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Chemischer Transport fester Lösungen. 19 [1] Der Chemische Transport von Mischphasen im System Ga 2 S 3 /Ga 2 Se 3 Chemical Vapor Transport of Solid Solutions. 19 Chemical Vapor Transport of Mixed Phases in the Systems Ga 2 S 3 /Ga 2 Se 3 U. Hotje, R. Wartchow, E. Milke und M. Binnewies* Hannover, Institut für Anorganische Chemie, Universität Hannover Bei der Redaktion eingegangen am 17. Dezember 2004. Abstract. By means of CVT methods using iodine as transport agent (950 800 °C) in the system Ga 2 S 3 /Ga 2 Se 3 mixed crystals could be prepared. The miscibility gap, given in the literature, could not be observed, but the phase transition between a monoclinic (Ga 2 S 3 ) and cubic (Ga 2 Se 3 ) phase. The powder diffraction patterns of the mixed phases with the compositions Ga 2 S 2,4 Se 0,6 und Ga 2 S 0,6 Se 2,4 can be indexed hexagonally. The transport process oc- curs congruently. Thermochemical calculations as well as mass 1 Einleitung Im Zusammenhang mit der Bildung und dem chemischen Transport von Mischphasen haben wir uns mit dem System Ga 2 S 3 /Ga 2 Se 3 beschäftigt. Uns interessierte hier das Aus- maß der Löslichkeit der beiden binären Randphasen in- einander, denn nach Literaturangaben sollte das System bei Temperaturen um 900 °C eine Mischunglücke aufweisen. Dies erscheint in Systemen Metallsulfid/Metallselenid auf- grund der doch recht ähnlichen Ionenradien der Sulfid- und Selenid-Ionen ungewöhnlich. Zum anderen ist beim chemi- schen Transport von Mischphasen die Frage von Anreiche- rungseffekten von generellem Interesse. Beim Transport von Gallium- oder Indiumverbindungen kann gegebenenfalls mit dem Auftreten von gasförmigen Subhalogeniden ge- rechnet werden, was im hier untersuchten System geprüft werden sollte. 2 Phasenverhältnisse, kristallographische Eigenschaften, Literaturübersicht Die Strukturen der Gallium(III)-sulfide und -selenide leiten sich prinzipiell von der Zinkblende bzw. dem Wurtzit ab; 1/3 der Kationen-Gitterplätze bleiben jeweils unbesetzt. Bei der Sichtung der Literatur zu diesen Verbindungen wird ei- * Prof. Dr. M. Binnewies Institut für Anorganische Chemie der Universität Callinstr. 9 D-30167 Hannover E-mail: [email protected] Z. Anorg. Allg. Chem. 2005, 631, 16751681 DOI: 10.1002/zaac.200500039 © 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 69451 Weinheim 1675 spectrometric investigations show that GaI 3 (solid: Ga 2 S 3 ) and GaI/GaI 3 (Ga 2 Se 3 ) are the gaseous species, due to the transport process. A congruent transport of all mixed phases in this system could be observed. Keywords: Chemical vapor transport (CVT); Mixed crystals, Ga 2 S 3 /Ga 2 Se 3 nige Verwirrung, insbesondere in der Bezeichnungsweise, deutlich. So werden in [2] ein kubisches α-Ga 2 S 3 , (stabil zwischen Raumtemperatur und 550.... 600 °C), ein mono- klines β-Ga 2 S 3 (550...600 bis 1020 °C) und ein hexagonales γ-Ga 2 S 3 beschrieben. Diese Bezeichnungsweise folgt der in der Chemie üblichen Weise, Phasen gleicher Zusammenset- zung, die bei verschiedenen Temperaturen thermodyna- misch stabil sind, mit griechischen Buchstaben zu bezeich- nen, wobei die Tieftemperaturphase den Buchstaben α er- hält. α-Ga 2 S 3 , das sich vom kubischen Zinkblende-Typ ableitet, wurde von Hahn beschrieben und mit Pulver- methoden charakterisiert [3]. In dieser Arbeit wird auch eine hexagonale, als β-Ga 2 S 3 bezeichnete Phase beschrie- ben, die sich vom Wurtzit-Typ ableitet. Zwei späteren Ar- beiten von Hahn et al. folgend [4, 5], soll zusätzlich eine weitere hexagonale Phase mit dreifacher Elementarzelle existieren, die nach heutigem Kenntnisstand jedoch als eine monokline Phase angesehen werden muss. In dieser Arbeit schlagen die Autoren eine andere Bezeichnungsweise vor: Sie bezeichnen die kubische Phase nun als γ-Ga 2 S 3 , die he- xagonale, vom Wurtzit abgeleitete Form als β-Ga 2 S 3 und die “neue” hexagonale Phase als α-Ga 2 S 3 . α-Ga 2 S 3 wird später von Goodyear zunächst als monoklin mit a 12,637 A ˚ , b 6,41 A ˚ , c 7,03 A ˚ und β 131,07 ° beschrieben [6], später jedoch gleichfalls von Goodyear in einer anderen Aufstellung monoklin in der Raumgruppe Cc mit a 11,14 A ˚ , b 6,41 A ˚ , c 7,03 A ˚ und β 121,22°) angegeben [7]. Das kubische Ga 2 S 3 (erst α-Ga 2 S 3 , dann γ- Ga 2 S 3 genannt) wurde außer von Hahn [3] bei Normal- druck von keinem Autor gefunden. Auch wir haben die ku- bische Modifikation in dem von Hahn angegebenen Exis- tenzbereich (unterhalb 550 °C) nicht erhalten [diese Arbeit],

