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Eine thematische Vertiefung der Cleantech Strategie Schweiz (2010) zu Energie Wirtschaftsverband swisscleantech www.swisscleantech.ch Cleantech Energiestrategie Richtig rechnen und wirtschaftlich profitieren, auf CO2-Zielkurs

Cleantech Energiestrategie...cleantech stehen dabei die wirtschaftlichen Chancen für die Schweiz sowie die international aner-kannten Klimaziele im Vordergrund. Es besteht eindeutiger

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Eine thematische Vertiefungder Cleantech Strategie Schweiz (2010)zu Energie

Wirtschaftsverband swisscleantechwww.swisscleantech.ch

Cleantech EnergiestrategieRichtig rechnen und wirtschaftlich profitieren, auf CO2-Zielkurs

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Impressum

Auftraggeberswisscleantech, Thunstrasse 82, Postfach 1009, 3000 Bernwww.swisscleantech.ch

AuftragnehmerFoundation for Global Sustainability, Minervastrasse 99, 8032 Zürichwww.ffgs.org

AutorenFranziska BarmettlerNick BeglingerChristian Zeyer

swisscleantechMinervastrasse 998032 ZürichTel. +41 58 580 [email protected]

2. Version, 2. aufdatierte AuflageDezember 2011 klimaneutral produziert

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Danke!

Die Cleantech Energiestrategie ist das Resultat eines umfassenden Stakeholder-Dialoges der vergan-genen Wochen und Monate. swisscleantech bedankt sich bei allen Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Wissenschaft für die wertvollen Beiträge. Die vorliegende Strategie ist die konsolidierte Meinung von swisscleantech und mag von der persönlichen Meinung der aufgeführten Personen abweichen.

Hans Christian Angele, Geschäftsführer Biomasse Schweiz

Peter Arnet, Alpiq Intec

Dr. Rainer Bacher, Geschäftsleiter Bacher Energie AG

Prof. Dr. Franz Baumgartner, ZHAW, SoE

Prof. Christophe Ballif, Direktor PV-Lab EPFL

Hauke Basse, BKW FMB Energie

Bruno Bébié, Energiebeauftragter Stadt Zürich

Dr. Marco Berg, Leiter Energiekommission SATW

Dr. Serge Biollaz, Thermal Process Engineering Group PSI

Willy Bischofberger, Geschäftsführer Energiepool

Martin Bolliger, SwissCleanDrive

Prof. Dr. Lucas Bretschger, CER ETH Zürich

Martin Brettenthaler, CEO Pavatex

Christoph Brönnimann, Infranet Partners, Präsident LonMark Schweiz

Daniel Büchel, Leiter Abteilung Energieeffizienz und erneuerbare Energien BFE

Herbert Christen, Direktor Produktion und Technik Pavatex

Dr. Hanspeter Eicher, VR-Präsident Eicher+Pauli AG

Norbert Ender, IBM Switzerland

Claudio Enggist, BLS

Dr. Daniele Ganser, Dozent Uni Basel, Präsident ASPO

Hannes Gautschi, Toyota

Markus Gisler, CEO Megasol

Dr. Patrick Hofstetter, Leiter Klimapolitik WWF Schweiz

Dominic Isenschmid, Thömus Veloshop

Dr. Rolf Iten, Geschäftsleiter Infras

Adriano Jacquiéry, Präsident WKK-Fachverband

Dr. Michael Kaufmann, Direktor HSLU Musik

Dr. Tony Kaiser, Geschäftsführer Energie Trialog Schweiz

Jürg Kessler, EKZ

Markus Koschenz, Reuss-Engineering

Stefan Krebser, ThinThank RailValley

Martin Lustenberger, Digi Sens

Peter Malama, Präsident Gewerbeverband Basel-Stadt, Nationalrat FDP

Patrick Marty, Studien und Wissenschaft AEE

Franz Mühlethaler, PTV Swiss

Ernst A. Müller, Geschäftsführer InfraWatt

Stefan Müller, Leclanché

Sandro Mutter, Repower

Dr. Stefan Nowak, Geschäftsführer NET Nowak Energie und Technologie AG, Programmleiter Photovoltaik BFE

Duscha Padrutt, myclimate

Andrea Papina, Alpiq

Stephan Peterhans, Geschäftsführer FWS

Esther Rhiner, m-way

Reto Rigassi, Geschäftsführer Suisse Eole

Dr. Christoph Ritz, Geschäftsleiter ProClim

Etienne Roy, Romande Energie

Andreas Schläpfer, Präsident Energie-Modell Zürich

Andreas Schelling, Zoomteam

Prof. Dr. Anton Schleiss, Laboratoire de constructions hydrauliques, EPFL

Jörg Sigrist, Renault Suisse

David Stickelberger, Geschäftsführer Swissolar

Martin Strebel, Erdgas Zürich

Pierre Strub, Geschäftsführer Strafin Innovationen AG

Daniel Styger, Genossenschaft Wasserwirbelkraftwerke Schweiz

Prof. Dr. Philippe Thalmann, Economics and Environmental Management Laboratory EPFL

Dr. David Thiel, CEO IWB

Sebastian Tomczyk, Raiffeisen

Monika Tschannen, Rundum mobil

Helfried Max Ursin, KWO

Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen, Direktor IWÖ-HSG

Robert Völki, VP Strategie SIG

Christoph Von Bergen, CEO SolarMax

Aeneas Wanner, Geschäftsleiter Energie Zukunft Schweiz

Michael Wieser, ehem. Geschäftsleiter easyTherm AG

Prof. Dr. Alexander Wokaun, Bereichsleiter Allgemeine Energie PSI

Dr. Roland Wyss, Geschäftsleiter Schweizerische Vereinigung für Geothermie SVG

Dr. Marco Ziegler, Principal McKinsey & Company

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4 Cleantech Energiestrategie

