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Christologie und Gotteslehre Der Tod Jesu als Sühne Prof. Dr. Lucia Scherzberg Sommersemester 2010

Christologie und Gotteslehre - uni-saarland.de · Der Tod Jesu als Sühne? Nein • Der historische Jesus hat seinen Tod nicht als Sühne verstanden. • Gegensatz zur Gnade Gottes

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Christologie und Gotteslehre

Der Tod Jesu als Sühne

Prof. Dr. Lucia Scherzberg

Sommersemester 2010

Ist Jesus für unsere Sünden gestorben?

Musste Gott durch Jesu Tod versöhnt werden?

Der Tod Jesu als Sühne?

Nein

• Der historische Jesus hat seinen Tod nicht als Sühne verstanden.

• Gegensatz zur Gnade Gottes

• Stellvertretende Übernah-me von Schuld ist nicht möglich.

• primitive Opfervorstellung

• sadistisches Gottesbild

Der Tod Jesu als Sühne?

Nein

• Der historische Jesus hat seinen Tod nicht als Sühne verstanden.

• Gegensatz zur Gnade Gottes

• Stellvertretende Übernah-me von Schuld ist nicht möglich.

• primitive Opfervorstellung

• sadistisches Gottesbild

Ja

• vorrangige Deutung im NT

• Opfersprache findet sich selbst in der Rechtferti-gungslehre des Paulus

• nicht anstößige Vorstellung in der Antike

• Sühnetod Jesu ist Erweis der Liebe Gottes, nicht zusätzliche Bedingung

Wege der Versöhnung im AT

• Weg des Rechts (mit Wiedergutmachung)

Wege der Versöhnung im AT

• Weg des Rechts (mit Wiedergutmachung)

• Weg des Kultes (mit Opfer und Reinigung durch Blut oder Wasser)

Wege der Versöhnung im AT

• Weg des Rechts (mit Wiedergutmachung)

• Weg des Kultes (mit Opfer und Reinigung durch Blut oder Wasser)

• Weg der Fürbitte (= Vergeistigung des Opfers)

Wege der Versöhnung im AT

• Weg des Rechts (mit Wiedergutmachung)

• Weg des Kultes (mit Opfer und Reinigung durch Blut oder Wasser)

• Weg der Fürbitte (= Vergeistigung des Opfers)

• Versöhnung durch einen Mittler

Sühnetod Jesu im NT

• Röm 3,25

Gott hat Jesus Christus eingesetzt als Sühne(ort) in seinem Blut.

Sühne(ort) = hilastérion

Sühnetod Jesu im NT

• Röm 3,25

Gott hat Jesus Christus eingesetzt als Sühne(ort) in seinem Blut.

Sühne(ort) = hilastérion

• Ex 25,17-22

Herstellung des Heilig-tums, Bundeslade ent-hält Bundesurkunde,

goldene Deckplatte (kapporet)

kapporet = hilastérion(LXX)

Sühnetod Jesu im NT

• Dort werde ich mich dir zu erkennen geben und dir über der Deckplatte zwischen den beiden Cherubim, die auf der Lade der Bundesurkunde sind, alles sagen, was ich dir für die Israeliten auftragen werde. (Ex 25,22)

Sühnetod Jesu im NT

• Dort werde ich mich dir zu erkennen geben und dir über der Deckplatte zwischen den beiden Cherubim, die auf der Lade der Bundesurkunde sind, alles sagen, was ich dir für die Israeliten auftragen werde. (Ex 25,22)

Ort der Gegenwart Gottes – Übertragung auf Jesus

Sühnetod Jesu im NT

• Röm 8,3

Gott sandte seinen Sohn in der Gestalt des Fleisches (als Sühne) für die Sünde

perì hamartías

Sühnetod Jesu im NT

• Röm 8,3

Gott sandte seinen Sohn in der Gestalt des Fleisches (als Sühne) für die Sünde

perì hamartías

• Lev 4,3.17

Sündopfer zur Entsühnung

Sündopfer = perìhamartías (LXX)

Sühnetod Jesu im NT

• 2 Kor 5,21

Den, der die Sünde nicht kannte, hat Gott für uns zur Sünde gemacht (hamartíanepoíesen), damit wir Gerechtigkeit Gottes werden in ihm.

