bereits ge-brauchsfertig installiert sein, damit die Vorteile der Einweg-Technik zum Tragen kommen können.

Einweg-Bioreaktoren eröffnen Möglichkeiten für neue Anwendungen

Für die Entwicklung der Sensortechnik ergeben sich mitder zunehmenden Verbreitung der Einwegsysteme neueHerausforderungen, aber auch interessante Perspektiven.Etablierte Messprinzipien können nicht ohne weiteres aufdie neuen Bioreaktorsysteme übertragen werden. Bei-spielsweise lässt sich eine konventionelle pH-Glaselektrodezwar über spezielle Sterilkonnektoren in einen Einweg-Bio-reaktor einbauen; dies erfordert aber einen zusätzlichen Ar-beitsschritt mit einem Kontaminationsrisiko. Werden dieGlaselektroden fest in einen Einweg-Bioreaktor montiert,ist die Forderung nach einer dauernden Benetzung der Glas-membran nur schwierig umzusetzen. Aus diesem Grundwerden heute in den meisten Einweg-Bioreaktoren keineelektrochemischen Sensoren zur Messung von pH und ge-löstem Sauerstoff verwendet.

Konventionelle Stahl-Bioreaktoren werden gewöhnlichmit Heißdampf bei 121 °C sterilisiert. Alle medienberüh-renden Komponenten (also auch die Sensoren) müssen diehohe thermische Belastung während der Sterilisierung aus-halten. Viele Sensorsysteme kommen daher für einen Ein-satz in diesen Bioreaktoren nicht in Betracht. Dazu zählenetwa Sensoren, die auf nicht hitzebeständigen Polymer-schichten beruhen oder Biosensoren, die Enzyme als Er-kennungskomponenten verwenden. Deshalb eignen sichoptische Sensorsysteme, die auf teilweise hitzelabilen, in Polymeren eingebetteten Farbstoffen beruhen, besondersfür einen Einsatz in Einweg-Bioreaktoren [12]. Für die pH-und Sauerstoffmessung haben sich optische Sensoren alsStandardmethoden etabliert.

Einweg-Bioreaktoren werden in der Regel mit γ-Strah-lung sterilisiert. Da viele enzymatische Biosensoren ihre Ak-

Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 60 – 67 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 63

A N A LY T I K S E N S O R E Nwww.chiuz.de

Abb. 3 Einweg-Bioreaktoren. Vor allem in tierischen und pflanzlichen Zellkulturenwerden vermehrt Einweg-Bioreaktoren eingesetzt, darunter solche wie das abgebildete wellendurchmischte System (Foto: © Sartorius Stedim Biotech GmbH).

tivität nach einer γ-Sterilisierung weitgehend beibehalten,sind sie für einen Einsatz in Einweg-Bioreaktoren geeignet.Mit immobilisierten Enzymen, insbesondere Oxidasen, las-sen sich beispielsweise Biosensoren für Glucose, Lactat oderGlutamat herstellen [13]. Für die Messung kann das beimenzymatischen Umsatz gebildete Wasserstoffperoxid ge-nutzt werden, das sich amperometrisch bestimmen lässt.Wie beim amperometrischen Sauerstoffsensor dient derStrom, der proportional zum Analytgehalt zunimmt, alsMessgröße. Damit ist es möglich, wichtige Substrate und

Metaboliten in Bioprozessen in Echtzeit zu überwachen undderen Konzentrationen zu steuern. Beispielsweise lässt sichdurch eine Limitierung der Glucosekonzentration der Me-tabolismus von Mikroorganismen so beeinflussen, dass dieBildung von produktivitätshemmendem Lactat reduziertwird.

