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Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Sechste Sitzung 24.11.2009)

Christian Thies Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie Vorlesung an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau im Wintersemester 2009/10 (Sechste

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Christian Thies

Kultur-, Sozial- und Geschichtsphilosophie

Vorlesungan der Philosophischen Fakultät

der Universität Passauim Wintersemester 2009/10

(Sechste Sitzung 24.11.2009)

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24.11.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

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Sechster Termin (24.11.2009)

(1) Wiederholung – Ergänzungen – Fragen

(2) Georg Wilhelm Friedrich Hegel

(3) Ausblick auf den nächsten Termin

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Immanuel Kant und die Geschichtsphilosophie

(1) Wie ist Geschichte zu erkennen?Es gibt Regelmäßigkeiten (Tendenzen), die sich rekonstruieren

lassen.

Bei Kant gibt es keine Überlegungen zu einer spezifischen

Methodik der historischen Wissenschaften.

(2) Wie unterscheidet sich Geschichte von Natur?Der Mensch ist ein autonomes Wesen.

Wir können aber die Geschichte so betrachten, als ob ihr eine

Naturabsicht zugrunde liegen würde (teleologisch).

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Kant und die Geschichtsphilosophie (2)

(3) Wie ist der Geschichtsverlauf zu gliedern?keine historische Periodisierung, aber folgende Abfolge:

1. Disziplinierung („Kultur der Zucht“)

2. Kultivierung („Kultur der Geschicklichkeit“: Wissenschaften und Künste)

3. Zivilisierung

4. Moralisierung

(4) Was treibt die Geschichte voran?die „ungesellige Geselligkeit“ der Individuen und der Völker

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Kant und die Geschichtsphilosophie (3)

(5) Wie ist Geschichte zu bewerten?Geschichtsphilosophie als Anhang zur praktischen Philosophie,

aus der die Kriterien gewonnen werden

(6) Was darf ich hoffen?Wir dürfen hoffen, dass es Fortschritte im Recht gibt, und zwar in

drei Dimensionen:

(a) Staatsrecht

(b) Völkerrecht

(c) Weltbürgerrecht

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Literaturhinweise

• Geier, Manfred: Kants Welt. Eine Biographie. Reinbek 2003

• Höffe, Otfried: Immanuel Kant. München 1983

• Fulda, Hans Friedrich: G. W. F. Hegel. München 2003• Hösle, Vittorio: Hegels System. Hamburg ²1998

(affirmativ)

• Schnädelbach, Herbert: Hegel zur Einführung. Hamburg 1999 (kritisch)

• Charles Taylor: Hegel (engl. 1975). Frankfurt a. M. 1978

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Georg Wilhelm Friedrich HEGEL

1770 geboren in Stuttgart1788 Beginn des Studiums in

Tübingen, dort Freundschaft mit Schelling und Hölderlin

1793 Hauslehrer in Bern und Frankfurt

1801 Dozent in Jena1807 „Phänomenologie des

Geistes“weitere Stationen in Bamberg,

Nürnberg und Heidelberg1818 Antritt einer Professur in

Berlin1821 „Grundlinien der Philosophie

des Rechts“1831 gestorben in Berlin

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Allgemeines zu Hegel

• der letzte große ‚Systemphilosoph‘ und ‚Metaphysiker‘ der Philosophie („objektiver Idealismus“)

• Versöhnung von Antike, Christentum und Aufklärung

• KANT FICHTE SCHELLING HEGEL• einerseits starker Einfluss auf Marx, den deutschen

Historismus, den englischen Neoidealismus, z.T. den US-Pragmatismus (Dewey), den französischen Existentialismus (Sartre) usw.

• andererseits totale Ablehnung, etwa in der frühen analytischen Philosophie

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Allgemeines zu Hegel (2)

• Genie oder Scharlatan?vgl. Schopenhauers Kritik

• Höhepunkt des bürgerlichen Liberalismus?• „Vergöttlichung“ des preußischen Staates?• Vorläufer aller Totalitarismen (so wie Rousseau)?

