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Chemische Speicherung regenerativer elektrischer Energie durch Methanisierung von Prozessgasen aus der Stahlindustrie Maximilian A. Schöß 1 , Alexander Redenius 2 , Thomas Turek 1 und Robert Güttel 1, * DOI: 10.1002/cite.201300086 Aufgrund des steigenden Anteils erneuerbarer Energien in Deutschland wird eine Anpassung des stochastisch anfallenden, regenerativen elektrischen Stroms an den Bedarf notwendig. Eine Möglichkeit ist die Speicherung der Energie in Methan, wofür neben Wasserstoff auch eine Kohlenstoffquelle notwendig ist. In diesem Beitrag wird die Eignung von Prozessgasen der Stahlindustrie als Kohlenstoffquelle betrachtet, da diese in großen Mengen anfallen. Als Bewertungskriterium wird neben dem erreichbaren Wirkungsgrad auch die Qualität des erhaltenen Produktgases herangezogen. Es zeigt sich, dass Prozessgase der Stahlindustrie für die Zwischenspeicherung von Stromüberschüssen interessante Rohstoffe sind. Schlagwörter: Erneuerbare Energie, Power-to-Gas, Prozessgase, Stoffliche Energiespeicher, Stahlindustrie Eingegangen: 14. Juni 2013; revidiert: 01. Februar 2014; akzeptiert: 04. Februar 2014 Chemical Storage of Renewable Electrical Energy via Hydrogenation of Process Gases of the Steel Industry The increasing importance of renewable energy necessitates the adjustment of demand and supply, which can be achieved by chemical energy storage based on methane. Besides hydrogen this option also requires a carbon source. In the present contribution we suggest process gases from the steel industry for that purpose, since they occur in reasonable amounts. We critically discuss the suitability based on the degree of efficiency and quality of the product gases. It will be shown that process gases from the steel industry are an interesting feedstock for chemical storage of renewable energy. Keywords: Chemical storage, Power-to-Gas, Process gases, Renewable energy, Steel industry 1 Einleitung Durch den stetigen Ausbau erneuerbarer Energien nimmt auch die Schwankungsbreite der Stromerzeugung durch die instationäre Verfügbarkeit von Wind und Sonne immer weiter zu. Für den täglichen und saisonalen Ausgleich ist deshalb eine Zwischenspeicherung von Energie notwendig. Als langfristige Speichermöglichkeiten werden stoffliche Speicher diskutiert [1], die die zeitliche und örtliche Ent- kopplung von Bereitstellung und Verwendung der Energie ermöglichen. Außerdem bieten sie große Speicherkapazitä- ten und sind langzeitstabil. In diesem Zusammenhang wird oft Wasserstoff als Energieträger genannt. Allerdings kann dieser nicht nur direkt gespeichert, sondern auch in andere chemische Verbindungen umgesetzt werden [2], die Vorteile gegenüber Wasserstoff aufweisen. Besonders interessant er- scheinen dafür Methan, flüssige Kohlenwasserstoffe oder Methanol [2]. Diese Moleküle sind Kohlenstoffverbindun- gen, so dass neben einer Wasserstoff- auch eine Kohlen- stoffquelle notwendig ist. Besonders geeignet dafür sind Prozessgase aus der Industrie, da diese häufig in großen Mengen und in einem industriellen Umfeld verfügbar sind. In dieser Arbeit soll Methan als Speichermolekül betrach- tet werden, da es in das deutsche Erdgasnetz mit einer Speicherkapazität von derzeit 208 TWh (in Planung sind 324 TWh [3]) eingespeist werden kann. Darüber hinaus ist bereits eine breite Verteil- und Nutzungsinfrastruktur vor- handen. Der Prozess von regenerativem elektrischem Strom zu synthetischem Erdgas wird häufig als Power-to-Gas (PtG) bezeichnet. Die aktuelle Diskussion beschränkt sich jedoch auf die direkte Prozesskette vom elektrischen Strom © 2014 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Ing. Tech. 2014, 86, No. 5, 734–739 1 Maximilian A. Schöß, Prof.Dr.-Ing. Thomas Turek, Prof.Dr.-Ing. Robert Güttel ([email protected]), TU Clausthal, Institut für Chemische Verfahrenstechnik, Leibnizstraße 17, 38678 Claus- thal-Zellerfeld, Deutschland; 2 Dr.-Ing. Alexander Redenius, Salzgit- ter Mannesmann Forschung GmbH, Eisenhüttenstraße 99, 38239 Salzgitter, Deutschland. 734 Kurzmitteilung Chemie Ingenieur Technik