Dank der teilweise milderen Prozessbedingungen wäh-rend der Sterilisation, die in Einweg-Systemen erfüllt wer-den müssen, können Biosensoren hier neue Anwendungenerschließen. Auch die Langzeitstabilität von Biosensoren istin Einweg-Bioreaktoren ein weniger kritischer Faktor. Nichtganz zu Unrecht zählen hohe Driftraten und kurze Lebens-zeiten zu den typischen Merkmalen von Biosensoren. Die-ser Nachteil fällt bei einem Einsatz in Einweg-Bioreaktorenweniger stark ins Gewicht, da sie nur für einen einmaligenGebrauch vorgesehen sind.

Die Tatsache, dass Einweg-Bioreaktoren aus Kunststoff-folien aufgebaut sind, eröffnet weitere Möglichkeiten fürneue Transduktionsprinzipien und deren Anwendung inSensoren. Als Beispiel seien Radiofrequenz-Identifikations-Chips (RFIDs) erwähnt, die als Transducer verwendet wer-den. Diese Chips werden heute in hohen Stückzahlen undzu tiefen Kosten für die Identifikation und Kennzeichnungvon Waren in Handel und Logistik eingesetzt.

Seit wenigen Jahren sind Entwicklungen im Gang, pas-sive RFID-Transponder für Anwendungen als Sensoren inEinweg-Bioreaktoren einzusetzen. Diese Systeme beziehenihre Energie aus dem elektromagnetischen Feld einer ex-ternen Lese- und Schreibeinheit. Die RFID-Sensoren kön-nen auf einem Einweg-Bioreaktor aufgebracht werden undkommunizieren energieautark und berührungslos mit demEmpfangsgerät. Die RFID-Sensorantenne erzeugt ein elek-trisches Feld, das entweder mit einer funktionalisierten Sen-sorschicht oder direkt mit der Umgebung des Sensors wech-selwirkt. Änderungen der dielektrischen Eigenschaften desumgebenden Mediums (also beispielsweise Änderungen derLeitfähigkeit oder der Zelldichte) äußern sich als Änderungder Resonanzfrequenz der RFID-Antenne, die von der Le-seeinheit erfasst wird. RFID-Sensoren eignen sich in idealerWeise als Sensorplattformen zur Messung von verschiede-nen Parametern wie pH-Wert, Leitfähigkeit oder Tempera-tur in Einweg-Bioreaktoren [14].

64 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 60 – 67

A N A LY T I K S E N S O R E Nwww.chiuz.de

Abb. 4 Optische Sauerstoffsensoren setzen sich zunehmend in anspruchsvollen Anwendungen durch, z.B. in der Pharmaindustrie (Foto: © Mettler Toledo AG, ProcessAnalytics).

F U N K T I O N S W E I S E E I N E S O P T I S C H E N SAU E R S TO F F S E N S O R S

Optische Sauerstoffsensoren beruhen auf einem Fluoreszenzfarbstoff (Fluoro-phor), der auf einer sensitiven Schicht immobilisiert ist und von einer Licht-quelle angeregt wird. In Abwesenheit von Sauerstoff gibt der Farbstoff die zugeführte Energie als emittiertes Licht bei einer charakteristischen Wellen-länge wieder ab.

Sauerstoffmoleküle sind in der Lage, die Energie des angeregten Zustandsstrahlungslos abzuführen und damit die Fluoreszenzemission zu löschen. Je höher die Sauerstoffkonzentration, desto effizienter vermag der auch alsQuenching bezeichnete Vorgang die Emission des Farbstoffs zu unterdrücken.Die Intensität der Fluoreszenzemission des Fluorophors nimmt also mit stei-

gendem O2-Partialdruck ab und eignet sich somit als Messgröße für moleku-laren Sauerstoff.

Als Fluorophore für optische Sauerstoffsensoren haben sich metallorgani-sche Komplexe bewährt, beispielsweise Ruthenium-Polypyridyle oder Platin-und Palladium-Porphyrine. Sie zeichnen sich durch lange Fluoreszenzlebens-dauern und eine große Stokes-Verschiebung aus (einen großen Wellenlän-genunterschied zwischen Anregungs- und Emissionsstrahlung), was mess-technisch vorteilhaft ist. Zudem sind sie hinreichend photostabil, insbesonde-re dann, wenn fluorierte Derivate dieser Verbindungen eingesetzt werden[15, 16].