Auf den Punkt gebracht

Die Cleantech Energiestrategie

... ist eine Gesamtenergiestrategie - es geht um mehr als Strom

... orientiert sich an den Klimazielen

... wendet den Vollkostenansatz auf alle Energieformen an

... berücksichtigt nebst dem Preis die Qualität der Energie als Entscheidungskriterium

... stellt die wirtschaftlichen Chancen für Schweizer Produkte und Dienstleistungen im lokalen Markt sowie bezüglich Exporte ins Zentrum

... legt den Fokus auf Energieeffizienz, erneuerbare Energien, intelligente Netze und eine Erhöhung der Eigenversorgung

... setzt auf einen dezentralen, liberalisierten und internationalen Energiemarkt

... zeigt anhand des Cleantech Energiemodells einen machbaren und wirtschaftlich attraktiven Weg mit einem geordneten Ausstieg aus der Kernenergie

... schlägt ein Massnahmenpaket mit kurzfristigen Implementierungsmöglichkeiten vor

... präsentiert mit dem KEV-Erhebungsmechanismus eine kurzfristig umsetzbare, marktgerechte Finanzierungslösung. Längerfristig (ab 2020) soll die weiterhin benötigte Finanzierung durch eine ökologische Steuerreform gewährleistet werden.

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Einleitende Überlegungen

Unsere Mitglieder aus den unterschiedlichsten Branchen (inkl. Energieversorger wie Enalpin, EKZ, EWB, IBI, IWB, KWO, Romande Energie, SIG) beweisen, dass Lösungen für eine nachhaltige Energiezukunft bereits heute vorhanden sind.

Es geht nicht mehr um die Frage, ob wir eine nachhaltige Energieversorgung erreichen können. Es geht um den politischen Umsetzungswillen und um die Erarbeitung einer wirt- schaftlich attraktiven und mehrheitsfähigen Lösung.

Im Zentrum steht nicht der Ausstieg aus der Kernkraft, sondern der Einstieg in ein Cleantech Energiezeitalter.

Die Energiewende ist ohne marktbasierte Gestaltung der Energiepreise nicht realisierbar. Diese hat sich an den Bedürfnissen der Mehrheit der Verbraucher zu orientieren. Sie ermöglicht Ausnahmeregelungen für die Minderheit der Energieintensiven Branchen. Der Umbau ist technisch möglich, praktisch implementierbar und finanzierbar - das hat nun auch die ETH am 02. September 2011 bestätigt. Nun braucht es koordinierte Massnahmen und ein gemeinsames Engagement aller Akteure.

1. Ausgangslage & Herausforderungen

Gefragt ist eine GesamtenergiestrategieStrom-, Energie-, Klima-, Sicherheits- und Wirtschaftsfragen sind eng miteinander verknüpft. Die Schweizer Stromproduktion hängt direkt mit den Faktoren Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, Konsumentenverhalten, Technologieentwicklung, Auslandsabhängigkeit, Qualität der Netzinfra-struktur und Einbindung der Schweiz in den internationalen Strommarkt zusammen. Gefragt ist eine Gesamtenergiestrategie als sinnvolles Paket von Zielen und Massnahmen. Für swiss- cleantech stehen dabei die wirtschaftlichen Chancen für die Schweiz sowie die international aner-kannten Klimaziele im Vordergrund.

Es besteht eindeutiger HandlungsbedarfDie Schwächen unserer heutigen Energieproduktion und –versorgung sind vielfältig. Sie zeigen sich etwa durch die bevorstehende Verknappung des leichtverfügbaren Öls, die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko und die hohen Preisschwankungen bei den fossilen Energieträgern. Auch die erwarteten Exporteinnahmen der Opec für das Jahr 2011 von 1000 Milliarden Dollar lassen aufhorchen. Die jüng- sten Ereignisse in Nordafrika und Japan bestätigen den eindeutigen Handlungsbedarf in Energie- fragen. Im Interesse einer nachhaltigen, unabhängigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft muss die Schweiz den Weg in Richtung erneuerbare Energien und Energieeffizienz jetzt einschlagen.

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6 Cleantech Energiestrategie

Die Herausforderungen sind vielfältigEine Gesamtenergiestrategie für die Schweiz ist komplex und hängt von den verschiedensten strate- gischen Annahmen und Massnahmen ab. Die verbreitete Ansicht, es drohe eine Stromlücke, welche zwingend zum Bau von neuen KKWs oder neuen Gaskombikraftwerken führe, greift zu kurz und ist der Schweizer Wirtschaft nicht dienlich. Auch ist es verfehlt, mit der Stromlücken-Thematik die Aufmerk- samkeit auf die Strom-Problematik zu lenken. Dabei wird ignoriert, dass wir momentan 70% unserer Gesamtenergie in Form von Fossiler Energie vom Ausland beziehen und dass in der Schweiz auch Uran nicht zur Verfügung steht. Die Herausforderungen der heutigen Energieversorgung sind vielfältig (vgl. Fig. 1) und verlangen neue, umfassende Konzepte.

Abbildung 1.Die Herausforderungen der heutigen Energieversorgung

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Cleantech Energiestrategie 7

2. Grundsätze und Ziele

Der klare Handlungsbedarf in der Energiepolitik ist unbestritten. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten müssen entscheidende Anstrengungen unternommen werden - im Interesse von Wirt-schaft und Gesellschaft. Diese Neuorientierung beinhaltet aber auch einen Gestaltungsfreiraum, den es auszunützen gilt. swisscleantech hat daher Grundsätze und Ziele definiert, wie die Zukunft der Schweizer Energieversorgung aussehen soll und auf welchem Weg diese erreicht werden kann.

