Christie, Agatha - Die Letzten Arbeiten Des Herkules

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  • 7/21/2019 Christie, Agatha - Die Letzten Arbeiten Des Herkules

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    Agatha Christie

    Die letzten

    Arbeiten des

    Herkules

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    Hercule Poirot trumt davon, sich zur Ruhe zu setzen.

    Doch als er zufllig in den Sagen des Altertums blttert, beschliet erpltzlich, wie sein berhmter Namensvetter Herkules aus dergriechischen Sage, noch zwlf groe Taten zu vollbringen zwlfVerbrechen zu klren.

    Natrlich machen die Flle seinen kleinen grauen Zellen noch zu

    schaffen. Aber Poirot wre nicht Poirot, wenn er die Lsungen nichtfnde

    ISBN: 3-502-50734-1Original: The Labours of Hercules

    Verlag: Scherz VerlagErscheinungsjahr: 1980

    Umschlaggestaltung: Heinj LooserFoto: Thomas Cugini

    Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!

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    Inhalt

    1 Der Kretische Stier...................................................3

    2 Die Stuten des Diomedes .......................................40

    3 Der Grtel der Hippolyta........................................66

    4 Geryons Herde........................................................87

    5 Die pfel der Hesperiden.....................................114

    6 Die Gefangennahme des Zerberus .......................137

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    1 Der Kretische Stier

    I

    Hercule Poirot blickte seine Besucherin nachdenklich an.Er sah ein blasses Gesicht mit einem energischen Kinn,

    Augen, die eher grau als blau waren, und Haare von jenemblulichen Schwarz, das man so selten sieht diehyazinthenfarbenen Locken der alten Griechen.

    Er bemerkte das gutgeschnittene, aber abgetrageneTweedkostm, die schbige Handtasche und denunbewuten Hochmut unter der offensichtlichenNervositt des jungen Mdchens.

    Zweifellos Klasse, dachte er im stillen aber kein Geld!Und es mu etwas ganz Ausgefallenes sein, das sie zu mirfhrt.

    Diana Maberly begann mit leise bebender Stimme: Ich ich wei nicht, ob Sie mir helfen knnen oder nicht,Monsieur Poirot. Es ist es ist eine ganz ungewhnlicheSituation

    Ja?ermunterte sie Poirot.Sagen Sie mir, worum essich handelt.

    Ich bin zu Ihnen gekommen, weil ich mir nicht zuhelfen wei! Ich wei nicht einmal, ob man berhauptetwas machen kann!rief Diana Maberly aus.

    Das lassen Sie mich beurteilen.

    Die Farbe scho dem jungen Mdchen pltzlich insGesicht. Sie sagte hastig und atemlos:

    Ich bin zu Ihnen gekommen, weil der Mann, mit dem

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    ich seit ber einem Jahr verlobt war, die Verlobungaufgelst hat.Sie hielt inne und sah ihn trotzig an.

    Sie mssen mich fr komplett verrckt halten.HerculePoirot schttelte langsam den Kopf.

    Im Gegenteil, Mademoiselle, ich zweifle nicht imgeringsten, da Sie auergewhnlich klug sind. Es istnicht mein mtier, entzweite Liebende zu vershnen, undich wei sehr gut, da Sie sich dessen bewut sind. Daherist an der Auflsung dieser Verlobung etwas

    Auergewhnliches, nicht wahr?Das Mdchen nickte.Hugh hat unsere Verlobung gelst, weil er glaubt, daer im Begriff ist, wahnsinnig zu werden. Er findet, daWahnsinnige nicht heiraten sollen, erklrte sie klar undbestimmt.

    Hercule Poirots Augenbrauen hoben sich ein wenig.

    Und sind Sie nicht auch dieser Meinung?

    Ich wei nicht Was ist verrckt sein berhaupt?Jedermann ist ein wenig verrckt.

    Es wurde behauptet, stimmte Poirot vorsichtig zu.

    Erst wenn man anfngt, sich fr ein pochiertes Ei zuhalten, mu man eingesperrt werden.

    Und Ihr Verlobter hat dieses Stadium nicht erreicht?

    Ich kann berhaupt nichts Abnormes an Hugh finden,erwiderte Diana Maberly.Er oh, er ist der vernnftigsteMensch, den ich kenne. Gediegen verllich

    Warum glaubt er dann, da er verrckt wird? Poirotmachte eine kleine Pause, ehe er fortfuhr Ist vielleichtWahnsinn in der Familie?

    Diana nickte bejahend:

    Sein Grovater war nicht normal glaube ich, erklrtesie widerstrebend,und irgendeine Grotante. Aber injeder Familie ist doch irgend jemand verdreht. Unter- oder

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    berbegabt oder irgend etwas, nicht wahr?Ihre Augenflehten.

    Hercule Poirot schttelte traurig den Kopf undmeinte:Es tut mir furchtbar leid fr Sie,Mademoiselle.Sie streckte das Kinn in die Luft.

    Ich will nicht, da Sie mich bedauern! Ich will, da Sieetwas tun!

    Was soll ich tun?

    Ich wei nicht aber irgend etwas stimmt nicht.

    Sagen Sie mir bitte alles ber Ihren Verlobten,Mademoiselle.

    Diana sprach hastig:

    Sein Name ist Hugh Chandler, vierundzwanzig Jahrealt. Sein Vater ist Admiral Chandler. Sie leben in LydeManor, einer Besitzung, die seit der Zeit von Knigin

    Elisabeth I. Eigentum der Familie ist. Hugh ist der einzigeSohn. Er ging zur Marine alle Chandlers sind Seeleute es ist eine Art Tradition seit Sir Gilbert Chandler imJahre Fnfzehnhundert und etwas mit Sir Walter Raleighauf den Meeren segelte. Hugh ging selbstverstndlich zurMarine; sein Vater htte nichts anderes geduldet. Unddoch und doch hat sein Vater darauf bestanden, da erden Dienst quittiert!

    Wann war das?

    Vor fast einem Jahr. Ganz pltzlich.

    War der junge Chandler in seinem Beruf glcklich?

    Vollkommen.

    Ist nicht irgendein Skandal vorgekommen?

    Im Zusammenhang mit Hugh? Keineswegs. Er kamglnzend vorwrts. Er er konnte seinen Vater nichtverstehen.

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    Welche Grnde gab Admiral Chandler selbst an?

    Er gab nie einen triftigen Grund an. Oh! Er sagte, Hugh

    msse lernen, das Gut zu verwalten aber aber das warnur ein Vorwand, klagte Diana.Sogar George Frobisherhat das bemerkt.

    Wer ist George Frobisher?

    Colonel Frobisher. Er ist Admiral Chandlers besterFreund und Hughs Taufpate. Er verbringt den grten Teildes Jahres in Lyde Manor.

    Und was sagte Colonel Frobisher zu AdmiralChandlers Entschlu, da sein Sohn den Dienst bei derMarine aufgeben sollte?

    Er war sprachlos. Er konnte es nicht fassen. Niemandkonnte es fassen.

    Nicht einmal der junge Chandler selbst?

    Diana antwortete nicht gleich. Poirot wartete einenAugenblick, dann fuhr er fort:

    Damals war er vielleicht selbst verblfft. Aber jetzt?Hat er nichts gesagt gar nichts?

    Er sagte vor ungefhr einer Woche sein Vater haberecht es sei das einzig Mgliche gewesen, murmelteDiana widerstrebend.

    Haben Sie ihn gefragt warum?Natrlich, aber er wollte es mir nicht sagen.

    Hercule Poirot berlegte eine Weile. Dann forschte erweiter:

    Sind in Ihrer Gegend irgendwelche ungewhnlichenDinge vorgefallen? Ich meine, vor ungefhr einem Jahr?Irgend etwas, das in der Gegend zu Gerede undVermutungen Anla gegeben hatte?

    Sie fuhr auf:

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    Ich wei nicht, was Sie sagen wollen!

    Poirot sprach ruhig, aber seine Stimme hatte etwas

    Gebieterisches:Es wre besser, wenn Sie es mir sagen wrden.

    Es war nichts nichts in der Art, wie Sie es meinen.

    Von welcher Art denn?

    Sie sind abscheulich! Auf dem Lande geschehen oftsonderbare Dinge. Aus Rache oder es ist der Dorftrotteloder sonst jemand.

    Was ist geschehen?

    Es war ein groes Aufheben wegen irgendwelcherSchafe ihre Hlse waren durchgeschnitten. Oh! Es wargrauenhaft! Aber sie gehrten alle dem gleichen Bauern,und er ist ein sehr harter Mann. Die Polizei hielt es freinen Racheakt.

    Aber der Tter wurde nicht ermittelt?Nein.

    Sie fgte heftig hinzu:

    Aber wenn Sie denken

    Poirot hob die Hand und wehrte ab:

    Sie wissen nicht im geringsten, was ich denke. Sagen

    Sie mir, hat Ihr Verlobter einen Arzt konsultiert?Er weigert sich. Er er hat rzte, erklrte Diana.

    Und sein Vater?

    Ich glaube, der Admiral hat auch kein Vertrauen zurzten. Er sagt, es sind lauter Quacksalber.

    Was fr einen Eindruck macht Ihnen der Admiralselbst? Ist er gesund? Zufrieden?

    Diana sagte leise:

    Er ist furchtbar gealtert in in

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    In dem letzten Jahr?

    Der Schatten dessen, was er einst war.

    Poirot nickte nachdenklich, dann fragte er:War er mit der Verlobung seines Sohnes

    einverstanden?

    O ja. Wissen Sie, unser Gut grenzt an das seine. Wirsind seit Generationen dort. Er war berglcklich, alsHugh und ich einig wurden.

    Und jetzt? Was sagte er dazu, da die Verlobungaufgelst wurde?

    Sie antwortete mit unsicherer Stimme:

    Ich traf ihn gestern vormittag. Er sah elend aus. Ernahm meine Hand in die seinen und sagte: Es ist hart frDich, mein Kind. Aber der Junge handelt richtig es istdas einzige, was er tun kann.

    Und so, fhrte Hercule Poirot aus,kamen Sie zumir?

    Sie nickte und fragte:

    Knnen Sie irgend etwas machen?

    Das wei ich nicht, aber ich kann zumindestmitkommen und mir die Situation ansehen, erwiderteHercule Poirot.

    II

    Hugh Chandlers prchtiger Krperbau fiel Hercule Poirotvor allem auf. Gro und wunderbar proportioniert, miteinem mchtigen Thorax und breiten Schultern und einem

    Schopf dichter hellbrauner Haare. Er war dieVerkrperung von Kraft und Mnnlichkeit.

    Gleich nach der Ankunft in ihrem Heim, hatte Diana

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    Admiral Chandler angerufen, und sie waren sogleich nachLyde Manor gegangen, wo der Tee sie auf einer langenTerrasse erwartete.

    Und mit dem Tee drei Mnner. Admiral Chandler,weihaarig, lter aussehend, als er war, die Schultern wievon einer schweren Last gebeugt und mit dunklenmelancholischen Augen.

    Sein Freund, Colonel Frobisher, war sein direkterGegensatz, ein vertrocknetes, zhes Mnnchen mit

    rtlichem Haar, das an den Schlfen zu ergrauen begann.Ein unruhiger, reizbarer, bissiger kleiner Mann, ein wenigwie ein Foxterrier aber mit einem Paar ausnehmendkluger Augen. Er hatte die Angewohnheit, die Stirne zurunzeln, den Kopf zu senken und dabei vorzustrecken undeinen zugleich aus besagten klugen Augen durchdringendanzublicken. Der dritte war Hugh.

    Prachtexemplar, was?meinte Colonel Frobisher.Er sprach mit gedmpfter Stimme, er hatte Poirots

    prfende Blicke auf den jungen Mann bemerkt.

    Hercule Poirot nickte. Er und Frobisher saennebeneinander.

    Die anderen drei hatten am entgegengesetzten Ende desTeetisches Platz genommen und plauderten mit etwas

    gezwungener Munterkeit.Poirot flsterte:

    Ja, er ist prachtvoll prachtvoll. Er ist ein junger Stier ja, man knnte sagen, der Poseidon geweihte Stier Ein Prachtexemplar gesunder Mnnlichkeit.

    Sieht aus wie das Bild der Gesundheit,

    nicht?Frobisher seufzte. Seine schlauen, kleinen Augenbeobachteten Hercule Poirot verstohlen von der Seite.Pltzlich sagte er:

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    Ich wei, wer Sie sind, wissen Sie?

    Das ist kein Geheimnis!