Sauerstoffsensoren: Optische Messtechnik setzt sich durch

Für die online-Messung von gelöstem Sauerstoff haben sichin den letzten Jahren in der Prozessanalytik optische Mess-verfahren etabliert (Abbildung 4). Optische Sauerstoffsen-soren beruhen auf der selektiven Fluoreszenzlöschung ei-nes immobilisierten Farbstoffs durch Sauerstoff (siehe In-fokasten).

Optische Sauerstoffsensoren sind den herkömmlichenamperometrischen Clark-Sonden heute technisch eben-bürtig, aber wegen ihrer aufwändigen Optoelektronik nochdeutlich teurer. Sie lassen sich auch in anspruchsvollen Pro-zessen einsetzen und widerstehen hohen Temperaturenund aggressiven Chemikalien. Dass die verwendeten Fluo-reszenzfarbstoffe thermisch und photochemisch stabil ge-nug sind, ist nicht ganz selbstverständlich. Möglich gewor-den ist die verbesserte Stabilität der Sensoren einerseits miteiner robusten Messtechnik, wie etwa der Messung der Pha-senverschiebung zwischen Anregungs- und Emissionslicht(siehe Infokasten). Zudem wurden stabile Derivate der Farb-stoffe entwickelt und optimierte Immobilisierungstechni-ken angewendet [15].

Die entscheidenden Vorteile der optischen Sensoren fürdie Anwender liegen nicht in erster Linie in den techni-schen Spezifikationen begründet, sondern darin, dass sie be-sonders einfach zu handhaben sind. Sie müssen nicht po-larisiert werden und lassen sich darum gleich nach der In-stallation einsetzen. Wartung und Unterhalt der Sensorensind einfacher, da die Kontrolle und der periodische Aus-tausch des Elektrolyten nicht notwendig sind.

Für Anwendungen in optischen Sensoren ist es vorteil-haft, nicht die Intensität des emittierten Fluoreszenzlichts,sondern dessen Lebensdauer zu erfassen. Neben der (er-wünschten) Fluoreszenzlöschung durch Sauerstoff könnennämlich weitere Faktoren die Intensität der Fluoreszenz be-einflussen. Beispielsweise ist die gemessene Intensität ab-hängig von der Konzentration des immobilisierten Farb-stoffs in der sensitiven Schicht des Sensors. Zudem wird dieFluoreszenzemission natürlich auch von der Intensität derverwendeten Lichtquelle beeinflusst. Eine limitierte pho-tochemische Stabilität des Farbstoffs oder eine instabileLichtquelle würden darum weitere (unerwünschte) Beiträ-ge an das Messsignal liefern.

Die Fluoreszenzlebensdauer (das Abklingen der Fluo-reszenz nach Anregung durch einen kurzen Lichtpuls) wirdhingegen durch die Alterung des Fluoreszenzfarbstoffs weitweniger beeinträchtigt. Abbildung 5 zeigt, dass mit stei-gendem Sauerstoffpartialdruck sowohl die Intensität alsauch die Lebensdauer der Fluoreszenz abnehmen. Um dieFluoreszenzlebensdauer zu messen, muss die Intensität deremittierten Strahlung zeitaufgelöst erfasst werden. Ausmesstechnischen Gründen verwendet man für optische Sauerstoffsensoren in der Regel eine sinusförmig modu-lierte Lichtquelle zur Anregung des Fluoreszenzlichts. EineÄnderung der Lebensdauer äußert sich dann als zeitlicheVerzögerung der Emission gegenüber der Anregung (Ab-

bildung 6). Diese Phasenverschiebung zwischen Anregungs-und Emissionslicht ist ebenfalls abhängig vom Sauerstoff-partialdruck: Je höher der Sauerstoffgehalt, desto kleinerdie Fluoreszenzlebensdauer und desto kleiner auch die Pha-senverschiebung [16, 17].

