24
Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte Sitzung 8.12.2009)

Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

Christian Thies

Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie

Vorlesungan der Philosophischen Fakultät

der Universität Passauim Wintersemester 2009/10(Achte Sitzung 8.12.2009)

Page 2: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

2

Achter Termin (8.12.2009)

(1) Fortsetzung Karl MARX

(2) Fragen

(3) Ausblick auf den nächsten Termin

Page 3: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

3

Karl MARX

• nicht Deutung, sondern Veränderung kritische Theorie in praktischer Absicht

• nicht Idealismus, sondern Materialismus, aber dieser nicht im Denken, sondern als Praxis– erkenntnistheoretisch: nicht Begriff, sondern Anschauung, aber

diese nicht passiv, sondern aktiv (bzw. konstruktiv)– ontologisch: nicht Geist, sondern Materie, aber diese selbst

hergestellt (in der menschlichen Welt)

• nicht Mensch, sondern Gesellschaft• Einbezogenheit des Geschichtsphilosophen in den

historischen Prozess

Page 4: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

4

Alles Geschichte (?)

„Wir kennen nur eine einzige Wissenschaft, die

Wissenschaft der Geschichte. Die Geschichte kann von

zwei Seiten aus betrachtet, in die Geschichte der Natur

und die Geschichte der Menschen abgeteilt werden.

Beide Seiten sind indes nicht zu trennen, solange

Menschen existieren, bedingen sich Geschichte der

Natur und Geschichte der Menschen gegenseitig.“ (MEW III: 18 – gestrichene Textpassage!)

Page 5: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

5

Historischer Materialismus

„Die Voraussetzungen, mit denen wir beginnen, sind keine willkürlichen, keine Dogmen, es sind wirkliche Voraussetzungen, von denen man nur in der Einbildung abstrahieren kann. Es sind die wirklichen Individuen, ihre Aktion und ihre materiellen Lebensbedingungen, sowohl die vorgefundenen als auch durch ihre eigne Aktion erzeugten. Diese Voraussetzungen sind also auf rein empirischem Wege konstatierbar.Die erste Voraussetzung aller Menschengeschichte ist natürlich die Existenz lebendiger menschlicher Individuen. Der erste zu konstatierende Tatbestand ist also die körperliche Organisation dieser Individuen und ihr dadurch gegebenes Verhältnis zur übrigen Natur. Wir können hier weder auf die physische Beschaffenheit der Menschen selbst noch auf die von den Menschen vorgefundenen Naturbedingungen, die geologischen, orohydrographischen, klimatischen und andern Verhältnisse eingehen. Alle Geschichtsschreibung muß von diesen natürlichen Grundlagen und ihrer Modifikation im Lauf der Geschichte durch die Aktion der Menschen ausgehen.“ (MEW III: 20/21)

Page 6: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

6

Historischer Materialismus (2)

„Man kann die Menschen durch das Bewußtsein, durch die Religion, durch was

man sonst will, von den Tieren unterscheiden. Sie selbst fangen an, sich von

den Tieren zu unterscheiden, sobald sie anfangen, ihre Lebensmittel zu

produzieren, ein Schritt, der durch ihre körperliche Organisation bedingt ist.

Indem die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, produzieren sie indirekt ihr

materielles Leben selbst.

Die Weise, in der die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, hängt zunächst

von der Beschaffenheit der vorgefundenen und zu reproduzierenden

Lebensmittel selbst ab. Diese Weise der Produktion ist … schon … eine

bestimmte Lebensweise … Wie die Individuen ihr Leben äußern, so sind sie.

Was sie sind, fällt also zusammen mit ihrer Produktion, sowohl damit, was sie

produzieren, als auch damit, wie sie produzieren. Was die Individuen also sind,

das hängt ab von den materiellen Bedingungen ihrer Produktion.“ (MEW III: 21)

Page 7: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

7

Historischer Materialismus (3)

„Diese Produktion tritt erst ein mit der Vermehrung der Bevölkerung. Sie setzt

selbst wieder einen Verkehr der Individuen untereinander voraus. Die Form

dieses Verkehrs ist wieder durch die Produktion bedingt.