• Alles eine einzige Geschichtsphilosophie?• Oder ist die Geschichtsphilosophie ganz unwichtig?

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Hegels Grundgedanke (1)mit Zitaten aus der ersten selbständigen Publikation (1801)

„Wenn die Macht der Vereinigung aus dem Leben der Menschen

verschwindet und die Gegensätze ihre lebendige Beziehung und

Wechselwirkung verloren haben und Selbständigkeit gewinnen,

entsteht das Bedürfnis der Philosophie.“ (II: 21)

„Entzweiung ist der Quell des Bedürfnisses der Philosophie“ (II:

21)

„Solche festgewordene Gegensätze aufzuheben, ist das einzige

Interesse der Vernunft.“ (II: 22)

„Identität von Identität und Nichtidentität“

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Hegels Grundgedanke (2)mit Zitaten aus der „Phänomenologie des Geistes“

• „Das Wahre ist das Ganze.“ (PhG 24)• Zudem gilt, „daß das Absolute allein wahr oder das

Wahre allein absolut ist“ (PhG 70)• Es kommt alles darauf an, „das Wahre nicht als

Substanz, sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken“ (PhG 23)

• „Daß das Wahre nur als System wirklich oder daß die Substanz wesentlich Subjekt ist, ist in der Vorstellung ausgedrückt, welche das Absolute als Geist ausspricht“ (PhG 28)

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Was ist „Geist“?

Drei Ursprungskontexte:(a) theologisch: „Heiliger Geist“(b) kulturhistorisch: „Der Geist der Gesetze“

(Montesquieu), „Volksgeist“ (Herder)(c) ästhetisch: Genie und ästhetische Produktivität

Drei Stufen:1. subjektiver Geist = Verstand und Vernunft bei Kant2. objektiver Geist = verwirklichte subjektiver Geist,

vor allem in den Institutionen eines Staates3. absoluter Geist = Kunst, Religion, Philosophie

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Vernunft und Wirklichkeit

„Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich

ist, das ist vernünftig.“ (Rph 24)

„Was vernünftig ist, wird wirklich, und das Wirkliche

wird vernünftig“ (Nachschrift 1819/20)

„Was vernünftig ist, muß geschehen“ (Nachschrift

Wannenmann)

„Alles, was vernünftig ist, muß sein“ (Bericht von

Heinrich Heine)

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„Phänomenologie des Geistes“

Vorrede und Einleitung(A) Bewußtsein

I. Sinnliche GewißheitII. WahrnehmungIII. (Naturgesetze)

(B) SelbstbewußtseinI. u.a. Herrschaft/KnechtschaftII. u.a. Stoizismus und „unglückliches Bewußtsein“

(C) Vernunft I. u.a. OrganismusII. die sich gegen die Welt durchsetzende VernunftIII. formal-normative Vernunft („Kategorischer Imperativ“)

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„Phänomenologie des Geistes“ (2)

(D) Der GeistI. Der wahre Geist: Die Sittlichkeit

II. Der sich entfremdete Geist: Die Bildung

III. Der seiner selbst gewisse Geist: Die Moralität

(E) Die ReligionI. Die natürliche Religion

II. Die Kunstreligion

III. Die offenbare Religion

(F) Das absolute Wissen

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Geschichtein der „Phänomenologie des Geistes“

• „unsere Zeit (ist) eine Zeit der Geburt und des Übergangs zu einer neuen Periode“ (PhG 18)

• „Der Einzelne muß auch dem Inhalte nach die Bildungsstufen des allgemeinen Geistes durchlaufen“ (PhG 32)

• Abfolge historischer Gestalten des ‚Bewusstseins‘, z.B. der Jakobiner-Herrschaft während der Französischen Revolution („Die absolute Freiheit und der Schrecken“)

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Geschichtein der „Phänomenologie des Geistes“ (2)