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Chemischer Transport fester Lösungen. 19 [1]

Der Chemische Transport von Mischphasen im System Ga2S3/Ga2Se3

Chemical Vapor Transport of Solid Solutions. 19

Chemical Vapor Transport of Mixed Phases in the Systems Ga2S3/Ga2Se3

U. Hotje, R. Wartchow, E. Milke und M. Binnewies*

Hannover, Institut für Anorganische Chemie, Universität Hannover

Bei der Redaktion eingegangen am 17. Dezember 2004.

Abstract. By means of CVT methods using iodine as transportagent (950 � 800 °C) in the system Ga2S3/Ga2Se3 mixed crystalscould be prepared. The miscibility gap, given in the literature, couldnot be observed, but the phase transition between a monoclinic(Ga2S3) and cubic (Ga2Se3) phase. The powder diffraction patternsof the mixed phases with the compositions Ga2S2,4Se0,6 undGa2S0,6Se2,4 can be indexed hexagonally. The transport process oc-curs congruently. Thermochemical calculations as well as mass

1 Einleitung

Im Zusammenhang mit der Bildung und dem chemischenTransport von Mischphasen haben wir uns mit dem SystemGa2S3/Ga2Se3 beschäftigt. Uns interessierte hier das Aus-maß der Löslichkeit der beiden binären Randphasen in-einander, denn nach Literaturangaben sollte das System beiTemperaturen um 900 °C eine Mischunglücke aufweisen.Dies erscheint in Systemen Metallsulfid/Metallselenid auf-grund der doch recht ähnlichen Ionenradien der Sulfid- undSelenid-Ionen ungewöhnlich. Zum anderen ist beim chemi-schen Transport von Mischphasen die Frage von Anreiche-rungseffekten von generellem Interesse. Beim Transport vonGallium- oder Indiumverbindungen kann gegebenenfallsmit dem Auftreten von gasförmigen Subhalogeniden ge-rechnet werden, was im hier untersuchten System geprüftwerden sollte.

2 Phasenverhältnisse, kristallographischeEigenschaften, Literaturübersicht

Die Strukturen der Gallium(III)-sulfide und -selenide leitensich prinzipiell von der Zinkblende bzw. dem Wurtzit ab;1/3 der Kationen-Gitterplätze bleiben jeweils unbesetzt. Beider Sichtung der Literatur zu diesen Verbindungen wird ei-

* Prof. Dr. M. BinnewiesInstitut für Anorganische Chemie der UniversitätCallinstr. 9D-30167 HannoverE-mail: [email protected]

Z. Anorg. Allg. Chem. 2005, 631, 1675�1681 DOI: 10.1002/zaac.200500039 © 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 69451 Weinheim 1675

spectrometric investigations show that GaI3 (solid: Ga2S3) andGaI/GaI3 (Ga2Se3) are the gaseous species, due to the transportprocess. A congruent transport of all mixed phases in this systemcould be observed.