pH-Messung mit optischen SensorenOptische Methoden zur Bestimmung des pH-Werts sind seitJahrhunderten bekannt. Lackmus soll schon von den Al-chimisten als Reagenz zum Nachweis von Säuren und Lau-gen verwendet worden sein. Für die quantitative pH-Mes-sung werden optische Sensoren jedoch erst seit relativ

Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 60 – 67 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 65

A N A LY T I K S E N S O R E Nwww.chiuz.de

Inte

nsitä

t Zeit

hohe O2-Konzentration

geringe O2-Konzentration

A B B . 5 O P T I S C H E SAU E R S TO F F S E N S O R E N :

DA S PR I N Z I P

Optische Sauerstoffsensoren nutzen die Löschung der Fluores-zenz eines auf der Sensorschicht immobilisierten Farbstoffs.Nach der Anregung durch einen Strahlungspuls (blau) nimmtsowohl die Intensität des emittierten Lichts (rot) als auch des-sen Lebensdauer mit steigender Sauerstoffkonzentration ab.

Anr

egun

g

Zeit

Emis

sion

Zeit

φ1

φ2

A B B . 6 PH A S E N V E R S C H I E B U N G

Wird der Fluorophor mit einer sinusförmig modulierten Licht-quelle angeregt (blaue Kurve), so ist die emittierte Strahlung(rote Kurven) gegenüber dem Anregungslicht um einen Pha-senwinkel Φ verschoben. Bei niedrigem Sauerstoffgehalt(durchgezogene Linie) ist diese Phasenverschiebung größerals bei hohem Sauerstoffgehalt (unterbrochene Linie).

kurzer Zeit eingesetzt. Genauso wie das Lackmus-Papier beruhen optische pH-Sensoren auf immobilisierten pH-In-dikatoren, deren spektrale Eigenschaften sich mit dem Pro-tonierungsgrad ändern. Als Messgröße eignet sich eine reversible Änderung des Absorptionsgrades, der Fluores-zenzintensität oder der Fluoreszenzlebensdauer der ver-wendeten Indikatoren.

In Einweg-Bioreaktoren haben sich optische Sensorenfür die pH-Messung etabliert [18]. Im Vergleich zu den pH-Glaselektroden ist der Messbereich von optischen pH-Sen-soren deutlich reduziert – mehr als 2–3 pH-Einheiten kannein optischer Sensor in der Regel nicht abdecken. Für dieKontrolle von Bioprozessen, die meist in einem sehr engenpH-Bereich ablaufen, bedeutet dies keine große Einschrän-kung. Durch die Wahl eines pH-Indikators mit geeigneterSäurestärke (d.h. ein dem pH-Bereich der Messlösung an-gepasster pKs-Wert) kann zudem der Messbereich des Sen-sors auf die Anwendung abgestimmt werden.

Stärker als Nachteil ins Gewicht fällt die beschränkteLangzeitstabilität der optischen pH-Sensoren. Sie kann imFluoreszenzmodus kompensiert werden, indem neben dem

66 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 60 – 67

pH-Indikator ein zweiter, pH-insensitiver Farbstoff mit ho-her Fluoreszenzlebensdauer in die Sensormembran koim-mobilisiert wird. Werden die beiden Fluorophore mit einersinusförmig modulierten Lichtquelle angeregt, so dient dieSumme der Fluoreszenzsignale der beiden Farbstoffe, bzw.deren Phasenverschiebung gegenüber dem Anregungslicht,wiederum als Messsignal [16]. Mit diesem Verfahren, dem„Dual Lifetime Referencing“, werden dank der internen Re-ferenzierung ausreichende Stabilitäten der Sensoren er-reicht, zumindest über die typischen Anwendungszeitenvon einigen Tagen oder Wochen.