Chemische Speicherung regenerativer elektrischer Energie durch Methanisierung von Prozessgasen aus der Stahlindustrie

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Page 1: Chemische Speicherung regenerativer elektrischer Energie durch Methanisierung von Prozessgasen aus der Stahlindustrie

Chemische Speicherung regenerativerelektrischer Energie durch Methanisierungvon Prozessgasen aus der StahlindustrieMaximilian A. Schöß1, Alexander Redenius2, Thomas Turek1 und Robert Güttel1,*

DOI: 10.1002/cite.201300086

Aufgrund des steigenden Anteils erneuerbarer Energien in Deutschland wird eine Anpassung des stochastisch anfallenden,

regenerativen elektrischen Stroms an den Bedarf notwendig. Eine Möglichkeit ist die Speicherung der Energie in Methan,

wofür neben Wasserstoff auch eine Kohlenstoffquelle notwendig ist. In diesem Beitrag wird die Eignung von Prozessgasen

der Stahlindustrie als Kohlenstoffquelle betrachtet, da diese in großen Mengen anfallen. Als Bewertungskriterium wird

neben dem erreichbaren Wirkungsgrad auch die Qualität des erhaltenen Produktgases herangezogen. Es zeigt sich, dass

Prozessgase der Stahlindustrie für die Zwischenspeicherung von Stromüberschüssen interessante Rohstoffe sind.

Schlagwörter: Erneuerbare Energie, Power-to-Gas, Prozessgase, Stoffliche Energiespeicher, Stahlindustrie

Eingegangen: 14. Juni 2013; revidiert: 01. Februar 2014; akzeptiert: 04. Februar 2014

Chemical Storage of Renewable Electrical Energy via Hydrogenation of Process Gasesof the Steel Industry

The increasing importance of renewable energy necessitates the adjustment of demand and supply, which can be achieved

by chemical energy storage based on methane. Besides hydrogen this option also requires a carbon source. In the present

contribution we suggest process gases from the steel industry for that purpose, since they occur in reasonable amounts.

We critically discuss the suitability based on the degree of efficiency and quality of the product gases. It will be shown that

process gases from the steel industry are an interesting feedstock for chemical storage of renewable energy.

Keywords: Chemical storage, Power-to-Gas, Process gases, Renewable energy, Steel industry

1 Einleitung

Durch den stetigen Ausbau erneuerbarer Energien nimmtauch die Schwankungsbreite der Stromerzeugung durchdie instationäre Verfügbarkeit von Wind und Sonne immerweiter zu. Für den täglichen und saisonalen Ausgleich istdeshalb eine Zwischenspeicherung von Energie notwendig.Als langfristige Speichermöglichkeiten werden stofflicheSpeicher diskutiert [1], die die zeitliche und örtliche Ent-kopplung von Bereitstellung und Verwendung der Energieermöglichen. Außerdem bieten sie große Speicherkapazitä-

ten und sind langzeitstabil. In diesem Zusammenhang wirdoft Wasserstoff als Energieträger genannt. Allerdings kanndieser nicht nur direkt gespeichert, sondern auch in anderechemische Verbindungen umgesetzt werden [2], die Vorteilegegenüber Wasserstoff aufweisen. Besonders interessant er-scheinen dafür Methan, flüssige Kohlenwasserstoffe oderMethanol [2]. Diese Moleküle sind Kohlenstoffverbindun-gen, so dass neben einer Wasserstoff- auch eine Kohlen-stoffquelle notwendig ist. Besonders geeignet dafür sindProzessgase aus der Industrie, da diese häufig in großenMengen und in einem industriellen Umfeld verfügbar sind.