    Poirot winkte vornehm mit der Hand. Die Geste solltebedeuten, da er nicht inkognito hier sei. Er reiste unterseinem wirklichen Namen.

    Nach einem Augenblick fuhr Frobisher fort:

    Hat das Mdel Sie wegen der Geschichtehergebracht?

    Der Geschichte ?

    Der Geschichte mit Hugh Ja, ich sehe, da Sieinformiert sind. Aber ich verstehe nicht recht, warum siesich gerade an Sie gewendet hat ich habe nicht gewut,da so etwas zu Ihrem Fach gehrt. Ich will sagen, da esdoch mehr eine medizinische Angelegenheit ist.

    Alles gehrt in mein Fach. Sie wrden staunen.

    Ich verstehe nicht ganz, was sie sich vorstellt, da Sietun knnen?

    Miss Maberly, erklrte Poirot,ist eine kmpferischeNatur.

    Colonel Frobisher nickte eifrig zustimmend.

    Ja, sie ist die rechte Kampfnatur. Sie ist einPrachtmdel will den Kampf nicht aufgeben. Aber leider

    gibt es Dinge, gegen die man nicht aufkommen kann.Ersah pltzlich alt und mde aus.

    Poirot dmpfte seine Stimme noch mehr. Er murmeltediskret:

    Wie ich verstanden habe, ist Irrsinn in der Familie?

    Frobisher nickte.

    Taucht nur ab und zu auf flsterte er.berspringtein bis zwei Generationen. Hughs Grovater war derletzte.

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    Poirot warf einen raschen Blick auf die anderen dreiAnwesenden. Diana fhrte tapfer die Konversation. Sielachte und neckte Hugh. Man htte die drei fr diesorglosesten Menschen der Welt halten knnen.

    Welche Formen nahm der Irrsinn an?forschte Poirotleise weiter.

    Der alte Junge wurde zum Schlu ziemlich rabiat. Erwar bis Dreiig ganz gesund vollkommen normal. Dann begann er etwas wunderlich zu werden. Es dauerte

    eine Weile, bis die Leute es bemerkten. Dann begannenGerchte zu kursieren.

    Man munkelte. Dinge ereigneten sich, die vertuschtwurden.

    Aber er hob die Schultern,er endete in komplettemWahnsinn, der arme Teufel! Er wurde gefhrlich undmute amtlich fr geisteskrank erklrt werden.

    Nach einer kleinen Pause fgte er hinzu:Er wurde, glaube ich, sehr alt Das ist es, wovor

    Hugh sich frchtet. Darum will er keinen Arztkonsultieren. Er frchtet, da man ihn einsperrt und erjahrelang eingesperrt weiterleben mu. Ich kann es ihmnicht verdenken. Ich wrde genau so empfinden.

    Und wie empfindet Admiral Chandler die ganze Sache

    Es hat ihn vllig gebrochen.Frobisher sprachabgehackt.

    Liebt er seinen Sohn sehr?

    Er geht in ihm auf. Wissen Sie, seine Frau ertrank beieinem Bootsunglck, als der Junge erst zehn Jahre alt war.Seither hat er nur fr das Kind gelebt.

    Ist er sehr an seiner Frau gehangen?Er hat sie angebetet. Jedermann betete sie an. Sie war

    sie war eine der schnsten Frauen, die ich je gekannt

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    habe.Er schwieg einen Augenblick und stie dannhervor:

    Wollen Sie ihr Portrt sehen?Es wrde mich sehr interessieren.

    Frobisher schob seinen Stuhl zurck. Laut verkndete er:

    Ich zeige Monsieur Poirot ein paar Sachen. Er ist einKunstkenner.

    Der Admiral winkte zerstreut. Frobisher stapfte dieTerrasse entlang, und Poirot folgte ihm. Fr einenAugenblick lie Diana die Maske der Heiterkeit fallen,und er las die bange Frage auf ihren Zgen. Hugh hob denKopf und blickte den kleinen Mann mit dem groenSchnurrbart ruhig an.

    Poirot folgte Frobisher in das Haus. Nach demSonnenlicht drauen war es so dunkel, da er dieGegenstnde kaum unterscheiden konnte. Aber erbemerkte, da das Haus mit schnen alten Sachenangefllt war.

    Colonel Frobisher fhrte Poirot in die Gemldegalerie.An den getfelten Wnden hingen Portrts derdahingegangenen Chandlers. Ernste und heitere Gesichter,Mnner in Hofkleidung oder Marineuniformen. Frauen inPerlen und Seide.

    Schlielich blieb Frobisher unter einem Portrt am Endeder Galerie stehen.

    Von Orpen, sagte er barsch.

    Sie standen beide da und blickten zu einer groen,schlanken Frau empor, die einen Windhund am Halsbandhielt. Eine Frau mit kastanienbraunem Haar und einem

    Ausdruck strahlender Lebensfreude.Der Junge ist ihr Ebenbild, meinte Frobisher,finden

    Sie nicht?

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    In manchen Dingen, ja.

    Er hat natrlich nicht ihre Zartheit ihre Weiblichkeit,

    Er ist eine mnnliche Ausgabe aber in allemWesentlichen Er brach ab.Schade, da er von denChandlers das einzige geerbt hat, das er sehr gut htteentbehren knnen

    Sie schwiegen. Es lag eine Melancholie in der Luft, diesie umgab als wrden die verstorbenen Chandlers berdie schreckliche Krankheit seufzen, die ihre Familie seit

    Generationen immer wieder heimsuchte Hercule Poirot wandte den Kopf, um seinen Gefhrtenanzusehen. George Frobisher blickte noch zu der schnenFrau an der Wand empor. Und Poirot fragte leise:

    Sie kannten sie gut?

    Frobisher stie mhsam hervor:

    Wir sind zusammen aufgewachsen. Ich ging als jungerOffizier nach Indien, als sie sechzehn Jahre alt war Alsich heimkam war sie Chandlers Frau.

    Kannten Sie ihn auch gut?

    Chandler ist einer meiner ltesten Freunde, mein bester er war es immer.

    Haben Sie nach der Heirat viel mit ihnen verkehrt?

    Ich verbrachte fast alle meine Urlaube hier. Der Ort istmir eine zweite Heimat. Charles und Caroline hieltenimmer ein Zimmer fr mich bereit es erwartete michimmer fix und fertig

    Er straffte seine Schultern und schob seinen Kopfkampflustig vor.Darum bin ich jetzt hier um ihnenbeizustehen, wenn ich gebraucht werde. Wenn Charles

    mich braucht ich bin zur Stelle.Wieder streifte sie der Hauch der Tragdie.

    Und was halten Sie von alledem?forschte Poirot.

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    Frobisher stand unbeweglich da, seine Brauen zogensich zusammen.

    Ich finde, je weniger man darber spricht, um so besserist es. Und, offen gesagt, verstehe ich nicht, warum DianaSie hierhergeschleppt hat.

    Sie wissen, da Diana Maberlys Verlobung mit HughChandler aufgelst wurde.

    Ja, ich wei es.

    Und kennen Sie den Grund?

    Frobisher antwortete steif:Junge Leute machen diese Dinge untereinander ab. Es

    ist nicht an mir, mich einzumengen.

    Hugh Chandler hat Diana erklrt, da sie nicht heiratenknnen, weil er im Begriff ist den Verstand zu verlieren,fhrte Poirot aus.

    Er sah, wie der Schwei auf Frobishers Stirn ausbrach.Er sagte:

    Mssen wir ber die verdammte Geschichte sprechen?Was glauben Sie denn machen zu knnen? Hugh hat daseinzig Richtige getan, der arme Teufel. Es ist nicht seineSchuld, es ist Vererbung Keimplasma Ganglien Aber im Augenblick, da er es erfuhr, was blieb ihm denn

    brig, als die Verlobung zu lsen? Es gehrt zu denDingen, die getan werden mssen.

    Wenn ich berzeugt wre, da

    Lassen Sie es sich gesagt sein.

    Aber Sie haben mir nichts gesagt!

    Ich sage Ihnen doch, da ich nicht darber sprechen

    will.Warum hat Admiral Chandler seinen Sohn gezwungen,

    den Dienst bei der Marine zu quittieren?

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    den Dienst quittieren. Hier, wo Charles ihn unter denAugen hat, kann er auf ihn aufpassen. Man kann keinenSkandal bei der Marine riskieren. Ja, es war das einzigMgliche.

    Poirot nickte:

    Und seitdem?

    Frobisher wurde heftig.Ich beantworte keinerlei Fragenmehr.

    Glauben Sie nicht, da Hugh seine eigenen

    Angelegenheiten am besten versteht?Hercule Poirot antwortete nicht. Er strubte sich immer,

    zuzugeben, da irgend jemand etwas besser verstehenknne als Hercule Poirot.

    III

    Als sie in die Halle kamen, trafen sie Admiral Chandler,der gerade hereinkam. Er hob sich einen Augenblick alsdunkle Silhouette vom grellen Sonnenlicht drauen ab.

    Er sagte mit leiser, barscher Stimme:

    Oh, da seid ihr ja beide. Monsieur Poirot, darf ich Sieauf ein paar Minuten in mein Arbeitszimmer bitten?

    Frobisher ging durch die Tr hinaus, und Poirot folgtedem Admiral. Er hatte ein wenig das Gefhl, als htte manihn auf das Achterdeck kommandiert, damit er sichrechtfertige.

    Der Admiral wies Poirot einen der groen Fauteuils anund setzte sich in den anderen. Whrend Poirot mit

    Frobisher gesprochen hatte, war ihm die Unruhe,Nervositt und Reizbarkeit des anderen aufgefallen allesAnzeichen schwerer geistiger Abspannung. Bei Admiral

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    Chandler sprte er Hoffnungslosigkeit und abgrundtiefeVerzweiflung

    Chandler sagte mit einem tiefen Seufzer:Ich bedaure, da Diana Sie in die Sache hereingezogenhat Armes Kind, ich wei, wie hart es fr sie ist. Aber nun es ist unsere eigene Familientragdie, und ichglaube, Sie werden begreifen, Monsieur Poirot, da wirkeine Outsider wnschen.

    Ich kann Ihre Gefhle sehr gut begreifen.

    Diana, das arme Kind, kann es nicht glauben. Ichkonnte es zuerst auch nicht. Ich wrde es jetztwahrscheinlich auch nicht glauben, wenn ich nicht wteEr stockte.

    Was wte?

    Da es im Blut steckt. Die Krankheit, meine ich.

    Und doch haben Sie der Verlobung zugestimmt.Admiral Chandler wurde rot.

    Sie meinen, ich htte schon damals mein Veto einlegensollen? Aber damals hatte ich noch keine Ahnung. Hughgert seiner Mutter nach nichts an ihm erinnert an dieChandlers.

    Ich hoffte, er sei ihr in allem nachgeraten. Von seiner

    Kindheit bis heute war keine Spur von etwas Anomaleman ihm. Ich konnte nicht ahnen, da zum Teufel, in fastjeder alten Familie ist eine Spur irgendeinerGeisteskrankheit!

    Poirot fragte leise:

    Haben Sie keinen Arzt konsultiert?

    Chandler brllte:

    Nein, und ich habe auch nicht die Absicht, es zu tun!Der Junge ist hier sicher genug mit mir als Aufsicht. Sie

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    werden ihn nicht wie ein wildes Tier zwischen vierWnden einsperren

    Er ist hier sicher, sagen Sie. Aber sind die anderensicher?

    Was wollen Sie damit sagen?

    Poirot antwortete nicht. Er blickte dem Admiral fest indie melancholischen dunklen Augen.

    Jedermann steckt in seinem Beruf, meinte der Admiralvoller Bitterkeit.Sie suchen einen Verbrecher. Mein Sohn

    ist kein Verbrecher, Monsieur Poirot.Noch nicht!

    Was meinen Sie mit noch nicht?

    Diese Dinge werden immer schlimmer Diese Schafe

    Wer hat Ihnen das von den Schafen gesagt?

    Diana Maberly und auch Ihr Freund, ColonelFrobisher.

    George htte besser daran getan, den Mund zu halten.

    Er ist ein sehr alter Freund von Ihnen, nicht wahr?

    Mein bester, sagte der Admiral barsch.

    Und er war auch ein Freund Ihrer Gattin?

    Chandler lchelte.Ich glaube, George war in Caroline verliebt, als sie

    ganz jung war. Er hat nie geheiratet. Ich glaube, das ist derGrund. Nun, ich war der Glckliche oder so dachte ich.Ich habe sie heimgefhrt, nur um sie zu verlieren.Erseufzte und lie die Schultern hngen.

