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52 Arthroskopie 1 · 2001 1996 fiel erstmals ein postope- rativer Verlauf einer arthroskopisch ge- stützten vorderen Kreuzbandplastik mit Patellarsehnentransplantat auf, der kli- nisch zwar das Bild einer Arthritis bot, bei dem jedoch mikrobiologisch eine bakterielle Infektion ausgeschlossen wer- den konnte. Nach wiederholten Punktionen wurde dann serologisch im Punktat ein erhöhter IgA-Titer gegen Chlamydien nachgewiesen. Dieser Fall war Anlass, nach Hinweisen in der Literatur zu suchen. Sexuell übertragene Chlamydien können ein sehr variables klinisches Krankheitsbild auslösen, welches von leichten Ausflussbeschwerden im Geni- talbereich über wechselnde Abdominal- beschwerden, Konjunktivitis und Neu- geborenenpneumonie bis hin zu Arthri- tiden reicht. Die sexuell übertragenen Chlamydiae trachomatis lassen sich bei 5–10% der jungen, sexuell aktiven Er- wachsenen in Deutschland nachweisen [4]. Dabei verlaufen > 90% der Infektio- nen asymptomatisch [1]. Wenn es im Rahmen einer Chlamy- dieninfektion zu Arthritiden kommt, muss davon ausgegangen werden,dass ein chro- nischer Verlauf vorliegt. Es handelt sich um eine reaktive aseptische Arthritis [2]. Die Chlamydien werden von peri- pheren Monozyten aufgenommen und im Körper gestreut. Diese Monozyten werden in Geweben sesshaft und diffe- renzieren sich zu Gewebemakrophagen, die über lange Zeiträume (Monate) über- leben können. Als Folge kann es dann u. a. zur reaktiven Arthritis kommen [2, 4]. Diese als chronische Infektion zu wertende Form lässt sich nur noch sero- logisch diagnostizieren, ein Erreger- nachweis ist derzeit im Gelenk nicht möglich.PCR-LCR-Untersuchungen aus Gelenkpunktat sind momentan noch zu unspezifisch [1]. Der chronische Krankheitsverlauf wird durch das Vorhandensein von IgA- und IgG-Antikörpern diagnostiziert [4]. Solitär nachweisbare IgA-Antikörper bei asymptomatischen Patienten sprechen für über viele Wochen persistierende Er- reger, die keiner Primärinfektion mehr zuzuordnen sind. Dagegen sollen solitär vorkommende, konstante IgG-Titer (Sero- narbe) auf eine vor längerer Zeit durch- gestandene Chlamydieninfektion hin- weisen [4]. Erhöhungen der IgA-Anti- körper im Erguss könnten für die lokale Bildung von sekretorischem IgA spre- chen, die als erster Schritt der Abwehr- mechanismen in Gang gesetzt wird [4]. Fallbeschreibungen und Diskussion Vom 1.1.1996–30.9.2000 wurden in der Tagesklinik 161 arthroskopisch gestützte vordere Kreuzbandplastiken mit Pa- tellarsehnentransplantat durchgeführt. Die Operationen erfolgten in einer mo- difizierten Technik nach Werner Müller [3] immer vom gleichen Operateur. Es trat keine bakterielle Infektion auf. In diesem Zeitraum wurden zu- sätzlich zum oben beschriebenen Fall 4 weitere, gleichartig verlaufende Synovi- tiden gefunden. Beim 2. Auftreten wurde schon bewusst eine chlamydienindu- zierte Arthritis in die Differenzialdiag- nose einbezogen. Die Fälle sind in Ta- belle 1 zusammengestellt. Auffällig ist, Arthroskopie 2001 · 14 : 52–53 © Springer-Verlag 2001 Fallbericht H. Schmidt · J. Lützner Orthopädische Praxis, Dresden Chlamydieninduzierte Synovialitis nach Kreuzbandplastik Klinischer Erfahrungsbericht Priv. Doz. Dr. H. Schmidt Orthopädische Praxis, Schlehenstraße 2, 01169 Dresden Tel.: 0351-4115320, Fax: 0351-4163018 Zusammenfassung Patienten: Zwischen dem 1.10.1996 und dem 30.9.2000 wurden in unserer Tages- klinik 161 arthroskopisch gestützte vordere Kreuzbandplastiken mit Lig.-patellae-Trans- plantat durchgeführt. Ergebnisse: Bei 5 Patienten traten im post- operativen Verlauf Arthritiden auf,wobei die mikrobiologische Untersuchung der Punk- tate immer steril war.Durch serologische Untersuchungen konnten erhöhte Chlamy- dien-IgA- und -IgG-Titer diagnostiziert werden. Unter gezielter Antibiose waren die Arthritissymptome innerhalb von 3–4 Wochen komplett rückläufig und traten nicht wieder auf. Schlüsselwörter Synovialitis · Chlamydien · Kreuzbandplastik

Chlamydieninduzierte Synovialitis nach Kreuzbandplastik

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Page 1: Chlamydieninduzierte Synovialitis nach Kreuzbandplastik

52 Arthroskopie 1 · 2001

1996 fiel erstmals ein postope-rativer Verlauf einer arthroskopisch ge-stützten vorderen Kreuzbandplastik mitPatellarsehnentransplantat auf, der kli-nisch zwar das Bild einer Arthritis bot,bei dem jedoch mikrobiologisch einebakterielle Infektion ausgeschlossen wer-den konnte. Nach wiederholten Punktionenwurde dann serologisch im Punktat einerhöhter IgA-Titer gegen Chlamydiennachgewiesen. Dieser Fall war Anlass,nach Hinweisen in der Literatur zu suchen.