In dieser Arbeit soll Methan als Speichermolekül betrach-tet werden, da es in das deutsche Erdgasnetz mit einerSpeicherkapazität von derzeit 208 TWh (in Planung sind324 TWh [3]) eingespeist werden kann. Darüber hinaus istbereits eine breite Verteil- und Nutzungsinfrastruktur vor-handen. Der Prozess von regenerativem elektrischem Stromzu synthetischem Erdgas wird häufig als Power-to-Gas(PtG) bezeichnet. Die aktuelle Diskussion beschränkt sichjedoch auf die direkte Prozesskette vom elektrischen Strom

www.cit-journal.com © 2014 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Ing. Tech. 2014, 86, No. 5, 734–739

–1Maximilian A. Schöß, Prof. Dr.-Ing. Thomas Turek, Prof. Dr.-Ing.Robert Güttel ([email protected]), TU Clausthal, Institutfür Chemische Verfahrenstechnik, Leibnizstraße 17, 38678 Claus-thal-Zellerfeld, Deutschland; 2Dr.-Ing. Alexander Redenius, Salzgit-ter Mannesmann Forschung GmbH, Eisenhüttenstraße 99, 38239Salzgitter, Deutschland.

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über Wasserstoff zu Methan. Die Kohlenstoff-quelle wird meist nicht berücksichtigt, obwohlbeträchtliche Mengen an Kohlenstoff notwendigsind, die nicht flächendeckend zur Verfügungstehen.

Verschiedene Arbeiten beschäftigen sich mitder Nutzung von Prozessgasen aus der Stahl-industrie als Kohlenstoffquelle für die chemi-sche Synthese von Kohlenwasserstoffen [4 – 8].In dem vorliegenden Beitrag sollen diese Pro-zessgase deshalb kritisch auf die Eignung alsKohlenstoffquellen für PtG untersucht werden,da sie in großen Mengen verfügbar sind unddeshalb ein großes Speicherpotential bieten. AlsBewertungskriterium wird neben dem erreich-baren Wirkungsgrad auch die Qualität des erhal-tenen Produktgases herangezogen, das für dienachfolgenden Nutzungspfade relevant ist.

2 Hintergrund

2.1 Gesamtprozess Power-to-Gas

Der PtG-Prozess (Abb. 1) nutzt elektrischen Strom aus rege-nerativen Quellen zur Herstellung von H2 durch Elektrolysevon Wasser. Dabei entsteht als Nebenprodukt O2, das in derStahlindustrie meist direkt am Produktionsstandort genutztwerden kann.

H2 wird anschließend mit einer gasförmigen Kohlenstoff-quelle (Prozessgas) gemischt und zu Methan umgesetzt.Die dabei ablaufende chemische Reaktion wird als Methani-sierung bezeichnet [9]. Neben der Hydrierung von CO undCO2 (Gln. (1) und (2)) findet an den typischerweise einge-setzten Ni-basierten Katalysatoren auch die Wassergas-Shift-Reaktion (WGS, Gl. (3)) statt [10]. Die stark exothermeReaktion wird bei Temperaturen von 250 bis 500 °C undDrücken von 20 bis 30 bar durchgeführt [10]. Als Nebenpro-dukt der Methanisierung entsteht Wasser, das nach der Ab-trennung vom Produktgas wieder der Elektrolyse zugeführtwerden kann. Damit reduziert sich der Aufwand für Reini-gung und Erwärmung von externem Wasser.

CO � 3H2 � CH4 � H2O DRH � �207 kJ mol�1 (1)

CO2 � 4H2 � CH4 � 2H2O DRH � �164 kJ mol�1 (2)

CO � H2O � CO2 � H2 DRH � �42 kJ mol�1 (3)

Eine Herausforderung des Prozesses ist die Durchfüh-rung der einzelnen Prozessschritte bei unterschiedlichenDruck- und Temperaturniveaus. Deshalb ist die sinnvolleKopplung von Stoff- und Energieströmen für die Wirtschaft-lichkeit des Prozesses von Bedeutung.