„Die Zeit ist der Begriff selbst, der da ist und als leere Anschauung sich

dem Bewußtsein vorstellt; deswegen erscheint der Geist notwendig in der

Zeit, und er erscheint so lange in der Zeit, als er nicht seinen reinen Begriff

erfaßt, d.h. nicht die Zeit tilgt. … Die Zeit erscheint daher als das Schicksal

und die Notwendigkeit des Geistes“ (PhG 584)

„Ehe daher der Geist nicht an sich, nicht als Weltgeist sich vollendet, kann

er nicht als selbstbewußter Geist seine Vollendung erreichen.“ (PhG 585)

„Die Bewegung, die Form seines Wissens von sich hervorzutreiben,

ist die Arbeit, die er [der Geist] als wirkliche Geschichte vollbringt.“

(PhG 586, vgl. 33f.)

Die „Geschichte“ und „die Wissenschaft des erscheinenden Wissens“

bilden zusammen „die begriffene Geschichte“, „die Erinnerung und die

Schädelstätte des absoluten Geistes“ (PhG 591).

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Hegels System(A) Logik = Ontologie = Metaphysik

(I) Sein(II) Wesen(III) Begriff

(B) Naturphilosophie

(C) Philosophie des Geistes(I) Subjektiver Geist(II) Objektiver Geist

1. Recht2. Moralität3. Staat

(III) Absoluter Geist1. Kunst2. Religion3. Philosophie

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Stellung der Geschichtsphilosophie bei Hegel

• „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften“ (1816ff.): 5 von 577 Paragraphen zur Geschichte (§§ 548-552)

• „Grundlinien der Philosophie des Rechts“ (1821): 20 von 360 Paragraphen (§§ 341-360)

• „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“: fünf Vorlesungen vom WS 1822/23 bis WS 1830/31

Geschichtsphilosophie als Abschluss der Philosophie des objektiven Geistes, nach dem inneren und äußeren Staatsrecht

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Was ist Geschichte?

(a) ursprüngliche Geschichtenoch unmittelbar erfahrene und dann erzählte Geschichte (Bsp.

THUKYDIDES)

(b) reflektierende Geschichte(i) allgemeine Geschichte eines Volkes (LIVIUS)

(ii) pragmatisch, um daraus Lehren zu ziehen [MACHIAVELLI]

(iii) kritisch, in erster Linie Quellenkritik

(iv) als Geschichte eines Teilbereichs, etwa Philosophiegeschichte

(c) philosophische Geschichte„denkende Betrachtung derselben“

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„Die Vernunft in der Geschichte“

„Der einzige Gedanke, den die Philosophie mitbringt, ist aber der einfache Gedanke der Vernunft, daß die Vernunft die Welt beherrsche, daß es also auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen sei.“ (XII: 20)

„Zuerst müssen wir beachten, daß unser Gegenstand, die Weltgeschichte, auf dem geistigen Boden vorgeht. … Der Geist ist aber auf dem Theater, auf dem wir ihn betrachten, in der Weltgeschichte, in seiner konkretesten Wirklichkeit“ (XII: 29)

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„Bestimmung des Geistes in der Weltgeschichte“

(A)Der Endzweck der Geschichtedie Freiheit

(B)Die Mittel seiner Realisierungdie Leidenschaften und die „welthistorischen Individuen“

(C)Die Gestalt bzw. das Material seiner Realisierungder Staat

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Vier Reiche (in Rph §§ 354ff.)

1. das orientalische Reichpatriarchalische Herrschaft

2. das griechische Reich schöne Sittlichkeit

3. das römische Reichabstrakte Rechtsfreiheit

4. das germanische Reich

„[1.] Der Orient wußte und weiß nur, daß Einer frei ist,

[2./3.] die griechische und römische Welt, daß Einige frei seien,

[4.] die germanische Welt weiß, daß Alle frei sind.“ (XII: 134)

Despotismus Demokratie Aristokratie Monarchie [??]