Sexuell übertragene Chlamydienkönnen ein sehr variables klinischesKrankheitsbild auslösen, welches vonleichten Ausflussbeschwerden im Geni-talbereich über wechselnde Abdominal-beschwerden, Konjunktivitis und Neu-geborenenpneumonie bis hin zu Arthri-tiden reicht. Die sexuell übertragenenChlamydiae trachomatis lassen sich bei5–10% der jungen, sexuell aktiven Er-wachsenen in Deutschland nachweisen[4]. Dabei verlaufen > 90% der Infektio-nen asymptomatisch [1].

Wenn es im Rahmen einer Chlamy-dieninfektion zu Arthritiden kommt,mussdavon ausgegangen werden, dass ein chro-nischer Verlauf vorliegt. Es handelt sichum eine reaktive aseptische Arthritis [2].

Die Chlamydien werden von peri-pheren Monozyten aufgenommen undim Körper gestreut. Diese Monozytenwerden in Geweben sesshaft und diffe-renzieren sich zu Gewebemakrophagen,die über lange Zeiträume (Monate) über-leben können. Als Folge kann es dann u. a.zur reaktiven Arthritis kommen [2,4].

Diese als chronische Infektion zuwertende Form lässt sich nur noch sero-logisch diagnostizieren, ein Erreger-nachweis ist derzeit im Gelenk nichtmöglich. PCR-LCR-Untersuchungen aus

Gelenkpunktat sind momentan noch zuunspezifisch [1].

Der chronische Krankheitsverlaufwird durch das Vorhandensein von IgA-und IgG-Antikörpern diagnostiziert [4].Solitär nachweisbare IgA-Antikörper beiasymptomatischen Patienten sprechenfür über viele Wochen persistierende Er-reger, die keiner Primärinfektion mehrzuzuordnen sind. Dagegen sollen solitärvorkommende,konstante IgG-Titer (Sero-narbe) auf eine vor längerer Zeit durch-gestandene Chlamydieninfektion hin-weisen [4]. Erhöhungen der IgA-Anti-körper im Erguss könnten für die lokaleBildung von sekretorischem IgA spre-chen, die als erster Schritt der Abwehr-mechanismen in Gang gesetzt wird [4].

Fallbeschreibungen undDiskussion

Vom 1.1.1996–30.9.2000 wurden in derTagesklinik 161 arthroskopisch gestütztevordere Kreuzbandplastiken mit Pa-tellarsehnentransplantat durchgeführt.Die Operationen erfolgten in einer mo-difizierten Technik nach Werner Müller[3] immer vom gleichen Operateur. Estrat keine bakterielle Infektion auf.

In diesem Zeitraum wurden zu-sätzlich zum oben beschriebenen Fall 4weitere, gleichartig verlaufende Synovi-tiden gefunden. Beim 2.Auftreten wurdeschon bewusst eine chlamydienindu-zierte Arthritis in die Differenzialdiag-nose einbezogen. Die Fälle sind in Ta-belle 1 zusammengestellt. Auffällig ist,

Arthroskopie2001 · 14 : 52–53 © Springer-Verlag 2001 Fallbericht

H. Schmidt · J. LütznerOrthopädische Praxis, Dresden

ChlamydieninduzierteSynovialitis nachKreuzbandplastikKlinischer Erfahrungsbericht

Priv. Doz. Dr. H. SchmidtOrthopädische Praxis,Schlehenstraße 2, 01169 DresdenTel.: 0351-4115320, Fax: 0351-4163018

Zusammenfassung

Patienten: Zwischen dem 1.10.1996 unddem 30.9.2000 wurden in unserer Tages-klinik 161 arthroskopisch gestützte vordereKreuzbandplastiken mit Lig.-patellae-Trans-plantat durchgeführt.Ergebnisse: Bei 5 Patienten traten im post-operativen Verlauf Arthritiden auf, wobei diemikrobiologische Untersuchung der Punk-tate immer steril war. Durch serologischeUntersuchungen konnten erhöhte Chlamy-dien-IgA- und -IgG-Titer diagnostiziertwerden. Unter gezielter Antibiose waren dieArthritissymptome innerhalb von 3–4Wochen komplett rückläufig und tratennicht wieder auf.

Schlüsselwörter

Synovialitis · Chlamydien · Kreuzbandplastik

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dass die chlamydieninduzierte Arthritisbisher nur junge Männer im Alter von24–35 Jahren betraf.