2.2 Rohstoffe

Der benötige Wasserstoff wird aus der Elektrolyse von flüs-sigem Wasser gewonnen (Gl. (4)). Für die vorliegende Arbeitwurde die alkalische Druck-Elektrolyse gewählt, da diesebereits kommerziell verfügbar ist. Der spezifische Bedarf anelektrischer Energie beträgt 4 bis 5 kWh m–3

N Wasserstoff[11], was einem Wirkungsgrad von 71 bis 79 % bezogen aufden Brennwert von Wasserstoff entspricht. In der vorliegen-den Arbeit wurde ein mittlerer Energiebedarf von4,5 kWh m–3

N (75 % Wirkungsgrad) angenommen und eineBetriebstemperatur von 60 °C sowie ein Druck von 30 bargewählt. Damit entfällt eine nachfolgende Verdichtung deserzeugten Wasserstoffs auf Synthesedruck.

H2O�l� → 0�5 O2 � H2 DRH � �286 kJ mol�1 (4)

Als Kohlenstoffquelle erscheinen Gichtgas (GG) undKonvertergas (KG) aus dem Stahlwerksprozess sinnvoll. GGfällt im Hochofenprozess in großen Mengen (1500 bis2000 m3

Nt–1Roheisen [12]) an, während KG im Konverterprozess

mit ca. 90 m3Nt–1

Rohstahl [13 – 14] entsteht. Beide Gase unter-scheiden sich in Ihrer Zusammensetzung (Tab. 1). GG ent-hält zu gleichen Teilen CO und CO2, jedoch auch großeMengen an N2. Dem gegenüber weist KG einen hohen CO-Anteil und wenig N2 auf. Die Zusammensetzung beiderGase unterliegt Schwankungen. Beim KG fallen diese stär-

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Abbildung 1. PtG-Prozess zur stofflichen Speicherung von elektrischer Energie.

Tabelle 1. Beispielhafte Zusammensetzung (Stoffmengenanteil)der betrachteten Prozessgase, Gichtgas und Konvertergas nach[14].

Gichtgas Konvertergas

CO [%] 20,4 61,6

CO2 [%] 20,2 17,6

H2 [%] 4,1 0,5

N2 [%] 55,3 20,3

Kurzmitteilung 735ChemieIngenieurTechnik

Page 3: Chemische Speicherung regenerativer elektrischer Energie durch Methanisierung von Prozessgasen aus der Stahlindustrie

ker aus als beim GG. Mögliche Verunreinigungen der Pro-zessgase, die bspw. negative Auswirkungen auf die Lebens-dauer der Katalysatoren haben, wurden nicht berücksich-tigt. Für beide Gase wird eine mögliche sinnvolle Nutzungim PtG-Prozess geprüft. Es muss jedoch berücksichtigt wer-den, dass die Prozessgase heute schon im Hüttenwerk fürden Betrieb des Kraftwerks und von Wärmeöfen genutztwerden.

2.3 Peripherie und Aufarbeitung

Neben den wichtigen Teilprozessen Elektrolyse und Metha-nisierung sind eine Reihe von Schritten zur Druck- undTemperaturänderung notwendig. Diese Arbeit untersuchtedie Wärmequellen und -senken im Prozess hinsichtlichWärmestrom und Temperaturniveau. Dabei wurde fest-gestellt, dass eine Wärmeintegration weitgehend möglichist und die Wärmequellen und -senken damit vernachlässig-bar sind. Für die Druckänderung des Synthesegases aufSynthesedruck wurde eine adiabat/isentrope Kompression(g � 0� 8) mit einem mechanischem Wirkungsgrad von 1angenommen. Der Druckverlust in den Rohrleitungen so-wie die Reinigung des Wassers und der Prozessgase wurdenvernachlässigt.