    Colonel Frobisher war bei Ihnen, als Ihre Frau

    ertrank?forschte Poirot weiter.Chandler nickte.

    Ja, er war mit uns in Cornwall, als es geschah. Sie und

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    ich waren zusammen mit dem Boot drauen er war andiesem Tag zufllig zu Hause geblieben. Ich habe niebegriffen, wieso dieses Boot kenterte Es mu pltzlichein Leck bekommen haben. Wir waren drauen in derBucht bei starker Flut. Ich hielt sie empor, so lange ichkonnte Seine Stimme brach.Ihre Leiche wurde zweiTage spter angeschwemmt.

    Gottlob hatten wir den kleinen Hugh nichtmitgenommen! So dachte ich wenigstens damals. Und jetzt wre es fr Hugh vielleicht besser gewesen, wenner doch mit uns gewesen wre.

    Wenn damals alles aus und erledigt gewesen wre Wieder entrang sich ihm ein tiefer, hoffnungsloserSeufzer.

    Wir sind die letzten Chandlers, Monsieur Poirot; nachuns wird es in Lyde Manor keine Chandlers mehr geben.

    Als Hugh sich mit Diana verlobte, habe ich gehofft nun,es hat keinen Sinn, jetzt davon zu sprechen. Gott sei Dank,da er nicht geheiratet hat. Mehr kann ich nicht sagen!

    IV

    Hercule Poirot sa auf einer Bank im Rosengarten. Nebenihm sa Hugh Chandler. Diana Maberly hatte sie ebenverlassen.

    Der junge Mann wandte sein schnes, gequltes Gesichtseinem Gefhrten zu.

    Sie mssen es ihr begreiflich machen, MonsieurPoirot.Er machte eine kleine Pause und fuhr dann fort:

    Wissen Sie, Di ist eine Kmpferin. Sie will das Spielnicht aufgeben. Sie will sich nicht mit demUnabnderlichen abfinden. Sie wird es wohl oder bel

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    mssen. Sie sie will weiter glauben, da ich geistignormal bin.

    Whrend Sie selbst fest berzeugt sind, da Sie vergeben Sie mir irrsinnig sind.

    Der junge Mann zuckte zusammen und fhrte aus:

    Ich habe noch nicht tatschlich den Verstand verloren aber es verschlimmert sich. Diana wei es nicht. Sie siehtmich nur, wenn ich normal bin.

    Und wenn Sie nicht normal sind was geschieht

    dann?Hugh Chandler schpfte tief Atem und erklrte:

    Erstens trume ich, und wenn ich trume, bin ichwahnsinnig.

    Vorige Nacht zum Beispiel war ich kein Mensch mehr.Ich war zuerst ein rasender Stier ein rasender Stier, der

    in der glhenden Sonne herumtobte und ich schmeckteBlut und Staub in meinem Mund Blut und Staub Unddann war ich ein Hund ein groer, sabbernder Hund. Ichhatte die Tollwut Kinder stoben auseinander und flohen,wenn ich kam, Mnner wollten mich erschieen irgendjemand stellte mir eine Schssel Wasser hin, aber ichkonnte nicht trinken, Monsieur Poirot ich konnte nichtschlucken Oh, mein Gott, ich war nicht imstande zutrinken

    Er stockte.Ich erwachte, und ich wute, da alles wahrsei. Ich ging zum Waschtisch. Mein Mund war ausgedrrt ganz ausgedrrt und trocken. Ich war durstig. Aber ichkonnte nicht trinken, Monsieur Poirot ich konnte nichtschlucken ich konnte nicht trinken

    Hercule Poirot murmelte beschwichtigende Worte. HughChandler fuhr in seiner Rede fort. Seine Hndeumklammerten krampfhaft seine Knie, sein Gesicht war

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    vorgeschoben, seine Augen waren halb geschlossen, alsshe er etwas auf sich zukommen.

    Und dann gibt es Dinge, die keine Trume sind. Dinge,die ich sehe, wenn ich hellwach bin, Gespenster,grauenhafte Gestalten. Sie grinsen mich an. Undmanchmal kann ich fliegen, aus dem Bett steigen unddurch die Luft fliegen, auf den Wolken reiten undUnholde leisten mir Gesellschaft!

    Ta ta, machte Hercule Poirot.

    Es war ein sanft mibilligendes Gerusch.Hugh Chandler wandte sich ihm zu.Oh, es gibt keinen

    Zweifel mehr. Es steckt in meinem Blut.

    Es ist mein Erbteil. Ich kann dem Schicksal nichtentgehen. Gott sei Dank, da ich es rechtzeitig bemerkte,ehe ich Diana geheiratet habe. Denken Sie, wenn wir einKind gehabt und ihm diese grauenhafte Krankheit vererbt

    htten!Er legte seine Hand auf Poirots Arm:Sie mssen es ihr begreiflich machen. Sie mssen ihr

    sagen, da sie vergessen mu. Sie mu vergessen. EinesTages wird irgendein anderer da sein. Steve Graham zumBeispiel er ist wahnsinnig verliebt in sie, und er ist einfurchtbar guter Kerl.

    Sie wre glcklich mit ihm und geborgen. Ich will da sie glcklich wird. Graham ist natrlich arm, und ihreFamilie auch, aber wenn ich nicht mehr bin, sind sieversorgt!

    Hercule Poirots Stimme unterbrach ihn.

    Warum werden sie versorgt sein, wenn Sie nicht mehrsind?

    Hugh Chandler lchelte. Es war ein sanftes,gewinnendes Lcheln. Er erklrte:

    Das Geld meiner Mutter ist da. Sie war eine reiche

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    Erbin, wissen Sie. Sie hat mir das Geld hinterlassen. Ichhabe alles Diana vermacht.

    Hercule Poirot lehnte sich zurck. Ein Ah entfuhr seinenLippen.

    Aber Sie knnen ein sehr alter Mann werden,Mr. Chandler, bemerkte er dann.

    Hugh Chandler schttelte den Kopf und wehrte scharfab:

    Nein, Monsieur Poirot, ich habe nicht die Absicht, ein

    alter Mann zu werden.Pltzlich wich er schauderndzurck.

    O Gott! Schauen Sie!Er starrte ber PoirotsSchulter.Dorf neben Ihnen es ist ein Skelett esklappert mit den Knochen. Es ruft mich es winkt mir

    Seine Augen starrten mit geweiteten Pupillen insSonnenlicht.

    Er lehnte sich pltzlich zur Seite, als wollte erohnmchtig werden.

    Dann wandte er sich zu Poirot und flsterte fast mit einerKinderstimme:

    Sie haben nicht irgend etwas gesehen?

    Poirot schttelte langsam den Kopf.

    Hugh Chandler sagte heiser:Ich mache mir nicht so viel daraus aus diesen

    Halluzinationen. Was mir Angst macht, ist das Blut. DasBlut in meinem Zimmer auf meinen Kleidern Wirhatten einen Papagei.

    Eines Morgens lag er mit durchschnittener Kehle inmeinem Zimmer und ich lag auf dem Bett, in meinerHand ein Rasiermesser, noch na von seinem Blut!Erbeugte sich tiefer zu Poirot hinber.

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    Jngst wurden Tiere gettet, flsterte er.Hier imUmkreis im Dorf drauen auf den Feldern. Schafe,junge Lmmer ein Schferhund. Vater sperrte mich ein,aber manchmal manchmal ist die Tr morgens offen. Ichmu einen Schlssel irgendwo versteckt haben, aber ichwei nicht wo. Ich wei es nicht. Ich bin es nicht, derdiese Dinge macht es ist jemand anders, der in michhineinschlpft der von mir Besitz ergreift der mich auseinem Menschen in ein rasendes Ungeheuer verwandelt,das nach Blut lechzt und kein Wasser trinken kann

    Pltzlich vergrub er sein Gesicht in den Hnden.

    Nach einer kleinen Pause fragte Poirot:

    Ich verstehe noch immer nicht, warum Sie keinen Arztkonsultiert haben.

    Hugh Chandler schttelte den Kopf.

    Verstehen Sie es wirklich nicht? Physisch bin ich stark.

    Stark wie ein Stier. Ich kann Jahre leben Jahre zwischen vier Wnden eingesperrt! Dem kann ich nichtins Auge sehen! Es wre besser, ganz von der Bildflchezu verschwinden Es gibt immer Mittel und Wege,wissen Sie. Ein Unfall beim Putzen des Gewehres etwas Derartiges. Diana wird es begreifen Ich mchtemir lieber meinen eigenen Abgang zurechtlegen!

    Er blickte Poirot herausfordernd an, aber Poirot reagiertenicht darauf. Statt dessen fragte er gelassen:

    Was essen und trinken Sie?

    Hugh Chandler warf den Kopf zurck. Er brllte vorLachen.

    Alpdrcken nach verdorbenem Magen? Denken Sie

    daran?Poirot wiederholte nur ruhig:

    Was essen und trinken Sie?

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    Genau was alle anderen Leute essen und trinken.

    Keine besonderen Medikamente, Tabletten, Pillen?

    Du lieber Himmel, nein. Glauben Sie wirklich, daWunderpillen mich heilen knnten?Er zitierte hhnisch:

    Knnt Ihr denn eine kranke Seele heilen?

    Hercule Poirot sagte trocken:

    Ich versuche es. Hat hier im Haus irgend jemand einAugenleiden?

    Hugh Chandler blickte sehr erstaunt.Vaters Augen machen ihm viel zu schaffen. Er muziemlich oft zum Augenarzt gehen.

    So!Poirot berlegte einige Augenblicke. Dann fuhr erfort:

    Ich vermute, Colonel Frobisher hat einen groen Teilseines Lebens in Indien verbracht?

    Ja, er war in der indischen Armee. Er ist sehr begeistertvon Indien erzhlt viel davon Sitten und Gebrucheder Eingeborenen und all das.

    Poirot murmelte wieder:

    So!

    Dann bemerkte er:

    Ich sehe, da Sie sich am Kinn geschnitten haben.Hugh fhrte die Hnde an sein Kinn.

    Ja, ein grndlicher Schnitt. Vater hat mich eines Tagesbeim Rasieren erschreckt. Ich bin jetzt etwas zappelig,wissen Sie.

    Und auerdem hatte ich einen Ausschlag am Kinn undam Hals, und das erschwert das Rasieren sehr.

    Sie sollten eine lindernde Rasiercreme verwenden, rietPoirot.

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    Das tue ich ohnedies, Onkel George hat mir einegegeben.Pltzlich lachte er.

    Wir sprechen wie in einem Schnheitssalon fr Damen.Salben, Wunderpillen, Augenwasser. Wo soll das hinaus,Monsieur Poirot?

    Poirot erklrte gelassen:

    Ich versuche mein mglichstes fr Diana Maberly zutun.

    Hughs Stimmung schlug um. Sein Gesicht wurde ernst.

    Er legte seine Hnde auf Poirots Arm.Ja, tun Sie, was Sie knnen fr sie. Sagen Sie ihr, da

    sie vergessen mu. Sagen Sie ihr, da es keinen Sinn hatzu hoffen Erzhlen Sie ihr einige von den Dingen, dieich Ihnen berichtet habe Sagen Sie ihr oh, sagen Sieihr, da sie sich um Himmels willen von mir fernhaltensoll! Das ist das einzige, was sie jetzt fr mich tun kann.

    Sich fernhalten und versuchen zu vergessen!

    V

    Haben Sie Mut, Mademoiselle? Viel Mut? Sie werdenihn brauchen.

    Diana rief heftig aus:Dann ist es also wahr! Es ist wahr, er ist wahnsinnig?

    Ich bin kein Irrenarzt, Mademoiselle. Ich kann nichtsagen, ob dieser Mann verrckt ist oder normal

    Sie kam nher zu ihm heran.

    Admiral Chandler glaubt, da Hugh wahnsinnig ist.

    George Frobisher glaubt, da er wahnsinnig ist. Hughselbst glaubt, da er wahnsinnig ist

    Poirot beobachtete sie:

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    Und Sie, Mademoiselle?

    Ich? Ich sage, da er nicht wahnsinnig ist! Deshalb

    Sie stockte.Deshalb sind Sie zu mir gekommen.

    Ja. Ich konnte keinen anderen Grund haben, zu Ihnenzu kommen, nicht wahr?

    Das, gab Hercule Poirot zu,ist genau das, was ichmich selbst gefragt habe, Mademoiselle.

    Ich verstehe Sie nicht.

    Wer ist Stephen Graham?

