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CHRISTIANE KARG - GEROLD HUBER - musikverein-graz.at · CHRISTIANE KARG - GEROLD HUBER Graz, Stephaniensaal am 6. 4. 2017 Märchenhafte Sagenwelt im Lied Christiane Karg ist derzeit

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CHRISTIANE KARG - GEROLD HUBER

Graz, Stephaniensaal am 6. 4. 2017

Märchenhafte Sagenwelt im Lied

Christiane Karg ist derzeit medial sehr präsent. Neben ihren Liederabend-Auftritten (zuletzt in Ingolstadt

und Wien) mit durchwegs begeisterten Kritiken bewirbt sie intensiv ihr am Tag nach dem Grazer

Liederabend bei Berlin-Classics der Öffentlichkeit vorzustellendes Album Parfum. Dazu ist sie auch am 7.

4. um 18h30 im Fernsehen bei Rbb-TV zu Gast - mit der allerdings etwas missverständlichen

Ankündigung: „Am Freitag stellt Christiane Karg bei zibb ihr neues Album vor. Es trägt den Titel

„Parfum“ - Weil die Poesie der französischen Gedichte des späten 19. Jahrhunderts, die sie vertont hat,

ebenso berührend und flüchtig ist, wie der Duft eines edlen Parfums.“

Also - so weit ist Christiane Karg doch noch nicht, dass sie Gedichte selbst vertont, aber immerhin: der

Einführungstext im Programmheft des Grazer Liederabends stammt von ihr.

Christiane Karg hat mit ihrem Partner am Klavier Gerold Huber wiederum ein sehr kluges und

spannungsvolles Programm zusammengestellt. Stand bei ihrem Graz-Debüt im Jahre 2013 (ebenfalls mit

Gerold Huber) das Programm unter dem Titel Mädchenblumen, so ist diesmal das Motto Es war

einmal…Märchenhafte Sagenwelt. Christiane Karg schreibt dazu im Programmheft:

Neben dem Erlkönig und dem Zwerg treffen wir auf Lorelei, eine Meerfee, den armen Peter, auf Hans und

die Grete bis hin zu Fischerkindern, denen das Meer zum Verhängnis wird. Und wer auch Nachtwanderer,

Löwen, Hexen und Gespenster nicht fürchtet, darf es wagen, in diese märchenhafte Sagenwelt einzutauchen.

Düsternis, Verzweiflung und Tod waren die beherrschenden Themen dieses Liederabends.

Der Abend begann mit dem letzten Lied aus Schuberts Winterreise und der Frage an den Leiermann: Willst

zu meinen Liedern deine Leier dreh’n? - und das Programm endete mit Mahlers Wo die schönen Trompeten

blasen, der Geschichte vom toten Soldaten, der nachts an das Fenster seiner Liebsten klopft.

Es ist wahrhaft ungewohnt, dass ein zart-schlanker Sopran ein derart düster-dramatisches Programm

gestaltet - aber gerade das machte den besonderen Reiz dieses Abends aus. Christiane Karg ist eine

hochmusikalische Interpretin mit einer exzeptionell großen Wortdeutlichkeit und plastischer Artikulation.

Sie versteht es, ihrer Stimme vielfältige Klangfarben abzugewinnen. Besonders eindrucksvoll war ihre fahle

Tongebung ohne vibrato in den Pianissimophrasen - sie wagt es, da fast bis zum Versagen der Stimme zu

gehen (etwa in Schumanns Auf einer Burg). Da hört man wirklich gespannt zu. Aber auch so manche

Pianophrase in der Mittellage blühte sehr schön auf. In der Höhe und ab dem Forte kam eine gewisse

Schärfe dazu, die in den Dienst des Ausdrucks gestellt wurde. Man hatte den Eindruck, dass sich Christiane

Karg erst im zweiten Programmteil so recht frei gesungen hatte.