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Hegel zur Französischen Revolution

„Solange die Sonne am Firmamente steht und die Planeten um sie

herumkreisen, war das nicht gesehen worden, daß der Mensch

sich auf den Kopf, d.i. auf den Gedanken stellt und die Wirklichkeit

nach diesem erbaut. … Es war dieses somit ein herrlicher

Sonnenaufgang. Alle denkenden Wesen haben diese Epoche

mitgefeiert. Eine erhabene Rührung hat in jener Zeit geherrscht,

ein Enthusiasmus des Geistes hat die Welt durchschauert, als sei

es zur wirklichen Versöhnung des Göttlichen mit der Welt nun erst

gekommen.“ (XII: 529)

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Fortschritt

„Es ist dies eine Erkenntnis der spekulativen

Philosophie, daß die Freiheit die einzige Wahrheit des

Geistes sei.“ (XII: 30)

„Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewußtsein

der Freiheit – ein Fortschritt, den wir in seiner

Notwendigkeit zu erkennen haben.“ (XII: 32)

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Glück und Leid

„Glücklich ist derjenige, welcher sein Dasein seinem besonderen Charakter, Wollen und Willkür angemessen hat und so in seinem Dasein sich selbst genießt. Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks. Die Perioden des Glücks sind leere Blätter in ihr …“ (XII: 42)

Die Geschichte ist eine „Schlachtbank …, auf welcher das Glück der Völker, die Weisheit der Staaten und die Tugend der Individuen zum Opfer gebracht worden“ (XII: 35)

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Große Männer und List der Vernunft

„Werfen wir weiter einen Blick auf das Schicksal dieser welthisto-rischen Individuen, welche den Beruf hatten, die Geschäftsführer des Weltgeistes zu sein, so ist es kein glückliches gewesen. Zum ruhigen Genusse kamen sei nicht, ihr ganzes Leben war Arbeit und Mühe, ihre ganze Natur war nur ihre Leidenschaft. Ist der Zweck erreicht, so fallen sie, die leeren Hülsen des Kernes, ab. Sie sterben früh wie Alexander, sie wurden wie Cäsar ermordet, wie Napoleon nach St. Helena transportiert.“ (XII: 46f.)

„Aber solche große Gestalt muß manche unschuldige Blume zertreten, manches zertrümmern auf ihrem Wege.“ (XII: 49)

„Das ist die List der Vernunft zu nennen, daß sie dieLeidenschaften für sich wirken läßt, wobei das, durch was sie sich in Existenz setzt, einbüßt und Schaden erleidet.“ (XII: 49

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Der Staat

„[W]elches ist das Material, in welchem der vernpnftige

Endzweck ausgeführt wird? … es ist das sittliche

Ganze – der Staat, welcher die Wirklichkeit ist, worin

das Individuum seine Freiheit hat und genießt, aber

indem es das Wissen, Glauben und Wollen des

Allgemeinen ist.“ (XII: 55)

„Der Staat ist die göttliche Idee, wie sie auf Erden

vorhanden ist.“ (XII: 57)

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24.11.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

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Zukunft bei Hegel

• Ende der Kunst

• Ende der Religion

• Der Weltgeist wandert von Osten nach Westen

• Amerika als Land der Zukunft

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24.11.2009 Christian ThiesVorlesung WS 2009/10

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Geschichtsphilosophie als Theodizee

„Die Philosophie hat es nur mit dem Glanze der Idee zu tun, die sich in der Weltgeschichte spiegelt … ihr Interesse ist, den Entwicklungsgang der sich verwirklichenden Idee zu erkennen, und zwar der Idee der Freiheit, welche nur ist als Bewußtsein der Freiheit. Daß die Weltgeschichte dieser Entwicklungsgang und das wirkliche Werden des Geistes ist, unter dem wechselnden Schauspiele ihrer Geschichten – dies ist die wahrhafte Theodizee, die Rechtfertigung Gottes in der Geschichte. Nur die Einsicht kann den Geist mit der Weltgeschichte und der Wirklichkeit versöhnen, daß das, was geschehen ist und alle Tage geschieht, nicht nur nicht ohne Gott, sondern wesentlich das Werk seiner selbst ist.“ (XII: 540 – Ende der Vorlesung)