Bei den ersten beiden Fällen ver-gingen über 4 Wochen, bis die Diagnosechlamydienbedingte Arthritis gestelltwurde. Beim 3. und 5. Fall wurde noch in-nerhalb der 3.Woche an eine chlamydien-bedingte Arthritis gedacht. Beim 4. Falltraten nach anfänglich unauffälligemVerlauf erst 5 Wochen postoperativ Ar-thritiszeichen auf und aus dem erstenPunktat wurde neben den üblichen Labor-untersuchungen sofort auch die Sero-logie auf Chlamydien mit durchgeführt.

Zum jetzigen Zeitpunkt wird beientsprechendem postoperativem Verlauffrühzeitig an eine chlamydieninduzierteArthritis gedacht.

Nach Sicherung der Diagnose wurdeimmer antibiotisch behandelt. Anfangswurde aufgrund des breiten SpektrumsCiprofloxacin eingesetzt, später auf Emp-fehlung der Mikrobiologen Doxycyclin.Nach Petersen u. Clad [3] sind Tetrazy-kline, Chinolone und Makrolide bei Chla-mydieninfektionen erfolgreich, Zepha-losporine und Penizilline nicht wirksam.

Bei 1 der 5 Patienten sind 1 Jahr post-operativ sowohl das subjektive Ergebnisschlecht als auch der objektive Lach-man-Test positiv.Dieser Patient gab aller-dings auch 2 neue Traumen beim Fuß-ball vor dieser Nachuntersuchung an.

Bei den anderen Patienten scheintdie chlamydieninduzierte Synovitis nichtzu einem schlechten Ergebnis geführt zuhaben. Eine exakte Auswertung nachIKCD ist bisher nicht erfolgt.

Die Arbeitsunfähigkeit ist im Ver-gleich zu unkomplizierten Verläufen mitdurchschnittlich 50–60 Tagen eindeutigverlängert (Tabelle 1).

Bei auffälligen postoperativen Er-güssen, die klinisch das Bild einer Ar-thritis zeigen, sollte nach Ausschlusseiner bakteriellen Infektion an eine chla-mydieninduzierte Arthritis gedacht wer-den und nach Diagnosesicherung recht-zeitig antibiotisch behandelt werden.

Bei einem Anteil von 3,1% chlamy-dienassoziierter Arthritiden erscheint essinnvoll, vor der geplanten vorderenKreuzbandplastik eine serologische Ab-klärung durchzuführen.

Literatur1. Anonymus (1997) Konsensuspapier zum Ex-

pertengespräch „Chlamydiendiagnostik“.Mikrobiologie 7:19–21

2. Böttcher M,Wollenhaupt J (2000) ReaktiveArthritis durch Chlamydieninfektionen: Klinikund Diagnostik. medac-Folder,Wedel

3. Müller W (persönliche Mitteilung)4. Petersen EE, Clad A (1995) Genitale Chlamy-

dieninfektionen. Dtsch Ärzteblatt 92:A-277–282

H. Schmidt · J. Lützner

Chlamydia-associated arthritisafter anterior cruciate ligamentreconstruction

Abstract

Patients: Between 1 January 1996 and 30September 2000, 161 patients were operat-ed on using arthroscopic-based anterior cru-ciate ligament reconstruction with ligamen-tum patellae transplant.Results: In five patients sterile arthritis oc-curred postoperatively. Increased ChlamydiaIgA and IgG could be diagnosed in all pa-tients. Under antibiotic treatment symptomsof arthritis disappeared completely within3–4 weeks and did not reoccur.

Keywords

Synovitis · Chlamydia · Anterior cruciateligament reconstruction

Arthroskopie2001 · 14 : 52–53 © Springer-Verlag 2001

Tabelle 1Fallübersicht

Patient Alter Ge- Operations- Punk- Labor bei Serologie Therapie Subjektives Objektives Dauer der [Jahre] schlecht datum tionen 1. Punktion Ergebnis Ergebnis Arbeits-

bis zum unfähig-1.Ver- keit dacht [Tage]

H. R. 24 m 14.10.96 2 Leukozyten 10,2 30. postoperativer Tag Ciprobay Partiell zufrieden Lachman (+) 124CRP 0,6 IgA 1:170 22 TageSteril

P. K. 35 m 15.9.97 2 Leukozyten ./. 32. postoperativer Tag Ciprobay Zufrieden Lachman (+) 135CRP 2,46 IgA 1:2048 12 TageSteril

B. R. 25 m 18.12.98 2 Leukozyten 15,4 20. postoperativer Tag Ciprobay Zufrieden Lachman (+) 94CRP 23,4 IgA 1:145 15 TageSteril IgG 1:410 Doxycyclin

28 Tage

S. J. 34 m 19.4.99 1 Leukozyten ./. 39. postoperativer Tag Doxycyclin Nicht zufrieden Lachman + 87CRP 2,2 IgA 1:430 42 TageSteril IgG 1:85

H. D. 32 m 13.6.00 1 Leukozyten ./. 16. postoperativer Tag Doxycyclin 140CRP 11,3 IgA 277 21 TageSteril IgG 458