Ausrichtung an den KlimazielenDie Energiepolitik hat sich an den Klimazielen auszurichten und nicht umgekehrt. Hier dürfen keine Kompromisse gemacht werden – auch aus Risikoüberlegungen. Das Klimaziel gibt zudem entschei- dende Marktimpulse für die Steigerung der Energieeffizienz. Der Stern Report (2007) zeigt auf, dass es billiger ist heute zu handeln, als Massnahmen auf morgen zu vertagen.

Konsequente Berücksichtigung der Kostenwahrheiten und Risiken – bei allen EnergieformenEntscheidend für den Energieversorgungs-Mix der Zukunft sind die wahren Kosten der einzelnen Energiequellen (Vollkostenrechnung). Dazu gehören die Kosten von CO2-Emissionen, Subventionen, Versicherung, Rückbau, Entsorgung, Stillegung, Biodiversität, Gesundheit und geopolitische Verfüg- barkeits-Risiken. Zum Beispiel muss bei der Frage der Auslandsabhängigkeit unterschieden werden, ob es sich bei den ’Importen’ um libysches Öl oder deutschen Windstrom handelt. Sobald Vollkosten im Preis integriert sind, entsteht Planungssicherheit und die nachhaltige Umsetzungslösung wird vom Markt innerhalb des vorgegebenen Rahmens gefunden. Durch die Lenkung über den Preis hat die Wirtschaft einen permanenten, transparenten und effizienten Anreiz zu Investitionen und kann im Wettbewerb die innovativsten Lösungen erarbeiten.

Qualität der Energie als wichtiges Entscheidungskriterium für den Standort SchweizEs kann nicht Ziel einer Energiestrategie sein, möglichst viel und möglichst billige Energie bereit zu stellen – vor allem nicht für den Qualitätsstandort Schweiz. Vielmehr ist neben dem Preis die Qualität der Energie als Entscheidungskriterium einzubeziehen. Qualitativ hochstehende Energie ist frei von Emissionen, risikoarm und lokal verfügbar. Sie kann einen wichtigen Wettbewerbsfaktor darstellen.

Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit, lokale WertschöpfungEntscheidend für die Wirtschaft ist eine intelligente, dezentrale und gesicherte Versorgung zu einem stabilen Preis. Zudem müssen bei der Beurteilung einer neuen Energiestrategie neben den Kosten immer auch die wirtschaftlichen Chancen betrachtet werden. Ein starker Heimmarkt dank inländ- ischen Massnahmen erhöht die Wettbewerbsfähigkeit in den schnell wachsenden internationalen Cleantech Exportmärkten. Gleichzeitig braucht es bei den Energiepreisen Sonderregelungen für ener-gieintensive Branchen, die exportieren oder deren Produkte durch Importe konkurrenziert werden. Diese Branchen sind jedoch in der klaren Minderheit und dürfen nicht Vorwand dazu sein, keine Kosteninternalisierung für die Mehrheit einzuführen.

Glaubwürdigkeit der Schweiz als Cleantech VorreiterinDie wirtschaftliche Positionierung als Cleantech Vorreiter muss im Vordergrund stehen. Die Schweiz ist in einer guten Position, um diese Rolle wahrzunehmen. Eine aktive Energiepolitik mit Fokus auf Energieeffizienz, Erneuerbare und intelligente Netze unterstützt diese Stossrichtung. Dies passt zu einer modernen, sauberen und sicheren Schweiz – wie im Cleantech Masterplan des Bundes dargelegt.

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Die 5 Hauptziele:

1 Tonne CO2 pro Kopf im Jahr 2050. Dies entspricht einer Senkung der Treibhausgase in der Schweiz um mindestens 80%. Als Zwischenziel sollen die CO2-Emissionen bis 2020 um mindestens 40% reduziert werden, mindestens zur Hälfte im Inland

Anteil der erneuerbaren Energien an der Gesamtenergieversorgung von min. 70% bis 2050

Eigenversorgungsgrad der gesamten Energie von min. 70% bis 2050

Durchführung aller wirtschaftlich sinnvollen Effizienzmassnahmen zur Verbrauchsreduktion, ohne Einschränkung der Lebensqualität und Wettbewerbsfähigkeit

Energiewirtschaft als dezentraler, transparenter, liberaler und internationaler Markt

3. Strategie: Die IV neuen Säulen

Erst durch die Implementierung spezifischer Massnahmen wird die Cleantech Energiestrategie zum Erfolg. Diese betreffen verschiedene Bereiche der Politik. So ist zum Beispiel die Energieversorgung mit erneuerbaren Energien auf ausreichende Speicherkapazitäten und ein intelligentes Netz angewiesen. Die Montage der Solarzellen braucht das Fachwissen der Handwerker und die Entwicklung der Geo-thermie bedarf Forschung und Demonstrationsanlagen. Als Grundlage der Massnahmenstrategie schlägt swisscleantech eine Neudefinition der vier Säulen der Schweizer Energiepolitik vor.

Abbildung 2. Die IV neuen Säulen der Cleantech Energiestrategie (bisher: Energieeffizienz, Erneuerbare Energien, Grosskraftwerke und Energieaussenpolitik)

Cleantech Energiestrategie

KonkurrenzfähigeWirtschaft

Intelligente Distribution und Speicherung

Bereitstellungin hoher Qualität

Energieeffizienz

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I. EnergieeffizienzDie Steigerung der Energieeffizienz ist Voraussetzung für die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch und trägt zur Verminderung der Auslandabhängigkeit bei. Sämtliche wirtschaft-liche Potentiale zur Energieeffizienz müssen proaktiv genutzt und umgesetzt werden. Haupttreiber für die Umsetzung ist die Internalisierung der Kosten. In Bereichen, in denen steigende Kosten ungenü-gend wirken, kommen progressiv verschärfte Grenzwerte und Standards zur Anwendung.