Sühnetod Jesu im NT

• 2 Kor 5,21

Den, der die Sünde nicht kannte, hat Gott für uns zur Sünde gemacht (hamartíanepoíesen), damit wir Gerechtigkeit Gottes werden in ihm.

• Lev 16,1-34

Sündopferritual: ein Ziegenbock als Sündopfer, einer als „Sündenbock“

Bekenntnis aller Sünden Israels über dem Kopf des Sündenbocks und Vertreibung in die Wüste

Entsühnungstag

Jesus, der Gottesknecht

vgl. Jes 52,13-53,12

• Einsatz unschuldigen Lebens zur Schuldtilgung

• Befreiender Charakter der Schuldübernahme

• Stellvertretung als Weg zum Heil

Sühnetheologie und Schechina-Theologie

• Sühnetheologie ist verbunden mit der Schechina-Theologie:

• Sühnetheologie sagt letztlich dasselbe aus wie die Inkarnationstheologie:

Sühnetheologie und Schechina-Theologie

• Sühnetheologie ist verbunden mit der Schechina-Theologie:

• Sühnetheologie sagt letztlich dasselbe aus wie die Inkarnationstheologie:

In Jesus ist Gott in seinem Volk gegenwärtig.

Das Konzept der stellvertretenden Genugtuung (Anselm v. Canterbury)

• Versuch einer rationalen Beantwortung der Frage, warum Gott Mensch werden musste

Das Konzept der stellvertretenden Genugtuung (Anselm v. Canterbury)

• Versuch einer rationalen Beantwortung der Frage, warum Gott Mensch werden musste

• Verstandesmäßige Reflexion der dogmatisier-ten Aussagen über Jesus (fides quarensintellectum)

Das Konzept der stellvertretenden Genugtuung (Anselm v. Canterbury)

• Versuch einer rationalen Beantwortung der Frage, warum Gott Mensch werden musste

• Verstandesmäßige Reflexion der dogmatisier-ten Aussagen über Jesus (fides quarensintellectum)

• Versuch, Juden und Muslime zu überzeugen

Das Konzept der stellvertretenden Genugtuung (Anselm v. Canterbury)

• Voraussetzungen:

• Römisches Recht: Genugtuung als Wiederher-stellung einer verletzten (Rechts-)Ordnung, Wiedergutmachung bei Schädigung der Ehre oder der Habe eines Anderen

Das Konzept der stellvertretenden Genugtuung (Anselm v. Canterbury)

• Voraussetzungen:

• Römisches Recht: Genugtuung als Wiederher-stellung einer verletzten (Rechts-)Ordnung, Wiedergutmachung bei Schädigung der Ehre oder der Habe eines Anderen

• Feudalistisches System des MA: Verletzung der Gefolgschaftstreue gegenüber dem obersten König keine Möglichkeit der Genugtuung durch den Niedrigergestellten

Das Konzept der stellvertretenden Genugtuung (Anselm v. Canterbury)

• Argumentationsgang

• Gott ist der Urheber der Ordnung des Alls

• Nichtanerkennung = Störung der Ordnung und Verweigerung der Ehre gegenüber Gott

• Sünde = Raub an der Ehre Gottes

• Wiedergutmachung durch Strafe (= Entzug der Seligkeit) oder Genugtuung:

Das Konzept der stellvertretenden Genugtuung (Anselm v. Canterbury)

• Problem: Strafe unmöglich, da Gott den Menschen zur Seligkeit bestimmt hat

einziger Weg: Genugtuung

• Bedingungen: Genugtuung muss mehr als das Geschuldete und von unendlichem Wert sein.

Überforderung des Menschen

• Nur Gott könnte eine solche Genugtuung leis-ten; sie muss aber von einem Menschen kom-men, weil der Mensch schuldig geworden ist.

Das Konzept der stellvertretenden Genugtuung (Anselm v. Canterbury)

• Lösung: ein Gott-Mensch muss die Genugtuung leisten

• Genugtuung = freiwillige Lebenshingabe

• Freiwillige Lebenshingabe ist von unendlichem Wert, kann Sündern zugute kommen.

Der Tod eines Gott-Menschen ist vernunftgemäß und notwendig.

Kreuz von Thomas Leu in der Stiftskirche St. Servatii in Quedlinburg

(2006)