Für die Aufarbeitung des Produktes ist die Abtrennungdes Wassers notwendig. Für die Trocknung wurde eineKondensation bei 20 °C unter Druck angenommen. Darüberhinaus ist eine Anpassung des Drucks des Produktgasesnotwendig, der jedoch von der weiteren Verwendung ab-hängt. Für die Einspeisung in das deutsche Erdgasnetz sind80 bar notwendig, während für eine interne Nutzung imHüttenwerk ca. 25 bar genügen.

3 Berechnungsgrundlagen

3.1 Gleichgewichtsberechnung

Die Berechnungen des Reaktionsgleichgewichts, der Pro-duktaufarbeitung, der Verdichtung und Entspannung derMischung sowie der Vorwärmung von Synthesegas undWasser wurden in der Software Aspen Plus® ausgeführt.Die thermodynamische Beschreibung erfolgt durch diePSRK-Zustandsgleichung (predictive Soave-Redlich-Kwong).Das chemische Gleichgewicht der Methanisierungsreaktio-nen (Gln. (1) – (3)) wurde bei 30 bar und 280 °C berechnet.Die vorliegenden Ergebnisse stellen den bestmöglichen Falldar und werden im Folgenden auch entsprechend diskutiert.

3.2 Wirkungsgrad

Die Grundlage der Berechnung des Wirkungsgrades ist derchemische Energieinhalt des methanhaltigen Produktes(Heizwert: 802 kJ mol–1 [15]) in Bezug auf den Heizwert des

CO-haltigen Prozessgases (283 kJ mol–1 [15]) und den benö-tigten elektrischen Strom (Abb. 2). Zusätzliche Energie-ströme für das Aufheizen/Abkühlen und Druckänderungensowie die Verlustströme werden wegen des geringen Be-trags vernachlässigt (s. Fallbeispiel). Aus diesen Angabenlässt sich ein vereinfachter Ausdruck für den PtG-Wir-kungsgrad gPtG� � ableiten (Gl. (5)). Dabei wird der Energie-strom der Elektrolyse durch die Kopplung des Elektrolyse-wirkungsgrades mit dem Brennwert des Wasserstoffs(286 kJ mol–1 [15]) berücksichtigt, da flüssiges Wasser zurElektrolyse verwendet wird.

gPtG ��EH Produktgas� �

�EH Prozessgas� � � �EB Elektrolyse� �

��EH Produktgas� �

�EH Prozessgas� � ��EB H2� �

gEl

(5)

Um die erreichbaren Wirkungsgrade der Prozessgase bes-ser einordnen zu können, werden Vergleichswerte für dieMethanisierung von reinem CO und CO2 bei Standardbe-dingungen benötigt. Dabei wird der Wirkungsgrad der Elek-trolyse berücksichtigt. Der Wasserstoffbedarf ergibt sich ausder Stöchiometrie. Es ergeben sich die Grenzwerte für denerreichbaren Wirkungsgrad von 56,3 % für CO und 52,6 %für CO2.

3.3 Szenarienauswahl

Der Einfluss der schwankenden Zusammensetzung derProzessgase wurde berücksichtigt, indem verschiedene Sze-narien im stationären Zustand, ausgehend von einer durch-schnittlichen Zusammensetzung, betrachtet wurden. Dasinstationäre Verhalten der Methanisierung wird in eineraktuellen Arbeit diskutiert [16]. Für GG wurden Angabenvon Lehmann [14] als Basis (GG-avg) zugrunde gelegt undder Anteil von N2 und CO um ± 20 % variiert, wobei das Ver-hältnis von CO zu CO2 konstant gehalten wurde (Tab. 2).GG-I stellt den Fall mit einem hohen Inertanteil dar, wäh-rend GG-II einen geringeren Inertanteil aufweist. SzenarioGG-III soll den Einfluss eines höheren CO-Anteils aufzei-gen. Daher wird eine Verringerung des CO2- und N2-Anteilsum jeweils 20 % vorgenommen.

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Abbildung 2. Ermittelte Berechnung für den Wirkungsgrad.