Die Beziehungen verschiedener Nationen untereinander hängen davon ab, wie

weit jede von ihnen ihre Produktivkräfte, die Teilung der Arbeit und den innern

Verkehr entwickelt hat. … Aber nicht nur die Beziehung einer Nation zu andern,

sondern auch die ganze innere Gliederung dieser Nation selbst hängt von der

Entwicklungsstufe ihrer Produktion und ihres innern und äußern Verkehrs ab.

Wie weit die Produktionskräfte einer Nation entwickelt sind, zeigt am

augenscheinlichsten der Grad, bis zu dem die Teilung der Arbeit entwickelt ist.

Jede neue Produktivkraft, sofern sie nicht eine bloß quantitative Ausdehnung

der bisher schon bekannten Produktivkräfte ist (z.B. Urbarmachung von

Ländereien), hat eine neue Ausbildung der Teilung der Arbeit zur Folge.“ (MEW

III: 21/22)

Page 8: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

8

Historischer Materialismus (4) mit Zitaten aus dem Manifest der Kommunistischen Partei (1848)

„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von

Klassenkämpfen. …

Die Bourgeoisie hat in der Geschichte eine höchst revolutionäre Rolle gespielt.

Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen ist, hat alle feudalen,

patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört. Sie hat die buntscheckigen

Feudalbande … unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen

Mensch und Mensch übriggelassen, als das nackte Interesse, als die gefühllose

‚bare Zahlung‘. …

Die Waffen, womit die Bourgeoisie den Feudalismus zu Boden geschlagen hat,

richten sich jetzt gegen die Bourgeoisie selbst. Aber die Bourgeoisie hat nicht

nur die Waffen geschmiedet, die ihr den Tod bringen werden; sie hat auch die

Männer gezeugt, die diese Waffen führen werden – die modernen Arbeiter, das

Proletariat. …

Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats sind gleich unvermeidlich.“

Page 9: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

9

Historischer Materialismus (5)

„Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis, daß Rechtsverhältnisse wie

Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind noch aus der

sogenannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern

vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit

Hegel, nach dem Vorgang der Engländer und Franzosen des 18. Jahrhunderts,

unter dem Namen ‚bürgerliche Gesellschaft‘ zusammenfaßt, daß aber die

Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Ökonomie zu suchen

sei. …

Das allgemeine Resultat, das sich mir ergab und, einmal gewonnen, meinen

Studien zum Leitfaden diente, kann kurz zu formuliert werden: In der

gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte,

notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein,

Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer

materiellen Produktivkräfte entsprechen.“ (MEW XIII: 8)

Page 10: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

10

Historischer Materialismus (6)

„Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur

der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer

Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen

entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den

sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das

Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr

gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe

ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in

Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein

juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb derer

sie sich bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen

diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer

Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der

ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.“ (MEW XIII: 8/9)

Page 11: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

11

Historischer Materialismus (7)

„In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern

bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen

Gesellschaftsformation bezeichnet werden. Die bürgerlichen Produktions-

verhältnisse sind die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen

Produktionsprozesses, antagonistisch nicht im Sinn von individuellem

Antagonismus, sondern eines aus den gesellschaftlichen Lebensbedingungen

der Individuen hervorwachsenden Antagonismus, aber die im Schoß der

bürgerlichen Gesellschaft sich entwickelnden Produktivkräfte schaffen zugleich

die materiellen Bedingungen zur Lösung dieses Antagonismus. Mit dieser

Gesellschaftsformation schließt daher die Vorgeschichte der bürgerlichen

Gesellschaft ab.“ (MEW XIII: 9)

Page 12: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

12

(1) Wie ist Geschichte zu erkennen?