II. Bereitstellung in hoher QualitätSämtliche Quellen für nutzbare Energien sollen zum Einsatz kommen. Dabei ist entscheidend, dass alle Quellen ihre vollen Kosten tragen. Mit Ausnahme der Tiefen-Geothermie (Einsatzbereitschaft ca. 2030 erwartet) werden nur Potentiale in Betracht gezogen, die heute bereits zur Verfügung stehen. Der Fokus liegt auf der Qualität, auch wenn diese zu bis zu 30% höheren Stromkosten führt. Die Kosten werden durch Vorteile wie geringere CO2-Belastung, höherer Eigenversorgungsgrad und bessere Cleantech-Positionierung mehr als kompensiert.

III. Intelligente Distribution und SpeicherungAuf Grund der Zunahme von dezentralen Produktionseinheiten und einer Verschiebung des Importes von Strom kommt dem Netzausbau eine grosse Bedeutung zu. Sowohl intelligente Netze, wie auch die grossräumige Verteilung über ganz Europa (Anschluss ans HGÜ) unterstützen die Bemühungen zur Stromspeicherung. Diese wird im Tagesgang und saisonal notwendig sein. Die Bewirtschaftung der Speicherseen muss zudem so optimiert werden, dass der im Inland erzeugte Strom aus erneuerbaren Energien gespeichert werden kann. Die Schweiz kann hier auf existierende Stärken und vorhandene Infrastrukturen zurückgreifen, muss diese aber zielgerichtet weiter ausbauen.

IV. Konkurrenzfähige WirtschaftNeben der verbreiteten Fokussierung auf die Energiekosten muss im wirtschaftlichen Kontext ein weiterer Fokus auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft gelegt werden. Energieeffiziente Produkte und Produkte zur Gewinnung von erneuerbaren Energien stellen einen boomenden inter- nationalen Wachstumsmarkt dar. An diesen Chancen soll die Schweizer Industrie teilhaben und sich als Marktleader etablieren können. Die Schweiz soll im Inland vorantreiben, was sie im Ausland verkaufen will und so kontinuierlich in relevanten Bereichen Wissen und Erfahrung generieren.

4. Das Cleantech Energiemodell

Um die Energiediskussion zu versachlichen und um gleichzeitig die Umsetzung einer zukunftsfähigeren und machbaren Energiestrategie einzuleiten, hat swisscleantech ein Modell erarbeitet. Dieses soll die Akteure in den Festlegungen von Strategie, Zielen und Massnahmen unterstützen.

Das technische Energiemodell ermöglicht die Darstellung der vorgesehenen Entwicklung bis 2050 unter Einhaltung der beschriebenen Ziele. Das Modell basiert auf über 100 Parametern, von denen 40 Hauptparameter dynamisch verändert werden können, um verschiedene Entwicklungen aufzu-zeigen. Beispiele für solch veränderbare Grössen sind die Potentiale der Energieeffizienz oder der einzelnen erneuerbaren Energien. Die Parameter wurden im Dialog mit Mitgliederfirmen und Experten abgeschätzt und mit bestehenden Studien verglichen.

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10 Cleantech Energiestrategie

Tabelle 1.Parameter der Bedarfsentwicklung und Effizienzpotentiale

Über weitere Parameter sowie Quellenangaben zu den einzelnen Parameter gibt swisscleantech gerne auf Anfrage Auskunft.

Bereich Entwicklung 2011 bis 2050 2050

Bevölkerung Die Bevölkerung der Schweiz nimmt bis ins Jahr 2050 von heute knapp 8 Mio auf 9 Mio Einwohner zu. 9 [Mio]

Gebäude Die beheizte Fläche vergrössert sich um 20%, was bei unverändertem Verbrauch einen um 20% vergrösserten Verbrauch nach sich ziehen würde. 20 [%]

Die spezifische Heizenergie und der Energieverbrauch zur Produktion von warmem Wasser wird um 60% reduziert. Erforderlich dazu ist eine engagierte Dämmstrategie, eine Ausdehnung der Anwendung von thermischen Solarkollektoren zur Erzeugung von Warmwasser und die Nutzung der gebäudeinternen Abwärmen.

-60 [%]

Auf eine Verbrennung zur Beheizung der Gebäude wird weitgehend ver-zichtet. Heizenergie wird über Wärmepumpen (2050: JAZ 4.5) oder durch die Abwärme von Wärmekraftkopplungen (grosse Gebäude und dicht besiedelte Gebiete) bereitgestellt.

4.5 [1]

Industrie: Prozessenergie

Prozesse, die Prozessenergie benötigen, steigern ihren Ausstoss um 10%. 10 [%]

Durch konsequente Wärmerückgewinnung und Prozessintegration wird die benötigte Prozessenergie um 20% reduziert. -20 [%]

Mobilität Die gefahrenen Personenkilometer nehmen um 20% zu und der Waren-verkehr, gemessen in Tonnenkilometern, um 40%.

20 [%]

40 [%]

Dank verschiedenen Massnahmen wird der spezifische Energieverbrauch in der Personenmobilität um 55% reduziert. Entscheidende Faktoren sind Elektrifizierung, Ausbau von Öffentlichem Verkehr und Langsam Verkehr in den Agglomerationen und effizientere, konventionelle Fahrzeuge.

−55 [%]

Beim Warenverkehr führt die verbesserte Logistik, eine Verlagerung aller Fahrten über 50 km auf die Schiene sowie eine grössere Effizienz in der Feinverteilung dank teilweiser Elektrifizierung zu einer Reduktion des Energieverbrauchs um 50%.

-50 [%]

Übriger Verbrauch, Geräte, IT, etc.