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Für das Konvertergas (Tab. 3) wurde ebenfalls von einemdurchschnittlichen Fall (KG-avg) ausgegangen. Dabei wurdeder geringe Wasserstoffanteil vernachlässigt und das Ver-hältnis von CO zu CO2 konstant bei 3,4 gehalten. Mit denSzenarien KG-I und KG-II soll der Einfluss des inerten N2

untersucht werden, der dafür um ± 10 % variiert wurde. DasSzenario KG-III soll den Einfluss eines erhöhten CO- undverringerten CO2-Anteils aufzeigen (im Vergleich zu KG-II). Für Konvertergas ist noch ein weiteres Szenario (KG-IV)betrachtet worden, das kein N2 enthält. Dieser Fall ist denk-bar, wenn beim Blasstrahlverfahren zur Stahlgewinnungkein Luftstickstoff in das Prozessgas gelangt.

Die genannten Szenarien können die realen Zusammen-setzungen von Prozessgasen der Stahlindustrie nicht er-schöpfend beschreiben. Allerdings decken sie ein breitesSpektrum ab, so dass die Eignung dieser Kohlenstoffquelleim Kontext der Methanisierung sinnvoll eingeschätzt wer-den kann.

4 Ergebnisse

4.1 Produktgas und Wirkungsgrad

Die Zusammensetzung und der Wobbe-Index des trocken-en Produktgases sind in Tab. 4 zusammengestellt. DerMethan-Anteil im Produkt hängt für alle Szenarien starkvon dem COx-Anteil im Prozessgas ab, da stets nahezu voll-ständiger Umsatz erreicht wird. Dementsprechend ist derAnteil der nicht umgesetzten Edukte gering. Hier ist zu be-achten, dass die Reaktion nicht molzahlbeständig ist und inTab. 4 das trockene Produktgas (Restanteil H2O nach Kon-densation ca. 1300 ppmv) dargestellt ist. Bei einer höherenTemperatur der Methanisierung von 320 °C sinkt derMethananteil um weniger als 2 Mol-%, weshalb auf dieDarstellung der Ergebnisse verzichtet wird.

Eine Möglichkeit zur Nutzung der Produktgase ist eineEinspeisung in das deutsche Erdgasnetz. Dafür muss je-doch ein Wobbe-Index von 10 sichergestellt sein, wofür einMethan-Anteil von mind. 80 % erreicht werden muss. Die-ses Kriterium kann lediglich von einigen Szenarien fürKonvertergas erreicht werden (Tab. 4). Allerdings weist dieZusammensetzung von Konvertergas große Schwankungenzwischen Minimal- und Maximalwert auf, so dass die not-wendige Qualität nicht dauerhaft garantiert werden kann.Darüber hinaus wird in einem realistischen Szenario derGleichgewichtsumsatz vermutlich nicht erreicht. Eine Ein-speisung des Produktgases in das Erdgasnetz erscheint vordiesem Hintergrund als unrealistisch. Allerdings ist eineinterne Nutzung im Hüttenwerk möglich, wodurch die Pro-duktgase zur Substitution von extern zugeführtem, fossilemErdgas genutzt werden können.

Für alle betrachteten Szenarien ergibt sich ein vergleichba-rer Wirkungsgrad von 55 % für den Pfad PtG. Das kann da-durch begründet werden, dass die Peripherie (s. Abschn. 2.3)vernachlässigt wurde und die Wirkungsgrade für die Hydrie-rung von reinen CO- und CO2-Strömen sehr ähnlich sind.Werden die peripheren Energieströme berücksichtigt, sosinkt der Wirkungsgrad um maximal zwei Prozentpunkte.

Die Ergebnisse ordnen sich in die vorher berechnetenGrenzwerte sowie in die in der Literatur genannten Werte ein.Müller [16] gibt für die Methanisierung eines reinen CO2-Stromes aus der Biogas-Herstellung einen Wirkungsgrad von

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Tabelle 2. Betrachtete Szenarien für die Zusammensetzung (Stoff-mengenanteil) von Gichtgas, durchschnittliche Zusammenset-zung (GG-avg) nach Lehmann [14].