Ein entscheidender Vorteil von optischen Sensoren istihre Flexibilität in der Anwendung: Sensor-Rondellen, wel-che die immobilisierten Farbstoffe enthalten, lassen sichdurch ein transparentes Fenster auslesen und beinahe un-abhängig von der Anwendung einsetzen. Damit sind Mes-sungen in Mikrotiterplatten, Proberöhrchen, Schüttelfla-schen, Erlenmeyerkolben oder Bioreaktoren mit derselbenOptoelektronik möglich.

Intelligente ProzesssensorenDie vorangehenden Abschnitte zeigen, dass in den vergan-genen Jahren neue Messprinzipien für Prozess-Sensoren ent-wickelt wurden, die sich teilweise bereits im Markt durch-gesetzt haben. Daneben haben sich die Hersteller von Sen-soren mit der Frage beschäftigt, wie sich die von denSensoren generierten Rohwerte sicher und benutzer-freundlich in Messdaten umwandeln lassen. Seit einigen Jah-ren sind „intelligente“ Sensoren erhältlich, die den Anwen-dern in der Prozessanalytik eine Reihe von neuen Möglich-keiten eröffnen.

Ein konventioneller Prozess-Sensor liefert ein analogesSignal an einen Messverstärker oder Signalwandler (Abbil-dung 7a). Das Messsignal von pH- und Sauerstoffsensoren(ein hochohmiges Potential bzw. ein Strom von einigen nA)reagiert empfindlich auf Störungen und muss aus diesemGrund in eine robustere Größe (z.B. in einen Strom im mA-Bereich oder ein digitales Signal) gewandelt werden. Erstdann kann es an eine Steuereinheit oder ein Prozessleit-system weitergeleitet werden. Dort wird der Regelkreis ge-schlossen, indem z.B. kontrolliert Säure oder Base in denProzess geleitet wird, um den pH-Wert laufend innerhalb ei-nes festgelegten Intervalls zu halten.

Dank der Miniaturisierung in der Mikroelektronik ist esheute möglich, die Signalwandlung in einen Sensor zu in-tegrieren (Abbildung 7b). Mit einem integrierten analog-di-gital-Wandler kann ein Sensor direkt mit einer Steuerein-heit oder auch mit einem PC kommunizieren. Diese Kom-munikation ist auch kontaktlos (über induktive Kopplung)oder drahtlos über eine Funkverbindung möglich. Damitentfallen die Nachteile der konventionellen Steckverbin-dung zwischen Sensor und Kabel, wie Anfälligkeit gegenFeuchtigkeit oder Korrosion. Bei einer digitalen Übermitt-lung wird zudem die Qualität der Signale weit wenigerdurch Störungen (z.B. durch elektromagnetische Felder) be-einträchtigt.

A N A LY T I K S E N S O R E Nwww.chiuz.de

Sensor mit analogem Ausgang

Messumformer mit analogem oder digitalem Ausgang

Controller

A B B . 7 a AU F BAU E I N E S M E S S S YS T E M S

I N D E R PRO Z E S SA N A LY T I K

Ein Messumformer wandelt ein analoges Messsignal einesSensors (z.B. ein Strom von einigen nA einer amperometri-schen Sauerstoffsonde) in ein robustes und standardisiertes(analoges oder digitales) Signal und leitet es an eine Steuer-einheit weiter.

Sensor mit digitalem Ausgang

Controller

A B B . 7 b BEI EINEM DIGITALEN PROZESS-SENSOR …

… erfolgt die Signalwandlung direkt im Sensorkopf. Der Sen-sor kann direkt mit einer Steuereinheit oder einem Computerkommunizieren.

Direkt im Sensor erzeugte digitale Messsignale bringennoch weitere Vorteile mit sich. Integriert man einen Spei-cherchip in den Sensor, kann dieser statische Daten (z.B. ei-ne Seriennummer oder eine Sensorkonfiguration) spei-chern. Damit „weiß“ jedes Messgerät, mit welchem Sensores kommuniziert. So lässt sich einfach und fehlerfrei einebis auf den einzelnen Sensor rückverfolgbare online-Mes-sung erzielen. Für Messungen in validierten Prozessen mithöchsten Ansprüchen in der Qualitätssicherung ist damit ei-ne wichtige Anforderung erfüllt.