    Sie sah ihn gro an.

    Stephen Graham? Oh irgend jemand.

    Sie packte ihn am Arm.

    Was haben Sie im Sinn? Woran denken Sie? Sie stehennur da, hinter Ihrem groen Schnurrbart, blinzeln in die

    Sonne und sagen kein Wort. Sie machen mir Angst schreckliche Angst.

    Warum machen Sie mir Angst?

    Vielleicht, sagte Poirot,weil ich selbst Angst habe.

    Die tiefen grauen Augen starrten zu ihm empor. Sieflsterte:

    Wovor haben Sie Angst?Hercule Poirot seufzte tief und meinte:

    Es ist viel leichter, einen Mrder einzufangen, als einenMord zu verhten.

    Sie schrie auf:

    Mord? Sprechen Sie dieses Wort nicht aus.

    Ich spreche es aber trotzdem aus.Er nderte seinen Ton und sprach schnell und

    gebieterisch:

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    Mademoiselle, es ist notwendig, da wir beide, Siesowohl als ich, die Nacht in Lyde Manor verbringen. Ichverlasse mich auf Sie, da Sie die Sache arrangieren. Gehtdas?

    Ich ja ich denke schon. Aber warum?

    Weil keine Zeit zu verlieren ist. Sie haben mir gesagt,da Sie Mut haben. Beweisen Sie es jetzt. Tun Sie, wasich Ihnen sage, ohne zu fragen.

    Sie nickte wortlos und wandte sich ab.

    Poirot folgte ihr nach einigen Augenblicken ins Haus. Erhrte ihre Stimme in der Bibliothek sowie die Stimmenvon drei Mnnern. Er ging die breite Treppe hinauf. Eswar niemand im oberen Stockwerk.

    Er fand mhelos Hugh Chandlers Zimmer. In der Eckedes Zimmers war ein eingebauter Waschtisch mit heiemund kaltem Wasser. Auf einer Glasplatte darber waren

    verschiedene Tuben, Tiegel und Flaschen.Hercule Poirot ging schnell und geschickt zu Werk.

    Was er zu tun hatte, whrte nicht lange. Er war bereitswieder unten in der Halle, als Diana erhitzt und zornig ausder Bibliothek kam.

    Es ist schon arrangiert, erklrte sie.

    Admiral Chandler zog Poirot in die Bibliothek undschlo die Tr. Er sagte:

    Hren Sie mich an, Monsieur Poirot, die Geschichtegefllt mir nicht.

    Was gefllt Ihnen nicht, Admiral Chandler?

    Diana hat darauf bestanden, da Sie beide, Diana undSie, die Nacht hier im Haus verbringen. Ich will nicht

    ungastlich sein Es ist keine Frage der Gastlichkeit.

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    Wie gesagt, ich will nicht ungastlich sein aber, offengestanden, pat es mir nicht. Ich ich wnsche es nicht.Und ich sehe den Grund nicht ein. Was kann es schonntzen?

    Nennen wir es ein Experiment, das ich mache.

    Was fr ein Experiment?

    Entschuldigen Sie, aber das ist meine Sache

    Hren Sie mich an, Monsieur Poirot, erstens habe ichSie nicht ersucht, herzukommen

    Poirot unterbrach ihn.Glauben Sie mir, Admiral Chandler, da ich Ihren

    Standpunkt vollkommen begreife und respektiere. Ich bineinzig und allein wegen der Hartnckigkeit einesliebenden Mdchens hier. Sie haben mir gewisse Dingeerzhlt, Colonel Frobisher hat mir gewisse Dinge erzhlt,Hugh selbst hat mir gewisse Dinge erzhlt. Jetzt will ichselbst sehen, was los ist.

    Ja, aber was sehen? Ich sage Ihnen, es gibt nichts zusehen.

    Ich sperre Hugh jeden Abend in sein Zimmer ein undbasta.

    Und doch sagt er mir, ist die Tr des Morgens

    zuweilen nicht abgesperrt.Was heit das?

    Haben Sie nicht selbst schon die Tr offen gefunden?

    Chandler runzelte die Stirn.

    Ich dachte immer, George htte sie aufgesperrt waswollen Sie damit sagen?

    Wo lassen Sie den Schlssel im Schlo?Nein, ich lege ihn drauen auf die Kommode. Ich oder

    George oder Withers, der Diener, nehmen ihn in der Frhe

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    dort weg.

    Wir haben Withers als Grund angegeben, da Hugh

    schlafwandelt Ich vermute, er wei mehr aber er isteine treue Seele, er ist schon seit Jahren bei mir.

    Gibt es noch einen Schlssel?

    Nicht da ich wte.

    Es htte einer gemacht werden knnen.

    Aber wer

    Ihr Sohn glaubt, da er selbst einen irgendwo imZimmer versteckt hat, obwohl er sich dessen in wachemZustand nicht bewut ist.

    Colonel Frobishers Stimme erklang vom anderen Endedes Raumes:

    Die Sache gefllt mir nicht, Charles Das Mdchen

    Ganz meine Meinung, warf Chandler schnell ein. Das

    Mdchen darf nicht mit Ihnen zurckkommen. KommenSie selbst, wenn Sie wollen.

    Warum wollen Sie nicht, da Miss Maberly die Nachthier verbringt?erkundigte sich Poirot.

    Frobisher sagte leise:

    Es ist zu gefhrlich. In diesen Fllen Er hielt inne.

    Hugh liebt sie sehr begann Poirot.Chandler rief:

    Eben darum! Verflucht noch einmal, verstehen Siedoch, bei einem Irren ist alles auf den Kopf gestellt. Hughselbst wei das. Diana darf nicht herkommen.

    Das, meinte Poirot,mu Diana selbst entscheiden.

    Er verlie die Bibliothek. Diana wartete drauen imWagen.

    Sie rief:

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    Wir holen uns, was wir fr die Nacht brauchen, undkommen zum Dinner zurck.

    Als sie die lange Auffahrt hinunterfuhren, wiederholtePoirot sein Gesprch mit Admiral Chandler und ColonelFrobisher.

    Sie lachte hhnisch.

    Glauben Sie, da Hugh mir etwas antun wrde?

    Als Antwort bat Poirot sie, bei der Apotheke im Ortanzuhalten. Er habe vergessen, eine Zahnbrste

    einzupacken, sagte er.Die Apotheke war in der Mitte der friedlichen

    Dorfstrae.

    Diana wartete drauen im Wagen. Es fiel ihr auf, daHercule Poirot lange brauchte, um eine Zahnbrsteauszusuchen

    VI

    In dem groen Schlafzimmer mit den schwerenelisabethanischen Eichenmbeln sa Hercule Poirot undwartete. Es gab nichts anderes zu tun, als zu warten. Alleseine Vorkehrungen waren getroffen.

    Der Alarm kam in den frhen Morgenstunden.

    Als er drauen Schritte hrte, schob Poirot den Riegelzurck und ffnete die Tr. Auf dem Gang standen zweiltliche Mnner. Der Admiral ernst und grimmig, ColonelFrobisher zuckend und bebend.

    Chandler sagte einfach:

    Wollen Sie mit uns kommen, Monsieur Poirot.Vor Diana Maberlys Schlafzimmer lag eine

    zusammengekauerte Gestalt. Das Licht fiel auf einen

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    zerzausten hellbraunen Schopf. Hugh Chandler lagrchelnd am Boden. Er war in Schlafrock und Pantoffeln.In seiner rechten Hand war ein gebogenes, glnzendesMesser. Stellenweise glnzte es matt von roten nassenFlecken.

    Hercule Poirot rief mit erstickter Stimme:

    Mon dieu!

    Frobisher sagte rasch:

    Ihr fehlt nichts. Er hat sie nicht berhrt.Er erhob seine

    Stimme und rief:Diana! Wir sind es! La uns hinein!

    Poirot hrte den Admiral sthnen und leise vor sichhinmurmeln:

    Mein Junge, mein armer Junge.

    Man hrte, wie der Riegel zurckgeschoben wurde. Die

    Tr ging auf, und Diana stand auf der Schwelle. IhrGesicht war totenbleich. Sie stammelte:

    Was ist geschehen? Jemand war da er hat versucht,hereinzukommen ich habe es gehrt wie er die Trbetastet hat die Klinke wie er an der Vertfelunggekratzt hat Oh! Es war grauenhaft Wie ein Tier

    Frobisher sagte rasch:

    Gott sei Dank, da Deine Tr versperrt war!Monsieur Poirot hatte mich ersucht, sie zuzusperren.

    Heben Sie ihn auf und bringen Sie ihn hinein, befahlPoirot.

    Die beiden Mnner bckten sich und hoben denBewutlosen auf. Als sie an ihr vorbeikamen, entrang sich

    Diana ein trockenes Schluchzen.Hugh? Es ist Hugh? Was ist das auf seinen Hnden?

    Hugh Chandlers Hnde waren feucht und klebrig von

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    einem rotbraunen Na.

    Diana hauchte:

    Ist das Blut?Poirot blickte die beiden Mnner fragend an. Der

    Admiral nickte und sagte:

    Gottlob kein Menschenblut! Eine Katze! Ich habe sieunten in der Halle gefunden. Mit durchschnittenem Hals.Nachher mu er hier heraufgekommen sein

    Hierher?Diana sprach mit vor Entsetzen erstickterStimme:Zu mir?

    Der Mann auf dem Stuhl regte sich murmelte. Siebeobachteten ihn wie gebannt. Hugh Chandler setzte sichauf. Er blinzelte.

    Hallo.Seine Stimme war verwirrt heiser.Was istgeschehen? Warum bin ich ?

    Er stockte. Er starrte auf das Messer, das er noch mit derHand umklammert hielt.

    Was habe ich getan?hauchte er mit belegter Stimme.

    Seine Augen schweiften von einem zum anderen. Sieblieben auf Diana haften, die an die Wandzurckgewichen war.

    Habe ich Diana angegriffen?Sein Vater schttelte den

    Kopf.Sagt mir, was geschehen ist! Ich mu es wissen,

    forderte Hugh.

    Sie sagten es ihm widerstrebend stockend. Seineruhige Ausdauer zog es aus ihnen heraus.

    Vor den Fenstern ging die Sonne auf. Hercule Poirot zog

    einen Vorhang beiseite. Der Glanz der Morgendmmerungerfllte den Raum.

    Hugh Chandlers Zge waren gefat, seine Stimme fest.

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    Er sagte:

    Ich verstehe.

    Dann erhob er sich. Er lchelte und streckte sich. SeineStimme klang vollkommen natrlich, als er fortfuhr:

    Schner Morgen, nicht wahr? Ich glaube, ich werde inden Wald gehen und versuchen, ein Kaninchen zuschieen.Er ging aus dem Zimmer. Die anderen starrtenihm nach.

    Dann machte der Admiral Miene, ihm nachzustrzen.

    Frobisher packte ihn am Arm.Nein, Charles, nein. Es ist der beste Ausweg fr ihn

    den armen Jungen wenn schon fr niemand anderen.

    Diana hatte sich schluchzend auf das Bett geworfen.

    Admiral Chandler sagte mit unsicherer Stimme:

    Du hast recht, George Du hast recht, ich wei. Der

    Junge hat Courage Auch Frobishers Stimme brach.

    Er ist ein Mann, sagte er leise.

    Chandler unterbrach den Augenblick desSchweigens.Zum Teufel, wo ist der verdammteAuslnder?

    VII

    In der Gewehrkammer hatte Hugh Chandler sein Gewehrvom Stnder genommen und war dabei, es zu laden, alsHercule Poirots Hand auf seine Schulter fiel.

    Hercule Poirot sagte nur ein Wort, aber das sagte er

    sonderbar gebieterisch:Nein!

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    Hugh Chandler starrte ihn an. Mit zorniger, heisererStimme brummte er:

    Hnde weg! Mischen Sie sich nicht hinein. Es wirdeben ein Unglcksfall gewesen sein. Es ist der einzigeAusweg.

    Hercule Poirot wiederholte das eine Wort:

    Nein!

    Begreifen Sie denn nicht, da, wenn Dianas Tr nichtzufllig verschlossen gewesen wre, ich Diana die Kehle

    durchgeschnitten htte! Diana! mit diesem Messerhier!

    Ich begreife nichts dergleichen. Sie htten MissMaberly nicht gettet.

    Ich habe aber doch die Katze umgebracht, nicht wahr?

    Nein, Sie haben die Katze nicht umgebracht. Sie haben

    den Papagei nicht umgebracht. Sie haben die Schafe nichtumgebracht.