Szenario GG-I GG-avg GG-II GG-III

CO [%] 15 20,5 26 36

CO2 [%] 15 20,5 26 16

H2 [%] 4 4 4 4

N2 [%] 66 55 44 44

Heizwert [kJ m–3N] 2326 3020 3714 4977

Tabelle 3. Betrachtete Szenarien für die Zusammensetzung (Stoff-mengenanteil) von Konvertergas, durchschnittliche Zusammen-setzung (KG-avg) nach Lehmann [14].

Szenario KG-I KG-avg KG-II KG-III KG-IV

CO [%] 54 62 70 81 77

CO2 [%] 16 18 20 9 23

N2 [%] 30 20 10 10 0

Heizwert [kJ m–3N ] 6818 7828 8838 10227 9722

Tabelle 4. Zusammensetzung (Stoffmengenanteil in %), Heizwert und Wobbe-Index des trockenen Produktgases aller betrachteten Szena-rien.

Szenario GG I GG-avg GG II GG III KG I KG-avg KG II KG III KG IV

CH4 [%] 30,5 41,6 52,6 52,7 67,9 77,5 87 87,2 96,5

N2 [%] 67,8 56,3 44,9 45 29,3 19,5 9,8 9,8 0

restliches Edukt [%] 1,7 2,1 2,5 2,3 2,8 3 3,2 3 3,5

Heizwert [MJ m–3N ] 11,05 15,05 19,03 19,05 24,54 27,98 31,41 31,46 34,82

Wobbe-Index [–] 3,4 4,7 6,2 6,2 8,3 9,8 11,4 11,4 13,1

Kurzmitteilung 737ChemieIngenieurTechnik

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51 % an, stützt seine Berechnungen jedoch auf den Heizwertvon H2. Da Wasser der Elektrolyse jedoch in flüssiger Formzugeführt wird, wird für die vorliegenden Betrachtungen derBrennwert von Wasserstoff eingesetzt. Sterner nennt einenWirkungsgradbereich für erneuerbares Methan von 46 bis75 % mit einem Durchschnitt von 63 % [1]. Unterschiede kön-nen auf die getroffenen Vereinfachungen und verschiedeneElektrolysewirkungsgrade zurückgeführt werden.

4.2 Fallbeispiel

Anhand eines Fallbeispiels sollen die wichtigsten Stoff- undEnergieströme (vgl. Abschn. 3.2) der Peripherie sowie derElektrolyse und Methanisierung dargestellt werden (Abb. 3).Dafür wurde ein Szenario für die Nutzung von ca. 10 % desentstehenden Konvertergases ausgewählt (KG-avg, typi-sches Stahlwerk mit 12000 t d–1 Rohstahl). Es ist erkennbar,dass der Energiebedarf der Peripherie nur einen Bruchteilder Elektrolyseleistung ausmacht. Deshalb ist keine signi-fikante Auswirkung der Peripherie auf den Wirkungsgraddes Prozesses zu erwarten. Darüber hinaus scheint es mög-lich, die Energieströme zu koppeln. So können beispiels-weise mit der Wärmeleistung der exothermen Reaktion undKondensation des gebildeten Wassers (HR+K) das zuge-führte Wasser (DTW) und das Synthesegas (DTSG) vorge-wärmt werden. Sowohl die dafür benötigte Energie als auchdas Temperaturniveau ermöglichen diese Kopplung. Ob-wohl die abzuführende die zuzuführende Wärmemengeinsgesamt weit übersteigt, ist eine Nutzung des Überschus-ses aufgrund des geringen Temperaturniveaus von 280 °Cnur eingeschränkt möglich. Nicht berücksichtigt wurde dieVerlustleistung der Elektrolyse (PV) aufgrund des vermut-lich geringen Temperaturniveaus. Allerdings könnten neu-artige Technologien, in denen organische Flüssigkeiten fürdie Dampferzeugung genutzt werden (organic rankine cycle,ORC), die Überschusswärme in elektrischen Strom umwan-

deln. Im Hüttenwerk ist auch die direkte Erzeugung undNutzung von Dampf vorstellbar. Diese Nutzungsmöglich-keiten wurden hier jedoch vernachlässigt, obwohl sich da-mit der Gesamtwirkungsgrad steigern lässt.