Keywords: Chemical vapor transport (CVT); Mixed crystals,Ga2S3/Ga2Se3

nige Verwirrung, insbesondere in der Bezeichnungsweise,deutlich. So werden in [2] ein kubisches α-Ga2S3, (stabilzwischen Raumtemperatur und 550.... 600 °C), ein mono-klines β-Ga2S3 (550...600 bis 1020 °C) und ein hexagonalesγ-Ga2S3 beschrieben. Diese Bezeichnungsweise folgt der inder Chemie üblichen Weise, Phasen gleicher Zusammenset-zung, die bei verschiedenen Temperaturen thermodyna-misch stabil sind, mit griechischen Buchstaben zu bezeich-nen, wobei die Tieftemperaturphase den Buchstaben α er-hält. α-Ga2S3, das sich vom kubischen Zinkblende-Typableitet, wurde von Hahn beschrieben und mit Pulver-methoden charakterisiert [3]. In dieser Arbeit wird aucheine hexagonale, als β-Ga2S3 bezeichnete Phase beschrie-ben, die sich vom Wurtzit-Typ ableitet. Zwei späteren Ar-beiten von Hahn et al. folgend [4, 5], soll zusätzlich eineweitere hexagonale Phase mit dreifacher Elementarzelleexistieren, die nach heutigem Kenntnisstand jedoch als einemonokline Phase angesehen werden muss. In dieser Arbeitschlagen die Autoren eine andere Bezeichnungsweise vor:Sie bezeichnen die kubische Phase nun als γ-Ga2S3, die he-xagonale, vom Wurtzit abgeleitete Form als β-Ga2S3 unddie “neue” hexagonale Phase als α-Ga2S3. α-Ga2S3 wirdspäter von Goodyear zunächst als monoklin mit a �12,637 A, b � 6,41 A, c � 7,03 A und β � 131,07 °beschrieben [6], später jedoch gleichfalls von Goodyear ineiner anderen Aufstellung monoklin in der Raumgruppe Ccmit a � 11,14 A, b � 6,41 A, c � 7,03 A und β � 121,22°)angegeben [7]. Das kubische Ga2S3 (erst α-Ga2S3, dann γ-Ga2S3 genannt) wurde außer von Hahn [3] bei Normal-druck von keinem Autor gefunden. Auch wir haben die ku-bische Modifikation in dem von Hahn angegebenen Exis-tenzbereich (unterhalb 550 °C) nicht erhalten [diese Arbeit],

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U. Hotje, R. Wartchow, E. Milke, M. Binnewies

so dass gewisse Zweifel an dessen Existenz angebracht er-scheinen. Neuhaus und Kaempffer [8] beschreiben jedochwiederum die von Hahn angegebene kubische Phase, jedochals Hochdruckmodifikation (oberhalb von 110 kbar) und800 °C, ein deutlicher Widerspruch also zu den von Hahnangegebenen Stabilitätsbedingungen dieser Phase. In einerspäteren Arbeit von Tomas [9] wird die von Hahn beschrie-bene hexagonale Phase mit der dreifachen Elementarzelle(Raumgruppe P61, a � 6,37 A, c � 18,0 A) wieder bestä-tigt. Nach unseren Untersuchungen ergibt sich eine Zellemit dieser Metrik jedoch auch, wenn man eine Verdrilli-gung der monoklinen Phase annimmt. Möglicherweise han-delt es sich bei der hexagonalen Phase mit der dreifachenElementarzelle und bei der monoklinen Phase um struktu-relle Varianten, die beim Abkühlen durch Phasenumwand-lung aus einer Hochtemperaturphase vom Wurtzit-Typ her-vorgehen.