    Hugh ri die Augen auf. Er fragte:

    Sind Sie verrckt oder bin ich es?

    Hercule Poirot erwiderte:

    Keiner von uns beiden ist verrckt.

    In diesem Augenblick kamen Admiral Chandler undColonel Frobisher herein, gefolgt von Diana.

    Hugh Chandler sagte leise und wie betubt:

    Dieser Mann sagt, da ich nicht verrckt bin

    Ich bin glcklich Ihnen sagen zu knnen, warf Poirotein,da Sie geistig vollkommen normal sind.

    Hugh lachte. Er lachte so, wie Wahnsinnige angeblich

    lachen.Das ist verdammt komisch! Ist es normal, Schafen und

    anderen Tieren die Hlse durchzuschneiden? Ich war

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    normal, nicht wahr, als ich den Papagei umbrachte und dieKatze heute nacht?

    Ich sage Ihnen, Sie haben die Schafe nicht umgebracht noch den Papagei noch die Katze.

    Wer hat es denn getan?

    Jemand, dessen einziges Sinnen und Trachten daraufgerichtet war zu beweisen, da Sie wahnsinnig sind.Jedesmal hatte man Ihnen ein schweres Schlafmittelgegeben und ein blutbeflecktes Messer oder Rasiermesser

    neben Sie gelegt. Es war jemand anderer, dessen blutigeHnde in Ihrem Waschbecken abgewaschen wurden.

    Aber warum?

    Damit Sie das tun, was Sie eben im Begriff waren zutun, als ich Sie daran hinderte.

    Hugh starrte ihn entgeistert an. Poirot wandte sich anColonel Frobisher:

    Colonel Frobisher, Sie haben viele Jahre in Indiengelebt. Sind Ihnen nie Flle vorgekommen, wo Leutedurch Verabfolgungen von Rauschgiften schlielich zumWahnsinn getrieben wurden?

    Frobisher blickte interessiert auf.

    Ich habe nie selbst einen solchen Fall gesehen, aber ich

    habe oft davon sprechen hren. Datura-Vergiftungen. Sieenden mit Wahnsinn.

    Eben. Nun, der wirksame Bestandteil der Datura istnahe verwandt, wenn nicht identisch, mit dem AlkaloidAtropin welches auch in Belladonna oder tdlichenNachtschattengewchsen enthalten ist.Belladonnaprparate sind ziemlich gebruchlich, und

    Atropinsulfat selbst wird bei Augenleiden verschrieben.Wenn man ein Rezept wiederholen und an

    verschiedenen Orten machen lt, kann man sich eine

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    groe Menge des Giftes verschaffen, ohne Verdacht zuerwecken. Man kann die Alkaloide extrahieren und sagen wir einer Rasiercreme beimengen. uerlichangewendet verursacht es einen Ausschlag, der beimRasieren zu Hautabschrfungen fhren mu, und so dringtdas Gift stndig in den Organismus ein. Es erzeugtgewisse Symptome Trockenheit in Mund und Hals,Schlingbeschwerden, Halluzinationen, doppeltes Sehen kurz alle Symptome, die bei Mr. Chandler aufgetreten

    sind.Er wandte sich an den jungen Mann.

    Und um Ihnen die letzten Zweifel zu nehmen, will ichIhnen sagen, da dies keine Vermutungen sind, sondernTatsachen.

    Ihre Rasiercreme war stark mit Atropinsulfat vermengt.

    Ich habe eine Probe genommen und sie untersuchenlassen.

    Bleich und bebend fragte Hugh:Wer hat das gemacht? Warum?

    Das beschftigt mich, seit ich hier angekommen bin.Ich habe nach einem Motiv fr einen Mord gesucht. DianaMaberly htte durch Ihren Tod finanziell profitiert, aberich habe sie nicht ernstlich in Erwgung gezogen

    Hugh Chandler brauste auf:

    Das will ich hoffen!

    Ich fate ein anderes Motiv ins Auge. Das ewigeDreieck.

    Zwei Mnner und eine Frau. Colonel Frobisher war inIhre Mutter verliebt. Admiral Chandler hat sie geheiratet.

    Admiral Chandler rief aus:

    George! George! Ich kann es nicht glauben!Hugh fragte unglubig:

    Glauben Sie, da Ha sich auf einen Sohn bertragen

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    kann?

    Hercule Poirot sagte:

    Unter gewissen Umstnden, ja.Frobisher rief:

    Es ist eine infame Lge! Glaube ihm nicht, Charles.

    Chandler schauderte vor ihm zurck. Er murmelte:

    Datura Indien ja, ich sehe Und wir htten nieGift vermutet nicht, wo Wahnsinn schon in der Familie

    ist Mais oui!Hercule Poirots Stimme erhob sich schrill:

    Wahnsinn in der Familie. Ein Irrer, der auf Rache sinnt schlau wie die Irren sind der seinen Irrsinn jahrelangverheimlicht.Er scho zu Frobisher herum.Mon Dieu,Sie mssen gewut haben, Sie mssen geahnt haben, daHugh Ihr Sohn ist? Warum haben Sie es ihm nie gesagt?

    Frobisher wrgte und stammelte:Ich wute nicht. Ich konnte nicht sicher sein

    Caroline kam einmal zu mir in groer Not irgendetwas hatte sie erschreckt. Sie ich wir verloren denKopf. Nachher ging ich sofort weg es war das einzige,was ich tun konnte, wir wuten beide, da wir bei derStange bleiben muten. Ich nun ich habe mich gefragt,

    aber ich konnte nicht sicher sein. Caroline sagte nie etwas,woraus ich schlieen konnte, da Hugh mein Sohn sei.Und dann, als sich als sich dieser Anflug von Wahnsinnzeigte, war die Sache fr mich entschieden.

    Poirot sagte:

    Ja, das entschied die Sache. Sie konnten nicht die Artund Weise sehen, wie der Junge den Kopf vorstreckt und

    dabei die Stirne runzelt ein Tick, den er von Ihnen geerbthat. Aber Charles Chandler sah es. Sah es vor Jahren und erfuhr die Wahrheit von seiner Frau. Ich glaube, sie

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    frchtete sich vor ihm. Der Wahnsinn hatte schonbegonnen, sich bei ihm zu offenbaren.Das war es, was siezu Ihnen trieb in die Arme des Mannes, den sie immergeliebt hatte. Charles Chandler schmiedete seineRacheplne. Seine Frau starb bei einem Bootsunglck. Erund sie waren allein drauen im Boot, und nur er wei,wie dieses Unglck geschah. Dann konzentrierte er seinenHa auf den Jungen, der seinen Namen trug, jedoch nichtsein Sohn war. Durch Ihre indischen Geschichten kam erauf die Idee der Vergiftung mit Datura. Hugh sollte

    langsam zum Wahnsinn getrieben werden. Bis zumSelbstmord aus Verzweiflung. Admiral Chandler war es,der blutgierig war, nicht Hugh. Charles Chandler brachtees fertig, auf einsamen Feldern Schafen die Hlsedurchzuschneiden. Aber Hugh sollte dafr ben!

    Wissen Sie, wann der Verdacht in mir aufstieg? AlsAdmiral Chandler sich gegen eine rztliche Untersuchung

    seines Sohnes strubte. Da Hugh sich ihr widersetzte,war ganz natrlich.

    Aber der Vater! Es knnte eine Behandlung geben, umseinen Sohn zu retten es gab hundert Grnde, warum erein rztliches Gutachten wnschen mute. Aber nein, einArzt durfte Hugh Chandler nicht sehen weil ein Arztentdecken knnte, da Hugh geistig gesund ist!

    Geistig gesund Ich bin geistig gesund?fragte Hugh.

    Er machte einen Schritt auf Diana zu. Frobisher erklrtebarsch:

    Du bist geistig vllig gesund. In unserer Familie istkeine erbliche Belastung.

    Diana flsterte:

    Hugh Admiral Chandler ergriff Hughs Gewehr.

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    Alles purer Unsinn! Ich glaube, ich werde in den Waldgehen und sehen, ob ich ein Kaninchen schieen kann

    Frobisher wollte ihm nachstrzen, aber Hercule Poirothielt ihn zurck.

    Sie sagten selbst gerade jetzt da es der besteAusweg sei

    Hugh und Diana hatten das Zimmer verlassen.

    Die beiden Mnner, der Belgier und der Englnder,beobachteten den letzten der Chandler, wie er den Park

    durchquerte und hinauf in die Wlder ging.Bald darauf hrten sie einen Schu.

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    2 Die Stuten des Diomedes

    I

    Das Telefon klingelte.

    Hallo, Poirot, sind Sie es?

    Hercule Poirot erkannte die Stimme des jungen DoktorStoddart. Er konnte Michael Stoddart gut leiden, mitseinem scheuen, treuherzigen Lcheln und seinem naivenInteresse fr Kriminalistik, und er schtzte ihn alsfleiigen, tchtigen Arzt.

    Es ist mir schrecklich, Sie in Ihrer Ruhe zu stren fuhr die Stimme fort und stockte dann.

    Aber etwas scheint Sie in Ihrer Ruhe gestrt zu haben,erwiderte Poirot schlagfertig.

    Stimmt genau.Michael Stoddarts Stimme klangerleichtert.Sie haben es erraten.

    Eh bien, was kann ich fr Sie tun, mein Freund?

    Stoddart schien eingeschchtert. Er stotterte ein wenig,

    als er antwortete:Sie werden es fr eine groe Unverschmtheit halten,

    wenn ich Sie bitte, zu dieser Nachtstundeherberzukommen A-a-aber ich bin in der K-K-Klemme.

    Natrlich komme ich. Soll ich in Ihre Wohnungkommen?

    Nein eigentlich bin ich in der kleinen Gasse hintermeinem Haus. Conningby Mews. Auf Nummer 17.Knnen Sie wirklich kommen? Ich wre Ihnen unendlich

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    dankbar.

    Ich komme sofort, versprach Hercule Poirot.

    II

    Hercule Poirot ging die kleine Gasse entlang und blicktezu den Nummern empor. Es war nach ein Uhr morgens,und die Gasse schien schon zu schlafen, obwohl in einigenFenstern noch Licht war.

    Als er zu Nummer 17 kam, ffnete sich die Haustr, undDr. Stoddart blickte heraus.

    Sie Guter, sagte er,wollen Sie bitte heraufkommen.

    Eine schmale Treppe, wie eine Hhnerleiter, fhrte insobere Stockwerk. Zur Rechten war ein ziemlich groesZimmer voller Diwans, Teppiche, dreieckiger Polster und

    einer groen Menge Flaschen und Glsern.Es herrschte ein wstes Durcheinander;

    Zigarettenstummel waren berall verstreut, und es gabeine Menge zerbrochener Glser.

    Hm!kommentierte Hercule Poirot.Mon chr Watson,ich vermute, da hier eine Party stattgefunden hat!

    Stimmt, brummte Stoddart grimmig.Das kann manwohl sagen; und was fr eine Party!

    Sie waren also nicht mit dabei?

    Nein, ich bin streng beruflich hier.

    Was ist vorgefallen?

    Stoddart erklrte:

    Diese Wohnung gehrt einer Frau namens Patricia

    Grace.Mrs. Patricia Grace.

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    Welch reizender, altmodischer Name, meinte Poirot.

    An Mrs. Grace ist nichts Altmodisches oder Reizendes.

    Sie ist in ihrer etwas derben Art ganz hbsch. Sie ist zweiMnnern durchgegangen, und jetzt hat sie einenLiebhaber, den sie verdchtigt, da er ihr durchgehen will.Die Gesellschaft hat mit Trinken begonnen und mitRauschgift geendet. Mit Kokain, genau gesagt. Kokain istein Zeug, bei dem man sich zuerst wunderbar wohl fhltund die ganze Welt in rosigen Farben sieht. Es pulverteinen auf, und man hat das Gefhl verdoppelter Energie.Wenn man zuviel davon nimmt, bekommt man schwereAufregungszustnde, Wahnvorstellungen, Halluzinationenund Delirium. Mrs. Grace hatte einen heftigen Auftritt mitihrem Liebhaber, einem antipathischen Kerl namensHawker. Resultat: er ist auf der Stelle fortgelaufen. Siebeugt sich aus dem Fenster und schiet ihm auf gut Glckmit einem funkelnagelneuen Revolver nach, den ihr

    jemand idiotischerweise geschenkt hat.Poirot hob die Augenbrauen.

    Hat sie ihn getroffen?