• „In der Anatomie des Menschen ist ein Schlüssel zur Anatomie des Affen.“ (Gr. 26)

• Abstraktes und Konkretes • empirische „Forschung“, vor allem im Bereich der Ökonomie• dialektische „Darstellung“ (MEW XXIII: 27)

Verhältnis zu HEGEL: • vom Kopf auf die Füße stellen (Idealismus Materialismus)• umstülpen (Versöhnung der Widersprüche Aufzeigen der

Widersprüche)

Page 13: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

13

(2) Was unterscheidet Geschichte von Natur?

• natürliche Prozesse

• naturwüchsige Prozesse („eherne Notwendigkeit“)– „hinter dem Rücken der Produzenten“ (MEW XXIII: 59, vgl. ebd. 121)

– „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“ (MEW VIII: 115)

– „ein Naturgesetz, das auf der Bewußtlosigkeit der Beteiligten beruht“ (ENGELS MEW I: 515 MEW XXIII: 89 Fn)

• historische Prozesse

Page 14: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

14

(3) Wie ist der Geschichtsverlauf zu gliedern?

1. Urgesellschaft

2. asiatische Produktionsweise (Karl August WITTFOGEL: hydraulische Gesellschaften, orientalische Despotien)

3. antike Produktionsweise (Sklavenhaltergesellschaft)

4. feudale Produktionsweise

5. kapitalistische Produktionsweise

6. sozialistische Produktionsweise

Anhang:

• roher Kommunismus (Gleichheit) entwickelter Kommunismus

• „revolutionäre Diktatur des Proletariats“ (MEW XIX: 28); Marx‘ Verhältnis zur Demokratie

Page 15: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

15

(4) Was treibt die Geschichte voran?

• subjektivistische Lesart: Klassenkämpfedie sich im Ergebnis aber bisher zu Gunsten einer dritten Klasse

ausgewirkt haben

• objektivistische Lesart: Antagonismus von Produktivkräften und Produktionsverhältnisseheute: Kapitalverwertung

Was sind Produktivkräfte?

(a) Technik (Maschinen usw.)

(b) Wissen jeglicher Art (auch soziales Wissen)

(c) menschliche Fähigkeiten (verkörpert in den Arbeitern)

Page 16: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

16

(5) Wie ist Geschichte zu bewerten?

Zwei Kritik-Ebenen

1. immanente Kritik• die bürgerliche Gesellschaft an ihren eigenen Maßstäben messen

• zentraler Aspekt: nicht nur formal korrekter, sondern material gerechter Tausch

Unmöglichkeit eines gerechten Lohnes im Kapitalismus

2. externe Kritik (humanistischer o. sozialistischer Maßstab)- allseitig entwickelte Persönlichkeit (Kritik an der Arbeitsteilung)- „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“

(1875, MEW XIX: 21; vgl. MEW III: 528: „Jedem nach seinen Bedürfnissen“, 1845)

- „die freie Entwicklung eines jeden (als) die Bedingung für die freie Entwicklung aller“ (1848, MEW IV: 482)

Page 17: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

17

(6) Was dürfen wir hoffen?

• Zuspitzung der Antagonismen (bzw. des Klassenkampfes)tendenzieller Fall der Profitrate – weitere Expropriation aller Arbeiter

• Zusammenbruch des Kapitalismus?

• Möglichkeit des Sozialismus – oder sogar dessen Notwendigkeit?

• Sozialismus oder Barbarei? Friedrich Engels Rosa Luxemburg Cornelius Castoriadis

Page 18: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

18

Marxismen(bis zum Ersten Weltkrieg)

(1) praxis-orientiert(a) revolutionär: Lenin, Rosa Luxemburg u.a.

(b) reformistisch: Eduard Bernstein, Austro-Marxismus u.a.