Eine Zunahme von Geräten führt dazu, dass ohne Ausschöpfung der Effizienzpotentiale eine Zunahme des Stromverbrauchs um 25% resultieren würde.

25 [%]

Die Effizienzpotentiale basierend auf bestehenden Technologien (konserv- ativ) liegen bei 35% (Stromverbrauch für Wärmepumpen und Mobilität sind hier nicht eingerechnet, sondern werden in den Bereichen Gebäude und Mobilität berechnet und dort ausgewiesen).

-35 [%]

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Cleantech Energiestrategie 11

swisscleantech hat verschiedene Szenarien gerechnet und hat jeweils den Fokus stärker auf der Effi- zienz oder auf den Erneuerbaren gesetzt. Das hier präsentierte Basisszenario errechnet sich aus einem ausgewogenen Mix zwischen Effizienzmassnahmen und Kapazitätsausbau bei den erneuerbaren Energien. Es ist aus Sicht von swisscleantech ein wirtschaftlich attraktiver Weg. Bei anderen/neuen Grundannahmen (z.B. der frühzeitigen Schliessung eines bestimmten Kraftwerks via Politik-Entscheid) müssen die hier dargelegten Szenarioannahmen geändert werden um wiederum ein in sich kohärentes und finanzierbares Szenario darzustellen.

Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Strategie wurden verschiedentlich untersucht. Die Studien von Infras (2009), Lucas Bretschger (ETH, 2010) und McKinsey&Company (2010) lassen darauf schliessen, dass Energie ein stetig an Bedeutung zunehmender Wettbewerbsfaktor ist. Die Umstellung auf eine nachhaltige Energieversorgung führt nicht zu Lebensqualitätseinbussen aber zu mehr Arbeitsplätzen. In den Energieszenarien des Bundes wird mit Kosten der Energiewende (ohne Einbezug von Externalitäten in den Bereichen Risikoreduktion, Rohstoffabhängigkeit, Umwelt, Ge-sundheit und Wirtschaft) von jährlich 0,4-0,7% des BIP gerechnet. Gemäss Analysen der ETH Zürich vom September 2011 würde eine Energiewende lediglich zu einer Wachstumsverzögerung von einem Jahr führen. In der Auffassung von swisscleantech ist die Energiewende, vor allem unter Einbezug der wirtschaftlichen Chancen, höchst attraktiv für die Schweiz und wird zu besserer Lebensqualität führen. swisscleantech wird bis Frühjahr 2012 weitere Einschätzungen hierzu veröffentlichen.

Die Frage der Kernkraft ist im Rahmen einer Gesamtenergiestrategie zu beantworten. Die Vollkosten- rechnung der berechenbaren Kosten (Versicherung eines Unfalls mit hoher Freisetzung von Radioak- tivität, Stilllegung, Rückbau, Endlagerung) führt zu einer markanten Preiserhöhung des KKW-Stroms.

Werden zudem die steigenden Sicherheitsanforderungen für Kernkraftwerke berücksichtigt, sind diese in Zukunft kaum wettbewerbsfähig. Die Kosten der Kernkraft steigen, ganz im Gegensatz zu den erneuerbaren Energien, welche durch Skaleneffekte schnell günstiger werden. Zudem ist das Restrisiko eines Kernkraftunfalls in der dicht besiedelten Schweiz im Herzen Europas schlicht untragbar. Die Cleantech Energiestrategie propagiert daher einen geordneten aber dezidierten Ausstieg aus de r Kernkraft orientiert an deren Sicherheitsanforderungen (vgl. Tabelle 2). Gemäss ihrem Zustand und Ausbaustandard sollten die alten Reaktoren möglichst früh ausgeschaltet werden. Da sich die Schweiz alle zukünftigen Optionen offen halten sollte, wird Forschung in den Bereichen der nuklearen Sicher-heit, Entsorgung, Lagerung und neuen Reaktortechnologien weitergeführt. Die der Energieforschung gesamthaft zur Verfügung stehenden Fördermittel werden jedoch erhöht und verstärkt für Effizienz, Erneuerbare und Netze alloziert.

Tabelle 2.KKW-Ausstiegsplan (gemäss Vorschlag Bundesrat)

Beznau 1 Beznau 2 Mühleberg Gösgen Leibstadt

Inbetriebnahme 1969 1971 1972 1979 1984

Laufzeit 50 50 50 50 50

Abschaltung 2019 2021 2022 2029 2034

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12 Cleantech Energiestrategie

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Cleantech Energiestrategie 13

Abbildung 3.Cleantech Endenergieversorgung 2010 – 2050

Entwicklung des Energieverbrauchs der Schweiz bei Implementierung der empfohlenen Massnahmen und Einhaltung der CO2 Ziele. Unter Einrechnung realistischer Wachstums- und Effizienzpotentialien. Kernkraft wird als Eigenversorgung gerechnet, mit Ausstieg bis 2034.

5. Die Stromversorgung im Winter

Während in Zukunft im Sommer die Herausforderung darin bestehen wird, die vorhandenen Energien kurzfristig zu speichern und zu verteilen (vgl. Kapitel 6), muss im Winter darauf reagiert werden, dass das Angebot knapper wird. Swisscleantech hat deshalb den Jahresgang von Stromversorgung und Strombedarf abgeschätzt. Dazu wurde das Jahr nach Abschaltung des letzten Kernkraftwerks (2035) analysiert. Die Berechnung der Jahresverteilung ist ohne mögliche Auswirkungen des Klimawandels durchgeführt. Diese werden tendenziell die Situation leicht entschärfen, da der Heizbedarf abnimmt und gleichzeitig das Angebot an Wasserkraft im Winter eher zunehmen wird, während es im Sommer sinkt.