    Keine Spur! Die Kugel ging etliche Meter daneben,schtze ich. Aber sie traf einen armen Teufel, der hier inder Gasse herumgelungert ist, um die Mlleimer zu

    durchwhlen. Natrlich schlug er einen Hllenlrm, dieMenge drngte ihn hier herein und bei all dem Blut, das erverlor, bekamen sie es mit der Angst zu tun und holtenmich.

    Ja?

    Ich habe ihn zusammengeflickt. Es war nichts ernstes.Dann haben ihn ein oder zwei Mnner bearbeitet, und

    schlielich hat er eingewilligt, ein Paar Fnfpfundscheineanzunehmen und zu schweigen. Es hat ihm sehr gutgepat, dem armen Teufel.

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    Fr ihn war es ein Haupttreffer.

    Und Sie?

    Ich mute mich noch weiter bettigen. Mrs. Graceselbst hatte um diese Zeit bereits einen hysterischenAnfall. Ich gab ihr eine Spritze und steckte sie ins Bett.Dann war noch ein anderes Mdchen da, die mehr oderweniger erledigt war ganz jung und um die habe ichmich auch gekmmert. Um diese Zeit stahlen sich schonalle fort, so schnell sie konnten.Er machte eine Pause.

    Und dann, fuhr Poirot weiter,hatten Sie Zeit, ber dieSituation nachzudenken.

    Stimmt, pflichtete Stoddart bei.Wre es einegewhnliche Sauferei gewesen, so wre es damit erledigt,aber Opiate sind etwas anderes.

    Sind Sie Ihrer Sache ganz sicher?

    Oh, absolut. Das ist nicht zu verkennen. Es istzweifellos Kokain. Ich fand brigens etwas davon in einerLackdose sie schnupfen es auf, wissen Sie. Die Frage ist,woher kommt es? Ich erinnere mich, da sie neulich voneiner groen neuen Welle des Rauschgiftschmuggels undeiner Zunahme der Kokainisten gesprochen haben.

    Hercule Poirot nickte.Die Polizei wird sich fr diesesheutige Fest interessieren.

    Michael Stoddart sagte mit einem unglcklichenGesicht:

    Das ist es ja eben

    Poirot blickte ihn mit pltzlich erwachendem Interessean.

    Und Ihnen liegt nichts daran, da die Polizei sich fr

    die Sache interessiert?Michael Stoddart brummte undeutlich:

    Unschuldige Menschen werden in Dinge verwickelt

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    schwer fr sie.

    Sind Sie so besorgt um Mrs. Patricia Grace?

    Du liebe Zeit, nein. Sie ist eine von den ganzhartgesottenen!

    Hercule Poirot fgte milde hinzu:

    Also handelt es sich um die andere das jungeMdchen?

    Natrlich ist sie auf ihre Art auch hartgesotten, gabStoddart zu.Ich meine, sie hlt sich dafr. Aber sie ist inWirklichkeit nur sehr jung ein bichen ausgelassen undall das aber im Grunde ist es nur Kinderei. Sie macht beiso einem Trubel mit, weil sie glaubt, da es schick odermodern oder so etwas ist.

    Ein leichtes Lcheln umspielte Poirots Lippen. Er sagteleise:

    Haben Sie dieses junge Mdchen schon vor demheutigen Abend gekannt?

    Michael Stoddart nickte. Er sah sehr jung und verlegenaus.

    Ich habe sie in Mertonshire auf einem Jagdballkennengelernt. Ihr Vater ist ein pensionierter General Donner und Blitz, schiet sie alle nieder Pukka Sahib

    und all das Zeug.Es sind vier Tchter, und alle sind ein wenig

    hemmungslos kein Wunder bei einem solchen Vater.Und die Umgebung, in der sie leben, ist auch nicht gut Rstungsindustrie in der Nachbarschaft, viele Parvens nichts von der frheren Atmosphre der gutenGesellschaft die Leute schwimmen in Geld, sind aber

    zum Teil recht verdorben. Die Mdchen sind in einschlechtes Fahrwasser geraten.

    Hercule Poirot blickte ihn eine Weile nachdenklich an,

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    dann meinte er:

    Ich sehe jetzt, weshalb Sie meine Gesellschaft

    gewnscht haben. Sie mchten, da ich die Sache in dieHand nehme?

    Wrden Sie es tun? Ich habe das Gefhl, da ich etwasunternehmen sollte aber ich gestehe, da ich SheilaGrant wenn mglich vor einem Skandal bewahrenmchte.

    Ich glaube, das lt sich machen. Ich mchte die junge

    Dame gerne sehen.Kommen Sie mit.

    Er fhrte ihn aus dem Zimmer heraus. Eine Stimme riefklglich aus einer gegenberliegenden Tr:

    Doktor um Himmels willen, Doktor, ich werdeverrckt.

    Stoddart ging in das Zimmer, Poirot folgte ihm. Es warein Schlafzimmer in vllig chaotischem Zustand Puderwar auf dem Boden ausgestreut Tiegel und Flakonsstanden berall herum, Kleider lagen achtlos hingeworfenauf dem Boden. Auf dem Bett lag eine Frau mitplatinierten Haaren und einem leeren, lasterhaften Gesicht.Sie rief:

    Ameisen kriechen mir ber den ganzen Krper bestimmt.

    Ich schwre es. Ich werde toll Um Himmels willengeben Sie mir eine Spritze oder irgend etwas!

    Dr. Stoddart stand am Bettrand. Sein Ton warberufsmig beschwichtigend.

    Hercule Poirot schlich sich aus dem Zimmer. Ihm

    gegenber war noch eine Tr. Er ffnete sie.Es war ein winziges Zimmer eine bloe Kammer

    ganz einfach eingerichtet. Auf dem Bett lag regungslos

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    eine zarte, mdchenhafte Gestalt. Hercule Poirot schlichauf Zehenspitzen an den Bettrand und blickte auf dasjunge Mdchen herab.

    Dunkles Haar, ein lngliches, blasses Gesicht und jung, ja, sehr jung

    Ein schmaler weier Streifen schimmerte zwischen ihrenLidern.

    Ihre Augen ffneten sich, erschreckte, ngstliche Augen.Sie starrte ihn an, setzte sich auf und warf den Kopf

    zurck in dem Bemhen, die dichte Mhne blauschwarzenHaares zurckzuwerfen. Sie sah aus wie ein verschrecktesFohlen und wich ein wenig zurck, wie ein wildes Tierzurckweicht, wenn es einem Fremden mitraut, der ihmFutter reicht.

    Sie begann zu sprechen und ihre Stimme klang jung,dnn und schroff:

    Wer, zum Teufel, sind Sie?Frchten Sie sich nicht, Mademoiselle.

    Wo ist Dr. Stoddart?

    In diesem Augenblick kam der junge Mann in dasZimmer das Mdchen seufzte erleichtert:

    Oh, da sind Sie. Wer ist das?

    Das ist ein Freund von mir, Sheila. Wie fhlen Sie sichjetzt?

    Das Mdchen klagte:

    Elend, lausig Warum habe ich nur das abscheulicheZeug genommen?

    Stoddart sagte trocken:

    Ich wrde es an Ihrer Stelle nicht mehr tun.Ich ich werde es auch nicht mehr tun.

    Hercule Poirot schaltete sich ein.

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    Und mit vollem Recht, sagte Stoddart.

    Doktor Doktor jammerte Mrs. Grace in dem

    anderen Zimmer.Stoddart brummte etwas wenig Schmeichelhaftes undging hinaus.

    Sheila Grant starrte Poirot wieder an. Sie zerbrach sichoffenbar den Kopf.

    Wer sind Sie eigentlich? Sie waren nicht bei derGesellschaft?

    Nein, ich war nicht bei der Gesellschaft. Ich bin einFreund von Dr. Stoddart.

    Sind Sie auch Arzt? Sie sehen nicht so aus.

    Mein Name, erklrte Hercule Poirot und verstand eswie immer, die einfache Feststellung klingen zu lassen wiedie letzten Worte im ersten Akt eines Theaterstckes,

    knapp bevor der Vorhang fllt,mein Name ist HerculePoirot

    Die Feststellung verfehlte nicht ihre Wirkung. Zuweilenschmerzte es Poirot zu bemerken, da eine oberflchlichejngere Generation nie von ihm gehrt hatte.

    Aber es war klar, da Sheila Grant wirklich von ihmgehrt hatte. Sie war entgeistert sprachlos. Sie ri die

    Augen auf.

    III

    Es wird mit Recht oder Unrecht behauptet, da jedermanneine Tante in Torquay hat.

    Es wird auch behauptet, da jedermann wenigstens einenVetter zweiten Grades in Mertonshire hat. Mertonshireliegt in einer vernnftigen Entfernung von London, man

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    kann dort reiten, jagen und fischen; es hat einige sehrmalerische, vielleicht allzu kulissenhafte Drfer, es hatgute Eisenbahnverbindungen und eine neue Strae, die dasAutofahren von und nach London erleichtert. Dienstbotenweigern sich weniger heftig dorthin zu gehen als in anderelndliche Distrikte der britischen Inseln.

    Daher ist es so gut wie unmglich, in Mertonshire zuleben, wenn man kein vierstelliges Einkommen hat, undmit der Einkommensteuer und dem, was drum und dranhngt, ist ein fnfstelliges noch besser.

    Hercule Poirot hatte als Auslnder keinen Vetter zweitenGrades in der Grafschaft, aber er hatte sich im Laufe derZeit einen groen Freundeskreis geschaffen, und es fielihm nicht schwer, sich in dieser Gegend einladen zulassen. Er hatte sich berdies eine liebenswrdige Dameals Gastgeberin gewhlt, deren Hauptfreude es war, ihreZunge an ihren Nachbarn zu wetzen der einzige Nachteilwar, da Poirot sehr viel Geklatsch ber Leute ber sichergehen lassen mute, die ihn gar nicht interessierten, eheman auf die Leute zu sprechen kam, die ihn tatschlichinteressierten.

    Die Grants? O ja, es sind vier Tchter. Kein Wunder,da der arme General nicht mit ihnen fertig wird. Was sollauch ein Mann mit vier Mdchen anfangen?LadyCarmichael schlug die Hnde ber dem Kopf zusammen.Poirot murmelte

    Ja, wirklich.

    Die Dame fuhr fort:

    Er hat in seinem Regiment streng auf Zucht undOrdnung gehalten, sagte er mir. Aber gegen diese

    Mdchen kommt er nicht auf. In meiner Jugend war dasanders. Der alte Oberst Sandys war so streng, da seineunglcklichen Tchter

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    (Langer Exkurs ber die Leiden der Sandysmdchen undanderer Jugendfreundinnen von Lady Carmichael.)

    Wissen Sie, sagte Lady Carmichael, auf das frhereThema zurckkommend,ich sage nicht, da dieseMdchen etwas wirklich Unrechtes tun. Sie sind nurausgelassen und sind in schlechte Gesellschaft geraten.Es ist hier nicht mehr wie es war. Die sonderbarsten Leutekommen hierher. Von den guten alten Familien istniemand mehr da. Heutzutage ist alles nur Geld, Geld,Geld. Und man hrt die eigentmlichsten Geschichten!Wen, sagen Sie? Antony Hawker? O ja, ich kenne ihn.

    Ein ausgesprochen antipathischer junger Mann. Aberoffenbar schwimmt er in Geld. Er kommt hierher, um zujagen und er gibt viele Gesellschaften sehr splendide und auch sehr merkwrdige, wenn man alles glauben soll,was gesagt wird nicht da ich das tte, weil ich finde,da die Leute so belwollend sind. Sie glauben immer dasrgste. Wissen Sie, es ist direkt modern geworden zusagen, da jemand trinkt oder Kokain schnupft. Neulichsagte mir jemand, da junge Mdchen geboreneTrinkerinnen sind, und ich finde, so etwas kann manwirklich nicht sagen. Und wenn jemand nur ein bichenkomisch oder zerstreut ist, sagt jedermann Kokain unddas ist auch unfair. Man sagt es zum Beispiel vonMrs. Larkin, und obwohl ich die Frau nicht leiden kann, soglaube ich wirklich, da es nur Gedankenlosigkeit ist. Sieist brigens eine groe Freundin von Ihrem AntonyHawker, und wenn Sie mich fragen, ist sie darum so gegendie Grant-Mdchen und sagt, da sie die Mnnerverschlingen. Freilich mu ich selbst sagen, da sie einwenig hinter den Mnnern her sind, aber warum auch

    nicht? Es ist schlielich nur natrlich. Und sie sind allebildhbsch, jede einzelne von ihnen.