Auch bei Gallium(III)-selenid stößt man in der Literaturauf Unstimmigkeiten. Während in [2] eine monokline (Cc)Tieftemperaturphase (α-Ga2Se3) beschrieben wird, die sichbei 730 °C in eine kubische Hochtemperaturphase(β-Ga2S3) umwandeln soll, gibt Hahn [3], wie später auchSuzuki lediglich eine bis zur Schmelztemperatur von1005 °C stabile kubische Phase an [10]. Mikkelsen [11] fin-det zwar eine monokline, von ihm als β-Ga2Se3 bezeichnete,und eine kubische, als γ-Ga2Se3 bezeichnete Phase; diesesind jedoch nicht als Tief- bzw. Hochtemperaturphase zubezeichnen. Welche der beiden aus der Schmelze gebildetwird, hängt nach seinen Angaben von der Kristallisations-geschwindigkeit und nicht von der Temperatur ab. Struktu-rell unterscheiden sich beide Phasen nur geringfügig vonein-ander: Beide leiten sich vom Zinkblende-Typ durch Nicht-besetzung von einem Drittel der Kationen-Gitterplätze ab.Diese erfolgt in der kubischen Phase statistisch, in dermonoklinen Phase in geordneter Weise.

Das Phasendiagramm des Systems Ga2S3/Ga2Se3 ist imTemperaturbereich zwischen 900 und ca. 1150 °C unter-sucht worden [12]. Da die binären Randphasen nicht isotypsind, ist eine vollständige Mischbarkeit nicht zu erwarten.Das Phasendiagramm ist in Abb. 1 dargestellt. Danach exis-tieren zwei ausgedehnte Mischkristallbereiche mit derStruktur der monoklinen Ga2S3-Phase auf der einen und

Abb. 1 Phasendiagramm des Systems Ga2S3/Ga2Se3 nach [12]

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der kubischen Ga2Se3-Phase auf der anderen Seite. Diesesind durch ein schmale Mischungslücke zwischen etwa 60und 70 Mol% Ga2S3 voneinander getrennt. Zwischen 940und 960 °C trennt eine gleichfalls schmale Mischungslückedas Existenzgebiet der hexagonalen Hochtemperaturphasedes Ga2S3 vom Existenzgebiet der kubischen Ga2Se3-Phase.

Um zusätzliche Verwirrung bei der Bezeichnung der un-terschiedlichen Phasen zu vermeiden, verwenden wir imFolgenden Bezeichnungen wie z. B. Ga2Se3 (kubisch).

Über den endothermen chemischen Transport von Ga2S3

mit Iod haben Nitsche et al. berichtet [13]. Einzelheiten überdie transportwirksame Reaktion sind jedoch nicht bekannt.Wilke zitiert zwar eine Arbeit, in der der Transport vonGa2Se3 beschrieben sein soll [14]. Beim Studium der zitier-ten Originalliteratur [15] zeigt sich jedoch, dass in der zitier-ten Arbeit das Sublimationsverhalten von GaSe beschrie-ben ist, keineswegs jedoch der Transport von Ga2Se3.

3 Ergebnisse und Diskussion

3.1 Transportexperimente

In Anlehnung an die Arbeit von Nitsche et al. [13] habenwir unsere Transportexperimente im System Ga2S3/Ga2Se3

gleichfalls mit Iod als Transportmittel durchgeführt. DerTemperaturgradient 950 � 800 °C hat sich als günstig er-wiesen. Ga2S3 scheidet sich in Form hell gelber, wohl ausge-bildeter Kristalle von ca. 1 mm Kantenlänge ab. Ga2Se3 istrot orange; dem entsprechend vertieft sich die Farbe derMischphasen mit zunehmendem Selengehalt. Die Zusam-mensetzungen der erhaltenen Mischphasen wurden röntge-nographisch bestimmt. Hierzu haben wir zunächst inSchritten von 10 Mol% Mischphasen durch Tempern bei900 °C in Gegenwart von wenig Iod als Mineralisatorgassynthetisiert, röntgenographisch untersucht und eine Bezie-hung zwischen dem Molvolumen und dem Stoffmengen-anteil Ga2Se3 hergestellt. Es ergab sich ein annähernd linea-rer Verlauf (Abb. 2). Die ermittelte Regressionsgerade

Abb. 2 Molvolumen Vmol im System Ga2S3/Ga2Se3

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Chemischer Transport fester Lösungen. 19