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14 Cleantech Energiestrategie

Folgende drei Massnahmen ermöglichen die Sicherstellung der Versorgung:

•AusbauderwärmegeführtenWärmekraftkopplung

•StrategischerEinsatzvonSpeicher-undPumpspeicherkraftwerkeninden Monaten mit tiefem Stromangebot

•MassvollerImportinsbesondereindenwindreichenJahreszeitenHerbst und Frühling. Auf Grund der Speicher und Pumpspeicherkapazitäten kann Überschussenergie aus europäischen Windanlagen optimal und zu günstigen Konditionen eingesetzt werden.

Abbildung 4.Jahresverlauf 2035

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Cleantech Energiestrategie 15

6. Neue Aufgaben für das Stromnetz

Für die Umsetzung der Cleantech Energiestrategie kommt dem Netz eine entscheidende Rolle zu. Durch den teilweisen Wegfall der Bandenergie und das Hinzukommen von ’nervöser’ (zeitlich unterschied-lich anfallender) Energie aus dem In- und Ausland muss das Schweizer Stromnetz zusätzliche Funkti-onen wahrnehmen können. Damit diese ab 2025 in Anspruch genommen werden können, sind die dafür notwendigen Infrastrukturinvestitionen rasch zu realisieren.

Freier Verkehr zwischen den Netzebenen in beide RichtungenWährend der Strom bisher im Wesentlichen in einer Richtung – von der Hochspannung zur Nieder-spannung – floss, muss im neuen, dezentralen Umfeld mit vielen kleinen Produzenten der Strom ungehindert und in beiden Richtungen zwischen den verschiedenen Netzebenen fliessen können.

Optimale internationale AnbindungMittelfristig werden in Europa verschiedenste erneuerbare Energieerzeugungskapazitäten zur Verfü- gung stehen. Diese fallen z.T. unregelmässig an. Dies eröffnet für die Betreiber der Schweizerischen Pumpspeicher- und Speicherwerke interessante wirtschaftliche Chancen. Schon heute kann Wind- strom auf der Strombörse zu Spitzenzeiten annähernd zum Nulltarif beschafft werden. Wer diese Energie zeitverschoben zur Verfügung stellen kann, profitiert von hohen Preisen. Die Schweizerische Stromindustrie kann ihre Stärken – grosse Flexibilität dank der Pump- und Pumpspeicherkapazität – voll ausschöpfen, wenn die internationale Einbindung eine ausreichend grosse Leistung aufnehmen kann. Dabei muss Regel- und Speicherinfrastruktur optimal ans Netz angebunden sein. Die Schweiz muss sich deshalb proaktiv in internationale Projekte zur Realisierung von Hochspannungsgleich- stromnetzen einbringen. Auf Grund der geographischen Lage der Stromerzeugungskapazitäten und der erneuerbaren Potentiale ist insbesondere eine Nord-Süd Verbindung von Deutschland nach Italien für die Schweiz von grosser Bedeutung.

Lokaler Netzausgleich durch Smart GridUngleichmässige Einspeisung erfordert mehr Regelkapazität. Wird diese zumindest teilweise dezentral bei den Produzenten zur Verfügung gestellt, kann der Netzausbau auf den höheren Netzebenen redu-ziert werden. Dies vermindert die Ausbaukosten und ermöglicht es, die Batteriefunktion auf europäi-scher Ebene möglichst auszunützen. Diese Pufferung muss zusätzlich unterstützt werden durch flexibel ansteuerbare Verbraucher und Produktionsanlagen, die bei einer Überschussproduktion abgeschaltet werden können. Für den richtigen Mix aus Netzausbau, lokalen Zwischenspeichern, abschaltbaren Produzenten und Verbrauchern muss das kosteneffiziente Minimum bestimmt werden.

Offener Markt, flexible VerrechnungUnterstützt wird dieser Umbau durch eine maximale Flexibilisierung der Verrechnung. Dabei muss nicht nur die Netznutzungsgebühr gemäss den Engpässen flexibilisiert werden (andere Tageszeiten, andere Tarife), es muss auch der Produktionspreis an die momentane Versorgungssituation ange- passt werden. Abrechnungstarife sind deshalb im bedeutend kürzeren Intervallen zu bestimmen und zu verrechnen. Die dazu notwendigen technischen und regulatorischen Rahmenbedingungen sind zu schaffen. Weiter ist ein freier Markt für Strom zu aufzubauen, der Wahlfreiheit und einen freien Zugang für die Kunden ermöglicht.

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16 Cleantech Energiestrategie

7. Finanzierung

Zur Finanzierung sollen grundsätzlich Instrumente angewendet werden, welche die Vollkosten der Energieerzeugung möglichst gut abbilden. Die Vollkosten müssen für jede Energieform gemäss ihren externen Kosten individuell bestimmt werden (vgl. Tabelle 3). Kosten, die nicht vollständig einge-rechnet sind, tragen bis anhin die Gesellschaft, die Umwelt, resp. nachfolgende Generationen. Sie sollen neu in den Energiepreis eingerechnet werden.

Gemäss diesem Grundsatz kann langfristig (ab 2020) Umsetzung und Finanzierung der Cleantech Energiestrategie über eine ökologische Steuerreform gewährleistet werden. Diese setzt Anreize über den Preis und schafft einen umfassenden Rahmen für eine nachhaltige Energiewirtschaft. Im Rahmen der ökologischen Steuerreform gilt es auch, ökologisch falsche Anreize abzuschaffen und Steueraus-fälle wie z.B. durch einen Rückgang des Treibstoff-Verbrauchs zu kompensieren.