(2) theorie-orientiert(a) auf den Zusammenbruch wartend: Kautsky und die II.

Internationale

(b) als werturteilsfreies Modell benutzend: „Kathedersozialismus“, der frühe Werner Sombart

Page 19: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

19

(Unkritische) Nachfolgetheorien

(1) ModernisierungstheorienWalt Whitman ROSTOW (1916-2003)

(2) Theorien der langen WellenNikolai Dmitrijewitsch KONDRATJEW (1892-1938)

Joseph SCHUMPETER (1883-1950)

(3) Weltsystem-TheorienImmanuel WALLERSTEIN (*1930)

Page 20: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

20

(1) Modernisierungstheorien

W.W. ROSTOW: „Stages of Economic Growth: A

Noncommunist Manifesto“ (1960)

1. traditionale Gesellschaft (agrarisch, hierarchisch, immobil)

2. Entstehen von Voraussetzungen (z.B. England 17./18.Jh.)

3. „take-off“ (nur 2 bis 3 Jahrzehnte, z.B. in England am Ende des 18. Jh.; hohe Investitionsrate, große Nachfrage nach Arbeitskräften, Wachstum und Verdichtung der Bevölkerung u.a.)

4. Reifung (mehrere Jahrzehnte der Ausweitung der Industrialisierung)

5. Zeitalter des Massenkonsums (in den westlichen Ländern nach 1950)

Page 21: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

21

(2) Theorie der langen Wellen

nach Kondratjew (1926), Schumpeter (1939) u.a.

Dauer „Basisinnovation“ „Leitsektor“

1790-1840 Dampfmaschine Baumwollindustrie

1840-1890 Eisenbahn Stahlindustrie

1890-1940 Elektronik Elektro- und Chemie-Industrie

1940-1990 Automatisierung Auto- und Erdöl-Industrie

auch als „Fordismus“ bezeichnet

1990-2040(?) Mikrochip Computer-Industrie

2040-2090(?) Wasserstoff- und Solar-Industrie (?)

Page 22: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

22

(3) Weltsystem-Theorien

WALLERSTEIN: The Modern World-System (I, 1974)Grundbegriffe: Zentrum – Semiperipherie – Peripherie – Außenarena

Phasen:1. Expansion der mittelalterlichen Landwirtschaft (1150-1300)2. Krise des Feudalsystems (1300-1450)3. „Die Anfänge der kapitalistischen Landwirtschaft und die

europäische Weltökonomie“ (im langen 16. Jh., 1450-1618)4. „Der Merkantilismus“ (ca. 1600-1750)5. „Die große Expansion“ (1730-1840)6. Imperialismus ? (1840-1970?)7. Untergang des Kapitalismus (??)

Page 23: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

23

Das größte Defizit bei Marx:

Menschenrechte

Marx („Zur Judenfrage“, 1843) unterscheidet …• (Staats)Bürgerrechte: allgemeines Wahlrecht,

politische Freiheit usw. • Menschenrechte im engeren Sinne:

Glaubensfreiheit, Handlungsfreiheit usw.

… und kritisiert die Letzteren:• nur „Rechte des egoistischen Menschen“, die im

Anderen „nicht die Verwirklichung, sondern vielmehr die Schranke seiner Freiheit“ sehen

• nur negative Rechte, nicht positive

Page 24: Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Achte

8.12.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

24

Ein anderer Weg:die Verbindung von Kant und Marx

• Hermann COHEN (1842-1918): Kant mit seinem Kategorischen Imperativ ist der wahre Begründer des Sozialismus (1896)

vgl. Karl Vorländer, „Kant und der Sozialismus“ (1900)

einige Austro-Marxisten wie Max Adler

• Jürgen HABERMAS: Diskurstheorie der Moral plus kritische Gesellschaftstheorienicht in Verbindung von Hegel (oder Schelling) und Marx wie bei

Georg LUKÁCS (oder Ernst BLOCH)