Tabelle 1 Übersicht über die Transportexperimente im System Ga2S3/Ga2Se3

ABK QBK SBKa/pm a/pm a/pmb/pm b/pm b/pmVersuchs- Zusammen- Transport-c/pm c/pm c/pmnummer setzung rate/mg·h�1V/pm3·106 V/pm3·106 V/pm3·106

β/° β bzw. γ /° β bzw. γ /°Kristallsystem Kristallsystem Kristallsystem

1112(1) 1113(3) 1114(3)640,5(1) 641,3(1) 641,1(1)703,6(1) 703,6(1) 704,1(1)1 Ga2S3 2,3429,1(1) 429,5(2) 430,1(1)121,16(1) 121,20(2) 121,19(2)monoklin monoklin monoklin

1117(1) 1107(9) 1116(1)644,5(1) 635,6(43) 644,1(4)707,1(1) 701,6(40) 706,2(4)2 Ga2S2,7Se0,3 1,49436,2(1) 425,4(62) 434,7(7)121,13(1) 120,51(52) 121,13(5)monoklin monoklin monoklin

1118(1) 361,6(2) 520,5(1) 361,9(1)644,5(7)707,1(6) 1560(5) 1567(1)3 Ga2S2,4Se0,6 0,36436,2(3) 176,6(2) 141,0(2) 177,7(3)121,09(6) 120 90 120monoklin hexagonal kubisch hexagonal

1122(1) 1125(1) 1129(1)646,3(7) 649,4(6) 650,8(1)707,6(8) 712,8(6) 714,1(1)4 Ga2S2,1Se0,9 2,81439,1(2) 445,7(9) 449,5(2)121,16(14) 121,10(7) 121,08(2)monoklin monoklin monoklin

1133(1) 533,6(5) 1134(1)649,4(20) 653,8(1)719,1(18) 717,2(1)5 Ga2S1,8Se1,2 2,47452,5(34) 152,0(3) 455,8(2)121,20(3) 90 121,03(2)monoklin kubisch monoklin

1133(1) 538,3(2) 1137(1)653,1(3) 655,4(2)717,4(2) 719,5(1)6 Ga2S1,5Se1,5 2,48454,6(4) 156,0(1) 459,6(3)121,13(3) 90 121,01(2)monoklin kubisch monoklin

538,1(4) 538,4(2) 537,5(1)538,1(4) 538,44(24) 537,52(9)538,1(4) 538,44(24) 537,52(9)7 Ga2S1,2Se1,8 3,27155,8(2) 156,1(1) 155,3(1)90 90 90kubisch kubisch kubisch

540,5(3) 539,2(7) 539,4(1)540,5(3) 539,2(7) 539,36(6)540,5(3) 539,2(7) 539,36(6)8 Ga2S0,9Se2,1 2,1157,9(2) 156,8(4) 156,9(1)90 90 90kubisch kubisch kubisch

542,4(1) 536,9(2) 372,1(1) 539,8(1)

1587(2)9 Ga2S0,6Se2,4 0,98159,6(1) 154,8(2) 190,3(3) 157,3(3)90 90 120 90kubisch kubisch hexagonal kubisch

544,2(3) 544,5(1) 544,9(1)

10 Ga2S0,3Se2,7 3,75161,2(1) 161,4(1) 161,8(1)90 90 90kubisch kubisch kubisch

546,3(2) 546,5(1) 546,2(1)

11 Ga2Se3 4,75163,0(1) 163,2(1) 162,959(1)90 90 90kubisch kubisch kubisch

Z. Anorg. Allg. Chem. 2005, 631, 1675�1681 zaac.wiley-vch.de © 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 69451 Weinheim 1677

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Abb. 3 Zusammenhang zwischen den Zusammensetzungen vonQuellen- und Senkenbodenkörpern

diente zur Bestimmung der Zusammensetzungen unsererProben. In Tabelle 1 sind die röntgenographischen Befunde(Gitterkonstanten, Winkel, Kristallsystem) an den getem-perten Ausgangsbodenkörpern (ABK), den Quellenboden-körpern (QBK) (nach dem Transport) und den Senken-bodenkörpern (SBK) sowie die Transportraten zusammen-gestellt. Der Transport erfolgt im wesentlichen kongruent,nennenswerte Anreicherungseffekte werden nicht beobach-tet (Abbildung 3). Bei keiner der zahlreichen von uns herge-stellten Ausgangsbodenkörper haben wir aus den röntgeno-grafischen Untersuchungen Hinweise darauf erhalten, dasszwei Phasen nebeneinander gebildet werden. Dies lässtZweifel an dem publizierten Phasendiagramm aufkommen,