Für die kurzfristige Finanzierung und den notwendigen engagierten Anschub der Energiewende kann der bereits etablierte KEV-Mechanismus verwendet werden. Durch eine schrittweise Anhebung des Zuschlags für die KEV (Gesamtdeckel) um maximal 2.5 Rp und eine Optimierung der Förderung wird der erforderliche Zubau vollumfänglich ermöglicht. Bei der Gestaltung der Vergütungssätze sind die tech-nischen Verbesserungen zu berücksichtigen, so kann bei gleichen Finanzmitteln kontinuierlich mehr Kapazität erstellt werden. Der Zubau an neuen Kapazitäten ist stetig und voraussehbar zu gestalten. Die KEV Beiträge bleiben aber gedeckelt und verhindern damit einen übermässigen Zubau und zu hohe langfristige Finanzverpflichtungen. Am dringlichsten ist dabei eine Anhebung des Deckels bei der Photovoltaik. Mit der gleichzeitigen Beibehaltung der einzelnen Teildeckel wird ein effizienter Einsatz der Mittel angestrebt.

Diese Finanzierungslösung hat den Vorteil, dass sie über eine Änderung der Verordnung schnell und unbürokratisch umgesetzt werden. Gleichzeitig soll über eine optimierte Tarifierung der Netzkosten erreicht werden, dass die vorübergehende KEV-Förderung früher entfallen kann. Durch eine verursa-chergerechte Gestaltung werden die erneuerbaren Energien schneller wettbewerbsfähig.

Nebst dem Zubau an erneuerbaren Energien wird es notwendig sein, rasch und unbürokratisch in den Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur zu investieren. Erste eigene Berechnungen zeigen, dass hier Kosten von rund 1 Rp pro kWh über die nächsten 15 Jahre anfallen werden. Der Ausbau kann automa-tisch über die Netzkosten finanziert werden. swisscleantech fordert dafür in erster Linie mehr Trans-parenz über die Netznutzungstarife.

Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass sich durch den steigenden Bedarf an Regelenergie für die Elektrizitätswerke lukrative neue Geschäftsfelder ergeben. Der dazu notwendige Netzausbau zur opti-malen Einbindung der Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke und zur Erhöhung der Durchleitungs-kapazitäten, soll durch die zu erwartenden Gewinne aus diesem Geschäft mitfinanziert werden.

Die notwendigen Aufschläge führen zu einem durchschnittlichen Anstieg des Strompreises für Haus-halte von ca. 25% und für Firmen von ca. 30%, je nach Stromtarif. Für fossile Energieträger wird ein ähnlicher Preisanstieg erwartet. Dies setzt wichtige mittel- und langfristige Lenkungsimpulse hin zu

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einem sparsameren Verhalten - wie jüngst durch eine Schweizer Studie bestätigt (KOF 2011, im Auftrag von economiesuisse). Eine solche preisliche Lenkung kombiniert mit anderen Massnahmen wie z.B. Mindeststandards wirkt flächendeckend und führt zu signifikanten Effizienzgewinnen.

Für energieintensive Branchen können und müssen Ausnahmeregeln vereinbart werden damit diese Firmen in einer Übergangszeit und speziell bezüglich Konkurrenz durch Importe sowie bei Exporten nicht benachteiligt werden.

Tabelle 4. Vollkostenrechnung pro Energieform

8. Link zum CO2 Gesetz

Durch die Umsetzung der hier vorgestellten Strategie zusammen mit den Massnahmen des CO2- Gesetzes, wird bis 2020 eine Reduktion der Treibhausgase um 20% im Inland erreicht. Dies entspricht dem Inlandanteil des von den Räten beschlossenen Reduktionsziels bis 2020. Bis 2050 wird die 1-Tonnen-CO2-Gesellschaft umgesetzt.

Umgekehrt tragen die Massnahmen des aktuell debattierten CO2-Gesetzes zur Umsetzung der Energie-strategie bei. An den bereits beschlossenen Artikeln ist festzuhalten. Von den noch zu diskutierenden Massnahmen sind vor allem die Erhöhung des Gebäudesanierungsprogramms auf CHF 300 Mio und der Anschluss allfälliger Gaskombikraftwerke an das EU-ETS oder entsprechende Kompensationsrege-lungen im Sinne einer Cleantech Energiestrategie.

Energiequelle Externe Kosten

Kernkraft Versicherung Unfallrisiko, Lagerung, Transport, Verpflichtungen aus Lieferverträgen für Brennstäbe, Stilllegung (z.Z. unzureichend finanziert)

Wasserkraft Staudamm Risiken sind unzureichend gedeckt. Schäden entstehen jedoch im Gegensatz zur Kernkraft nur in lokaler und regionaler Grössenordnung mit kurzfristiger Wirkung.

Erneuerbare Bei Sonne, Wind und Biomasse gilt es den Einfluss auf die Biodiversität, den Landschaftsschutz, der grauen Energie sowie den Umgang mit Chemikalien bei der Produktion der Anlagen zu berücksichtigen. In der Aufbauphase werden externe Kosten durch die unterschiedlicheGewichtung der Förderung in Betracht gezogen. Als Teil einer ökologischen Steuerreform sollen die Vollkosten aller Erneuerbaren vollständig einbezogen werden.

Fossile Bei den Fossilen werden die negativen externen Kosten via CO2-Abgabe/Kompensation imCO2-Gesetz bis 2020 zumindest teilweise internalisiert. Danach sollen die Fossilen Externalitätender im Rahmen der ökologischen Steuerreform eingerechnet werden.

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9. Das Massnahmenpaket

Verschiedenste Massnahmen sind in jeder der vier Säulen der Cleantech Energiestrategie gefordert. Priorität haben marktorientierte Massnahmen, die durch die richtige Preissetzung Anreize setzen. Weitere Kriterien sind Transparenz und Planbarkeit für Unternehmen, hohe Kosteneffizienz, wenig Bürokratie sowie Haushaltsneutralität.