    Poirot warf eine Frage dazwischen.

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    Mrs. Larkin? Mein Lieber, fragen Sie mich nicht, wersie ist! Wer ist heutzutage jemand? Man sagt, da sie gutreitet, und sie ist offenbar reich. Der Mann war irgendetwas in der City. Sie ist Witwe, nicht geschieden. Sie istnoch nicht lange hier. Sie kam gleich nach den Grants. Ichhabe immer gedacht, da sie

    Die alte Dame hielt pltzlich inne. Ihr Mund blieb offen,ihre Augen traten hervor. Sie beugte sich vor und versetztePoirot mit einem Papiermesser, das sie in der Hand hielt,einen festen Schlag ber die Knchel. Sein schmerzlichesZusammenzucken ignorierend, rief sie aufgeregt aus:

    Natrlich! Darum sind Sie hier! Sie abscheulicherMensch, ich bestehe darauf, da Sie mir alles darbererzhlen.

    Aber worber soll ich Ihnen erzhlen?

    Lady Carmichael zielte wieder scherzhaft mit dem

    Papiermesser, aber Poirot wich dem Schlag geschickt aus.Seien Sie kein Fisch, Hercule Poirot! Ich sehe, wie Ihre

    Schnurrbartspitzen zittern. Natrlich sind Sie wegen einesVerbrechens hier und horchen mich einfach schamlosaus! Warten Sie, kann es Mord sein? Wer ist jngstgestorben? Nur die alte Louisa Gilmore, und sie warfnfundachtzig und hatte die hinfallende Krankheit. Sie

    kann es nicht sein. Der arme Leo Staverton hat sich bei derFuchsjagd die Beine gebrochen und ist ganz in Gips daskann es auch nicht sein. Vielleicht ist es nicht Mord. Wieschade! Ich kann mich in letzter Zeit an keine besonderenSchmuckdiebsthle erinnern Vielleicht sind Sie nureinem Verbrecher auf der Spur Ist es Beryl Larkin? Hatsie ihren Mann vergiftet? Vielleicht macht die Reue sie so

    geistesabwesend.Madame, Madame, rief Hercule Poirot aus,Ihre

    Phantasie geht mit Ihnen durch!

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    Unsinn! Sie fhren etwas im Schilde, Hercule Poirot.

    Kennen Sie die alten Klassiker, Madame?

    Was haben die Klassiker damit zu tun?Folgendes: ich eifere meinem hehren Vorbild, dem

    Helden Herkules, nach. Eine seiner Arbeiten war dieZhmung der wilden Stuten des Diomedes.

    Sagen Sie mir nicht, da Sie hergekommen sind, Pferdezu trainieren in Ihrem Alter und immer inLackschuhen! Sie sehen mir nicht so aus, als wren Sie je

    in Ihrem Leben auf einem Pferd gesessen!Die Pferde sind symbolisch, Madame. Es waren die

    wilden Stuten, die Menschenfleisch fraen.

    Wie abscheulich von Ihnen. Ich finde immer diese altenGriechen und Rmer so abscheulich. Ich verstehe nicht,warum die Pfarrer so gerne die Klassiker zitieren. Erstensversteht man nie, was sie meinen, und auerdem sind dieganzen Themen der Klassiker fr Pfarrer hchstunpassend. So viel Inzest und all diese nackten Statuen mir persnlich machen sie nichts, aber Sie wissen doch,wie die Pfarrer sind immer ganz auer sich, wenn dieMdchen ohne Strmpfe in die Kirche kommen wartenSie, wo war ich nur?

    Ich wei es nicht mehr genau.

    Sie Elender wollen mir einfach nicht sagen, obMrs. Larkin ihren Mann umgebracht hat? Oder vielleichtist Antony Hawker der Eisenbahnmrder aus Brighton?

    Sie sah in erwartungsvoll an, aber Hercule Poirot verzogkeine Miene.

    Es knnte auch Flschung sein, berlegte Lady

    Carmichael ich habe Mrs. Larkin neulich morgens inder Bank gesehen, und sie lie sich gerade einen Scheckber fnfzig Pfund in bar auszahlen es schien mir

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    damals eine groe Summe Bargeld auf einmal. Aber nein,es mte ja umgekehrt sein wre sie eine Flscherin,wrde sie das Geld ja einzahlen, nicht wahr? Poirot, wennSie weiter stumm dasitzen und den Mund nichtaufmachen, werfe ich Ihnen etwas an den Kopf.

    Sie mssen sich ein wenig gedulden, sagte HerculePoirot.

    IV

    Ashley Lodge, der Wohnsitz von General Grant, war keingroes Haus. Es lag am Fu eines Hgels, hatte guteStallungen und einen weitlufigen, etwas vernachlssigtenPark.

    Innen war es, was ein Realittenhndlerkomplettmbliertnennen wrde. Buddhas mit gekreuzten Beinengrinsten aus Nischen herunter, indische Messingtablettsund Tische hinderten die Bewegungsfreiheit.Elefantenprozessionen verzierten die Kaminsimse, undandere berladene Messingarbeiten schmckten dieWnde.

    Inmitten dieses anglo-indischen Heimes fern der Heimatsa der General in einem groen, schbigen Lehnstuhl.Eines seiner Beine ruhte bandagiert auf einem anderenStuhl.

    Gicht, erklrte er.Haben Sie je an Gicht gelitten,Monsieur hm Poirot? Macht einen verteufelt schlechtgelaunt! Das verdanke ich meinem Vater. Hat sein Lebenlang Portwein getrunken und mein Grovater auch. Es hat

    mir bel mitgespielt. Wollen Sie etwas trinken? LutenSie bitte meinem Burschen.

    Ein Diener im Turban erschien. General Grant sprach

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    ihn mit Abdul an und befahl ihm, Whisky und Soda zubringen. Als der Whisky kam, schenkte er eine soreichliche Portion ein, da Poirot protestierte.

    Kann Ihnen nicht Gesellschaft leisten, MonsieurPoirot.Der General litt offenbar Tantalusqualen.MeinDoktor-Wallah sagt, es ist Gift fr mich. Ich glaube keinenAugenblick, da er es wissen kann. Ignoranten, die rzte Spielverderber. Sie verbieten einem das Essen undTrinken und verordnen einem irgendeinen Papp wiegednsteten Fisch. Gednsteten Fisch pah!

    In seiner Entrstung bewegte der Generalunvorsichtigerweise sein schlimmes Bein und fluchte berden Schmerz. Dann entschuldigte er sich wegen seinerAusdrucksweise.

    Ich bin wie ein alter Brummbr. Meine Tchter macheneinen Bogen um mich, wenn ich einen Gichtanfall habe.

    Ich nehme es ihnen nicht bel. Ich hre, Sie haben einevon ihnen kennengelernt

    Ja, ich hatte dieses Vergngen. Sie haben mehrereTchter, nicht wahr?

    Vier, besttigte der General mrrisch.Nicht ein Jungedarunter, vier ausgewachsene Mdel. Eine groe Sorgeheutzutage.

    Sie sind alle vier sehr reizend, hre ich.Nicht bel, nicht bel. Ich wei nie, was fr Unfug sie

    treiben, wissen Sie. Man kann Mdel heutzutage nicht imZaum halten.

    Sie wachsen einem ber den Kopf. Lockere Zeiten alles ist gelockert. Was kann ein Mann allein machen? Ichkann sie doch nicht einsperren, nicht wahr?

    Ich hre, sie sind in der Nachbarschaft sehr beliebt.

    Auer bei ein paar von den boshaften alten Weibern,

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    sagte General Grant.Es gibt hier viel Schafe, die dieLmmchen spielen. Eine von diesen Witwen mit denUnschuldsaugen hat mich fast eingefangen sie ist immerhergekommen und hat geschnurrt wie ein Ktzchen.Armer General Grant Sie mssen ein so interessantesLeben gefhrt haben.Der General zwinkerte und legteeinen Finger an die Nase.Etwas zu deutlich, MonsieurPoirot. Nun, alles in allem genommen, ist es keine bleGegend. Etwas zu betriebsam und lrmend fr meinenGeschmack. Ich habe das Land geliebt, als es noch echtes

    Land war nicht all dieses Herumchauffieren und Jazzund das verdammte ewige Radio. Ich dulde keines imHaus, und die Mdel wissen es. Ein Mann hat das Rechtauf ein wenig Ruhe im eigenen Heim.

    Poirot lenkte die Konversation vorsichtig auf AntonyHawker.

    Hawker? Hawker? Mir unbekannt. Halt, warten Sie, ichkenne ihn doch. Antipathischer Kerl mit zu nahebeisammen liegenden Augen. Ich traue nie einem Mann,der einem nicht gerade ins Gesicht sehen kann.

    Er ist mit Ihrer Tochter Sheila befreundet, nicht wahr?

    Sheila? Nicht da ich wte. Die Mdchen sagen mirnie etwas.Die buschigen Augenbrauen zogen sich ber

    der Nase zusammen die durchdringenden blauen Augenblickten aus dem roten Gesicht geradewegs in PoirotsAugen.Hren Sie, Monsieur Poirot, um was handelt essich? Mchten Sie mir nicht sagen, weshalb Sie michaufgesucht haben?

    Poirot erklrte bedchtig:

    Das ist schwer zu sagen vielleicht wei ich es selbst

    kaum.Ich mchte nur eines sagen: Ihre Tochter Sheila, und

    vielleicht alle ihre Tchter, haben einige unerwnschte

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    Freundschaften geschlossen.

    In schlechte Gesellschaft geraten, wie? Das habe ich

    befrchtet. Hie und da schnappt man ein Wort auf.Erblickte Poirot Mitleid heischend an.Aber was soll ich tun,Monsieur Poirot? Was soll ich tun?

    Poirot schttelte ratlos den Kopf.

    General Grant fuhr fort:

    Was ist denn an den Leuten auszusetzen, mit denen sieverkehren?

    Poirot erwiderte mit einer Gegenfrage:Ist Ihnen nicht aufgefallen, General Grant, da

    irgendeine Ihrer Tchter launenhaft, hektisch dannwieder deprimiert reizbar ungleichmig in ihrenStimmungen war?

    Verflucht noch einmal, Sir, Sie sprechen wie die

    medizinische Ecke im Blatt der Hausfrau. Nein, ich habenichts bemerkt.

    Das ist ein Glck, meinte Poirot ernst.

    Zum Teufel, was steckt hinter all dem?

    Rauschgifte!

    Was?Er brllte das Wort heraus. Poirot fuhr fort:

    Man versucht, Ihre Tochter Sheila zur Kokainistin zuerziehen. Das geht sehr schnell. Ein bis zwei Wochengengen.

    Wenn die Gewohnheit eingerissen ist, wird ein Schtigerjeden Preis bezahlen und alles tun, um sich das Gift zuverschaffen.

    Sie knnen sich vorstellen, was fr einen Fischzug

    derjenige machen kann, der es vertreibt.Er hrte schweigend das Toben und die zornigen Flche

    an, die aus dem Mund des alten Mannes flossen. Dann, als

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    der Sturm sich gelegt und der General ganz genaubeschrieben hatte, was er dem hndischen Sohn einerHndin tun wrde, wenn er ihn erwischen sollte, sagtePoirot:

    Zuerst mssen wir, wie Ihre bewunderungswrdigeMrs. Benton sagt, den Hasen fangen. Wenn wir einmalunseren Rauschgiftschieber erwischt haben, werde ich ihnIhnen mit dem grten Vergngen ausliefern, General.

    Er stand auf, stolperte ber ein reich geschnitztes

    Tischchen und gewann sein Gleichgewicht wieder, indemer das bandagierte Bein des Generals packte. Er murmelte:

    Ich bitte tausendmal um Entschuldigung; und darf ichSie bitten verstehen Sie mich, instndig bitten IhrenTchtern kein Wort von all dem zu sagen.

    Was? Ich werde die Wahrheit schon aus ihnenherausbringen, seien Sie versichert!

    Das ist gerade das, was Sie nicht herausbringenwerden. Alles, was Sie herausbringen werden, ist eineLge.

    Aber verflucht noch einmal, Sie

    Ich versichere Sie, General, da Sie den Mund haltenmssen.

    Es ist lebenswichtig verstehen Sie: lebenswichtig.Also schn, wie Sie wollen, brummte der alteHaudegen. Er war besiegt, aber nicht berzeugt Poirottappte vorsichtig durch die indischenKunstgewerbeerzeugnisse hindurch und ging fort.