Weiter lassen sich dynamische Daten (z.B. Kalibrierda-ten oder ein Logfile) im Sensor speichern. Ein Anwenderkann dann einen Sensor unter reproduzierbaren und idea-len Bedingungen zentral im Labor kalibrieren, um ihn be-reits vorkalibriert direkt in der Messstelle einzusetzen. Wer-den im Sensor die Prozessbedingungen laufend mit aufge-zeichnet (z.B. extreme pH-Werte oder Temperaturen),lassen sich zudem der Belastungszustand und die Restle-bensdauer des Sensors abschätzen. Dies ermöglicht einevorausschauende Wartung des Sensors und verhindert kost-spielige Anlagenstillstände in der Produktion.

„Intelligente“ Prozesssensoren bieten den Anwenderneine Reihe von Vorteilen. Sie vermindern die Störanfälligkeitder Messsignale, erhöhen die Benutzerfreundlichkeit undstellen die Rückverfolgbarkeit der Messwerte sicher. AlsNachteil müssen Anwender jedoch in Kauf nehmen, dassdie Sensoren verschiedener Hersteller untereinander kaumaustauschbar sind. Die analogen Signale von herkömmli-chen Sensoren werden von jedem Messgerät „verstanden“– deshalb lassen sich zum Beispiel analoge pH-Elektrodenbeinahe jedes Herstellers an ein beliebiges pH-Meter an-schließen. Im Unterschied dazu sind die Protokolle der di-gitalen Sensoren oft proprietär und ein Austausch eines Sen-sors durch ein Produkt eines anderen Herstellers nicht im-mer möglich. Eine Standardisierung wäre zumindest aus derSicht der Anwender sinnvoll und würde dazu beitragen, derdigitalen Messtechnik zum Durchbruch zu verhelfen.

ZusammenfassungZu den wichtigsten chemischen Parametern, die in Biopro-zessen überwacht werden, zählen der pH-Wert und die Kon-zentration des gelösten Sauerstoffs. Für diese Messgrößensind seit Jahren bewährte elektrochemische Sensoren im Ein-satz. Erst seit kurzem beginnen sich in der Bioprozessanalytikneue Messprinzipien zu etablieren. Dazu zählen optische Sen-soren, die sich insbesondere für den Einsatz in Einweg-Biore-aktoren eignen. Entscheidende Faktoren für Prozess-Sensorensind heute nicht nur messtechnische Robustheit und Zuver-lässigkeit, sondern auch eine einfache Bedienbarkeit und ge-ringe Instandhaltungskosten.

SummaryMeasurement and control of the pH value and the dissolvedoxygen concentration are crucial tasks in every bioprocess.For many years electrochemical sensors have been used tomanage these chemical parameters. Only recently, new mea-

surement principles have gained ground in bioprocess analytics. These include op-tical chemical sensors, which are especially suited to use in single-use bioreactors.It is clear that robustness, reliability, ease of use and low maintenance costs will allbe key considerations if these sensors are to be applied to process control.

SchlagwörterBioprozessanalytik, chemische Sensoren, optische Sensoren, pH- und Sauer-stoffmessung

Literatur[1] T. Becker, B. Hitzmann, K. Muffler, R. Pörtner, K.F. Reardon, F. Stahl und R. Ulber, Adv. Biochem.

Eng./Biotechnol. 2007, 105, 249–293.[2] Prozessanalytik, (Hrsg.: R.W. Kessler), Wiley-VCH Verlag, Weinheim, 2006.[3] Guidance for Industry. PAT – A Framework for Innovative Pharmaceutical Development, Manufac -

turing, and Quality Assurance, United States Food and Drug Administration, Rockville, MD,2004 (http://www.fda.gov/downloads/Drugs/Guidances/ucm070305.pdf).