Abb. 4 Pulverdiffraktogramm des Senkenbodenkörpers von Ga2S2,,4Se0,6

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das eine Koexistenz zweier Phasen im Bereich zwischenetwa 60 und 70 Mol% Ga2S3 erwarten lässt. Bei Experiment4 (Tabelle 1 und Abbildung 3 haben wir in der Senke nurdie monokline Phase mit einem Stoffmengenanteil von ca.65 % Ga2S3 erhalten. Laut Phasendiagramm sollte jedochbei dieser Zusammensetzung auch die kubische Phase gebil-det werden. Aus unseren Untersuchungen ergibt sich jedochkeinerlei Hinweis hierauf. Wir sind der Meinung, dass dieangegebene Mischungslücke die tatsächlichen Verhältnissenicht korrekt beschreibt. In der dem publizierten Phasen-diagramm [12] zugrunde liegenden Originalliteratur [16]wird die Mischungslücke zwischen 61 und 69 mol% Ga2S3

angegeben. Geschlossen wird dies aus röntgenographischenUntersuchungen an Proben, die 1000 Stunden bei 700 °Cgetempert wurden. Offenbar wurde die Breite der Mi-schungslücke als temperaturunabhängig angenommen undder bei 700 °C erhaltene Befund bis hin zu 940 °C extra-poliert. Aus thermodynamischen Gründen muss eineMischungslücke mit steigender Temperatur prinzipiellschmaler werden, sodass die Diskrepanz zwischen unsererBeobachtung und den Literaturangaben damit zusammenhängen könnte.

Eine Besonderheit in diesem System finden wir beim che-mischen Transport der Mischphasen Ga2S2,4Se0,6 undGa2S0,6Se2,4. Auffallend sind die kleinen Transportraten,die bis zu einem Faktor 10 kleiner sind als die Transport-raten der übrigen Mischphasen. Auch die symmetrischeLage dieser beiden Mischphasen in dem System ist bemer-kenswert. Desweiteren zeigen röntgenographische Untersu-chungen der Quellen- und Senkenbodenkörper eine weitere,in diesem System ansonsten unbekannte Modifikation, einehexagonale Struktur, die neben einer kubischen Modifika-tion vorliegt. Das Auftreten einer hexagonalen Struktur beidiesen beiden Mischphasen ist ebenfalls ungewöhnlich, da

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sie bei keiner anderen Mischphase auftritt. Vermutlich spie-len Ordnungseffekte bei der Ausbildung der hexagonalenPhase eine Rolle, die lediglich bei ganz bestimmten Zusam-mensetzungen auftreten. Die Kristalle der hexagonalenPhase erwiesen sich für Einkristalluntersuchungen als unge-eignet, sodass deren Struktur nicht bestimmt werdenkonnte. Es wurden jedoch Gitterkonstanten erhalten, mitderen Hilfe die Pulverdiffraktogramme indiziert werdenkonnten. Abbildung 4 zeigt das Pulverdiffraktogramm deshexagonalen Senkenbodenkörpers der MischphaseGa2S2,4Se0,6 mit den dazugehörigen hkl-Werten.

3.2 Thermodynamische Betrachtungen

Wir haben mit dem Rechenprogramm CVTrans [17] das Re-aktionsgeschehen bei den Experimenten unter Einbezie-hung der in Tabelle 2 zusammengestellten Verbindungenund ihren thermodynamischen Daten simuliert, um Auf-schluss über die transportwirksamen Reaktionen zu erhal-ten. Abbildung 5 zeigt den Verlauf der Partialdrücke derdominierenden Gasspezies im System Ga2S3/I2 unter den

Tabelle 2 Thermodynamische Daten der in der Rechnung berück-sichtigten Verbindungen [18]