Die Ergebnisse machen deutlich, dass für die betrachte-ten Einsatzmengen die Versorgung der Elektrolyse mit denbenötigten Mengen an elektrischem Strom und vorgereinig-tem Wasser eine Herausforderung darstellen kann. Darüberhinaus ist die Auswahl eines geeigneten Prozessgases fürdie Methanisierung von der anschließenden Nutzung desProduktgases abhängig. So kann mit Gichtgas nur ein ge-ringerer Methananteil erreicht werden, dafür jedoch mitgroßen Volumenströmen und mit geringeren Schwankun-gen in der Zusammensetzung. Beim Konvertergas könnenhöhere Methangehalte erzielt werden. Allerdings sind dabeigeringere Volumenströme und stärkere Schwankungen inder Zusammensetzung zu erwarten, da es während des in-stationären Blasstrahlverfahrens anfällt.

5 Zusammenfassung

Die stoffliche Speicherung von erneuerbaren Energiendurch den PtG-Prozess ist derzeit in aller Munde. Meistwird in der Diskussion die Bereitstellung des Wasserstoffsaus der Wasserelektrolyse als limitierender Faktor dar-gestellt. Allerdings sind auch große Mengen an Kohlenstoffnotwendig, um nennenswerte Energiemengen speichern zukönnen. In diesem Beitrag wird deshalb die Eignung vonProzessgasen der Stahlindustrie als Kohlenstoffquellenuntersucht, da sie in großen Mengen an infrastrukturellerschlossenen Standorten anfallen.

Die Untersuchungen ergeben, dass periphere Einrichtun-gen zur Druck- und Temperaturänderung in erster Nähe-rung vernachlässigt werden können. Weiterhin ergibt sichein theoretischer PtG-Wirkungsgrad von ca. 55 %, der annä-hernd unabhängig vom eingesetzten Prozessgas ist. Es

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Abbildung 3. Daten der wichtigsten Stoff- und Energieströme für das Fallbeispiel (4400 m3Nh–1, KG-avg).

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muss dabei jedoch berücksichtigt werden, dass der Prozessder Methanisierung noch für den Betrieb mit einer schwan-kenden Zusammensetzung der Synthesegase inklusivederen Verunreinigungen qualifiziert werden muss. Die Zu-sammensetzung des Produktgases hängt ganz wesentlichvom Prozessgas ab und erreicht kaum die Grenzwerte füreine Einspeisung in das deutsche Erdgasnetz. Allerdingslassen sich die Produktgase im Stahlwerkskomplex nutzen,wodurch der Wegfall von Prozessgasen kompensiert undZukäufe von externem, fossilem Erdgas reduziert werdenkönnen. In Summe ergibt sich daraus eine Reduzierungder CO2-Emissionen. Darüber hinaus kann der Sauerstoffaus der Elektrolyse im Hüttenwerk genutzt werden. DieWirtschaftlichkeit des Prozesses hängt stark vom Preis fürdie in der Elektrolyse eingesetzte, regenerativ erzeugte elek-trische Energie ab. Wenn es sich dabei um Überschuss-strom handelt, kann ein Hüttenwerk darüber hinaus alsRegelenergieanbieter auftreten und somit einen Beitrag zurNetzstabilisierung und Energiewende leisten.

In diesem Beitrag konnte gezeigt werden, dass die Pro-zessgase der Stahlindustrie prinzipiell als Kohlenstoffquellefür den PtG-Prozess geeignet sind, jedoch für einen realenBetrieb noch eine Reihe von offenen Fragestellungen exis-tieren.

Formelzeichen

�EB [W] Energiestrom auf Basis des Brennwertes�EH [W] Energiestrom auf Basis des HeizwertesgEl [–] Wirkungsgrad der ElektrolysegPtG [–] Wirkungsgrad des PtG-Prozesses

Literatur

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Chem. Ing. Tech. 2014, 86, No. 5, 734–739 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.com

Kurzmitteilung 739ChemieIngenieurTechnik