Hintergrund zum EnergiepreisIm Vergleich zu anderen Europäischen Ländern hat die Schweiz heute günstige Energiepreise. Strom ist real in den letzten 25 Jahren um durchschnittlich über 25% günstiger geworden (spezielle Industrie-tarife müssen gesondert betrachtet werden). Entscheidend bei jeder Energiepreiserhöhung sind die Auswirkungen auf die Haushalte und die Gesamtwirtschaft.

Zu den energieintensiven Branchen werden üblicherweise jene Branchen gezählt, bei welchen die Elektrizitätskosten mehr als 10 Prozent der Bruttowertschöpfung betragen. Dazu gehören das Textil- gewerbe, die Papier- und Kartonindustrie, die Glas- und Zementindustrie, die Metallindustrie sowie die Recyclingbranche. Im Jahr 2009 verbrauchten diese Branchen insgesamt 12.7 TWh Energie, davon 4 TWh Elektrizität, und stellten 6760 Arbeitsstätten mit 85’250 Arbeitsplätzen (Vollzeitbeschäftigte). Dies entspricht 2.3% der 300’000 Unternehmen in der Schweiz und ca. 2.5% der total 3.4 Mio Arbeits- plätzen. Sie benötigten zusammen 5.2% der schweizerischen Gesamtenergie und 6.7% des Stroms1. Ein Blick auf die Firmenebene zeigt, dass es in der Schweiz ca. 50 Unternehmen gibt mit einem Ener- giekostenanteil an der Bruttowertschöpfung von mehr als 10 Prozent. Diese Firmen sind durch hohe Energiekosten stark tangiert und müssen gesondert behandelt werden.

Der jährliche Haushalt-Stromverbrauch (2 Personen) in einem Mehrfamilienhaus ohne Elektroboiler beträgt in der Schweiz durchschnittlich 4’000 KWh. Ein Aufpreis von ca. 3 Rappen pro KWh (25%) verursacht monatliche Mehrkosten von ca. 11 Franken pro Haushalt.

Beispiel einer Cleantech Anwendung: Solarboot der Mitgliederfirma Planet Solar

1 Aufgrund der Datenlage wurden diese Werte anhand der Branchengruppen berechnet, diese stimmen nicht 100% mit den

jeweiligen Branchen überein. swisscleantech plädiert dafür, dass der Bund die entsprechende Datenbasis sobald möglich

verfügbar macht.

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Tabelle 5.Übersicht über das Massnahmenpaket der Cleantech EnergiestrategieEs werden drei Massnahmetypen unterschieden: K = Kurzfristig (bis 2015 wirksam), M = Mittelfristig (bis 2020), L = Langfristig.

Säule Massnahme K / M / L

Energie- effizienz

Verbot und Ersatz von Elektroheizungen und -Boilern K

Vorgeschriebene SIA-380 Grenzwerte K

Verschärfte Gebäudeenergievorschriften und konsequentere Förderung von Gebäudesanierungen K / M / L

Progressive Verschärfung der Effizienzvorschriften für Lampen und Geräte sowie Labels (in der bekannten A-F Klassifizierung) in jenen Bereichen, in denen diese noch nicht existieren (z.B. IT)

K / M

Förderung Energieeffizienz beim Verkehr (Motoreneffizienz, Modalsplit, Mobility Pricing) M

Nationale Elektromobilitäts-Strategie M

Energieplanung (Kombinierte Energie-, Raum- und Verkehrsplanung) M / L

Bereit- stellungin hoher Qualität

Finanzierung zum Einstieg in das Cleantech Energiezeitalter: Prämien Kernkraft/ Wasserkraft, oder Abgabe via KEV-Mechanismus K

KEV: Anhebung und Integration WKK, ORC, andere Technologien, Optimierung der Förderung K

Verbesserung der Rahmenbedingungen für Geothermie und WKK K

Wasserkraft-Charta/runder Tisch: Ausarbeitung einer Schweizweiten ökologischen und ökonomischen Gesamtoptimierung der Wasserkraft K

Ökologische Steuerreform, Energie- statt Mehrwertsteuer L

Intelligente Distribution

und Speicherung

Internationale Anbindung: Abschluss Stromversorgungsabkommens mit der EU, Strategie Schweiz als Drehscheibe und Batterie Europas, Schweiz als Zentrum und Investor in (HVDC-) Hochspannungsnetz-Verbingungen

K

Verursachergerechte Tarifierung K

Nationales Programm zur Etablierung eines Smartgrid K / M

Dezentraler Netzausbau: Kapazitätserhöhung, nationales Koordinations- M/L programm „Stromspeicherung“, Kostensozialisierung, Unterbodenle-gung aller neuen Leitungen (inkl. Ersatz/Erneuerung)

M / L

Konkur-renzfähige Wirtschaft

Einfachere und schnellere Bewilligungsverfahren für erneuerbare Energien (insbesondere bei Solar und Wind) K

Forschungsförderung für Effizienz, Erneuerbare, Distribution und Speicherung K

Umschulung zur Rekrutierung zusätzlicher Fachkräfte K

Verstärkung Programme EnergieSchweiz und Energiestadt K

Förderung von PPP-Projekten K

Qualitätszertifizierung/ Quellennachweis bei allen Energieformen M

Schaffung eines liberalisierten Energiemarktes (Anbieterwahl) M

Einbindung Kapitalmarkt (verschiedene Massnahmen, Beispiel Pensions-kassen als Investor von nachhaltiger Infrastrukturen und Gebäuden) M/L

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Für zusätzliche Informationen zu den Berechnungen steht Christian Zeyer ([email protected], 079 606 2146) für swisscleantech Mitglieder, ausgewählte Experten und Parlamentsmitglieder zur Verfügung.