ΔH°298 S°298 cp � a � b·10�3T � c·106T�2 � d·10�6T2

Substanz kJ·mol�1 J·K�1·mol�1 kJ·mol�1

a b c d

GaI, g 17,2 259,6 37,99 0,66 �0,15 0GaI3, g �137,6 386 82,76 0,21 �0,57 0I, g 106,8 180,8 20,39 0,4 0,03 0I2, g 62,2 260,2 37,25 0,78 �0,05 0S2, g 128,6 228,2 35,06 2,58 �0,29 0Se2, g 136,7 243,6 44,6 �2,66 �0,25 0Ga2S3, s �516,3 142,3 90,5 47,28 0 0Ga2Se3, s �408,8 179,9 105,73 35,31 0 0

Abb. 5 Partialdrücke im System Ga2S3/I2 bei pAnf(I2) � 1 bar(pnorm � p/ pAnf(I2))

Z. Anorg. Allg. Chem. 2005, 631, 1675�1681 zaac.wiley-vch.de © 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 69451 Weinheim 1679

unten beschriebenen experimentellen Bedingungen. Manerkennt, dass der Partialdruck von I2 mit steigender Tempe-ratur abnimmt, während der von GaI3 zunächst zunimmt,bei etwa 1000 °C ein Maximum durchläuft und bei nochhöheren Temperaturen wieder abnimmt. GaI(g) spielt erstbei Temperaturen oberhalb von ca. 1000 °C eine Rolle. Esist also im hier angewandten Temperaturgradienten einendothermer Transport entsprechend folgender Transport-gleichung zu erwarten:

Ga2S3(s) � 3 I2(g)�2 GaI3(g) � 3/2 S2(g)

Die berechnete Transportrate (12,5 mg/h) stimmt in etwamit der experimentell gefundenen überein (Tabelle 1). ImGa2Se3/I2-System (Abbildung 6) sind die Verhältnisse deut-lich anders: Hier liegt das Maximum in der Partialdruck-kurve von GaI3 etwa bei 800 °C, GaI(g) spielt bereits ab900 °C eine nennenswerte Rolle. Ein Transport entspre-chend der Reaktionsgleichung

Abb. 6 Partialdrücke im System Ga2Se3/I2 bei pAnf(I2) � 1 bar(pnorm � p/ pAnf(I2))

Ga2Se3(s) � 3 I2(g)�2 GaI3(g) � 3/2 Se2(g)

ist unterhalb von ca. 800 °C zu erwarten, bei Temperaturenoberhalb von 900 °C wird die folgende Reaktion transport-wirksam:

Ga2Se3(s) � 2 GaI3(g)�3 GaI(g) � 3/2 Se2(g)

Unsere Experimente sind genau in dem Temperaturbereichdurchgeführt worden, in der ein Übergang zwischen denbeiden angeführten transportwirksamen Reaktionen erwar-tet wird. Für Ga2Se3 kann also nicht eindeutig gesagt wer-den, welche der beiden Reaktionen die für den Transportef-fekt bedeutsamere ist. Man berechnet für Ga2Se3 eineTransportrate von 8,3 mg/h, also einen Wert, der auch inetwa mit dem experimentell bestimmten übereinstimmt.Der Transport der Mischphasen sollte ganz entsprechendzu beschreiben sein.

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3.3 Massenspektrometrische Untersuchungen

Mithilfe einer früher beschriebenen Messanordnung(Knudsendoppelzelle/Massenspektrometer) [19] haben wirdie Reaktion von festem Ga2S3 mit Iod untersucht. Ziel derUntersuchungen war es, die sich aus den thermodynami-schen Rechnungen ergebenden transportwirksamen Reak-tionen auch experimentell zu bestätigen. Hierzu wurde Iodbei Raumtemperatur verdampft und bei 800 °C mit festemGa2S3 zur Reaktion gebracht. Die dabei entstehendengasförmigen Reaktionsprodukte verlassen die Knudsenzelleals Molekularstrahl und werden massenspektrometrisch(EI, 70 eV) analysiert. Dabei haben wir folgendes Massen-spektrum beobachtet (Ionenströme (relative Einheiten) inKlammern):