Gerold Huber war ein packender Mitgestalter am weit geöffneten Steinway-Flügel. Er ist entscheidend daran

beteiligt, dass die Spannung nicht nachließ. In der Schubert-Gruppe folgten auf den Leiermann gleichsam

attacca Der Zwerg und dann der Erlkönig. Bei jeder Liedgruppe lagen die Notenblätter optimal vorbereitet

auf dem Pult - da lenkte keine Notenumblätterer ab. Ebenso dicht war dann die Schumann-Gruppe -

thematisch sehr effektvoll ausgewählt aus der Dichterliebe und dem Liederkreis op.39, gefolgt vom Armen

Peter. Der regelmäßige Besucher des Grazer Liedabonnements konnte da interessante

Interpretationsvergleiche anstellen. Vor nicht einmal drei Wochen hatte uns Piotr Beczala ein ganz anderen,

belcanteskeren Zugang zur Dichterliebe vermittelt - und vor gerade vor einem Jahr hat Florian Boesch den

Armen Peter geradezu selbstzerstörerisch vorgetragen, während Christiane Karg eher mit kühler Distanz an

die kleine Trilogie heranging.

Der großartige Schlusspunkt des ersten Programmteils war die blutige Schreckensgeschichte von Chamissos

Löwenbraut, die Schumann mit einem archaisierenden, immer wiederkehrenden Ritornell in Liedform

zusammenhält. Bei aller Kunstfertigkeit, die Karg und Huber bei Schubert und den folgenden Schumann-

Liedern, eindrucksvoll aufgewendet hatten, schien mir die Löwenbraut das erste Stück des Abends, bei dem

die persönliche Betroffenheit der Interpretin im Vordergrund stand - ganz im Sinne der Textzeile Ich bin das

Kind nicht mehr mit kindischem Sinn. Das war eine packende Interpretation am Schnittpunkt zwischen Lied

und Bühne!

Nach der Pause gab es dann fünf Pfitzner-Lieder. Hier lag Christiane Karg natürlich besonders gut das von

Pfitzner der Koloratursängerin Maria Ivogün gewidmete Ich fürcht nit Gespenster - wie überhaupt in diesen

spätromantischen Gesängen, die man viel zu selten hört, die Sopranistin viel freier klang als im ersten Teil.

Die Schlussgruppe war dann Gustav Mahler gewidmet. Da gab es mit dem Rheinlegendchen, Hans und

Grete und Verlorne Müh zunächst Aufhellungen und mit Des Antonius von Padua Fischpredigt bitteren

Humor, bevor der Abend dann mit Mahlers düsterem Pessimismus in Das irdische Leben und Wo die

schönen Trompeten blasen zu Ende ging und damit zur verzweifelten Ausweglosigkeit zurückführte, mit der

das Programm durch Schuberts Leiermann begonnen hatte. Bei Mahler setzte Gerold Huber zu Recht derb-

kräftige Akzente, die zur zart-distanzierten Sopranstimme ein wirkungsvoller Gegenpol waren.

Das Publikum war begeistert. Klug und genau kalkuliert wie das gesamte Programm war auch die einzige

Zugabe. Richard Strauss hat zwei Texte aus der Wunderhorn-Sammlung vertont - ein Beispiel davon

erklang: Hat gesagt - bleibt’s nicht dabei. In dieser balladesken Gesangsszene mit drei verschiedenartig

charakterisierten Strophen erlebte man - geradezu erleichtert nach so viel Düsternis! - die heitere und

soubrettenhafte Seite Christiane Kargs.

Hermann Becke, 7. 4. 2017

Hinweise:

- Christiane Karg hat in ihrer fränkischen Heimatstadt Feuchtwangen das Festival „Kunstklang“

gegründet und berichtet darüber in einem Video-Spaziergang von BR-Klassik

- Vorschau: am 14. 6. 2018 werden Christiane Karg und Gerold Huber wieder in Graz zu Gast sein:

dann gemeinsam mit dem Bariton Michael Nagy in Hugo Wolfs Spanisches Liederbuch