[4] Prozess-Sensoren 2015+. Technologie-Roadmap für Prozess-Sensoren in der chemisch-pharmazeu -tischen Industrie, VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. und NAMUR (InteressengemeinschaftAutomatisierungstechnik in der Prozessindustrie), 2009 (http://www.vdi.de/fileadmin/vdi_de/redakteur_dateien/gma_dateien/Prozess-Sensoren_2015+.pdf).

[5] U. Guth, F. Gerlach, M. Decker, W. Oelßner und W. Vonau, J. Solid State Electrochem. 2009, 13,27–39.

[6] L.C. Clark, R. Wolf, D. Granger und Z. Taylor, J. Appl. Physiol. 1953, 6, 189–93.[7] P. Bergveld, Sens. Actuators, B 2003, 88, 1–20.[8] W. Oelßner, J. Zosel, U. Guth, T. Pechstein, W. Babel, J.G. Connery, C. Demuth, M. Grote

Gansey und J.B. Verburg, Sens. Actuators, B 2005, 105, 104–117.[9] (a) I. Cimalla, F. Will, K. Tonisch, M. Niebelschütz, V. Cimalla, V. Lebedev, G. Kittler,

M. Himmerlich, S. Krischok, J.A. Schaefer, M. Gebinoga, A. Schober, T. Friedrich und O. Ambacher, Sens. Actuators, B 2007, 123, 740–748; (b) S. Linkohr, W. Pletschen, S. U. Schwarz, J. Anzt, V. Cimalla und O. Ambacher, J. Biotechnol. 2013, 163, 354–361.

[10] (a) G.G. Wildgoose, M. Pandurangappa, N.S. Lawrence, L. Jiang, T.G.J. Jones und R.G. Comp-ton, Talanta 2003, 60, 887–893; (b) K.L. Robinson und N.S. Lawrence, Anal. Chem. 2006, 78,2450–2455.

[11] Single-Use Technology in Biopharmaceutical Manufacture (Hrsg. R. Eibl und D. Eibl), John Wiley &Sons, Hoboken, N.J., 2011.

[12] G. Rao, A. Moreira und K. Brorson, Biotechnol. Bioeng. 2009, 102, 348–356.[13] (a) J. Wang, Chem. Rev. 2008, 108, 814-825; (b) M. Bäcker, L. Delle, A. Poghossian, M. Biselli,

W. Zang, P. Wagner und M.J. Schöning, Electrochim. Acta 2011, 56, 9673–9678.[14] R.A. Potyrailo, C. Surman, D. Monk, W.G. Morris, T. Wortley, M. Vincent, R. Diana, V. Pizzi,

J. Carter, G. Gach, S. Klensmeden und H. Ehring, Meas. Sci. Technol. 2011, 22, 082001.[15] K. Koren, S.M. Borisov und I. Klimant, Sens. Actuators B 2012, 169, 173–181.[16] C. McDonagh, C.S. Burke und B.D. MacCraith, Chem. Rev. 2008, 108, 400–422.[17] O.S. Wolfbeis, Anal. Chem. 2008, 80, 4269–4283.[18] A. Glindkamp, D. Riechers, C. Rehbock, B. Hitzmann, T. Scheper und K.R. Reardon,

Adv. Biochem. Eng./Biotechnol. 2009, 115, 145–169.

Der AutorCaspar Demuth, geb. 1968, studierte Chemie an der Universität Zürich undpromovierte 1999 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) inZürich. Anschließend war er als Projektleiter bei der Mettler Toledo, ProcessAnalytics, in der Sensorentwicklung tätig. Seit 2007 arbeitet er im Institut fürBiotechnologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften inWädenswil/Zürich und leitet dort die Fachstelle für Mess- und Sensortechnik.

KorrespondenzadresseDr. Caspar DemuthInstitut für BiotechnologieZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte WissenschaftenGrüentalCH-8820 WädenswilE-Mail: [email protected]

Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 60 – 67 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 67

A N A LY T I K S E N S O R E Nwww.chiuz.de