S2� (100), Ga�(17,7) I�(46,7), HI�(21,5), GaI� (87,0)

Das Massenspektrum zeigt die Bildung von gasförmigemGaI, von S2-Molekülen und von gasförmigem I (HI bildetsich durch Sekundärreaktionen innerhalb des Massenspek-trometers). Dies ist eine deutlich andere Gasphasenzusam-mensetzung als die oben für dieses System berechnete. Hiermuss allerdings berücksichtigt werden, dass der Gesamt-druck bei den massenspektrometrischen Untersuchungenwesentlich niedriger ist (ca. 10�5 bar) als bei den präparati-ven Experimenten. Aus diesem Grunde haben wir mit denangegebenen Verbindungen und ihren thermodynamischenDaten eine Gleichgewichtsberechnung bei einem Anfangs-druck pAnf(I2) von 10�5 bar durchgeführt. Das Ergebnis istin Abbildung 7 dargestellt. Mann erkennt, dass unter diesenBedingungen bei 800 °C nur mit GaI(g), S2(g) und I(g) zurechnen ist, wobei die Partialdrücke dieser drei Gasspeziesetwa in der gleichen Größenordnung sein sollten. Dies ent-spricht in guter Näherung den massenspektrometrisch ge-fundenen Intensitäten der oben angeführten Ionen. Offen-

Abb. 7 Partialdrücke im System Ga2S3/I2 bei pAnf(I2) � 10�5 bar(pnorm � p/ pAnf(I2))

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bar sind die verwendeten thermodynamischen Daten hinrei-chend genau, um die Gleichgewichtssituation zuverlässigzu beschreiben.

4 Experimentelles

Zur Darstellung der Mischphasen wurden die Elemente Gallium inMetallstücken (99,99 %, PPM Pure Metal GmbH), Schwefelblume(99,5 %, E. Merck AG) undSe-Pulver (grau) (99,5 %, E. MerckAG) in der gewünschten Zusammensetzung mit einer Ansatzmengevon je 1 g in zuvor ausgeheizte, zylindrische Quarzglasampullen miteinem Innendurchmesser von 8 mm (Wandstärke 1 mm) und einerLänge von ca. 150 mm gefüllt. Es wurden jeweils einige Milli-gramm Iod ( 99,9 %, Riedel de Haen) als Mineralisator hinzuge-fügt. Die Ampullen wurden mit flüssigem Stickstoff gekühlt, umdie Sublimation des Iods zu unterbinden, evakuiert und abge-schmolzen. Die Mischungen wurden in einem Röhrenofen bei900 °C vier Tage getempert.

Der größte Teil der so erhaltenen Produkte diente als Quellen-bodenkörper bei den Transportexperimenten, der Rest für die rönt-genographischen Untersuchungen. Der Transport fand in zuvorausgeheizten Quarzampullen (Länge 150 mm, Innendurchmesser10 mm) statt. Als Transportmittel wurden 15 mg Iod eingesetzt.Dies entspricht einem Anfangsdruck bei der mittleren Transport-temperatur von ca. 600 hPa. Die Transportampullen wurden in ei-nem Röhrenofen mit zwei unabhängig voneinander regelbarenHeizzonen eingebracht. Als günstig hat sich der Temperaturgra-dient 950 � 800 °C erwiesen. Vor dem chemischen Transport(Transportdauer 24 h) wurde ein zwölfstündiger Klartransportdurchgeführt.

Anschließend wurden die Gitterparameter der getemperten Eduktesowie der Quell- und Senkenbodenkörper aus den Pulverdiffrakto-grammen (Stoe Pulverdiffraktometrie System Stadi P mit PDS) mitdem Werner Algorithmus (STOE WinXPow Ver. 1.08) bestimmt.Die Gitterparameter der monoklinen Phasen sowie die hexagona-len Phasen bei Ga2S2,4Se0,6 und Ga2S0,6Se2,4 wurden mit Hilfe desProgramms FINAX [20] ermittelt. Die Zusammensetzungen derQuellen- und Senkenbodenkörper wurden aus den Gitterpara-metern ermittelt.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds derChemischen Industrie danken wir für die Unterstützung dieserArbeit.

Literatur

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