    V

    Mrs. Larkins Wohnzimmer war berfllt. Mrs. Larkin

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    selbst mixte an einem Seitentisch Cocktails. Sie war einegroe Frau mit kastanienbraunem Haar, das sie in einerRolle im Nacken trug. Ihre Augen waren graugrn mitgroen schwarzen Pupillen. Sie bewegte sich leicht miteiner gewissen melancholischen Grazie. Sie sah aus wieAnfang der Dreiig, und nur bei genauer Beobachtung sahman die Fltchen an den Augenwinkeln, die daraufschlieen lieen, da sie um zehn Jahre lter war.

    Hercule Poirot war von einer munteren lteren Dame,einer Freundin von Lady Carmichael, eingefhrt worden.Man gab ihm einen Cocktail und bat ihn, einem jungenMdchen, das in der Fensternische stand, ebenfalls einenzu bringen. Das Mdchen war klein und blond, ihr Gesichtwar wei und rosa und von verdchtiger Engelhaftigkeit.Poirot merkte sofort, da ihre Augen flink und mitrauischwaren.

    Auf Ihr Wohl, Mademoiselle.

    Sie nickte und trank. Dann stie sie hervor:

    Sie kennen meine Schwester, nicht wahr?

    Ihre Schwester? Sind Sie eine der Grant-Tchter?

    Ich bin Pam Grant.

    Und wo ist Ihre Schwester heute?

    Sie ist auf der Jagd. Sie mte eigentlich schon zurcksein.

    Ich habe Ihre Schwester in London getroffen.

    Ich wei.

    Hat sie es Ihnen erzhlt?

    Pam Grant nickte. Dann sagte sie abrupt:

    War Sheila in einer Klemme?

    Also hat sie Ihnen nicht alles erzhlt?

    Das junge Mdchen schttelte den Kopf. Sie fragte:

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    War Tony Hawker dort?

    Ehe Poirot antworten konnte, ffnete sich die Tr und

    Hawker und Sheila Grant kamen herein. Sie waren inReitkleidern, und Sheila hatte einen Kotspritzer auf derWange.

    Hallo, wir kommen zu einem Drink. Tonys Feldflascheist leer.

    Poirot murmelte:

    Lupus in fabula

    Pam Grant sagte schnippisch:Ja, Wolf ist der richtige Ausdruck.

    Steht es so?warf Poirot rasch ein.

    Beryl Larkin ging auf die beiden zu.

    Da sind Sie ja, Tony. Erzhlen Sie mir von der Jagd.Seid Ihr durch das Gelert-Wldchen geritten? Wie war

    es?Sie zog ihn geschickt auf ein Sofa neben dem Kamin.

    Poirot sah, wie er den Kopf wandte und Sheila anblickte,ehe er ging.

    Sheila hatte Poirot gesehen. Sie zgerte einenAugenblick. Dann gesellte sie sich zu den beiden amFenster. Sie sagte unvermittelt:

    Also waren doch Sie es, der gestern bei uns im Hauswar?

    Hat es Ihnen Ihr Vater gesagt?

    Sie schttelte den Kopf.

    Abdul hat Sie beschrieben. Ich habe es erraten.

    Pam rief aus:

    Sie haben Vater besucht?

    Poirot sagte:

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    Oh ja. Wir haben gemeinsame Freunde.

    Das glaube ich nicht, widersprach Pam scharf.

    Was glauben Sie nicht? Da Ihr Vater und ichgemeinsame Freunde haben knnen?

    Das junge Mdchen errtete.

    Stellen Sie sich nicht dumm. Ich habe gemeint, da dasnicht der wirkliche Grund Sie wandte sich an ihreSchwester.

    Warum sagst Du nichts, Sheila?Sheila machte groeAugen.

    Hatte es nichts hatte es nichts mit Tony Hawker zutun?

    Warum sollte es etwas mit ihm zu tun haben?fragtePoirot.

    Pam sagte pltzlich heftig, aber mit gedmpfter Stimme:

    Ich mag Tony Hawker nicht. Er er hat etwasUnheimliches und Mrs. Larkin auch, finde ich sehenSie sie jetzt an.

    Sheila errtete und ging zu den anderen zurck.

    Poirot folgte ihrem Blick.

    Hawker und Mrs. Larkin steckten die Kpfe zusammen.Er schien sie zu beruhigen. Ihre Stimme erhob sich einenAugenblick.

    aber ich kann nicht warten. Ich brauche es sofort!

    Poirot sagte mit einem leisen Lcheln:

    Les femmes was immer es ist sie brauchen esimmer sofort, nicht wahr?

    Aber Pam ging auf den kleinen Scherz nicht ein. Ihr

    Kopf war gesenkt. Sie strich nervs die Falten ihresRockes zurecht.

    Poirot meinte gesprchsweise:

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    Sie sind ein ganz anderer Typus als Ihre Schwester,Mademoiselle.

    Sie warf den Kopf zurck. Ungeduldig ber den leichtenKonversationston.

    Monsieur Poirot, was ist das fr ein Zeug, das TonySheila gibt? Was ist es, das sie so verndert?

    Er blickte ihr gerade in die Augen.

    Haben Sie je Kokain genommen. Miss Grant?

    Sie schttelte den Kopf.

    O nein! Also das ist es? Kokain? Aber ist das nicht sehrgefhrlich?

    Sheila Grant kam zu ihnen herber, einen frischen Drinkin der Hand.

    Was ist gefhrlich?fragte sie.

    Poirot sagte:

    Wir sprechen von den Wirkungen der Rauschgifte. Vondem langsamen seelischen und geistigen Tod von derZerstrung alles Guten und Edlen in einemMenschenwesen.

    Sheila Grant stockte der Atem. Das Glas in ihrer Handschwankte und sein Inhalt ergo sich auf den Boden.

    Poirot fuhr fort:

    Ich glaube, Dr. Stoddart hat Ihnen klargemacht, wasdieser lebendige Tod mit sich bringt. Es ist so leichtgeschehen und so schwer wiedergutzumachen. DerMensch, der absichtlich aus der Erniedrigung und demElend anderer Nutzen zieht, ist ein Vampir, der denanderen das Blut aussaugt.

    Er wandte sich ab. In seinem Rcken hrte er Pam Grantzischen:

    Sheila!

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    Poirot sagte:

    Und jetzt?

    Ich werde alles machen, was Sie sagen, versprachSheila Grant.Ich ich werde auch mit den anderensprechen.Sie fgte hinzu:

    Dr. Stoddart wird jetzt wohl nie mehr mit mir sprechen

    Im Gegenteil, sagte Poirot.Sowohl Dr. Stoddart alsich werden alles tun, was in unserer Macht steht, um Ihnen

    zu helfen, ein neues Leben zu beginnen. Sie knnen sichauf uns verlassen. Aber etwas mu geschehen einemMenschen mu das Handwerk endgltig gelegt werden,und das knnen nur Sie und Ihre Schwestern tun. Ihre, undnur Ihre, Aussagen knnen ihn berfhren.

    Sie meinen meinen Vater?

    Nicht Ihren Vater, Mademoiselle. Habe ich Ihnen nichtgesagt, da Hercule Poirot alles wei? Ihre Fotografiewurde von der Polizei mhelos identifiziert. Sie sindSheila Kelly eine hartnckige junge Ladendiebin, die voreinigen Jahren in eine Besserungsanstalt geschickt wurde.Als Sie entlassen wurden, trat ein Mann an Sie heran, dersich General Grant nennt, und bot Ihnen diesen Posten alsTochter. Viel Geld, viel Unterhaltung, ein gutes Leben.

    Alles, was Sie zu tun hatten, war, bei Ihren Freunden denSchnupftabak einzufhren, immer unter derVorspiegelung, da Sie ihn von jemand anderembekommen hatten. Ihre Schwestern waren in dergleichen Situation wie Sie.

    Nach einer kleinen Pause sagte er:

    Allors, Mademoiselle der Mann mu entlarvt undverurteilt werden. Danach

    Ja, danach?

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    Poirot rusperte sich. Er sagte lchelnd:

    Werden Sie dem Dienste der Gtter geweiht

    VII

    Michael Stoddart starrte Poirot verblfft an.

    General Grant? General Grant?

    Kein anderer, mon chr. Die ganze Aufmachung war,

    was man talmi nennt, wissen Sie. Die Buddhas, dasindische Kunstgewerbe, der indische Diener! Und dieGicht auch! Gicht ist unmodern. Greise haben Gicht, abernicht Vter von neunzehnjhrigen Tchtern.

    berdies habe ich mich berzeugt. Beim Hinausgehenstolperte ich und packte den gichtischen Fu, um michfestzuhalten. Der gute Mann war von meinen

    Ausfhrungen so verstrt, da er es nicht einmal bemerkthat. O ja, der General ist sehr talmi. Tout de mme ist dieIdee nicht schlecht. Der pensionierte, anglo-indischeGeneral, die wohlbekannte Lustspielfigur mit einerkranken Galle und einem cholerischen Temperament, erlt sich nieder aber nicht inmitten anderer pensionierterOffiziere o nein, er geht in ein Milieu, das fr den

    gewhnlichen pensionierten Offizier viel zu teuer ist. Aberhier sind reiche Leute, Leute aus London einausgezeichneter Markt fr seine Ware. Und wer wrdevier lebenslustige, hbsche junge Mdchen verdchtigen?Wenn irgend etwas herauskommt, wird man sie fr dieOpfer halten das ist gewi!

    Was hatten Sie eigentlich im Sinn, als Sie den alten

    Hund aufgesucht haben? Wollten Sie ihm Angsteinjagen?

    Ja, ich wollte sehen, was geschieht. Ich mute lange

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    warten.

    Die Mdchen bekamen ihre Instruktionen. Antony

    Hawker, in Wirklichkeit eines ihrer Opfer, sollte derSndenbock sein.

    Sheila sollte mir von der Feldflasche in der Halle sagen.Sie konnte es fast nicht ber sich bringen, es zu tun aberdas andere Mdchen zischte zornig Sheila, und dastammelte sie es hervor.

    Michael Stoddart stand auf und durchma das Zimmer.

    Wissen Sie, ich habe nicht die Absicht, dieses Mdchenaus den Augen zu verlieren. Ich habe eine ganz gesundeTheorie ber diese verbrecherischen NeigungenJugendlicher. Wenn man in das Familienleben Einblickegewinnt, findet man fast immer

    Poirot unterbrach ihn.

    Er sagte:

    Mon chr, ich habe den grten Respekt vor IhrerWissenschaft. Ich zweifle nicht, da Ihre Theorien sich imFall der kleinen Sheila bewhren werden.

    Bei den anderen auch.

    Bei den anderen vielleicht. Es kann sein. Die einzige,bei der ich berzeugt bin, ist die kleine Sheila. Sie werden

    Sie zhmen, das ist klar. In Wirklichkeit frit sie schon ausIhrer Hand

    Welchen Unsinn Sie reden knnen, Poirot, wehrteMichael Stoddart errtend ab.

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    3 Der Grtel der Hippolyta

    I

    Eines fhrt zum anderen, wie Hercule Poirot ohneAnspruch auf Originalitt so gerne sagt.

    Der beste Beweis dafr, fgte er hinzu, war der Fall desgestohlenen Rubens.

    Er hatte sich nie sehr fr diesen Rubens interessiert.Erstens ist er kein Bewunderer von Rubens, und zweitenswaren die Umstnde des Diebstahls sehr banal. Erbernahm den Fall, um seinem Freund Alexander Simpsongefllig zu sein, und aus gewissen privaten Grnden, die

    nicht ohne Zusammenhang mit der griechischenMythologie waren. Nach dem Diebstahl lie AlexanderSimpson Poirot kommen und schttete ihm sein Herz aus.Der Rubens war eine Entdeckung jngsten Datums, ein bisdahin unbekanntes Meisterwerk, aber seine Echtheitwurde nicht angezweifelt. Er war in der Galerie Simpsonausgestellt gewesen und bei hellichtem Tag gestohlen

    worden. Es war zur Zeit, als die Arbeitslosen die Taktikverfolgten, sich an Straenkreuzungen niederzulegen undins Ritz einzudringen. Eine kleine Gruppe von ihnen warin die Galerie Simpson eingedrungen und hatte sich dortmit gro aufgemachten Schlagworten wie: Kunst istLuxus, Nhrt die Hungrigen niedergelassen. Man hattedie Polizei geholt, die Neugierigen hatten sich in Scharen

    eingefunden, und erst nachdem die Demonstranten durchden Arm des Gesetzes mit Gewalt entfernt worden waren,bemerkte man, da der Rubens sauber aus dem Rahmen

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